USZinside 2/2024

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« In jeder Operation steckt Teamarbeit

6 Pflege international Lernende von USZ und Universitätsklinikum Hamburg im Austausch

8 Wenn dem Herzen die Kraft schwindet

Was kann man bei Herzinsuffizienz tun?

12 «Ich dachte, das könnten meine letzten Veloferien sein»

Hansjörg Feurer erzählt von seiner Hornhauttransplantation.

14 Sehen dank Spenden

Für die Augenhornhaut gibt es noch keinen künstlichen Ersatz.

18 Unsichtbar und unverzichtbar

Sie arbeiten, während der Patient schläft. Über die Aufgaben der verschiedenen Berufsgruppen im Operationssaal.

22 Ambulantes Operieren am USZ Flughafen Welche Vorteile bringt es für die Patientinnen und Patienten?

24 Einblick in den Operationssaal Wer und was befindet sich im Operationssaal?

26 Grosse und komplexe Operation bei Pankreastumor

Der Eingriff nach «KauschWhipple» kommt bei Bauchspeicheldrüsenkrebs zum Einsatz.

28 «Den Prozess der Regeneration habe ich unterschätzt» Wie Philipp Bachmann die Operation bei Pankreastumor erlebt hat.

30 Bei seinen Operationen zählt jeder Millimeter Giuseppe Esposito operiert Patienten am Gehirn.

Die Zeit steht still

Die meisten Menschen fürchten sich vor einer Vollnarkose. Ist der Eingriff vorbei, sind die Ängste weg.

32 Vielfältige Expertise

Was machen Advanced Practice Nurses APN?

35 Gastbeitrag

Phillippe Ganz über die präzise Intubation dank KI

36 #facesofusz

Jonas Ekeberg schützt Patienten und Mitarbeitende vor Strahlung.

38 Bewegung ist Medizin Gezieltes Training kann ebenso wirksam sein wie Medikamente oder Psychotherapie.

40 Risikovorhersagen dank künstlicher Intelligenz Komplikationen nach Hirnblutung besser voraussagen dank einer IT­Plattform

42 Epilepsie: Gewitter im Gehirn

Wie wird Epilepsie behandelt?

Liebe Leserin, lieber Leser

Ich freue mich sehr, Ihnen die neueste Ausgabe unseres Magazins «USZinside» zu präsentieren, die sich einem ganz zentralen Aspekt unserer täglichen Arbeit widmet: den Operationen. In dieser Ausgabe nehmen wir Sie mit auf eine Reise zu den hochkomplexen und lebensrettenden Prozeduren, die im USZ tagtäglich stattfinden.

Die Artikel in diesem Heft zeigen die beeindruckende Bandbreite des chirurgischen Könnens unserer Operationsteams – von ambulanten Eingriffen bis hin zu spezialisierten Operationen wie der «Whipple-OP» bei Pankreastumoren oder hoch präzisen Eingriffen am menschlichen Gehirn. Diese Berichte unterstreichen nicht nur unser spezifisches medizinisches und auch technisches Know-how, sondern vor allem die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsgruppen, die in unseren Operationssälen arbeiten.

Besonders stolz sind wir darauf, Ihnen in dieser Ausgabe einige unserer Advanced Practice Nurses (APN) vorzustellen. Diese hoch qualifizierten Pflegefachkräfte spielen eine entscheidende Rolle in der Betreuung unserer Patientinnen und Patienten und sind ein Beleg für die umfassende fachliche Expertise, die das USZ auszeichnet.

Ein weiteres Highlight ist der Einblick in unser ICU-Cockpit, wo wir mithilfe künstlicher Intelligenz Risikovorhersagen treffen. Diese Innovationen verbessern nicht nur die Patientensicherheit, sondern auch die Effizienz unserer Abläufe.

Diese Ausgabe von «USZinside» spiegelt unser aller unermüdliches Streben wider, medizinische Exzellenz zu bieten und gleichzeitig die menschliche Seite unserer Arbeit nicht aus den Augen zu verlieren. Der Einsatz unserer Mitarbeitenden und ihre Expertise machen solche Erfolgsgeschichten erst möglich. Ich danke ihnen allen für ihren grossen Einsatz und all ihre Energie. Jeder von ihnen trägt dazu bei, dass das USZ ein Ort des Vertrauens und der Spitzenmedizin ist.

Ich wünsche Ihnen eine inspirierende Lektüre!

Pommes und Papier

Vielleicht haben Sie es bemerkt: Das USZinside wird seit dieser Ausgabe in einer neuen Folie verpackt und auf ein anderes Papier gedruckt. Beide sind umweltfreundlich. Die Folie wird aus Kartoffelschalen hergestellt.

Wir möchten, dass das USZinside unbeschadet bei Ihnen ankommt. Daher lassen wir es nach dem Druck verpacken. Die neue Folie wird aus Kartoffelschalen hergestellt. Es handelt sich um ein Abfallprodukt der Pommes­frites­Herstellung und ist umweltfreundlicher als Plastik auf Erdölbasis. Die CO2­Bilanz der Kartoffelfolie ist zudem besser als die eines Umschlags aus Papier. Im Vergleich zu Papierhüllen ist der Rohstoffeinsatz viermal geringer. Auch Luft und Wasser werden weniger belastet und das Deponievolumen ist beim Papier um ein Vielfaches höher.

Beim Papier haben wir vom Munken Kristall auf PlanoSpeed New umgestellt. PlanoSpeed New ist chlorfrei gebleicht und trägt das FSC­Label sowie das EU Ecolabel. Letzteres stellt sicher, dass die gesamte Papierproduktion – und damit der gesamte Lebenszyklus des Papiers – hohen Umweltanforderungen genügt. Strenge Richtlinien regeln den Herstellungsprozess, von der Nutzung der Rohstoffe und Chemikalien über den Energieverbrauch, Wasser und Luftemissionen bis hin zur Abfallwirtschaft.

BIOGAS

70 000 kWh

Biogas konnte das USZ 2023 mit am USZ gesammelter Biomasse produzieren. Das entspricht der Menge, die 13 Einfamilienhäuser in Zürich während eines Jahres verbrauchen. In der Hotellerie am USZ fallen pro Monat rund 21 Tonnen Biomasse an – zum Beispiel in Form von Rüstabfällen aus der Küche sowie Nahrungsmittel, die von Mitarbeitenden oder Patientinnen nicht konsumiert worden sind. Von der Bananenschale über das nicht verkaufte Sandwich bis zu Speiseresten auf den Tellern der Gäste – was an Biomasse für die Stromproduktion mit Biogas wiederverwendet werden kann, landet im «Biomaster» des USZ. In diesem Tank in den Kellerräumlichkeiten der USZ­Küche sammelt die Hotellerie die USZ­Küchenabf älle. Der Biomaster zerkleinert die  Abfälle mit einem Häcksler und verflüssigt sie mit Wasser, bis eine Art Brei aus Biomasse entsteht. Zweimal pro Monat saugt die Recycling Energie AG den Inhalt mit einem breiten Schlauch ab, füllt ihren Tankwagen und bringt die Biomasse in ihre Biogasanlage, wo das Unternehmen Ökostrom produziert.

Das war ein Fest!

Viele strahlende Gesichter sagen mehr als alle Worte.

Etwas mehr als 8000 Mitarbeitende machten das USZSommerfest 2024 zu einem grossen Erfolg. An drei Abenden im Juli und August wurde getanzt, gefeiert, gelacht und genossen und das Wässerwies­Areal in eine USZ­Festhütte verwandelt. Insgesamt wurden fünf verschiedene Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne abgefeiert, fast 25 000 Liter Bier getrunken und unendlich viele gute Vibes verteilt.

Vielen Dank!

Was ist eigentlich Toxoplasmose?

Die Toxoplasmose ist eine vom Tier auf den Menschen übertragbare Infektion: eine Zoonose. Sie wird durch den Parasiten Toxoplasma gondii verursacht, der sich nur in Katzenartigen vermehren kann. Die Katze wird deshalb als Endwirt bezeichnet. Als Zwischen- oder Fehlwirte dienen den Parasiten Säugetiere, Vögel – und der Mensch. Eine Ansteckung passiert beim Kontakt mit dem Kot infizierter Katzen, über Katzenstreu oder durch engen Katzenkontakt. Der Konsum von rohem oder wenig gegartem Fleisch eines der Zwischenwirte oder ungewaschenem rohen Obst und Gemüse stellt eine weitere Infektionsquelle dar. Die Infektion verläuft oft unbemerkt, kann aber grippeähnliche Symptome verursachen. Immungeschwächte Menschen können einen schweren Verlauf mit Gehirnbeteiligung erleiden. Bei Schwangeren kann die frische Infektion zu Fehlbildungen des ungeborenen Kindes oder sogar zur Fehlgeburt führen. Die Toxoplasmose ist zwar medikamentös behandelbar, das Wichtigste ist aber die Prävention: sorgfältige Essenszubereitung und Händewaschen vor dem Essen und nach jedem möglichen Kontakt mit Katzenkot.

Internationale Zusammenarbeit im Pflegebereich

Seit der Coronapandemie unterhält das USZ ein Austauschprogramm mit dem Universitätsklinikum Hamburg (UKE). Auch diesen Sommer absolvierten Lernende ein spannendes Praktikum.

Text: Ramon Müller, Moritz Suter Bilder: Isabel Koch, Universitätsspital Zürich

Internationale Kooperationen im Pflegebereich sind von zentraler Bedeutung für den Fortschritt und die Weiterentwicklung der Pflegepraxis. Ein Beispiel dafür ist das Austauschprogramm zwischen dem USZ und dem Universitätsklinikum Hamburg­Eppendorf (UKE). Diese Partnerschaft ermöglicht nicht nur den Austausch wertvoller internationaler Erfahrungen, sondern fördert auch die persönliche und fachliche Entwicklung der Nachwuchskräfte.

Am USZ herzlich aufgenommen Im Sommer 2024 absolvierten sechs Pflegestudierende des UKE ein vierwöchiges Praktikum am USZ. Im Gegenzug verbrachten fünf Lernende des Bildungsganges Fachfrau/Fachmann Gesundheit (FaGe) drei Wochen am UKE in Hamburg. Die Studierenden aus Hamburg wurden am USZ herzlich aufgenommen und rasch in die Arbeitsabläufe integriert. Besonders geschätzt wurden die strukturierte Kommunikation und die Möglichkeit, trotz der kurzen Aufenthaltsdauer von wenigen Wochen bereits eigenverantwortlich zu arbeiten. Das allgemeine Feedback der Auszubildenden war, dass diese Erfahrung ihre fachlichen Kompetenzen deutlich stärkte.

Wertvolle Erfahrungen im fachlichen wie menschlichen Bereich «Die herzliche Aufnahme und die professionelle Umgebung am USZ haben uns beeindruckt. Wir konnten viel lernen und wertvolle Erfahrungen sammeln», fasst Laura Elits, eine Pflegestudentin im zweiten Ausbildungsjahr aus Hamburg, ihre Praktikumswochen zusammen. Auch Linda Bosson, Lernende Fachfrau Gesundheit am USZ, berichtet euphorisch von ihren Erfahrungen: «Die Anpassung an die typisch hamburgische ‹Klapp ­

stulle› und ungewohnten Abläufe war zunächst eine Herausforderung. Doch ich habe viele neue Ansätze in der Pflege und Arbeitsprozessen kennengelernt, die ich als äusserst wertvoll für meine persönliche und berufliche Entwicklung erachte.» Der Austausch habe ihr geholfen, offener auf neue Menschen zuzugehen und sich schnell in neuen Situationen zurechtzufinden.

