Brückenbau 1/2011

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www.verlagsgruppewiederspahn.de

1 1 . S YM P O S I U M ISSN L E1867-643X I PZIG

Ausgabe 1 . 2011

11. Symposium Brückenbau in Leipzig

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E D I TO R I A L Zum (elften) Symposium in Leipzig

Baukultur aus Überzeugung von Michael Wiederspahn

Dipl.-Ing. Michael Wiederspahn

Von Baukultur zu reden, ihre flächendeckende Verbreitung anzumahnen oder ihren tadellosen Ruf im Rahmen einer Schlagzeile einzusetzen, um irgendwelche Wortmeldungen oder Werkschauen zu adeln, ja eigenen wie befreundeten Initiativen den Glanz des außergewöhnlich Guten, Schönen oder wenigstens Sinnvollen zu verleihen, gehört heute offenbar zum besseren Ton: Wer sich anderer Formulierungen bedient, läuft Gefahr, als ein (Bau-)Kulturbanause zu gelten, der sich lediglich von funktionalen oder sogar rein ökonomischen Erwägungen leiten lässt. Wem will oder soll man es mithin verdenken, wenn er ein solches Risiko zu bannen sucht und sich deshalb früher oder später im Dauergebrauch einer »Vokabel« übt, die dank ihres superben Klangs sein Renommee zu wahren oder aufzupolieren hilft? Derartige Vermeidungs- und zugleich Aufwertungsstrategien weisen freilich einen winzigen Makel auf, bedürfen sie doch einer mehr oder minder einprägsamen Präzisierung, damit ihre An- oder Unterbringung nicht (ganz) so vordergründig und inhaltsleer zu wirken droht. Und das erklärt letztlich die wachsende Beliebtheit eines Begriffes, der eine ebenso zweckorientierte wie niveaubewusste Genauigkeit verheißt, da sich in ihm das oft erstrebte und nur selten erzielte Zusammenspiel von Kreativität, Kunstverständnis und Konzeptionsstärke auszudrücken scheint. »Gestaltung« lautend, findet er inzwischen eine durchaus grenzüberschreitende, alle und alles betreffende Anwendung, wobei leider auffallend häufig vergessen wird, dass sich seine Bedeutung auch oder überwiegend auf die Be- und Verhübschung von ansonsten eher profan anmutenden Gebilden und Strukturen bezieht.

Nein, Baukultur auf die Frage der Gestaltung oder deren Anschaulichkeit zu reduzieren, sie allein unter dem Blickwinkel einer (persönlichen) KostenNutzen-Rechnung zu beleuchten, wird ihr kaum gerecht – besonders im Brückenbau als einer Disziplin, die eine detaillierte Beschäftigung in puncto Ästhetik und Technik nachgerade erzwingt, deren stets komplexe Randbedingungen ohnehin keine verk(n)appte, auf Konturenkosmetik oder Kulissenkorrekturen verkürzte Beurteilungen erlauben und die infolgedessen exakt das erfordert, was im Prinzip generell zu leisten bleibt: die angemessene, weil umfassende Betrachtung eines Prozesses, der mit der ersten Ideenskizze beginnt und sich dann von der Entwurfserarbeitung über die Ausführungsplanung bis hin zur Herstellung des (Brücken-)Bauwerks erstreckt. Jeder, der die Einladung zu unserem (elften) Symposium gelesen hat, kennt natürlich Vortragstitel wie Referentennamen, kann also ab- und einschätzen, was ihn in Leipzig erwartet, welche Informations- und Diskussionsmöglichkeiten ihm vor Ort geboten werden – und warum wir, die unterschiedlichsten Kriterien der Projektrealisierung in ihrer Gesamtheit abbildend und analysierend, schon seit vielen Jahren »Brückenbau ist Baukultur« als Motto für ein Programm wählen, dessen thematische Ausrichtung sich nicht auf die Ab- oder Behandlung eines einzigen Aspektes beschränkt. Eine weiter- oder tiefergehende Erläuterung von Anspruch und Qualität dieses zweitägigen Ingenieuraustauschs erübrigt sich insofern, zumal seine Premiere bereits über eine Dekade zurückliegt, er daher über Tradition und eine große Reputation verfügt, die sich zudem in den Tagungsbänden und deren Entwicklung von der einfachen Dokumentation zur periodisch herausgegebenen Fachzeitschrift widerspiegelt. Die Lektüre des BRÜCKENBAU sei hier (deswegen) nochmals empfohlen.

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I N H A LT

Editorial

Michael Wiederspahn

Symposium

Mike Schlaich, Arndt Goldack, Uwe Burkhardt

Wolfgang Eilzer, Karl Humpf, Michael Moslener

Frank Minas

Christian Gläser, Werner Brand, Roland Weber

Bernd Rothe, Karl-Heinz Reintjes

Winfried Glitsch

Christian Braun

Markus Hamme

Karl Goj

Vitus Danzl

Hans Bulicek, Karl Goj, Günther Kleiner

Holger Hauser, Peter Seitz

Knut Bock

Norbert Duczek

Volkhard Angelmaier

Aktuell

Michael Wiederspahn

88

Produkte und Projekte

92

Software und IT

94

Nachrichten und Termine

101

Stellenmarkt

102

Branchenkompass

103

Impressum

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Baukultur aus Überzeugung

Yamuna-Brücke in Indien

Planung von Brückenbauwerken in Südamerika Neubau der Brücke über die Save in Belgrad Sae Poong Bridge in Südkorea

Geplante Großprojekte in Hamburg

Renaissance der integralen Bauweise im Brückenbau Die Differentialbauweise im Brückenbau Neubau der Schnettkerbrücke Neubau der Talbrücke Enzenstetten Trauntalbrücke in Traunstein Bauweisenvergleich am Beispiel der Talbrücke(n) Schallermühle Mit Match Cast über das Fundertal Talbrücke Weißenbrunn am Forst Neubau der Brücke über die IJssel bei Zwolle Ertüchtigung von Großbrücken

Zum 60. Geburtstag von Ingbert Mangerig

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1 1 . SYM P O S I U M L E I PZ I G Entwurfsaufgabe und Tragwerk

Yamuna-Brücke in Indien von Mike Schlaich, Arndt Goldack, Uwe Burkhardt

Dieser Beitrag stellt die YamunaBrücke vor und beschreibt die Entwurfsaufgabe sowie das Tragwerk. Die einhüftige Schrägseilbrücke für die Hauptstadt Indiens, Neu-Delhi, ist zurzeit im Bau und soll 2013 fertiggestellt sein. Sie bietet nicht nur die Funktionalität einer Straßenbrücke, sondern weist auch Besonderheiten mit einem hohen Wiedererkennungswert auf: Der Bauherr verlangte ganz explizit nach einer »Signature Bridge«, ein Wunsch, der in der letzten Zeit öfter geäußert wird.

1 Ausschnitt aus dem Masterplan © RJB Architects

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1 Einleitung In den letzten Jahren verlangen Bauherren vermehrt nach Brücken, die nicht nur die Funktionalität einer herkömmlichen Struktur erfüllen, sondern auch hinsichtlich der Gestaltung einen ausgefallenen Charakter mit einem hohen Wiedererkennungswert aufweisen. Begriffe wie »Iconic Structure«, »Landmark« und »Signature Bridge« finden sich häufig in internationalen Ausschreibungen von Brückenwettbewerben wieder. Brücken als Wahrzeichen – das kann durchaus eine interessante Möglichkeit sein, wie die Golden Gate Bridge, die Millennium Bridge in London oder die Erasmusbrücke in Rotterdam belegen. Allgemein bieten Brücken im städtischen Kontext mit einer entsprechenden Form und einer begleitenden Stadtentwicklung ja die Chance, ein Quartier in vielerlei Hinsicht aufzuwerten. Grundsätzlich ist diese Entwicklung positiv, denn eine Brücke sollte immer ein Solitär sein, also einen bestimmten Ort mit seinen Randbedingungen reflektieren. Es sind stets die Randbedingungen, die alle Infrastrukturprojekte, und ganz besonders die Brücken, beeinflus-

sen. Solche Randbedingungen führen zu einem Brückenentwurf, der zu dieser Zeit zu diesem Ort passt. Sie bestehen dabei nicht nur aus den geographischen und geologischen Gegebenheiten, wie zum Beispiel den Gründungsverhältnissen, dem Klima und den Lasten, sondern umfassen zugleich technische Merkmale einer Region, wie unter anderem das vorhandene Baumaterial, übliche Verbindungsmittel, die Ausbildung und Fähigkeiten der Arbeitskräfte sowie das Know-how der beteiligten Bauindustrie. Natürlich werden die Randbedingungen für einen Entwurf zudem durch die Topographie, die Landschaft, die finanzielle Situation der Bauherren sowie geschichtliche und soziale Charakteristika definiert. Diese Entwicklung verdeutlicht, dass der Brückenbau im Bewusstsein der Öffentlichkeit angekommen ist. Viele Beispiele, wie unter anderem die oben genannten Brücken, veranschaulichen, dass Infrastrukturprojekte die Baukultur zu bereichern vermögen. Brückenbau ist ein Teil unserer Baukultur. Gerade im Brückenbau können Ingenieure zeigen, dass eine gute Gestaltung mit kleinem oder nur geringem Mehraufwand verbunden ist. Aber die Entwicklung hin zu Brücken als Wahrzeichen bringt Ingenieure in einen Zwiespalt, denn oftmals sind Bauherren nicht mehr mit dem klassischen Entwurfsansatz »Form follows Function« zufrieden, sondern sie verlangen nach spektakulärer Formgebung. Brückenentwürfe, die gleichzeitig die Erwartungen der Bauherren nach einem Wahrzeichen oder einem visuellen Alleinstellungsmerkmal erfüllen, sind für Ingenieure eine schwierige Aufgabe. Sie bedingen eine Gratwanderung zwischen statisch sinnvollen Tragwerken, Wirtschaftlichkeit und dem Anspruch auf Neuheit und gute Gestaltung.


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2 Erster Entwurf für die Yamuna-Brücke © RJB Architects

2 Die Entwurfsaufgabe Im Jahr 2005 wurde das Ingenieurbüro schlaich bergermann und partner von der Delhi Tourism and Transportation Development Corporation (DTTDC) aufgefordert, eine Straßenbrücke für Neu-Delhi zu entwerfen, die nicht nur vier Fahrspuren je Richtung bei einer Hauptspannweite von mehr als 250 m aufnehmen, sondern gleichzeitig als neues Wahrzeichen von Neu-Delhi über eine außergewöhnliche Gestalt mit einem hohen Wiedererkennungswert verfügen sollte – also eine »Signature Bridge«. Ihr Standort befindet sich nördlich des Zentrums von Neu-Delhi in einem Bezirk mit einer für städtische Randzonen typischen flachen Bebauung und großen Grünflächen. Sie quert den YamunaFluss, einen Seitenarm des Ganges, und ist Teil eines großen Straßenbauprojektes, welches die nördlich gelegene Stadt Wazirabad an Neu-Delhi anbindet. Ferner ist in ihrem direkten Umfeld ein Naherholungsgebiet geplant, welches sich am Fuße der Brücke auf beiden Seiten des Yamuna-Flusses erstrecken soll. Die flache Bebauung nördlich von Neu-Delhi und die notwendige Bauhöhe für ein Tragwerk mit dieser Spannweite fordern geradezu heraus, die Brücke als Wahrzeichen zu gestalten.

3 Entwurf für die Yamuna-Brücke mit Stahlpylon © schlaich bergermann und partner

3 Die Entwurfsvarianten Schrägseilbrücken beeindrucken aufgrund ihrer Größe und ihres leichten Erscheinungsbildes und verfügen daher schon von Natur aus über Potential für eine Landmarke. [1] Der erste Entwurf der Yamuna-Brücke war eine symmetrische Schrägseilbrücke. Dieser Vorschlag schien jedoch der Ministerpräsidentin des Bundesstaates Neu-Delhi Sheila Dikshit zu konservativ und dem Anspruch eines Wahrzeichens nicht gerecht zu werden. Auch aus technischer Sicht ist die symmetrische Anordnung der Seile nicht günstig, da einseitige Verkehrslasten einen sehr steifen Pylon oder Rückhängeseile auf beiden Seiten erfordern, die wiederum mit hohen Spannungswechseln beansprucht werden. In der Folge entwickelten schlaich bergermann und partner zahlreiche Entwurfsvarianten, darunter eine große Bogenbrücke sowie Schrägseilbrücken mit einer einseitigen Aufhängung des

4 Blick vom Deck in den Pylon © schlaich bergermann und partner

Überbaues der Hauptspannweite. Nach zahlreichen Diskussionen mit dem Bauherrn fiel die Wahl schließlich auf die einhüftige Schrägseilbrücke mit dem dynamisch geformten Stahlpylon, der das moderne und aufstrebende Indien symbolisieren soll. Durch die gefaltete Struktur des Pylons ergeben sich faszinierende Einblicke vom Überbau hinauf in seine Spitze.

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5 6 Skizzen des Pylons © schlaich bergermann und partner

Der Pylon ist das Ergebnis einer Optimierung, bei der zahlreiche Varianten, wie – die Lage der Rückhängeseile, – die Lage der Seile im Hauptfeld, – die Seilfluchten, – die Lage und Neigung des Knickes, welcher den Abschluss der beiden Stützen zum oberen Teil des Pylons bildet, – die Neigung des gesamten Pylons, die Neigung der Rückseite und der vorderen Seite sowie – die Breite des Pylons, hinsichtlich seiner Gestalt, des Materialbedarfs, der Entlastung der Rückhalteseile, der Schnittgrößen im Pylon und der Verformungen unter Last untersucht wurden.

7 Entwurfsvarianten für die Yamuna-Brücke mit Stahlpylon © schlaich bergermann und partner

Die Yamuna-Brücke ist eine Schrägseilbrücke und weist alle Vorteile dieser Bauweise auf: – eine Rückverankerung der Horizontalkräfte aus den Seilen im Überbau, welche die Einleitung der Horizontalkräfte in den Baugrund erspart, – eine kostenlose Vorspannung des Verbunddecks durch die Rückverankerung der horizontalen Kraftkomponenten der Seile, – ein leichter Verbundüberbau mit einer robusten Fahrbahnplatte aus Beton, – die geringen Verformungen bei einseitigen Verkehrslasten im Vergleich zur Hängebrücke, – der Freivorbau, der insbesondere bei einem Verbunddeck einen stützenfreien Bauablauf mit vorgefertigtem Stahlträgerrost und Betonfertigteilplatten ermöglicht.

8 9 10 Yamuna-Brücke, Alamillo-Brücke, Erasmus-Brücke © schlaich bergermann und partner

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Eine ihrer Besonderheiten ist, dass das Eigengewicht des Pylons durch die exzentrische Lage des Schwerpunktes zum Drehpunkt am Pylonfuß das Eigengewicht des Überbaues ausgleicht und damit die Rückhalteseile entlastet. Bei herkömmlichen Schrägseilbrücken werden die Seitenfelder, die ein Spannweitenverhältnis von jeweils 0,4 L im Vergleich zu 0,6 L im halben Hauptfeld aufweisen, ebenfalls mit Seilen an den Pylon gehängt. Bei der Yamuna-Brücke ist das Seitenfeld nicht nach oben gehängt, sondern auf Pfeilern gegründet, da die örtlichen Baugrundverhältnisse dies zulassen.


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11 Variante mit indischem Ornament © schlaich bergermann und partner

Die Yamuna-Brücke ist eine Variation des Themas Schrägseilbrücke mit geneigtem Pylon. Die Gestalt hat einen sehr hohen Wiedererkennungswert wie schon die Alamillo-Brücke in Sevilla und die Erasmus-Brücke in Rotterdam. Bei der Alamillo-Brücke ist der Pylon allerdings sehr steif und in den Baugrund eingespannt, und die Horizontalkomponenten der Seilkräfte werden nicht im Überbau mittels Rückhängeseilen kurzgeschlossen. Anders bei der YamunaBrücke: Hier ist der Pylon auf einem Kalottenlager gelagert, und die Horizon-

talkomponenten werden im Überbau kurzgeschlossen. Bei der Erasmus-Brücke wiederum greifen die Rückhalteseile im Gegensatz zur Yamuna-Brücke nicht im Schwerpunkt der Hauptseile an und der Pylon ist in das Seitenfeld eingespannt. Der hohe Wiedererkennungswert der Yamuna-Brücke wird unterstützt durch die farbliche Gestaltung des Pylons, wie eine Vorstudie mit einem für Indien typischen Ornament zeigt. Endgültig gewählt wurde eine Beschriftung mit dem Wort »Yamuna« in Sanskrit.

12 Beschriftung mit »Yamuna« in Sanskrit © schlaich bergermann und partner

Neben dem Qtab Minar, einem Minarett aus dem 13. Jahrhundert mit einer Höhe von 72,50 m, wird Neu-Delhi damit bald ein neues, doppelt so hohes Wahrzeichen haben. Der Tourismusverband nutzt die Yamuna-Brücke bereits zu Werbezwecken als Titelbild eines Stadtplanes.

13 14 Qtab Minar und Pylon der Yamuna-Brücke © schlaich bergermann und partner

15 (Verzerrte) Darstellung als Titelbild © schlaich bergermann und partner

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4 Das Tragwerk Bei dem zur Ausführung kommenden Entwurf der Yamuna-Brücke handelt es sich um eine einhüftige Schrägseilbrücke mit Verbundüberbau. Die Hauptspannweite beträgt 251 m, dazu sind noch Seitenfelder mit einer Spannweite von 36 m geplant, so dass die Gesamtlänge der Hauptbrücke 575 m misst. Ferner schließt sich eine Rampe mit einem Verbunddeck auf der vom Pylon abgewandten Seite an die Hauptbrücke an. Die Rampe ist ca. 100 m lang, damit ergibt sich eine Gesamtlänge der Brücke von 675 m.

16 Längsansicht der Brücke mit westlicher Rampe © schlaich bergermann und partner

17 Draufsicht der westlichen Rampe im Vorlandbereich © schlaich bergermann und partner

Im Regelquerschnitt weist die Brücke eine Breite von 35,20 m auf und kann somit acht Fahrspuren aufnehmen, vier pro Richtung. Der Verbundüberbau umfasst zwei außenliegende Hauptträger mit einer Bauhöhe von 2,30 m und einen Längsträger in der Mitte des Decks zur Lastverteilung sowie Querträger im Abstand von jeweils 4,50 m. Die Betonplatte des Verbundträgers hat Dicken zwischen 25 cm und 70 cm und wird aus Fertigteilen aus schwindarmen Beton hergestellt. Diese Verbundquerschnitte wurden von schlaich bergermann und partner schon erfolgreich bei Schrägseilbrücken wie der Ting-Kau-Brücke in Hongkong eingesetzt. [2] Die Seile der Hauptspannweite sind harfenförmig angeordnet und aus Litzen konzipiert. Die Rückhängeseile mit 127 Litzen verbinden die Rückseite des Pylons

mit dem Deck, auf dem sie auch verankert sind. Dort werden die vertikalen Zugkräfte mittels Pendelstäben in die Gründung eingetragen, die Umlenkkräfte hingegen als kostenlose Vorspannung in das Verbunddeck eingeleitet.

Der Pylon besteht aus zwei geneigten Stützen, die sich auf halber Höhe vereinen. In der Längsansicht verfügt er über eine bumerangartige Gestalt, in der Queransicht über eine Y-Form. Seine obere Begrenzung bildet eine ca. 30 m hohe Stahl-Glas-Struktur, die sich beleuchten lässt und in der Nacht als Orientierungspunkt weithin erkennbar sein wird. Die Höhe des Pylons einschließlich der Glasspitze beträgt etwa 165 m über Grund, seine obere Hälfte nimmt die Verankerungen der Seile aus dem Hauptfeld und der Rückhängeseile auf. Konstruiert ist er aus Kastenquerschnitten, die Stützenquerschnitte haben die Form eines Vierecks, die Querschnitte im oberen Bereich eine V-Form. Als Wände dienen orthotrope Platten, welche die Kräfte zum Pylonfuß abtragen und durch zusätzliche horizontale Fachwerke ausgesteift sind. Die Herstellung des Stahlpylons erfolgt mit großen Modulen, die vorgefertigt auf die Baustelle transportiert und dann eingebaut werden können.

18 Querschnitt durch den Verbundüberbau © schlaich bergermann und partner

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Entwerfen für den lokalen Kontext heißt auch, örtlich übliche oder umsetzbare Bauverfahren und Verbindungstechniken sowie die Qualifikation der Arbeitskräfte zu berücksichtigen. Im Fall der YamunaBrücke bedeutet das, die Module auf der Baustelle zu verschrauben, statt sie zu schweißen, insbesondere in den großen Höhen, wie es der Pylon erfordert. Mussten bei der zweiten Hooghly-RiverBrücke [3], der ersten Schrägseilbrücke in Indien, ebenfalls geplant von schlaich bergermann und partner, die Stahlbauteile noch genietet werden, so sind inzwischen hochfeste vorgespannte Schrauben in Indien gebräuchlich. Die Module werden mittels Laschen- und Kopfplattenstößen verbunden, wobei deren Anordnung so gewählt wurde, dass die Oberfläche des Pylons graphisch gestaltet und strukturiert ist: flache Laschenverbindungen in Längsrichtung des Pylons sowie außenliegende Kopfplattenstöße in Querrichtung und damit in den Seilfluchten. Die Yamuna-Brücke befindet sich derzeit im Bau und soll 2013 fertiggestellt sein. 5 Zusammenfassung Die Nachfrage vieler Bauherren nach Brücken mit eigenem Charakter und einem hohen Wiedererkennungswert sowie die Tatsache, dass der Brückenbau im Bewusstsein der Öffentlichkeit angekommen ist, sind eine positive Entwicklung. Die Yamuna-Brücke in Neu-Delhi ist ein Beispiel dafür, dass auch große Brücken mit einer guten Gestaltung zur

19 20 Querschnitte durch den Pylon: Stützenbereich und oberer Teil mit Seilverankerungen © schlaich bergermann und partner

Baukultur beitragen können. Gerade Schrägseilbrücken bieten eine Vielzahl von verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten, welche die örtlichen Randbedingungen reflektieren und damit zu unverwechselbaren Bauwerken führen. Mit einem hohen Wiedererkennungswert eignen sich diese Brücken zudem als Wahrzeichen für eine Stadt oder Region. Autoren: Prof. Dr. sc. techn. Mike Schlaich Dr.-Ing. Arndt Goldack Dipl.-Ing. Uwe Burkhardt schlaich bergermann und partner, Stuttgart, Berlin, New York

Literatur [1] Schlaich, M.: Indigenous and signature cable stayed bridges. Attitudes towards improvement of infrastructure; in: IABSE Symposium Weimar 2007, Tagungsband, 2007. [2] Bergermann, R.; Schlaich, M.: Die Ting-KauSchrägkabelbrücke in Hong Kong. Entwurf und Konstruktion; in: Bauingenieur, Band 74, Heft 10, 1999, S. 413–422. [3] Holgate, A.: The art of structural engineering. Stuttgart, London 1997.

Bauherr Delhi Tourism and Transportation Development Corporation Ltd., Neu-Delhi, Indien Entwurf und Ausführungsplanung schlaich bergermann und partner, Stuttgart, Berlin, New York Construma Consultancy Pvt. Ltd., Mumbai, Indien (Gründung) Ratan J. Batliboi, RJB Architects, Mumbai, Indien (architektonische Beratung) Bauüberwachung schlaich bergermann und partner, Stuttgart, Berlin, New York Prüfingenieure Michel Virlogeux, Bonnelles, Frankreich Systra, Paris, Frankreich Bauausführung JV Gammon-Construtora Cidade-Tensacciai Ltd., Mumbai, Indien

21 22 Pylon mit Laschenverbindungen und außenliegenden Kopfplattenstößen © schlaich bergermann und partner

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1 1 . SYM P O S I U M L E I PZ I G Schrägkabelbrücke Orinoco III und Hängebrücke Billinghurst

Planung von Brückenbauwerken in Südamerika von Wolfgang Eilzer, Karl Humpf, Michael Moslener

Seit dem Bau der ersten Brücke über den Fluss Caroni in Venezuela Anfang der 1960er Jahre waren Leonhardt, Andrä und Partner an Planung, Prüfung oder Bauüberwachung von über 20 Großbrücken in Argentinien, Brasilien, Panama, Peru und Venezuela maßgeblich beteiligt. Dabei wurden einige innovative Technologien zum ersten Mal in Südamerika angewendet, wie zum Beispiel Gründungen in tiefem Wasser, Taktschiebeverfahren, Doppelverbundkonstruktionen, Schrägkabelbrücken für Eisenbahnen, Schutz von Brückenpfeilern gegen Schiffsanprall. Über den Beitrag Südamerikas zur Entwicklung des Großbrückenbaus wurde in [1] berichtet, so dass hier darauf nicht weiter eingegangen wird. Vielmehr werden aktuelle Projekte vorgestellt.

2 Entwurf der Schrägkabelbrücke © Leonhardt, Andrä und Partner GmbH

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1 Brücken über den Orinoco © Leonhardt, Andrä und Partner GmbH

1 Dritte Orinoco-Brücke 1.1 Projekt und Lage Der Orinoco ist mit einer Gesamtlänge von 2.560 km der längste Fluss Venezuelas und, nach Amazonas und Paraná, der drittlängste Südamerikas. Momentan queren ihn lediglich zwei Bauwerke: die 1967 eröffnete Brücke Angostura bei Ciudad Bolivar, eine Hängebrücke für reinen Straßenverkehr mit einer Mittelöffnung von 712 m und einer Gesamtlänge von 1.272 m, sowie die 2006 fertiggestellte Brücke in Ciudad Guayana, eine Doppelschrägkabelbrücke für Straßen- und Eisenbahnverkehr mit Mittelöffnungen von 300 m, Regelstützweiten von 60 m und einer Gesamtlänge von 3.156 m.

Zurzeit befindet sich die dritte Brücke, Puente Mercosur, zwischen Caicara del Orinoco im Süden und Cabruta im Norden im Bau. Die kombinierte Straßen- und Eisenbahnbrücke erschließt die sehr großen Gebiete südlich des Flusses und ermöglicht es, die dortigen reichhaltigen Erzvorkommen ganzjährig abzutransportieren, da der Orinoco nur etwa sechs Monate im Jahr schiffbar ist. 1.2 Grundlage des Entwurfs Der Orinoco hat im Bereich der Brücke bei Niedrigwasser eine Breite von ca. 2 km, während er bei Hochwasser auf eine Breite von 15,70 km anschwillt. Auf ihm verkehren im Wesentlichen Schubschiffe mit 5 x 5 Kähnen, einer Länge von 346 m, einer Breite von 53 m und 47.500 BRT. Das freizuhaltende Schifffahrtsprofil beträgt 320 m x 40 m über HSW. Die Brücke wurde nach dem »Load Factor Design« gemäß den US-amerikanischen Vorschriften AASHTO [3] und AREMA [4] für eine Lebensdauer von 100 Jahren bemessen. Wo diese Vorschriften nicht ausreichten, wurde auf Eurocode 3, die DIN-Fachberichte und die einschlägige Literatur, hauptsächlich zur Betriebsfestigkeit und zur Stabilität, zurückgegriffen.


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Aufgrund der Anforderungen aus der Schifffahrt wurde in Strommitte eine Schrägkabelbrücke mit einer Mittelöffnung von 360 m konzipiert. In Bereichen, in denen mit einem Anprall des Bemessungsschiffs zu rechnen ist – das heißt beidseitig auf eine Breite gleich der dreifachen Schiffslänge, gemessen von der Achse des Schifffahrtskanals –, wurden Stützweiten von 120 m gewählt. 1.3 Entwurf der Brücke Die kombinierte Straßen- und Eisenbahnbrücke hat eine Gesamtlänge von 11,25 km. Die doppelstöckige Hauptbrücke ist 2,28 km lang, die größte Stützweite beträgt 360 m. Das Haupttragwerk gliedert sich in – 2 x 2 dreifeldrige Durchlaufträger mit Stützweiten von 120 m sowie – eine Schrägkabelbrücke mit Stütz weiten von 2 x 120 m + 360 m + 2 x 120 m = 840 m. Die Doppelkabel haben Abstände von 10 m am Überbau und 2,00–3,00 m am Pylon und erstrecken sich bis etwa zur Hälfte der zweiten Seitenöffnung; an den Pylonen verbleiben Fenster von 35 m. Der Überbau der Schrägkabelbrücke besteht im Wesentlichen aus – den beiden Fachwerken aus steigenden und fallenden Diagonalen mit einem gegenseitigen Abstand von 8,20 m, einer Systemhöhe von ca. 10,30 m und einem Knotenabstand von 10,00 m, – dem Untergurt aus einer 5,90 m breiten und 25 cm dicken Verbundplatte aus C 30/37, einem durchgehenden Bodenblech, vier Längssteifen und Querträgern in Abständen von 3,33 m, – dem Obergurt aus - einer 30 cm dicken Verbundplatte aus C 30/37, - einem durchgehenden, ausgesteif ten Deckblech zwischen den Fach werken und einer verlorenen Scha lung aus Trapezprofilblechen außerhalb der Fachwerke, - den Querträgern mit Abständen von 3,33 m, - den Kabelverankerungen mit verstärkten Längs- und Quer trägern.

3 Regelquerschnitt © Leonhardt, Andrä und Partner GmbH

Die Stahlkonstruktion ist aus wetterfestem Baustahl in den Materialgüten ASTM A-588 mit einer Streckgrenze von fy = 345 MPa, die Blechdicken variieren zwischen 19 mm und 69 mm. Die Kabel, Parallellitzenbündel des Systems Freyssinet, beinhalten 41–61 Monolitzen mit d = 0,06 mm und einer Zugfestigkeit von 1.770 N/mm2 nach dem Verzinken. Den Korrosionsschutz der Monolitzen gewährleisten eine Feuerverzinkung mit 280 g/m2, ein 1 mm dickes PE-Rohr und eine Fettverfüllung sowie die Ummantelung des ganzen Kabels mit einem PE-Rohr. Die Litzen werden in Ankerhülsen verankert und dabei alle Lasten von Keilen mit hoher Dauerfestigkeit übertragen. Die feste Verankerung befindet sich im Überbau und die Spannanker in den Pylonen. Die Litzen werden einzeln montiert und mit einer Monolitzenpresse nach dem Iso-TensioningVerfahren vorgespannt. Die Pylone haben eine Diamantenform, eine Höhe über dem Überbau von ca. 82 m und eine Gesamthöhe von 135,50 m. Die Stiele aus Stahlbeton unterhalb der Kabelverankerungen sind stark geneigt, um den Überbau zu umfassen, ihr Abstand ist oben 2,00 m und 28,00 m auf Höhe des Querriegels. In der Ansicht verjüngen sie sich von 9,00 m auf 5,50 m, der 6 m hohe und 6 m breite Querriegel ist vorgespannt.

4 5 Ansichten des Pylons © Leonhardt, Andrä und Partner GmbH

6 Gründung des Pylons © Leonhardt, Andrä und Partner GmbH

Die Pylone werden mit 39 Großbohrpfählen mit d = 2,50 m und l = 90 m gegründet, die Pfeiler auf 18 Pfählen mit d = 2,00 m und l = 80 m. Die Pfahlkopfplatten sind hier aber nicht, wie sonst üblich, rechteckig, sondern haben, wie schon bei alten Steinbrücken, eine Spitze. Dadurch wird sichergestellt, dass nur eine Reihe des Schubschiffverbandes anprallen kann.

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1.4 Bauablauf Der Bauablauf und die Logistik sind durch standortspezifische Schwierigkeiten geprägt: 1. Wegen der stark schwankenden Wasserstände eignet sich der Orinoco nur von Anfang Juni bis Ende November als Transportweg. 2. In der direkten Umgebung der Brücke stehen nur wenige qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung. Die Stahlkonstruktion muss also an anderer Stelle in möglichst großen Einheiten vorgefertigt und dann zur Baustelle transportiert werden. Die Errichtung der Brücke begann im Mai 2007 und beinhaltet folgende Schritte: Die Pfahlkopfplatten werden auf einer verlorenen Schalung aus Betonfertigteilen in zwei bzw. drei Lagen realisiert. Zur Herstellung von Pfeilern und Pylon kommt eine Kletterschalung zum Einsatz, womit sich eine deutlich bessere, dichtere Betonoberfläche ergibt als bei einer Gleitschalung. Die einzelnen Teile der Stahlkonstruktion werden in verschiedenen Werkstätten in Ciudad Guayana vorgefertigt und dann auf einem Vormontageplatz am Ufer des Orinoco zu 60 m langen Schüssen zusammengefügt und mit Pontons zu der 400 km entfernten Baustelle transportiert. Diese 60-m-Schüsse werden hinter den Widerlagern der Verbundvorlandbrücken zu Einheiten mit 360 m Länge und einem Gewicht von 9.000 t zusammengebaut. Die beiden 360 m langen Durchlaufträger und die ersten 360 m der Schrägkabelbrücke, also die Seitenöffnungen und ein Drittel der Mittelöffnung, werden hier mit Litzenbündeln in Abschnitten von 120 m vorgezogen, danach wird die Zugvorrichtung umgesetzt. Die Fachwerke gleiten dabei per Pfeiler auf acht mit Teflon ausgelegten Wippen, die paarweise hydraulisch gekoppelt sind.

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7 Herstellung der Schrägkabelbrücke © Leonhardt, Andrä und Partner GmbH

Nachdem die Seitenöffnungen und die ersten 120 m der Mittelöffnung der Hauptbrücke ihre Endlage erreicht haben, werden die beiden Kabel an der Vorbauspitze angebracht und gespannt, womit das Kragmoment am Pylon wirksam reduziert wird. Danach werden der Unter- und Obergurt in Abschnitten von 30 m betoniert und nach deren Erhärten die zugehörigen Kabel montiert und gespannt.

8 Einheben des Schlussstücks © Leonhardt, Andrä und Partner GmbH

In der nächsten Phase wird das 120 m lange und 2.400 t schwere Schlussstück eingeschwommen und mit vier Litzenhebern eingehoben, und zum Ende werden der Obergurt betoniert und die letzten Kabel montiert und gespannt.

2 Puente Presidente Guillermo Billinghurst 2.1 Projekt und Lage Im südlichen Teil Perus wird zurzeit die Interozeanische Landstraße des Südens namens »Corredor vial Interoceanico Sur« gebaut, die als wichtige Verkehrsader zukünftig den Handel zwischen Peru und Brasilien weiter verbessern helfen soll. Im Zuge der Verwirklichung dieser Landstraße wurde vom peruanischen Verkehrsministerium für die Fertigstellung der Billinghurst-Brücke das Konsortium Cónirsa S. A. beauftragt. Die Brücke liegt direkt bei der Ortschaft Puerto Maldonado und überquert den Fluss Madre de Dios.


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9 Übersicht © Leonhardt, Andrä und Partner GmbH

Die Hängebrücke Billinghurst kann auf eine sehr lange Geschichte zurückblicken: Im Rahmen einer großen Infrastrukturmaßnahme wurden in den 1970er Jahren mehrere Hängebrücken in Peru von der österreichischen Baufirma Waagner-Biro errichtet. Beim Bau der letzten und größten Brücke ging dem Bauherrn jedoch das Geld für die Realisierung der Unterbauten und die Montage der Hängebrücke aus, obwohl er die Stahlkonstruktion, Kabel und Hänger bereits von Waagner-Biro gekauft hatte. Die entsprechenden »Elemente« wurden dann für mehrere Jahre in den Pampas de la Joya sowie später auch im Flughafen von Puerto Maldonado eingelagert.

10 Lageplan © www.google.com

Nach fast 30 Jahren erfolgte 2006 eine internationale Ausschreibung zum Fertigstellen der Hängebrücke, wobei die vorhandene Stahlkonstruktion, die Kabel und die Hänger verwendet werden sollten. Der Baubeginn fand am 7. Juli 2006 statt. Schon nach einigen Monaten mussten die Arbeiten aber gestoppt werden, da man bemerkt hatte, dass diverse Bauteile, wie zum Beispiel die Hauptkabel, durch die jahrelange Lagerung im Freien

starke Schädigungen aufwiesen. Die Unterbauten wurden vom beauftragten Konsortium allerdings ausgeführt. Unter Berücksichtigung jener Probleme wurde deshalb das Konsortium Cónirsa gebeten, den Überbau fertigzustellen. Das heißt, es waren die Kabel neu zu beschaffen, Stahlteile, soweit beschädigt, zu ersetzen und Waagner-Biro unter Vertrag zu nehmen, um bei der Montage mit den ursprünglichen Hilfsgeräten und Verfahren einzuspringen.

11 12 Einlagerung der Kabel und der Stahlkonstruktion © Leonhardt, Andrä und Partner GmbH

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13 14 Ansicht und Grundriss © Leonhardt, Andrä und Partner GmbH

2.2 Brückenentwurf Die Hängebrücke Billinghurst weist eine Gesamtlänge von 528 m und Stützweiten von 104 m + 320 m + 104 m auf. Den Überbau bilden zwei über Querträger verbundene Stahlfachwerkträger. Als Fahrbahn dient eine 10,20 m breite Betonplatte, die mit den Querträgern im Verbund steht. Die Versteifungsträger haben einen Abstand von 11 m, die Bauhöhe ist 5 m. Die statischen Berechnungen und Ausführungszeichnungen wurden seinerzeit von Waagner-Biro auf Grundlage der AASHO, einem Vorgänger der AASHTO, und unter Zuhilfenahme der österreichischen Norm erarbeitet. Wegen des fortgeschrittenen Alters und des Zustandes der Konstruktion wurden nun Leonhardt, Andrä und Partner von Cónirsa mit der Prüfung der Unterlagen im Rahmen einer Nachrechnung der Unter- und Überbauten beauftragt. Dazu wurde für das gesamte Bauwerk einschließlich Widerlager und Tiefgründung ein Finite-Elemente-Modell erstellt, basierend auf den vorhandenen Zeichnungen und Berechnungen. Dieses Modell beinhaltete nichtlineare Berechnungen dritter Ordnung (Formfindung) und ermöglichte eine komplette Auswertung aller Spannungen und Schnittkräfte. Alle Nachweise wurden dann in Anlehnung an die ursprüngliche Statik unter Gebrauchslasten nach globalem Sicherheitskonzept geführt. Die Brücke ist beidseitig über massive Stahlbetonblöcke mit integrierten Spannkabelklammern verankert: Die Stahlbetonkörper wurden räumlich unter Verwendung von Brick-Elementen modelliert sowie anhand der Spannungstrajektorien dann 3-D-Stabwerksmodelle zur Nachrechnung entwickelt.

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15 Querschnitt © Leonhardt, Andrä und Partner GmbH

Da die Berechnung des Überbaus aus den 1970er Jahren stammte, wurde auf eine genauere Betrachtung des horizontalen Tragverhaltens der Brücke unter Windeinwirkung verzichtet, zumal zum damaligen Zeitpunkt die Hard- und Software eine solche Vorgehensweise noch nicht erlaubte. Stattdessen wurden Annahmen getroffen, die zwar ehe-

dem korrekt, aber nicht durch Untersuchungen abgesichert waren. Als Resultat neu durchgeführter Windkanaluntersuchungen ließ sich das Auftreten von aerodynamischen Instabilitäten ausschließen, die Beanspruchungen aus Windlasten konnten gegenüber der Ursprungsstatik sogar abgemindert werden.

16 Statisches Modell © Leonhardt, Andrä und Partner GmbH


Die Nachrechnung ergab weiterhin, dass verschiedene isolierte Bereiche der Brücke verstärkt werden mussten. In den Ankerkammern mit Massenbeton waren zum Beispiel Mindestbewehrungsgrundsätze nicht eingehalten, und die Bewehrung in der Fahrbahnplatte stellte sich als unzureichend heraus. Ursache der Mängel im Tragwerk waren unter anderem die geringen Erfordernisse alter Vorschriften bezüglich Gebrauchstauglichkeit und Mindestbewehrung, außerdem erfolgte die Bemessung der Stahlbetonelemente nicht nach der Fachwerkanalogie.

Bevor die Montage des Überbaus abgeschlossen werden kann, sind an den Verankerungen also noch Verstärkungen vorzunehmen, was momentan geschieht. Autoren: Dipl.-Ing. Wolfgang Eilzer Dipl.-Ing. Karl Humpf Dipl.-Ing. Michael Moslener Leonhardt, Andrä und Partner, Beratende Ingenieure VBI, GmbH, Stuttgart

17 Brücke im Bauzustand © Córnisa S. A. Literatur [1] Saul, R.; Humpf, K.: Der Beitrag Südamerikas zur Entwicklung des Großbrückenbaus; in: Tagungsband des 20. Dresdner Brückenbausymposiums 2010, S. 87–99. [2] Saul, R.; Humpf, K.; Schiele, I.: Die dritte Brücke über den Orinoco, Venezuela. Eine zweistöckige Schrägkabelbrücke für Straße und Eisenbahn mit Verbundfachwerk; in: Stahlbau 79, Heft 2, 2010, S. 63–76. [3] AASHTO (American Association of State Highway and Transportation Officials): LRFD Bridge Design Specifications, 1998. [4] AREMA (American Railway Engineering Association): Manual for Railway Engineering, Chapter 15, Steel Structures.

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1 1 . SYM P O S I U M L E I PZ I G Wahrzeichen für die Hauptstadt der Republik Serbien

Neubau der Brücke über die Save in Belgrad von Frank Minas

Das neue Wahrzeichen der Stadt Belgrad ist eine unsymmetrische Schrägseilbrücke über den Fluss Save. Ein 200 m hoher Pylon teilt sie in einen 376 m langen Ganzstahlüberbau über die Save (Mainspan) und einen 200 m langen Spannbetonquerschnitt über einen stillgelegten Seitenarm des Flusses (Backspan). Die weitere Anbindung erfolgt über einen 358 m langen einzelligen Spannbetonhohlkasten (Sidespan). Ein internationales Konsortium wurde im März 2008 von der Stadt Belgrad mit Planung und Ausführung des Bauwerks beauftragt. Ausschreibung, Konzeption und Realisierung der Brücke werden nachstehend vorgestellt. 1 Einleitung Das von Tito geeinte blockfreie Jugoslawien zerfiel in den Bürgerkriegen nach seinem Tod nach und nach in die inzwischen sieben Staaten Serbien, Kroatien, Slowenien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Mazedonien und den Kosovo. Nato-Luftangriffe auch auf die Infrastruktur leiteten letztendlich das Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen im Jahr 2000 ein.

2 Brücke über die Save in Belgrad © Stadt Belgrad

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1 Sloboda-Brücke Novi Sad nach dem Bombenangriff © Cowi A/S

Diese Schäden sind mittlerweile im Wesentlichen behoben. Der ökonomische Aufschwung der in die Europäische Union strebenden Länder bedingt nun einen weitergehenden Ausbau. Belgrad als Hauptstadt der Republik Serbien ist nicht nur Wirtschaftszentrum und Magnet für die arbeitssuchende Landbevölkerung und Vertriebene des Bürgerkrieges, sondern auch Kreuzungspunkt wichtiger Verkehrswege, wie des bekannten »Autoput« als Hauptverkehrsader Südeuropas oder aber der Flüsse Save und Donau. Die rasant zunehmende Verkehrsbelastung macht daher den Neubau einer Brücke über die Save in Belgrad zwingend erforderlich. Gleichzeitig soll sie ein neues Wahrzeichen der Stadt werden.

Die aktuelle Situation ist geprägt von der 90%-Nutzung der internationalen Autobahn E 75 durch den innerstädtischen Verkehr einschließlich Linienbussen. Im Stadtgebiet stehen zurzeit lediglich zwei weitere Brücken zur Verfügung, eine davon ist eine zweigleisige Trambahnbrücke, die ebenfalls für den Kfz-Verkehr genutzt wird. Während Neubelgrad, ehedem zu Österreich-Ungarn gehörend, am nördlichen Ufer der Save lange Jahre nur Wohngebiet und der Stadtkern, früher ein Teil des Osmanischen Reiches, ein Wohn- und Geschäftsviertel war, gibt es heute Verkehrsflüsse in beide Richtungen: Die neue Brücke über die Save soll im Wesentlichen dem innerstädtischen Verkehr dienen und ist zudem zur Aufnahme zweier Gleise einer zukünftigen Metro vorgesehen. 2 Entwurf und Ausschreibung Der Vorschlag des slowenischen Ingenieurbüros Ponting unter Federführung von Victor Markelj und des Architekten Peter Gabrijelcic gewann den international ausgeschriebenen Planungswettbewerb. Drei Fahrspuren je Richtung, zwei Bahngleise für die Metro sowie zwei Fuß- und Radwege mussten aufgrund der Geographie in einer Ebene überführt werden. Daraus resultierte eine außergewöhnliche Breite von 45 m. Zentrales Element des Siegerentwurfes ist ein nadelförmiger, 200 m hoher Pylon mit einer Spitze aus Edelstahl, gegründet am Ende einer Halbinsel, die als einziger Bereich im Stadtbezirk im Sommer regelmäßig 200.000 Wochenend(bade)gästen Naherholung bietet.


