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RÜCKSPIEGEL

Das Bodmerhaus, wo Goethe mehrmals Gast war.

RÜCKSPIEGEL — 1936

Wie Doktor Faust an die UZH kam

Der Treppensteig auf der Südseite der UZH müsse einen Namen erhalten, das war der Wunsch eines besorgten Bürgers der Stadt Zürich. Gustav Ewig, seines Zeichens Kanzlist der Zürcher Einwohnerkontrolle, wies den Stadtrat per Eingabe am 6. Mai 1934 darauf hin, dass der besagte Wegabschnitt unbenannt sei. Er schlug auch gleich einen Namen vor: Schibelsteig, nach dem langjährigen Direktor der Blinden- und Taubstummenanstalt Johann Georg Schibel, der diese von 1832 bis 1892 leitete. Das ursprüngliche Gebäude der Blinden- und Taubstummenanstalt befand sich nämlich auf dem Grundstück des 1914 erbauten Hauptgebäudes der Universität. Der Vorschlag kam allerdings nicht weit. Stattdessen wurde der Weg 1936 auf Geheiss eines Mitglieds der Strassenbenennungskommission als «Doktor- Faust-Gasse» bezeichnet.

Weiter begründet wurde die Namenswahl nicht. Fürwahr, Doktor Johann Georg Faust war ein mittelalterlicher Gelehrter und seine historische Person bot auch Stoff für Goethes wohl bekanntestes Werk. Das Deutsche Seminar ist einen Steinwurf entfernt von der Gasse, die lange von den Literaturarchiven anderer prominenter deutschsprachiger Autoren ummantelt war. Warum also ausgerechnet Faust? Vielleicht ein Wink mit dem Zaunpfahl, denn Goethe war auf seinen Schweizerreisen mehrere Male Gast auf dem angrenzenden Gutshaus, das vom Dichter und Übersetzer Johann Jakob Bodmer von 1739 bis 1783 bewohnt wurde. Allerdings waren die Besuche nicht mehr als eine Geste des Anstands, bedingt durch den Generationenunterschied der beiden Schriftsteller. So hiess es auf der alten Website des Thomas-Mann-Archivs, das im Bodmerhaus untergebracht war: «Für Bodmer war Goethe ein ‹Kraftnarr›, der aus dem Doktor Faustus eine ‹Farce› machen werde; Goethe anerkannte Bodmers Übersetzungsleistungen, schätzte ihn aber kaum als Autor.»

Geistreiche Versuche, Goethes Bezug zum Universitätsstandort mehr Gewicht zu verleihen, gab es auch nach der Benennung des Wegabschnitts: zum Beispiel für einen Aprilscherz der UZH Kommunikation im Jahr 2005. Dort wurde – kurz nach der Einführung des allgemeinen Rauchverbots an der UZH – behauptet, Goethe soll im Nebengebäude des Bodmerhauses mit dem Eigennamen «Schnäggli» rauchend am Urfaust geschrieben haben. Inge Moser, UZH-Archiv

Stärkere Verbindungen schafft niemand.

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