Beide Universitätsspitäler profitieren von diesen Austauschprogrammen, die neue Impulse für die Pflegepraxis setzen und den internationalen Dialog fördern. Sie positionieren sich damit als attraktive Ausbildungsstätten. Diese Zusammenarbeit ist ein bedeutender Schritt in Richtung einer kontinuierlichen Weiterentwicklung und unterstreicht das Engagement des USZ für Exzellenz in der Pflege.

Stephan Nabholz

Leiter Berufsbildung am USZ

Wie kam die Zusammenarbeit mit dem UKE zustande?

Solche Austauschprogramme waren ein schon lange gehegtes Vorhaben. Nachdem gegen Ende der Pandemie das freie Reisen wieder möglich wurde, konnten wir es endlich umsetzen. Begonnen hat die Zusammenarbeit tatsächlich mit einer einfachen Mailanfrage an das UKE. Anhand der sehr positiven und unkomplizierten Rückmeldung aus Hamburg merkten wir rasch, dass konkretes Interesse bestand.

Welche Learnings zieht das USZ aus dem Austausch?

Wir ziehen ein durchwegs positives Fazit. Der Austausch ist für alle Teilnehmenden eine Bereicherung. Die USZ­Lernenden haben ihre Erfahrungen mit dem folgenden Jahrgang geteilt: «Unbedingt empfehlenswert» und «ihr könnt nur gewinnen» waren Sätze, die nicht selten gefallen sind. Die Lernenden erlebten eine Steigerung der Motivation und Kompetenzentwicklung, beruflich wie auch persönlich. Mit diesem Austausch steigt die Qualität der Ausbildung am UKE und am USZ. Nicht zuletzt steigert das Programm die Attraktivität der beiden Ausbildungsbetriebe USZ und UKE.

Wird es weitere solcher Austausche geben?

Die Pflegestudentinnen aus Hamburg nahmen viel aus ihrer Zeit in Zürich mit.

Das Projekt ist für 2025 gesichert, es ist auf beiden Seiten organisatorisch etabliert. Die konkrete Planung für den Sommer 2025 ist aufgegleist. Die Aussichten, dass es auch in den kommenden Jahren weitergeführt werden kann, sind gut. Wir freuen uns bereits jetzt!

Wenn dem Herzen die Kraft schwindet

Pumpt das Herz nicht mehr ausreichend Blut, fehlen anderen Organen Sauerstoff und Nährstoffe. Der Mensch wird krank. Das USZ verfügt über ein Ambulatorium, in dem ein spezialisiertes Team Betroffene behandelt.

Text: Barbara Beccaro
Bilder: Adobe Stock, Christoph Stulz

Herzinsuffizienz, auch als Herzschwäche bekannt, ist eine weitverbreitete Erkrankung, an der in der Schweiz rund 300 000 Menschen leiden. Sie ist somit die häufigste und tödlichste aller Herzerkrankungen. Betroffen sind

häufig ältere Menschen und oft ist sie das Ergebnis einer Vorerkrankung wie Bluthochdruck oder verengten Herzkranzgefässen. Als universitäres Zentrum bietet das USZ umfassende Diagnosemöglichkeiten und zeitgemässe Therapieangebote. Alljährlich werden in den Sprechstunden des Herzinsuffizienz­Teams rund 3500 Konsultationen durchgeführt.

CAS HERZINSUFFIZIENZ

Herzinsuffizienz hat sich weltweit zu einer ernsten chronischen Krankheit entwickelt. Ihre Behandlung erfordert speziell ausgebildete Kardiologinnen und Kardiologen. Die Klinik für Kardiologie hat bereits im Jahr 2014 gemeinsam mit der Heart Failure Association (HFA) und der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie einen zweijährigen Weiterbildungskurs aufgebaut, der mit einem Certificate of Advanced Studies (CAS) in Heart Failure der Universität Zürich abgeschlossen wird.

Frühzeitiges Erkennen verbessert Prognose Durchschnittlich 70 Mal in der Minute pumpt ein gesundes Herz etwa 80 Milliliter Blut in den Körper eines Erwachsenen. Bei körperlicher Anstrengung erhöht sich dieses Volumen um ein Mehrfaches. Eine Herzinsuffizienz entsteht, wenn der Herzmuskel nicht mehr ausreichend Blut pumpen kann, was zu einer unzureichenden Versorgung der Organe mit Sauerstoff und Nährstoffen führt. Typische Symptome einer Herzschwäche sind Kurzatmigkeit, geschwollene Beine, Müdigkeit und eine verminderte Leistungsfähigkeit. Zu den Ursachen zählen neben Bluthochdruck und verengten Herzkranzgefässen zum Beispiel Herzmuskelentzündungen, Herzklappenfehler, Amyloidose, angeborene Herzfehler oder Herzrhythmusstörungen.

Seither wächst das internationale Netzwerk «Postgraduate Course in Heart Failure» stetig. Es umfasst heute bereits über 320 Alumni. «Der Kurs ist weltweit anerkannt und ermöglicht es jungen Kolleginnen und Kollegen, einen zertifizierten Abschluss zu erwerben», sagt Frank Ruschitzka, Direktor der Klinik für Kardiologie am USZ. heartfailurecourse.com

«Die Herzinsuffizienz ist ein breites Gebiet und am USZ können wir eine ganzheitliche Behandlung betroffener Patienten anbieten. Von der Diagnostik, um herauszufinden, woher die Herzinsuffizienz kommt, bis hin zur passenden Therapie», erklärt Andreas Flammer, der den Bereich Herzinsuffizienz am USZ leitet. Eine Herzinsuffizienz ist das letzte Stadium einer Herzerkrankung. Die Prognose hängt stark von der allgemeinen Gesundheit, dem Alter und dem Lebensstil der Betroffenen ab. Ein frühzeitiges Erkennen der Erkrankung und eine konsequente Therapie können die Lebensqualität und ­ erwartung erheblich verbessern.

Sorgfältige Diagnostik für optimale Therapie

Die Diagnose beginnt mit einer umfassenden Anamnese und körperlichen Untersuchung. «Der Bereich der Herz­

insuffizienz am USZ ist internistisch und interdisziplinär gut vernetzt», sagt Andreas Flammer. Ein typischer Patient wird von einem niedergelassenen Kardiologen überwiesen, der will, dass er in einem Zentrum gesehen und beurteilt wird. Andreas Flammer und sein Team klären den Zustand des Patienten sorgfältig ab. Dazu gehören in der Regel eine Echokardiografie, spezielle Belastungstests, aber auch Katheteruntersuchungen, um ein detailliertes Bild des Herzens zu erhalten. Ist die Erkrankung stabil, kann der Patient ambulant betreut werden. Verschlechtert sich sein Zustand, muss er möglicherweise im Spital behandelt werden, wo er auch akutmedizinische Betreuung erhält, um das Herz zu stabilisieren. Den spezialisierten Ärztinnen und Ärzten stehen heute vielfältige Möglichkeiten und Therapien zur Verfügung, um die Krankheit zu behandeln.

Die Echokardiographie ist ein Mittel zur Erkennung einer Herzinsuffizienz. Um eine sichere Diagnose stellen zu können sind meist weitere Untersuchungen wie Belastungstests notwendig.

Vielfältige Behandlungsoptionen

Die Behandlung der Herzinsuffizienz am USZ umfasst verschiedene Ansätze, die von medikamentösen Therapien bis hin zu komplexen chirurgischen Eingriffen reichen. «Mit Medikamenten lässt sich viel erreichen. In den letzten Jahren wurden zahlreiche neue Wirkstoffe entwickelt, welche die Prognose deutlich verbessern», sagt Andreas Flammer. Neben Medikamenten gibt es inter ventionelle Verfahren wie die Behandlung von koronaren Herzerkrankungen oder die Korrektur von Herzklappenfehlern. Vorhofflimmern oder Rhythmusstörungen können mit einer Ablation behandelt werden. Bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz kommen implantierbare Defibrillatoren und spezielle Schrittmacher zum Einsatz, die das Herz synchronisieren. Im Katheterlabor arbeiten Fachpersonen der Herzin­

suffizienz, der Rhythmologie und der interventionellen Kardiologie Hand in Hand.

Die Behandlungsmöglichkeiten sind vielfältig und individuell auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten abgestimmt. «Nicht alles, was machbar ist, ist auch sinnvoll. Unsere Aufgabe ist es, den Herzpatienten ganzheitlich zu sehen», betont der Spezialist für Herzinsuffizienz.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit zentral

Eine Besonderheit des USZ ist die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit. Fachpersonen der Herzinsuffizienz sind im ganzen Spital unterwegs, gehen bei Bedarf mit auf Visite und beobachten die betroffenen Patientinnen und Patienten genau. «Eine Charakteristik dieser Erkrankung ist, dass die Patienten ‹dekompensieren› können, also der Körper die durch eine Erkrankung entstandenen Defekte nicht mehr ausgleichen kann. In der Folge kann sich Wasser in den Beinen oder auf der Lunge ansammeln, was zu Atemproblemen und schlimmstenfalls zu einer Verlegung auf die Intensivstation führen kann», erklärt Andreas Flammer.

Wenn die Krankheit sehr weit fortgeschritten ist und es trotz der erwähnten Therapien immer wieder zu

solchen Dekompensationen kommt, gibt es drei Möglichkeiten: Es kann eine sogenannte Assist­Device, eine Art «Kunstherz», eingesetzt werden, oder es kommt zu einer Herztransplantation. Für beides müssen sich die Betroffenen qualifizieren. Fällt der Entscheid hingegen für die Palliation, werden die Patienten betreut, bis sie sterben.

Kunstherzen und Herztransplantationen Assist­Devices und Herztransplantationen fallen in den Bereich der hochspezialisierten Medizin (HSM) und dürfen nur von drei Zentren in der Schweiz durchgeführt werden. Eines davon ist das USZ. Betroffene Patienten werden im Herzinsuffizienz­Team eingehend abgeklärt sowie vor und nach dem Eingriff betreut. Dafür arbeitet das Team sehr eng mit Klinikdirektor Omer Dzemali und seinem Team der Herzchirurgie zusammen, aber auch mit Anästhesisten, Intensivmedizinern und weiteren Fachpersonen aus anderen Disziplinen. Für die Entscheidungsfindung bei diesen weitreichenden Therapien ist das interdisziplinäre Heart Team verantwortlich. «Mit einem Assist­Device können Betroffene gut leben und allenfalls die Zeit bis zur Herztransplantation überbrücken. Nach der Transplantation beginnt für die

KUNSTHERZ

Assist-Devices sind mechanische Kreislaufunterstützungssysteme, die bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz eingesetzt werden, wenn keine andere Therapie mehr möglich ist. Für die Unterstützung der linken Herzkammer werden sogenannte Zentrifugalpumpen genutzt. Sie sind in den Herzbeutel implantiert und über ein dünnes Steuerkabel im Bereich des Bauchs mit einer batteriebetriebenen Steuereinheit verbunden. In einer Tasche kann der Patient diese Steuereinheit samt Ersatzbatterien mittragen und sich so im Alltag normal bewegen.