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Notwendige Schifffahrtsöffnungen bestimmten die wesentlichen Stützweiten der weiteren Pfeiler. Der Verbundüberbau des Entwurfs war als dreizelliger Kasten konzipiert: Die äußeren Kästen dienten der Kabelverankerung, der mittlere Bereich zwischen ihnen soll von der Metro genutzt werden. Anzahl und Abstand der Seile, Stützen und Querträger wurden vorgegeben, blieben aber für die Bieter in kleinen Grenzen ebenso wie die Materialauswahl variabel. Vorgesehen war, mittels Gegengewichtsbeton die abhebenden Lasten der unsymmetrischen Brücke zu reduzieren. Dem Konsortium Ogranak Sava Most aus Porr, Österreich, DSD, Deutschland, und SCT, Slowenien, wurde im März 2008 der Auftrag für Detailplanung und Bau erteilt. Die Ausschreibung auf Basis der festgelegten Regelungen für europäische Ausschreibungen der finanzierenden European Bank for Reconstruction and Development (EBRD) beinhaltete einen Ganzstahlüberbau mit orthotroper Platte. Aufgrund von Randbedingungen wie – keine Zufahrt zum Pylon über die Halbinsel des Naherholungsgebietes, – Übergabe der Anschlusspunkte am nördlichen (Achse 1) und südlichen (Achse 7) Baufeldende nach 18 Monaten, – Gesamtbauzeit von 36 Monaten inklusive statischer Berechnung und Detailpläne, – Lichtraumprofil der Schifffahrtsöffnungen, – abhebende Kräfte am rückwärtigen Pfeiler (Backspan) und der außergewöhnlichen Abmessungen (einhüftig, 45 m Breite, 200–376 m Länge) entschied sich das Konsortium, nur die Hauptbrücke als Stahlquerschnitt auszuführen und die Seitenbereiche als Spannbetonhohlkästen zu realisieren. Die kurze Bauzeit bedingte darüber hinaus eine gleichzeitige Errichtung des Pylons und des Backspan im Gegensatz zum üblichen, vom Pylon ausgehenden symmetrischen Freivorbau. Die Spannbetonkästen wurden deshalb mittels Taktschiebeverfahren hergestellt, die Hauptöffnung im freien Vorbau.

3 Längsansicht des Bauwerks © Stadt Belgrad

3 Ausführungsplanung EBRD-finanzierte Bauwerke müssen nach Eurocode berechnet werden, während der internationale Fidic-Design-andPlant-Build-Vertrag die Berücksichtigung nationaler Gesetze und Regelungen fordert. Insbesondere bei der Bemessung für Erdbeben ergaben sich zeit- und erklärungsintensive Widersprüche. Neben einem vom Konsortium beauftragten unabhängigen Prüfingenieur haben der vom Bauherrn verpflichtete FidicEngineer als eine Art Bauüberwachung und ein staatliches technisches Kontrollkomitee aus Fachleuten der verschiedenen Fachrichtungen Statik und Zeichnungen geprüft. Der 14,50 m breite Hohlkasten hat eine Höhe von 4,75 m, wobei stählerne Schrägstreben die Kragarme im Abstand von 4 m stützen. Rippen im Betonquerschnitt, äquivalent zu den Stahlquerträgern der Hauptöffnung, und eine durchgehende Kappe lassen das Bauwerk homogen erscheinen.

4 Bauausführung 4.1 Allgemeines Die aufgrund ungeklärter Besitzverhältnisse erforderliche schrittweise Übergabe der Baustelle durch den Bauherrn führte zu einer dynamischen Anpassung des Ablaufs durch das Konsortium bei gleichzeitig intensiver Ausarbeitung der statischen Berechnung. Alle Korrespondenz einschließlich der Statik und der Zeichnungen musste zweisprachig, das heißt in Englisch und Serbisch, übergeben werden. 4.2 Gründungen Mit Zugang zur Baustelle wurden Probebohrungen ausgeführt, deren Ergebnisse unmittelbar in die parallel laufenden statischen Berechnungen einflossen. Probebohrpfähle sollten zudem die Rechenergebnisse bestätigen, eine Optimierung wurde gemäß serbischen Gepflogenheiten jedoch nicht zugelassen und war letztendlich aufgrund der knappen Bauzeit auch nicht mehr möglich. Die 30 m tiefe Topfgründung des Pylons als kombinierte Großbohrpfahl(d = 150 cm-)Schlitzwand-Gründung war sicher ein Novum in Serbien. Die notwendigen Spezialgeräte wurden hierzu temporär importiert.

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4 Errichtung des Pylons © Ogranak Sava Most

4.3 Pylon Eine aufwendige Kletterschalung ermöglichte die zügige Herstellung des Pylons unter Verwendung moderner Betonrezepturen der Güten C50/60 und C55/67 im Bereich der Kabelverankerungen. Aus Termingründen wurde der im Endzustand monolithische Verbindungsteil zwischen Pylon, Backspan und Mainspan, der sogenannte Pylontisch, nachträglich auf konventioneller Schalung ausgeführt. Alle Baustoffe mussten mittels Pontons von beiden Saveufern, abhängig von der Verkehrssituation in der Stadt, über Wasser transportiert werden, wobei die häufig sehr stark schwankenden Wasserstände zu berücksichtigen waren. Die Vereinigung der beiden Pylonstiele in 98 m Höhe erforderte einen Umbau der Kletterschalung, die am Boden einen Radius r = 8 m und auf 175 m dann r = 2 m aufwies. Der terminkritische Freivorbau der unsymmetrischen Brücke wurde auf Wunsch des Bauherrn zudem beschleunigt, indem eine Hilfsabspannung zwischen Pylon und Stahlüberbau den Einhub des dritten Stahlelements ermöglichte, noch bevor das erste permanente Schrägseil montiert werden konnte.

5 Einschub des Backspan © Ogranak Sava Most

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4.4 Backspan Zeitgleich mit dem Pylon wurde der 200 m lange und am Ende 20.000 t schwere dreizellige Spannbetonüberbau auf einer 20 m hohen Vormontageplattform in drei Abschnitten (Bodenplatte, Kasten, Kragarme) errichtet und in Segmenten von 18 m im 14-Tage-Rhythmus eingeschoben. Die Kragarme wurden quer vorgespannt und die stählernen Schrägstreben in die Schalung eingebracht. Am Pylon und am rückwärtigen Pfeiler befestigte Abspannungen dienten als Horizontalsicherung der drei notwendigen Hilfsstützen, die im Abstand von 50 m angeordnet wurden und auch als Haupttragelement einer »Fußgängerbrücke« zwischen den Ufern fungierten. Um die Genauigkeitsforderungen einzuhalten, wurden die Seileinleitungspunkte vorab auf einer absolut ebenen Fläche am Boden hergestellt und schließlich als Fertigelemente eingebaut.

4.5 Mainspan Mangelnde Fertigungskapazitäten im Jahr 2007 in Europa führten zu einer Vergabe nach China: Die ca. 9.000 t Stahlkonstruktion waren innerhalb von zwölf Monaten zu fertigen und zu verschiffen, was sich angesichts einer Jahresproduktion von 120.000 t Stahlbrückenkonstruktion der beauftragten Werkstatt als einfach erwies. Sowohl der Bauherr als auch der innerhalb des Konsortiums hierfür verantwortliche Partner DSD entsandten zudem qualifiziertes Überwachungspersonal zur Sicherstellung der Termine und geforderten Standards. Über den Seeweg gelangten die Elemente bis zur Baustelle in Belgrad, wo sie entladen und gelagert wurden. Ein Portalkran gewährleistete auf einem 200 m langen Vormontageplatz rechtwinklig zur Brückenachse nahe der Pfeiler 4 und 5 den Vorzusammenbau von Kragarmen, Boden und Fahrbahn sowie das Zusammenfügen eines kompletten Segmentes von 16 m Länge (Abstand der Seile), 45 m Breite und bis zu 375 t Eigengewicht. Selbstfahrer nahmen dann die Bauteile auf und ermöglichten das Beladen einer besonders hergerichteten Barke über eigens entwickelte Rampen, die für den anstehenden Wasserspiegel stets neu justiert werden mussten.


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Bis zu ca. 30.000 t werden mittels hydraulischer Zwillingsverschubanlagen mit einer Gesamthubkapazität von 4.400 t verschoben. Der Lückenschluss wird wiederum durch ein Transition-Element (T2) zwischen Stahl und Beton im Momentennullpunkt verwirklicht. Nach Aufbringen der exzentrischen Vorspannung in den Stegen erfolgt dann der Ausbau der Hilfsstützen.

6 Verladevorgang eines Stahlsegments © Ogranak Sava Most

Das 505 t schwere und 17,10 m lange Anschluss- oder sogenannte TransitionElement T1 zum Pylontisch wurde mittels Mobilkränen auf Hilfsstützen, sofort nachdem die Kletterschalung passiert hatte, montiert. Das nächste Segment, das bereits einer Rückverankerung durch ein Seil bedurfte, wurde im Bereich der Aufschüttung um den Pylonfuß am Boden zusammengebaut und mit einem Derrick angehoben. Aufgrund des hohen Gewichts von 400 t mussten die Kragarme separat mittels Mobilkränen montiert werden. Ohne Behinderung der Schifffahrt werden nun die weiteren 21 Elemente mit der Barke ca. 200 m flussaufwärts antransportiert und im Freivorbau eingehoben. Die 45-m-Breite bedeutete neben einer genauen Vermessung der Schnittufer keine besondere Herausforderung, das hohe Stückgewicht bis zu 360 t erschwerte jedoch die Feinjustierung. Noch während die Schweißarbeiten liefen, wurden die bis zu 373 m langen parallelen Litzenseile des Typs BBR High Am Cona eingebaut. Die insgesamt 80 Seile wiegen 1.280 t und bestehen aus bis zu 88 Litzen. Das gleichzeitige Herstellen von Pylon, Hauptbrücke und Seilen erforderte außerdem ein ausgeklügeltes und satellitengestütztes Messprogramm.

4.6 Sidespan Aus wirtschaftlichen Gründen wurde der Vorbauschnabel des Backspan auch für den Sidespan eingesetzt, welcher, nachdem alle Pfeiler fertiggestellt waren, in 19 Abschnitten zu je 20 m mit 2 % Längsneigung bergauf wiederum über Hilfsstützen im Zwei-Wochen-Takt eingeschoben werden. Die maximale Stützweite von 108 m erforderte hier eine Überhöhung um ca. 25 cm, was durch den Einsatz von Überhöhungsleisten und einer höhenverstellbaren Schalung erreicht wird.

5 Ausbauarbeiten Von den Seitenfeldern ausgehend, werden die Ausbauarbeiten an der Brücke, Abdichtung und Kappen aus Betonfertigteilen, Geländer, Leitplanken, Beleuchtung und schließlich den Asphalt umfassend, unmittelbar nach der Feinjustierung der Seile fortgesetzt. Erst dieses zusätzliche Gewicht auf der Hauptbrücke ermöglicht die Entfernung der Hilfsstützen im Backspan. Basierend auf Verformungsmessungen werden zudem Lage und Menge des zum Toleranzausgleich notwendigen Ballastbetons errechnet. Ein Brückenbelastungstest nach Fertigstellung ist dann die Voraussetzung für die Verkehrsfreigabe.

7 Freivorbau beim Mainspan © Ogranak Sava Most

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6 Zusammenfassung In sehr kurzer Bauzeit entsteht das neue Wahrzeichen der Hauptstadt der Republik Serbien (2008–2012). Ein internationales Konsortium wurde 2008 mit Planung und Bau gemäß Fidic beauftragt. Außergewöhnliche Abmessungen in Kombination mit unterschiedlichen Baustoffen in einem im Umbruch befindlichen, von 15 Jahren Embargo geprägten Land mit kontinentalem Klima (heiße Sommer, kalte Winter) führten gar zu einer Beachtung durch den Discovery Channel. Autor: Dr.-Ing. Frank Minas DSD Brückenbau GmbH, Saarlouis

Literatur [1] Minas, F.: Sloboda-Brücke Novi Sad. Stahlbauer als Generalunternehmer; in: Stahlbau, Heft 10, 2006. [2] Hopf, S.; Steinkühler, M.; Kotnik, R.; Minas, F.; Markelj, V.; Adam, D.: Construction of Sava Bridge; in: Faculty of Civil Engineering, University of Belgrade (Hrsg.): Convention Paper Belgrade Bridge Convention 1. October 2010. [3] Belgrade Land Development Agency: Bridge over the River Sava in the City of Belgrade Project; unter: www.savabridge.com. Bauherr Belgrade Land Development Public Agency, Belgrad, Serbien Vorentwurf und Prüfung Ponting inzenirski biro d.o.o., Maribor, Slowenien Angebots- und Ausführungsplanung Leonhardt, Andrä und Partner, Beratende Ingenieure VBI, GmbH, Stuttgart Aerodynamische und seismische Beratung Eusani Hortmanns Zahlten Ingenieurgesellschaft mbH, Langenfelden

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Windkanalversuche und Schrägseilprüfung Ruhr-Universität Bochum, Institut für konstruktiven Ingenieurbau Gründungsplanung IBBS ZT-GmbH, Wien, Österreich Vermessung Noack Ingenieurgesellschaft mbH, Passau Bauausführung Konsortium Ogranak Sava Most: A. Porr AG, Wien, Österreich DSD Brückenbau GmbH, Saarlouis SCT Stanovanjski inzeniring, Ljubljana, Slowenien Vorspannung und Schrägseile BBV Vorspanntechnik GmbH, Bobenheim-Roxheim Dywidag-Systems International GmbH, Unterschleißheim VT Vorspanntechnik GmbH & Co. KG, Salzburg, Österreich


1 1 . S YM P O S I U M L E I P Z I G Dyna-Grip®-Seile mit enger Verrohrung

Sae Poong Bridge in Südkorea

von Christian Gläser, Werner Brand, Roland Weber

Schrägseile mit Litzenbündelseilen sind nach langjähriger internationaler Anwendung auch in Deutschland bei verschiedenen Brückenbauwerken eingesetzt worden. Neben den klassischen Verankerungen wurden für beengte Platzverhältnisse nun Gabelkopfverankerungen konzipiert. Verrohrungen mit kleinen Außendurchmessern verbessern die aerodynamischen Eigenschaften von Litzenbündelseilen. Beide Innovationen wurden bei der Sae Poong Bridge in Südkorea erstmals verwendet. 1 Entwicklung von Schrägseilen Für Schrägseilbrücken kommen vollverschlossene Seile sowie Seile aus Litzenbündeln zum Einsatz. Vollverschlossene Spiralseile bestehen innen aus Runddrähten und außen aus mehreren Lagen Z-Drähten, das größte bisher in Deutschland gefertigte Seil hat einen Durchmesser von 167 mm und eine Tragfähigkeit von ca. 30 MN. Der Aufbau dieser Seile mit ihrer großen inneren Oberfläche erfordert einen dauerhaften inneren Korrosionsschutz, der gleichzeitig eine Schmierwirkung aufweisen muss, um die innere Reibung der Einzeldrähte zu mindern. Der Korrosionsschutz der Drähte selbst erfolgt durch Feuerverzinkung, zusätzlich erhöhen Polyurethanbeschichtungen den außenseitigen Schutz des Seils. Zur Verankerung werden die Drähte in Zughülsen mit Außengewinde eingegossen, auf die dann beim Einbau Stützmuttern geschraubt werden.

1 Einbau der Gabelkopfverankerung in die Prüfmaschine © Dywidag-Systems International GmbH

Als Zugglieder bei den Litzenbündelseilen kommen siebendrähtige kaltgezogene Litzen mit d = 15,70 mm, feuerverzinkt und gewachst, mit PE-Mantel in Schrägseilausführung zum Einsatz, die mit dreiteiligen, besonders schwingfesten Keilen verankert werden. [1] Die Schrägseile sind überbauseitig mit einem Spannanker, einem Ankerblock mit verstellbarer Ringmutter und einem pylonseitigen Festanker versehen. Das gesamte Litzenbündel ist in einem HDPE-Schutzrohr mit äußerer Wendel, die das Auftreten von regen-wind-induzierten Schwingungen verhindern soll, angeordnet. Alle Verankerungen beim Seiltyp DynaGrip® besitzen innenliegende Dichtungselemente, die das Eindringen von Wasser in den Keilbereich verhindern. Die einzelnen Litzen können somit für spätere Untersuchungen ausgetauscht werden. Beim Seiltyp Dyna-Bond® wird der Verankerungsbereich ausinjiziert, wodurch Verbund zwischen dem Verankerungskörper und den Litzen hergestellt wird und die auf die Keilverankerungen treffenden Spannungsänderungen aus Verkehr- und Windlasten reduziert werden. Seile vom Typ Dyna-Bond® finden vor allem in erdbebengefährdeten Gebieten Verwendung.

2 Spezialverankerungen für den Pylonanschluss Bei den meisten Schrägseilbrücken werden die Seile beidseits am Pylon verankert. Dabei sind die Pylone meist begehbar und bieten ausreichend Arbeitsraum, um den Festanker der Litzenbündelseile einzubauen. Für beengte Platzverhältnisse wurde mit der ClevisVerankerung eine Gabelkopfverankerung entwickelt, die auch eine außenliegende Befestigung ermöglicht. Die Verankerungen wurden zunächst für die Seilgrößen mit 12, 37 und 61 Litzen konzipiert. Der Gabelkopf wird an eine am Pylon befestigte Verankerungsscheibe mittels eines Bolzens angebracht. Der gegossene Gabelkopf hat auf der pylonabgewandten Seite ein Innengewinde, in das ein Ankerkopf mit Dichteinheit des DynaGrip®-Systems eingeschraubt wird. Die Verankerungen werden auf der Baustelle liegend vormontiert, bevor sie mit dem Kran eingehoben und mit dem Bolzen an das Bauwerk angeschlossen werden. Vor der ersten Anwendung wurden Ermüdungsversuche und danach ein Zugversuch gemäß fib-bulletin 30 [2] an Seilen mit 12 und 61 Litzen, ausgestattet mit Gabelkopfverankerungen, durchgeführt. Dabei wurden alle Anforderungen während der 2 x 106 Lastwechsel mit Schwingbreite 200 N/mm2 sowie beim nachfolgenden Zugversuch erfüllt.

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2 Litzenanordnung bei normaler und enger Verrohrung für ein Schrägseil mit 55 Litzen © Dywidag-Systems International GmbH

3 Verrohrung von Schrägseilen Bei Schrägseilen mit Litzenbündeln werden die verzinkten, gewachsten und PE-ummantelten Einzellitzen in der äußeren Verrohrung parallel geführt. Üblicherweise ist innerhalb der Verrohrung ein Füllungsgrad bis zu 50 % zu erreichen. Da die Schrägseile für Windangriff sehr exponiert liegen und daher auch in Abhängigkeit von dem Hüllrohrdurchmesser die Windlasten und die aus Wind resultierenden Schwingungserscheinungen zunehmen, besteht Interesse, die Hüllrohrdurchmesser zu reduzieren. Durch Optimierung der Einbauverfahren ist es nun gelungen, für die Dyna-Grip®Seile sogenannte Slim Ducts mit bis zu 14 % verkleinertem Außendurchmesser zu verwenden. Die Anordnung der Litzen bei normaler und enger Verrohrung ist in obenstehendem Bild vergleichend gegenübergestellt. Um zu gewährleisten, dass bei enger Verrohrung und Füllungsgraden bis zu 73 % eine problemlose Montage ebenso möglich ist, wurden in Vorversuchen die Einbauverfahren und -hilfsmittel optimiert. Die realisierbaren Hüllrohrdurchmesser für die Dyna-Grip®-Seile sind hier in einer Tabelle angegeben.

Dyna-Grip®-Seile Standard Duct Slim Duct Typ d in [mm] d in [mm] DG-P 12 110 110 DG-P 19 125 125 DG-P 31 160 140 DG-P 37 180 160 DG-P 55 200 180 DG-P 61 225 200 DG-P 73 250 225 DG-P 91 280 250 DG-P 109 315 280 DG-P 127 315 280 DG-P 157 355 315

3 Gegenüberstellung von normaler und schlanker Verrohrung © Dywidag-Systems International GmbH

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4 Sae Poong Bridge 4.1 Lage und Abmessungen Die Weltausstellung Expo 2012 findet in der südkoreanischen Küstenstadt Yeosu zum Thema »The Living Ocean and Coast« statt. Zur Erschließung der Stadt werden zurzeit zahlreiche Infrastrukturprojekte realisiert. Dazu gehört auch die Errichtung der horizontal gekrümmten Sae Poong Bridge im Zuge der Nationalstraße N 2 als Umfahrung der Stadt Gwangyang, die den Gwangyang Western River, eine Eisenbahnstrecke und eine untergeordnete Straße überquert. Das Bauwerk ist eine Schrägseilbrücke mit drei Pylonen und einer Gesamtlänge von 875 m, die Hauptspannweiten betragen 85 m + 220 m + 220 m + 85 m. Der Überbau mit zentralem Hohlkastenquerschnitt und Streben für die Kragarmbereiche weist eine Breite von 23,90 m und eine Höhe von 3,30 m auf. Die beiden Randpylone haben eine Höhe von ca. 87 m, der mittlere Pylon eine Höhe von 101 m. 4.2 Seilführung Je Pylon ist eine Seilebene zentrisch angeordnet. Für die Längstragrichtung kommen 64 Seile der Firma DywidagSystems International vom Typ DG-P55 sowie 26 Seile vom Typ DG-P61 zum Einsatz. In Querrichtung werden zwölf Seile vom Typ DG-P12, acht vom Typ DG-P37 sowie vier Seile vom Typ DG-P61 eingesetzt, um die Pylone, erforderlich aufgrund des horizontal gekrümmten Brückenverlaufs, zu stabilisieren. Da diese in (Brücken-)Querrichtung orientierten Seile den Pylon im spitzen Winkel schneiden und ihre Verankerungen mit jenen der in Längsrichtung wirkenden Seile in Konflikt geraten würden, ergab sich die Notwendigkeit, hier die Gabelkopfverankerungen einzusetzen. Außerdem wurden sechs Seile des Typs DG-P19 in den Pfeilern der beiden Randfelder als Rückhängeseile realisiert, die ein Abheben des Überbaus verhindern sollen.

4 Pylon und Brückenquerschnitt mit Abspannseilen © Dywidag-Systems International GmbH

5 Sae Poong Bridge im Bauzustand © Dywidag-Systems International GmbH

4.3 Bauausführung und Seilmontage Die Ausführungsarbeiten der Brücke begannen im August 2009 und sollen rechtzeitig vor der Expo im Juli 2012 abgeschlossen sein. Wegen begrenzten jährlichen Budgets kann aber nur ein Pylon pro Jahr realisiert werden. Anfang für die Seilmontage war im Frühjahr 2010: Der Einbau der Seile erfolgt mit zwei Montageteams, wobei in der Regel ein Seil links und eines rechts des Pylons gleichzeitig hergestellt werden. Aktuell konnten für den ersten Pylon sowohl die Seile in Längstrag- als auch in Querrichtung eingebaut und gespannt werden.


Die Leichtigkeit des Bauens

6 Einbau der Seile in Querrichtung © Dywidag-Systems International GmbH

5 Ausblick Mit neuartigen Verankerungskonstruktionen lassen sich in Zukunft auch klassische Einsatzgebiete von vollverschlossenen Seilen mit Litzenbündelseilen ausführen, wobei insbesondere die Vorteile hinsichtlich Dauerhaftigkeit des Korrosionsschutzes und einfacher Inspizierbarkeit zum Tragen kommen. Die bei der Sae Poong Bridge erstmals angewandten kleineren Durchmesser der Verrohrung werden die Bauweise mit Litzenbündelseilen wegen der verbesserten aerodynamischen Eigenschaften vor allem bei großen Spannweiten weiter voranbringen. Autoren: Dr.-Ing. Christian Gläser CEO Europe Post-Tensioning Dipl.-Ing. Werner Brand Head of Technical Services Stay Cables Dipl.-Ing. Roland Weber Stay Cable Specialist, Dywidag-Systems International GmbH, Unterschleißheim Literatur [1] Gläser, C.; Scheibe, M.; Zilch, K.: Die 2. Strelasundquerung. Erste deutsche Anwendung von Parallellitzenseilen; in: Bauingenieur, Heft 4, 2007. [2] Fédération internationale du béton (Hrsg.): Recommendations for the Acceptance of Stay Cable Systems using Prestressing Steels. fib-bulletin 30, 2005. Bauherr Iksan Regional Construction and Management Administration, Jeonbuk, Südkorea Entwurf Chungsuk Engineering Co. Ltd., Seoul, Südkorea Tragwerksplanung Daelim Industrial Co. Ltd., Seoul, Südkorea Envico Consultants Co. Ltd., Seoul, Südkorea Bauausführung Daelim Industrial Co. Ltd., Seoul, Südkorea Lieferung der Seile Dywidag-Systems International GmbH, Unterschleißheim

Weltweit verlassen sich unsere Kunden bei der Planung, Fertigung und Montage von Seilbauwerken auf unsere Kompetenz. Weitere Informationen erhalten Sie unter www.pfeifer.de

PFEIFER SEIL- UND HEBETECHNIK GMBH DR.-KARL-LENZ-STRASSE 66 D-87700 MEMMINGEN TELEFON 0 83 31-937-285 TELEFAX 0 83 31-937-350 cablestructures@pfeifer.de E-MAIL INTERNET www.pfeifer.de 1 . 2011 | BRÜCKENBAU

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1 1 . SYM P O S I U M L E I PZ I G Maßnahmen zur Ergänzung des Autobahnnetzes

Geplante Großprojekte in Hamburg von Bernd Rothe, Karl-Heinz Reintjes

Ergänzungen des Autobahnnetzes in Hamburg durch Neu- und Ausbaumaßnahmen sind dringend erforderlich. Die Planungen hierzu sind unterschiedlich fortgeschritten. Nachfolgend wird über drei Projekte berichtet, die für die Infrastruktur Hamburgs und eine leistungsfähige Verkehrsabwicklung, aber auch für die Stadtentwicklung von erheblicher Bedeutung sind. Bestandteile dieser Maßnahmen sind große Tunnelbauwerke und Großbrücken, auf deren funktionale Anforderungen und die Einbindung in das Stadtbild hier näher eingegangen wird. 1 Einführung Hamburg ist Dreh- und Angelpunkt für den Verkehr in Norddeutschland. Neben dem Quell- und Zielverkehr des Ballungszentrums liegen hier wichtige Streckenverbindungen von und nach Skandinavien. Gleichzeitig ist der Hinterlandverkehr des Hamburger Hafens zu gewährleisten. Das Autobahnnetz ist bedeutender Bestandteil der Verkehrsinfrastruktur. Der Verkehr ist in den letzten Jahrzehnten stark angewachsen und alle Prognosen zeigen weitere Steigerungen auf. Der Ausbau des Autobahnnetzes ist dem zunehmenden Verkehr bisher aber nur unzureichend gefolgt. Netzergänzungen und Erweiterungsmaßnahmen sind daher dringend erforderlich. Der DEGES wurden von Hamburg drei wesentliche Projekte übertragen. Dies sind die Verlegung der B 4/B 75 in Hamburg-Wilhelmsburg, die Hafenquerspange A 252 und die Erweiterung der A 7 nördlich der Elbe. Die Planungen hierfür befinden sich in unterschiedlichen Phasen.

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1 Lage der Bündelungstrasse © DEGES GmbH

2 Verlegung der B4/B75 2.1 Überblick Die Wilhelmsburger Reichsstraße verbindet als vierstreifige Bundesstraße im Bereich der größten Flussinsel Europas in Hamburg-Wilhelmsburg die Bundesautobahnen (BAB) A 253 im Süden und A 252 im Norden. Sie bildet mit einer Verkehrsbelastung von nahezu 60.000 Kfz/d neben der BAB A 1 und der A 7 die dritte wichtige Nord-Süd-Achse im überregionalen Straßennetz in Hamburg. Der Stadtteil Wilhelmsburg ist heute durch diese Straße und die Bahnanlagen in drei Teile zerschnitten. Der Verkehrslärm beeinträchtigt mit kritischen Grenzwertüberschreitungen über weite Flächen die Lebensqualität der Bevölkerung. Mit ihrer Verlegung um ca. 400 m nach Osten an die vorhandenen Gleisanlagen (neun Gleise für S-Bahn-, ICE-, Fernbahnund Güterbahnverkehr) soll durch Bündelung von Straße und Schiene in Verbindung mit entsprechenden Lärmschutzvorkehrungen nutzbringender städtebaulicher Entwicklungsraum geschaffen werden. Die Bewohner des Stadtteils Wilhelmsburg gewinnen durch die Maßnahme neue Lebensqualität hinzu, da sich die Geräuschkulisse deutlich mindert , eine nachhaltigere Nutzung des Geländes der Internationalen Gartenschau als Parkanlage sichergestellt und der Bereich der Internationalen Bauausstellung »Neue Mitte Wilhelmsburg« aufgewertet werden kann.

Die Schneise der Bahnanlagen mit der zukünftig dann parallel geführten B 4/ B 75 wird zwar eine Zäsur in Wilhelmsburg bleiben, durch die Bündelung von Bahn und Straße ergibt sich aber ein vom überörtlichen Straßenverkehr freies Wilhelmsburg-West. Darüber hinaus werden die Verbindungen zwischen Wilhelmsburg-West und -Ost optimiert. Zur Unterstützung der städtebaulichen Chancen muss die neue Bundesstraße mit ihren Bauwerken auf angemessene Art und Weise in die Gegebenheiten des Stadtbildes eingegliedert werden. Ebenfalls ist eine Einpassung in die Stadtquartiere vorzunehmen, die im Rahmen des Masterplans »Neue Mitte Wilhelmsburg« hinzukommen. Die Gestaltung der neuen Bundesstraße hat zudem wesentlichen Einfluss auf die Akzeptanz der Infrastrukturmaßnahme durch die Bürger und für die zukünftige Stadtentwicklung. 2.2 Gestaltung der Bauwerke 2.2.1 Schallschutzwände Aufgrund der vor allem durch den Schienenverkehr vorhandenen Vorbelastung mit kritischen Grenzwertüberschreitungen der Lärmpegel wird wegen des neu hinzukommenden Verkehrsweges erstmals eine schalltechnische Gesamtbetrachtung mit Summenpegelbildung der Straßen- und Schienenemissionen erforderlich. Planerisches Ergebnis ist ein Gesamtlärmschutzpaket, welches bundesweit durchaus Modellcharakter besitzen wird.


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Zur Abschirmung des Straßen- und Bahnschalls werden auf fast gesamter Länge des Streckenabschnittes auf der West- und Ostseite der Bundesstraße sowie auf der Ostseite der Bahnanlage Schallschutzwände errichtet, die Höhen bis 6 m erreichen. Darüber hinaus sind in Teilbereichen weitere Wände zwischen den Gleisen des Fernverkehrs und der S-Bahn zur Abschirmung des Bahnschalls erforderlich. Material und Farbe sollten einen Bezug zum städtebaulichen bzw. landschaftlichen Umfeld aufweisen. Hier sind schallabsorbierende Porenbetonelemente gewählt worden, die derzeit in Sandbraun vorgesehen sind und deren Oberfläche mit einer Struktur aus horizontalen Wellen aufwartet. Für die Anliegerseite ist eine Begrünung zweckmäßig, bei den Wänden im Bahnbereich können auch metallische Strukturen mit grauen Farbtönen Verwendung finden. Bei Wandhöhen größer 4 m sollen die darüberstehenden Flächen aus transparentem Material ausgebildet werden. 2.2.2 Brücken Die vorhandenen querenden Überführungen können aufgrund der geometrischen Bedingungen weitgehend erhalten werden. Dies ist mit geringen baulichen Änderungen möglich. Es handelt sich um die Überführung Thielenstraße, die Überführung Neuenfelder Straße und die Fuß- und Radwegbrücke Brackstraße. Neu zu bauen sind eine Brücke über den Ernst-August-Kanal und die Unterführung Rotenhäuser Straße in der zukünftigen Anschlussstelle Wilhelmsburg. In der Nähe der Neuenfelder Straße ist zudem die Fuß- und Radwegverbindung zwischen Wilhelmsburg-West und dem S-Bahnhof Wilhelmsburg neu zu erstellen.

2 3 4 Konzeption der Schallschutzwände © DEGES GmbH

Im Bereich der Anschlussstelle Wilhelmsburg-Süd ist ein Ensemble von verschiedenen Bauten neu zu errichten. Dies sind zwei Bahnbrücken, ein Grundwassertrog und die Brücke im Zuge der Straße Kornweide als Anschlussstellenbauwerk. Darüber hinaus sind einige kleinere Bauwerke, Stützwände sowie Durchlässe auszuführen, und bei der nördlichen Einbindung der neuen B 4/B 75 in die alte Trasse der A 252 ist ein vorhandenes Trogbauwerk zu ergänzen.

Die Planung der zukünftigen Hafenquerspange (A 252) wird beim Bau der B 4/B 75 im Bereich der Anschlussstelle Wilhelmsburg-Süd berücksichtigt. Die hierfür erforderlichen Bauwerke werden aber erst im Zuge der A 252 realisiert.

5 Brücke über den Ernst-August-Kanal © DEGES GmbH

6 Bahnbrücken bei Kornweide © DEGES GmbH

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3 Neubau der Hafenquerspange (A 252) 3.1 Überblick Die geplante A 252 verbindet im Süden von Hamburg die A 7 im Westen mit der A 1 im Osten. Neben dem Lückenschluss im Autobahnnetz verbessert sie die Erreichbarkeit des Hamburger Hafens und hat darüber hinaus eine signifikante Entlastungswirkung für innerstädtische Quartiere. Die A 252 durchquert auf großer Länge das Hafengebiet, daher auch die Bezeichnung Hafenquerspange. Die Maßnahme steht in Zusammenhang mit den weiteren in der Region geplanten Fernstraßenprojekten, dem Bau der A 20 und der A 26, der Verbreiterung der A 7 und der A 1 sowie der Verlegung der B 4/B 75. Im Rahmen einer langjährigen Konzeption wurden verschiedenste Trassen untersucht, die von einer nahe der Elbe gelegenen Linie bis zu einer Lage im Süden des Hafengebiets reichten. Nachdem die Planung 2009 der DEGES übergeben wurde, konnte kurzfristig eine Lösung erarbeitet werden, welche die unterschiedlichen Randbedingungen optimal erfüllt. Diese Trasse mit einer Länge von 9,60 km, als Süd 1 bezeichnet, wurde in ein neues Linienbestimmungsverfahren eingebracht, das derzeit noch nicht abgeschlossen ist. Die Trasse umgeht die Ortslage Moorburg südlich, berücksichtigt das im Bau befindliche Kraftwerk Moorburg, quert die Süderelbe mit einer Hochbrücke parallel zur vorhandenen Kattwykbrücke und verläuft in östliche Richtung weiter durch das Hafengebiet unter Beachtung vorhandener Raffinerie- und Industrieanlagen, von Hafenbahnen wie -straßen und taucht im Bereich der Wohngebiete von Wilhelmsburg in Tunnellage ab. Lange Abschnitte der Trasse sind so aufgrund der Anschlüsse und der Bündelung bzw. Kreuzung mit Verkehrs- und Wasserwegen nicht geländegleich zu verwirklichen. Auf fast ganzer Streckenlänge muss die Autobahn deshalb auf oder in Ingenieurbauwerken geführt werden. Die Kosten wurden in der bisherigen Planungstiefe mit 750 Mio x ermittelt. Nicht geländegleiche Trassen lassen sich durch Brücken oder durch Tunnel- bzw. Troglagen realisieren. Auch bei einfachen Baugrund- und Grundwasserverhältnissen ist eine Hochlage, also eine Trassenführung auf einer Brücke bzw. auf einer Hochstraße in aller Regel wesentlich kostengünstiger als jene in einem Tunnel. Das betrifft die Baukosten, insbeson-

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7 Lageplan der Trasse Süd 1 © DEGES GmbH

dere ergibt sich diese Aussage aber bei Berücksichtigung der Betriebskosten. Die Hafenquerspange durchquert die Elbinsel, das Grundwasser steht hier knapp unter dem Gelände an und kann wegen der Baugrund- wie der Bebauungssituation für den Endzustand und ebenfalls im Bauzustand in den meisten Fällen nicht abgesenkt werden. Im Fall einer Tieflage, sei es Tunnel oder Trog, bedeutet das erhebliche zusätzliche Kosten. Hinzu kommt, dass der Hochwasserschutz – die Bauwerke im Grundwasser sind derzeit in dem hier betrachteten Bereich auf eine Wasserspiegelhöhe von 7,80 m über NN auszubilden – weitere Kosten verursacht. Außerdem muss diskutiert werden, ob bei einem Infrastrukturbauwerk mit einer Nutzungsdauer von 80–120 Jahren aufgrund des Klimawandels noch von höheren Wasserständen ausgegangen werden sollte. Hochlagen sind daher generell zu bevorzugen.

Die Querung der Süderelbe ist die zentrale Aufgabenstellung für die Planung der Hafenquerspange. Das Bauwerk ist für die Trassierung und für die Gesamtkosten von erster Bedeutung. Es wurden Brücken und Tunnellösungen untersucht. 3.2 Querung der Süderelbe 3.2.1 Allgemeines Die Stelle der Querung wird in engem Rahmen durch das Kraftwerk Moorburg, den Hafen Hohe Schaar und ein ausgedehntes Industriegelände am Ostufer der Elbe vorgegeben. Außerdem ist die vorhandene Kattwykbrücke von Bedeutung, eine Hubbrücke, mit der eine für den Hafenverkehr wichtige Straßen- und Bahnverbindung überführt wird. Die üblichen Bauwerkslösungen für die Querung eines von Großschiffen befahrenen Stroms, wie Hoch- oder bewegliche Brücke und Tunnel in unterirdischer oder offener Bauweise, wurden in einem ersten Untersuchungsschritt betrachtet.

8 Trasse im Bereich der Süderelbequerung © DEGES GmbH


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Die bewegliche Brücke wurde aus den weiteren Überlegungen ausgeschieden, da dem Autobahnverkehr die aus dem Schiffsverkehr bedingten zahlreichen und länger dauernden Wartepausen nicht zugemutet werden können. Die möglichen Herstellungstechniken der Tunnel konnten auf zwei Methoden eingegrenzt werden, so dass in der weiteren Untersuchung nur noch die Lösungen Hochbrücke, Bohrtunnel und Einschwimm- bzw. Absenktunnel gegenüberzustellen waren, was auf einem Vergleichsabschnitt von 2.700 m Länge erfolgte. Gemäß der hier anzusetzenden Entwurfsklasse EKA-1B wurden die Trassierungsparameter festgelegt, als Autobahnquerschnitt war ein RQ 31 zu wählen. 3.2.2 Hochbrücke Für die Lösung »Hochbrücke« ist eine für die Schifffahrt erforderliche Durchfahrtshöhe von 53 m über NN festgelegt. Die Süderelbe hat am Querungsort eine Breite von 300 m. Der dort gelegene Hafen Hohe Schaar und die Anlegestelle des Kraftwerks Moorburg führen dazu, dass in diesem Bereich der Elbe keine Pfeiler im Strom situiert werden können. Bei 300 m Spannweite, und größer ist ein seilverspanntes Tragwerk, die technisch und wirtschaftlich günstigste Brückenkonstruktion, wobei sich mit einem oder auch zwei Pylonen arbeiten lässt. 3.2.3 Bohrtunnel Die Baugrundverhältnisse sind derart, dass ein mit Schildmaschine aufgefahrener Bohrtunnel die zweckmäßige Lösung ist. Seine Länge würde ca. 2.000 m betragen. Die angrenzenden, in offener Bauweise zu errichtenden Tunnel- und Trogabschnitte liegen bereits relativ flach, so dass sie einfach herzustellen wären. Es werden zwei Tunnelröhren vorgesehen. Mit der heute zur Verfügung stehenden Technologie lässt sich der komplette Querschnitt des RQ 31 nicht realisieren, die Fahrstreifenbreite und die Breite des Seitenstreifens müssen reduziert werden. Aufgrund der Bedingungen der Schifffahrt ist eine Sohltiefe des Elbfahrwassers von 15 m unter NN zu gewährleisten.

9 Vorschlag für eine Hochbrücke © DEGES GmbH

Der Außendurchmesser des Bohrschilds beträgt 13,50 m, aus technischen Gründen ist eine Erdüberdeckung über dem Schild von rund einem Schilddurchmesser nötig. Damit liegt die Gradiente aber im Tiefstpunkt etwa bei 37,50 m unter NN.

10 Querschnitt des Bohrtunnels © DEGES GmbH

3.2.4 Einschwimm-/Absenktunnel Die Bauweise des Einschwimm- und Absenkverfahrens (E+A-Verfahren) besitzt keine technologisch bedingten Grenzen für die Querschnittsgröße. Aus Kostengründen wird aber auch hier gemäß dem Regelwerk eine Reduzierung der Breite der Fahrstreifen und des Seitenstreifens vorgenommen.

Die Länge der im E+A-Verfahren erstellten Tunnelstrecke beträgt ca. 560 m. Die im Anschluss in offener Bauweise auszuführenden Tunnelabschnitte bedürfen Baugruben bis ca. 30 m Tiefe, die am östlichen Elbufer in einem Hafenbereich bzw. auf Industrieflächen liegen.

11 Querschnitt bei E+A-Verfahren © DEGES GmbH

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Die für die Realisierung der Tunnelelemente notwendigen Dockanlagen können im engeren Umfeld der Baustelle errichtet werden. Die Baugrube für das Absenken der Elemente erfordert einen Aushub der Elbsohle von ca. 16 m. Die Absicherung der Gründung der benachbarten Kattwykbrücke verursacht zusätzliche Maßnahmen. 3.2.5 Gegenüberstellung der Lösungen Die Kosten für beide Tunnel liegen in etwa gleicher Höhe, bei Berücksichtigung der Unterhaltungskosten sind die Kosten der Brückenlösung aber etwa um die Hälfte niedriger. Darüber hinaus wurden weitere Kriterien, insbesondere die Natur- und Umweltbelange, die Beeinträchtigungen von Verkehr und Gewerbe sowie die Einbindung in das planerische und städtebauliche Umfeld betrachtet. Die Tunnellösung des E+A-Verfahrens weist aufgrund der in offener Bauweise herzustellenden Abschnitte hierbei gravierende Nachteile auf. Der Bohrtunnel und die Brücke haben in der Gesamtsicht in etwa das gleiche Bewertungsniveau. Unter Einbeziehung der Kosten führt das zu der eindeutigen Aussage, dass die Brückenlösung weiterzuverfolgen ist. Die Einpassung einer Brücke in das Stadt- und Hafenbild lässt sich konstruktiv und gestalterisch ansprechend realisieren.

12 Visualisierung einer Brücke als mögliche Lösung © DEGES GmbH

3.3 Querung des Wohngebiets Wilhelmsburg Im Bereich der Kreuzung mit der achtgleisigen Bahnstrecke Harburg–Wilhelmsburg sowie der südlichen Wohngebiete von Wilhelmsburg ergeben sich besondere technische Anforderungen. Für die Querung der vorhandenen Bahnbrücken und die Realisierung eines Lärmschutzes wurden in einer Voruntersuchung mehrere Tunnellösungen betrachtet. Unter Berücksichtigung der komplizierten Grundwasserverhältnisse und der notwendigen Sicherung der Brückenkonstruktionen sind sowohl Tunnel in offener Bauweise, entweder zweizellig mit HDI-Stabilisierung aus Hilfsstollen oder doppelstöckig mit

13 14 Querschnitte der Tunnellösungen: Fernbahn und Güterbahn © DEGES GmbH

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überschnittenen Bohrpfahlwänden (Länge ca. 650 m) als auch eine Bohrtunnellösung (Länge ca. 900 m) als sehr aufwendig einzuschätzen. Hierzu sind zukünftig weitere vertiefende Betrachtungen notwendig. 4 Erweiterung der BAB A 7 4.1 Überblick 4.1.1 Lage und Maßnahmen Gegenstand des Ausbaus ist der Abschnitt der A 7 von der Landesgrenze Schleswig-Holsteins und Hamburgs bis zur Anschlussstelle Othmarschen vor dem Elbtunnel. Diese Strecke hat eine Länge von 11,60 km und beinhaltet das Autobahndreieck Hamburg Nord-West sowie sechs Anschlussstellen.


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15 Lageplan © DEGES GmbH

Der Trassenverlauf der A 7 durch die eng bebauten Stadtteile hat mit steigender Verkehrsbelastung eine starke Verlärmung der anliegenden Wohngebäude bewirkt. Im Zusammenhang mit dem Ausbau der A 7 hat der Bund für die gesetzlich vorgeschriebenen Lärmschutzmaßnahmen zu sorgen, was in den Bereichen Bahrenfeld bzw. Othmarschen und Stellingen bereits die Realisierung von Deckellösungen bzw. Galeriebauwerken in erheblicher Länge notwendig macht. Für Hamburg bietet sich damit die historische Chance, durch Ergänzungen der Überdeckelungen die trennende Wirkung der A 7 und die Zerschneidung der Stadtteile weitgehend zu beheben. Die Kosten für diese zusätzlichen Maßnahmen sind von Hamburg zu tragen. Im Rahmen der Realisierung von Deckellösungen entsteht aber auch die Möglichkeit der Verwertung von Grundstücken, wodurch wiederum Erlöse in den Gesamthaushalt von Hamburg zurückfließen werden. Die A 7 führt in Hamburg durch unterschiedliche topographische Situationen und verschieden strukturierte Stadtlandschaften. Die Randbedingungen und Ansprüche variieren dementsprechend ebenfalls, die Umsetzungsvorschläge spiegeln dies wider. Bestandteile der Planung sind Lärmschutzwände in diverser Höhe und Bauweise, Einhausungen einer Fahrtrichtung und Deckelbauwerke zur Überbrückung des gesamten Autobahnquerschnitts, die nachfolgend kurz beschrieben werden. Betrachtet werden hier lediglich die hauptsächlichen Konfliktbereiche in den städtischen Verdichtungszonen.