Patientinnen und Patienten ein neues Leben», erklärt der Spezialist. Jedes Jahr werden am USZ 10 bis 20 Patienten transplantiert und etwa gleich viele erhalten ein Assist­Device Sie alle müssen umfassend nachbetreut werden. Das HerzinsuffizienzTeam kümmert sich in spezialisierten Ambulatorien auch nach Implantation oder Transplantation rund um die Uhr um diese Patientinnen und Patienten. Die Einstellung der Immunsuppression ist dabei eine besondere Herausforderung und erfordert das Wissen von Fachleuten. Dasselbe gilt für die regelmässig notwendigen Biopsien am Herzen.

Bessere Lebensqualität erreichen Herzinsuffizienz ist eine komplexe chronische Erkrankung, die eine umfassende und individuell angepasste Behandlung erfordert. Das USZ verfügt dafür über modernste Diagnose ­ und Therapiemöglichkeiten und interdisziplinäre Prozesse. «Unsere Aufgabe ist es, für jeden Patienten sorgfältig zu prüfen, wann welche Therapie sinnvoll ist. Mit unserer Arbeit können wir dazu beitragen, die Lebensqualität unserer Patientinnen und Patienten zu verbessern», betont Andreas Flammer.

Assist-Devices werden in der Regel als Überbrückung bis zu einer Herztransplantation eingesetzt. Seit einigen Jahren werden Systeme für die linke Herzkammer auch als definitive Behandlung genutzt. Dies vor allem bei Patientinnen und Patienten, für die eine Transplantation aus medizinischen Gründen nicht mehr infrage kommt. In den letzten Jahren wurden am USZ bereits über 100 solcher Systeme implantiert. AssistDevices sind Mittel der hochspezialisierten Medizin (HSM) und werden in Zentren mit einem entsprechenden Leistungsauftrag genutzt.

«Ich dachte, das könnten meine letzten Veloferien sein»

Hansjörg Feurers Erkrankung führt unaufhaltsam zur Erblindung. Nach einer Hornhauttransplantation an beiden Augen fährt er wieder VBZ-Bus und Velo.

Text: Martina Pletscher

Bilder: Shutterstock, Christoph Stulz

«Ich habe mein ganzes Berufsleben im Dienst des öffentlichen Verkehrs verbracht: erst als Lokomotivführer und Disponent bei den SBB, dann als Leiter Betrieb Bus bei den Verkehrsbetrieben Zürich. Das war zwar ein Bürojob, aber als Vorgesetzter aller VBZ­Buschauffeure und ­ chauffeusen wollte ich auch Dienst machen können, wenn Not am Mann ist, und habe deshalb noch die Prüfungen dafür gemacht. Zum Fahren trug ich eine Brille, hatte sonst aber keine Sehschwierigkeiten. Als ich eine Verschlechterung beim Sehen feststellte, liess ich mich beim Augenarzt untersuchen.

Der Arzt vermutete eine StarErkrankung. Eine zweite Augenärztin erkannte dann aber schnell, dass ich an einer Hornhauttrübung leide. Ursache ist eine Fuchs­Endotheldystrophie. Die sehr seltene Erkrankung führt beidseitig zu einer zunehmenden Hornhauttrübung bis zur Erblindung. Dagegen hilft nur, die getrübte Hornhaut durch eine gesunde Hornhaut eines verstorbenen

Menschen zu ersetzen, die er oder sie zur Spende freigegeben hat. Hätte ich die Operation nicht machen lassen, wäre ich also innerhalb weniger Jahre blind geworden. Ich musste deshalb auch nicht lange nachdenken, ob ich das mache oder nicht. Die Ärztin überwies mich an die Augenklinik des USZ und ich wurde auf die Warteliste für eine Hornhauttransplantation gesetzt. Meine Sehfähigkeit verschlechterte sich. Ich konnte zwar meine Arbeit im Büro noch machen und durfte auch noch Auto fahren, aber einen Bus führen ging nicht mehr. Ich bin ein leidenschaftlicher Velofahrer. Zum Auftakt der Velosaison reise ich seit Jahren im Frühling immer wieder an die Costa Brava und freue mich jedes Mal schon sehr darauf. Hatte mich die Diagnose gar nicht so erschüttert, ging mir in den nächsten Veloferien beim Anblick der wunderschönen Küstengegend und der bunten Blumen dann aber doch immer wieder durch den Kopf, ob das meine letzten Veloferien sein könnten. Aber auch, wie es nach der Operation sein würde, denn es gibt ja keine Garantie, dass sie ge ­

lingt, und man weiss auch nicht, wie gut man letztlich wieder sehen wird. Vor vier Jahren und sechs Wochen, an einem Dienstag, wurde ich zur Transplantation aufgeboten, die Operation war am Donnerstag. Die neue Hornhaut wird mit Gas im Auge nach aussen gedrückt, damit sie sich gut anpasst. Deshalb musste ich nach dem Eingriff für 24 Stunden strikt auf dem Rücken liegen. Mein Zimmerkollege hatte denselben Eingriff. Nachdem wir aufstehen durften, gingen wir immer wieder zum Fenster und verfolgten begeistert, wie unsere Sicht jedes Mal klarer wurde. Uns erfüllte beide grosse Dankbarkeit für die Menschen, die uns ihre Hornhaut gespendet hatten. Noch bevor ich aus der Augenklinik entlassen wurde, liess ich mich als Organspender registrieren. Nach sechs Monaten wurde das zweite Auge am USZ operiert. Die Trans­

plantation war auch hier ein voller Erfolg. Es sei keine Selbstverständlichkeit, sagte mein Chirurg Frank Blaser, dass bei einer beidseitigen Hornhauttransplantation bei beiden Augen alles derart perfekt herauskomme. Meine Fitness könnte dazu beigetragen haben. Alle sechs Monate muss ich zur Kontrolle ins USZ und jeden Morgen Augentropfen nehmen. Ich habe eine App, die mich daran erinnert, aber ich habe es noch kein einziges Mal vergessen. Und gerade hat der Vertrauensarzt meine Fahrfähigkeit für weitere drei Jahre bestätigt. Ich darf also auch jetzt, über meine Pensionierung hinaus, noch Dienst bei den VBZ tun und bei Engpässen oder Sondereinsätzen wie Silvester aushelfen. Und ich geniesse das Velofahren. Heute Morgen konnte ich die Zeitung ohne Brille lesen. Alles hat bei mir den denkbar besten Verlauf genommen.»

Sehen dank Spenden

Eine Augenhornhautspende kann gleich mehrere Menschen vor dem Erblinden bewahren. Trotz Fortschritten in der Forschung gibt es für die Hornhaut nämlich noch keinen künstlichen Ersatz.

Text: Martina Pletscher

Bild: Adobe Stock

Die Augenhornhaut (Cornea) ist die transparente Schicht über der Pupille und der Iris des menschlichen Auges. Ist ihre Lichtdurchlässigkeit durch eine Trübung beeinträchtigt, kommt es zu einer unscharfen Sicht. Schreitet eine Hornhauttrübung fort, kann sie bis zur Erblindung führen. Ursachen für eine Hornhauttrübung können Verletzungen oder Entzündungen des Auges sein, aber auch verschiedene Augenkrankheiten, Stoffwechsel­ und Autoimmunerkrankungen. «Häufig sind betroffene Patientinnen und Patienten deshalb schon in einer Behandlung beim Augenarzt und die zunehmende Trübung wird in deren Verlauf festgestellt», sagt Frank Blaser, Augenarzt und Spezialist für Hornhauterkrankungen in der Augenklinik des USZ.

Die Patientinnen und Patienten leiden infolge der Trübung an einem zunehmenden Verlust ihrer Sehfähigkeit, häufig verbunden mit einer erhöhten Blendempfindlichkeit. «Je nach Ursache und Zeitpunkt der Diagnose wird eine Hornhauttrübung mit Medikamenten behandelt. Haben sich durch die Erkrankung

Narben auf der Hornhaut gebildet, versuchen wir, diese mit Laser abzutragen», so Frank Blaser. «Schreitet die Trübung fort und droht die Erblindung, ist eine Hornhauttransplantation jedoch die einzige Möglichkeit, die Sehfähigkeit wiederherzustellen.»

Kein künstlicher Ersatz

Die ersten Hornhauttransplantationen wurden bereits 1906 gemacht. Wurde früher dabei die gesamte Hornhaut ersetzt, ermöglichen Fortschritte in den Operationstechniken heute hochpräzise individuelle Lösungen und damit meistens den nur teilweisen Ersatz der betroffenen Abschnitte oder Schichten. Das hat auch den Vorteil, dass eine für die Transplantation gespendete Hornhaut aufgeteilt werden kann und gleich mehreren Patienten wieder zum Sehen verhilft.

Zwar wird zu einem künstlichen Hornhautersatz geforscht, aber noch immer sind für Transplantationen menschliche Hornhäute nötig. Und davon gibt es leider zu wenige, um alle Patienten zu versorgen. «Vielen Menschen ist gar nicht bekannt, dass sie nach ihrem Tod mit ihren

Die Hornhaut ist die vorderste, transparente Schicht des Auges. Sie bündelt das Licht und spielt eine entscheidende Rolle für das Sehvermögen.

Organen auch ihre Hornhaut oder nur diese spenden können», weiss Isabelle Meneau. Sie leitet das Labor der Augenbank am Universitätsspital Zürich; einer von nur fünf Augenbanken und mit Einrichtung 1973 auch die älteste der Schweiz. «Anders als bei Herz, Lunge und Niere ist die Entnahme der Hornhaut bis zu 24 Stunden nach

«Die Entnahme der Hornhaut ist ein kleiner Eingriff, mit riesigem Nutzen

für die Empfänger.»

Isabelle Meneau, Leiterin Labor, Augenbank

Eintreten des Todes mit einem kleinen Eingriff möglich. Auch gibt es für die Spende keine Altersbegrenzung.» Und anders als bei den Organen kann die Hornhaut zudem aufbewahrt werden. Wird der Augenbank eine Spende gemeldet, fährt Isabelle Meneau zum Spender, um die Hornhaut zu entnehmen. Der Spenderin oder dem Spender ist danach nichts anzusehen.

Kaum Komplikationen dank

Hochpräzision

Wurden die Hornhäute früher in der Augenbank lediglich untersucht und aufbewahrt, werden sie dort heute auch für die weitere Verwendung vorbereitet. Nicht alle gespendeten Hornhäute sind von gleicher Qualität. Gemäss der im Reinraum der Augenbank durchgeführten Qualitätsprüfungen müssen hin und wieder Hornhäute für eine Transplantation leider ausgeschlossen werden. «Dies ist mittlerweile aber selten der Fall», erläutert Frank Blaser. So können Hornhautspenden, die sich früher nicht zur Transplantation eigneten, dank neuer Verfahren so aufbereitet werden, dass sie doch noch verwendet werden können. Auch die Geometrie der Spende ­ und Empfängerhornhaut kann heute besser abgestimmt werden. «Dies führt zu hervorragenden Ergebnissen», so Frank Blaser. «Nahezu jede Hornhauttrübung können wir so beheben und Komplikationen oder Abstossungen sind sehr selten. Jede Hornhautspende bedeutet deshalb, einen oder gleich mehrere Menschen direkt vor dem sicheren Erblinden zu bewahren.»