4.1.2 Abschnitt Schnelsen Die Autobahn befindet sich hier in Troglage. Als erforderlicher Lärmschutz hat sich eine Lösung mit einkragenden Lärmschutzwänden auf Stützwänden ergeben. Als städtebaulich optimale Lösung wird allerdings ein geschlossener Deckel von der Heidlohstraße bis nördlich der Frohmestraße mit einer Länge von 550 m verfolgt, da seine Ausführung ein Zusammenwachsen des Zentrums von Schnelsen ermöglicht. Für die Randbereiche wird eine Mischnutzung vorgesehen, auf der Deckelfläche südlich der Frohmestraße ist eine Grünanlage mit Fuß- und Radwegen geplant.

4.1.3 Abschnitt Stellingen Die Autobahn befindet sich hier ebenfalls in Troglage. Sie zerschneidet die Ortslage so, dass die Wohnbebauung in Stellingen starker Verlärmung ausgesetzt ist. Als erforderlicher Lärmschutz wurde daher ein geschlossenes Deckelbauwerk von der Güterumgehungsbahn bis zur Kieler Straße mit einer Länge von 950 m ermittelt, während in den anschließenden Bereichen einkragende Lärmschutzwände vorgesehen sind. Die Überlegungen zur städtebaulichen Optimierung haben nicht zu einer Verlängerung des Deckels geführt, sondern zu detaillierten Ergänzungen des Schallschutzes und des Sichtschutzes. Während der gesamten Bauzeit ist eine sechsstreifige Verkehrsführung zu gewährleisten.

16 Bauphase in Stellingen © DEGES GmbH

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17 18 19 20 Lärmschutzwand: Innenseite, Endausformung, Konstruktionsdetail, Rückfront © DEGES GmbH

4.1.4 Abschnitt Bahrenfeld-Othmarschen Die Autobahn befindet sich hier größtenteils in einer Tieflage mit Böschungen. Als erforderlicher Lärmschutz ergab sich eine Deckelkonstruktion von 730 m Länge im Bereich der Anschlussstelle Bahrenfeld. Nach Süden schließt sich ein Galeriebauwerk von 580 m Länge an, das die Fahrtrichtung nach Hannover einhaust. Für die nachfolgenden Abschnitte wurde eine Wandlösung mit unterschiedlichen Höhen vorgeschlagen. Als städtebaulich optimale Lösung wird eine Verlängerung des Deckelbauwerkes nach Norden bis in Höhe Winsbergring und damit auf eine Gesamtlänge von ca. 2.000 m verfolgt. Südlich verbleibt die Einhausung der westlichen Fahrtrichtung bis zur Brücke Behringstraße. 4.2 Gestaltung der Bauwerke 4.2.1 Lärmschutzwände Basislösung sind an den Fahrbahnrändern bzw. im Mittelstreifen angeordnete einkragende Wände über der Autobahn, wobei die Höhe des vertikalen Wandabschnitts mit 7,50 m vorgesehen wurde. Bei einer Kragweite von 4,00 m beträgt die maximale Höhe des Dachrands 9,00 m, was eine städtebaulich akzeptable Lösung darstellt und gleichzeitig die Unterbringung der Autobahnbeschilderung nicht behindert. In Streckenabschnitten, in denen nur ein geringerer Schallschutz erforderlich ist, werden hingegen vertikale Wände bis 7,50 m Höhe eingesetzt.

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Die außergewöhnlichen Abmessungen der Wände in Länge und Höhe bedürfen einer differenzierten Strukturierung. Verfolgt wurde das Konzept einer ausgeprägten räumlichen Gliederung in der Vertikalen wie in der Horizontalen. Nachstehende charakteristische Details wurden für den Regelfall der Kragwände vorgesehen: – Hauptstützen im Abstand von 12 m als Dreigurt-Rohrfachwerkbinder mit Bogenform, – Anordnung des Dachfachwerks innenliegend mit biegesteifer Fachwerkverbindung zur -hauptstütze, – Spoiler an der Kragdachspitze als Doppelrohr, – leicht geneigte Ausbildung der seitlichen Wandflächen, – innenseitig Betongleitwände, Unterteil der Wandfläche mit Porenbetonelementen bis zu einer Höhe von ca. 2,50 m, Oberteil aus Aluminiumelementen, – Innenseite des Kragdachs aus metallischen Elementen, – äußere Dachfläche aus metallischen Profilen, – materialorientierte Farbgestaltung, da sich durch die unterschiedlichen Geometrien der Wände und Portalbauwerke eine abwechslungsreiche Baulandschaft ergibt, so dass auf eine weitere Akzentuierung verzichtet werden soll, – Vorpflanzung oder Rankbegrünung an den Rückseiten der äußeren Lärmschutzwände.

4.2.2 Deckelbauwerke Unter Deckelbauwerken sind Tunnel zu verstehen, die wegen der oberflächennahen Lage als Stahlbetonrahmen mit flachen Decken ausgeführt werden, auf denen eine mehr oder weniger große Erdüberschüttung ausgeführt wird. Die Überschüttungsfläche lässt sich unterschiedlich nutzen, in diesem Fall sollen auch Bäume gepflanzt werden können, weshalb eine Überschüttungshöhe von 1,20 m eingehalten wird. Infolge des breiten Autobahnquerschnitts im Abschnitt Stellingen resultieren bei einem Rahmen mit zwei Zellen bzw. zwei Tunnelröhren Spannweiten von je 25 m und mehr. Aufgrund der großen Spannweiten des zweizelligen Rahmens und der relativ großen Belastung wird für die Rahmendecke eine vorgespannte Konstruktion vorgesehen. Zentrale Lärmschutzmaßnahme im Bereich der drei Stadtkerne sind Tunnel, in Schnelsen mit einer Länge von 550 m, in Stellingen mit ca. 1.000 m und in Bahrenfeld/Otmarschen mit ca. 2.000 m. Zwischen dem Südportal des Tunnels Bahrenfeld/Othmarschen und dem südlich gelegenen Elbtunnel, der eine Länge von 3.000 m hat, verbleibt ein offener Abschnitt von 380 m.


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Die Tunnelportale eignen sich dafür, im Verlauf der Strecke eine gezielte Akzentuierung dort vorzunehmen, wo die Autobahn ein Stadtkerngebiet durchquert. Dafür werden bei den Portalen Querscheiben mit Bogenform ausgebildet, die in eine geschlossene und eine transparente Fläche gegliedert sind. Im Regelfall sind vor den Portalen die vollständigen Kragwände, das heißt Kragwände an der Seite und eine Kragwand im Mittelstreifen, erforderlich.

21 Deckelbauwerk an der Kieler Straße © DEGES GmbH

In der Situation werden die auskragenden Seitenwände und die auskragende Mittelwand in ihrer Höhenlage angepasst und zu zwei Kuppeln geschlossen, die auf die (Portal-)Querscheibe stoßen. Die Rampenportale im Umfeld von Anschlussstellen erhalten eine besondere Ausformung durch Kuppeln aus transparentem Material, die über entsprechende Geländemodellierungen in die Gestaltung der Tunneloberflächen eingebunden werden. 4.2.3 Brücken Die Unter- und Überführungen der Autobahn wurden ca. 1970 realisiert. Die Bauwerke, denen je nach Herstellungsverfahren eine Nutzungsdauer von 70–120 Jahren zugeordnet wird, haben damit etwa die Hälfte ihrer »Lebenszeit« erreicht. Falls ihre Geometrie es zulässt, dass der breitere Ausbauquerschnitt aufgenommen wird, können daher die Erhaltung und weitere Nutzung in Betracht gezogen werden. Die Untersuchungen hierzu sind umfangreich, denn es müssen unter anderem Tragfähigkeit, aktueller Bauwerkszustand, konstruktive Problemstellungen und der Standard des Aufbaus berücksichtigt werden. Die vorhandene Langenfelder Brücke liegt im Zuge der A 7 und überquert in Stellingen einen Bahnhof sowie ICE- und S-Bahn-Gleise. Die Brücke muss neu errichtet werden, da das existierende Tragwerk den verbreiterten Autobahnquerschnitt nicht aufzunehmen vermag. Der Neubau ist in Form einer im Einschubverfahren herzustellenden Verbundbrücke vorgesehen.

Mit größeren Problemen behaftet ist der Rückbau der Spannbetonkästen der vorhandenen Brücke, die zeitweilig jeweils als Spannbetonkasten auf Traggerüst umgesetzt wurde. Ein Rückbau mit konventionellen Abbruchmethoden würde zu nicht vertretbaren Sperrzeiten des Bahnverkehrs führen. Als geeignete Lösung wird verfolgt, dass der über den Durchfahrtsgleisen gelegene Brückenteil auf Hilfsstützen aus dem Bahnfeld geschoben wird, wozu aber vorab eine Verstärkung des Überbaus notwendig ist. Autoren: Dipl.-Ing. Bernd Rothe Dipl.-Ing. Karl-Heinz Reintjes DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH, Berlin Bauherr Bundesrepublik Deutschland Auftragsverwaltung Hansestadt Hamburg Vertreter der Auftragsverwaltung DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungsund -bau GmbH, Berlin Planung ca. 30 Ingenieurbüros

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1 1 . SYM P O S I U M L E I PZ I G Definition, Charakteristika und ausführte Beispiele

Renaissance der integralen Bauweise im Brückenbau von Winfried Glitsch

Jede Fuge, insbesondere jede Dilatationsfuge, ist eine Schwachstelle und erfordert einen erhöhten Unterhaltungsaufwand. Diese Erkenntnis hat in den letzten Jahren im In- und Ausland zu einer Rückbesinnung auf die fugen- und lagerlose Bauweise geführt. Dabei sind fugenlose Strukturen von alters her bekannt. In der Vergangenheit wurden zahlreiche integrale Bauwerke, vor allem einfeldrige Rahmenbrücken, aber ebenso semiintegrale (halbintegrale) Konstruktionen mit Lagern und Dilatationsfugen an den Widerlagern realisiert. Die lager- und fugenlose Bauweise bietet vielseitige Einsatzmöglichkeiten, sie bedingt zugleich jedoch ein hohes Maß an Ingenieurverstand. Dies gilt sowohl für die Planung als auch für die Bauausführung. 1 Einleitung Jede Fuge, insbesondere jede Dilatationsfuge, ist eine Schwachstelle und verursacht einen erhöhten Unterhaltungsaufwand. Dies gilt ebenso für Brückenlager, wenn auch in deutlich geringerem Maße. [5]

Deshalb ist seit einigen Jahren die Wiederentdeckung der lager- und fugenlosen Bauweise [3] im Brückenbau zu beobachten. Dies trifft nicht nur für Deutschland zu, gerade im Ausland ist sie stark verbreitet. Seit mehreren Jahren beschäftigen sich Forschungsprojekte und Arbeitsgruppen im In- und Ausland intensiv mit dem Thema »Integrale Brücken«, um gesicherte Kenntnisse zu erlangen und ihren Einsatz zu fördern und auszuweiten. In England ist sie bereits die übliche Bauweise bei Brückenlängen bis 60 m und in einigen Bundesstaaten der USA mittlerweile als Standardbauweise in »Bridge Design Manuals« geregelt. In der Schweiz, in Österreich und in Deutschland werden derzeit Richtlinien bzw. Entwurfshilfen für ihre Anwendung erstellt bzw. stehen kurz vor der Einführung. In Deutschland ist eine kleine Arbeitsgruppe im Auftrag des Brückenbaureferates des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) mit dieser Thematik befasst. Mit der Etablierung der Begriffe integral und semiintegral und der Anwendung der fugenlosen Bauweise über den bis dato vorhandenen Erfahrungsbereich hinaus sind die beiden Bezeichnungen heute in aller Munde.

Hauptbewegungsrichtung

Widerlager

Pfeiler

Überbau

Widerlager

2 Die Begriffe integral und semiintegral Bei den lager- und fugenlosen Bauwerken unterscheidet man im Wesentlichen zwei Kategorien: integrale und semiintegrale Brücken. Brücken ohne Fugen und Lager werden als integrale Bauwerke bezeichnet. Der Überbau einer integralen Brücke ist über die gesamte (Brücken-)Länge fugenlos durchlaufend und weder von den Pfeilern noch von den Widerlagern durch Fugen oder Lager getrennt: Alle Bauteile sind monolithisch miteinander verbunden. Betongelenke werden als monolithische Verbindung verstanden. [1] [2] Für den Begriff semiintegral (halbintegral) gibt es unterschiedliche Definitionen. In den USA und teilweise auch in den europäischen Nachbarstaaten werden Brücken als semiintegral bezeichnet, welche entweder Fahrbahnübergänge oder Lager aufweisen, aber nicht beides. Die Lager oder Fahrbahnübergangskonstruktionen werden nur an den Widerlagern angeordnet. [5] In Deutschland sind gelagerte Brücken ohne Fahrbahnübergänge bisher nicht üblich, deshalb wird meist folgende Definition gewählt: Semiintegrale Brücken sind Rahmentragwerke, bei denen mindestens zwei Pfeiler monolithisch, also ohne Lager, an den Überbau angeschlossen sind. Die Widerlager sind mit Fahrbahnübergängen und Lagern ausgestattet. Wie bei integralen Bauwerken resultieren aus der statisch unbestimmten Lagerung eines Teilsystems auch bei semiintegralen Bauwerken Zwangsbeanspruchungen aus der Schwankung des konstanten Temperaturanteils.

1 Prinzip einer integralen Brücke © Hessisches Landesamt für Straßen- und Verkehrswesen

Verschiebungsruhepunkt Dehnfuge

2 Prinzip einer semiintegralen Brücke © BMVBS/Arbeitsgruppe integrale Bauweise

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Dehnfuge


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3 Vor- und Nachteile der integralen Bauweise Integrale Bauwerke und zum Teil mit Einschränkungen auch semiintegrale Bauwerke bieten hinsichtlich der Gestaltung, Wirtschaftlichkeit, Nutzung und Unterhaltung Vorteile gegenüber Brücken mit Lagern und Dilatationsfugen. Die wesentlichen Vorteile sind nach [5] [6]: – der Entfall von Verschleißbauteilen (Fahrbahnübergänge, Lager) und damit die Verminderung der Instandhaltungskosten, – ein höherer Fahrkomfort und die Reduzierung der Lärmemissionen durch den Entfall der Fahrbahnübergangskonstruktionen, – die Vermeidung von direktem Taumittelzutritt wegen des Verzichts auf Fugen, – schlanke und ästhetische Bauwerke wegen geringerer Bauteilabmessungen, – eine größere Freiheit bei der Wahl der Stützweiten (auch kleine Randfelder ohne abhebende Kräfte sind möglich), – der Ansatz der aussteifenden Wirkung der Widerlagerhinterfüllung, zum Beispiel für die Lastfälle Wind und Bremsen, – größere Traglastreserven im Grenzzustand der Tragfähigkeit. Dem stehen folgende Nachteile gegenüber: – Es sind erhöhte Anforderungen an das geotechnische Entwurfsgutachten zu stellen, da obere und untere Grenzwerte der Bodenkennwerte benötigt werden. – Die Berechnung ist aufwendiger, da die Interaktion von Bauwerk und Boden zu berücksichtigen ist. – Die realistische Erfassung der bemessungsrelevanten Parameter ist schwieriger (Boden, Steifigkeiten, E-Modul). – Es sind planmäßig Zwangskräfte vorhanden. – Der Baugrund muss setzungsunempfindlich, zugleich aber horizontal nachgiebig sein. – Planungs- und Baufehler sind nur sehr schwer zu korrigieren. – Zyklische Temperaturverformungen können Setzungen in der Hinterfüllung hervorrufen.

3 Aquädukt von Segovia © Manuel Gonzáles Olaechea y Franco/www.wikipedia.de

4 Historie Vom Beginn des Massivbrückenbaus im Altertum bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts war die fugenlose Bauweise die gängige Bauweise. Wie robust und dauerhaft solche Konstruktionen sind, zeigen Zeugnisse aus der Römerzeit, wie unter anderem das Aquädukt von Segovia mit einer Länge von 814 m, das heute noch als Wasserleitung dient. Aber auch aus den Gründerjahren des Eisenbahnbaues um 1850 und der ersten Zeit des Autobahnbaues um 1930 existieren Zeugnisse dieser langlebigen Bauweise, wie zum Beispiel die 1851 fertiggestellte 574 m lange Göltzschtalbrücke, die als größte Ziegelsteinbrücke der Welt bekannt ist. Doch nicht nur im Mauerwerksbau kam die integrale Bauweise zum Einsatz, Stahlbeton- und Spannbetonbauwerke wurden zunächst ebenfalls weitgehend lager- und fugenlos errichtet. So gibt es zahlreiche Rahmenbauwerke und sogar größere Talbrücken, die integral bzw. semiintegral ausgeführt wurden. Mit dem stetigen Anwachsen der Bauwerkslängen, dem Siegeszug des Spannbetons und der starken Verbreitung des Taktschiebeverfahrens, das eine monolithische Verbindung quasi ausschließt, wurde die integrale bzw. semiintegrale Bauweise zurückgedrängt. Zur sicheren Beherrschung der Zwängungen aus Vorspannung, Schwinden, Kriechen, Stützensenkung und vor allem Temperatur sowie zur Vermeidung von Rissen wurden zunehmend zwängungsarme bzw. -freie Systeme durch die gezielte Anordnung von Lagern und Fahrbahnübergängen gewählt. Lager und Fugenübergangskonstruktionen entwickelten sich zu Standardelementen im Brücken-

bau und waren selbstverständlicher Bestandteil jeder Brücke. Erste gegenläufige Tendenzen waren in den 1980er Jahren bei der Umsetzung kleinerer Rahmenbrücken erkennbar. Bei längeren Talquerungen deutete sich durch die Konzeption von Festpfeilergruppen oder einer »schwimmenden Lagerung« eine Tendenz zur semiintegralen Bauweise an. 5 Besonderheiten der integralen Bauweise Bei integralen Bauwerken bilden die Widerlager und der Überbau eine monolithische Struktur. Demzufolge ist der Baugrund nicht nur als Einwirkung auf das Tragwerk zu berücksichtigen, sondern ist Systembestandteil und fließt mit seinen Baustoffeigenschaften als integraler Bestandteil in das statische Gesamtmodell ein. Aus Temperatur und damit verbundener Längenänderung entstehen Zwangsbeanspruchungen im Bauwerk. Die Verschiebungen und Verdrehungen wirken aber auch auf den Baugrund, in den die Brücke eingebettet ist. Im Jahresverlauf mit Sommer- und Winterstellung treten zudem zahlreiche Zyklen mit kleineren Temperaturschwankungen auf. [4] Die Zwangsschnittgrößen im Bauwerk sind im Wesentlichen abhängig von der Steifigkeit des Bauwerks, des Baugrunds und der Hinterfüllung. Der Erddruck hinter der Widerlagerwand ist wiederum abhängig von der jeweiligen Wandverformung: Er kann rechnerisch zwischen dem halben aktiven und dem mobilisierten passiven Erddruck nach Vogt [7] [8] [9] variieren.

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1 1 . SYM P O S I U M L E I PZ I G 6 Ausgeführte integrale Bauwerke Bei der Mehrzahl der integralen Bauwerke in Deutschland handelt es sich um einteilige Rahmenbrücken. Es sind sämtliche Bauweisen vertreten: Stahlbeton, Spannbeton und Stahlverbund. Hinsichtlich der Zwangsschnittgrößen verhalten sich die Stahlverbundbrücken am günstigsten, da Betonkriechen und Schwinden hier keine Rolle spielen. Es sind alle Gründungsarten anzutreffen: Flachgründung, Tiefgründung (Pfahlbock, Pfahlreihe). Einreihige Pfahlreihen gewährleisten besonders nachgiebige Widerlager und damit zwängungsarme Tragwerke. Zur Verminderung der Zwangsschnittgrößen wurden mitunter die Widerlagerflügel von den -wänden durch Vertikalfugen entkoppelt und die Konstruktionen als Zweigelenkrahmen mit Betongelenken am Stielfuß ausgeführt. Das Gros der Stützweiten der Einfeldrahmen liegt unter 50 m, vereinzelt gibt es jedoch Bauwerke mit Riegellängen bis 100 m. Typische Beispiele in Deutschland für integrale Brücken sind überschüttete Rahmen, Rahmen in Stahlbeton mit Stützweiten bis ca. 35 m, Rahmen in Stahlverbund, überwiegend zwischen 30 m und 50 m sowie Rahmen in Spannbeton bis ca. 50 m. Bisweilen werden auch größere Stützweiten ausgeführt: Im Zuge der Erweiterung und des Umbaues des Hermsdorfer Kreuzes ist als Kreuzungsbauwerk, also für eine hochbelastete Autobahnbrücke, ein einfeldriger Stahlverbundrahmen mit einer Stützweite von ca. 68 m geplant. Die Brückenschiefen liegen meist in Bereichen zwischen 70 gon und 100 gon, bei kleineren Rahmenstützweiten sind in Einzelfällen auch deutlich größere Schiefen realisiert worden.

4 Schema der Temperaturänderungen © Hessisches Landesamt für Straßen- und Verkehrswesen

Die Zwangsschnittgrößen lassen sich generell durch folgende Parameter beeinflussen: – Stützweite, – Bauweise (Stahlverbund, Stahlbeton, Spannbeton), – Steifigkeiten (E-Modul), – Bauwerksgeometrie (Schlankheit, Vouten, Krümmung), – Gründungsart (Pfahlreihe, Pfahlbock, Flachgründung), – Widerlagerform (Abmessungen, Schiefe, Anschluss der Widerlagerflügel, Betongelenke). Bei im Grundriss stark gekrümmten Brücken mit großen Längen und Öffnungswinkeln und in der Querrichtung nachgiebigen Pfeilern kann das »Atmen« der Brücke in Querrichtung genutzt werden. Durch seitliches Ausweichen entstehen gegenüber geraden Brücken mit starren Widerlagern nur geringe Zwangsbeanspruchungen. [3] [11] Das setzt bei integralen Brücken allerdings eine starre Ausbildung der Widerlager voraus. Dieses statische Konzept eignet sich wegen der größeren Krümmungen insbesondere für Fußgängerbrücken, wurde aber auch vereinzelt bei Straßenbrücken angewandt. Bemerkenswerte Beispiele hierfür sind die Sunnibergbrücke bei Klosters in der

Schweiz [10] und die obere Nesenbachtalbrücke in Stuttgart. Die Grenzen der integralen Bauweise ergeben sich zum einen aus der Beherrschung der Zwangsschnittgrößen sowie andererseits aus der Bewältigung der vertikalen und horizontalen Verformungen am Übergang von Bauwerk und Hinterfüllung. Infolge der zyklischen Belastung der Hinterfüllung treten im Widerlagerbereich tendenziell größere Setzungen auf als bei konventionellen Brücken. Deshalb empfiehlt sich im Fall von hochbelasteten Straßen bei Längen ab ca. 25 m die Anordnung von Schleppplatten am Brückenende. Bei dessen Ausbildung mit Schleppplatten und Brückenabschluss gemäß Richtzeichnung (RIZ) Abs. 4 sind Längen je nach Bauweise zwischen 40 m und 65 m möglich. Bei größeren Bauwerkslängen ist zusätzlich zu den Schleppplatten eine Fugenübergangskonstruktion erforderlich. Bei Verwendung einer am Bauwerksende gleitend aufgelegten Schleppplatte und einem Fahrbahnübergang gemäß RIZ Übe 1 [4] lassen sich Bauwerkslängen bei Stahlbeton- und Spannbetonbrücken von ca. 100 m erzielen, bei einer Ausführung in Stahlverbundbauweise sogar deutlich darüber.

6 Schleppplatte und Übe 1 © BMVBS/Arbeitsgruppe integrale Bauweise

5 Sunnibergbrücke bei Klosters in der Schweiz © Tiefbauamt Graubünden

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7 8 9 10 Beispiele für Rahmenbrücken © DEGES GmbH/SSF Ingenieure AG

Im Stützweitenbereich bis ca. 50 m liegen mittlerweile für alle Bauweisen und Gründungsarten umfangreiche Erfahrungen vor, so dass eine sichere Herstellung dieser Brücken möglich ist. Bezüglich der Übergangskonstruktion mit Schleppplatten fehlen allerdings noch fundierte Kenntnisse und Langzeitstudien. 7 Besonderheiten der semiintegralen Bauweise Semiintegrale Brücken mit Lagern und Fugenübergangskonstruktionen an den Widerlagern bieten sich an, wenn die Verformungen an den Pfeilern und Widerlagern nicht mehr schadlos bzw. verkehrsverträglich am Überbauende aufgenommen werden können. Damit wird die Problematik der zyklischen Beanspruchung der Hinterfüllung im Widerlagerbereich umgangen. Allerdings entfällt auch ein wesentlicher Vorteil der integralen Bauweise, nämlich der Verzicht auf Dilatationsfugen.

Als Grenze für den Einsatz der semiintegralen Bauweise ist im Regelfall die maximal mögliche Dehnlänge vom ideellen Festpunkt bis zum entferntest monolithisch angeschlossenen Pfeiler anzusehen bzw. das maximal aufnehmbare Moment am ungünstigsten Pfeilerkopf. Bei großen Zwangsbeanspruchungen am Pfeilerkopf kann die Anordnung von Betongelenken sinnvoll sein. Die Ausführbarkeit semiintegraler Brücken wird maßgeblich beeinflusst durch – die Länge des monolithischen (integralen) Bestandteils der Brücke, – die Pfeilerabmessungen und Pfeilersteifigkeit, – die Steifigkeit der Gründung, – die Bauweise (Stahlverbund, Stahlbeton, Spannbeton), – das Herstellverfahren, – die Grundrissgeometrie. Die Pfeilerhöhe und -dicke haben maßgeblichen Einfluss auf die Zwangsschnittgrößen, die Steifigkeit der Gründung verliert mit zunehmender Pfeilerhöhe an Bedeutung. Die Spannbetonbauweise schneidet hinsichtlich der Zwangsbeanspruchungen ungünstiger ab als Stahlverbund- und Stahlbetonkonstruktionen, da die Vorspannung und das Kriechen auf das statisch unbestimmte System wirken und damit Zwangskräfte hervorrufen. Durch optimierte Herstellverfahren, zum Beispiel Vorverformung der Pfeiler, Festpunktwechsel etc., lassen sich die orientierten Bewegungen (aus Vorspannung, Kriechen, Schwinden) jedoch zum Teil ausgleichen. [12] Einen günstigen Einfluss haben auch Grundrisskrümmungen, die ein Ausweichen in horizontaler Richtung und damit eine Verringerung der Zwangsbeanspruchungen ermöglichen. Im Gegensatz zu konventionellen Brücken, bei denen Über- und Unterbau getrennt berechnet werden, ist bei semiintegralen Bauwerken die statische Be-

11 Rahmenbauwerk in Spannbeton © Leonhardt, Andrä und Partner GmbH

12 Geplante Autobahnbrücke am Hermsdorfer Kreuz © DEGES GmbH/SSF Ingenieure AG

rechnung am Gesamtsystem aus Überund Unterbau im Regelfall mit oberen und unteren Bodenkennwerten für die Pfeilergründung durchzuführen. 8 Ausgeführte semiintegrale Bauwerke Typische Beispiele für semiintegrale Bauwerke sind Schrägstielrahmen und Bogenbrücken mit aufgeständerter Fahrbahnplatte. Bei den Schrägstielrahmen ergeben sich bei Autobahnüberführungen Brückenlängen bis ca. 80 m, bei den Bogenbrücken bis ca. 100 m. Vereinzelt, wenn die Zwangskräfte aufnehmbar sind, werden diese Bauwerke bei untergeordneten Verkehrswegen auch integral ausgeführt.

13 Bauwerk als Schrägstielrahmen © DEGES GmbH

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am Ende der Bauzeit sowie Vorauslenkungen der Pfeiler, um die gerichteten Verformungen (Vorspannung, Kriechen, Schwinden) weitgehend zu kompensieren. In solchen Grenzbereichen ist hohe Ingenieurkunst, sind aber auch eine hohe Präzision und Kontrolle in der Ausführung erforderlich. 14 Bogenbrücke mit aufgeständerter Fahrbahn © DEGES GmbH

Bogenstrukturen mit aufgeständerter Fahrbahn in semiintegraler Bauweise findet man ebenfalls als Talbrücken mit wesentlich größeren Bauwerkslängen. Ein solches Beispiel ist das Murrtalviadukt bei Backnang mit einer Gesamtlänge von 418 m bei einer Höhe über Tal von ca. 25 m. Hier wurden sehr schlanke Pfeiler gewählt, in den kurzen Bogenständern sind oben und unten Betongelenke angeordnet. In jüngster Zeit werden zunehmend mehrfeldrige Rahmenbrücken mit relativ geringen Pfeilerhöhen semiintegral konzipiert. Durch die Variation der Pfeilerdicken zur Steuerung der -steifigkeiten lassen sich sogar bei Pfeilerhöhen von ca. 10 m Brückenlängen über 100 m realisieren. Ein erfolgreich verwirklichtes Beispiel für eine mehrfeldrige Rahmenbrücke mit einer Gesamtlänge von 136 m in Stahlbeton bei Stützweiten von 18–25 m und Pfeilerhöhen von ca. 11 m ist die Talbrücke Reiterberg im Zuge der Ortsumgehung Marienberg in Sachsen, deren Pfeilerdicken 50 cm betragen. Ein weiterer großer Anwendungsbereich sind seit jeher Talbrücken, bei denen die mittleren Pfeiler monolithisch mit dem Überbau verbunden sind. Im Hangbereich werden auf den Stützen wegen der geringeren Pfeilerhöhen meist Lager angeordnet. Das bekannteste Beispiel in Deutschland ist die im Jahr 1979 errichtete 185 m hohe Kochertalbrücke, bei der die mittleren vier Pfeiler bei Stützweiten von 138 m monolithisch an den Überbau angeschlossen sind, das heißt, der monolithische Anteil eine Länge von 414 m aufweist. Ein technisch und gestalterisch herausragendes Bauwerk in semiintegraler Konstruktion ist die 520 m lange Talbrücke Zahme Gera im Zuge der BAB A 71, die 2003 fertiggestellt wurde. Hier sind die drei mittleren Y-förmig ausgebildeten Pfeiler monolithisch mit dem Überbau auf einer Länge von 290 m verbunden.

15 Talbrücke Reiterberg bei Marienberg © Leonhardt, Andrä und Partner GmbH

Welche Möglichkeiten die semiintegrale Bauweise bietet, konnte man in den letzten Jahren bei der Verwirklichung mehrerer großer Eisenbahnbrücken im Zuge der Aus- und Neubaustrecke Nürnberg–Erfurt–Halle/Leipzig–Berlin, dem Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 8, beobachten. Ein ganz besonderes Bauwerk ist die Scherkondetalbrücke im Abschnitt Erfurt–Halle/Leipzig: Sie hat eine Gesamtlänge von 576,50 m bei einer maximalen Höhe über Tal von ca. 30 m. Zur Aufnahme der sehr hohen Bremslasten bei Eisenbahnbrücken befindet sich der Festpunkt am westlichen Widerlager, der letzte eingespannte Pfeiler hat einen Festpunktabstand von 452 m. Der Überbau besteht bei Regelstützweiten von 44 m aus einem vorgespannten, gevouteten, einstegigen Plattenbalken. Um das Bauwerk mit dieser Länge semiintegral errichten zu können, wurden verschiedene Optimierungen vorgenommen. [12] So wurden die Pfeilerdicken und die E-Moduli des Pfeilerbetons reduziert, um die Systemsteifigkeiten der Unterbauten zu vermindern, und die Gründung der Pfeiler erfolgte auf horizontal nachgiebigen Pfahlreihen. Der Bauprozess wurde zudem so gesteuert, dass die tatsächlich an der fertigen Brücke auftretenden Pfeilerkopfauslenkungen minimiert wurden. Dazu dienten eine gezielte Herstellungsreihenfolge und ein Festpunktwechsel

16 Talbrücke Zahme Gera an der BAB A 71 © DEGES GmbH

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9 Zusammenfassung und Ausblick Die Erkenntnis, dass Fugen und insbesondere Dilatationsfugen Schwachpunkte von Brückenbauwerken darstellen, hat im In- und Ausland eine Rückbesinnung auf die fugen- und lagerlose Bauweise bewirkt. So sind in den letzten Jahren zahlreiche integrale und semiintegrale Konstruktionen entstanden. Für integrale Tragstrukturen liegen mittlerweile für alle Bauweisen mit unterschiedlichen Gründungen bei Stützweiten bis ca. 50 m umfangreiche Erfahrungen vor. Im Anwendungsbereich von 50–100 m fehlen hingegen noch gesicherte Ergebnisse. Für den Übergang vom Bauwerk zur Hinterfüllung existieren im In- und Ausland diverse Realisierungsvorschläge, vor allem über die Art und Ausführung von Schleppplatten am Brückenende. Welche Lösungen hier das Optimum bedeuten, müssen erst Langzeitstudien zeigen. Neben dem traditionellen Einsatzgebiet bei Schrägstielrahmen, aufgeständerten Bogen- und hohen Talbrücken findet die semiintegrale Bauweise in den letzten Jahren zunehmend Anwendung bei mehrfeldrigen Rahmenbrücken mit niedriger Höhe über Gelände sowie Längen bis ca. 200 m. Aber auch im Großbrückenbau dringt sie in immer größere Längenbereiche vor. Es zeigt sich, dass sich ihre Grenzen durch Optimierungsprozesse erheblich beeinflussen lassen. Dies bietet kreative Gestaltungsspielräume, ist zugleich jedoch hinsichtlich der zielsicheren Umsetzung kritisch zu begleiten.

17 Scherkondetalbrücke kurz vor Fertigstellung © Adam Hörnig Baugesellschaft mbH & Co KG


Die lager- und fugenlose Bauweise eröffnet vielseitige Möglichkeiten, Brücken ästhetisch, robust und unterhaltungsarm zu planen und herzustellen. Deshalb sollte bereits bei deren Entwurf überlegt werden, ob eine lager- und fugenlose Konstruktion unter den jeweiligen Randbedingungen sinnvoll ist. Sowohl für die integrale als auch die semiintegrale Bauweise gilt, dass die statischen Systeme wesentlich empfindlicher sind als bei konventionellen Lösungen. Aus dem Grund ist ein erhöhter Aufwand bei der geotechnischen Begleitung, bei der Konzeption, der statischen Berechnung und der Bauausführung erforderlich. Fehler in der Planung und Realisierung von lager- und fugenlosen Bauwerken sind nur schwer zu korrigieren und können zu irreversiblen Mängeln und Schäden am Tragwerk führen. Insofern ist für diese Bauweise ein hohes Maß an Ingenieursachverstand wichtiger den je. Autor: Dipl.-Ing. Winfried Glitsch DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH, Berlin

Literatur [1] Engelsmann, S.; Schlaich, J.; Schäfer, K.: Entwerfen und Bemessen von Betonbrücken ohne Fugen und Lager. Heft 496 der Schriftenreihe des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton, Berlin 1999. [2] Pötzl, M.; Schlaich, J.; Schäfer, K.: Grundlagen für den Entwurf, die Berechnung und konstruktive Durchbildung lager- und fugenloser Brücken. Heft 461 des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton, Berlin 1996. [3] Pötzl, M.: Robuste Brücken. Vorschläge zur Erhöhung der ganzheitlichen Qualität. Braunschweig, Wiesbaden, 1996. [4] Hessisches Landesamt für Straßen- und Verkehrswesen (Hrsg.): Fugenloses Bauen. Entwurfshilfen für integrale Straßenbrücken. Heft 50 der Schriftenreihe des Hessischen Landesamts für Straßen- und Verkehrswesen, Wiesbaden 2002. [5] Kaufmann, W.: Integrale Brücken. Sachstandsbericht. Forschungsaufträge AGB 2003/001 und AGB 2005/019 auf Antrag der Arbeitsgruppe Brückenforschung (AGB) und des Kantons Graubünden, Juni 2008. [6] Geier, R.; Schimetta, G.: Integrale Brücken. Aktivitäten in Österreich. Schimetta-Consult-Newsletter. [7] Forschungsgruppe für Straßen- und Verkehrswesen, Arbeitsgruppe Erd- und Grundbau: Merkblatt über den Einfluss der Hinterfüllung auf Bauwerke. FGSV-Heft 525, Juli 1994. [8] Vogt, N.: Erdwiderstandsermittlung bei monotonen und wiederholten Wandbewegungen in Sand. Mitteilungen des Bau-grundinstitutes Stuttgart, Nr. 22, 1984. [9] England, G. L.; Tsang, N. C. M.: Towards the Design of Soil Loading for Integral Bridges. Experimental Evaluation. Department of Civil and Environmental Engineering, Imperial College, London 2001. [10] Schüller, M.: Konzeptionelles Entwerfen und Konstruieren von Integralen Betonbrücken; in: Beton- und Stahlbetonbau, Vol. 99, Heft 10, 2004, S. 774–789. [11] Pötzl, M.; Maisel, J.: Entwurfsparameter für fugenlose Betonbrücken mit gekrümmtem Grundriss; in: Beton und Stahlbetonbau, Vol. 100, Heft 12, 2005, S. 985–990. [12] Sonnabend, S.; Tiarks, F.: Scherkondetalbrücke als semiintegrales Bauwerk. Besonderheiten bei Ausführungsplanung und Errichtung; in: BRÜCKENBAU, Heft 2, 2010, S. 11–21.


1 1 . SYM P O S I U M L E I PZ I G Tragstrukturen mit Lagern und Fahrbahnübergängen

Die Differentialbauweise im Brückenbau von Christian Braun

Der Natur als Lehrmeisterin folgend, führte die Evolution im Brückenbau zur funktionalen, das heißt differentialen Bauweise. Dabei entstanden durch die Vermeidung von Zwängungen an kritischen (Bauwerks-)Stellen langlebige und robuste Bauwerke. Dies wurde und wird mit modernen Lagern und Fahrbahnübergängen erreicht, die durch einfachen Einbau, große Lebensdauer und geringe Instandhaltungskosten wirtschaftlich und störungsarm sind. Umweltfreundliche, recyclebare Werkstoffe und der mühelose Austausch kleiner Einheiten tragen hier zur Nachhaltigkeit bei. 1 Einleitung Im Brückenbau werden Bauweise und Ästhetik im Wesentlichen von der Funktion der Tragelemente geprägt. Aufgrund der technischen Herausforderungen des modernen Brückenbaus einerseits und der kosten- sowie umweltbezogenen Rahmenbedingungen andererseits gibt es eine kontinuierliche Selektion und Optimierung der verwendeten Produkte. Manche von ihnen haben funktional bedingte Nachteile, zum Beispiel eine begrenzte Lebensdauer. Verzichtbar sind sie aber nur, wenn die wirtschaftliche und ökologische Gesamtbilanz nicht negativ wird. Zielführender ist eine »Optimierung des Notwendigen«: Das Kniegelenk oder die Bandscheiben sind Problemzonen des menschlichen Körpers – als Körperteile jedoch Ergebnis und nicht Ursache der natürlichen Evolution. Dieser Artikel behandelt normale Brücken mit Lagern und Fahrbahnübergängen sowie die Möglichkeiten der Optimierung. Dafür wird der im Maschinenbau etablierte Begriff »Differentialbauweise« eingeführt. 2 Begriffe 2.1 Differentialbauweise Die Differentialbauweise ist definiert als optimale Nutzung von Werkstoffen und Bauteilen in Abhängigkeit von der jeweiligen Funktion. »Differential« kann somit auch als »funktional« oder »normal« bezeichnet werden. Bei der Unterscheidung zur Integralbauweise wird sie auf das Zulassen planmäßiger und zwängungsfreier Bewegung in Fugen reduziert.

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2.2 Integralbauweise Als integrale Brücken werden rahmenartige Tragstrukturen ohne Lager und Fahrbahnübergänge mit einer Einbindung des Überbaus in das Widerlager oder den Pfeiler bezeichnet. 3 Besonderheiten und Vorteile differentialer Brücken Den äußeren und inneren Einwirkungen folgend, verformen sich Werkstoffe und Elemente. Bis zu einem gewissen Maß wird dies durch die Nachgiebigkeit der Bauteile oder durch Zwängungsbeanspruchungen aufgenommen. Werden aber Grenzwerte überschritten, entstehen Risse oder Ermüdungsschäden. Evolution bedeutet nun Zunahme vorteilhafter sowie Abnahme unvorteilhafter Merkmale. In der Natur führt die Evolution zum Abbau von Zwangsbeanspruchungen. Und das gilt auch im Brückenbau: Fahrbahnübergänge und Brückenlager ermöglichen Bewegungen und gewährleisten die Funktionalität des Bauwerks. Im Weiteren wird von differentialen Brücken gesprochen, wenn diese beiden Bauteile Verwendung finden. Differentiale Brücken sind durch klare Schnittstellen zur Umgebung und innerhalb der Konstruktion gekennzeichnet. Das ergibt viele Vorteile: – für alle Bauwerksarten und Bau verfahren anwendbar, – beliebige Kombination von Werk stoffen möglich, – Gestaltungsfreiheit, – modulare und Fertigteilbauweise möglich, – Trennung von Geotechnik und Tragwerksplanung, – Unabhängigkeit von Baugrund unsicherheiten, – Minimierung des Baugrund- und Systemrisikos für den Bauherrn, – überschaubare Ingenieurleistungen unabhängig von der Verkehrs kategorie, – definierte Tragwerkssicherheit und statische Systeme, – Kompensation der Zeitabhängigkeit von Werkstoff- und Bauteileigen schaften,

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Kompensation der Streuung von Werkstoffeigenschaften, Anpassung an veränderte Einwirkungen (Temperatur, Verkehr) möglich, Erdbebenisolation möglich, einfache Transportbedingungen, definierte Montagebedingungen (Einbautemperaturen, Kriech- und Schwindverläufe) gutes Versagensverhalten (Fail-Safe- Qualitäten), daher weniger Monitoring, einfache Zustandsbewertung und dadurch geringerer Inspektionsaufwand, Vermeidung von Rissen in der Tragkonstruktion und irreparablen Langzeitschäden, Vermeidung von Belagsschäden, einfache und planbare Erhaltungsmaßnahmen, partielle Reparaturen und Demontagen möglich, Vorteile beim Recycling.

4 Wirtschaftlichkeit differentialer Brücken 4.1 Allgemeines In Veröffentlichungen zur Integralbauweise wird auf die hohen Kosten aus Wartung und Instandhaltung von Brückenlagern und Fahrbahnübergängen verwiesen, zum Beispiel: »Verbundbrücken mit integrierten Widerlagern (...) erweisen sich günstiger im Bau und Unterhalt, da Lager und Fugen, welche einen großen Anteil an den Gesamtwartungskosten des Bauwerks ausmachen, fehlen.« [1]

1 Kostenvergleich: Rahmenbrücke in Verbundbauweise und Zweifeld-Betonbrücke © Aus [2] [3]


1 1 . S YM P O S I U M L E I P Z I G Eine im Rahmen eines Forschungsprojekts zur Förderung von Verbundtragwerken [2] an einem Musterbauwerk durchgeführte Untersuchung zeigt genau das Gegenteil, wie auch nachfolgendes Bild veranschaulicht: Die Betonbrücke ist wegen des zusätzlichen Flusspfeilers in der Herstellung um ca. 50 % teurer als die Verbundbrücke. Die alle 30 Jahre erforderlichen Instandsetzungsarbeiten an Korrosionsschutz und Kappen sind der maßgebliche Teil der Wartungskosten. Obwohl für den einprofiligen Fahrbahnübergang eine zu geringe Lebensdauer von 20 Jahren und eine Dichtprofilauswechslung alle 10 Jahre angenommen wurden, haben der Fahrbahnübergang und die sechs Lager keinen spürbaren Einfluss auf die Gesamtkosten (Errichtung und Erhaltung) der Betonbrücke. In der Untersuchung unberücksichtigt blieben leider die für die Instandhaltungskosten dominanten Belagsarbeiten. Die Instandhaltung kostet innerhalb der planmäßigen Lebensdauer von 100 Jahren in etwa so viel wie die Herstellung der kompletten Brücke. 10 % hiervon werden den Lagern und Fugen zugeordnet, deren Anschaffung hingegen lediglich 3 % ausmacht. [4] Mit ca. 70 % fallen die meisten Ertüchtigungskosten für Belags- und Betonarbeiten sowie den Korrosionsschutz an. Brückenlager und Fahrbahnübergänge sind erhöhten Beanspruchungen ausgesetzt. Es sind daher ausschließlich solche zu verwenden, die entweder funktional den Einwirkungen über die geplante Nutzungsdauer der Brücke widerstehen (Brückenlager) oder nur im Rahmen der planmäßigen Erhaltungsmaßnahmen am Bauwerk (Fahrbahnübergänge) ausgetauscht werden müssen. So sind Wartungs- und Erneuerungskosten für diese Bauprodukte relativ niedrig. 4.2 Brückenlager Im Brückenbau werden im Allgemeinen bewehrte Elastomerlager oder Punktkipp-Gleitlager eingesetzt. [5] Nach DIN EN 1990:2002, Tabelle 2.1 wird für Brückenlager eine geplante Nutzungsdauer von 10–25 Jahren festgelegt. Eine derartige Einschränkung ist bei modernen Brückenlagern weder notwendig noch zielführend. Bestätigt wird dies auch durch Auswertungen der Brückenhauptprüfungen der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt): Die meisten Beanstandungen resultieren aus Korrosion der Stahlteile oder Oberflächenrissen an Elastomerlagern, Kalottenlager weisen die wenigsten Beanstandungen auf. [6]

Die Lebensdauer bewehrter Elastomerlager ist durch die Alterung infolge von Umwelteinflüssen und Werkstoffermüdung gekennzeichnet. Bei Brücken kleinerer und mittlerer Spannweiten, für die die Integralbauweise empfohlen wird, spielt die Materialermüdung keine Rolle. Die Verwendung von Chloroprene-Kautschuk sichert zudem eine ausreichende Umweltverträglichkeit. Anfällig für Korrosion und Verschleiß sind Festhaltekonstruktionen und Führungslager, wenn in den Kontaktflächen keine Gleitpaarung sondern die Paarung Stahl-Stahl zum Einsatz kommt.

2 MSM®-Kalottenlager mit Kalotte aus Gleitlegierung MSA® © Maurer Söhne GmbH & Co. KG

Bei Punktkipp-Gleitlagern beeinflusst der Verschleiß der Gleit- und Kippteile die Lebensdauer. Gleitelemente aus PTFE nach DIN EN 1337-2 oder Dichtungen von Topflagern nach DIN EN 1337-5 sind in ihren aufnehmbaren Gleitwegen begrenzt. Kalottenlager mit besonderem Gleitwerkstoff [7] erreichen hingegen bei Brücken kleiner und mittlerer Spannweite die Lebensdauer des Tragwerks. Auch für das Kippelement (Kalotte) gibt es mit MSA® neuerdings eine spezielle metallische Gleitlegierung als korrosionsbeständige Alternative. Bis auf Korrosionsschutzarbeiten an den Außenflächen,

die sich im Rahmen der allgemeinen Instandhaltung durchführen lassen, sind somit keine Ertüchtigungsvorkehrungen erforderlich. Wartungsmaßnahmen entfallen generell und Inspektionen können im Zuge der Hauptprüfungen des Bauwerks erfolgen. Bei Anschaffungssummen von 1–2 % der Bauwerkskosten und noch niedrigeren Instandsetzungspreisen für den Korrosionsschutz liefern moderne Brückenlager keinen Grund für eine Abwendung von der differentialen Bauweise – im Gegenteil: Die integrale Bauweise nur zum Verzicht auf Brückenlager ist unwirtschaftlich und in der Aufwandsabschätzung unsicher. Für den eventuellen Austausch der Brückenlager werden an den Unterbauten in der Regel stationäre Pressenansatzpunkte angeordnet. Diese sind häufig gestalterisch unerwünscht und erzeugen überdies Kosten infolge vergrößerter Pfeilerabmessungen. Bei Lagern, die nur in Ausnahmefällen auszutauschen sind, wäre das Vorsehen von Stützpunkten oder Anschlusskonstruktionen für temporäre Pressenansatzpunkte wesentlich wirtschaftlicher und ästhetischer, wie die beiden nachstehenden Bilder veranschaulichen.

3 Pressenanordnung auf Unterbauten; Richtzeichnung Lag 6, 2009 © Bundesanstalt für Straßenwesen

4 Hochbrücke Freimann an der BAB A 9; temporäre Stützen für die Lagermontage © Maurer Söhne GmbH & Co. KG

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1 1 . SYM P O S I U M L E I PZ I G 4.3 Fahrbahnübergänge Fahrbahnübergänge haben Brückenbewegungen aufzunehmen und werden wie der Fahrbahnbelag beansprucht. Sie zählen zu den höchstbeanspruchten Bauteilen einer Tragstruktur: Sie ermüden und verschleißen und haben eine im Vergleich zum Brückenbauwerk begrenzte Lebensdauer. Für Fahrbahnübergänge in Deutschland ist eine Dauerstandfestigkeit von mindestens 40 Jahren nachzuweisen, für leicht und ohne wesentliche Verkehrsbehinderung auswechselbare Elemente 20 Jahre (TL/TP FÜ). Für Bewegungen über 25 mm werden in Deutschland in der Regel wasserdichte Fahrbahnübergänge in Lamellenbauweise vorgesehen, die folgende wesentliche Mängel zeigen können: – Ermüdungsschäden an der Stahl konstruktion, – Fehlfunktion der Lagerungs- und Steuerungselemente, – überhöhte Lärmentwicklung, – Undichtigkeiten, – Korrosion.

5 Mängel an mehrprofiligen Maurer-Dehnfugen an südbayerischen Autobahnen © Aus [8]

Bei den seit 1994 nach den TL/TP FÜ bemessenen Fahrbahnübergängen wurden bisher nahezu keine Ermüdungsschäden beobachtet, auch die Lagerungsund Steuerungselemente konnten dahingehend optimiert werden. Und seit mehr als zehn Jahren sind mit Erfolg wellenförmige Abdeckungen zur Geräuschminderung im Einsatz. Mängel betreffen heute Undichtigkeiten und Korrosion. Eine mit der Autobahndirektion Südbayern durchgeführte Untersuchung an mehrprofiligen Maurer-Dehnfugen anhand der Ergebnisse aller Hauptprüfungen der letzten 15 Jahre und entsprechender Überprüfungen vor Ort ergab die hier im Bild dargestellte Mängelverteilung bezogen auf die Anzahl von Konstruktionen.

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Ausgerundete Profilführung an Schrammbord und Dichtprofilentwässerung © Maurer Söhne GmbH & Co. KG

Über 60 % der betrachteten Fahrbahnübergänge wurden nicht ausreichend gewartet. Jeweils die Hälfte der Undichtigkeiten resultieren aus mechanischer Beschädigung im Betrieb oder Ausführungsmängeln insbesondere an den Schrammborden am Tiefpunkt und den Baustellenstößen. Baustellenstöße sind daher in ihrer Umsetzung und Qualitätssicherung zu verbessern, zur Vermeidung von Schäden am Schrammbord wird zudem eine geänderte Profilführung oder Entwässerung empfohlen. Das würde auch die Korrosion an der Unterseite der Konstruktionen reduzie-

ren. Korrosion an der Kappenoberseite ist hauptsächlich auf den Betrieb durch Anfahrschäden an den Schrammborden und auf mechanische Beschädigungen der Randprofile beim Schneiden der Fugen an den Betonkappen zurückzuführen. Letztere ist heute die häufigste Schadensursache, sie ließe sich durch temporäre Schutzabdeckungen oder sorgfältigeres Arbeiten vermeiden – oder aber durch den Einsatz sogenannter Hybridprofile mit Edelstahlkopf. Fahrbahnübergänge haben in der Erstanschaffung einen Preis von ca. 10–15 !/m2 Brückenfläche, das sind ca. 0,50–1,00 % der Baukosten. Ihre Auswechslung im Rahmen einer Generalinstandsetzung der Fahrbahn kostet das Dreifache, im Zuge einer eigenen Maßnahme wegen der dominanten Verkehrsführungs- und Baustelleneinrichtungsaufwendungen sogar das Fünf- bis Sechsfache. Die Auswechslung der Dichtprofile vor Ort verursacht ungefähr die Hälfte der Anschaffungskosten, inklusive der gleichzeitigen Instandsetzung des Korrosionsschutzes das Doppelte. Es ist daher naheliegend, durch konstruktive Vorkehrungen die Intervalle zu strecken und die erforderlichen Arbeiten sowie die Verkehrsbeeinträchtigungen zu minimieren. An Brücken kleiner und mittlerer Spannweite kommen in Deutschland hauptsächlich einprofilige Konstruktionen nach Richtzeichnung ÜBE 1 zur Ausführung. Deren Investitions- und Instandhaltungskosten, bezogen auf die Herstellkosten des Bauwerks, werden in [9] verglichen mit am Weltmarkt handelsüblichen Konstruktionen (Lebensdauer maximal 20 Jahre) und neuartigen EdelstahlHybridprofilen.

8 9 10 Korrosionsschäden an Gehwegen, temporäre Abdeckung und Hybridprofil © Maurer Söhne GmbH & Co. KG


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11 Anschaffungs- und Instandhaltungskosten von Fahrbahnübergängen © Aus [9]

Es zeigt sich, dass die Anschaffungskosten eines Fahrbahnübergangs den Gesamterhaltungskosten untergeordnet sind: Eine Halbierung der Einstandskosten kann die Gesamtkosten vervierfachen. Unberücksichtigt bleiben hierbei Bauwerksschäden und volkswirtschaftliche Schäden durch Verkehrsbeeinträchtigung. Die integrale Bauweise wird auch zur Vermeidung von mehrprofiligen Fahrbahnübergängen in Lamellenbauweise mit erforderlichem Wartungsgang favorisiert: Durch neuartige Fahrbahnübergänge in Wellenbauweise lässt sich jedoch ohne Zunahme an Wartungsarbeiten und mit Nutzung der lärmmindernden Wirkung der Einsatzbereich einprofiliger Dehnfugen bis auf eine Bewegung von 95 mm anheben. 5 Nachhaltigkeit Nachhaltigkeit im Brückenbau erfordert eine qualitativ hochwertige, wirtschaftliche und ökologische Bauweise. Die vorgenannten ökonomischen Aspekte führen durch die Anhebung der Lebensdauer der Produkte und damit die Vermeidung bzw. Verkürzung von Baumaßnahmen auch zu volkswirtschaftlichen Vorteilen infolge der Verringerung von Verkehrsbehinderungen. Dadurch wird zugleich die direkte Umweltbelastung reduziert. [9] Differentiale Brücken sind infolge der einfacheren Bauverfahren weniger umweltbelastend. Funktional getrennte Bauteile lassen sich einfach warten, demontieren und in kleinen Einheiten austauschen und entsorgen. Kalottenlager mit besonderem Gleitwerkstoff nach 4.2 bestehen lediglich aus Stahl und UHMWPE. Dieser Gleitwerkstoff ist chemisch beständig, umweltverträglich und im Unterschied zu PTFE oder Elastomeren schadstofffrei entsorg- oder recyclebar. Die reduzierten Abmessungen

solcher Lager im Vergleich zu anderen Bauarten oder Betongelenken bedeuten darüber hinaus geringere Umweltbelastungen bei Herstellung, Transport und Entsorgung. Durch Optimierung der Einzelbauteile kann die Versagenswahrscheinlichkeit minimiert werden. Demzufolge gelten differentiale Bauwerke grundsätzlich als wesentlich ressourcenschonender als Integralbauwerke.

12 Wellenförmiger Fahrbahnübergang mit einem Dichtprofil © Maurer Söhne GmbH & Co. KG

6 Zusammenfassung Differentiale Brücken sind bei entsprechender Dauerhaftigkeit von Lagern und Fahrbahnübergängen wirtschaftlich und nachhaltig. Moderne Lager bedürfen nahezu keiner Wartung während der Nutzungsdauer einer Brücke. Fahrbahnübergänge lassen sich so auslegen, dass sie nur während genereller Instandsetzungsmaßnahmen planmäßig ausgetauscht werden müssen. Anschaffungsund Instandhaltungskosten für beide Bauprodukte gemeinsam können bei entsprechender Qualität bei ca. 6 % der Anschaffungskosten des Bauwerks liegen. Hierzu sind in geringem Maße erhöhte Investitionskosten notwendig bzw. gerechtfertigt. Autor: Dr.-Ing. Christian Braun Geschäftsführer Maurer Söhne GmbH & Co. KG, München Literatur [1] Feldmann, M.; Pak, D.: Zu Verbundbrücken mit integralen Widerlagern; in: Stahlbau 78, 2009. [2] RWTH Aachen et al.: Economic and durable design of composite bridges with integral abutments. Final report, INTAB Research Project RFSR-CT-2005-00041, 2010. [3] Gervasio, H. et al.: Comparative analysis of an integral abutment composite bridge and a concrete bridge with expansion joints; in: 7th International Conference on Steel Bridges in Guimaraes, Portugal, 2010. [4] Berger, D. et al.: Entwurfshilfen für integrale Straßenbrücken. Heft 50 der Schriftenreihe der Hessischen Straßen- und Verkehrsverwaltung, 2004. [5] Braun, C.; Bergmeister, K.: Brückenausstattung; in: Betonkalender 2004. [6] Holst, R.: Nutzungsdauermodelle für Lager, Grundlagen für das Bauwerk-ManagementSystem (BMS). Unveröffentlichtes Sitzungsdokument N0879 des DIN-NA 005-57-02 AA »Lager im Bauwesen«, 2010. [7] Braun, C.; Hoppe, I.; Roos, R.: New High Performance Sliding Material for Structural Bearings; in: 6th World Congress on Joints, Bearings and Seismic Systems for Concrete Structures, Halifax, Canada, 2006. [8] Autobahndirektion Südbayern, Maurer Söhne GmbH & Co. KG: Auswertung der Mängelanzeigen an Maurer-Dehnfugen im Bereich der südbayerischen Autobahnen. Unveröffentlichte Studie, 2009. [9] Fischer, O. et al.: The Real Price. Holistic Cost-Efficiency Considerations in Design and Construction of Infrastructure Projects; in: IABSE-Konferenz, Venedig, Italien, 2010.

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1 1 . SYM P O S I U M L E I PZ I G Entwurf und Ausführung

Neubau der Schnettkerbrücke von Markus Hamme

Im Zuge des Ausbaus der Bundesstraße B 1 zur Autobahn A 40 ist für die in Dortmund gelegene Schnettkerbrücke ein Ersatzneubau zu erstellen. Aufgrund der schwierigen äußeren Randbedingungen und der hohen gestalterischen Anforderungen fiel die Entscheidung auf eine außergewöhnliche Konstruktionsart: Das Tragwerk ist im Endzustand eine Kombination aus Bogen-, Stabbogenund Balkenbrücke mit nur einem Mittelbogen, die beiden Überbauten sind moderne Verbundstrukturen. Nachfolgend werden der Entwurf und die Ausführung des Neubaus der Schnettkerbrücke beschrieben. 1 Lage und Verkehrsbedeutung Die Bundesstraße B1 ist zwischen den Autobahnkreuzen Dortmund-West und Dortmund-Unna die Fortsetzung der Bundesautobahn A 40 durch das Stadtgebiet von Dortmund. Sie ist damit Bestandteil eines sehr wichtigen Ost-WestVerkehrswegs im Ruhrgebiet, der die Städte Duisburg, Oberhausen, Essen, Gelsenkirchen, Bochum und Dortmund miteinander verbindet. Die Strecke ist allgemein auch unter dem Namen »Ruhrschnellweg« bekannt, wird aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens und der daraus resultierenden sehr häufigen Staus von den Bewohnern des Ruhrgebietes jedoch liebevoll als »Ruhrschleichweg« bezeichnet. Im Zuge des Ausbaus der A 40 wird die jetzige Bundesstraße B 1 zur sechsstreifigen Autobahn ausgebaut. Die Schnettkerbrücke liegt im Verlauf dieses Abschnittes innerhalb der Dortmunder Stadtgrenzen kurz hinter dem Autobahnkreuz Dortmund-West. Die durchschnittliche Verkehrsbelastung beträgt 87.000 Kfz/d mit einem Schwerverkehrsanteil von ca. 9 %. 2 »Alte« Brücke Die erste Brücke zur Überführung des Schnettkertals in Dortmund wurde bereits vor dem Ersten Weltkrieg errichtet. Aufgrund des Krieges wurde der Bau jedoch nie ganz abgeschlossen. Das bis vor kurzem unter Verkehr befindliche alte Tragwerk wurde ursprünglich im Jahr

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»Alte« Schnettkerbrücke aus dem Jahr 1931 © Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen

1931 fertiggestellt und nach dem Zweiten Weltkrieg zur endgültigen Konstruktion umgebaut. Es bestand aus einem 8 m hohen, genieteten Stahlfachwerk mit einer ebenfalls stählernen orthotropen Fahrbahnplatte. Die größte Stützweite betrug ca. 92 m und die Gesamtlänge 310 m. Die Schnettkerbrücke überspannt außer dem Fluss Emscher auch zwei Bahntrassen mit insgesamt neun Gleisen. Mit ihr wird gleichzeitig ein Geh- und Radweg geführt, der vom Tal aus über einen Treppenturm angebunden ist. Die Bauwerksbreite ließ insgesamt nur vier Fahrstreifen zu und war damit für das heutige Verkehrsaufkommen nicht mehr ausreichend, eine Verbreiterung aber nicht möglich. Da die Brücke auch statisch nicht mehr den aktuellen Anforderungen entsprach, wurde die Entscheidung für einen Ersatzneubau getroffen. 3 Variantenuntersuchung Die Schnettkerbrücke besitzt aufgrund ihrer Lage eine besondere städtebauliche Bedeutung. Bei einer entsprechenden Gestaltung kann sie für die Nutzer der A 40 quasi ein »Tor zur Stadt Dortmund« bilden. Von den Autofahrern wird die Brücke gleichzeitig mit so markanten Bauwerken wie der Westfalenhalle, dem Fußballstadion und dem Fernsehturm wahrgenommen. Die Nähe zur Universität Dortmund und zum Technologiepark legt ebenfalls eine Gestaltung nahe, die dieser Umgebung gerecht wird. Die Brücke befindet sich im direkten Blickfeld der Bewohner des Ortsteils DortmundSchönau und der Inhaber von zahlreichen Schrebergärten im Schnettkertal.

Mit der geplanten Renaturierung der Emscher und der Realisierung von Gehund Radwegen mit Anbindung an das Dortmunder Radverkehrsnetz soll die Attraktivität des Emschertals als örtliches Naherholungsgebiet gesteigert werden, so dass sich auch aus diesem Aspekt eine erhöhte Anforderung an ihre Form ergibt. Die städtebauliche Relevanz der Brücke hat die Universität Dortmund bereits im Jahr 1990 dazu veranlasst, sie zum Thema eines Gestaltungsprojektes zu machen. Zur Findung eines geeigneten Bauwerks, das alle funktionalen und ästhetischen Randbedingungen erfüllt, wurde eine Reihe von Varianten untersucht. Bei deren Bewertung mussten zudem die schlechte Zugänglichkeit des Tals, die nur über enge Straßen durch die Siedlung Schönau möglich ist, sowie die Anforderungen aus der engen Zugfolge mit ICE-Verkehr berücksichtigt werden. Nach Abwägung aller Vor- und Nachteile fiel die Entscheidung zugunsten der Variante 6: Durch den oberhalb der Fahrbahn liegenden Bogen wird dem Wunsch nach einer Torwirkung Rechnung getragen. Gleichzeitig erscheint der relativ schlanke Überbau im eher flachen Emschertal nicht zu wuchtig und erlaubt noch eine hohe Transparenz. Eine Besonderheit der gewählten Variante 6 besteht darin, dass nur ein einziger Bogen in der Mitte zwischen zwei voneinander getrennten Überbauten angeordnet wird. Daraus resultiert ein sehr komplexes Tragverhalten.


1 1 . S YM P O S I U M L E I P Z I G

4 Bauwerksentwurf Die Stützweiten der neuen Brücke betragen für den südlichen Überbau 68 m + 132 m + 73 m + 55 m, der nördliche Überbau hat mit 68 m + 132 m + 59 m + 49 m ähnliche Stützweiten. Die Gesamtlänge ergibt sich somit zu 328 m für den südlichen und 308 m für den nördlichen Überbau. Im Grundriss liegt die Brücke auf gesamter Länge in einer Geraden. Der Querschnitt des Überbaus besteht aus zwei getrennten Hohlkästen in Stahlverbundbauweise. Er weist eine Gesamtbreite von 41,60 m auf und erlaubt die Überführung von drei Fahrstreifen mit einer zusätzlichen Standspur und einem Gehund Radweg in jeder Richtung. Die Zugänglichkeit der Brücke für Fußgänger vom Tal aus wird durch einen Treppenturm am nördlichen Überbau zwischen den Achsen 20 und 30 erreicht. Die Konstruktionshöhe der Kästen misst 3,80 m, was bei den vorhandenen Stützweiten Schlankheiten l/h = 12,90–34,70 bedeutet. Wegen der großen Breite der Hohlkästen wird die Betonplatte zusätzlich durch einen Mittellängsträger unterstützt, die Queraussteifung erfolgt durch ein im Hohlkasten liegendes Fachwerk im Abstand von 5,00 m. Zwischen den Achsen 20 und 30 sind die beiden Überbauten in den Hängerachsen durch Querträger miteinander verbunden und werden durch Querschotte ausgesteift. An den Durchdringungsstellen des Bogens mit dem Überbau sowie an den Anschlussstellen der V-Stützen in den Achsen 20 und 30 sind die Überbau-

3 Untersuchte Varianten © Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen

ten ebenfalls durch Querträger miteinander verbunden, die Aussteifung erfolgt dort mit Doppelschotten. Der Bogen hat eine kreisförmige Form mit R = 89,70 m, der Bogenstich beträgt 28,00 m. Der Überbau wird über acht Rundstahlhänger im Abstand von 10,75 m am Bogen befestigt. Als Baustahl findet hauptsächlich S355J2G3 nach DIN EN 10025 Anwendung. In den Achsen 20, 30 und 40 wird je Überbau eine zentrische Stütze angeordnet. Während die Stütze in Achse 40 als runder Stahlbetonpfeiler konzipiert ist, kommen jene in den Achsen 20 und 30 als stählerne V-Stützen zu Ausführung. Sie sind mit dem Überbau biegesteif verbunden und in das Fundament einge-

spannt. Das dadurch erzielte Rahmentragverhalten ist zur Ableitung von im Querschnitt unsymmetrisch auftretenden Lasten erforderlich, die symmetrischen Lastanteile in beiden Überbauten

4 Längsschnitt © Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen

5 Regelquerschnitt © Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen

6 7 8 Visualisierungen des Neubaus © Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen

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1 1 . SYM P O S I U M L E I PZ I G

9 10 11 12 13 14 Montage des südlichen Überbaus © Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen

werden in erster Linie durch die Bogenund lediglich zu einem geringen Teil durch die Rahmentragwirkung aufgenommen. Die Gründung von Bogen und V-Stützen auf einem gemeinsamen Fundament hat zur Konsequenz, dass der Bogenschub nur teilweise in den Baugrund abgetragen wird. Überwiegend wird er durch die schrägen Stiele der V-Stützen in die Überbauten weitergeleitet, die dadurch zusätzlich wie bei einer Stabbogenbrücke als Zugband fungieren. Die Lagerung erfolgt in Achse 40 auf je einem allseitig beweglichen Kalottenlager. Auf den Widerlagern werden je zwei Elastomerlager unter jedem Endquerträger angeordnet. Zur Kompensation der Längenänderungen des Überbaus werden an beiden Widerlagern zudem lärmgeminderte Fahrbahnübergänge eingebaut. Die Gründungssituation gestaltete sich aufgrund der bereits an gleicher Stelle stattgefundenen Bautätigkeiten als sehr schwierig. Für die Stützen in den Achsen 20–40 und das Widerlager in Achse 50 wurde eine Flachgründung gewählt. Dazu sind jedoch in den Achsen 30, 40 und 50 ein umfangreicher Bodenaustausch und in Achse 20 die Herstellung eines großen HDI-Körpers zur Baugrundverbesserung erforderlich. Das Widerlager in Achse 10 wird für das südliche Teilbauwerk auf Bohrpfählen gegründet, für das nördliche aber analog zur Achse 20 auf einem vorher zu realisierenden HDI-Körper flach gegründet.

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Die Stahlteile des Überbaus erhalten einen Korrosionsschutz entsprechend ZTV-KOR Stahlbauten: die Außenflächen ein vierschichtiges, die Innenflächen ein dreischichtiges Beschichtungssystem, Grund- und Zwischenbeschichtungen werden werksseitig appliziert und die Deckbeschichtung dann auf der Baustelle aufgetragen. Die Farbgebung wurde in Absprache mit den beteiligten Bundes- und Landesministerien sowie der Stadt Dortmund wie folgt festgelegt: – Überbau mit V-Stützen, Lärmschutzwand in Taubenblau (RAL 5014) – Bogen und Hänger in Karminrot (RAL 3002) – Treppenturm in Achatgrau (RAL 7038) 5 Herstellung Bedingt durch die Ausführung unter laufendem Verkehr müssen die beiden Überbauten zeitlich nacheinander hergestellt werden. Zunächst wurde der südliche Überbau realisiert, danach wurde der Verkehr auf ihn umgelegt sowie die bestehende Brücke abgebrochen. Erst dann können die Errichtung des nördlichen Überbaus und zum Schluss die Montage des Bogens vorgenommen werden. Für die Bauphasen, in denen die Bogentragwirkung noch nicht vorhanden ist, muss in dem großen Feld zwischen Achse 20 und 30 eine zusätzliche Hilfsstütze angeordnet werden: In dieser Zeit ist die Brücke ein reines Balkentragwerk.

Die Montage der Stahltröge erfolgt im Taktschiebeverfahren vom westlichen Widerlager aus. Nach Beendigung des Verschubvorgangs wird die Stahlbetonfahrbahnplatte im Pilgerschrittverfahren in 16 Betonierabschnitten hergestellt. Für den Einbau der Hänger sind kurze Vollsperrungen vorgesehen. Zur Aktivierung der Bogentragwirkung auch für das Eigengewicht ist ein schrittweises Absenken der Lager auf den Hilfsstützen zwischen den Achsen 20 und 30 vorgesehen. Die Hänger bestehen aus Rundstählen mit d = 220 mm, wobei zur Erhöhung der Redundanz als Material ein Feinkornbaustahl S420NL mit besonders guten Zähigkeitseigenschaften gewählt wurde. Außer bei den beiden kurzen Hängern ist aufgrund der maximal möglichen Lieferlängen jeweils ein geschweißter Vollstoß in der Mitte erforderlich. Die Hängerenden zum Anschluss an den Bogen bzw. die Querträger werden nicht wie üblich geschweißt, sondern geschmiedet. Für die Hänger wurde eine Zustimmung im Einzelfall erteilt. 6 Zusammenfassung Mit der Schnettkerbrücke wird ein gestalterisch und statisch anspruchsvolles Bauwerk realisiert, das sowohl den planerischen Vorgaben als auch der städtebaulichen Situation gerecht wird. Durch die Kombination verschiedener Tragwirkungen konnten die Bauteilabmessungen auf ein dem Umfeld angepasstes Maß begrenzt werden. Der südliche Überbau wurde bereits im August 2008 unter Verkehr genommen. Die Gesamtfertigstellung ist für den Herbst 2011 geplant. Autor: Dr.-Ing. Markus Hamme Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen, Betriebssitz Gelsenkirchen Bauherr Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen, Regionalniederlassung Ruhr Bauwerksentwurf Ruhrberg Ingenieurgemeinschaft Gehrke, Neumann, Schmitz, Hagen Prüfstatik Prof. Dr.-Ing. Ulrich Weyer, Dortmund Bauüberwachung EHS beratende Ingenieure für Bauwesen Dr.-Ing. Schmidt-Hurtienne Dr.-Ing. Osteroth GmbH, Lohfelden lavis enigneering GmbH, Halle Fertigungsüberwachung Stahlbau SLV Mecklenburg-Vorpommern GmbH, Rostock Bauausführung Schachtbau Nordhausen GmbH, Nordhausen


BRÜCKEN IN STAHL UND STAHLVERBUND spiegeln mit ihrer Ästhetik und Eleganz die Möglichkeiten des Stahlbrückenbaus im 21. Jahrhundert wider. Wir setzen Architektur formvollendet in die Realität um. MCE Stahl- und Maschinenbau ist Ihr kompetenter Partner für Planung, Fertigung und Montage von Stahlbrücken. “Schrägseilverbundbrücke BW 29 im Zuge der Ortsumfahrung Bad Oeynhausen” www.mce-smb.at

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1 1 . SYM P O S I U M L E I PZ I G Umstellung von Stahlverbund auf Spannbeton

Neubau der Talbrücke Enzenstetten von Karl Goj

Die im Dezember letzten Jahres endgültig fertiggestellte Talbrücke Enzenstetten zeichnet sich gleich durch mehre Besonderheiten aus: Sie ist Teil der längsten und im Abschnitt zwischen Füssen und Nesselwang zudem höchstgelegenen deutschen Autobahn. Darüber hinaus bedurfte sie einer Umplanung, denn nach Abschluss der Gründungsarbeiten und Einrichtung der Taktschiebeanlage musste von der ursprünglich vorgesehenen Stahlverbund- auf eine Spannbetonbauweise »gewechselt« werden, was zusätzliche technische Herausforderungen mit sich brachte. 1 Allgemeines 1.1 Bundesautobahn A 7 Die Autobahn A 7 von Flensburg bis zur Landesgrenze mit Österreich bei Füssen hält mehrere Rekorde: Sie ist mit 962 km die längste deutsche Autobahn. Im gegenständlichen Bauabschnitt zwischen Nesselwang und Füssen ist sie mit einer Höhe von 914 m über NN zugleich die höchstgelegene deutsche Autobahn. Zur Erlangung des Baurechts für diesen Abschnitt vergingen vom Antrag auf Planfeststellung bis zur Abweisung der letzten Klage außerdem 21 Jahre. Nach einer Bauzeit von sieben Jahren konnte der 16,20 km lange und ca. 185 Mio. x teure Abschnitt am 2. September 2009 dem Verkehr übergeben werden. Allerdings war zu dem Zeitpunkt

1 Letzter Bauabschnitt der Bundesautobahn A 7 © Autobahndirektion Südbayern

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2 Enzenstettener Brunnenmoos © www.ulrichhaas.com

nur ein Überbau der Talbrücke Enzenstetten errichtet, so dass hier noch zweispurig im Gegenverkehr gefahren werden musste. Seit dem 7. Dezember 2010 ist nun auch jener Engpass beseitigt und die Talbrücke vierspurig befahrbar. 1.2 Rechtsverfahren Im Laufe der langwierigen Rechtsgeschichte der BAB A 7 gewannen ökologische Aspekte immer mehr an Gewicht. Der Schutz des Enzenstettener Brunnenmooses, das von der Neubaustrecke zwischen Nesselwang und Füssen durchschnitten wird, wurde zu einem Knackpunkt im Planfeststellungsverfahren. Nachdem mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Dezember 2001 der Trassenverlauf endgültig rechtskräftig war, bestand immer noch die Auflage, in einem weiteren ergänzenden Planfeststellungsverfahren neben den Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sowie dem Lärmschutz auch die ökologische Eingriffsminimierung im Bereich des Enzenstettener Brunnenmooses zu prüfen. Um die Beeinträchtigungen für dieses wertvolle Moorgebiet mit seinem seltenen Artenvorkommen weitestgehend zu verringern, fiel die Entscheidung, eine 557,50 m lange Talbrücke zu errichten. Dabei musste das Kerngebiet des Brunnenmooses mit einer Ausdehnung von 120 m in der Fahrbahnachse als Tabuzone von jeglicher Bautätigkeit freigehalten werden.

2 Gestaltung der Talbrücke Die Gestaltung der Brücke ist das Ergebnis eines Ideenwettbewerbs. Im Rahmen eines vereinfachten Plangutachtens wurden vier Ingenieurbüros eingeladen, wobei jeweils ein Architekt zu beteiligen war. Insgesamt wurden sechs Vorschläge eingereicht, aus denen das Preisgericht einvernehmlich den jetzt realisierten Entwurf der Konstruktionsgruppe Bauen AG, Kempten, als die beste Lösung auswählte. Die Grundidee ist, durch die V-förmig gespreizten, aufgelösten Stahlstützen die Neigung der umliegenden Berge nachzuempfinden. Durch die Spreizung verringern sich außerdem die Stützweiten der Brückenfelder. Dies ermöglichte in Verbindung mit der Konzeption eines zweiteiligen Stahlverbundhohlkastenträgers eine sehr schlanke Überbaukonstruktion. Ein weiteres Gestaltungselement ist die kontinuierliche Reduzierung der Stützweiten und der Überbauhöhen von West nach Ost in dem Maße, wie die Gradientenhöhe über Gelände abnimmt. Dadurch ergeben sich trotz der geringen Höhe der Talbrücke über Gelände von maximal 10 m eine harmonische Einfügung in die Landschaft und der Eindruck einer »schwebenden« Optik des Überbaus.


1 1 . S YM P O S I U M L E I P Z I G

3 Realisierungsentwurf als Photomontage © Autobahndirektion Südbayern/Konstruktionsgruppe Bauen AG

3 Technische Konzeption Die Talbrücke Enzenstetten hat eine Gesamtlänge von 558 m. Sie überspannt das Tal mit sechs Brückenfeldern (95 m + 120 m + 107,50 m + 95 m + 85 m + 55 m), die Gesamtbreite zwischen den Geländern beträgt für den zweiteiligen Überbau 29,50 m. Der Untergrund im Bereich der Talbrücke ist aus Seeton, tragfähiger Ton- und Sandstein stehen erst in einer Tiefe von 25–40 m an. Sie wurde deshalb auf 110 Großbohrpfählen mit d = 1,20 m gegründet, die in die tragfähigen Schichten einbinden. Weitere 16 Bohrpfähle erforderte dann die Gründung der Taktschiebeanlage, die Gegenstand eines Sondervorschlags war. Der Amtsentwurf sah hingegen die Montage der Stahlteile des Stahlverbundquerschnittes im Freivorbau mit zwei Hilfspylonen vor. Die Überbauhöhe variiert zwischen 3,50 m und 2,50 m. Im Anschlussbereich zu den Stützen war eine Aussteifung der begehbaren Stahlverbundhohlkästen mit Querträgern geplant, um die Kräfte möglichst zentrisch einleiten zu können. Durch die feste Verbindung der V-förmigen Stahlstützen mit dem Überbau entstehen zusätzlich zu den Horizontalbewegungen aus Temperatur auch Horizontalbewegungen aus der Verkehrslast. Die Berechnungen ergaben nun Lagerwege von ca. 50 km über die Lebensdauer der Brücke. Zur Aufnahme dieser hohen Beanspruchungen wurden MSM®Lager der Firma Maurer Söhne eingebaut. Als Gleitlager mit einem Kalottendurchmesser d = 1,00 m konzipiert, haben sie geringe Reibbeiwerte und

4 Regelquerschnitt © Autobahndirektion Südbayern

sind geeignet für hohe Bewegungsgeschwindigkeiten, hohe Pressungen und Niedrigtemperaturbereiche. 4 Probleme bei der Umsetzung Nach der Auftragsvergabe an eine hessisch-schwäbische Bietergemeinschaft im Juli 2005 wurden zunächst umfangreiche Gründungsarbeiten im nicht tragfähigen Untergrund vorgenommen. Im Sommer 2006 waren dann alle Großbohrpfähle hergestellt und die Gründungsarbeiten im Wesentlichen abgeschlossen. Die Verschubbahn der Taktschiebeanlage war aufgebaut, die Widerlager mit den erforderlichen Hilfskonstruktionen waren errichtet und Engstellen im untergeordneten Straßennetz für die Schwertransporte der Stahlteile ertüchtigt. Nur die Stahltröge kamen nicht. Wegen einer wirtschaftlichen Schieflage war der Subunternehmer für den Stahlbau nicht mehr in der Lage, die Baustelle zu beliefern: Das maßgebende Gewerk war komplett ausgefallen. Der Herbst 2006 verstrich bei bestem Wetter ohne Bautätigkeit. Die Arbeitsgemeinschaft präsentierte nun zwar einen neuen namhaften Subunternehmer, bei den folgenden Verhandlungen kristallisierten sich aber zwei nicht lösbare Probleme heraus: Aufgrund der damaligen Situation am Stahlmarkt waren keine akzeptablen Fertigungstermine für die Stahlbleche zu vereinbaren, und die neuen Baukosten lagen um mindestens 5 Mio. x über dem Angebotspreis. Schließlich wurde der Vorschlag unterbreitet, die Bauweise zu wechseln.

5 Horizontalbewegung aus Verkehrslast © Konstruktionsgruppe Bauen AG

6 Baustelle im Sommer 2006 © Autobahndirektion Südbayern

5 Spannbeton als Lösung Man griff auf ein Nebenangebot zurück, das bereits bei der Ausschreibung 2005 zusammen mit einem renommierten Ingenieurbüro abgegeben wurde, nämlich den Brückenüberbau statt in Stahlverbund- in Spannbetonbauweise auszuführen. Die intensive Prüfung dieses Vorschlags ergab, dass die Brücke mit einem Spannbetonüberbau statisch ebenfalls realisierbar ist, ohne die Außenabmessungen und die Optik zu verändern, vor allem aber ohne zusätzliche Eingriffe in das Brunnenmoos verursachen zu müssen. Außerdem garantierte die Arbeitsgemeinschaft unter anderem mit einer von ihr angebotenen Vertragsstrafe, die Brücke zur Auftragssumme von 24,90 Mio. x zu errichten und zumindest einen Überbau bis Sommer 2008 herzustellen, so dass die dringend erwartete Verkehrseröffnung der A 7 doch noch termingerecht möglich schien – wenn auch vorübergehend im Bereich der Talbrücke nur einbahnig. Nach eingehenden Prüfungen auf allen Verwaltungsebenen wurde dieser Vorschlag Anfang Dezember 2006 angenommen.

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7 Verbreiterung der Pfahlkopfplatten © Autobahndirektion Südbayern

6 Besonderheiten bei der Umplanung Zunächst waren jedoch umfangreiche Umplanungen notwendig. Da der Spannbetonüberbau fast doppelt so schwer ist wie die ursprünglich angebotene Stahlverbundkonstruktion, war die Statik komplett zu überarbeiten. Die bereits fertiggestellten Fundamente der Brü-

9 Montage und Betonieren der V-Stützen © Autobahndirektion Südbayern

10 Zusatzschwerter und Quersteifen © Autobahndirektion Südbayern

11 Errichtung mit verschiedenen Bauverfahren © www.ulrichhaas.com

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ckenpfeiler mussten teilweise nachträglich verbreitert und zusätzliche Bohrpfähle eingebracht werden. Mit diesen zusätzlichen Pfählen für die nun erforderlichen Hilfspfeiler kamen zu den schon vorhandenen 4.000 lfm Bohrpfählen weitere 2.000 lfm hinzu. Die V-Stiele wurden statt in Stahl- nun in Stahlverbundbauweise ausgeführt, dafür waren insgesamt 180.000 Kopfbolzendübel, im Mittel 5.000 pro Stiel erforderlich. Die Errichtung der V-förmigen Stahlverbundstützen war aber auch sonst eine technische Herausforderung. Zunächst wurde der erste Stiel mit einem Kran eingehoben und mit einem Traggerüst in seiner endgültigen Lage fixiert. Nach dem Verschweißen mit dem Fußquerträger konnte dann der zweite eingehoben, mit einem Spannglied mit 650 kN Spannkraft gegen den ersten Stiel abgespannt und verschweißt werden. In gleicher Weise erfolgte die Montage der zweiten parallelen V-Stütze. Die Schweißzeit pro Stiel betrug vier bis fünf Tage, wobei zwei bis vier Quersteifen zwischen den Stützen für die notwendige Stabilität sorgten. Das Betonieren wurde in 4-m-Abschnitten vorgenommen: Zum Verdichten des Betons mit der Rüttelflasche mussten sich Arbeiter ins innere der Stützen begeben. Um ein Ausbeulen der Stahlblechwände durch den Beton-

8 Stiel mit Kopfbolzendübel © Autobahndirektion Südbayern

druck zu verhindern, war es zudem unabdingbar, die Stützen an der kritischen Stelle von außen zusammenzuspannen. Zum Betonieren war ein weiteres Spannglied zwischen den V-förmigen Stützen mit einer Spannkraft von 850 kN notwendig. Die Spannglieder wurden so angespannt, dass die Bewegungen der Stiele aufgrund des Betongewichts wieder rückgängig gemacht werden konnten: Sie wurden nicht ausgebaut, sondern wie die Quersteifen in den Überbau mit einbetoniert. Zur Einleitung der Kräfte aus dem Überbau in die Stiele bedurfte es der Anordnung von Zusatzschwertern mit zusätzlichen Kopfbolzen. Die Realisierung des Überbaus in Spannbeton machte schließlich eine komplette Umstellung des geplanten Bauablaufs erforderlich. Anstelle einer Taktschiebeanlage wurde nun an drei Orten mit drei verschiedenen Bauverfahren parallel gearbeitet: mittels Vorschubrüstung, im Freivorbau über der Tabuzone Brunnenmoos und mit konventionellem Leergerüst im Bereich der Bahnlinie. Ein Vergleich der Momente aus den Bauverfahren und dem Eingusssystem zeigt, dass die während der Errichtungsphase auftretenden Momente für die Bemessung maßgeblich waren. An den Übergängen von der Vorschubrüstung auf den Freivorbau im Bereich

12 Momentenvergleich: Summe Bauzustände und Eingusssystem © Leonhardt, Andrä und Partner GmbH


1 1 . S YM P O S I U M L E I P Z I G

13 Rückverankerung mit Deckenlisenen © Autobahndirektion Südbayern

14 Freivorbau: Spanngliedanordnung in der Fahrbahnplatte © Autobahndirektion Südbayern

der V-Stützen vor und hinter dem zu schützenden Brunnenmoos war eine erhebliche Anzahl von Spanngliedern in der Fahrbahnplatte erforderlich, um die großen Stützenmomente aufnehmen zu können. Die Spannglieder wurden in den Feldern vor den Stützen gestaffelt mit Deckenlisenen rückverankert. Im Abschnitt des Freivorbaus mussten die Spannglieder überdies zweidimensional verschwenkt und im Zuge von sechs Betoniertakten zur Feldmitte hin gestaffelt bis auf vier Spannglieder reduziert werden. Der Stoßbereich in Feldmitte wird mit nur zwei Spanngliedern überbrückt.

Konstruktionswechsel eingetretenen Zeitverlust aufzuholen Mit der um rund ein Jahr verzögerten Inbetriebnahme der BAB A 7 am 2. September 2009 kehrte aber auf den endlich entlasteten Straßen des Ostallgäus Ruhe ein. Letztlich wurde die für die Brücke vertraglich vereinbarte Gesamtbauzeit um über zwei Jahre überschritten. Unabhängig von den damit verbundenen verkehrlichen und bauvertraglichen Problemen ist die Talbrücke Enzenstetten ein gelungenes Bauwerk, das die gestalterischen Ansprüche bezüglich der sensiblen Voralpenlandschaft voll erfüllt.

7 Schlussbetrachtung Im Laufe der Arbeiten stellte sich schnell heraus, dass die beauftragten Firmen nicht in der Lage waren, den durch den

Autor: Ministerialrat Dipl.-Ing. Karl Goj Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, München

Bauherr Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Autobahndirektion Südbayern, Dienststelle Kempten Entwurf Konstruktionsgruppe Bauen AG, Kempten Architekten karl + probst, München Tragwerksplanung Leonhardt, Andrä und Partner, Beratende Ingenieure VBI, GmbH, Dresden Prüfingenieure Dipl.-Ing. Norbert Nieder, Kempten Prof. Dr.-Ing. Gert Albrecht, München Bauausführung Adolf Lupp GmbH, Nidda Glass GmbH, Mindelheim

15 Fertiggestellte Talbrücke Enzenstetten © Autobahndirektion Südbayern

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1 1 . SYM P O S I U M L E I PZ I G Resultat eines Gestaltungshandbuches

Trauntalbrücke in Traunstein von Vitus Danzl

Um die hochbelastete Ortsdurchfahrt von Traunstein vom Durchgangsverkehr zu befreien, wurde eine 4,50 km lange Ortsumfahrung mit einem Übergang über das Trauntal erforderlich. Ziel des Bauherrn im Rahmen eines Gestaltungshandbuches war es, diese Brücke in die vorhandenen Flussufer und -auen schonend einzugliedern und dabei die Pfeileranzahl zu minimieren. Durch die V-förmig konzipierten Pfeiler können bei der Fundamentierung in der Trauntalsohle Stützweiten von ca. 72 m realisiert werden, während die Lagerung des Überbaus maximale Feldweiten von 38,40 m erlaubt. Somit wurde erreicht, dass der Überbau ein gleichmäßiges und schlankes Erscheinungsbild erhält und die Eingriffe in Natur und Landschaft minimiert werden. Neben der Ästhetik wurde großer Wert auf die Festigkeit, Dauerhaftigkeit und Funktionsfähigkeit sowie die Wirtschaftlichkeit des Bauwerks gelegt. Die Trauntalbrücke mit einer Länge von 385 m ist derzeit im Bau und soll 2012 fertiggestellt werden. 1 Einleitung Die Bundesstraße B 304 ist eine wichtige Fernstraßenverbindung von München über Wasserburg und Traunstein weiter in Richtung Freilassing nach Österreich. Zusammen mit der B 299 (Altötting– Altenmarkt) und der B 306 (Traunstein– Siegsdorf) ist sie ein wesentlicher Bestandteil des Fernverkehrsnetzes zwischen den Bundesautobahnen BAB A 94 und A 8 Ost in Nord-Süd-Richtung. Besonders in den Morgen- und Abendstunden sind die B 304 in der 3,10 km langen Ortsdurchfahrt von Traunstein und die St 2105 im Ortsteil Hufschlag der Gemeinde Surberg und im Hallabrucker Berg stark überlastet und die Anwohner durch das hohe Verkehrsaufkommen unzumutbar belastet.