AUGENHORNHAUT SPENDEN

Die Corneaspende ist eine Gewebespende. Gleich wie bei der Organspende muss bei der Gewebespende das Einverständnis der verstorbenen Person schriftlich vorliegen oder die Angehörigen müssen den mutmasslichen Spendewillen bestätigen. Gewebespenden sind in der Regel einfacher zu transplantieren als Organe. Da die Cornea nicht durchblutet ist, ist die Gefahr einer Abstossung und weiterer Komplikationen geringer als bei Organen. In der Schweiz ist die Donor Care Association mit Sitz am USZ für die interkantonale Organ- und Gewebespende zuständig. www.dca.ch

Die meisten Menschen fürchten sich vor einer Vollnarkose. Ist der Eingriff vorbei, sind die Ängste weg. Ein Erlebnisbericht.

Text: Barbara Beccaro Bild: Shutterstock

«Frau Suter, hören Sie mich? Die Operation ist vorbei, es ist alles gut gegangen. Sie sind jetzt im Aufwach raum.» Miriam schaut etwas verwirrt in das Gesicht eines ihr völlig unbe kannten jungen Mannes. «Ich werde jetzt Ihren Blutdruck messen und wenn Ihr Kreislauf stabil ist, bringen wir Sie auf die Station.» Langsam kehrt das Bewusstsein zu Miriam zurück. Eben sass sie doch noch auf einer Liege, liess die Beine baumeln und war vom hellen, steril wirkenden Raum um sie herum etwas eingeschüchtert. Hinter dem gelben Vorhang hörte sie leise Stimmen. Sie

fühlte sich aufgewühlt und nervös. Zum ersten Mal in ihrem Leben musste sie operiert werden. Sie hatte Angst

und sei sehr sicher. Sie sei in guten Händen und werde nichts vom Eingriff spüren.

In den wenigen Augenblicken, in denen sich Miriam im Anschluss an das Gespräch hinter dem gelben Vorhang auszog, um das Spitalhemd überzuziehen, war ihre Nervosität schlagartig wieder zurück. Im dünnen Spitalhemd sass sie auf der schmalen Liege und fühlte sich verletzlich und schwach. Die ungewohnte Umgebung und das gänzliche Fehlen eines persönlichen Gegenstands gaben ihr das Gefühl, ausgeliefert zu sein. Sie sass in der hell erleuchteten Koje und starrte auf die Wanduhr. Wie beim Warten auf den Zug am Bahnhof erfasste sie eine seltsame Unruhe. Ihre Gedanken sprangen von

einem Thema zum nächsten. Sie überlegte, ob sie genug Getränke für die nächsten Tage zu Hause haben würde. Hatte sie die Pflanzen ausreichend gegossen? War die Tür abgeschlossen? Es waren diese kleinen, alltäglichen Dinge, die ihr plötzlich unheimlich wichtig erschienen, als würde sie die Kontrolle über ihr Leben verlieren, wenn sie auch nur eine dieser Banalitäten vernachlässigt hätte. Das Ticken der Uhr wurde lauter. Oder war das nur Einbildung?

Die Minuten krochen über das Zifferblatt. Die Zeiger der Uhr nahmen eine absurde Bedeutung in ihren Gedanken ein. Plötzlich kam es ihr vor, als zählten sie ihr Schicksal an. Langsam stieg Panik in ihr hoch. Nach einer gefühlten Ewigkeit trat eine ältere Pflegefachfrau in die Koje, sie lächelte freundlich. Miriam war unentschieden, ob sie froh darüber sein sollte, dass es endlich los ging, oder ob sie nicht lieber etwas länger den trägen Zeigern der Uhr

zugeschaut hätte, um so ihr Schicksal hinauszuschieben. Irgendwo hatte sie gelesen – oder hatte es ihr jemand erzählt? –, dass man aus einer Anästhesie so aufwache, wie man eingeschlafen sei. Sie sollte also an etwas Schönes denken, sich beruhigen. «Ich begleite Sie jetzt in den Raum, wo Sie für die Operation vorbereitet werden», erklärte die Frau, «es sind nur ein paar Schritte». Schon lag Miriam auf einer warmen Liege. Das kalte Licht der Lampen über ihr und die geschäftigen Stimmen der Menschen um sie herum lenkten sie ab. Wie aus dem Nichts stand plötzlich die Anästhesistin da. Sie hatte sie kaum wiedererkannt mit der grünen Haube und der Maske im Gesicht. Die Ärztin erklärte, sie werde ihr jetzt eine Infusion legen, dann würde es ganz schnell gehen und sie werde schlafen. «Atmen Sie ruhig und zählen Sie langsam von zehn rückwärts», sagte sie und setzte ihr dabei eine Sauerstoffmaske auf. Miriam erreichte kaum sieben, schon fiel sie in einen tiefen traumlosen Schlaf. Die Zeit stand still.

Als Miriam in das Gesicht des jungen Mannes schaute, der sie im Aufwachraum begrüsste, fühlte sie Erleichterung. Der Eingriff war vorbei, die Angst vor der Narkose und die nervöse Unruhe vor der Operation schienen weit weg. «Frau Suter, Sie haben es geschafft», hörte sie ihn sagen.

Unsichtbar und unverzichtbar

Sie sind bei jeder Operation dabei, aber meist für die Patientinnen und Patienten unsichtbar.

Erfahren Sie mehr über sechs Berufsgruppen und ihre Aufgaben im Operationssaal.

Text: Moritz Suter

Bilder: Christoph Stulz

«Wir verhindern mit unserer Arbeit unbemerkte Lagerungsschäden.»
Dominic Korn, Lagerungsfachmann

Wie es unsere Jobbezeichnung verrät, ist die optimale Lagerung von Patienten unsere Hauptaufgabe. Da die Menschen unter der Narkose keine Schmerzen spüren, können Lagerungsschäden, also Druckstellen oder Überdehnungen, unbemerkt bleiben. Wir sorgen dafür, dass das Operationsteam den optimalen Zugang zum Operationsgebiet hat. Dazu gehört neben der korrekten Lagerung und Sicherung des Patienten beispielsweise auch die Rasur des Operationsgebiets. Meistens sind wir bereits bei der Einleitung dabei und schauen, dass beim Eintritt in den Operationsbereich alles optimal vorbereitet ist. So fungieren wir als Bindeglied zwischen der Anästhesie und den Chirurginnen. Zusammenarbeit ist enorm wichtig: Wir fragen vor der Operation an, ob wir auf etwas Spezifisches achten müssen. So können wir Unklarheiten klären, was insbesondere bei schwer kranken Patienten oder solchen mit komplexen Diagnosen wichtig ist. Die Auswahl des Operationstisches erfolgt gezielt und genau auf den jeweiligen Eingriff abgestimmt. Bei Bedarf können wir die Tische mit Modulen umbauen, um auch spezielle Anforderungen erfüllen zu können.

Eine saubere Operationsumgebung ist für die Patientin von grosser Wichtigkeit: Keime und Bakterien können Wunden infizieren, was zu Komplikationen führen kann. Durch unsere Arbeit können die Patienten sicher sein, unter bestmöglichen Bedingungen operiert zu werden. Am USZ gibt es insgesamt 33 Operationssäle, die rund um die Uhr gereinigt und instandgehalten werden. Wir arbeiten im Schichtbetrieb und können so eine 24­StundenAbdeckung gewährleisten. Unser Team führt jährlich 18 000 Zwischenreinigungen durch. Diese Zwischenreinigungen sind von entscheidender Bedeutung, denn sie müssen in kürzester Zeit zwischen den Eingriffen erfolgen. Wir arbeiten deshalb eng mit den Operationsteams zusammen. Sobald ein Eingriff abgeschlossen ist und der nächste Patient in der Einleitung wartet, bereiten wir den Operationssaal für den nächsten Einsatz vor. Zusätzlich reinigen wir jeden Abend die Säle gründlich. Diese Intensivreinigung stellt sicher, dass alle Säle für den nächsten Tag optimal vorbereitet sind und die hohen Hygienestandards eingehalten werden.

«Wir

stellen sicher, dass die Patienten in einer sauberen und sicheren Umgebung behandelt werden können.»

Daniela Sofia De Andrade Oliveira, Gruppenleiterin Reinigung

«Im Aufwachraum wird interdisziplinär gearbeitet. Wir sind kompetent in allen Bereichen der Medizin.»

Melanie Wastl, Gruppenleiterin

Aufwachräume Nordtrakte

Wenn die Patienten nach der Operation erwachen, sind wir meist die ersten, die von ihnen wahrgenommen werden. Wobei «wahrgenommen» wohl zu viel gesagt ist: Die meisten Patienten sind zu diesem Zeitpunkt noch von der Narkose benommen und erinnern sich später kaum mehr an uns. Wenn die Operation beendet ist, erhalten wir die Patienten von der zuständigen Anästhesie. Ab da sind wir für die Überwachung der Vitalfunktionen, Schmerzkontrolle, Bewusstseinsüberwachung, Behandlung der Nebenwirkungen und für den Flüssigkeits­ und Elektrolythaushalt zuständig. Auch die Wundversorgung und postoperative Lagerung inklusive einer detaillierten digitalen Dokumentation gehören zu unseren Aufgaben. Sobald die Patienten stabil sind, werden sie auf die jeweiligen Stationen verlegt. Gewisse Patientinnen werden bei uns eine Nacht überwacht, beispielsweise nach neurochirurgischen Eingriffen. Das erfordert von meinem Team breit gefächerte Fachkompetenzen – bei uns ist kein Tag wie jeder andere.

Wir bereiten die Medikamente, Anästhesiegeräte und Materialien vor, damit wir dem Patienten beim Eintreffen die volle Aufmerksamkeit schenken können. Anhand von Checklisten überprüfen wir die Patientendaten. Dann legen wir einen venösen Zugang und monitorisieren die Vitalparameter. Mittels positiver Suggestion begleiten wir den Patienten ruhig in die Schlafphase. Sobald er tief genug schläft, übernehmen wir die Beatmung und sichern seine Atemwege. Bei Bedarf unterstützen wir den Kreislauf medikamentös. Im Operationssaal gehen wir eine weitere Checkliste mit den Chirurgen durch. Der Bedarf der Anästhetika wird abhängig vom chirurgischen Reiz und dem Zustand des Patienten fortlaufend reguliert. Gleichzeitig überwachen wir die Vitalparameter, die Beatmung sowie den Wärme ­ und Flüssigkeitshaushalt des Patienten. Alle Medikamente und Verrichtungen werden dokumentiert und die postoperativen Verordnungen für den Aufwachraum und die Station hinterlegt. Gegen Ende der Operation reduzieren wir die Anästhetika. So können wir die Menschen bald selbstständig atmend und stabil in den Aufwachraum verlegen. Das schönste Geschenk für mich ist, wenn sie mir beim Abschied ein Lächeln schenken!

«Eine gute Kommunikation aller Beteiligten ist unabdingbar, damit der Patient optimal versorgt wird.»

Petra Stamm­Kessler, Berufsbildnerin Anästhesiepflege

«Ein gut eingespieltes Team ist für den reibungslosen Ablauf der Operation von grosser Bedeutung.»
Jennifer Ashley Watson, Oberärztin, Klinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie

Im Operationsbereich spielen wir eine entscheidende Rolle, um einen reibungslosen Ablauf vor, während und nach einer Operation sicherzustellen. Vor dem Eingriff bereiten wir das benötigte Material vor, überprüfen Instrumente und Implantate und sorgen dafür, dass alles bereitsteht. Während der Operation arbeiten wir eng mit dem Team zusammen, um die Chirurginnen mit dem nötigen Material sowohl in der sterilen als auch in der unsterilen Zone zu versorgen. Die Kommunikation zwischen den Teams ist dabei entscheidend. Nach dem Eingriff überprüfen wir erneut sorgfältig alle Instrumente und Materialien, bevor und nachdem die Wunde verschlossen ist. Neben unseren Aufgaben im Operationssaal kümmern wir uns auch um die Planung des Operationsprogramms für den nächsten Tag, den Personaleinsatz und andere organisatorische Aufgaben, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.

Als Chirurgin trage ich eine grosse Verantwortung für das Wohl meiner Patienten. In der Plastischen und Rekonstruktiven Chirurgie führen wir viele mikrochirurgische Operationen durch, welche präzise Handgriffe und hohe Konzentration erfordern. Jeder Eingriff wird sorgfältig geplant und im Team besprochen – ohne dieses eingeübte Team können wir nicht arbeiten. Vor allem bei komplexen Rekonstruktionen ist eine genaue Planung unabdingbar. Ich versuche immer die besten Entscheidungen für meine Patienten zu treffen. Nach der Operation überwache ich bei stationären Patientinnen und Patienten den Heilungsprozess oder kontrolliere sie in der Sprechstunde nach und stehe bereit, falls Komplikationen auftreten. Mein Ziel ist stets, die Lebensqualität der Betroffenen nachhaltig zu verbessern. Diese Aufgabe erfüllt mich und treibt mich täglich an.

«Betreue die

Patienten so,

wie

du auch betreut werden möchtest. Das ist mein Grundsatz.»

Fabrizio Andriaccio, Fachmann Operationstechnik

So geht ambulantes Operieren

Die Nachfrage nach ambulanten Operationen hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. So auch am USZ. Doch was macht ambulante Operationen so attraktiv?

Ein Blick auf den Patientenpfad am USZ Flughafen liefert Antworten.

Text: Moritz Suter

Bild: Thomas Egli

Seit 2020 betreibt das USZ am Flughafen Zürich ein ambulantes Gesundheitszentrum. Am bestens vernetzten Standort wird den Patientinnen und Patienten in einer topmodernen Infrastruktur und mit Geräten der neusten Generation höchste medizinische Kompetenz geboten. In Spezialsprechstunden können auch anspruchsvolle Gesundheitsprobleme behandelt werden, für deren Lösung mehrere Fachrichtungen beigezogen werden müssen. Dies ist beispielsweise bei Schwindel der Fall. Und in einem der Geschosse des Gebäudes werden täglich bis zu 20 ambulante Operationen durchgeführt.

Optimale Prozesse

«Im 7. Stock liegt unsere Betriebsplattform OP. Sämtliche ambulanten Eingriffe werden hier durchgeführt – vom grünen Star, ein nur gerade wenige Minuten dauernder Eingriff, bis zur Brustrekonstruktion, die mehrere Stunden beansprucht», sagt Isabelle Künzler­ Geel, Abteilungsleitung An­

ästhesiepflege am USZ­Flughafen. Insgesamt elf verschiedene Fachbereiche führen am Flughafen Operationen durch. Der Ablauf ist dabei, unabhängig von der Grösse oder Art des Eingriffs, immer gleich. Und für die Patientinnen und Patienten angenehm und nicht mit unnötigem Zeitverlust verbunden. Sie werden am Vorabend telefonisch über die geplante Operationszeit und Eintrittszeit informiert und melden sich 60 bis 90 Minuten vor Beginn der Operation beim Empfang des ambulanten Operierens und werden in den Wartebereich begleitet. Danach werden sie von einer Pflegefachperson von der Eintritts­ und Austrittseinheit (EAE) in Empfang genommen und einer der zehn Kojen mit wunderbarer Aussicht auf das Rollfeld des Flughafens zugeteilt.

Die Patientin im Mittelpunkt

Es folgt einer von drei Sicherheitschecks. «Das sind eigentlich simple Fragen, die aber äusserst wichtig

sind. Ist es der richtige Patient? Wird die korrekte Operation durchgeführt? Hat er Allergien? Diese kurze Befragung ist von grosser Relevanz, um Fehler zu vermeiden und die Sicherheit der Patienten nicht zu gefährden», sagt Erika Lindgren, Co ­Leitung Pflege Anästhesie.

Stimmt bei den Checks alles, werden die Patienten mit dem Kreislauf­Monitoring versorgt und anschliessend von der Anästhesiepflege in den Operationssaal gefahren. Dabei liegen sie bereits auf dem Operationsbett und müssen nicht umgelagert werden. Die Fahrt dauert nur wenige Sekunden, denn die Säle sind in unmittelbarer Nähe zu den Kojen. Im Unterschied zu den Abläufen im stationären Setting findet nun alles im Operationssaal statt: von einem weiteren Sicherheitscheck über die Ein­

leitung der Anästhesie, dem Eingriff selbst bis zur Ausleitung. «Das ermöglicht uns eine genauere Planung der Operationen, was letztlich der Patientin zugutekommt. Unser oberstes Ziel haben wir erreicht, wenn sie bereits vor der Rückkehr in die Koje wach sind und sich anschliessend erholen können», so Isabelle Künzler­ Geel.

Familiäre Atmosphäre als Vorteil für alle Parteien

Von den Mitarbeitenden extrem geschätzt wird die familiäre Atmosphäre im Team. Das überschaubare Team besteht fast ausschliesslich aus langjährigen Mitarbeitenden, die sich bestens kennen und verstehen. «Eine Mitarbeiterin vergleicht uns jeweils mit einem Tennis­Doppel: Wir wissen aus Erfahrung, wie der Teamkollege arbeitet, genauso wie der Doppel­

partner weiss, wann er nach vorne ans Netz rücken kann. So können wir für die Patienten die bestmögliche Betreuung bieten – und wir arbeiten deutlich effizienter», so Isabelle Künzler­ Geel. Die Chirurginnen und Chirurgen aus den verschiedenen Fachbereichen kommen für die Eingriffe jeweils tageweise an den Flughafen. Auch sie schätzen die Abläufe im ambulanten Setting, wie eine Umfrage vom März 2023 zeigte. Die Prozesse am Flughafen sind aber nicht nur für die Mitarbeitenden ein grosses Plus, sondern insbesondere auch für die Patientinnen und Patienten. «Im Durchschnitt haben sie einen Aufenthalt von etwa drei Stunden», sagt Isabelle KünzlerGeel. Sie können nach den Eingriffen nach Hause zurückkehren und sich in ihrem gewohnten Umfeld erholen.

SAME DAY SURGERY

Oftmals wird Same Day Surgery mit dem ambulanten Operieren verwechselt. Bei der Same Day Surgery ist speziell, dass die Patientinnen und Patienten am Tag des Eingriffs ins Spital eintreten. Voruntersuchungen wie Blutentnahmen oder Röntgenbilder werden im Vorfeld durch den Hausarzt gemacht. Dasselbe gilt für Aufklärungsgespräche mit dem Team der Anästhesie und der Chirurgin oder dem Chirurgen. Die Patientinnen und Patienten treten erst am Operationstag auf einer der «Same Day Surgery»Stationen des USZ ein und werden nach dem Eingriff auf die stationäre Abteilung des Fachgebiets verlegt, was ihnen eine Nacht im Spital erspart.

Der Ausblick von der Koje ist genau wie die medizinische Kompetenz: erstklassig.

Einblick in den Operationssaal

Täglich werden am USZ etwa 90 Patientinnen und Patienten operiert. In 33 verschiedenen Operationssälen in neun OP-Trakten werden die unterschiedlichsten Operationen durchgeführt: Von der einfachen Glaukom-Operation bis zur hochkomplexen Transplantation –der Weg im OP-Trakt bleibt gleich.

Text: Katrin Hürlimann

Infografik: Michael Stünzi, Stünzi Visualisierung GmbH

Operationssaal

Von der Operation bekommen die Patientinnen dank der optimal dosierten Narkose nichts mit.

Personen

Patient

Operateur oder Chirurgin

Fachperson Operationstechnik HF (instrumentierend)

Fachperson Operationstechnik HF (zudienend)

Assistentin

Unterassistent

Anästhesiepfleger

Anästhesiearzt

Infrastruktur und Maschinen

Pendel für Geräte- und Stromanschlüsse

Arbeitsplatz mit Computer

Steriler Beistelltisch

Steriler Instrumentiertisch

Wärmeständer für warme Spülflüssigkeit

Sauggerät für Thoraxdrainagen

OP-Lampen

Gerät zur Blutstillung und Gewebedurchtrennung

Sauger für Spülflüssigkeit oder Blut 9

Beatmungsgerät

Überwachungsmodule

Perfusoren und Infusionsständer

Anästhesiewagen

Waschtrog

Kühlschrank für Medikamente

Temperaturwärmegerät

Wagen mit OP-Material

Einleitung

Hier werden die nötigen Installationen gelegt und die Narkose eingeleitet. Verabreicht wird so viel wie nötig und so wenig wie möglich.

Ausleitung

In diesem Raum erwachen die Patienten wenige Minuten nach der Operation.

Grosse und komplexe Operation bei Pankreastumor

Die Chirurgie gilt als beste Behandlungsmethode bei Bauchspeicheldrüsenkrebs. Erfolgt ein Eingriff nach «Kausch-Whipple», werden zunächst grossflächig Organe und Strukturen entfernt. Anschliessend müssen neue Verbindungswege gelegt werden. Die gesamte Behandlung erfordert das hochspezialisierte Expertenwissen vieler verschiedener Disziplinen.

Text: Helga Kessler

Bilder: Michael Stünzi, Stünzi Visualisierungen GmbH

Mindestens sechs Stunden, häufig länger, dauert der viszeralchirurgische Eingriff nach «Kausch­Whipple», benannt nach den beiden Medizinern, die das Verfahren im letzten Jahrhundert entwickelten. Zum Einsatz kommt es schweizweit bei 745 Patientinnen und Patienten. Pankreasresektionen einschliesslich der Whipple ­ Operation gehören in der Schweiz zur hochspezialisierten Medizin, bei denen 18 Zentren Leistungsaufträge für diesen Eingriff haben. Indikation ist meist ein Tumor

im sogenannten Kopf der Bauchspeicheldrüse. Pankreaskrebs gilt als besonders bösartig, weil er sich schnell über Blut, Lymphe und Nerven ausbreitet. Genau das erhöht die Schwierigkeit für den Chirurgen und das gesamte an der Behandlung beteiligte Team.

Resektion «en bloc» «Wir operieren nur, wenn wir genau wissen, dass wir den Tumor vollständig entfernen können», sagt Viszeralchirurg Henrik Petrowsky. Das ist dann der Fall, wenn sich mit

bildgebenden Verfahren, meist einer Computertomografie, keine Metastasen sowie keine lokalen Gefässinvasionen ermitteln lassen. Bleibt eine Unsicherheit, ob der Tumor bereits gestreut hat oder in lokale Gefässe eingewachsen ist, wird mit einer «neoadjuvanten» Chemotherapie vorbehandelt. Die Operation selbst ist sehr standardisiert und folgt genauen Regeln: En bloc, also an einem Stück, entfernt der Chirurg neben dem Pankreaskopf die Organe und Strukturen, die eng mit ihm verwachsen sind und in die der Tumor zuerst einwachsen

Status vor und nach Whipple-Operation: Das vom Tumor befallene Gewebe wurde entfernt, die verbliebenen Organteile wurden neu mit dem Dünndarm verbunden.

kann: den Zwölffingerdarm, einen Teil des Magens, die Gallenblase und den unteren Teil des Gallengangs sowie benachbarte Lymphknoten. Stellt der Chirurg vor oder während der Operation fest, dass der Tumor bereits in grosse Gefässe wie etwa die Pfortader eingewachsen ist, wird auch das betroffene Gefässstück entfernt und rekonstruiert. Der Eingriff wird dadurch zunehmend komplex und risikoreich.