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Voruntersuchungen für eine Umfahrung Traunstein begannen schon Anfang der 1970er Jahre. Die Raumordnung wurde 1979 mit der landesplanerischen Beurteilung positiv abgeschlossen. Das Planfeststellungsverfahren für die Ortsumfahrung 2002 eingeleitet und 2005 zu Ende geführt. Die 4,50 km lange Umgehung von Traunstein im Zuge der B 304 ist seit August 2007 in Bau. Die geplante 385 m lange Trauntalbrücke überspannt das Trauntal und kreuzt dabei eine Gemeindeverbindungsstraße, einen Wirtschaftsweg sowie die Traun mit einem Altwasserarm. Orientiert an der Topographie des zu überquerenden Trauntals ergeben sich Höhen des Übergangs über Talgrund zwischen ca. 13,50 m und ca. 26,00 m. Das Trauntal weist neben Kiesbänken, Altwassern, der Hartholzaue und gut strukturierten Leitenwäldern eine beachtenswerte Artenvielfalt auf und wird von Traunsteinern daher gerne als Naherholungsgebiet genutzt. 2 Wettbewerb Im Verlauf der Ortsumfahrung befinden sich neun Ingenieurbauwerke (acht Brücken und ein Tunnel). Ziel war es, ihnen ein einheitliches Erscheinungsbild zu geben. Am 1. Januar 2006 wurden im Zuge einer Verwaltungsreform die Bereiche Hochbau und Straßenbau in einem gemeinsamen Bauamt in Traunstein zusammengeführt. Für das Bauamt war es daher eine besondere Herausforderung, für die Ortsumfahrung von Traunstein ein Gestaltungshandbuch zu erarbeiten. Im

2 Modell der geplanten Brücke © Staatliches Bauamt Traunstein

1 Streckenverlauf der B 304 neu © Staatliches Bauamt Traunstein

Rahmen des Gestaltungshandbuches, das wie ein interner Architekten- und Ingenieurwettbewerb zu sehen ist, wurde nun ein Brückentragwerk für die Trauntalquerung konzipiert, das den Ansprüchen an den Talraum sowie den unterschiedlichen Nutzungen genügt. Dabei wurde großes Augenmerk auf die Ästhetik, Dauerhaftigkeit, Festigkeit und Funktionsfähigkeit sowie die Wirtschaftlichkeit gelegt. Ein wichtiger Bestandteil der Gestaltung sind hier die V-förmigen Pfeiler, denn dadurch ergeben sich eine gleichmäßige Stützweitenaufteilung sowie kleinere Stützweiten. Es können die Flussufer geschont und die Eingriffe in schützenswerte Bereiche durch die geringere Pfeileranzahl vermindert werden. Zudem erhält der Überbau ein harmonischeres und schlankeres Erscheinungsbild.


1 1 . S YM P O S I U M L E I P Z I G 3 Entwurf und Konstruktion 3.1 Brückenquerschnitt Das Brückenbauwerk ist eine Stahlbetonverbundkonstruktion mit einer Breite zwischen den Geländern von 11,60 m bei einer Fahrbahn von 2 x 3,75 m und beidseitigen Gehwegkappen von jeweils 1,80 m. Die Gesamtlänge des in einem Kreisbogen mit einem Radius von 910 m verlaufenden Überbaus misst 385 m, wobei der Kreisbogen im Bereich des westlichen Widerlagers in eine Klothoide übergeht. Durch die Krümmung der Achse wird die Brücke mit den V-Stützen einsehbar und somit erlebbar. Der Querschnitt des Überbaus ist als vierstegiger durchlaufender Plattenbalken mit gleichbleibender Bauhöhe von (exakt) 1,886 m konzipiert. Der Abstand der Längsträger senkrecht zur Brückenlängsachse beträgt einheitlich 2,70 m.

4 Querschnitt © Staatliches Bauamt Traunstein

Die im Verbund mit den Stahlträgern vorgesehene Ortbetonfahrbahnplatte wird in einer mittleren Stärke von ca. 40 cm ausgeführt. Als Konstruktionsaufbau sind Fertigplatten geplant, die gleichzeitig als Schalung für die Ortbetonergänzung dienen. Der Verbund zwischen den Stahlträgern und der Betonfahrbahnplatte wird über Kopfbolzendübel realisiert. Angaben zur Brückenausstattung, wie Entwässerung oder Schutzeinrichtungen, sind im nachstehenden Querschnitt dargestellt.

3 Grundriss © Staatliches Bauamt Traunstein

3.2 Längsschnitt Im Bereich der Pfeiler und Widerlager sowie der Felder sind Querträger angeordnet. Die Längsträger werden an insgesamt zwölf Auflagerpunkten unterstützt, so dass ein Durchlaufträgersystem mit elf Feldern bei Stützweiten zwischen 28,50 m und 38,40 m entsteht. Wie der hier veröffentlichte Längsschnitt verdeutlicht, werden durch die V-förmige Ausbildung der Innenpfeiler sowie die Unterstützung an den Außenpfeilern und den Widerlagern pro Längsträger jeweils zwölf Auflagerpunkte geschaffen. Durch die V-förmigen Pfeiler können bei der Fundamentierung in der Trauntalsohle Stützweiten von ca. 72 m realisiert werden, während die Lagerung des Überbaus maximale Stützungen von 38,40 m erlaubt. Somit wurde sichergestellt, dass der Überbau eine gleichmäßige und schlanke Kontur erhält. 3.3 Pfeilerscheiben Die V-förmig angeordneten Innenpfeiler bestehen in Querrichtung aus jeweils vier Einzelstützen, die mit den Auflagerquerträgern einen K-Verband bilden, damit die horizontale Aussteifung gewährleistet ist und die Horizontalkräfte in die Fundamente abgeleitet werden können. Für die Innenpfeiler sind Rundrohre mit Querschnittsabmessungen von 914 mm

x 20 mm für die Außen- und 711 mm x 20 mm für die Innenstützen vorgesehen. Jeweils zwei der insgesamt vier Stützen pro Auflagerscheibe werden auf Einzelfundamenten zusammengefasst und auf Bohrpfählen mit d = 1,20 m gegründet, die mit einer Länge von 9–15 m in den Baugrund reichen. Die Rundrohrstützen der Pfeilerscheiben sind dabei über Schraubverbindungen in die Fundamente eingespannt und mit den Längsträgern und Auflagerquerträgern biegesteif verbunden.

6 Pfeilerquerschnitt © Staatliches Bauamt Traunstein

5 Längsschnitt © Staatliches Bauamt Traunstein

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1 1 . SYM P O S I U M L E I PZ I G Die an die Widerlager angrenzenden Innenstützen sind auf 16 Bohrpfählen mit d = 1,20 m bzw. d = 0,90 m und einer Länge von 13,00–14,50 m gegründet. Die Querlastabtragung wird über die in jeder Stützebene vorhandenen vier Einzelstützen gewährleistet, wobei die stark geneigten Innenstützen die Hauptanteile der Horizontallasten übernehmen.

7 Modellansicht der Brücke © Staatliches Bauamt Traunstein

Die an die Widerlager angrenzenden Innenpfeiler sind abweichend von den zuvor beschriebenen V-förmigen Unterstützungen senkrecht angeordnet und werden zur Reduzierung der Zwängungen aus der Überbauverschiebung am Stützkopf gelenkig angeschlossen. Analog zu den V-förmigen Innenpfeilern sind die Stützen der senkrechten Außenpfeiler ebenfalls über Schraubverbindungen in die Fundamente eingespannt. Errichtet werden sie mit Rundrohren von 711 mm x 32 mm und 457 mm x 36 mm sowie Rundrohren von 711 mm x 25 mm und 457 mm x 32 mm.

4 Herstellung und Montage Mit den Bauarbeiten wurde am 2. November 2010 mit dem Setzen des ersten Bohrpfahles durch Bundesminister Dr. Peter Ramsauer begonnen. Der Bauablauf lässt sich in vier Hauptphasen unterteilen:

5 Angestrebte Ziele Bei der laufenden Optimierung der Planung wurde großer Wert darauf gelegt, dass neben der Ästhetik und der Gestaltung die Dauerhaftigkeit, Festigkeit und Funktionsfähigkeit der Konstruktion sich ausreichend lange und damit in

8 Bauphase 1 © Staatliches Bauamt Traunstein

10 Bauphase 3 © Staatliches Bauamt Traunstein

11 Bauphase 4 © Staatliches Bauamt Traunstein

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3.4 Situation Widerlager An den Widerlagern ist durch die Anordnung von Elastomerlagern eine zwängungsarme Ausdehnung des Überbaus gegeben. In Verbindung mit der elastischen Anbindung des Überbaus an die Pfeiler stellt sich für das Bauwerk damit eine quasi schwimmende Lagerung mit einem sich abhängig von den Steifigkeitsverhältnissen aufbauenden Festpunkt nahe der Brückenmitte ein. Ein solches Bauwerk nennt man »semiintegral«, da nur an den Widerlagern eine Verdrehung und bzw. oder Verschiebung möglich ist.

Die Bauphase 1 umfasst die Ausführung der Pfahlgründung sowie der Pfeiler- und Widerlagerfundamente. Daneben werden vorbereitende Arbeiten für die Montage der Stützen vorgenommen. Die Bauphase 2 gliedert sich in die Herstellung der Brückenwiderlager und der Pfeilersockel. Im Anschluss erfolgen der Einhub und die Montage der V- und Vertikalstützen. In Bauphase 3 werden die Stahllängsund Stahlquerträger mit einem Spezialkran eingehoben und montiert sowie die Fahrbahnplatte aus Betonfertigteilen über die gesamte Brückenlänge verlegt. In Bauphase 4 werden die Betonfertigteile durch eine Ortbetonfahrbahnplatte monolithisch miteinander verbunden. Danach schließt sich der Einbau der Abdichtung, der Schutzschicht und der Deckschicht an. Um das Brückenbauwerk fertigzustellen, müssen zuletzt noch die Entwässerungs- und die Schutzeinrichtungen sowie die Geländer eingebaut werden.

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9 Bauphase 2 © Staatliches Bauamt Traunstein


Anlehnung an die Lebensdauer der Ablöserichtlinien des Bundes gewährleisten lassen. Als Beispiel sei hierzu genannt, dass die bei den biegesteifen Verbindungen der Stützen mit den Längs- und den Auflagerquerträgern hervorgerufenen Beanspruchungen durch eine ermüdungssichere Konstruktion aufgenommen werden können. Zur Erzielung einer robusten und weitgehend wartungsarmen Struktur sind lediglich an den Widerlagern Verschiebungslager vorgesehen, die eine Wartung und Unterhaltung benötigen. Bei den durchgeführten statischen Untersuchungen zeigte sich, dass bei der weichen Konstruktion mit relativ geringer Eigenfrequenz im Hinblick auf eine mögliche Schwingungsanregung aus zyklischer Verkehrslasteneinwirkung bzw. wirbelerregten Querschwingungen und böeninduzierten Beanspruchungen diesen Umständen Rechnung getragen wurde. Mit ihrer Fertigstellung geht die Baulast an der Brücke in die Hand des Bauherrn, sprich der Bundesrepublik Deutschland, über. Deshalb war ein Hauptaspekt, den Erhaltungs- und Wartungsaufwand über die gesamte Nutzungsdauer des Bauwerks möglichst zu minimieren. Bei den Lastannahmen für den Verkehr wurden in der statischen Berechnung die Lasten des geplanten Modells LM 2010, das heißt eine Erhöhung der Flächenlast und der Einzellasten der Tandemachse, verwendet, um für die Konstruktion Tragereserven vorzusehen und damit auch Reserven für die Beanspruchung aus Verkehr vorzuhalten. Bei der Optimierung der Planung wurde großer Wert darauf gelegt, dass möglichst viele Teile werksseitig zu fertigen sind, um eine einfachere und schnellere Montage auf der Baustelle zu erreichen (Baukastensystem): Jede Rohrstütze kann zum Beispiel einzeln gefertigt und anschließend montiert werden. Bei den Baukosten ist laut Auftrag in Höhe von rund 8,20 Mio. x sichergestellt, dass man mit der gewählten Konstruktion und dem vorgesehenen Bauablauf im Kostenrahmen bleibt und somit auch die Wirtschaftlichkeit gegeben ist. 6 Schlussbemerkung Zum Schluss soll ein Architekt und Ingenieur, der im ersten Jahrhundert vor Christus lebte, nämlich Marcus Vitruvius Pollio, der Urvater der Architekturentwicklung, angeführt werden. In seinem Werk »Zehn Bücher über Architektur« weist er darauf hin, dass neben dem Venustas-Aspekt (Ästhetik) auch jener der Utilitas (Funktionalität und Benutzbarkeit) und der Firmitas (Festigkeit und Dauerhaftigkeit) ausreichend zu berücksichtigen sind. In dem Sinne hoffe ich, dass dies dem Bauherrn, den Unternehmen und Ingenieurbüros bei der Planung und Ausführung hinreichend gelungen ist bzw. gelingen wird. Autor: Dipl.-Ing. Vitus Danzl Staatliches Bauamt Traunstein Bauherr Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Staatliche Bauamt Traunstein Bauwerksentwurf Köppl Ingenieure, Planung und Beratung im Bauwesen GmbH, Rosenheim Gutachterliche Beratung Univ.-Prof. Dr.-Ing. Ingbert Mangerig, München Tragwerksplanung Igl, Putz + Partner, Ingenieur- und Planungsgesellschaft für den konstruktiven Ingenieurbau, Landshut Meyer + Schubart, Partnerschaft Beratender Ingenieure VBI, Wunstorf Prüfingenieure Univ.-Prof. Dr.-Ing. Ingbert Mangerig, München Dr.-Ing. Johann Köppl, Rosenheim Ausführung Berger Bau GmbH, Passau Donges SteelTec GmbH, Darmstadt

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1 1 . SYM P O S I U M L E I PZ I G Interne Längsvorspannung ohne oder konventionell mit nachträglichem Verbund?

Bauweisenvergleich am Beispiel der Talbrücke(n) Schallermühle von Hans Bulicek, Karl Goj, Günther Kleiner

Am Beispiel der Talbrücke Schallermühle soll ein Kostenvergleich zwischen der neuen und der herkömmlichen Bauweise erfolgen, indem einer der beiden Überbauten mit interner, verbundloser Längsvorspannung und der andere, konstruktiv ansonsten gleiche Überbau mit konventioneller Längsvorspannung mit nachträglichem Verbund ausgeführt wird. Im Rahmen des Pilotprojektes Talbrücke(n) Schallermühle wird daher die interne verbundlose Längsvorspannung erstmals bei einer abschnittsweise hergestellten Großbrücke im Zuge einer Autobahn angewandt. 1 Veranlassung 1.1 Allgemeines Die Bundesautobahn (BAB) A 3 gehört durch ihre Verbindungsfunktion zwischen dem Ruhrgebiet und dem Frankfurter Raum in die Metropolregion Nürnberg und weiter über Regensburg nach Österreich und Südosteuropa zu den hochbelasteten Fernstraßen im Autobahnnetz der Bundesrepublik Deutschland. Etwa 50 km südwestlich von Nürnberg überquert sie beim Weiler Schallermühle mit einer 240 m langen Brücke, der Talbrücke Schallermühle, in einer Höhe von maximal 18 m den breiten Talgrund des Frauenbaches. Durch umläufige Abdichtungen des früheren Bauwerkes konnten Tausalze in die Tragkonstruktion beider Überbauten eindringen und neben dem Betonstahl auch den Spannstahl angreifen. Eine zuerst vorgesehene Instandsetzung der Überbauten wurde nach eingehenden Untersuchungen wegen ihrer insgesamt filigranen Struktur und der Tatsache, dass ein Abtrag bis unter die Spannglieder nötig wäre, um allen chloridbelasteten Beton zu beseitigen, fallengelassen.

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Etwa zeitgleich mit der Entscheidung zur Überbauerneuerung verständigte sich die Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern Anfang 2008 mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung darüber, die verbundlose, interne Längsvorspannung unter anderem am Beispiel abschnittsweise hergestellter Großbrücken auf der Basis von Pilotprojekten weiterzuentwickeln. Am Beispiel der Talbrücke Schallermühle sollte nun ein Kostenvergleich zwischen dieser neuen und der herkömmlichen Bauweise (konventionelle Vorspannung mit nachträglichem Verbund) erfolgen, indem die beiden neuen Überbauten unterschiedlich ausgeführt werden – einer konventionell und der andere innovativ. 1.2 Vor- und Nachteile der neuen Bauweise Die Vorteile von in Längsrichtung intern verbundlos vorgespannten Brückenbauwerken können je nach konkretem Anwendungsfall in unterschiedlichen Bereichen liegen. Sicherheit: – Der Zustand des Spannstahles und die Spannkräfte der verbundlosen Spannglieder können jederzeit kontrolliert werden. – Im Schadensfall kann der Spannstahl ausgewechselt werden. – Spannstahlbrüche führen im Gegensatz zu Bauwerken mit im Verbund liegenden Spannstählen zu Rissen in einem größeren Bauwerksabschnitt und können dadurch leichter erkannt werden. – Die hohe Duktilität verbundloser Konstruktionen gewährt mehr Zeit für gegebenenfalls erforderliche Sicherungsmaßnahmen. – Durch die größeren Verformungen im Schadensfall ist diese Bauweise für den Einsatz elektronischer und optischer Überwachungssysteme gut geeignet.

Baudurchführung: – Witterungsabhängige und fehleran fällige Verpressarbeiten entfallen. – Auf der Baustelle entfällt der aufwendige Schutz für den zwischengelagerten Spannstahl. – Die Qualitätskontrolle des Spannstahls erfolgt bei der Spanngliedherstellung im Werk. – Die Wahrscheinlichkeit von Baumängeln nimmt ab. Erhaltung und Dauerhaftigkeit: – Der mehrfache Korrosionsschutz aus Korrosionsschutzmasse, PE-Hüllrohr und umgebendem Beton lässt eine längere Mängelfreiheit der Tragkonstruktion erwarten. – Durch die technologische Möglichkeit der Auswechslung ist der Zustand des Spannstahles nicht mehr bestimmend für die Lebensdauer der Brücke. Unterhalt: – Bei Anprallschäden lässt sich durch die Auswechselbarkeit des Spannstahles häufiger ein Austausch eines kompletten Trägers vermeiden. Die Eingriffe in den Verkehr werden deutlich reduziert. – Spannkraftverluste infolge Kriechen und Schwinden des Betons sowie aus Relaxation des Spannstahls können durch Nachspannen ausgeglichen werden. – Die Spannglieder sind gegen Brand, Sabotage und unplanmäßige mechanische Einwirkung, zum Beispiel bei Unfällen, besser geschützt als bei externer Führung. Lasterhöhungen: – Durch eine weitere Anhebung der zulässigen Fahrzeuggewichte erforderliche Traglasterhöhungen sind durch den Einbau von Spannstählen höherer Festigkeit (in engen Grenzen) möglich. Tragverhalten und Konstruktion: – Gegenüber extern geführten Spanngliedern entstehen keine Verluste in der statischen Höhe und die Spanngliedführung kann den Biegemomenten unter Eigenlasten besser angepasst werden (bessere Möglichkeit zur Staffelung). – Im Vergleich zu Konstruktionen mit Spanngliedern im Verbund führt der höhere Betonstahlanteil zu erwünscht robusteren Konstruktionen mit größerer Duktilität.


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1 Talbrücke Schallermühle an der BAB A 3 im Bau © bulicek + ingenieure

– Die Wirkung der Vorspannung ist durch den Ansatz von Umlenkungsund Verankerungskräften als äußere Einwirkung in allen Beanspruchungszuständen rechnerisch einfach darzustellen. – Durch das Fehlen örtlicher Spannungsschwankungen im Spannstahl wird eine Materialermüdung für den Spannstahl vermieden. – Als zulässige Rissbreiten gelten die Bedingungen für Stahlbetonbauwerke und damit weniger strenge Regelungen als für Spannbetontragwerke mit Spanngliedern im Verbund. – Da verbundlos vorgespannte Konstruktionen aufgrund des geringeren Vorspanngrades früher in den Zustand II (Querschnitt im gerissenen Zustand) übergehen, sind diese im Vergleich zu konventionell vorgespannten Konstruktionen unempfindlicher gegen Zwängungseinwirkungen aus Temperaturunterschieden und Setzungsdifferenzen. Neben den genannten Vorteilen gegenüber den bewährten Konstruktionsprinzipen gibt es aber auch Nachteile.

Kosten: Im Rahmen bisheriger Pilotprojekte wurde der Mehraufwand mangels Möglichkeit, unter konstruktiv vergleichbaren Randbedingungen eine klarere Abgrenzung zur Bauweise mit Längsspanngliedern mit nachträglichem Verbund vorzunehmen, auf bis zu 5 % geschätzt. Die nachfolgenden Ausführungen quantifizieren diese Mehrkosten für abschnittsweise hergestellte Großbrücken mit Plattenbalkenquerschnitt erstmals in direkter Gegenüberstellung mit der herkömmlichen Bauweise und zeigen, dass sie unter den untersuchten Gegebenheiten deutlich niedriger ausfallen. 2 Auswahl des Pilotprojekts Bereits seit dem Jahr 2000 werden in Bayern Brücken mit internen verbundlosen Längsspanngliedern gebaut. Bei insgesamt fünf Ein- und Mehrfeldbrücken wurde bei unterschiedlichen Querschnitten der Einsatz von verbundlosen Litzen- und Drahtspanngliedern, teils in Verbindung von Spanngliedern mit nachträglichem Verbund, erprobt. [9] [10] [11] [12] [13]

Hauptziele des neuen Pilotprojektes waren – die Anwendung von ausschließlich internen verbundlosen Längsspanngliedern bei einer abschnittsweise herzustellenden Großbrücke, – eine möglichst wirtschaftliche Herstellung durch den Einsatz eines zugelassenen Spanngliedes, – eine Vergleichsmöglichkeit mit einem konstruktiv weitgehend gleichen Überbau, bei dem Spannglieder mit nachtäglichem Verbund eingesetzt werden, – ein möglichst objektiver Vergleich beider Überbauten, indem sie Teil eines Bauwerkes mit gemeinsamer Ausschreibung sein sollten, – die Vermeidung von Auftragnehmereinflüssen auf den Vergleich, indem die Ausführungsplanung für beide Überbauten vom selben Planer im Auftrag des Bauherrn erfolgt. Die Überbauerneuerung für die Talbrücke Schallermühle wurde nun im Frühjahr 2008 der Obersten Baubehörde als ein mögliches Pilotprojekt zur Gewinnung weiterer Erfahrungen mit interner, verbundloser Längsvorspannung vorgeschlagen. Für dieses konkrete Bauwerk sprachen – ein bereits absehbarer Termin für die Baudurchführung, – eine entsprechend lange Brücke, bei der aufgrund der Dehnwege an den Übergangskonstruktionen Wartungsgänge erforderlich sind, die als zusätzliche Spannstellen und als Zugangsbzw. Verankerungsstellen für die Spannglieder verwendet werden können, – optimale Stützweiten für den Einsatz eines zugelassenen Drahtspanngliedes.

2 Regelquerschnitte © bulicek + ingenieure

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1 1 . SYM P O S I U M L E I PZ I G 3 Vergleich der Bauweisen 3.1 Allgemeines Für einen erstmaligen direkten Vergleich wurden der Überbau der Brücke Nord mit interner Längsvorspannung ohne Verbund und der Überbau der Brücke Süd entsprechend der bisherigen Regelbauweise mit herkömmlichen Längsspanngliedern mit nachträglichem Verbund vorgespannt. Für die Vorspannung des Überbaues Nord kam das in [2] geregelte Drahtspannverfahren für Vorspannung ohne Verbund zur Anwendung. Sowohl der Überbau Nord als auch der Überbau Süd sind zudem in Querrichtung konform zur Regelbauweise mit internen Querspanngliedern ohne Verbund vorgespannt. Es sei darauf hingewiesen, dass für die Wahl der Querschnittsabmessungen für beide Überbauten enge konstruktive Randbedingungen herrschten, um die Belastung der verbliebenen Unterbauten ausreichend zu begrenzen. Die nachfolgenden Ausführungen stellen eine Kurzzusammenfassung der auf die Bauwerksentwürfe bezogenen Gegenüberstellung der Bauweisen aus [17] und eine Fortsetzung dieses Bauweisenvergleiches unter Berücksichtigung der Erfahrungen aus der Ausführungsplanung und der Bauausführung dar. 3.2 Konstruktion und Bemessung 3.2.1 Entwurfsplanung 3.2.1.1 Festlegung der Vorspannung in Längs- und Querrichtung, Überbau Süd Bei der konventionellen Bauart dient die Vorspannung dazu, die Hauptträger in Längs- und die Fahrbahnplatte in Quertragrichtung bis zu einem bestimmten Lastgrad im Zustand I zu halten und die Rissgefahr, die Rissbreiten sowie die Durchbiegungen zu begrenzen. Gemäß DIN-Fachbericht 102 [4] in Verbindung mit ARS 11/2003 [3] gelten für die zugrundeliegende Bauweise sowohl für die Längs- als auch für die Quertragrichtung klare Regelungen zur Bestimmung der Vorspannung. Demnach ist für die Längsrichtung Anforderungsklasse C anzunehmen und demzufolge der Nachweis der Dekompression unter der quasi-ständigen Einwirkungskombination zu führen.

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Neben den Einwirkungen aus ständiger Last und Vorspannung sind für diese Lastkombination 20 % der Einwirkungen aus Lastmodell 1 des DIN-Fachberichtes 101 [1] sowie 50 % der Einwirkungen aus Temperaturzwang und die Zwängungseinwirkungen aus den wahrscheinlich auftretenden Baugrundverformungen zu berücksichtigen. In Querrichtung ist gemäß [4] in Verbindung mit [3] Anforderungsklasse B anzunehmen und der Nachweis der Dekompression unter Zugrundelegung der häufigen Einwirkungskombination zu führen. Für den konventionell errichteten Überbau Süd ergab sich nach den genannten Regeln für die Längsrichtung ein mittlerer Vorspanngrad, also eine durch die Vorspannung in Höhe der Schwerlinie des Überbaues erzeugte mittlere Betondruckspannung von 6,10 MN/m2. 3.2.1.2 Festlegung der Vorspannung in Längs- und Querrichtung, Überbau Nord Bei der Bauweise mit interner Längsvorspannung ohne Verbund dient die Vorspannung lediglich zur sinnvollen Begrenzung der Rissbreiten und der Durchbiegungen: Es handelt sich hier um »vorgespannten Stahlbeton«. Für intern verbundlos vorgespannte Plattenbalkenquerschnitte existieren für die Festlegung der Vorspannung bislang keine verbindlichen Normenregelungen. In [14] wird auf Basis einer teilweisen Vorspannung allgemein empfohlen, den Vorspanngrad in Längsrichtung so zu wählen, dass unter ständiger Last, der Vorspannung und etwa 10–30 % der Verkehrslast die Betonlängsspannungen an den Querschnittsrändern zu null werden. [4] gibt in Verbindung mit [3] und der Richtlinie für Betonbrücken mit externer Vorspannung [16] zudem eine Regel vor, mit der sich zumindest die Vorspannung von Kastenquerschnitten mit externer Vorspannung in Längstragrichtung bestimmen lässt. Demnach ist für die Längsrichtung solcher Querschnitte Anforderungsklasse D anzunehmen und die Vorspannung so auszulegen, dass unter der quasi-ständigen Einwirkungskombination auf der Seite der Spannglieder keine Dekompression erfolgt. Neben den Einwirkungen aus ständiger Last und Vorspannung sind dabei aber abweichend von den diesbezüglich in [4] enthaltenen Regelungen statt 20 % hier 30 % der Einwirkungen aus Lastmodell 1 des DIN-Fachberichtes 101 [1], jedoch keine Einwirkungen aus Temperaturzwang und keine Zwängungs-

einwirkungen aus den wahrscheinlich auftretenden Baugrundverformungen zu berücksichtigen. Durch die Verwendung von Spanngliedern mit eigenem Korrosionsschutz entfällt aufgrund der Einstufung in die Anforderungsklasse D auch für die Quervorspannung der Nachweis der Dekompression. Das Maß der in Querrichtung erforderlichen Vorspannung ist aus dem Kriterium zu bestimmen, wonach die nach Zustand I (ungerissener Zustand) in der Fahrbahnplatte in Querrichtung errechneten Biegezugspannungen des Betons gemäß [4] zu beschränken sind. Für den intern verbundlos vorgespannten Überbau Nord ergibt sich daraus in Längsrichtung ein gegenüber der herkömmlichen Bauart deutlich reduzierter mittlerer Vorspanngrad, also eine durch die Vorspannung in der Schwerlinie des Überbaues erzeugte mittlere Betondruckspannung von nur 4,40 MN/m2. Das sind nur 72 % des Vorspanngrades der konventionellen Bauweise. Zwischenzeitlich ist die sogenannte Richtlinie für Betonbrücken mit internen Spanngliedern ohne Verbund [15] in Vorbereitung, in die die endgültigen Angaben zur Festlegung der Vorspannung bei interner Vorspannung ohne Verbund eingearbeitet werden. 3.2.1.3 Spannstrangführung in Längsrichtung, generell Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit wurde jeder Überbau in drei Bauabschnitten hergestellt. Die Einteilung der Bauwerksfugen fiel, um eine objektive Vergleichbarkeit zu gewährleisten, für beide Überbauten identisch aus. Subjektive, den Vergleich gegebenenfalls verfälschende Einflüsse sollten weitgehend ausgeschlossen werden. Daher erfolgte für beide Überbauten die Festlegung der Vorspannung für die Längsrichtung (Ermittlung der einzelnen Spannkräfte, Länge und Positionierung der einzelnen Spannstränge, Ermittlung der Höhenlage der einzelnen Spannstränge) unter Zuhilfenahme eines in [18] erstmals vorgestellten numerischen Optimierungsverfahrens.


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3 Spannstrangführung in Längsrichtung für den Überbau Süd; Spanngliedanzahl pro Längsträgersteg © bulicek + ingenieure

3.2.1.4 Spannstrangführung in Längsrichtung, Überbau Süd Die Spannstrangführung des in konventioneller Bauweise errichteten Überbaues Süd erfolgte wie üblich mit Spanngliedkopplungen in den Arbeitsfugen und mit Festverankerungen innerhalb des Betonquerschnittes. Als mögliche Spannstellen standen die beiden Widerlager sowie die beiden Arbeitsfugen, also insgesamt vier Stellen zur Verfügung. 3.2.1.5 Spannstrangführung in Längsrichtung, Überbau Nord Die Spannstränge für die internen Längsspannglieder ohne Verbund im Überbau Nord wurden entweder in den Widerlagerbereichen oder im Abschnitt der sich unter ständiger Last einstellenden Momentennullpunkte an der Stegunterseite verankert und unter Verzicht auf jede Art von Spanngliedkopplungen über den Stützen überlappt. Dadurch konnte die Vorspannung auf die stärker biegebeanspruchten Stützbereiche konzentriert und darüber hinaus auf die Biegemomente des jeweiligen Feldes sowohl im Bau- als auch im Endzustand optimal abgestimmt werden. Da nahe den Verankerungszonen die in der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung festgelegten kleinsten Umlenkradien der Längsspannglieder aus entwurfstechnischen Gründen unterschritten werden mussten und die Zulassung zum Zeitpunkt der Ausführung noch nicht auf entsprechend enge Radien erweitert war, wurde auf Basis einer wissenschaftlichen Begleitung für diesen Einzelfall eine entsprechende Verwendungsgenehmigung erwirkt. [19] Als denkbare Spannstellen stehen im Falle des nördlichen Überbaues jeweils eine Spannmöglichkeit pro Widerlagerkammer und zwei pro Pfeilerbereich zur

4 Spannstrangführung in Längsrichtung für den Überbau Nord; Spanngliedanzahl pro Längsträgersteg © bulicek + ingenieure

Verfügung. Auf die Weise bleiben im Endzustand ein Zugriff auf alle Spannstrangenden und somit auch ein Nachspannen oder eine Spannkraftkontrolle von allen Verankerungsstellen aus gewährleistet. 3.2.2 Genehmigungs- und Ausführungsplanung 3.2.2.1 Nachweise im Grenzzustand der Tragfähigkeit für Biegung mit Längskraft, Überbau Süd längs Die Bemessung für Biegung mit Längskraft beim Überbau Süd erfolgte entsprechend den für die konventionelle Bauweise in [4] vorgegebenen Regelungen unter Berücksichtigung der Zusatzdehnung des Spannstahls beim Übergang des Querschnittes in den Grenzzustand der Tragfähigkeit auf der Widerstandsseite. Lediglich die statisch unbestimmten Anteile aus der Vorspannung wurden auf der Einwirkungsseite berücksichtigt. 3.2.2.2 Nachweise im Grenzzustand der Tragfähigkeit für Biegung mit Längskraft, Überbau Nord längs Bei Verwendung von Spanngliedern ohne Verbund erfährt der Spannstahl beim Übergang des Querschnittes in den Grenzzustand der Tragfähigkeit keine wesentlichen Zusatzdehnungen. Die gesamte Wirkung der Vorspannung muss daher abweichend von der konventionellen Bauweise hier als Ganzes auf der Einwirkungsseite berücksichtigt werden. Aufgrund des generell niedrigeren Vorspanngrades in Verbindung mit der fehlenden Zusatzdehnung des Spannstahles im Grenzzustand der Tragfähigkeit sind wünschenswert höhere Betonstahlmengen erforderlich, die, im Gegensatz zur konventionellen Bauweise, das Maß der Robustheitsbewehrung örtlich übersteigen.

5 Spanngliedverankerung beim Überbau Nord © bulicek + ingenieure

3.2.2.3 Nachweise im Grenzzustand der Tragfähigkeit für Biegung mit Längskraft, Überbau Süd und Überbau Nord quer Die Vorspannung in Querrichtung erfolgte in beiden Fällen mit internen Litzenspanngliedern ohne Verbund. Aufgrund des beim Überbau Nord auch in Querrichtung niedrigeren Vorspanngrades sind dort auch quer zur Haupttragrichtung größere Betonstahlmengen als beim Überbau Süd erforderlich. 3.2.2.4 Nachweise im Grenzzustand der Tragfähigkeit für Querkraft und Torsion, Überbau Süd Beim Nachweis für Querkraft und Torsion ist gemäß [4] bei Vorspannung mit nachträglichem Verbund die von den im Querschnitt liegenden Spanngliedern erzeugte Querschnittsschwächung rechnerisch in Form einer Stegbreitenverringerung um 50 % der durch die jeweils in einer Lage befindlichen Hüllrohre eingenommenen Gesamtbreite zu berücksichtigen.

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1 1 . SYM P O S I U M L E I PZ I G 3.2.2.5 Nachweise im Grenzzustand der Tragfähigkeit für Querkraft und Torsion, Überbau Nord Bei interner Vorspannung ohne Verbund liegt aufgrund der unverpressten Hüllrohre eine ausgeprägtere Querschnittsschwächung vor. Die Stegbreite muss daher gemäß [4] rechnerisch um das 1,30-fache der um die von in einer Lage liegenden Spanngliedern eingenommene Gesamtbreite abgemindert werden. Zudem sind an den betroffenen Stellen die durch die untenliegenden Spanngliedverankerungen erzeugten Stegschwächungen rechnerisch zu berücksichtigen. Günstig wirkt jedoch, dass durch die im auflagernahen Bereich steilere Neigung der dort zu verankernden Längsspannglieder in den maßgeblichen Bemessungsschnitten der aus der geneigten Vorspannkraft zu berücksichtigende Querkraftanteil größer ist als bei der konventionellen Bauweise. Es wurde festgestellt, dass sich bezüglich der erforderlichen Schubbewehrung insgesamt gesehen aber keine kostenrelevanten Unterschiede ergaben. 3.2.2.6 Nachweise im Grenzzustand der Tragfähigkeit für Ermüdung, Überbau Süd Die Bemessung im Grenzzustand der Tragfähigkeit für Ermüdung erfolgte beim Südüberbau sowohl für den Betonstahl als auch für den Spannstahl entsprechend den gültigen Regeln in [4]. 3.2.2.7 Nachweise im Grenzzustand der Tragfähigkeit für Ermüdung, Überbau Nord Aufgrund des fehlenden Verbundes entstehen keine wesentlichen Zusatzbeanspruchungen für den Spannstahl infolge Lasteinwirkung. Für den Überbau Nord waren daher gemäß [4] lediglich der Betonstahl und der Beton hinsichtlich der ertragbaren Spannungsschwingbreite nachzuweisen. 3.2.2.8 Nachweise im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit, Dekom pression Die Nachweise erfolgten analog Kapitel 3.2.1 (Festlegung der Vorspannkraft). 3.2.2.9 Nachweise im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit zur Rissbreitenbeschränkung und zur Begrenzung der Spannungen im Beton, Überbau Nord und Überbau Süd längs Der Nachweis zur Rissbreitenbeschränkung aus Last in Längsrichtung ist bei beiden Überbauten trotz der unterschiedlichen Anforderungsklassen gemäß [4]

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jeweils unter der häufigen Einwirkungskombination zu führen. Aus den Nachweisen zur Begrenzung der Spannungen im Beton zeigt sich, dass sich bei der Alternative mit internen Längsspanngliedern ohne Verbund über das gesamte Bauwerk ein niedrigeres Längsdruckspannungsniveau einstellt. Dies ist auf eine harmonischere Verteilbarkeit der Vorspannung, den niedrigeren Vorspanngrad und die nach [4] wesentlich geringere Streuung der Vorspannkraft zurückzuführen. Letzteres wirkt sich günstig auf die Verluste aus Kriechen aus, zumal bei interner verbundloser Vorspannung für die Bestimmung der Kriechverluste das über die gesamte Spanngliedlänge gemittelte Spannungsniveau und nicht die im jeweiligen Bemessungsschnitt in Höhe des betrachteten Spanngliedes vorherrschende Betondruckspannung maßgeblich ist. 3.2.2.10 Nachweise im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit zur Rissbreitenbeschränkung und zur Begrenzung der Spannun gen im Beton, Überbau Nord und Überbau Süd quer In Querrichtung werden beim Überbau Süd durch die höheren Korrosionsschutzanforderungen für die Längsspannglieder auch höhere Anforderungen an die Beschränkung der Rissbreite gestellt. Der entsprechende Nachweis ist gemäß [4] wegen der vorliegenden Anforderungsklasse B unter der nicht-häufigen Einwirkungskombination zu führen. Für den verbundlos vorgespannten Überbau Nord gilt ebenso in Querrichtung die Anforderungsklasse D, so dass lediglich die häufige Einwirkungskombination zugrunde zu legen ist. Trotz des im Zuge des Nachweises zur Beschränkung der Rissbreite niedrigeren Lastgrades ergibt sich infolge des niedrigeren Quervorspanngrades aber kein wesentlicher Unterschied im Hinblick auf die nach dem Rissbreitennachweis erforderliche Betonstahlbewehrung in Querrichtung. 3.2.2.11 Nachweise im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit in den Bauzuständen, Überbau Süd Für die Beschränkung der Betonzugspannungen in den Bauzuständen des Überbaues Süd sind die Nachweisbedingungen in [4], Abschnitt 4.4.2.1 (107)P maßgeblich. Die Betonlängszugspannungen sind demnach auf der Querschnittsseite, die den Spanngliedern am nächsten liegt, auf 85 % des 5%-Fraktilwertes der Betonzugfestigkeit (0,85 fctk0,05)zu beschränken.

3.2.2.12 Nachweise im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit in den Bauzuständen, Überbau Nord Zur Beschränkung der Längsbiegezugspannungen in den Bauzuständen wurde beim Überbau Nord der Nachweis entsprechend [3] in Verbindung mit [4] für extern vorgespannte Brücken mit Kastenquerschnitt geführt. Die quasi-ständige Einwirkungskombination ist hierbei mit einem Kombinationsbeiwert 2 = 0,30 für alle Einwirkungen aus Verkehr im Bauzustand zu bilden, wobei Temperaturschwankungen und Setzungsdifferenzen unberücksichtigt bleiben können. Unter den Beanspruchungen aus dieser Einwirkungskombination dürfen die Betonrandzugspannungen im Bauzustand einen Wert von 85 % des 95%-Fraktilwertes der Betonzugfestigkeit (0,85 fctk0,95) nicht überschreiten. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die diesbezügliche Anforderung nach [4], Abschnitt 4.4.2.1 (107)P bezüglich der Beschränkung der Längsbiegezugspannungen in den Bauzuständen ebenfalls erfüllt ist. 3.2.2.13 Nachweise im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit zur Begrenzung der Verformungen Im vorliegenden Fall zeigte sich bereits aus den Voruntersuchungen, dass die Übernahme der für extern vorgespannte Kastenquerschnitte geltenden Regel zur Bestimmung des Vorspanngrades auch für den vorliegenden, mit internen Längsspanngliedern ohne Verbund vorgespannten Plattenbalkenquerschnitt sehr gut geeignet ist, um die Durchbiegungen konstruktiv sinnvoll zu beschränken. 3.3 Bauausführung 3.3.1 Allgemeines Wie bereits in [17] erwähnt, ergeben sich allgemein mehrere ausführungstechnische Vorteile bei Anwendung der internen Längsvorspannung ohne Verbund. Das sind – eine flexiblere Wahl der Arbeitsfugen bei abschnittsweiser Herstellung, – eine niedrigere Anzahl an zu verlegenden Spanngliedern, – der Entfall der Verpressarbeiten auf der Baustelle, dadurch geringere Anforderungen an das Baustellenpersonal sowie beschleunigter Bauablauf bei Winterbaustellen.


1 1 . S YM P O S I U M L E I P Z I G 3.3.2 Projektspezifische Erfahrungen 3.3.2.1 Überbau Nord Aus Sicht der ausführenden Firma waren im Hinblick auf die Realisierung des Überbaues Nord generell folgende Erschwernisse gegenüber der konventionellen Bauart festzustellen: – Die Verankerung der Spannglieder im Bereich der Stegunterseite erforderte einen höheren Einbauaufwand für die Längsspannglieder, der in Form eines erhöhten Einheitspreises für die Spannglieder berücksichtigt wurde. – Die Biegesteifigkeit der Kunststoffhüllrohre der verbundlosen Längsspannglieder erschwerte insbesondere bei niedrigen Lufttemperaturen deren Verlegung im Querschnitt. – Es zeigten sich Erschwernisse beim Betonieren der Verankerungsbereiche der Längsspannglieder aufgrund hoher Bewehrungskonzentrationen: Dies ist jedoch im Wesentlichen dadurch begründet, dass wegen der Weiternutzung der bestehenden Unterbauten bei beiden Überbauten die Querschnittsabmessungen entsprechend begrenzt werden mussten. 3.3.2.2 Überbau Süd Beim südlichen Überbau ergaben sich nach Auskunft der ausführenden Firma bei der Bauweise mit Längsspanngliedern mit nachträglichem Verbund folgende Erschwernisse gegenüber der neuen Bauart: – Dazu gehörte aufgrund der größeren Spanngliedanzahl die unvermeidbare vertikale Verschwenkung der Längsspannglieder. – Die Baustelleneinrichtung musste auf die in der Regel längeren und schwereren Spannglieder abgestimmt werden (höhere Hublasten für Kräne etc.). Zusammenfassend kann nach Auffassung des Unternehmens festgestellt werden, dass sich, abgesehen von dem zusätzlichen Aufwand für die Herstellung der Stegaussparungen für die Spanngliedverankerung, die Vor- und Nachteile beider Verfahren in etwa ausgleichen und daher mit der neuen Bauweise keine ausführungstechnischen Erschwernisse verbunden sind.

3.4 Herstellungskosten Bislang konnten die aus der Bauweise mit internen Längsspanngliedern ohne Verbund resultierenden Mehrkosten mangels direkter Vergleichswerte lediglich auf der Basis fiktiver Analogien abgeschätzt werden. Die dabei ermittelten Mehrkosten wurden im Rahmen bisheriger Pilotprojekte [9] [10] [11] [12] [13] [20] [21] meist nur in einer Größenordnung von ca. 5 % der Herstellungskosten für ein entsprechendes Brückenbauwerk in konventioneller Bauweise taxiert. Im vorliegenden Fall konnten die Bauweisen jedoch erstmals unter Wettbewerbsbedingungen bei im Wesentlichen gleichen konstruktiven Randbedingungen unmittelbar gegenübergestellt werden. Wie in [17] bereits aufgezeigt, ergaben sich im Zuge der Planung und Ausführung für die Bauweise mit internen Längsspanngliedern ohne Verbund Mehrkosten infolge – eines höheren Einheitspreises für die Längsspannglieder unter zusätzlicher Berücksichtigung des Aufwandes für die Stegaussparungen, – eines erhöhten Betonstahlbedarfes in Längs- und in diesem besonderen Falle wegen des Vorhandenseins einer Quervorspannung auch in Querrichtung. Die erheblichen Mindermengen im erforderlichen Spannstahlbedarf sowohl in Längs- als auch in Querrichtung wirken der obigen Kostenerhöhung jedoch

entscheidend entgegen. Aufgrund des gezeigten Sachverhaltes, wonach neben den Kosten für den Beton- und den Spannstahl keine bauartspezifischen Mehraufwendungen existieren, lässt sich der Herstellungskostenvergleich also allein auf einen Vergleich der Kosten für die Spann- und Betonstahlbewehrung unter Einbeziehung der entsprechenden Einheitspreise – darin sind die individuellen Mehraufwendungen für die verschließbaren Stegaussparungen berücksichtigt – reduzieren. In einer Tabelle sind hier die entsprechenden Mengen sowie die jeweils zugehörigen Einheitspreise gegenübergestellt. Bei dem Pilotprojekt Talbrücke(n) Schallermühle entstanden neben den Kosten für die neuen Überbauten auch Aufwendungen für den Rückbau und die Sanierung der verbleibenden Unterbauten, so dass diese Gesamtsummen für die Angabe von Relativkosten nicht zielführend sind. Zu Vergleichszwecken eignen sich vielmehr Kosten für Neubauten, bei denen auch die Unterbauten miterrichtet werden. Für die Betrachtungen der nachfolgend genannten prozentualen Mehrkosten der neuen gegenüber der herkömmlichen Bauweise wird daher vorausgesetzt, dass die Kosten für den Überbau eines neuen Brückenbauwerkes etwa 60 % und die für neue Unterbauten etwa 40 % der gesamten Herstellungssumme betragen.

Überbau Nord Überbau Süd

Menge Spannstahl absolut [t] Längsspannglieder Querspannglieder

70,10 26,70

111,00 29,00 *

Spannstahlgehalt je m3 Überbaubeton [kg/m3] Längsspannglieder Querspannglieder

27,90 10,60

44,00 11,50 *

Menge Betonstahl absolut [t

416,80

370,90

Betonstahlgehalt je m3 Überbaubeton [kg/m3]

166,10

146,90

5.200,00 6.500,00 1.100,00

2.800,00 6.500,00 1.100,00

Einheitspreis netto [x/t] Längsspannglieder Querspannglieder Betonstahl *aufgrund unterschiedlicher geometrischer Verhältnisse auf die Randbedingungen am Überbau Nord umgerechnet

6 Gegenüberstellung der Mengen und Einheitspreise © bulicek + ingenieure

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1 1 . SYM P O S I U M L E I PZ I G Mehraufwand bei der Erneuerung von Überbauten: – Gesamtkosten Beton- und Spannstahl Überbau Nord (netto) 70,10 t x 5.200,00 x/t + 26,70 t x 6.500,00 x/t + 416,80 t x 1.100,00 x/t = 996.550,00 x – Gesamtkosten Beton- und Spannstahl Überbau Süd (netto) 111,00 t x 2.800,00 x/t + 29,00 t x 6.500,00 x/t + 370,90 t x 1.100,00 x/t = 907.290,00 x – Kostendifferenz für Beton- und Spannstahl (brutto) (996.550,00 x – 907.290,00 x) x 1,19 = 106.219,40 x – Kosten für den Überbau Süd von Unterkante Lager bis Oberkante Geländer (brutto, gerundet) 3.300.000,00 x – Mehraufwand im Bezug auf die Überbauherstellungskosten (100 x 106.219,40 x)/3.300.000,00 x = 3,20 % Mehraufwand bei Brückenneubauten: – Fiktive Herstellungskosten für einen vergleichbaren Brückenneubau (brutto) 3.300.000,00 x/0,60 = 5.500.000,00 x – Mehraufwand in Bezug auf einen vergleichbaren Brückenneubau (100 x 106.219,40 x)/5.500.000,00 x = 1,90 % Bei zusätzlicher Berücksichtigung der höheren Lebensdauer und der sonstigen Vorzüge liegt die Bauweise mit internen Längsspanngliedern ohne Verbund auf Basis des vorgeschlagenen konstruktiven Konzeptes daher trotz der begrenzten Mehrkosten in einer Höhe von ca. 2 % der Gesamtbaukosten zweifellos im Vorteil. 4 Zusammenfassung und Ausblick Das beim Überbau Nord der Talbrücke Schallermühle für die Längstragrichtung angewandte Vorspannkonzept stellt eine zukunftsweisende Weiterentwicklung der Spannbetonbauweise im Brückenbau dar. Im Rahmen dieses Pilotprojektes (Verkehrsfreigabe: Dezember 2010) wurde erstmals ein sowohl qualitativer als auch quantitativer Vergleich der Bauweise mit internen Längsspanngliedern ohne Verbund mit der bisherigen Regelbauweise unter Verwendung von Längsspanngliedern mit nachträglichem Verbund unter sonst nahezu gleichen konstruktiven Randbedingungen ermöglicht.

Die nach der Planung und Ausführung durchgeführten Vergleichsbetrachtungen ergaben, dass auf der Grundlage des beim Überbau Nord angewendeten Vorspannkonzeptes die Produktqualität von langen, abschnittsweise zu errichtenden Brücken mit Plattenbalkenquerschnitt mit einem Mehraufwand von weniger als 2 % der Gesamtbaukosten erheblich gesteigert werden kann. Unter Würdigung der zahlreichen Vorteile der Bauweise mit internen Längsspanngliedern ohne Verbund erscheint dieser Mehraufwand bei der Herstellung unwesentlich. Eine vermehrte Umsetzung der neuen Bauweise ist wünschenswert. Die im Entwurf der (derzeit noch in Vorbereitung befindlichen) Richtlinie für Betonbrücken mit internen Spanngliedern ohne Verbund [15] enthaltenen Regelungen sollten hierfür aber so flexibel gehalten werden, dass eine Weiterentwicklung der Spannbetonbauweise auf Basis vieler bestehender Spannverfahren begünstigt und eine Einschränkung auf nur wenige von ihnen vermieden wird. Autoren: Prof. Dr.-Ing. Hans Bulicek bulicek + ingenieure, Passau Ministerialrat Dipl.-Ing. Karl Goj Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, München Ltd. Baudirektor Dipl.-Ing. Günther Kleiner Autobahndirektion Nordbayern, Nürnberg Literatur [1] DIN Fachbericht 101, Einwirkungen auf Brücken. Berlin, Ausgabe März 2009. [2] Zulassungsbescheid für Drahtspannverfahren für Vorspannung ohne Verbund im Beton, Suspa-Draht intern ohne Verbund, Zul.-Nr.: Z-13.2-109. [3] Allgemeines Rundschreiben Straßenbau Nr. 11/2003 des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Wohnungswesen vom 7. März 2003 an die Obersten Straßenbaubehörden der Länder. [4] DIN Fachbericht 102, Betonbrücken. Berlin, Ausgabe März 2009. [5] Zilch, K.; Hennecke, M.; Gläser, Ch.: Stand der Entwicklung intern verbundloser Vorspannung. System und Anwendung. In: Dehn, F.; Holschemacher, K.; Tue, N. V.: Festschrift zum 70. Geburtstag von Prof. Dr.-Ing. Gert König. Erfahrungen und Zukunft des Bauens. Berlin 2004. [6] Heiler, H.; Scheibe, M.: Vorspannung intern, extern, mit und ohne Verbund. Wo liegt das Optimum, was bringt die Zukunft?; in: Beton- und Stahlbetonbau 99 (2004), Heft 11, S. 877–885. [7] Eisler, R.; Abel, M.: Neue Mischbauweise mit interner Vorspannung ohne Verbund. Pilotprojekt Mühlenbergbrücke; in: Stritzke, J. (Hrsg.): Tagungsband zum 17. Dresdener Brückenbausymposium 2007. Dresden 2007, S. 143–154. [8] Wicke, M.: Verbundlose Vorspannung im Brückenbau; in: Stritzke, J. (Hrsg.): Tagungsband zum 11. Dresdener Brückenbausymposium 2001. Dresden 2001, S. 27–51.

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[9] Fritsche, T.; Hennecke, M.; Pfisterer, H.; Willberg, U.: Die verbundlose interne Längsvorspannung. Das Pilotprojekt Streiflacher Weg; in: Beton- und Stahlbetonbau 99 (2004), Heft 8, S. 634–640. [10] Pfisterer, H.; Fritsche, L.; Scheibe, M.; Zilch, K.; Hennecke, M.; Leonhardt, G.: Innovatives Bauobjekt. Brücke mit interner Vorspannung ohne Verbund als Pilotprojekt im Zuge der BAB A 99 West Autobahnring München; in: Der Bauingenieur, Band 78 (April 2003), S. 165–171. [11] Haupt, R.; Hennecke, M.: Pilotprojekt Roßriether-Graben-Brücke. Mischbauweise mit verbundloser Vorspannung; in: Zilch, K. (Hrsg.): Massivbau 2006. Forschung, Entwicklung und Anwendung. Berlin 2006. [12] Bulicek, H.; Breuherr, K.: Dettenbachtalbrücke. Plattenbalkenüberbau mit austauschbaren, innerhalb des Betonquerschnittes angeordneten Längsspanngliedern; in: Der Bauingenieur, Band 82 (Juni 2007), S. 255–261. [13] Bulicek, H.; Braml, T.: Erste Fertigteilbrücke aus Hochleistungsbeton mit auswechselbarem Spannstahl; in: Straße und Autobahn, Heft 8, 2002, S. 423–427. [14] Leonhard, F.: Vorlesungen über Massivbau, fünfter Teil: Spannbeton. Berlin 1980. [15] Richtlinie für Betonbrücken mit internen Spanngliedern ohne Verbund. Hrsg. v. Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, in Vorbereitung. [16] Richtlinie für Betonbrücken mit externen Spanngliedern, Ausgabe 1999, ARS 17/99. Hrsg. v. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen. [17] Bulicek, H.: Interne Vorspannung ohne und mit nachträglichem Verbund im direkten Vergleich. Talbrücke Schallermühle als Pilotprojekt; in: BRÜCKENBAU, Heft 1, 2009, S. 53–57. [18] Bulicek, H.; Seipelt S.: Computerized Conception and Optimization of Post-Tensioning in Concrete Bridge Engineering; in: 3rd fib International Congress 2010, Washington 2010. [19] Zustimmung im Einzelfall der Obersten Baubehörde im Staatsministerium des Innern zur Verwendung von Spanngliedern »Suspa-Draht intern ohne Verbund« mit gegenüber der Zulassung reduziertem Umlenkradius R = 5,50 m. [20] Haveresch, K.: Pilotprojekt Mühlenbergbrücke. Vorspannung ohne Verbund für Brücken; in: Beton- und Stahlbetonbau 102, Heft 9, 2007, S. 622–629. [21] Fritsche, T.; Gläser, C.; Goj, K.; Wunderlich, P.; Zilch, K.: Verbundlose Vorspannung bei einer abschnittsweise hergestellten Brücke mit Erkenntnissen zum Spanngliedaustausch am Pilotprojekt Labertalbrücke; In: Bauingenieur Band 86, 2011, S. 1–9. Bauherr Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Freistaat Bayern, Auftragsverwaltung durch die Autobahndirektion Nordbayern, Nürnberg Entwurf und Tragwerksplanung bulicek + ingenieure, Passau

Prüfingenieur Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. e. h. Konrad Zilch, München Ausführung Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG, Neumarkt



1 1 . SYM P O S I U M L E I PZ I G Klothoide im Taktschiebeverfahren

Mit Match Cast über das Fundertal von Holger Hauser, Peter Seitz

Mit 724 m ist die Querung des Fundertals die längste bestehende Landbrücke in Dänemark. Die Herstellung der aus zwei einzelligen Stahlbetonhohlkästen bestehenden Überbauten erfolgt im allgemein bekannten Taktschiebeverfahren auf temporären Hilfsstützen. Während bei der üblichen Bauweise aber nur ein konstanter Radius möglich ist, war es hier eine Herausforderung, Lösungen für das Einschieben eines konstanten Radius mit anschließender Klothoide zu finden (patentiertes Match-Cast-Verfahren). Zusätzlich mussten innovative Konstruktionen entwickelt werden, wie der sogenannte A-Bock zur Überquerung des naturgeschützen Bereiches des Funderbaches, in dem keine Hilfsstütze angeordnet werden durfte, und der zweigeteilte Taktkeller zur schnelleren Realisierung der Überbautakte. 1 Einleitung Die Funder-Brücke ist Teil eines 12 km langen Autobahnabschnittes, der die Lücke zwischen der Ost-West-Verbindung zwischen Herning und Århus schließt. Mit einer Länge von 724 m ist sie die längste existierende Landbrücke in Dänemark. Sie wird realisiert durch die Arbeitsgemeinschaft von Dywidag Bau GmbH mit Züblin Scandinavia A/S (Dywidag 90 %, Züblin 10 %). Die Brücke weist zwei getrennte Spannbetonhohlkästen mit konstanten Spannweiten von 85 m sowie bis zu 35 m hohe Pfeiler auf.

2 Taktschieben mittels Match Cast © Dywidag Bau GmbH

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1 Funder-Brücke im August 2009 © Züblin Scandinavia A/S

Als Herstellungsverfahren wurde das umweltschonende und zudem wirtschaftliche Taktschieben gewählt. Der Verlauf der Brückenachse im Grundriss besteht aus einem konstanten Kreisbogen mit nachfolgender Klothoide, was normalerweise zu einem Ausschluss dieses Verfahrens führt, da in der Regel nur gerade oder aber Überbauten mit über die Brückenlänge konstantem Radius eingeschoben werden können. Die patentierte Match-Cast-Methode macht es jedoch möglich, einen Überbau mit dem beschriebenen Achsverlauf im Grundriss mittels Taktschiebeverfahren zu errichten. 2 Herstellung und Überbau Die einheitlichen Spannweiten von 85 m, geteilt in 42,50-m-Felder durch Verwendung von Hilfsstützen, und die Gesamtlänge von 724 m sind ideale Voraussetzungen für das Taktschiebeverfahren. Durch die Überbauhöhe von

3,50 m liegt der Parameter c = l2/h = 516 innerhalb des Bereiches von 500–950, für welchen dieses Verfahren wirtschaftlich ist. Im Endzustand (keine Hilfsstützen) beträgt der Parameter l/h = 85 m/ 3,50 m = 25, es handelt sich somit um ein äußerst schlankes Tragsystem. Da die beiden Überbauten nacheinander eingeschoben werden, ist zudem nur ein Taktkeller nötig, welcher nach Herstellung des ersten Überbaues querverschoben und wiederverwendet wird. Für das Einschieben des Querschnitts wurden als zentrische Vorspannung in der Fahrbahnplatte 12 Spannglieder mit je 15 Litzen und einem Litzenquerschnitt von 15,70 mm gewählt, in der Bodenplatte waren acht Spannglieder mit je 12 Litzen erforderlich. Zur Aufnahme der zusätzlichen Beanspruchung aus dem Entfernen der Hilfsstützen und der Verkehrslasten werden nach dem Einschieben weitere Spannglieder, 19 Litzen in Steg und Bodenplatte, eingebracht. Je Steg wurden fünf Spannglieder angeordnet, welche sich im hochbelasteten Stützenbereich überlappen und deren Anzahl sich hier somit verdoppelt. Darüber hinaus sind vier zusätzliche Bodenplattenspannglieder je Feld notwendig, die an Bodenplattenlisenen verankert werden. Um die Überlappung der Stegspannglieder zu gewährleisten und die höheren Schubbeanspruchungen im Stützenbereich abzuleiten, sind die Stege verbreitert; ebenso wurde die Bodenplatte zur Aufnahme der Druckkräfte verstärkt.


1 1 . S YM P O S I U M L E I P Z I G

3 Längsschnitt © K+S Ingenieurconsult GmbH & Co. KG

Es wurden außerdem Möglichkeiten vorgesehen, um spätere, im Hohlkasten geführte externe Spannglieder als Ergänzung und bzw. oder zur Sanierung einbauen zu können. Dazu sind beim Stützquerträger Aussparungsrohre und im Feld Umlenksättel zum Anspannen und zur Umlenkung der Spannglieder vorhanden. 3 Match Cast und Taktkeller Nord- und Südüberbau wurden in 26 bzw. 27 Takte mit einer Regellänge von ca. 28,40 m eingeteilt. Die ersten 20 Takte der Brücke befinden sich innerhalb des konstanten Achsradius von ca. 2.600 m und werden herkömmlich auf einen Kreisbogen eingeschoben, die nachfolgenden hingegen im Klothoidenbereich. Dies hat zur Folge, dass die Achsen des letzten Pfeilers (Achse 20), eines Hilfspfeilers und des Widerlagers (Achse 10) von der Achse des Verschiebekreisbogens abweichen und somit die ersten 20 Takte beim Einschieben exzentrisch auf Pfeiler und Widerlager aufliegen. Die größte Abweichung mit 1,66 m tritt am Ende des Überbaues und dementsprechend beim Widerlager Achse 10 auf. Dieses Widerlager ist aber gleichzeitig jenes, auf dem die Verschubanlage installiert ist. Die Verschubanlage mit Hub- und Schubpresse und der Bremsblock wurden deshalb querverschieblich konzipiert, womit die zentrische Krafteinleitung in die Stege gewährleistet ist. Der Bremsblock sitzt dabei auf einem auf PTFE-Platten gelagerten Betonverschubschlitten und die HubSchub-Anlage auf einem querverziehbaren Stahlrahmen, beide werden während des Taktschiebens mit Hilfe von Zugstangen abwechselnd querverzogen. Beim Pfeiler Achse 20 beträgt die maximale Exzentrizität 42,00 cm, so dass eine temporäre Betonkonsole, welche mit Spanngliedern an den Pfeilern gespannt wird, das Verschiebelager aufnimmt.

4 Regelquerschnitt © K+S Ingenieurconsult GmbH & Co. KG

5 Pfeiler mit justierbarer Seitenführung © K+S Ingenieurconsult GmbH & Co. KG

Sektoren besteht: In Sektor A wird der Trog eines jeden Taktes, in Sektor B die Fahrbahnplatte betoniert. Durch eine solche Anordnung ist es machbar, an beiden Überbauabschnitten (Trog und Fahrbahnplatte) parallel zu arbeiten und die Taktfertigung damit zu beschleunigen. Zudem erlaubt sie, variable Überbauhöhen bei der Fertigung leichter zu realisieren. Das ist bei diesem Projekt ebenfalls notwendig, da die Gradiente im Bereich der Brücke aus einem konstanten Gefälle mit anschließender Wanne besteht und daher wie im Grundriss unregelmäßig ist.

Der Überbau wird auf den endgültigen Pfeilern mit Hilfe von Seitenführungen während des Taktschiebens lagesicher sowie im stationären Zustand querfest gehalten. Im Fall von Achse 20 wurde dazu ein Verschubschlitten mit integrierter Festhaltung entwickelt. Um eine Klothoide einschieben zu können, ist es von entscheidender Bedeutung, dass sich der Taktkeller nach Ausfahren eines Taktes querverschieben und verdrehen lässt, den unregelmäßigen Achsverlauf also abzubilden vermag. Eine weitere Besonderheit ist die Verwendung eines »geteilten« Taktkellers, der aus zwei hintereinanderliegenden

6 Sektor A des Taktkellers © K+S Ingenieurconsult GmbH & Co. KG

7 Sektor B des Taktkellers © K+S Ingenieurconsult GmbH & Co. KG

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1 1 . SYM P O S I U M L E I PZ I G

9 A-Bock über dem Fundertal © K+S Ingenieurconsult GmbH & Co. KG

8 Querverschiebliche Hilfsstütze © K+S Ingenieurconsult GmbH & Co. KG

Um den Querverschub in der MatchCast-Phase und die Rotation zu ermöglichen, wurden für die Sektoren A und B unterschiedliche Systeme entworfen: Im Sektor A (Trogfertigung) ist zunächst die eigentliche kontinuierliche Verschubbahn aus Stahlträgern verbreitert herzustellen, um die Lageänderung des Troges in Querrichtung während des Einschiebens eines in der Klothoide liegenden Segmentes aufnehmen zu können. Die eine Seite der Stegschalung ist seitlich verschiebbar und muss vor dem Verschubvorgang genügend weit entfernt werden, um ein Anstoßen des Überbaues während der Ausfahrt aus dem Sektor A zu verhindern. Der Betonträgerrost des Taktkellers selbst ruht auf flachgegründeten Betonverschubbalken. Dazwischen befinden sich PTFE-Platten, den Querverzug und die Rotation mit Hilfe von Stabspanngliedern nach dem Ausfahren eines Taktes gestattend. Im Sektor B liegt der bereits hergestellte und aus dem Sektor A herausgeschobene Trogquerschnitt auf vier Auflagerachsen auf. Diese Auflagerbalken sind in Querrichtung so breit, dass sie die maximale Exzentrizität von 1,66 m aufnehmen können. Ihre Oberfläche ist mit Edelstahlblechen bezogen, auf welchen dann PTFE-Verschubplatten analog einem Verschieblager angeordnet werden. Die leichte Fahrbahnplattenschalung sitzt auf Stahlquerträgern, die auf -längsträgern wiederum seitlich verschoben werden. Zum Ablassen der Schalung dienen Pressen unterhalb der Längsträger.

4 Hilfsstützen Zur Halbierung der Feldweiten von 85 m wurden Hilfsstützen aus Beton geplant, deren Errichtung kostengünstig aus zwei einfach zu schalenden Betonrechteckstützen mit Querriegel aus Betonfertigteilen erfolgte. Nach Ausführung des ersten Überbaues können diese Hilfsstützen querverschoben und dann für die Herstellung des zweiten eingesetzt werden. Die beiden Betonstützen stehen auf einer gemeinsamen Betonplatte, welche wiederum auf einer größeren flachgegründeten Fundamentplatte aufliegt: Beim Querverschub gleitet die gesamte Stütze samt oberer Bodenplatte auf der Fundamentplatte des ersten Bauabschnittes über Verschubbalken auf die des zweiten Bauabschnittes. 5 A-Bock-Konstruktion Zwischen Achse 80 und 90 überspannt die Brücke den Funderbach mit dem zugehörigen Fauna-Flora-Habitat (FFH), die Anordnung einer Hilfsstütze ist hier nicht möglich. Deshalb wurde eine Stahlkonstruktion in Form eines A-Bocks konzipiert, welche die Spannweite in diesem Feld ebenfalls halbieren kann, ohne jedoch in das FFH-Gebiet eingreifen zu müssen.

Ein Teil der horizontalen Schubkraft aus den Rahmenstielen wird von den Pfeilern aufgenommen bzw. über Reibung zwischen Pfeilerfundament und Boden, der andere Teil hingegen von Spanngliedern, die von Pfeiler in Achse 80 zu Achse 90 gespannt sind, also die Fußknoten miteinander verbinden und somit die Kräfte kurzschließen. Vor Belastung des A-Bocks durch den Überbau werden die Spannglieder gegen die Pfeiler vorgespannt, so dass bei Beanspruchung des Firstknotens ihre Steifigkeit nicht in das System eingeht und der A-Bock dadurch wesentlich steifer und verformungsärmer wird. Die Vorspannung wird dabei während der Überbau-Überfahrt in vorgegebenen Schritten erhöht. Für die Herstellung des zweiten Überbaues wird der A-Bock ebenfalls querverschoben, wozu das Kämpferfundament wie ein Betonschlitten ausgebildet ist. Für den Querverschub wird es mit Pressen angehoben, mit PTFE-Verschubplatten unterlegt, wieder abgelassen und dann mit Stabspanngliedern querverschoben. Um die Durchbiegung des Firstknotens durch das Gewicht des Überbaues zu kompensieren, sind auf dem Firstknoten pressengesteuerte Verschublager angeordnet, die so gesteuert werden, dass die Lage

10 Rechnerischer Verlauf der Vertikalkraft in Achse 85 bei der Überbau-Überfahrt © K+S Ingenieurconsult GmbH & Co. KG

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1 1 . S YM P O S I U M L E I P Z I G »Oberkante Verschublager« bzw. »Unterkante Überbau« während der Überfahrt auf Sollhöhe gehalten wird. Die Pressenkräfte werden zugleich kontrolliert, um eine unplanmäßige Beanspruchung des A-Bocks rechtzeitig zu erkennen. Die Rahmenstiele werden vertikal in Elementen montiert sowie mittels Spanngliedern und auf den Pfeilerköpfen angebrachten Litzenhebern abgelassen und das System geschlossen. Zu diesem Zweck wurden Betongelenke konstruiert, welche die Rotation der Stiele ermöglichen. Die Gleitebenen bestehen aus Stahlhalbschalen, die für das Ablassen entsprechend gefettet werden.

11 Ablassen der Rahmenstiele © Dywidag Bau GmbH

12 Betongelenk am Fußknoten © K+S Ingenieurconsult GmbH & Co. KG

13 Überfahrt des Überbaus Nord © Züblin Scandinavia A/S

Für die Demontage wird der gesamte A-Bock analog dem Querverschub für den zweiten Bauabschnitt zurück in die Mitte zwischen den zwei Überbauten geschoben. Die Stahlkonstruktion wird dann über Zugstangen an die Überbauten gehängt, segmentweise demontiert, mit Hilfe eines Schlittens zurück zu den Pfeilerachsen 80 bzw. 90 gefahren und dort abgelassen. Für alle Phasen der Bauarbeiten, das heißt für die Montage, das Ablassen und Schließen, die Überfahrung durch den Überbau und die Demontage bleibt das Naturreservat geschützt. 6 Zusammenfassung Das Taktschiebeverfahren ist im Normalfall beschränkt auf Brücken mit konstantem Radius über die gesamte Brückenlänge bzw. auf Brücken, welche komplett im Grundriss in einer Geraden liegen. Das nun bei zwei Großbrücken angewendete patentierte Match-Cast-Taktschiebeverfahren zeigt Lösungen für das Einschieben von Klothoiden auf. Die in diesem Beitrag beschriebenen Weiterentwicklungen machten es möglich, dass das Taktschiebeverfahren auch bei Sonderfällen wirtschaftlich erfolgreich eingesetzt werden kann.

Autoren: Dipl.-Ing. Holger Hauser Dipl.-Ing. Peter Seitz K+S Ingenieurconsult GmbH & Co. KG, Nürnberg Bauherr Königreich Dänemark, Vejdirektoratet Skanderborg Entwurf Gimsing & Madsen A/S, Horsens, Dänemark Sondervorschlag K+S Ingenieurconsult GmbH & Co. KG, Nürnberg Tragwerksplanung K+S Ingenieurconsult GmbH & Co. KG, Nürnberg Niras A/S, Allerød, Dänemark Prüfung Gimsing & Madsen A/S, Horsens, Dänemark Ausführung Züblin Scandinavia A/S, Trige, Dänemark Dywidag Bau GmbH, München

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1 1 . SYM P O S I U M L E I PZ I G Semiintegraler Rahmen mit Betongelenken

Talbrücke Weißenbrunn am Forst von Knut Bock

Die südlich von Coburg gelegene Talbrücke Weißenbrunn quert als Teil der Eisenbahn-Neubaustrecke München–Erfurt–Berlin das Tal des Weißenbrunner Baches in Form eines semiintegralen Rahmenbauwerks. Die Lagerung der V-Pfeiler auf den Gründungsplatten erfolgt mittels Betongelenken, die sich für den Bauherrn als robuste, kostengünstige und wartungsarme Konstruktionen vorteilhaft auszeichnen. 1 Allgemeines Der Abschnitt Ebensfeld–Erfurt ist Bestandteil des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit Schiene Nr. 8: Aus- und Neubaustrecke Nürnberg–Erfurt–Leipzig–Berlin. Auf dieser ca. 107 km langen Neubaustrecke der Deutschen Bahn AG durch den Thüringer Wald werden zahlreiche neue Bauwerke zur Überbrückung der tiefen Taleinschnitte erforderlich. Neben den »klassischen« Bahnbrücken, bestehend aus Einfeldträgerketten mit 44 m Regelstützweite, wurden hier viele Bogenstrukturen, zum Beispiel über das Grümpental, den Froschgrundsee und das Illmtal, aber auch semiintegrale Konstruktionen, wie die Scherkondetalbrücke und die Talbrücke Weißenbrunn, ausgeschrieben.

1 Talbrücke Weißenbrunn im Bauzustand © Kinkel + Partner GmbH

Südlich von Coburg quert die zweispurige Hochgeschwindigkeits-ICE-Trasse mit einer Entwurfsgeschwindigkeit von 300 km/h das ca. 40 m tiefe Tal des Weißenbrunner Baches. Bedingt durch die Nähe zur Gemeinde Untersiemau wird unter Beachtung der topographischen Verhältnisse im Bereich dieser Trasse ein gestalterisch ansprechendes, semiintegrales Rahmenbauwerk mit Betongelenken ausgeführt.

2 3 Längsschnitt und Grundriss der Gesamtbrücke © Kinkel + Partner GmbH

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Die Talbrücke Weißenbrunn weist folgende Bauwerksdaten auf: – Brückengesamtlänge: 614 m, – Bauwerksradius: 3.570 m, – Brückenbreite: 14,30 m, – Feldweiten: 8 x 44 m + 50 m + 76 m + 50 m + 2 x 44 m, – Überbau: Spannbetonhohlkasten mit Hk = 4,00–5,00 m, – maximale Höhe: 40 m über Tal.


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4 5 Längsschnitt und Draufsicht des Rahmenbauwerks © Kinkel + Partner GmbH

2 Der semiintegrale Rahmen Die 614 m lange Talbrücke Weißenbrunn setzt sich aus einem dreifeldrigen semiintegralen Zweigelenk-Rahmenbauwerk mit V-Stützen und angrenzenden Einfeldträgerketten zusammen, wobei die Lagerung der V-Stützen auf Betongelenken erfolgt. Der Vorteil der semiintegralen Bauweise und die Wahl von Betongelenken liegen in geringen Kosten, großer Robustheit und dem niedrigen Wartungsaufwand begründet.

Der Querschnitt durch das Betongelenk wird in untenstehender Abbildung gezeigt: Es ist 10,60 m lang und wird im Gelenkhals auf 8,00 m reduziert, dessen Breite dort lediglich 40 cm beträgt. Diese Betongelenke sind nicht nur in der Lage, die großen vertikalen Auflagerkräfte aufzunehmen, sondern auch die erheblichen Brems- und Anfahr- sowie die Zwangskräfte aus Temperatur, Schwinden und Kriechen und die kleinen Drehwinkel aus den genannten Beanspruchungen. Dies gilt genauso für die unbewehrten Betongelenke der Talbrücke Weißenbrunn.

3 Die Betongelenke 3.1 Funktion und Anwendung Betongelenke bedeuten eine deutliche Einschnürung des Betonquerschnitts und lassen eine begrenzte Verdrehung zu. Sie sind im Vergleich zu herkömmlichen Linienkipplagern sehr wartungsarm. Um eine Auswechslung des Rahmenbauwerks innerhalb kurzer Sperrpausen von nur wenigen Tagen zu gewährleisten, sollen die Betongelenke unbewehrt bzw. ungepanzert in der Gelenkfuge realisiert werden: Durch den Verzicht auf jegliche Bewehrung des Gelenkhalses kann die Brücke mit Pressen angehoben und seitlich ausgeschoben werden. Da die Talbrücke Weißenbrunn im Grundriss mit R = 3.570 m trassiert ist, sind die erforderlichen horizontalen Verschubflächen für den Einbau von stählernen Gleitbahnen für beide Achsen parallel anzuordnen. Eine parallele Ausrichtung der Gelenke ist ebenfalls sinnvoll, um bei Zwangsbeanspruchung eine Minimierung der Einwirkungen zu erreichen.

7 Geometrie des Betongelenks © Kinkel + Partner GmbH

8 Querschnitt des Betongelenks © Kinkel + Partner GmbH

6 V-Stütze mit Betongelenk im Bau © Kinkel + Partner GmbH

Die Besonderheit der Brücke besteht eindeutig in den Betongelenken am Fußpunkt der beiden V-Stützen. Die imposanten begehbaren V-Stützen sind Hohlpfeiler mit einer Fußabmessung von 2,80 m x 5,30 m bei einer konstanten Wanddicke von 40 cm. Sie münden in einen massiven oberen Gelenkblock mit den Abmessungen 9,20 m x 4,40 m, in den Gelenkhälsen wird der Betonquerschnitt auf eine Länge von 8,00 m und eine Breite von 40 cm reduziert.

9 10 Längsschnitt und Bewehrung des Betongelenks © Kinkel + Partner GmbH

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1 1 . SYM P O S I U M L E I PZ I G Betongelenke vergleichbarer Größenordnung sind bei der Deutschen Bahn AG bisher einzig an der Mainbrücke Gemünden auf der Schnellbahnstrecke Würzburg–Hannover eingesetzt worden. Die Leistungsfähigkeit von Betongelenken im Brückenbau wurde unter anderem bereits vor vielen Jahren beim HardturmViadukt der Schweizerischen Bundesbahnen an drei ausführungsgetreuen Versuchskörpern mit mehreren Millionen Lastspielen von der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt Zürich nachgewiesen, die jedoch im Gelenkhals bewehrt waren. Betongelenke sind Sonderfälle im Stahlbetonbau, ihre Bemessung ist im bauaufsichtlich eingeführten Regelwerk der Deutschen Bahn AG nicht definiert. Im Allgemeinen erfolgt ihre Berechnung nach Empfehlungen von Leonhardt [1], welche aber mit dem heutigen Teilsicherheitskonzept sowie den gültigen Baustoffparametern und Bemessungsgrößen nicht kompatibel sind.

Deshalb wurde vom Auftraggeber in einer fachtechnischen Stellungnahme eine unternehmensinterne Genehmigung (UIG) erteilt, in der die entsprechenden Empfehlungen auf die aktuell geltenden Normen übertragen wurden. In der UIG wurden zusätzlich Bedingun-

gen hinsichtlich der Geometrie und der Bemessung der Betongelenke formuliert sowie weitere Maßnahmen gefordert, die eine leichte Auswechselbarkeit, eine verbesserte Überprüfung und eine erhöhte Dauerhaftigkeit des Rahmenbauwerks sicherstellen sollen.

14 15 16 Draufsicht, Längs- und Querschnitt der unteren Bewehrung © Kinkel + Partner GmbH

11 12 13 Draufsicht, Längs- und Querschnitt der oberen Bewehrung © Kinkel + Partner GmbH

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3.2 Statische Nachweise Die statischen Nachweise orientieren sich an den Vorgaben von Mönnig und Netzel [2] und Leonhardt [1]. Dabei sind gemäß UIG folgende Randbedingungen einzuhalten: – Geometrie des Betongelenks: Die wesentlichen Kriterien für die geometrische Dimensionierung sind die Gelenkhalsbreite und die Höhe bzw. Ausrundung der Aussparung am Gelenkhals.


1 1 . S YM P O S I U M L E I P Z I G – Grenzen der Gelenkhalsfläche (minimales und maximales AG): Die Gelenkhalsfläche wird als Funktion der Normalkraft, der Betonfestigkeit und der Gelenkverdrehung begrenzt. – Zulässige Lagerkraft: Es ist der Nachweis zu erbringen, dass der Drehwinkel des Betongelenks für die Einwirkungskombination quasiständig, häufig, nicht-häufig und selten den Grenzwert von 15 ‰ nicht überschreitet. – Zulässige Neigung der Resultierenden: Die zulässige Neigung der Resultierenden in der Gelenkhalsfläche ist für die Einwirkungskombination quasi-ständig, häufig, nicht-häufig und selten wie folgt nachzuweisen: Q ≤ 1/8 N. Dieser Grenzwert ist für den unbewehrten Gelenkhals nur halb so groß, wie es Leonhardt für bewehrte bzw. gepanzerte Gelenke vorschlägt. – Spaltzug in angrenzenden Bauteilen: Für die Ermittlung der Spaltzugkräfte lagen Untersuchungen an Scheibenmodellen nach Elastizitätstheorie und daraus abgeleitete Stabwerkmodelle zugrunde. Auf den korrekten Einbau bezüglich Bewehrungsgehalt, Lage und Verankerung ist besonders zu achten, da das Fließen der Spaltzugbewehrung und die damit verbundene Rissbildung im Anschlussbereich in der Regel das Gesamtversagen des Betongelenks einleiten. Aus diesem Grund wurde die zulässige Stahlspannung auf 150 N/mm2 unter der seltenen Einwirkungskombination begrenzt und führt zu einer deutlichen Erhöhung der Traglast. – Ausmitte des Quermoments bzw. »Aufreißen des Gelenks in Querrichtung«: Die Forderungen der UIG beinhalten, dass der Querschnitt des Gelenkhalses zu jeder Zeit, an jeder Stelle infolge der seltenen Einwirkungskombination überdrückt sein muss. Diese Bedingung war entscheidend für die Dimensionierung der Gelenkhalslänge, die gegenüber dem Entwurf von 4,00 m auf 8,00 m verdoppelt werden musste. – Zulässige Kantenpressung: Der Nachweis der Kantenpressung muss im Grenzzustand der Tragsicherheit für die ständige und vorübergehende Bemessungssituation mit dem Bemessungswert der zulässigen Kantenpressung geführt werden.

17 Betonage des Gelenkhalses © Kinkel + Partner GmbH

18 Einheben des oberen Bewehrungskorbs © Kinkel + Partner GmbH

Zur Umsetzung der zahlreichen Nachweise für alle geforderten Einwirkungskombinationen (quasi-ständig, häufig, nicht-häufig und selten) und unter Berücksichtigung der verschiedenen maßgebenden Leiteinwirkungen (Verkehr, Wind) und der zugehörigen Schnittgrößen (max/min M g zug. N bzw. max/min N g zug M) erfolgte die Auswertung zweckdienlich mit Excel und der Programmierung eines Scripts mit Microsoft Visual Basic. Bei der Auswertung zeigte sich, dass vor allem die Nachweise der zulässigen Neigung der Resultierenden für einige Einwirkungskombinationen nur knapp eingehalten werden konnten. Da die Bedingung Q ≤ 1/8 N unabhängig von der Geometrie des Betongelenks ist, muss bereits beim Entwurf einer Brücke darauf geachtet werden, dass genügend Auflast aus der Eigenlast des Bauwerks vorhanden ist und sich somit die Größe der Vertikalkraft N steuern lässt. Die Querkraft ergibt sich hingegen hauptsächlich aus den horizontalen Verkehrslasten, wie zum Beispiel Bremsen und Anfahren, sowie dem Zwang und ist daher nur sehr schwer konstruktiv zu beeinflussen.

4 Herstellung der Betongelenke An die Betonqualität der Betongelenke und der daran angrenzenden Baukörper werden hohe Anforderungen gestellt, damit sich die großen auftretenden Einwirkungen sicher und dauerhaft übertragen lassen. Das Betonieren eines solchen Gelenks ist kein alltäglicher Vorgang. Deshalb wurde in der UIG verlangt, dass vorab ein Betongelenk im Verhältnis 1:1 erprobt werden muss, um das Risiko einer unzureichenden Betonierqualität des stark beanspruchten und im eingeschalten Zustand nur schwer zugänglichen Gelenkhalses sowie in den hochbewehrten Anschlussbereichen zu minimieren. Aufgrund dieser Randbedingungen war bereits im Vorfeld bei der Planung der Bewehrung und des Betonierkonzeptes eine genaueste Abstimmung notwendig. Um eine größtmögliche Homogenität des Betons im Gelenkhals zu erzielen, wurde von der Baufirma Gerdum u. Breuer ein Ablauf gewählt, der ein Betonieren frisch in frisch gewährleistete. Dazu wurde der untere Gelenkblock vollständig bewehrt und die obere aufgeständerte Deckelschalung inklusive des Schalungskeils für den Gelenkhals eingebaut.

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19 Detail des Bewehrungskorbs © Kinkel + Partner GmbH

Betonier- und Rüttelöffnungen im Raster von 80 cm in der oberen schwach geneigten Deckelschalung sicherten ein gutes lagenweises Einbringen und Verdichten des Betons, für die Herstellung des unteren Gelenkblocks kam zudem ein Beton der Konsistenz F5 mit einer Verzögerung von 3,50 h zum Einsatz. Das lagenweise Betonieren des unteren Gelenkblocks und das kontinuierliche Schließen der Betonieröffnungen sowie das Ergänzen der unteren Schalung für den oberen Gelenkblock wurden von mehreren Arbeitsgruppen überschneidend in kürzester Zeit realisiert: Der obere Bewehrungskorb (ca. 20 t) war bereits im angrenzenden Baufeld komplett vorgeflochten und wurde mittels Traversen, die seine Verschiebung verhinderten, von einem Mobilkran eingehoben. Nach Ergänzung der Durchankerung für die Schalung wurde der obere Gelenkblock schon 30 min danach weiter lagenweise betoniert.

21 Abreißen des Probegelenks © Kinkel + Partner GmbH

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20 Betongelenk in Achse 100 © Kinkel + Partner GmbH

Nach dem Erhärten erfolgte eine Begutachtung des Probegelenks. Dazu wurden mit einer Seilsäge drei Schnitte durch das komplette Probegelenk durchgeführt, die dann eine einwandfreie Kornverteilung im gesamten Querschnitt zeigten. Im Bereich des Gelenkhalses war der Beton vollständig intakt, eine Fuge oder gar ein Riss durch ein Absetzen des Frischbetons war nicht sichtbar. Umlaufend um den gesamten Gelenkhals war ebenfalls an keiner Stelle ein Riss sichtbar. Der Beton wies überall die angestrebte Verdichtung auf, auch unterhalb der oberflächennahen Bewehrungsstäbe. Nach dem Abreißen und Abheben des oberen Gelenkblocks mittels hydraulischer Pressen als Simulation des späteren Bauwerksaustausches wurde die Bruchfläche des Gelenkhalses in Augenschein genommen. Die Betonqualität war dort nicht weniger einwandfrei, Nester oder Hohlstellen waren nicht erkennbar. Der Bruch verlief teilweise nicht an der schmalsten Betonstelle, sondern abschnittsweise bis zur unteren bzw. oberen Bewehrung, was wiederum auf eine intakte Betonzugfestigkeit im Gelenkhalsbereich schließen lässt.

22 Gelenkhalsfläche des Probekörpers © Kinkel + Partner GmbH

Das Betonieren der beiden endgültigen Betongelenke vollzog sich dank der guten Vorbereitung und dem hervorragend eingespielten Team von Gerdum u. Breuer genauso problemlos wie bei dem Probegelenk. Dies wurde von Prof. Steffen Marx, der die Arbeiten am Betongelenk im Auftrag des Eisenbahn-Bundesamtes wissenschaftlich begleitet hat, vorbehaltlos in seinem Schlussbericht [6] bestätigt. Damit ist gewährleistet, dass dem Bauherrn ein einwandfreies, robustes und dauerhaftes Bauwerk noch 2011 übergeben werden kann. Autor: Dipl.-Ing. Knut Bock Kinkel + Partner, Gesellschaft Beratender Ingenieure mbH, Neu-Isenburg

23 Ungestörtes Betongefüge am Gelenkhals © Kinkel + Partner GmbH


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24 25 Errichtung des Rahmenbauwerks © Kinkel + Partner GmbH

Literatur [1] Leonhardt, F.: Vorlesungen über Massivbau, Teil 2. 3. A., Berlin 1986. [2] Mönning E.; Netzel, D.: Zur Bemessung von Betongelenken; in: Bauingenieur (44), Heft 12, 1969, S. 433–439. [3] Technische Mitteilung TM 2007-1016 I.NVT(K) der Deutsche Bahn AG vom 11.04.2007. [4] Marx, S.; Schacht, G.: Gelenke im Massivbau; in: Beton- und Stahlbetonbau (105), Heft 1, 2010, S. 27–35. [5] Marx, S.: Gutachterliche Stellungnahme zu den Berechnungsannahmen bei Betongelenken, EÜ Weißenbrunn a. F., für das EisenbahnBundesamt, 30.01.2009. [6] Marx, S.: Abschlussbericht, Gutachterliche Begleitung der Herstellung der Betongelenke, EÜ Weißenbrunn a. F., für das EisenbahnBundesamt, 24.03.2010.

Bauherr DB Netz AG, Berlin Auftraggeber DB ProjektBau GmbH, Erfurt Entwurf Obermeyer Planen + Beraten GmbH, München Ausführungsplanung Kinkel + Partner, Gesellschaft Beratender Ingenieure mbH, Neu-Isenburg Prüfingenieur Dr.-Ing. Bernd Brandt, Nürnberg Bauausführung Gerdum u. Breuer Bauunternehmen GmbH, Fuldabrück

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1 1 . SYM P O S I U M L E I PZ I G Herstellung und Montage des Stahlüberbaus

Neubau der Brücke über die IJssel bei Zwolle von Norbert Duczek

Im Juli 2008 erhielt die Firma Max Bögl Nederland BV den Auftrag für Fertigung, Lieferung, Montage und Korrosionsschutz des Stahlüberbaus der Brug over die IJssel bei Zwolle, Niederlande. Die Brücke ist Teil der »Hanzelijn«, einer 50 km langen Neubaustrecke für den Schienenverkehr zwischen Zwolle und Lelystad, und ersetzt ein bestehendes Bauwerk, das nach Inbetriebnahme der im September 2010 fertiggestellten Brücke abgebrochen wird. 1 Einleitung Die »Hanzelijn« ist eine 50 km lange Neubaustrecke für den Schienenverkehr zwischen den beiden Städten Zwolle und Lelystad, die westlich von Zwolle mittels einer zweigleisigen Überführung die IJssel überwindet. Das im September 2010 fertiggestellte Bauwerk befindet sich ca. 40–50 m südlich der vorhandenen Eisenbahnbrücke, die erst nach Inbetriebnahme der neuen Flussquerung im Frühjahr 2011 abgebrochen wird.

3 Übersichtsplan © Max Bögl Nederland BV

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1 2 Grundriss und Längsschnitt © Max Bögl Nederland BV

Beide Widerlager sind im Bereich der Deiche angeordnet, so dass sich eine Bauwerkslänge von ca. 1 km ergibt. Die Hauptspannweite über der Schifffahrtsrinne der IJssel beträgt 150 m, außerdem musste eine lichte Durchfahrtshöhe von 9,10 m über dem höchsten schiffbaren Wasserstand eingehalten werden. Der neue Überbau liegt damit ca. 7 m höher als die bestehende Brücke und ermöglicht zukünftig auch bei Hochwasser eine ungehinderte Schifffahrt auf der IJssel. 2 Stahlkonstruktion Die Stahlkonstruktion des Brückenbauwerks weist folgende Kenndaten auf: – Gesamtlänge der Brücke: 926 m, – Länge der Vorlandbrücke Zwolle: 508 m,

– Länge der Vorlandbrücke Hattem: 268 m, – Spannweite der Strombrücke: 150 m, – Querschnittsbreite der Hauptbrücke: 13,90–17,88 m, – Gesamtbreite des Brückenquer schnitts: 19,66–23,64 m, – Gesamtgewicht der Stahlkonstruktion: 9.200 t. – Beschichtungsfläche: 70.000 m2 Im Grundriss ist die Gradiente von Achse A am Widerlager West bis zur Achse I in einer Geraden und dann von Achse I bis Achse U am Widerlager Ost in einer Klothoide trassiert. Die Längsneigung der Vorlandbrücken beträgt 1,56 % zu den Widerlagern hin, der Hochpunkt liegt in Achse H und damit in Flussfeldmitte.