Schwierige Rekonstruktion

Auch der zweite Operationsschritt erfolgt standardisiert: Der Restmagen, der Gallengang und der Drüsengang des verbliebenen Pankreasschwanzes müssen wieder an den Dünndarm angeschlossen werden. Die Wiederherstellung der Verbindung zum verbliebenen Restpankreas ist besonders kompliziert, so der Viszeralchirurg José Oberholzer: «Technisch können wir sehr gute Verbindungen mit sauberen Nähten herstellen, entscheidend ist aber, wie weich oder fest das Pankreasgewebe ist.» Schliesslich soll der Drüsensaft mit seinen Verdauungsenzymen später nicht auslaufen und körpereigenes Gewebe zersetzen können. Die Bildung eines undichten Pankreasgangs (Fistel) nach der Operation gilt als ernst zu nehmende Komplikation. Gefürchtet sind zudem Blutungen und Infektionen.

Therapieresistente Tumore

Nach zehn Tagen im Spital können die meisten Patientinnen und Patienten mit der Rehabilitation beginnen, nach zwei bis drei Monaten können sie fast wieder normal essen und trinken oder Sport treiben. Meist braucht es ergänzend keine Medikamente mehr. Dennoch ist eine Heilung nur sehr selten möglich. In bis zu 90 Prozent der Fälle kommt der Krebs in den nächsten Jahren zurück. «Das Pankreaskopfkarzinom gehört zu den Tumoren mit der schlechtesten Prognose», sagt der Onkologe Ralph Fritsch. Um die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs zu senken, werden die Operierten, sobald sie sich körperlich gut erholt haben, mit einer kombinierten «adjuvanten» Chemotherapie nach­

behandelt. Pankreastumoren sind, so Ralph Fritsch, «sehr therapieresistent». Im Unterschied zu vielen anderen Krebserkrankungen seien weder Antikörper noch Immuntherapien oder molekulare Therapien verfügbar. Die Kombination von Chi­

«Wir operieren nur, wenn wir genau wissen, dass wir den Tumor vollständig entfernen können»

Henrik Petrowsky, Leitender Arzt, Departement Viszeral- und Transplantationschirurgie

rurgie und Chemotherapie hält der Onkologe für «den momentan besten Weg». Hatte der Tumor keine Metastasen gebildet und konnte er chirurgisch komplett entfernt werden, steigt die Chance, die nächsten fünf Jahre zu überleben, auf bis zu 50 Prozent.

Oft sehr späte Diagnose

1600 Personen in der Schweiz erkranken pro Jahr neu an einem Pankreastumor. Betroffen sind mehrheitlich Personen über 70 Jahre. In den meisten Fällen ist der Pankreaskopf betroffen, deutlich seltener der Pankreasschwanz. Wird der Tumor entdeckt, ist dieser oft schon weit fortgeschritten oder es haben sich bereits Metastasen gebildet. «DieDiagnose erfolgt meist spät, weil der Tumor anfänglich keine typischen Symptome verursacht», sagt Gastroenterologe Christoph Schlag. Eine Früherkennung sei somit schwierig. Für die Diagnosesicherung werden mit dem Endoskop ultraschallgeführt Gewebeproben aus dem Tumor entnommen und histologisch untersucht. Wird der Gallengang oder der Magenausgang durch den Tumor eingeengt, können die Gastroenterologen dies endoskopisch gut behandeln, auch für die Nachbehandlung möglicher Komplikationen nach einer erfolgten Operation ist ihr Fachwissen gefragt.

Vertrauen geben

Für die in der Regel offen, über einen Querschnitt im Bauch, ausgeführte Operation sind neben den Chirurgen vor allem die Anästhesisten gefordert. Zwei periphere Zugänge sind zu legen, ein zentraler Venenkatheter, eine Periduralanästhesie für die Schmerzbehandlung nach der Operation, Intubation, Blasenkatheter etc. «Mehr können wir als Fachdisziplin nicht tun», sagt der Anästhesist Rolf Schüpbach, für den die Whipple ­ Operation «eine der vielseitigsten Anästhesien» ist. Wichtig sind ihm die vorbereitenden Gespräche mit den Patientinnen und Patienten, die er häufig erst am Vorabend der Operation führen kann. «Die meisten kennen ihre Prognose, sind ängstlich und traurig», sagt Rolf Schüpbach. Er setzt in der heiklen Situation auf Ehrlichkeit, Kompetenz und Empathie: «Wir erklären alles, was wir tun müssen und versuchen das Vertrauen zu geben, dass wir uns so gut kümmern, wie wir das für uns selbst erwarten würden.»

DIE GRÖSSTE DRÜSE DES MENSCHEN

1,5 Liter Bauchspeichel produziert die mit 15 bis 20 cm Länge grösste Drüse des Menschen täglich. Darin enthalten sind Enzyme für die Verdauung von Kohlenhydraten, Fetten und Eiweissen. Das Sekret fliesst über den Gallengang direkt in den Zwölffingerdarm, wo die Nahrung aufgeschlossen wird. Ist der Gang aufgrund eines Tumors stark eingeengt, kann dies eine Gelbsucht auslösen. Die Bauchspeicheldrüse bildet zudem die Hormone Insulin und Glukagon, die den Zuckerstoffwechsel regulieren.

«Den Prozess der Regeneration habe ich unterschätzt»

Bemerkbar machte sich der Pankreastumor bei Philipp Bachmann (69) über eine Gelbsucht. Die Operation hat er als problemlos empfunden, die Umstellung seines Lebensstils macht ihm mehr zu schaffen.

Text: Helga Kessler

Bild: Christoph Stulz

Philipp Bachmann hat die Operation nach «Kausch-Whipple» gut überstanden.

«Ich weiss, dass in unserem Körper immer Krebszellen zirkulieren und dass unser Immunsystem diese normalerweise eliminiert. Dieses Gleichgewicht hat bei mir irgendwann nicht mehr funktioniert, weil es zu einer einmaligen starken Belastung kam. Das Pankreas hat sich mit einem Tumor gemeldet. Ich wurde operiert und dadurch wieder ‹befreit›. Als Physiker denke ich in Systemen, Psyche und Körper. Diese Betrachtungsweise hilft mir, weil sie mir eine gewisse Leichtigkeit im Umgang mit der gesamten Situation gibt. Man kann nach so einer Geschichte, wie ich sie erlebt habe, nicht einfach zu einem Courant normal wechseln.»

Der Tumor musste schnellstmöglich raus Sehr belastend für mich war ein schwerer Konflikt zwischen mir und meinen Kindern, der mich unerwartet getroffen hatte und zu einem riesigen Vertrauensverlust führte. Ich musste danach einen regelrechten Schnitt machen und die Beziehung zu meinen Kindern neu definieren. Im Februar gab es ein klärendes Gespräch. Im April bekam ich gelbe Augen. Sonst hatte ich keine Symptome, auch keine Schmerzen. Das erste Spital, zu dem mich der Hausarzt überwies, fand nichts. Ein CT brachte Klarheit, dass es sich um einen Pankreaskopf­Tumor handelt. Ich wollte, dass der Tumor so schnell wie möglich herausgeschnitten wird, und bekam dann recht schnell einen Termin. Meinen Chirurgen habe ich als sehr kompetent empfunden, auch als sehr persönlich und menschlich.

Ich esse, was mir guttut

Die Operation war für mich kein Pro

blem, systemisch ging es mir danach wieder gut. Nach dem Eingriff waren bei mir aufgrund von Komplikationen zwei Korrekturen nötig. Was ich wirklich unterschätzt habe, ist die Zeit, die es für die Regeneration nach so einer Operation braucht. Man muss ja alles neu einstellen, die eigene Geschwindigkeit, die Bewegung, das Trinken, die Ernährung, den Zucker, die Verdauung usw. Aber das ist ein Prozess. Nach der Operation hatte ich

«Ich wollte, dass der Tumor so schnell wie möglich herausgeschnitten wird.»

Philipp Bachmann, Patient

fünf Kilo abgenommen. Am Anfang habe ich noch sehr darauf geachtet, was ich essen kann und was nicht. Heute esse ich, was mir guttut, viel Gemüse, sehr selten Fleisch. Enzyme zur Fettverdauung muss ich nur vorübergehend nehmen. Zum Glück konnte ein Teil der Bauchspeicheldrüse erhalten werden, sodass ich kein Insulin brauche. Man hat mir gesagt, dass ich metastasenfrei sei. Wahrscheinlich bin ich das. Als Physiker weiss ich aber, dass man nie alles sehen kann.»

Mehr Infos zur Bauchspeicheldrüsenkrebs­Operation gibt es unter anpassen: www.usz.ch/ bauchspeicheldruesenkrebs­op

Bei seinen Operationen zählt jeder Millimeter

Giuseppe Esposito operiert Patienten am Gehirn. Eine anspruchsvolle Arbeit, die präzise Vorbereitung und höchste Konzentration erfordert. Wie der Leitende Arzt in der Klinik für Neurochirurgie sich und sein Team auf eine solche Operation vorbereitet, wie er den neurochirurgischen Nachwuchs ausbildet und was die Neurochirurgie mit der Luftfahrt gemeinsam hat, lesen Sie im Interview.

Text: Marcel Gutbrod

Bild: Nicolas Zonvi

Giuseppe Esposito, was versteht man unter Neurochirurgie?

Die Neurochirurgie ist eine faszinierende chirurgische Disziplin. Wir operieren Patientinnen und Patienten mit Gehirntumoren, Hirnaneurysmen, Gefässmissbildungen, Hirnblutungen oder Schlaganfällen. Auch Eingriffe an verengten Halsschlagadern und an der Wirbelsäule zählen zu unserem Spektrum. Diese Operationen erfordern feinste chirurgische Präzision, wir sprechen von der sogenannten Mikrochirurgie. Dabei wird unter dem Mikroskop operiert. Es geht dann um Millimeter oder sogar weniger. Eine sorgfältige Vorbereitung ist daher essenziell.

Wie sieht diese aus?

Vor einer neurochirurgischen Operation ist es wichtig, die individuelle Anatomie des Patienten perfekt zu kennen. Dafür nutzen wir fortgeschrittene Bildgebungen wie die Computertomografie oder die Magnetresonanztomographie, inklusive dreidimensionaler Rekonstruktionen. Heute verwenden wir auch Hologramme und Augmented Reality, um uns optimal vorzubereiten. Jede Operation benötigt eine gründliche Planung, von der Lagerung des Patienten bis hin zur Wahl der Operationsinstrumente. Diese Planung ist auch hinsichtlich der interdisziplinären Zusammenarbeit während der Operation wichtig, um die Teamarbeit zu optimieren.

Und dann geht die Operation los? Nicht ganz. Vor dem Start geht das gesamte Operationsteam, bestehend aus Fachpersonen aus den Bereichen Neurochirurgie, Anästhesie, Operations­ und Lagerungspflege eine Checkliste im Operationsaal durch. Einerseits, um den Ablauf nochmals zu besprechen, und andererseits, damit das ganze Operationsteam den gleichen Wissensstand hat. Ähnliches machen auch Piloten vor dem Start eines Flugzeugs.

Das klingt alles sehr umfassend und zeitintensiv. Wie ist der Ablauf bei Notfalloperationen?

Ja, allerdings. Der Zeitdruck ist dann eine Herausforderung für das ganze Team. Das USZ ist ein hochspezialisiertes Zentrum für solche notfallmässigen Operationen, bei denen es um Leben und Tod geht. Daher sind wir es gewohnt, auch mit wenig Zeit sehr gut vorbereitet zu sein und alle geforderten Abläufe trotzdem einzuhalten.

Sie haben gesagt, ein Millimeter kann in der Neurochirurgie entscheidend sein. Das ist für die Chirurgin oder den Chirurgen ja auch ein extremer Druck. Wie gehen Sie damit um?

Das ist unser Job! Wir müssen extrem gut vorbereitet sein, uns sicher fühlen und genau wissen, wo wir operieren. Es bedeutet auch, dass wir hochspezialisiert sind und intensiv trainieren. Während der Operation nutzen wir diverse Instrumente wie fortschrittliche Operationsmikroskope und die Neuronavigation (siehe Infobox), um präzise arbeiten zu können.

Wie wird man Neurochirurg?

Haben Sie schon früh gewusst, dass Sie diesen Beruf ergreifen wollen?

Während meines Medizinstudiums fand ich die Neuroanatomie sehr faszinierend und ich entschied mich für die Neurochirurgie. Um Neurochirurg zu werden, braucht man viel Fleiss, Leidenschaft und Motivation. Man muss viel lernen und die chirurgischen sowie die bei uns in der Neurochirurgie speziell geforderten mikrochirurgischen Fähigkeiten jahrelang trainieren. Ebenfalls kann die Unterstützung eines Mentors von grosser Bedeutung sein. Ich persönlich habe enorm viel von meinem Mentor und Klinikdirektor Luca Regli gelernt.

Gutes Stichwort: Wie können die chirurgischen Fähigkeiten trainiert werden?

Primär erfolgt die Weiterbildung durch die Teilnahme der Assistenzärztinnen

und ­ärzte an den Operationen. Um die mikrochirurgischen Fertigkeiten zusätzlich trainieren zu können, haben wir ein Mikrochirurgie ­Labor eingerichtet, das Zurich Microsurgery Lab. Dort trainieren wir mit innovativen und hyperrealistischen Simulationsmodellen. Diese Modelle simulieren die Situation exakt wie im Operationssaal. Das erlaubt es den jungen Chirurginnen und Chirurgen, ihre Fähigkeiten in einem sicheren Umfeld zu entwickeln. Auch organisieren wir jährlich mehrere Mikrochirurgie ­Kurse, an denen Chirurgen aus der ganzen Schweiz und Europa teilnehmen, um ihre chirurgischen Fähigkeiten zu verfeinern.

Haben Sie eigentlich Angst oder Respekt vor Operationen?

Angst nicht, aber ich habe Respekt vor jeder Operation und vor allem vor den Patienten. Jede Operation ist dazu da, den Patienten bestmöglich zu behandeln und zu versorgen. Wir sind immer hoch konzentriert, um jede Operation so effizient und komplikationslos wie möglich durchführen zu können.

WAS IST NEURONAVIGATION?

Neuronavigation ist eine moderne Technologie in der Neurochirurgie, die dazu dient, Eingriffe an Gehirn und Rückenmark sicherer und präziser zu machen. Sie nutzt bildgebende Verfahren wie MRI und CT, um detaillierte 3D-Bilder der Anatomie des Patienten zu erstellen. Diese Bilder werden in ein Computersystem eingespeist, das dem Chirurgen in Echtzeit zeigt, wo genau sich seine Instrumente im Körper des Patienten befinden. Dies ist besonders wichtig bei Operationen im Gehirn, da selbst kleine Abweichungen schwerwiegende Folgen haben können.

Vielfältige Expertise

Advanced Practice Nurses APN verfügen durch ihr Hochschulstudium über erweiterte Kompetenzen. Sie setzen ihr Wissen dazu ein, die Pflege und deren Qualität weiterzuentwickeln. Das Patientenwohl steht dabei immer im Zentrum.

Text: Manuela Britschgi

Bilder: Christoph Stulz, Shutterstock

Krankenhäuser, in denen beim Pflegepersonal mehr Mitarbeitende einen Hochschulabschluss haben, weisen eine signifikant niedrigere Sterblichkeitsrate auf – das haben Studien gezeigt. Darum setzt auch das USZ viel daran, möglichst in allen Bereichen die Vorteile von hochqualifizierten Pflegenden zu nutzen. Im USZ sind derzeit 77 Pflegeexpertinnen und ­ experten Advanced Practice Nurses APN und Advance Practice Midwife APM tätig. Das ist eine der höchsten Zahlen an APN in einem Spital der Schweiz. Sie alle haben einen Masterabschluss in Pflegewissenschaften, vier davon haben einen Doktortitel.

Die APN engagieren sich vorrangig im klinischen Alltag – also in der Patientenbetreuung. Sie verfügen vor allem über erweiterte Kompetenzen für die klinische Praxis, in der Führung und im wissenschaftlichen Arbeiten. Diese Kompetenzen werden je nach Rolle unterschiedlich gewichtet. Im USZ gibt es aktuell drei dieser Rollen: Die Clinical Nurse Specialists fokussieren beispielsweise auf die fachliche Unterstützung des Pflegeteams und Aufgaben auf Organisationsebene zur Sicherstellung der Pflegequalität. Die spezialisierten Clinical Nurse Specialists und Nurse Practitioner betreuen eigenständig bestimmte Patienten­

gruppen, bieten Pflegesprechstunden an und übernehmen vermehrt ärztliche Tätigkeiten.

Die APN betreuen Menschen vom Lebensbeginn bis zum Lebensende in allen klinischen Settings, ob ambulant, stationär oder in der Spezialpflege wie beispielsweise auf dem Notfall oder der Intensivstation. Ihre Tätigkeiten erbringen sie entweder in einem bestimmten Fachbereich oder übergreifend. Allein im Jahr 2022 haben sie rund 10 000 Patientinnen und Patienten beraten, behandelt und vieles mehr. Lernen Sie drei der Expertinnen und Experten kennen.

ADVANCED PRACTICE –NICHT NUR IN DER PFLEGE

Neben der Pflege und den Hebammen ergänzen auch in anderen Berufen Expertinnen und Experten mit Masterabschluss das Team, beispielsweise in der Physiotherapie oder in der Ernährungsberatung.

Nadine Schönenberger ist fest im klinischen Bereich verankert. Für sie war klar, dass sie sich mehr Expertise erarbeiten, gleichzeitig aber nah an den Patientinnen und Patienten bleiben möchte. Die Pflegeberatung COPD und Asthma bietet ihr genau das: Sie begleitet Personen nach einem stationären Aufenthalt im Spital im Alltag und erarbeitet mit ihnen, wie sie mit ihrer Krankheit und zukünftigen potenziellen Verschlechterungen ihres Zustands besser umgehen können. «Wir fördern gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten ihr Selbstmanagement und bauen damit Ängste ab», erklärt Nadine Schönenberger. Woran gearbeitet wird, entscheidet die Expertin mit jedem Menschen individuell. Gemeinsam im interdisziplinären Team und

auch mit externen Partnern wie Hausärzten werden Aktionspläne erstellt, damit die Person reagieren kann, sollte sich ihr Zustand akut verschlechtern.

Mehr Verantwortung in der Behandlung übernehmen zu dürfen, war für Nadine Schönenberger ausschlaggebend, warum sie das Hochschulstudium in Pflege in Angriff nahm. Im Sommer 2025 wird sie den Master erhalten. «Als APN erhält man durch das vertiefte Wissen auch mehr Kompetenzen. So ist uns – gemeinsam im Team – ein ganzheitlicher Blick auf die Person möglich», erzählt sie und ergänzt: «Durch die längerfristige Betreuung wird ein starkes und belastbares Vertrauensverhältnis aufgebaut, was sehr wertvoll ist und mir Freude bereitet.»

Markus Feuz, Pflegeexperte APN, Advance Care Planning klinische Ethik

«Mich haben Pflegekonzepte und ­theorien schon immer interessiert», erzählt Markus Feuz, «doch nach einer Weiterbildung in Cambridge zum Thema Palliative Care hat es mir total den Ärmel reingezogen». Der Pflegeexperte kann auf einen grossen und langjährigen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Er beschäftigt sich seit den 1990er­Jahren intensiv mit der Weiterentwicklung der Pflege, bis er auch den Master abschloss. Im USZ berät er in einer Sprechstunde Patientinnen und Patienten bei der Erstellung einer Patientenverfügung und hat den interprofessionellen Konsiliardienst Palliative Care mit aufgebaut, der von anderen Fachbereichen im USZ angefordert werden kann. Die Zusammenarbeit der verschiedenen Professionen empfindet er als kollegial. «Das bedeutet nicht, dass der Alltag ohne Friktionen abläuft», präzisiert er, «doch Diskussionen sind an sich nichts Negatives, sie bringen uns schlussendlich weiter».

Im USZ liege quasi die DNA der APN, findet Markus Feuz: «Spitzenmedizin ist nur dann möglich, wenn alle spitze sind, besonders auch die Pflege.» Darum bildet er sich auch heute stetig weiter. Zuletzt hat er einen CAS in Spiritual Care absolviert, weil spirituelle Themen bei erkrankten Menschen allgemein, aber vor allem auch am Lebensende häufig eine grosse Rolle spielen.

Eine Vorgesetze war es, die Liesa Beier wiederholt für die Fachlaufbahn zu begeistern versuchte. Anfänglich war sie skeptisch, heute ist sie in der Endphase ihres Doktoratsstudiums. Gemeinsam mit drei weiteren Hebammenexpertinnen integriert sie die neuste Evidenz in der Geburtshilfe im USZ. «Meine Arbeit ist sehr vielfältig, das macht es extrem spannend und abwechslungsreich», meint Liesa Beier. Das zeigt sich auch in den Themen: Für ihr Doktorat erforschte sie, welche Faktoren die Zusammenarbeit zwischen Ärztinnen, Ärzten und Hebammen in der Geburtshilfe unterstützen können. Im USZ nimmt sie an Rapporten und am interdisziplinären Austausch teil, organisiert Schulungen für andere Hebammen in der Ultraschall­Bildgebung , berät Kolleginnen und Kollegen in komplexen Fällen und erarbeitet neue Standards – um nur einige ihrer Aufgaben zu nennen. Neues einzuführen sei dabei der aufwendigste Part. «Damit ein neuer Standard auch wirklich zu einer Qualitätsverbesserung führt, braucht es alle und Veränderung braucht Zeit», erklärt Liesa Beier. Darum integriert sie jeweils alle Perspektiven des interdisziplinären Teams und thematisiert die Neuerung immer wieder. Das töne zäh, was es manchmal auch sei, dafür werde die Umsetzung danach auch von allen getragen. Nach der Einführung werden die Massnahmen regelmässig analysiert und falls nötig angepasst. So stellt Liesa Beier sicher, dass sie auch den gewünschten Effekt haben.