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4 Regelquerschnitt der Brücke im Flussbereich © Max Bögl Nederland BV

Die Tragkonstruktion besteht aus zwei Hauptträgern in Brückenlängsrichtung, die in regelmäßigen Abständen mit Querträgern verschweißt sind. Die als Hohlkästen ausgebildeten Hauptträger haben einen veränderlichen Querschnitt: Die Breite variiert um 2.000 mm, wobei die Bauhöhe von 2,63 m mit Ausnahme des westlichen Endfelds konstant ist. Die maximale Querschnittsbreite von 4.236 mm befindet sich in Achse H, das heißt in Flussmitte der Hauptüberspannung. Darüber hinaus bleiben die nachfolgend aufgeführten Geometrievorgaben der Hauptträger über die gesamte Brückenlänge gleich: – Die Obergurte sind mit 1° gegen die Waagrechte zur Brückenmitte hin geneigt. – Die Untergurte verfügen über eine Neigung von 6,50° gegen die Waagrechte, ebenfalls zur Brückenmitte hin. – Die Innenstege der Hohlkästen sind senkrecht. – Die Außenstege sind mit 10° gegen die Senkrechte geneigt. Im westlichen Endfeld zwischen Achse A und Achse B wurde zusätzlich ein Mittellängsträger vorgesehen, da sich der Brückenquerschnitt hier aufweitet und die Bauhöhe der Hauptträger reduziert werden musste, um das Lichtraumprofil für den Straßenverkehr auf dem Geldersedijk einzuhalten. Bei den Querträgern handelt es sich im Regelfall um Doppel-I-Träger mit veränderlichen Flanschbreiten, deren Abstand in Brückenlängsrichtung 3.333 mm misst. Zwischen Achse A und Achse E ist die Länge der Querträger aufgrund der Querschnittsaufweitung veränderlich. In diesem Abschnitt der Brücke teilt sich die von Zwolle kommende Eisenbahnstrecke in die »Hanzelijn« und die »Veluwelijn«. Von Achse E bis zum Widerlager Ost in Achse U ist der lichte Abstand zwischen den Hauptträgerstegen wiederum konstant und somit auch die Länge der Querträger.

5 Rad- und Fußweg mit südlichem Hauptträger © Max Bögl Nederland BV

Das Bogenfachwerk spannt von Achse F bis Achse J, die Fachwerkscheiben sind mit 10° gegen die Vertikale zur Brückenmitte hin geneigt und nicht miteinander verbunden. Am südlichen Hauptträger ist der 5,76 m auskragende Fuß- und Radweg mittels Konsolen angeschweißt, deren Abstand sich auf ca. 10 m beläuft. Die Fahrbahn der Hauptbrücke setzt sich aus Halbfertigteilplatten und Ortbeton zusammen, die Gleise liegen auf einem Schotterbett. Im Bereich des Rad- und Fußweges wurden Fertigteile verlegt und die Fugen zwischen den Elementen vergossen. Der Festpunkt der Brücke ist am (westlichen) Widerlager in Achse A, dazu wurde der Stahlüberbau im Widerlager einbetoniert. Diese Festpunktanordnung war erforderlich, da im Widerlagerbereich Weichen vorgesehen sind und zusätzliche Längsbewegungen aus dem Überbau durch die Schienenkonstruktion nicht aufgenommen werden können. Für alle übrigen Achsen kamen Kalottenlager zur Ausführung, wobei deren Einbau durch die wechselnden Festpunkte besondere Aufmerksamkeit bedingte. Die Brücke besitzt eine Tangentiallagerung. Die nördlichen Lager sind in Querrichtung fest – im Gegensatz zu den südlichen, die allseitig beweglich konzipiert wurden. 3 Zeitablauf Die Werkstattplanung für den Stahlüberbau begann im September 2008 und wurde nach nur zehn Monaten abgeschlossen. Die äußerst anspruchsvolle Überbaugeometrie wurde vollständig in 3-D konstruiert, die Geometrie zudem mit einem zweiten völlig unabhängigen 3-D-Modell überprüft. Die Montageplanung für den Stahlüberbau erfolgte parallel zur Werkstattplanung und zur Fertigung der Stahlkonstruktion im technischen Büro der Firma Max Bögl. Im Zeitraum von Januar 2009

bis Februar 2010 wurde die gesamte Stahlkonstruktion gefertigt. Von April 2009 bis August 2010 wurden die Montage- und Korrosionsschutzarbeiten ausgeführt, wobei das Mittelteil der Hauptüberspannung Anfang Mai 2010 an lediglich zwei Tagen eingeschwommen und mittels Litzen in Position gehoben wurde. 4 Fertigung im Werk Die Fertigung der Stahlkonstruktion von insgesamt 9.200 t Gewicht erfolgte ausschließlich am Hauptsitz der Firma Max Bögl in Neumarkt in der Oberpfalz, hier wurden Blechdicken bis zu 90 mm verarbeitet. Die Werksfertigung umfasste folgende Stahlbauteile: – 64 Hauptträger aus Hohlkästen mit einem maximalen Stückgewicht von 150 t und einer Länge bis zu 40 m, – 288 Querträger mit unterschiedlichen Längen und veränderlicher Querschnittsgeometrie, – 46 Fuß- bzw. Radwegelemente mit einem Stückgewicht von jeweils ca. 20 t und einer Länge von 20 m, – 20 Bogensegmente (Obergurte für das Bogenfachwerk) mit einem Gewicht bis zu 90 t und einer Länge von maximal 30 m, – 24 Diagonalen mit einem maximalen Stückgewicht bis zu 35 t und einer Länge von maximal 20 m. Aufgrund der äußerst komplizierten Geometrie wurden die Hauptträger, Diagonalen und Bogensegmente für das Fachwerk in Neumarkt vormontiert, um die notwendige Passgenauigkeit bei der Montage auf der Baustelle zu gewährleisten.

6 Werksfertigung der Hauptträger © Max Bögl Nederland BV

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7 Transport zur Schiffsverladestelle © Max Bögl Nederland BV

5 Transport auf die Baustelle Die gesamte Logistik einschließlich Beantragung der Genehmigungen für die Schwertransporte in Deutschland und in den Niederlanden wurden von der Max Bögl Transport & Geräte GmbH abgewickelt. Der Transport von »kleinen« Bauteilen, wie Querträgern etc., erfolgte zum Teil mit Lastkraftwagen von Neumarkt zur 680 km entfernten Baustelle nach Zwolle.

9 Ausschnitt aus dem Montageablaufplan © Max Bögl Nederland BV

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8 Verschiffung der Stahlkonstruktion © Max Bögl Nederland BV

Die »großen« Bauteile, wie Hauptträger, Bogensegmente, Diagonalen, Rad-und Fußwege, wurden mit firmeneigenen Lkws zur Schiffsverladestelle in der Nähe des Firmensitzes am Main-Donau-Kanal gefahren und dann mithilfe von Autokranen in Binnenschiffe verladen: Mit jeder der acht Schiffsladungen wurden bis zu 1.000 t umweltfreundlich und zuverlässig innerhalb von einer Woche nach Zwolle befördert, im dortigen Hafen

wiederum auf Schwertransporter umgeladen und auf die Baustelle gebracht. Aufgrund der Platzverhältnisse vor Ort mussten bereits beim Beladen der Schiffe der spätere Transport zur Baustelle und die Zwischenlagerung der Elemente beachtet werden, was eine detaillierte Abstimmung aller Beteiligten erforderlich machte.


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10 11 Fertigung des Einschwimmteils auf der Vormontagefläche © Max Bögl Nederland BV

6 Montage der Stahlkonstruktion Die Hauptträger der Vorlandbereiche wurden mittels Hubmontage auf den Pfeilern platziert, wobei die Vorlandbrücke Hattem planmäßig um 100 mm in Richtung Westen versetzt abgelegt wurde, da man für den späteren Litzenhub des Einschwimmteils Raum benötigte. Sie wurden dann untereinander verschlossert und durch Querträger in den Auflagerachsen ausgesteift, jeder Vorlandbereich hatte während dieses Vorgangs einen temporären Festpunkt. Danach erfolgten die Montage der Querträger sowie das Verschweißen der Hauptträgerstöße und Querträgeranschlüsse. In einer nächsten Phase wurden der 30 mm überhöht hergestellte Überbau auf die Sollhöhe abgesenkt und die Brückenlager an die werksmäßig angebrachten Keilplatten angeschraubt und aktiviert. Um jegliche Montageunterstützungen zu vermeiden, wurden die Fußund Radwegelemente nun mittels Verschlosserungen an den südlichen Hauptträgern angebaut und verschweißt. Aufgrund der Vormontage des Bogenfachwerks in der Werkstatt und der passgenauen Fertigung der Verbindungsbleche war die Montage der Diagonalen und Bogensegmente ebenfalls nur mittels Verschlosserungen realisierbar, was wiederum den Verzicht auf Hilfsunterstützungen ermöglichte. Diagonalen und Bogensegmente wurden über Koordinaten (x-, y- und z-Werte) eingemessen und ausgerichtet. Das Bogenmittelteil mit einer Gesamttonnage von 2.200 t wurde auf der Vorlandseite Zwolle auf 2,50 m hohen Hilfsunterstützungen hochwassersicher, also oberhalb von NAP 4,00 m vormontiert, um den Abfluss der IJssel bei Hochwasser durch die Baumaßnahme nicht zusätzlich zu beeinträchtigen.

Nach dem kompletten Verschweißen aller Haupt- und Querträger, Diagonalen und Bogensegmente des Mittelstücks wurden die Hilfsunterstützungen entfernt. Dies war statisch erforderlich, damit sich die Verformung aus Eigengewicht einstellen konnte. Das Mittelstück wurde in der Zeit lediglich an den Enden der Hauptträger unterstützt. Die Auflagerpunkte waren statisch gleichbedeutend mit den Anschlagpunkten für den Litzenhub. Außerdem wurde das Mittelstück mit beidseitig 200 mm Überlänge gefertigt, so dass sich nach dem Entfernen der Hilfsunterstützung die Geometrie der Vorlandbrücken auf das Einschwimmteil übertragen ließ und die verbleibenden Überlängen abgetrennt werden mussten. Die Montage der Fuß- und Radwegelemente sowie das Abtrennen der Überlängen waren die letzten Arbeitsschritte vor dem Einfahren des Mittelstücks. Nun wurde das Mittelstück von sogenannten Self-propelled Modular Transporters (SPMTs) aufgenommen und zunächst um ca. 6 m nach Süden (Brückenquerrichtung) verfahren, so dass das Verfahren der Brücke in Längsrichtung und das Auffahren der SPMTs auf die Pontons erfolgen konnten. Nach dem vollständigen Auffahren der SPMTs auf die beiden Pontons begann der Einschwimmvorgang. Dazu hatte man das 134 m lange Mittelstück ca. 20 m flussabwärts unter die vorbereiteten Anschlagpunkte zu manövrieren, die Seilkräfte aus den Pontons wurden dabei in Anker im Flussbett der IJssel bzw. in zusätzliche Festpunkte in Ufernähe abgetragen.

Nach dem Einschwimmen wurden die Litzenanker (4 x 2 Anschlagpunkte) angeschlagen und das 2.200 t schwere Einschwimmteil mit den computergesteuerten Litzenhebern angehoben, begleitet von einer vermessungstechnischen Überwachung, um einen gleichmäßigen Hubvorgang zu gewährleisten. In der Phase war die Bauwerkstemperatur von großer Bedeutung, da theoretisch insgesamt 100 mm Luftspalt bei 10 °C beiderseits des Einschwimmteils vorhanden waren: Dieser Luftspalt wurde durch die Temperaturausdehnung des Mittelstücks und der beiden Vorlandbrücken bei Bauwerkstemperaturen über 10 °C verringert. Der maßgebende Abstand der Vorlandbrücken bis zum zeitlichen Festpunkt betrug in dieser Phase bis zu 135 m je Seite.

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12 Einschwimmvorgang und Litzenhub © Max Bögl Nederland BV

Nach dem Litzenhub in Endposition wurde das Einschwimmteil mit den Vorlandbereichen verbunden und die um 100 mm versetzt montierte Vorlandbrücke Hattem herangeschoben. Der Längsverschub für den westlichen Vorlandbereich erfolgte vom Widerlager Achse A aus durch Hydraulikzylinder mit einer Schubkraft von 4.000 kN. Sobald das Mittelstück kraftschlüssig mit den Vorlandbrücken verschweißt war, wurde die gesamte Konstruktion durch einen Festpunkt auf der Seite Zwolle gesichert, gleichzeitig waren alle weiteren temporären Festpunkte aufzulösen, um unplanmäßige Zwangskräfte zu vermeiden.

13 Einheben des Mittelstücks © Max Bögl Nederland BV

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Nach dem kompletten Verschweißen der Brücke wurde der Festpunkt nach Achse A, dem endgültigen Festpunkt am westlichen Widerlager, umgesetzt. Da hierbei die Bauwerkstemperatur abermals von Bedeutung war, mussten die Verschiebewege der Brückenlager erneut überprüft und die Lage des Überbaus durch einen Längsverschub ausgerichtet werden: Zur Ausrichtung des Überbaus waren ca. 15.000 t (Stahlkonstruktion und Betonfahrbahn) zu bewegen.

9 Schlusswort Bei der Brug over de IJssel handelt es sich um ein technisch höchst anspruchsvolles Bauwerk, das in gestalterischer Hinsicht als sehr gelungen bezeichnet werden darf. Die im September 2010 vollendete Eisenbahnbrücke fügt sich nun harmonisch in die Naturlandschaft des Flusses ein. Dies ist auch aus den Reaktionen der zahllosen Interessierten, die den Baufortschritt teilweise Tag für Tag begleitet haben, zu entnehmen. Nicht selten haben die Zaungäste sich geöffnet und zugegeben, dass sie eine Tunnellösung an der Stelle favorisiert hatten und Gegner der geplanten Brug over de IJssel waren. Im Laufe der Bauarbeiten hat sich ihre Meinung jedoch geändert und sie waren stolz, die Errichtung dieser beeindruckenden Konstruktion verfolgen zu dürfen. Durch diverse Veranstaltungen ist es dem Bauherrn ProRail gelungen, die Bevölkerung an der Entstehung der Brug over de IJssel teilhaben zu lassen und die Bürger für das Projekt zu gewinnen. So ansprechend die Brug over de IJssel ist, so herausfordernd waren die Umstände während der Fertigung und Montage. Alle Beteiligten hatten komplizierte technische und organisatorische Aufgaben zu bewältigen, so musste die Montage aufgrund von starken Winden und mehrmaligen Überflutungen der Vorlandbereiche unterbrochen werden. Hinzu kamen ein kalter Winter mit viel Schnee, der die Realisierung des Stahlbaus äußerst schwierig machte, und ein erbarmungsloser Terminplan. Nicht unterschätzt werden sollte auch, dass die Brücke in unserem Nachbarland, den Niederlanden, ausgeführt wurde und hier durch Sprache und Arbeitsweise ein Lernprozess für uns als Ausländer notwendig war.


1 1 . S YM P O S I U M L E I P Z I G Nur durch das Zusammenwirken aller Beteiligten ist es letztendlich gelungen, dieses sehr ambitionierte Projekt termingerecht, in der vereinbarten Qualität und unfallfrei zu erstellen. An dieser Stelle sei daher allen, die am Bau der Brug over de IJssel mitgewirkt haben, für ihren Einsatz herzlich gedankt. Autor: Dipl.- Ing. Norbert Duczek Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG, Niederlassung Köln Bauherr ProRail B.V., Utrecht, Niederlande Entwurf Quist Wintermans Architekten B.V. Rotterdam, Niederlande Tragwerksplanung Ingenieurscombinatie ABT – SSF v.o.f., Arnheim, Niederlande Bauausführung Bouwcombinatie Welling – Züblin v.o.f., Zwolle, Niederlande

14 Fertiggestellte Brücke über die IJssel © Max Bögl Nederland BV

Auftragnehmer Stahlbau Max Bögl Nederland BV, Amsterdam, Niederlande

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1 1 . SYM P O S I U M L E I PZ I G Aufgaben und ausgeführte Beispiele

Ertüchtigung von Großbrücken von Volkhard Angelmaier Bestand nach Fläche und Bauarten (Stand: 31.12.3008)

Der Instandsetzung und Unterhaltung von Ingenieurbauwerken kommt insbesondere im Infrastrukturbereich eine immer größere Bedeutung zu. Dies macht allein schon die Anzahl von knapp 40.000 Brückenbauwerken an Bundesfernstraßen deutlich, deren Funktionstüchtigkeit zwingende Voraussetzung für die Mobilität unserer modernen Gesellschaft ist. Nach dem erfolgreichen Neu- und Ausbau des Straßennetzes in den neuen Bundesländern ist deshalb jetzt die Ertüchtigung des Bestandes in den alten Bundesländern die nächste große Herausforderung für die Zukunft.

1 Aufgabenstellung Im Mittelpunkt der Beschäftigung mit Fragen der Bauwerksertüchtigung steht immer eine ganzheitliche Betrachtungsweise. Sie beginnt mit der Bewertung der aktuellen Beschaffenheit der Bauwerke und führt über eine planerische Auseinandersetzung mit dem Bestand zu einer entsprechenden bautechnischen Überlegung für die erforderlich werdenden Maßnahmen. Es ist somit das gesamte Leistungsspektrum des Ingenieurberufes von der Begutachtung und Bewertung bis hin zur sach- und fachgerechten Realisierung gefragt, wobei auf dieser Wegstrecke der planerischen Tätigkeit eine zentrale Bedeutung zukommt. 2 Umsetzung 2.1 Konzeptioneller Ansatz Beim Planen im und mit dem Bestand ist eine enge Verzahnung von – Begutachtung, – Bewertung, – Planung und Prüfung sowie – Überwachung und Abnahme unerlässlich.

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1 Brücken an Bundesfernstraßen © Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

Ob im konkreten Einzelfall diese Tätigkeitsprofile von einer Seite, zum Beispiel von entsprechend leistungsfähigen Ingenieurbüros, ganzheitlich abgedeckt werden oder in Form einer Aufgabenteilung gewährleistet sind, hängt von den jeweiligen Randbedingungen ab und ist nicht per se entscheidend für den Erfolg. Sehr wohl entscheidend ist allerdings, dass jeder, der sich mit Instandsetzungsmaßnahmen beschäftigt, bestrebt sein muss, das gesamte Leistungsspektrum adäquat zu erfüllen: Eine Ertüchtigungsplanung ohne Kenntnisse auf dem Gebiet der Bauwerksprüfung und -bewertung ist ebenso wenig vorstellbar wie eine qualifizierte Überwachung vor Ort ohne Kenntnis der gegenüber Neukonzeptionen oftmals deutlich differenzierteren und sensibleren Planungsparameter.

2.2 Begutachtung und Bewertung Ein entscheidender Vorteil von Ingenieurbauwerken im Zuständigkeitsbereich der öffentlichen Hand liegt sicherlich darin, dass solche Bauwerke auch nach Fertigstellung eine planmäßige Betreuung und Überwachung erfahren, zum Beispiel in Form von Haupt- und Zwischenprüfungen nach DIN 1076, Sonderprüfungen (aus gegebenem Anlass) und Ähnlichem. Prüfberichte mit den Ergebnissen der Begutachtung fließen hier als Fortschreibung direkt in die Bauwerkserfassung ein und bilden so eine ausgezeichnete Bewertungsgrundlage für die weiteren Planungsschritte. Dass die Vorzüge dieses bewährten Qualitätssicherungssystems immer mehr auch von privaten Investoren und Bauherren erkannt werden, zeigen die entsprechenden Bestrebungen zur Nachahmung in der »freien Wirtschaft«.

2 Hauptprüfung nach DIN 1076: Neckarbrücke Weitingen © Leonhardt, Andrä und Partner GmbH


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3 Talbrücke Windelbach an der BAB A 45 © Leonhardt, Andrä und Partner GmbH

Untersuchungen außerhalb der Routine ergeben sich zwangsläufig bei akuten Anlässen, wie etwa bei der Windelbachtalbrücke im Zuge der A 45, wo zum Jahreswechsel 2008/2009 Belagschäden auftraten, die ihre Ursache in gerissenen Koppel- bzw. Kontinuitätsspanngliedern der in den 1960er Jahren durchaus noch eingesetzten »Federplatten« zwischen den Fertigteilfugen hatten. Unabhängig von der Veranlassung ist es wichtig, bei der Schadenserkennung unverzüglich die Ursache zu klären, wofür in aller Regel eine entsprechende Planungskompetenz von Vorteil ist. 2.3 Planung und Prüfung Eine grundsätzliche Unterscheidung ergibt sich zwischen der »klassischen Instandsetzung« und der »technischen Instandsetzung«. Während bei Ersterer Fragen wie Betoninstandsetzung, Erneuerung der Abdichtung, Kappen sowie Beläge etc. im Vordergrund stehen, ist die »technische Instandsetzung« stärker durch die Beschäftigung mit statischkonstruktiven Problemstellungen geprägt. Dabei werden eigenständige Berechnungen durchgeführt, deren Ergebnisse in einem ersten Schritt in möglichst breit angelegte Machbarkeitsuntersuchungen einfließen, die zusammen mit einer abschließenden Wirtschaftlichkeitsbetrachtung die Basis für die Bauherrenentscheidung bilden, ob eine Ertüchtigung noch sinnvoll ist oder doch ein Ersatzneubau erforderlich wird. Mit der Entscheidung für eine Instandsetzung werden dann die üblichen (Planungs-)Leistungen von der Vorplanung bis zur Ausschreibung ausgelöst.

Im Unterschied zu Neuplanungen verbleiben allerdings die Leistungsphasen 4 und 5 (Genehmigungs- und Ausführungsplanung) im Normalfall beim entwerfenden Büro.

Die Erfahrungen haben gezeigt, dass eine Trennung zwischen Entwurfs- und Detailplanung nicht sinnvoll ist, da die Ergebnisse im Gegensatz zum »Planen auf der grünen Wiese« aufgrund der deutlich komplexeren Aufgabenstellung – oftmals sind keine Lösungen »von der Stange« möglich, sondern maßgeschneiderte Ansätze erforderlich – sehr viel »verzahnter« generiert werden müssen und bei einer Trennung zu viel Hintergrundwissen verloren ginge. Dass die »technische Instandsetzung« mit geprüften Unterlagen abschließt, versteht sich eigentlich von selbst – es sei lediglich darauf verwiesen, dass hier ebenso von Vorteil ist, wenn der Prüfingenieur oder -sachverständige über entsprechende Erfahrungen bei der Ausführungsplanung verfügt und er und seine Mitarbeiter auch auf Wissen im Bereich der Bauwerksprüfung und -überwachung zurückgreifen können.

4 Neckartalübergang an der BAB A 6 bei Heilbronn © Leonhardt, Andrä und Partner GmbH

5 Planungsphasen © Leonhardt, Andrä und Partner GmbH

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1 1 . SYM P O S I U M L E I PZ I G 2.4 Überwachung und Abnahme Der klassischen Bauleitung auf Seiten des Bauherrn, die sich entwicklungsgeschichtlich in die Bereiche Bauüberwachung und Bauoberleitung differenziert hat, kommt wie bei jeder (Bau-) Maßnahme eine entscheidende Bedeutung zu, will man den Erfolg technisch wie wirtschaftlich sicherstellen. Die Mitarbeiter vor Ort sollten Erfahrungen unbedingt auch in der Planung gesammelt haben. Sie müssen, so es die Vertragssituation zulässt, spätestens bei der Erarbeitung der Verdingungsunterlagen in das Projekt mit einsteigen. Optimal wäre bereits eine Involvierung im Zuge der Begutachtung und Bewertung. 3 Besonderheiten am Beispiel ausgeführter Projekte 3.1 Übersicht Wie dargelegt, deckt der Themenkomplex »Instandsetzung und Unterhaltung« das gesamte Leistungsspektrum des Bauingenieurs im Planungs- und Überwachungsbereich ab. Die Motivation für eine Bauwerksertüchtigung kann dabei die unterschiedlichsten Ursachen haben: – Anhebung der allgemeinen Tragfähig keit auf ein geändertes Belastungs niveau (»Nachrechnung«), – Behebung akuter Schädigungen, – Behebung lokal vorhandener Defizite (»Koppelfugen«), – Vorsorge bezüglich latent vorhan dener Schädigungen (»Spannungs risskorrosion«), – zeitlich begrenzte Überbrückung bis zum notwendigen Ersatzneubau (»Notinstandsetzung«). Die folgenden Ausführungsbeispiele sollen die in diesem Zusammenhang gesammelten Erfahrungen und Besonderheiten wiedergeben.

3.2 Nachrechnung: Kochertalbrücke Für die in den 1970er Jahren geplante Großbrücke mit einer Gesamtlänge von 1.128 m und einer maximalen Höhe von 185 m über dem Kochertal ist ein einteiliger Spannbetonquerschnitt für beide Fahrtrichtungen umgesetzt worden. In Verkennung der späteren Verkehrsentwicklung wurden bei ihrer Konzeption die Verkehrslasten gegenüber der gültigen DIN 1072 bewusst reduziert. Die Nachrechnung ergab nun für die Momente aus Verkehr bereits für Brückenklasse 60 eine Erhöhung von ca. 30 % gegenüber der Bestandsstatik. Die Defizite konnten zwar durch eine genauere und gegenüber der Altstatik detailliertere Nachrechnung der Bauzustände weitestgehend wieder kompensiert werden, machten aber gleichzeitig den mittlerweile eingetretenen Paradigmenwechsel hinsichtlich »Einwirkungen aus Verkehr« deutlich. 3.3 Nachrechnung: Talbrücke Welkers Bei dem ebenfalls einteiligen Spannbetonüberbau handelt es sich um einen sogenannten Hombergquerschnitt, der durch schmale, ausgesprochen hohe Stege und Kragarme mit sehr großen Auskragungen gekennzeichnet ist. Auch hier ergab ein genaueres rechnerisches »Nachempfinden« der Bauzustände in den Endfeldern deutliche Abweichungen von der ursprünglichen Statik – in diesem Fall allerdings auf der unsicheren Seite. Der letztendlich zum Ziel führende Lösungsansatz sah eine individuelle und bauwerksbezogene Bestimmung der mitwirkenden Breiten vor.

8 Talbrücke Welkers; Bestimmung mitwirkender Breiten © Leonhardt, Andrä und Partner GmbH

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6 Kochertalbrücke an der BAB A 6 © Leonhardt, Andrä und Partner GmbH

7 Talbrücke Welkers an der BAB A 7 © Leonhardt, Andrä und Partner GmbH


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9 Neckartalübergang bei Heilbronn; Ertüchtigungsmaßnahmen © Leonhardt, Andrä und Partner GmbH

3.4 Akute Schädigungen: Neckartalübergang bei Heilbronn Im Zuge einer »klassischen Instandsetzung« für den insgesamt 1,30 km langen, aus fünf Einzelbrücken bestehenden Neckartalübergang verursachten die bauzeitlich bedingten einseitigen Verkehrsführungen sehr große Torsionsbeanspruchungen, so dass bei den Querverbänden einer Stahlbrücke stellenweise die Nieten durch Abscheren versagten und eine Ertüchtigung unter »rollendem Rad« erforderlich wurde. 3.5 Koppelfugen: Hungerbrunnentalbrücke Koppelfugen von Spannbetonbrücken, für die noch in den 1970er und 80er Jahren 100 % der Spannglieder gestoßen wurden und lokal zu wenig schlaffe Bewehrung vorgesehen war, führen zu den bekannten Problemen sich öffnender Risse mit Konsequenzen bei den Koppelankern. Die klassische Lösung besteht in einem nachträglichen Einbau externer Spannglieder, die über die gesamte Brückenlänge verlaufen – wie etwa bei der Hungerbrunnentalbrücke an der BAB A 7 praktiziert. In speziellen Fällen, insbesondere wenn nur lokal eine Verbesserung erreicht werden soll, können vorgespannte CFK-Lamellen eine wirkungsvolle Alternative darstellen.

10 Hungerbrunnentalbrücke; Einbau externer Spannglieder © Leonhardt, Andrä und Partner GmbH

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1 1 . SYM P O S I U M L E I PZ I G 3.6 Notinstandsetzung: Talbrücken Marbach und Lützelbach Die Notinstandsetzung dient der Ertüchtigung der Bauwerke auf Brückenklasse 60/30 (bei einer Restnutzungsdauer von rund zehn Jahren) und soll gleichzeitig alle heute bekannten Schäden, welche ihre uneingeschränkte Gebrauchstauglichkeit nochmals behindern können, beseitigen. Dabei sind Betoninstandsetzungsarbeiten nach ZTV-ING so weit wie möglich auf einen minimalen Umfang zu beschränken. Pragmatische Lösungen sind also gesucht, die funktionieren: Es muss, wie die additive Verstärkung hinsichtlich der Schubtragfähgikeit zeigt, kein Schönheitswettbewerb gewonnen, sondern ein sorgsamer Umgang mit dem Bestand gefunden werden. 3.7 Sonstiges: Schiffsanprall Geänderte Einwirkungen aus Verkehr können nicht nur für die Überbauten entsprechende Konsequenzen auslösen, sondern, wie die Mainbrücke in Wertheim zeigt, auch für die Unterbauten und Gründungen. Die vereinfachten Annahmen des gängigen Regelwerkes hinsichtlich Schiffsanprall lagen zu sehr auf der sicheren Seite, so dass genauere, nichtlineare dynamische Finite-ElementUntersuchungen erforderlich wurden.

11 Neckartalübergang bei Heilbronn; Anbringen von CFK-Lamellen © Leonhardt, Andrä und Partner GmbH

Querschnitt Hohlkastensteg – Stegverstärkung

Verankerung am Stahlträger

12 Talbrücke Marbach an der BAB A 45; Instandsetzung © Leonhardt, Andrä und Partner GmbH

4 Zusammenfassung und Ausblick Die Beschäftigung mit existierenden Bauwerken fördert neben dem Verständnis und dem Respekt für unsere Kollegen und altvorderen Pioniere technischer Neuerungen und Innovationen (Spannbeton, Taktschieben etc.) vor allem auch die Phantasie. Aufgrund der Gegebenheiten und vorhandenen Zwänge müssen oftmals Lösungsansätze gesucht werden, die außerhalb der gewohnten Pfade und (Denk-)Strukturen im Bereich der Pragmatik und teilweise sogar Beherztheit angesiedelt sind. Gegenüber Planungen von Neubaumaßnahmen kann sich der Ingenieur dabei durchaus größeren Herausforderungen ausgesetzt sehen, die er tatkräftig annehmen sollte in dem Bewusstsein, Ideen zu entwickeln, die den Eingriff in die (Bau-)Substanz auf das unbedingt Erforderliche und Notwendige reduzieren und ihn in additiver Weise schonend realisieren lassen. Autor: Dipl.-Ing. Volkhard Angelmaier Leonhardt, Andrä und Partner, Beratende Ingenieure VBI, GmbH, Stuttgart

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13 Mainbrücke Wertheim; »Unterbautenbetrachtung« © Leonhardt, Andrä und Partner GmbH


AKTUELL Kleine Gesprächsrunde und großes Festkolloquium

Zum 60. Geburtstag von Ingbert Mangerig von Michael Wiederspahn

Runde Geburtstage verdienen natürlich Erwähnung. Handelt es sich aber um einen engagierten Bauingenieur und Professor für Stahlbau, der ob seiner fachlichen Kompetenz wie seines stets freundschaftlichen Umgangs mit Kollegen, Mitarbeitern und Studenten allseits geschätzt wird, kann und darf sie sich nicht auf ein paar wenige Worte der Gratulation beschränken, sondern muss vielmehr mit einer angemessenen Würdigung von Person und Werk aufwarten. Und genau das versuchten nun zwei Initiativen von durchaus unterschiedlichem Charakter zu leisten: eine (kleine) Gesprächsrunde, die am 17. September im Ingenieurbüro Mangerig und Zapfe in München stattfand, und ein (großes) Festkolloquium, zu dem die Universität der Bundeswehr München am 19. November auf ihren Campus eingeladen hatte. Berufsweg und Projekte Doch zunächst sollen die reinen »Daten« genannt werden: Am 17. Oktober 1950 geboren, hat Ingbert Mangerig nach seiner Ausbildung zum Bauzeichner erst an der Fachhochschule Trier und später an der RWTH Aachen das Studium des Bauingenieurwesens absolviert, begleitet und gefolgt von Tätigkeiten in diversen Ingenieurbüros und als wissenschaftlicher Assistent an der Ruhr-Universität Bochum, an der er dann 1986 seine Promotion zum Dr.-Ing. ablegte. Ab 1989 war er Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes, die er 1996 verließ, um den Lehrstuhl für Stahlbau und Verbundbau an der Universität der Bundeswehr München zu übernehmen.

Professoren Petersen, Pfisterer und Mangerig (mit Frau) © Universität der Bundeswehr München

Er ist unter anderem Mitglied im Normenausschuss Stahlbrücken, im Arbeitsausschuss Verbundbau des Deutschen Stahlbau-Verbandes DSTV und seit 2002 zudem dessen Vorsitzender, in der IVBH bzw. IABSE sowie im DASt. Die von ihm bearbeiteten Projekte reichen vom Sanierungsentwurf für die Kölner Severinbrücke und die Montageberechung für die Isartalbrücke Großhesselohe über die Lageraustausch- bzw. -einbauplanung für die Kanalbrücke Schwarzach und das Wasserstraßenkreuz Magdeburg bis hin zu Schwingungs- und messtechnischen Untersuchungen für die Donaubrücke Schalding, den Markartsteg in Salzburg, die Brücke über den Rio Abandoibarra in Bilbao, den Port Tawe in Swansea oder die Gleisbrücken am Lehrter Bahnhof in Berlin und decken damit ein ebenso breitgefächertes Spektrum ab wie die von ihm durchgeführten Forschungsvorhaben, deren Auflistung hier lediglich aus Platzgründen unterbleibt. Diskussion in München Noch vor seinem Geburtstag trafen sich Univ.-Prof. Dr.-Ing. Ingbert Mangerig (IM) und Ministerialrat a. D. Prof. Dipl.-Ing. Hans Pfisterer (HP), früher Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, sowie der Verfasser dieser Zeilen (MW), um über Aspekte des Ingenieurwesens, der Ingenieur-

ausbildung und des Stahl- bzw. Stahlbrückenbaus zu diskutieren – nicht zuletzt mit dem Ziel, Interessens- und künftige Wirkungsschwerpunkte des zu Ehrenden ein bisschen genauer auszuloten. MW: Wer Ihre Veröffentlichungen kennt, Professor Mangerig, weiß, dass Sie sich im und neben dem Brückenbau besonders mit messtechnischen Untersuchungen und der Berechung von Bauwerksschwingungen beschäftigen. Zu Beginn möchte ich daher fragen, welchen Themen Sie sich künftig widmen werden – und zwar hier im Büro wie an der Universität. IM: Derzeit setzen wir uns intensiv mit Lärmschutzwänden auseinander, das heißt mit deren Planung und den zugehörigen Stabilitätsnachweisen. Diese Bauwerke werden einerseits zunehmend an Bedeutung gewinnen, andererseits sollen sie aber möglichst filigran konstruiert sein, was eine genaue Betrachtung ihres Schwingungsverhaltens erfordert, um auch zu ästhetisch überzeugenden Lösungen gelangen zu können. Als Hauptaufgaben der Zukunft sehe ich darüber hinaus das Bauen im Bestand, die Weiterentwicklung computergestützter Berechnungs- und Bemessungsverfahren sowie den Bereich der Sicherheit von Gebäuden oder Bauteilen, zum Beispiel hinsichtlich terroristischer Anschläge.

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A K TU E L L HP: Das Bauen im Bestand ist zweifelsohne eine der großen Herausforderungen der Zukunft, gerade im Bereich der Infrastruktur. Ein erheblicher Teil der Brücken an bundesdeutschen Autobahnen stammt noch aus den 1960er und 70er Jahren und weist inzwischen erhebliche Schäden auf oder muss für den jetzigen Schwerlastverkehr ertüchtigt werden. Dabei gilt es, neben Sanierungs- und eher kurzfristigen Instandsetzungsprojekten auch an die Dauerhaftigkeit dieser Ingenieurbauwerke zu denken. In vielen Fällen wird ihre Neuerrichtung notwendig, die den Maßnahmenkatalog der nächsten Jahre mitbestimmen wird. MW: Sie haben jetzt mehrere Stichworte zum Weiterfragen geliefert. Dennoch würde mich zunächst interessieren, wie Sie Ihre Tätigkeit im Büro mit der Verpflichtung zu Forschung und Lehre an der Universität vereinbaren. Gibt es eine (gegenseitige) Beeinflussung beider Arbeitsgebiete, eventuell Überschneidungen oder sogar eine direkte Rückkoppelung?

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IM: Im Zentrum stehen sicherlich Forschung und Lehre. Zur Lehre gehört meines Erachtens nicht nur, Vorlesungen zu halten, sondern zugleich für die Studenten Zeit zu haben, wenn sie Rückfragen stellen oder über ihre Semesterprüfungen reden wollen. Außerdem bieten wir einigen von ihnen die Gelegenheit, ein Praktikum im Ingenieurbüro zu absolvieren, und nach Erreichen des Diploms dann die Möglichkeit einer Festanstellung. Gute Beurteilungen durch die Studenten und ein enger Kontakt zu ihnen sind mir wichtig. Ein zweiter Gesichtspunkt betrifft die Forschung und damit die Versuche, die wir durchführen. Da sie oft bis in die Nacht oder übers Wochenende andauern, bedarf es der Bereitschaft aller Mitwirkenden, sie zu realisieren. Ich freue mich immer wieder über den an der Universität vorherrschenden Enthusiasmus und bemühe mich daher, ihn ebenso beim Nachwuchs zu wecken. Dazu gehören im Übrigen auch Vorträge an Gymnasien und anderen Schulen, die ich gerne übernehme, um zu zeigen, wie

Noch vor Veranstaltungsbeginn … © Universität der Bundeswehr München

Angeregte Unterhaltungen in den Pausen © Universität der Bundeswehr München

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faszinierend der Beruf des Bauingenieurs ist. Im Prinzip ergänzen sich also beide »Funktionen«, weil die Studenten Einblicke in die Praxis gewinnen und umgekehrt Problemstellungen, die im Ingenieurbüro auftauchen, an der Universität wissenschaftlich ergründet oder fundiert werden können. MW: Ein weiterer Aspekt, den ich kurz ansprechen will, ist die sogenannte werkstoffübergreifende Lehre, die Jörg Schlaich ehedem in und für Stuttgart durchgesetzt und durch die Umbenennung des Institutsnamens von »Massivbau« in »Konstruktion und Entwurf« auch nach außen offiziell zum Ausdruck gebracht hat. Existieren an der Universität der Bundeswehr ähnliche Bestrebungen, zumal ein Ingenieur in seinem späteren Berufsleben eher selten mit nur einem einzigen Material in Berührung kommt? Und welche Formen der Kooperation pflegen Sie schon heute, auf Ihrer Internetseite ist ja zu lesen: »Das Institut (für Konstruktiven Ingenieurbau) wird durch die drei Professuren Stahlbau, Massivbau, Baukonstruktion und Bauphysik repräsentiert«? IM: Gemeinsame Lehrveranstaltungen haben wir selbstverständlich schon durchgeführt, etwa zu den Themen »Stahlbau und Wohnungsbau«, »Statik und Bausysteme« usw. Eine Umfirmierung des Instituts ist aber ebenso wenig geplant wie eine spezielle »Ausbildung« zum Entwerfen, das dürfte wohl generell sehr schwierig sein. Wir fördern jedoch die Fähigkeit zum Konstruieren als eine unentbehrliche Grundlage für die Konzeptfindung von Tragstrukturen, und zwar jeder der drei Professoren für sein Fachgebiet. Ich denke, wir vermitteln den Studenten hier relativ viel von dem, was sie im Arbeitsleben benötigen. HP: Das kann ich bestätigen. Das Konstruieren ist die Basis des Entwerfens, da jedes zu errichtende Bauwerk nach dem Stand der Technik und den aktuellen Normen und Vorschriften geplant werden muss, wenn es wirtschaftlich erstellt werden und auch gestalterische Ansprüche erfüllen soll. Um »gut« zu konstruieren, braucht man aber vor allem Erfahrung, die man erst im Laufe des Berufslebens erhält. MW: Und noch eine letzte Frage zum Studium an der Universität der Bundeswehr: Ein Kurs oder die Vertiefungsrichtung »Bautechnikgeschichte« wird nicht angeboten. Bedeutet das zugleich, Sie verzichten auf die Erläuterung historischer Berechnungsmethoden, wie zum Beispiel Cremona-Plan und Ritter-Schnitt?


A K TU E L L IM: Nein, für Mathematik und Mechanik begeistere ich mich nach wie vor, weshalb ich gerne auf die alten Statikmodelle verweise und sie im Rahmen der Vorlesungen darstelle. MW: Darf ich nachhaken: Ich erachte es eigentlich als unabdingbar, dass die Baugeschichte oder Bautechnikgeschichte in der Lehre adäquat berücksichtigt wird. Gerade sie veranschaulicht doch, an welchem Punkt der Entwicklung wir stehen, worauf wir nicht selten tagtäglich zurückgreifen, was wir fortschreiben, womöglich nur optimieren oder lediglich modifizieren (müssen) – mal unabhängig von der Tatsache, dass speziell im Fall des Brückenbaus nicht wenige Lösungen unserer Vorgänger bis heute Relevanz besitzen oder sogar im besten Sinne als vorbildlich gelten sollten. IM: Ich bin Ihrer Meinung. Wir berücksichtigen das auch, das geht gar nicht anders, wenn man eine Tragstruktur analysieren und die Grundlagen von Berechnungsverfahren vermitteln will. Beim Thema »Bauen im Bestand« ist das ebenfalls wichtig, um die Ableitung der auftretenden Kräfte nachvollziehen und die Konstruktion entsprechend sanieren oder verstärken zu können. MW: Abschließend würde ich mich gerne dem Brückenbau zuwenden, der, wie es so schön heißt, die »Königsdisziplin der Ingenieure« ist. Wenn ich mich nicht irre, sind bzw. waren zumindest die meisten Pilotprojekte in Bayern angesiedelt. Ist der Freistaat eine Art Mekka für »Brückeningenieure«? Blättert man darüber hin-

Prof. Mangerig zum Abschluss des Programms © Universität der Bundeswehr München

aus die Liste der von Ihnen, Professor Mangerig, bearbeiteten Bauvorhaben durch, springen einem fast unweigerlich viele Brücken ins Auge, bei deren Sanierungs- oder Montageplanung Sie wiederum technisches Neuland betreten haben. Der Gedanke einer »Vorreiterrolle« drängt sich infolgedessen beinahe auf. HP: Das wird in den einzelnen Bundesländern natürlich unterschiedlich beurteilt und hängt auch vom Engagement der jeweiligen Bauverwaltung ab. Ich habe mich aber immer über die große Zahl von Pilotprojekten gefreut, die wir nach Bayern holen konnten, und hoffe, dass es sie weiterhin geben wird. Ihre Durchführung dient ja dem Fortschritt, dabei spielen jedoch Fragen der Bauordnung, des Baurechts, des Rechnungswesens und die finanzielle Situation der öffentlichen Haushalte ebenfalls eine Rolle. Das gilt im Übrigen genauso für die Auslobung von Wettbewerben, die trotz eines erhöhten Arbeitsaufwandes für die Behörde oft wichtig sind, um Akzeptanz in der Bevölkerung für den Bau zum Beispiel von Talbrücken zu erzielen. MW: Danke, dass Sie zum Ende die Bevölkerung erwähnen. Mir scheint, sie hat ein arg verschwommenes Bild von dem, was ein Bauingenieur ist und alles leistet. Im Schweizer Fernsehen werden beispielsweise zu relativ früher (Abend-)Stunde Reportagen über Robert-Maillart-Brücken oder ein Interview mit Christian Menn ausgestrahlt, während man sich in Deutschland offenbar auf Architekten und deren Werke konzentriert. Hier bleibt meines Erachtens eine Menge zu tun, und zwar nicht allein von den Kammern oder Verbänden. Welche Ideen haben Sie, um das Image von Ingenieuren aufzuwerten, ihren Bekanntheitsgrad wenigstens bei Großprojekten zu steigern und damit die Chancen zur Nachwuchsgewinnung zu verbessern? IM: Neben den von mir bereits angesprochenen Vorträgen an Schulen sind das sicherlich Fernsehfilme, an einer solchen Dokumentation habe ich als Experte auch schon mitgewirkt. Eine zweite Möglichkeit bieten populärwissenschaftliche Veröffentlichungen, da sie ebenfalls ein breites Publikum erreichen. HP: Leider werden wir eher im Zusammenhang mit Schäden oder Baukostensteigerungen genannt. Artikel in Wochenund Tageszeitungen könnten hier helfen, in der Regel kommen die Anfragen aber nur von Fachzeitschriften. MW: Meine Herren, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

Veröffentlichung mit zahlreichen Beiträgen © Universität der Bundeswehr München

Veranstaltung an der Universität Dass der Einladung zum »Festkolloquium zu Ehren von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Ingbert Mangerig zur Vollendung des 60. Lebensjahrs« zahlreiche Gäste gefolgt waren, hat wohl höchstens jene erstaunt, die vorher nicht wussten, wer (alles) um ein Referat, einen Aufsatz für die Festschrift oder eben einfach um die Teilnahme gebeten wurde. Und so reisten Gratulanten aus der ganzen Bundesrepublik an, versammelten sich in München Freunde, Wegbegleiter, Kollegen, Mitarbeiter und Studenten zu einer Veranstaltung mit anschließendem Festbankett, die, dem Anlass gemäß, über jüngste Forschungsresultate informierte. Nach und neben dem Vortragsprogramm, das sich von Verbundbau und Stahlbrücken über Hohlprofilknoten und räumliche Trägersysteme bis hin zu Offshore-Windanlagen, Glaskonstruktionen und der plastischen Volumenänderung in Thermoplasten erstreckte, war sie aber insbesondere geprägt von einer genauso feierlichen wie heiteren Atmosphäre – als die wohl schönste Reverenz an den Jubilar. Autor: Dipl.-Ing. Michael Wiederspahn

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P R O D U K T E U N D P R OJ E K T E Bauaufsichtliche Zulassung für Maurer Söhne

Führungslager mit MSM® als Gleitmaterial Führungen aus Maurer-Sliding-Material (MSM®) gab es bisher nur bei Kalottenlagern. Die neue Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (AbZ) Z-16.9-463 erlaubt nun die Verwendung des modernen Gleitwerkstoffs in allen Führungslagern, was deren Lebensdauer auf das Fünffache erhöht, sie flexibler integrierbar und die Festhaltekonstruktionen von Verformungslagern zudem wirtschaftlicher macht. Die Maurer Söhne GmbH & Co. KG, der technologische Weltmarktführer bei Bauwerkschutzsystemen, ist also erneut Vorreiter auf dem Gebiet der Brückenlager. MSM® wurde 2003 patentiert und hat sich dank seiner herausragenden Eigenschaften bald am Markt etabliert. Kennzeichnend sind die gegenüber PTFE doppelte Druckaufnahme, fünffache Gleitwegsumme, 7,50-fache Verschiebegeschwindigkeit und der erweiterte Temperaturbereich. Mit der jetzt erteilten Zulassung können diese Vorzüge bei allen Führungslagern genutzt werden, wobei das Ü-Zeichen als Nachweis des hohen technischen und qualitativen Niveaus dient. Die neue AbZ Z-16.9-463 behandelt die in EN1337-8 geregelten Führungslager bei Ersatz von PTFE durch das Gleitmaterial MSM®, das eine Lebensdauer von mindestens 50 Jahren hat und daher in der Regel das Auswechseln der Lager

Konstruktion gemäß neuer Zulassung © Maurer Söhne GmbH & Co. KG

während der üblichen Standzeit einer Brücke erspart: Abgesehen von der Korrosionsschutzpflege sind MSM®-Lager wartungsfrei. Die neue Zulassung enthält darüber hinaus eine genaue Nutzungsdauerberechnung, die fundierte Aussagen für die Budgetplanung des Bauwerks über die gesamte Lebensdauer zu treffen gestattet, und zwar inklusive der Vorhersage, ob und wann die Führungslager ausgewechselt werden müssen. Gegenüber PTFE vermag MSM® doppelt so hohe Pressungen zuaufnehmen, die Führungslager werden infolgedessen kompakter und flacher, was wiederum Kippmomente stark reduziert. Vergleich-

bar ist die Druckfestigkeit von MSM® mit dem in EN1337-2 geregelten CM1, das jedoch, weil inkompressibel, sehr sensibel auf Kantenpressungen reagiert, was bei MSM® kein Problem darstellt. Überdies: CM1 kann keine Verdrehungen aufnehmen, MSM® aber sehr wohl. Und die Belastungen auf das Bauwerk sind geringer wegen der um bis zu 65 % kleineren Reibung. Außerdem eignet sich MSM® für alle Klimazonen von -50 °C bis +70 °C, während PTFE von -35 °C bis +48 °C limitiert ist. www.maurer-soehne.de

Auswechselbare Omega-Profile von Sika

Klemmfugenbänder für höchste Beanspruchungen Aufgrund ihrer Profilform nach dem griechischen Buchstaben Ω benannt, erfüllen die Elastomerfugenbänder höchste Anforderungen, können sie doch bei besonderen Einwirkungen und Einbauverfahren Verwendung finden. In den bewehrten Ausführungen sind sie mit zwei Lagen Nylongewebe verstärkt und damit in der Lage, große Verformungen und dynamische Beanspruchungen aufzunehmen. Die Omega-Profile werden nach dem Anflanschprinzip mithilfe einer dicht an den Betonkörper angeschlossenen Losbzw. Festflanschkonstruktion mit dem Bauwerk verbunden, wobei man den Anpressdruck über den Kippflansch variabel wählen und infolgedessen wunschgemäß einstellen kann. Ein erheblicher

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Vorteil dieser Kippflanschkonstruktion ist, dass ein solches (Omega-)Profil zur Klemmung nicht durchdrungen wird und sich bei Bedarf austauschen lässt – was ein Maximum an Dichtigkeit, Sicherheit und Dauerhaftigkeit garantiert. Die Ω-Fugenbänder kommen vorwiegend bei Ingenieurbauwerken zum Ein-

Form und Befestigung © Sika Deutschland GmbH

satz, wie zum Beispiel Brücken, Tunneln, Schleusen und Kraftwerken. So wurden in den vergangenen Jahren durch die Tricosal, heute zur Sika Deutschland GmbH gehörend, zahlreiche derartige »Infrastrukturen« mit ihnen ausgestattet. www.sika.com


Termingerechte Freigabe dank Eurovia

(Teil-)Fertigstellung einer Autobahn Noch im Dezember hat die von Eurovia geleitete Arbeitsgemeinschaft, welche die Bundesautobahn A 5 zwischen Baden-Baden und Offenburg im Rahmen eines PPP-Projekts nach dem sogenannten A-Modell bis Ende 2013 sechsstreifig ausbaut, verschiedene Teilabschnitte der Strecke vertrags- und termingerecht übergeben, so dass die Verkehrsführung nun sukzessive umgelegt werden kann. Trotz des verspäteten Starts im Frühjahr 2010 wurden die Baulose 5, 7 und 9 der Richtungsfahrbahn Basel mit einer Gesamtlänge von ca. 15 km erst rück- und dann dreistreifig ausgebaut, die Anschlussstelle Achern angepasst und mit einem Kreisverkehr ergänzt sowie 24 Bauwerke und eine sogenannte Parkplatz-mit-Toiletten-Anlage errichtet. Die Lose 2 und 3 werden in Abhängigkeit von der Witterung Anfang 2011 für den Verkehr freigegeben, so dass sich die Gesamtlänge der erneuerten Strecke auf ca. 20 km belaufen wird. Die Arbeiten zum Lückenschluss auf beiden Richtungsfahrbahnen werden (danach) in 2012 und 2013 folgen, um das vorgesehene Endfertigstellungsdatum für die 40-km-Maßnahme zu gewährleisten. Mit einem Gesamtvolumen von rund 600 Mio. Euro umfasst das (Bau-)Vorhaben neben Finanzierung, Planung und Ausbau auch den Betrieb und die Erhaltung des neuen Abschnitts über einen Zeitraum von 30 Jahren. Zur Refinanzierung des Projekts, für das ein von Vinci Concessions angeführtes Konsortium Anfang 2009 den Zuschlag erhalten hatte, dient die Erhebung einer streckenbezogenen Lkw-Maut. www.eurovia.de

Verkehrsumlegung im Winter © Eurovia GmbH

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P R O D U K T E U N D P R OJ E K T E Maßgenaue Schalung von Peri

Schrägseilbrücke in Frankreich Eine 515 m lange Schrägseilbrücke, deren Besonderheit sich vor allem an der Geometrie der Pylone zeigt, verbindet das bretonische Festland im Nordwesten Frankreichs mit der Halbinsel Crozon: Zur Realisierung der bogenförmigen Überbaukonstruktion ist ihre Gestalt dem griechischen Buchstaben l nachempfunden worden. Eine vorhandene, aber marode Tragstruktur ersetzend, hat die Brücke Térénez eine Hauptspannweite von 285 m, die

Herausfordernder Bauwerksentwurf © Peri GmbH

zwei Pylone weisen jeweils eine Höhe von knapp 100 m auf, und die 6,50 m messende, zweispurige Fahrbahn verfügt beidseitig über einen 2,40 m breiten Weg für Fußgänger und Radfahrer. Die Krümmung des Überbaus wurde dabei so geplant, dass sich der Verlauf der Zufahrtsstraßen verändern lässt, um vorher existierende Haarnadelkurven zu eliminieren und damit den Fluss letztlich (verkehrs)sicherer überqueren zu können. Die resultierende Form der Pylone erforderte nun eine anpassbare Schalung, weshalb auf Basis der ACS-Selbstklettertechnik und des Vario-GT-24-TrägerWand-Systems eine Lösung entwickelt wurde, die bei jedem Wetter und zudem kranunabhängig arbeitete. Sie erlaubte, alle vier Pfeilerseiten parallel und ohne Zwischenverankerungen zu errichten. Da bei ihr überdies Größe und Befestigung ebenso frei wählbar waren wie Elementbreite und -höhe, das vertikale oder horizontale Ankerraster sowie der zulässige Frischbetondruck, vermochte das Baustellenteam die Schalung jederzeit der sich kontinuierlich verändernden

Errichtung eines l-Pylons © Peri GmbH

Geometrie der Brückenpylone maßgenau anzupassen – mit dem Ergebnis einer (überall) einwandfreien Betonoberfläche. www.peri.com

Effizientes Kappenschalsystem von Quick

Große Brückenbauwerke in Norwegen Die Quick Bauprodukte GmbH aus Schwerte lieferte Kappenschalungen für einen 38 km langen Abschnitt der Autobahn E 18 zwischen Grimstad und Kristiansand in Norwegen, die Teil der Fernstraße von Oslo nach Kristiansand und damit eine der Hauptverkehrsverbindungen im Transportkorridor zwischen Südnorwegen und dem übrigen Europa ist – und die mehr als 60 Brücken, 30 Betonbauwerke und acht Tunnel umfasst. Mit Planung und Bau der Strecke wurde eine internationale Arbeitsgemeinschaft aus Bilfinger Berger AG, Deutschland, und E. Pihl & Son AS, Dänemark, beauftragt, die sich für die Quick-Kappenschalung mit Bahn entschied: Insbesondere für längere Brücken geeignet, lässt sie sich bis 60 m als eine Schaleinheit einsetzen, wobei Schalzeiten unter 0,50 h/m2 inklusive Montage und Demontage erreicht werden. In Norwegen verdeutlichte sich der volle Nutzen dieser Wahl. Und so konnten mit einer 60-m-Schaleinheit pro Woche

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Kappen in einer Länge von 180 m betoniert werden. Das heißt, beim Entschalen wurden zunächst die Seiten- und Bodenschalung mittels Exzenter 2–3 cm abgesenkt, danach der Riegelbolzen entfernt und die Schalung mit elektrischer oder manueller Winde und Greifzug über die vormontierten Bahnschienen vorgeschoben. Hierbei zeigte sich die Flexibilität des Systems schon allein daran, dass ver-

Brückenbau in Norwegen © Quick Bauprodukte GmbH

schiedenste Kappen und sogar Brücken mit R ≤ 45 m mit der gleichen Schalung hergestellt wurden. Die Quick-Kappenschalungen waren in Norwegen insgesamt drei Jahre im Einsatz, was ihre Funktionalität unterstreicht: überall verwendbar, stets anpassungsfähig und leicht in der Bedienung. www.quick-bauprodukte.de


P R O D U K T E U N D P R OJ E K T E Design mit LEDs von Leipziger Leuchten

Brillantes Licht (auch) für Brücken Mit einer neuen Serie von Mastlösungen setzt die Leipziger Leuchten GmbH, einer der traditionsreichsten deutschen (Leuchten-)Hersteller, den Ausbau seiner

Helle Straßen bei Dunkelheit © Leipziger Leuchten GmbH

LED-Linie fort. Die von dem bekannten Lichtdesigner Karsten Winkels entworfene und seinen Vornamen tragende Mastleuchte ist mit leistungsfähigen Fortimo-LED-Modulen, einem computeroptimierten Wärmemanagementsystem und speziell entwickelten Reflektoren ausgestattet und garantiert derart beste Lichtverhältnisse mit hohem Energiesparpotential. Besonderes Augenmerk legte der Designer auf einen klaren, leicht wirkenden und daher halbrunden Leuchtenkopf, der in seiner Form an ein geöffnetes C erinnert, wobei er in seiner Größe eher reduziert anmutet. Vorgesehen für den Einsatz eines effizienten, blendungsfreien Moduls mit 28 W oder 42 W, sorgen hier

Reflektoren aus geglänztem und eloxiertem Reinstaluminium in Verbindung mit einer massiven Aluminiumplatte zur Wärmeableitung für exzellente Lichtleistungen und für eine lange Lebensdauer der LEDs von 50.000 h. »Karsten« ist als ein- und zweiarmige Version mit verschieden langen Auslegern und durchgängigen Masten erhältlich und zudem in sämtlichen RAL- oder DB-Farben lieferbar. www.leipziger-leuchten.com

Naturnahe Lösung von Betafence

Schallschutz mit Gabionen Die Gabione »Soundblock« des Stahldrahtexperten Betafence ist lärmabsorbierend, kostengünstig und schnell installiert – und damit eine hervorragende Schallschutzlösung für vielbefahrene Verkehrsstrecken. Die vormontierten, flach verpackten Elemente werden auf der Baustelle zur raschen Errichtung nur noch auseinandergezogen und können dann direkt »bestückt« werden. Preiswerter Schotter oder Kies eignet sich hier als Füllung für die innere Kammer, die wiederum von einer patentierten, schallabsorbierenden

Reflexionsmatte umgeben ist, während sich für die äußeren Wände ein eher dekoratives Material, wie zum Beispiel absorbierende Schaumlava, anbietet. Dank seiner extrem robusten Struktur eröffnet dieses System die Möglichkeit, endlose Konstruktionen in Einheiten von 2–10 m Breite und bis 6 m Höhe zu realisieren. Die Drahtgitterkörbe lassen sich zudem begrünen und fügen sich als natürliche Bauelemente harmonisch in das Umfeld ein. www.betafence.de

Straßenverkehr ohne Lärmausbreitung © Betafence Deutschland GmbH

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S O F T WA R E U N D I T Zukunftsweisende Komplettlösung von Tekla

Building Information Modeling als Standard »Der Bekanntheitsgrad von BIM-Software nimmt immer weiter zu und macht sie allmählich zum Bestandteil unseres täglichen Arbeitsablaufs. Tekla stand für BIM, noch bevor der Name überhaupt gebräuchlich war. Mit seiner guten Stellung im Bereich der Automatisierung von Konstruktionsprozessen befindet sich Tekla in puncto Innovation ganz vorn«, so Prof. Charles M. Eastman, Leiter des Doktorandenprogramms am College of Architecture des Georgia Institute of Technology, USA. Tekla Structures repräsentiert ein Building-Information-Modeling- oder eben BIM-Werkzeug für die gesamte Konstruktionsabfolge, und zwar als offene Plattform. Als Komplettlösung ersetzt diese Software also Einzelprogramme und strafft derart den Liefer- oder aber Ausführungsprozess von Bau-, Design-,

Fertigungs-, Konstruktions- und Planungsunternehmen, wie zum Beispiel Ingenieurbüros. Dank der großen Detailtreue der mit ihr erstellten digitalen Modelle werden eine projektspezifische Ablaufkonzeption und eine optimale Produktionssteuerung möglich. Tekla Structures lässt sich zudem effektiv in andere Spitzenanwendungen einbinden und sorgt dabei für Datenintegrität und -genauigkeit auf höchstem Niveau. Die Zentralisierung modellbasierter und sonstiger Daten ermöglicht darüber hinaus einen gesteigerten Kooperations- und Integrationsgrad bei Projektmanagement und -realisierung – mit dem Resultat einer verbesserten Produktivität, eines minimierten Ausschusses und eines hervorragenden »Gebrauchswertes« der Modelle.

Das heißt letztlich, Tekla Structures bietet eine präzise, dynamische und datenintensive 3-D-Umgebung, die von Bauunternehmern, Tragwerksplanern, Teilekonstrukteuren und Fertigungsbetrieben sowohl im Stahl- als auch Betonbau gemeinsam genutzt werden kann. www.tekla.com

Einfache Kostenkontrolle dank G & W

Dokumentation von Nachträgen Das Kostensplitting hat für jeden Planer eine besondere Bedeutung bekommen, da das Honorar seit Einführung der jüngsten HOAI(-Novelle) auf der Kostenberechnung beruht. Mit der entsprechenden Software von G & W, die ihn ab der ersten Kostenschätzung über die endgültige -feststellung bis zur Dokumentation der abgeschlossenen Baumaßnahme unterstützt, ist er jedoch auf der sicheren Seite. So liefert California.pro mittels einer Verteilung der aus Nachträgen resultierenden Kosten auf verschiedene (Kosten-)Träger transparent den Nachweis, wer welchen Anteil zu vertreten hat, was also der Kostenberechnung zuzuschreiben und was nachträglich durch Sonderwünsche des Auftraggebers oder durch Einsprüche etc. entstanden ist und deshalb das Honorar nicht schmälern darf.

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Beispiel: Leistungsverzeichnis © G & W Software Entwicklung GmbH

Darüber hinaus werden eine nachprüfbare, frei wählbare Aufgliederung von Planungs- und Abrechnungsmengen auf Kostenträger oder ERP-Aufträge sowie die Strukturierung nach Aspekten wie »zuschussfähig oder nicht« möglich. Die Zuordnung erfolgt, ganz wie es eben beliebt, über Prozentzahlen, Standard-

schlüssel, Gleichverteilung oder analog bereits zugewiesenen Werten, die dann im Positionsaufmaß oder direkt im Leistungsverzeichnis »notiert« und dort nach Kostenstellen und -trägern dargestellt werden können. www.gw-software.de


Er hat eine Aufgabe. Er hat .. . . ein Ziel. Er hat natu rliche Verbu ndete.

Spezifische Suchmaschine von f:data

Informationen ohne Recherche Seit kurzer Zeit steht eine neue, schnelle Suchmaschine kostenlos zur Verfügung: der sogenannte Bauprofessor. Dort, wo Google und Co. viel zu viel finden, liefert er aktuelle, seriöse und verlässliche (Fach-)Auskünfte für Bauunternehmen, Ingenieurbüros, Gutachter und Behörden – und damit für fast alle Experten in Theorie und Praxis. Ähnlich wie herkömmliche »Recherchehilfen« durchforstet er regelmäßig die Informationen der angeschlossenen Onlinedienste und ordnet diese nach bestimmten Kategorien, so dass sich (bisher) tagesaktuelle Preise für Bauleistungen, geltende DIN-Normen im Originaltext einschließlich Abbildungen und Kommentaren, jüngste Materialkennwerte und gegenwärtige Lieferadressen samt Kostenlisten abrufen lassen. Künftig will die f:data GmbH die von ihr entwickelte Vernetzung aber noch weiter vereinfachen, um dann per Knopfdruck genau das übermitteln zu können, was benötigt wird, und zwar automatisch, also direkt aus der Software des Anwenders heraus, damit er keinen Browser mehr benutzen oder irgendwelche Begriffe eingeben muss. www.bauprofessor.de www.fdata.de

Der mit dem Feuer verzinkt Ein Mann im Kampf gegen den Rost.

E ine 460 o C elsius Production

Executive Producer.. Ihr .. Feuerverzinker Featuring .. Zuverla ssiger Schutz .. Production.. Design .. Urspru nglicher Stahl .. Demna chst an Ihren Geba uden

WWW.FEUERVERZINKEN - DER - FILM.COM

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N AC H R I C H T E N U N D T E R M I N E Auszeichnung für wegweisende Brückenkappen

Innovationspreis Feuerverzinken 2010 Vor kurzem wurde der Innovationspreis Feuerverzinken zum vierten Mal verliehen – im Jahr 2010 an die Autobahndirektion Südbayern für die Ausführung zahlreicher sanierungsbedürftiger Brückenkappen in feuerverzinktem Bewehrungsstahl. Die Jury, aus dem Vorstand des Industrieverbandes Feuerverzinken e. V. gebildet, begründete ihre Entscheidung wie folgt: »In Deutschland gibt es eine Vielzahl von sanierungsbedürftigen Betonbrücken. Eine wesentliche Schadensursache ist die Korrosion des Bewehrungsstahls. Sie wird zumeist durch die Versauerung des Betons durch das Kohlendioxid der Luft und andere Substanzen sowie durch das Einwirken von Chloriden durch Tausalzbelastung verursacht. Durch den Einsatz von feuerverzinktem Stahl kann dieser Prozess verhindert bzw. in erheblichem Umfang hinausgezögert werden. Hier-

Einsatz von feuerverzinktem Bewehrungsstahl © Industrieverband Feuerverzinken e. V.

durch werden langfristig unnötige Sanierungskosten vermieden und Ressourcen geschont. Die Autobahndirektion Südbayern hat mit ihrer nachhaltigen und mutigen Entscheidung, die sanierungsbedürftigen Brückenkappen entlang der A 99 in feuerverzinktem Bewehrungsstahl auszuführen, ein wegweisendes Zeichen gesetzt – zur langfristigen Entlastung der öffentlichen Kassen und zum Schutz von Klima und Umwelt. Das Projekt ist eine echte Innovation mit Vorbildcharakter für nachfolgende Bauten.« Entgegengenommen wurde der Preis vom verantwortlichen Projektingenieur Traugott Niedermeier, der deutlich machte, dass neben Kosten- und Nachhaltigkeitsaspekten auch verringerte Verkehrsgefährdungen durch Betonabplatzungen sowie weniger Eingriffe in den Verkehr weitere wichtige Argumente für die Wahl von feuerverzinktem Bewehrungsstahl

Traugott Niedermeier, Autobahndirektion Südbayern (Mitte) mit Ulrich Henssler (links) und Gerd Deimel, Vorsitzender und Hauptgeschäftsführer des Industrieverbandes Feuerverzinken e. V. © Industrieverband Feuerverzinken e. V.

im Brückenbau sind. Während in Deutschland sein Einsatz in Tragwerken aus Beton eine echte Innovation ist, wird er in anderen Ländern bereits seit langem geschätzt und hat sich dort gut bewährt. Die Würdigung der Autobahndirektion Südbayern fügt sich nahtlos in die Reihe der bisherigen Preisträger ein: Der Nutzfahrzeughersteller Schmitz Cargobull erhielt erstmals diese Auszeichnung für die neuartige feuerverzinkte und gebolzte Konstruktionsweise seiner LkwTrailer. Danach ging sie an die Spig Schutzplanken-Produktions GmbH, die ein zukunftsweisendes Schutzplankensystem entwickelt hat. Und im Jahr 2008 folgte die Firma a+f, deren SunCarrierSystem die Modulflächen von Photovoltaikanlagen dem aktuellen Sonnenstand anzupassen erlaubt. www.feuerverzinken.com

Kardinal Dr. Reinhard Marx als (Haupt-)Redner

Bayerischer Ingenieuretag 2011 in München Vor einem nach eigenen Angaben »andauernden Casino-Kapitalismus« hat Kardinal Dr. Reinhard Marx gewarnt: »Jetzt geht es wieder los, in derselben Weise, wie es war«, sagte der Erzbischof von München und Freising, der anlässlich des 19. Bayerischen Ingenieuretages am 21. Januar 2011 vor mehr als 800 Bau- und Vermessungsingenieuren sowie Gästen aus dem In- und Ausland zum Thema »Herausforderung Verantwortung« sprach. In seiner Rede ging Marx mit dem Finanzmarkt sowie der Politik hart ins Gericht. Die Frage nach der Verantwortung und Haftung sei von entscheidender Bedeutung, habe man am Beispiel des Finanzmarktes doch sehen können, was es heiße, wenn überhaupt keine Verantwortung übernommen werde. Die Banken

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müssten nun den Eindruck haben, dass sie bei erneuter Schieflage wieder gerettet würden, denn das ausgesendete Signal laute: »Du kannst handeln, aber die Folgen tragen andere.« Die Politik habe nach der Finanzkrise für keine guten Anreize gesorgt, aber: »Macht kann nie ohne Verantwortung akzeptiert werden.« Nachhaltigkeit und Verantwortung beinhalten nach Ansicht von Marx, stärker als bisher in Kinder und Bildung zu investieren: »Wir können es uns nicht erlauben, dass 10 % eines Jahrgangs bildungsarm sind.« Der Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau Dr.-Ing. Heinrich Schroeter dankte Marx für seine klaren Worte und ergänzte: »Wir brauchen eine stärkere Förderung des Erhalts und Ausbaus der Infrastruktur. Wir brauchen

»Herausforderung Verantwortung « als Thema © Birgit Gleixner/Bayerische Ingenieurekammer-Bau

mehr Investitionen in den Erhalt und den Ausbau.« Auch dies seien Investitionen, die künftigen Generationen zugutekämen. www.bayika.de


NACHRICHTEN UND TERMINE Jubiläum in Nordrhein-Westfalen

50 Jahre Bundesautobahn A 4 Seit 50 Jahren ist die Bundesautobahn zwischen Köln und Aachen durchgängig »nutzbar«: Am 20. Dezember 1960 befuhr zur Feier des Ereignisses ein Konvoi mit prominenten Zeitgenossen aus der Straßenbauverwaltung die komplette Strecke, und zwar hin und zurück, während auf den Brücken über der A 4 Kinder aus den umliegenden Schulen standen und Fähnchen schwenkten, ja in der Kölner Messe deshalb sogar eine Festveranstaltung stattfand. Wer sie heute ansteuert, wird sich wohl eher ihre Verbreiterung auf sechs Fahrstreifen herbeisehnen, denn der Verkehr ist zu den meisten Tageszeiten so stark angewachsen, dass dieser Abschnitt seine Leistungsfähigkeit dank 100.000 Kfz/d inzwischen erreicht oder eben überschritten hat. Von einer staufreien Reise wie in den 1970er und 80er Jahren dürfen die »Kraftwagenlenker« also nur noch träumen.

Um nun ihrer steigenden Be- und Überlastung angemessen zu begegnen, wird sie im Auftrag des Bundes vom Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen abschnittsweise auf sechs Fahrstreifen ertüchtigt. Dazu gehört auch der Umbau des kompletten Kreuzes der Autobahnen A 4, A 44 und A 544 zu einem leistungsfähigen Knotenpunkt im europäischen Ost-West-Verkehr, was bis 2015 erfolgen soll. Das insgesamt 75 Mio. Euro teure Projekt umfasst unter anderem die Errichtung von vier neuen Brücken und die Realisierung von ca. 17 Fahrspuren. www.strassen.nrw.de

Autobahnkreuz Köln-Ost © Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen

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N AC H R I C H T E N U N D T E R M I N E Stabwechsel bei deutscher Grontmij

(Neue) Sprecherin der Geschäftsführung Seit 1. Januar 2011 hat Ina Brandes die Position der Sprecherin der Geschäftsführung der Grontmij GmbH inne. Als Country Managing Director (CMD) leitet sie nun zusätzlich zum Geschäftsfeld Planung & Gestaltung auch die Verwaltung des deutschen Ingenieurunternehmens.

Dieser Stabwechsel an der Spitze der Grontmij GmbH wurde in der Zentrale in Bremen mit einer kleinen feierlichen Zeremonie offiziell vollzogen: Bernhard Schierenbeck als bisheriger CMD gratulierte seiner Nachfolgerin herzlich, übergab ihr seinen langjährig gut gehüteten »Führungsstab« mit dem Wunsch, dass

Ina Brandes © Grontmij GmbH

sich Erfolg und Glück nachhaltig auf seine neue Besitzerin übertragen mögen. Ina Brandes brachte ihre Freude über die neue Aufgabe zum Ausdruck und dankte Bernhard Schierenbeck, der jetzt in den verdienten Ruhestand wechselt und sie in den letzten Monaten ausgezeichnet begleitet habe. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sei der Übergang daher fast unmerklich verlaufen. Und sie zeigte sich sehr zuversichtlich, was die weitere Entwicklung betrifft: Die Auftragslage sei gut und man werde (deshalb) weiter wachsen. Die Grontmij GmbH ist in den Geschäftsfeldern Planung & Gestaltung, Transport & Mobilität, Wasser & Energie aktiv und mit ca. 700 Mitarbeitern an über 30 Standorten in Deutschland vertreten. www. grontmij.de

Übergabe des »Führungsstabs« © Grontmij GmbH

Antrag auf Planfeststellung des Autobahnamts Sachsen

Fernstraßenverbindung zwischen Chemnitz und Leipzig Das Planfeststellungsverfahren für das letzte Teilstück zum Neubau der Bundesautobahn A 72 zwischen Chemnitz und der A 38 bei Leipzig kann beginnen, denn Ende Dezember 2010 wurde der entsprechende Antrag vom Autobahnamt Sachsen bei der zuständigen Landesdirektion Leipzig eingereicht – als eine Voraussetzung für die weitere Entwicklung der europäischen Metropolregion »Sachsendreieck« zwischen Dresden, Chemnitz und Leipzig über die A 4, A 72 und A 14. Der hier zu realisierende Abschnitt von Rötha bis zur A 38 erstreckt sich über ca. 7,20 km, soll in jeder Richtung zwei Fahrund einen Standstreifen aufweisen und damit 29,50 m breit werden. Die geplante Maßnahme umfasst zudem die Errichtung einer Anschlussstelle mit der Bundesstraße B 2 bei Großdeuben sowie den Bau von zehn Brücken über bzw. im Zuge der Autobahn und von sechs Regenrückhaltebecken.

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Im Bereich von Rötha, Böhlen und Großdeuben ist darüber hinaus die Anordnung von Lärmschutzwänden und -wällen auf einer Länge von ca. 4.600 m vorgesehen, während ca. 100 ha als Renaturierungs- bzw. Ausgleichsfläche zur Kompensation aller (baulichen) Eingriffe herangezogen werden. www.smwa.sachsen.de

Lückenschluss im Autobahnnetz © Autobahnamt Sachsen


Forderung des Bayerischen Innenministers

Nachholprogramm »Westdeutschland« Für den Bayerischen Innenminister Joachim Herrmann sind die neuen Länder 20 Jahre nach der sogenannten Wende in Sachen Verkehrsinfrastruktur hervorragend ausgestattet, wie er im Herbst 2010 feststellte: »Die Verkehrsprojekte ›Deutsche Einheit‹ sind eine Erfolgsgeschichte. Die Bilanz der letzten 20 Jahre ist großartig. Ich denke hier an eine Vielzahl grenzüberschreitender Großprojekte zur Verbindung der ›neuen‹ Länder mit Bayern, wie zum Beispiel dem sechsstreifigen Ausbau der Bundesautobahn A 9 Nürnberg–Hof–Berlin, den Neubau der Bundesautobahnen A 71 Erfurt–Schweinfurt und A 73 Suhl–Lichtenfels, den Ausbau der A 72 Richtung Plauen und den Bau der A 93 zwischen Hof und Mitterteich.« Jetzt sei es aber wichtig, dass die alten Bundesländer in puncto Verkehrsinfrastruktur nicht zurückbleiben und abgehängt werden. »Ich fordere daher dringend ein Nachholprogramm ›Westdeutschland‹. Der Bund muss jetzt tätig werden und für die wichtigen Bundesstraßenprojekte in Bayern zeitnah ausreichende Mittel zur Verfügung stellen. Westdeutschland hat Nachholbedarf.«

Als vordringliche Maßnahmen in Bayern bezeichnete Herrmann den sechsstreifigen Ausbau der A 3 Aschaffenburg– Würzburg–Nürnberg, der A 6 von Nürnberg bis zur baden-württembergischen Grenze, der A 8 Ost Rosenheim–Salzburg sowie den als Betreibermodell vorgesehenen sechsstreifigen Ausbau der A 8 West-Ulm–Augsburg und den Bau der A 94 München–Passau. Das seien die vier großen Magistralen, bei denen ein bedarfsgerechter Aus- bzw. Neubau unabdingbar bleibe. Die notwendige Realisierung in einem überschaubaren Zeitraum sei jedoch nur möglich, wenn der Bund für diese Fernstraßenprojekte die Mittel im Bundeshaushalt umschichte und mehr Geld zur Verfügung stelle. Joachim Herrmann: »Was bisher vorgesehen ist, reicht nicht. Der Bund muss hier deutlich nachlegen. Eine zeitnahe Finanzierung der Straßenbauvorhaben ist sonst überhaupt nicht vorstellbar.« www.stmi.bayern.de

Bridge Design

Project Massetal Railway Bridge, Germany Engineering Obermeyer, SSF Engineers, Büchting+Streit

Project Khor Al Batah Bridge, Sur, Sultanate of Oman Engineering Schlaich Bergermann & Partners

Gründung des (fast) gleichnamigen Vereins

Praxisgerechte Regelwerke im Bauwesen »Mit unserer Initiative wollen wir Motor sein, um praxisgerechte Regelwerke im Bauwesen professionell vorzubereiten. Unser Ziel ist es, dass Normen Hilfestellung und nicht Hemmnis oder Risiko sind.« Mit diesen Worten fasste Prof. Dr. Manfred Nußbaumer, Vorsitzender des Deutschen Beton- und BautechnikVereins, die Ergebnisse der allerersten Versammlung des Vereins Initiative Praxisgerechte Regelwerke im Bauwesen oder, gekürzt, PraxisRegelnBau zusammen, der am 13. Januar 2011 in Berlin gegründet wurde. Beteiligt sind hier außer dem Verband der Beratenden Ingenieure, der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik und der Bundesingenieurkammer auch der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie und der Zentralverband Deutsches Baugewerbe sowie

der Deutsche Ausschuss für Stahlbeton, der Deutsche Beton- und BautechnikVerein, die Deutsche Gesellschaft für Geotechnik, die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau und der Deutsche Stahlbau-Verband DSTV. Nußbaumer, der zum Vorsitzenden gewählt wurde, sieht die Hauptarbeit in den nächsten Jahren bei den Eurocodes, also bei den in Europa für Europa erarbeiteten Bemessungsregeln für Bauwerke. Die in der Initiative zusammengeschlossenen Verbände wollen dabei nicht zuletzt ein eigenes Versäumnis korrigieren: »Ohne die Praxis geht es eben nicht, wir müssen uns wieder mehr engagieren als in den vergangenen Jahren!«, war vielfach die selbstkritische Einschätzung der Gründungsmitglieder. www.betonverein.de

Project Paserelle des deux Rives, Strasbourg – Kehl, France – Germany Engineering Büchting+Streit, LAP Leonhardt Andrä & Partner

Project Saadiyat Bridge, Abu Dhabi Engineering K+S Ingenieur-Consult

www.sofistik.com 1 . 2011 | BRÜCKENBAU

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N AC H R I C H T E N U N D T E R M I N E Auslobung durch Züblin Stahlbau

Preis für Dresdner Studenten Seit Jahren pflegt die in der letzten Zeit stark gewachsene Züblin Stahlbau GmbH den Kontakt und die Kooperation mit Universitäten, Hoch- und Fachhochschulen. Das beinhaltet einerseits die Zusammenarbeit bei der Lösung komplexer Fragestellungen, andererseits bietet man den Studierenden Praktika an, betreut Diplomarbeiten, entsendet Referenten zu Vorträgen und unterstützt damit die Ausbildung des Ingenieurnachwuchses, ergänzt von gemeinsam organisierten Exkursionen zu Baustellen und der modernen Fertigungswerkstatt in Hosena. Und das führte regelmäßig auch zur Einstellung von Absolventen, die mittlerweile ihren Weg als Mitarbeiter des Technischen Büros oder als Projektabwickler gehen. Besonders intensiv war und ist die Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Stahlbau am Institut für Stahl- und Holzbau der Technischen Universität Dresden unter Leitung von Prof. Dr.-Ing. Richard Stroetmann. Es entstand nun die Idee, die Ausbildung von Diplomingenieuren mit besonderer Vertiefung auf dem Gebiet des Stahlbaus durch die Auslobung eines speziell auf den Stahlbau zugeschnittenen Preises zu fördern.

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Mit dem Wintersemester 2010 wurde erstmals die Ausschreibung an den Fakultäten für Bauingenieurwesen und für Architektur an der Technischen Universität Dresden veröffentlicht. Ganz bewusst werden hier Bauingenieure und angehende Architekten angesprochen, um auch auf beiden »Seiten« frühzeitig das Interesse für den Werkstoff Stahl und die Möglichkeiten der Stahlbauweise zu wecken. Ausgezeichnet werden herausragende Leistungen im Entwurf, in der Berechnung und Ausführung von Stahl- und Verbundkonstruktionen sowie von Metallfassaden und -dächern im Hoch-, Industrieund Ingenieurbau. Berücksichtigung finden zudem besondere wissenschaftliche Leistungen, mit denen die Metallbauweise gefördert wird. Dazu gehören (Weiter-)Entwicklungen von Konstruktions- und Bauweisen, Berechnungsund Bemessungsverfahren, Fertigungsund Montagetechnologien sowie Beiträge zur Beurteilung und Förderung der Nachhaltigkeit.

Die Auslobung des Züblin-Stahlbaupreises erfolgt jährlich. Zugelassen sind Arbeiten die im Rahmen des Studiums oder der Promotion im Zeitraum vom 1. Juni des Vor- bis zum 31. Mai des Folgejahres abgeschlossen und beurteilt wurden. Die Jury besteht aus Vertretern der Fakultäten Bauingenieurwesen und Architektur, der Ed. Züblin AG und des Deutschen Stahlbau-Verbandes DSTV. Sie wählt aus bis zu zehn Arbeiten, die sich für die Präsentation präqualifiziert haben, ein bis drei Preisträger aus. Das Preisgeld beträgt insgesamt 3.000 x. Die Züblin Stahlbau GmbH liefert mit dieser Initiative einen weiteren Motivationsschub für die Ausbildung von Architekten und Bauingenieuren, von dem insbesondere die Stahlbauweise langfristig profitieren wird. www.zueblin-stahlbau.de

Studenten der Technischen Universität Dresden bei einer Exkursion in die Züblin-Fertigungsstätte und auf der Kraftwerksbaustelle in Boxberg © Züblin Stahlbau GmbH

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BRÜCKENBAU

Construction & Engineering

ISSN 1867-643X

... ist die jüngste Baufachzeitschrift der  VERLAGSGRUPPE WIEDERSPAHN.  Das gesamte Spektrum des Brückenbaus thematisierend, erscheint sie   seit 2009 viermal pro Jahr. Lassen Sie sich überraschen von   dieser qualitätvollen Publikation,   die einzigartig ist – und die bisher   noch bestehende Lücke im deutsch-  sprachigen Fachzeitschriftenangebot  schließen wird.  Weitere geplante Heftthemen sind   zum Beispiel Autobahnbrücken und  Geh- und Radwegbrücken.

Ja, ich nehme das Angebot an und bestelle ein Probeabonnement:  drei Ausgaben der Zeitschrift BRÜCKENBAU zum Preis von    e 42,00 inkl. Porto und MwSt.    Firma/Büro   Name/Vorname   Straße/Hausnummer   Postleitzahl/Stadt   E-Mail/Telefon   Datum                                Unterschrift

Zögern Sie also nicht und bestellen   Sie ein Probeabonnement zum   Einführungspreis.

VERLAGSGRUPPE W I E D E R Smit MixedMedia P A Konzepts HN Biebricher Allee 11 b 65187 Wiesbaden Tel.: 0611/98 12 920 Fax: 0611/80 12 52 kontakt@verlagsgruppewiederspahn.de www.verlagsgruppewiederspahn.de www.mixedmedia-konzepts.de

Wenn Sie den BRÜCKENBAU nach Ablauf des Probeabonnements nicht weiterbeziehen  möchten, genügt eine formlose schriftliche Mitteilung an den Verlag innerhalb von  14 Tagen nach Erhalt der letzten Ausgabe. Andernfalls erhalten Sie diese Zeitschrift  weiter zum günstigen Abonnementpreis bis auf Widerruf. Bezugsbedingungen und  Abonnementpreis sind verbindlich im Impressum jeder Ausgabe aufgeführt.


N AC H R I C H T E N U N D T E R M I N E Ideenwettbewerb der Bayerischen Ingenieurekammer

Brückenentwurf unter ganzheitlichen Aspekten Der Entwurf einer Straßenbrücke nach ganzheitlichen Gesichtspunkten steht im Mittelpunkt eines offenen Ideenwettbewerbs, den die Bayerische Ingenieurekammer-Bau auslobt: Mit dieser Initiative möchte sie unter anderem für das Einbeziehen ganzheitlicher Wertungsmaßstäbe bei der Einschätzung von Planungsvarianten werben. Unterstützt wird der Wettbewerb von der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern.

Auf Basis einer speziell für eben jenen Zweck entwickelten (Bewertungs-) Matrix sollen die eingereichten Beiträge von einer kompetenten Jury nach vier Hauptkriterien beurteilt werden, und zwar – ökonomische Qualität, – ökologische Qualität, – soziokulturelle Qualität, – konstruktive Qualität. Betrachtet wird der gesamte Lebenszyklus des Bauwerkes, wobei auch externe ökonomische und ökologische Effekte

Berücksichtigung finden, wie zum Beispiel volkswirtschaftliche Kosten oder Emissionen durch baubedingte Verkehrsbehinderungen. Die ausführlichen Teilnahmeunterlagen können ab sofort von der Internetseite der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau heruntergeladen werden. Abgabetermin ist der 1. Mai 2011, die Preisverleihung soll Anfang Juni 2011 im Rahmen der Bayerischen Klimawoche erfolgen. www.bayika.de/ideenwettbewerb

Doppelmesse plus Tagung in Bozen

Viatec 2011 mit BrennerCongress Straßenbau und Infrastrukturbewirtschaftung sowie Baumaschinen und -geräte sind Gegenstand der »Doppelmesse« Viatec und Baumec vom 17. bis 20. März 2011 in Bozen, die ergänzt und komplettiert werden vom sogenannten BrennerCongress. Als Branchentreffpunkt für Fachleute in einem hochspezialisierten Nischenbereich aus ganz Italien, den angrenzenden Alpenrepubliken und Ländern mit ähnlichen geographischen Gegebenheiten wie in Südtirol, was zum Beispiel auf Indien oder Russland zutrifft, richtet sich die Viatec 2011 an Verantwortliche für

Straßen-, Brücken- und Tunnelbau, an Funktionäre und Techniker von Autobahngesellschaften, an Ingenieure und Geometer sowie Bauunternehmer, also an all jene, die in Gebirgsregionen Infrastrukturmaßnahmen planen und realisieren. Die Baumec ist hingegen von eher regionaler Bedeutung und soll dementsprechend vor Ort tätige Bauunternehmer, -leiter, -ingenieure und -arbeiter informieren. Eisen- und Autobahnbau in Europa und das Recycling im Straßenbau gehören zu den Themen, die im Rahmen einer internationalen Tagung diskutiert werden:

Der vierte BrennerCongress findet vom 17.–18. März und damit parallel zu den beiden Messen statt, wobei das Programm Referate aus Forschung und Praxis beinhaltet – über den BrennerBasistunnel, die neue Strecke Turin–Lyon, den Fortschritt beim Gotthard-Basistunnel, den Ausbau der Unterinntaltrasse, die Erfahrungen vom Betrieb des Lötschberg-Basistunnels und über diverse Straßenbrückenprojekte. www.viatec.it www.baumec.it

Veranstaltung in Nürnberg

Asphaltstraßentagung 2011 Am 10. und 11. Mai 2011 trifft sich die Asphaltbranche in Nürnberg, um sich aus verschiedenen Blickwinkeln über die aktuellsten Entwicklungen auf dem Gebiet des (Asphalt-)Straßenbaus zu informieren. Organisiert von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e. V., werden hier in der ersten Vortragsreihe Ergebnisse der Wissenschaft als Grundlagen für die Praxis dargestellt, wobei das Themenspektrum von der

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Modellierung von Asphalt über dessen Gebrauchseigenschaften und die Möglichkeiten der Lärmminderung bis hin zu Anwendungsgrenzen und Bewertungskriterien von Untersuchungen reicht. Das Programm der zweiten Vortragsreihe umfasst hingegen die neuesten Regelwerke und Normen sowie deren Umsetzung in die Praxis, Änderungen und Erläuterungen der »klassischen« Richtlinien ebenso umfassend wie Aspekte der baulichen Erhaltung oder aber von

Kriterien des Niedrigtemperaturasphalts und der Performance von Asphalt generell. Komplettiert wird das Ganze durch Fragen und Antworten der Praxis: Wiederverwendung von Ausbauasphalt, Anwendung der rechnerischen Dimensionierung von Asphaltstraßen, Einflussgrößen auf die Dimensionierung etc. Das ausführliche Programm ist in Kürze im Internet zu finden. www.fgsv.de


ST E L L E N M A R K T

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IMPRESSUM

BRÜCKENBAU

ISSN 1867-643X 3. Jahrgang Ausgabe 1 . 2011 www.zeitschrift-brueckenbau.de Herausgeber und Verlag

VERLAGSGRUPPE W I E D E R Smit MixedMedia P A Konzepts HN

Biebricher Allee 11 b D-65187 Wiesbaden Tel.: +49 (0)6 11/84 65 15 Fax: +49 (0)6 11/80 12 52 www.verlagsgruppewiederspahn.de Redaktion Dipl.-Ing. Michael Wiederspahn mwiederspahn@verlagsgruppewiederspahn.de Anzeigen Ulla Leitner Zur Zeit gilt die Anzeigenpreisliste vom Januar 2010. Satz und Layout Christina Neuner Druck Schmidt & more Drucktechnik GmbH Haagweg 44, 65462 Ginsheim-Gustavsburg Erscheinungsweise und Bezugspreise Einzelheft: 14 Euro Doppelheft: 28 Euro Abonnement: Inland (4 Ausgaben) 56 Euro Ausland (4 Ausgaben) 58 Euro Der Bezugszeitraum eines Abonnement beträgt mindestens ein Jahr. Das Abonnement verlängert sich um ein weiteres Jahr, wenn nicht sechs Wochen vor Ablauf des berechneten Bezugszeitraums schriftlich gekündigt wird. Copyright Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags in irgendeiner Form reproduziert oder in eine von Maschinen verwendbare Sprache übertragen werden. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlags strafbar. Beilage Die Gesamtauflage von Ausgabe 1 . 2011 enthält eine Beilage der Delta Bloc Deutschland GmbH, Neumarkt.



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