Liesa Beier, Hebammenexpertin APM, Geburtshilfe

GASTBEITRAG

Präzisere Intubation dank KI

Assistierende Technologien können besonders in kritischen Situationen wie bei einem Atemstillstand wertvolle Hilfe leisten. Ein vielversprechender Ansatz ist larynGuide, eine KIgestützte «Einparkhilfe» für die tracheale Intubation. Bei der trachealen Intubation wird ein elastischer Schlauch über den Mund in die Luftröhre des Patienten eingeführt, um den Atemweg zu sichern. Das ist vor Operationen notwendig, die künstliche Beatmung erfordern, aber auch bei vielen Patienten auf der Intensivstation, die nicht selber atmen können, sowie bei Notfällen ausserhalb des Spitals. Die anatomischen Gegebenheiten des Menschen machen diese Aufgabe jedoch schwierig: Der Schlauch soll nicht in die Speiseröhre, sondern in die Luftröhre gelangen. Und im Notfall muss es schnell gehen.

Herausforderung und Lösung

Um den Schlauch richtig zu platzieren, wird ein Laryngoskop verwendet, das die Zunge und die Epiglottis, den Verschluss am Kehlkopfeingang, aus dem Weg räumt und Zugang zum Kehlkopf verschafft. Moderne Versionen verfügen über eine Kamera (Videolaryngoskop), die eine bessere Sicht ermöglicht. Der Schlauch kann zusätzlich ein Stylet enthalten, einen Führungsdraht, der den Schlauch biegsam macht. Trotz dieser Hilfsmittel bleibt die Intubation anspruchsvoll; bis die Intubation auch bei komplexeren Atemwegen sicher beherrscht wird, können bis zu 300 Trainingsversuche nötig sein.

Von selbstfahrenden Autos zum Intubationsroboter Ein Anästhesist des USZ stellte sich die Frage, warum es in Zeiten von selbstfahrenden Autos kein «selbstfahrendes» Intubationsgerät gibt. Diese Überlegung führte zur Zusammenarbeit mit dem ETH­Innovationsbüro und zur Entwicklung von REALITI, einem KI­gesteuerten Roboter­Stylet, das sich mithilfe von Computervision automatisch zur Stimmritze ausrichtet. REALITI

erzielte erste Erfolge in Studien, gewann das UZH Entrepreneur Fellowship und wurde zur Grundlage eines Start­ups.

Realität und Weiterentwicklung

Als REALITI den Schweizer Kliniken vorgestellt wurde, kam der Wunsch nach Integration in bestehende Videolaryngoskope auf. Dies führte 2021 zur Gründung des Start­ups aiEndoscopic, unterstützt vom USZ Start­up und Innovation Center. Das Team entwickelte intuBot, ein Gerät, das die Robotik des Stylets mit dem Videolaryngoskop kombiniert. Mit Förderung von Innosuisse wurden erste Prototypen entwickelt.

Schrittweise Innovation

Obwohl intuBot vielversprechendes Feedback erhielt, gab es Bedenken hinsichtlich des möglichen Kontrollverlustes. Die Industrie bezeichnete intuBot als «überdesignt», war jedoch an der Software interessiert. Daraus wurde die Idee von larynGuide geboren, einer Software, die wie eine Rückfahrkamera im Auto hilfreiche Instruktionen bietet, ohne den gesamten Prozess zu automatisieren.

Erster Einsatz in klinischen Studien

In ersten Studien an Puppen zeigte larynGuide Vorteile gegenüber der Videolaryngoskopie. Die Lernkurve und kognitive Beanspruchung des Anwenders werden derzeit untersucht. Die erste CE­zertifizierte Version ist bereits in klinischen Studien im Einsatz, und erste Pilot­Trainersysteme wurden platziert. Verhandlungen mit Herstellern von Videolaryngoskopen laufen, um die Software in deren Produkte zu integrieren.

Interessierte können sich über info@aiEndoscopic.com am Projekt beteiligen.

#facesofusz

Jonas Ekeberg

Unter Medizinphysik können sich wohl nur wenige etwas vorstellen.

Jonas Ekeberg schützt im Berufsalltag Patientinnen und Mitarbeitende vor ionisierender Strahlung und regelt die korrekte Lagerung und Entsorgung radioaktiver Materialien. Tönt spannend, oder?

Text: Moritz Suter Bilder: Christoph Stulz

Steckbrief Jonas

Alter: 46

Beruf: Medizinphysiker

Heimatland: Schweden

Am USZ seit: 2018

Arbeitspensum: 80 Prozent

Lieblingstätigkeit: Neue Aufgaben zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Bereichen lösen

Grösste Herausforderung: Mit Leuten im Umfeld umgehen, die im Moment wütend sind

#facesofusz ist unsere Serie auf Instagram. Jeden zweiten Mittwoch erscheint ein Porträt über engagierte, interessante und aussergewöhnliche Mitarbeitende, die sich mit Haut und Haaren ihrer Arbeit am USZ verschrieben haben. www.instagram.com/ universitaetsspitalzuerich

Schon immer zog mich die Natur an. Diese Faszination ist wohl einer der Gründe, weshalb ich im Bereich der Physik gelandet bin. Bevor ich in die Schweiz kam, lebte ich sieben Jahre in Kiruna in Schweden und schrieb meine Doktorarbeit über die Nordlichter. Nach einer lehrreichen Zeit bei einem Technikunternehmen wollte ich Physik mit einem menschlicheren Umfeld verbinden, was mich schliesslich in die Fachstelle Strahlenschutz im USZ führte. Unser fünfköpfiges Team überprüft in Zusammenarbeit mit vielen verschiedenen Kliniken die Anwendung von ionisierender Strahlung. Diese wird beispielsweise in Operationssälen bei Interventionen als bildgebendes Verfahren verwendet. Das Aufgabengebiet der Fachstelle ist sehr breit gefächert. Zum Beispiel unterstützt sie die Kliniken bei der Optimierung der Strahlenbelastung für Patienten und Personal. Bei den Untersuchungen braucht es für ein gutes Ergebnis nämlich nicht immer ein gestochen scharfes Bild, sondern manchmal kann mit weniger Strahlung die gleiche diagnostische Aussage getroffen werden. Dadurch schützen wir die Patientinnen und Patienten genau wie unsere Mitarbeitenden. In Fortbildungen und Workshops können wir unser Wissen zur ionisierenden Strahlung und das Bewusstsein für die Strahlenbelastung weitergeben. Dieser persönliche Austausch auf verschiedenen Ebenen ist mir im Job sehr wichtig.

Mein Arbeitsplatz am USZ

Für die Bestimmung der Aktivität des Abfalls stehen Jonas Ekeberg verschiedene Geräte zur Verfügung.

AKTUELLES PROJEKT

Momentan bin ich eingespannt bei der Bestimmung von unbekannten radioaktiven Materialien. Ich messe dabei die Zusammensetzung der Nuklide und bestimme die Aktivität des Abfalls, um entsprechend die Lagerung oder die Entsorgung organisieren zu können.

Die Kraft der Bewegung

Bewegung ist weit mehr als nur ein Weg, fit zu bleiben – sie ist auch Medizin. Studien belegen, dass Bewegung und gezieltes Training eine ebenso wirksame Therapieform sein können wie Medikamente oder Psychotherapie.

Text: Barbara Beccaro

Bild: Christoph Stulz

Bewegung hilft den Patientinnen und Patienten wortwörtlich, schneller wieder auf die Beine zu kommen.

Wer gesund ist, bewegt sich, um gesund zu bleiben. Bewegung wird allgemein als Mittel zur Prophylaxe wahrgenommen. Doch was, wenn auch kranke Menschen von Bewegung profitieren könnten, um schneller gesund zu werden oder ihre Lebensqualität zu verbessern? Nicht übertragbare Krankheiten wie Herz­Kreislauf­Erkrankungen,

Diabetes, Krebs oder Depressionen verursachen in der Schweiz mehr als 80 Prozent der Gesundheitskosten. Durch Bewegung und gezieltes Training könnte auch diese Last vermindert werden. Zahlreiche Studien zeigen, dass Bewegung die Heilung fördert, das Risiko für Wiedererkrankungen reduziert und die Lebensqualität steigert.

Initiative «Hospital in Motion» «Allein die Tatsache, dass sich Erkrankte im Spital in die Rolle des Patienten oder der Patientin begeben, bewirkt, dass sie weniger aktiv sind», sagt Christine Meier Zürcher, Bereichsleiterin Physiotherapie Ergotherapie am USZ. Ein Spitalaufenthalt hat häufig Auswirkungen auf die Mobilität von Patienten, auch bei jenen ohne zwingende Mobilitätseinschränkungen.

Das USZ unterstützt deshalb die Initiative «Hospital in Motion», mit der seit einigen Jahren zahlreiche Massnahmen umgesetzt werden, um die körperliche Aktivität von Patienten im Spital zu

«Die Förderung der Mobilität hat einen enormen Einfluss auf den Heilungsprozess.»

Sandrine Bärtschi, Fachverantwortliche Physiotherapie Ergotherapie

steigern. Vor allem chronisch kranke oder ältere Patientinnen sollen dadurch befähigt werden, aktiv zu bleiben, selbst wenn sie im Spital liegen. Bei einigen reicht dafür eine Anleitung zur Bewegung, andere hingegen benötigen Unterstützung durch Fachpersonen. Aber für alle ist Bewegung essenziell.

Ein integraler Bestandteil der Therapie

Im USZ ist Bewegung ein wichtiger Bestandteil der Patientenversorgung. «Wir wissen, dass die Förderung der Mobilität einen enormen Einfluss auf den Heilungsprozess hat. Gerade deshalb ist es wichtig, dass auch schwerbetroffene Patienten die

nötige Unterstützung erhalten», erklärt Sandrine Bärtschi, Fachverantwortliche der Physiotherapie Ergotherapie am USZ.

Für sehr kranke Menschen, die auf der Intensivstation liegen, kann es enorm hilfreich sein, wenn sie sich beispielsweise selbst in eine bequemere Position bringen können. Oder wenn eine Patientin erkennt, wie wichtig es ist, aufrecht im Bett sitzend wieder schlucken und damit selbst essen zu können. Fachpersonen der Physiound Ergotherapie befähigen diese Patienten durch gezielte Bewegungen und Training wichtiger Funktionen, bestimmte Dinge wieder tun zu können. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten werden die Patienten mit individuellen Therapien auf ihrem Weg zu möglichst grosser Mobilität und Selbstständigkeit unterstützt.

Nebst den Einzeltherapien bietet das USZ auch spezialisierte Gruppenprogramme an, zum Beispiel für Schmerzpatienten, OsteoporosePatientinnen oder im Bereich der Onkologie. «Mit onkologischen Patientinnen hat man vor zehn Jahren noch keine spezifischen Bewegungs­ oder Fitnesstrainings gemacht. Heute weiss man, dass gezielte Aktivität Menschen mit Krebsdiagnosen dabei unterstützt, die Belastungen während der onkologischen Behandlungen besser zu bewältigen und die körperliche Leistungsund Funktionsfähigkeit möglichst zu erhalten bzw. wieder zu erhöhen», erklärt Christine Meier Zürcher.

Bewegung als Schlüssel zur Infektionsprävention Doch Bewegung kann noch mehr: Sie kann auch zur Infektionsprävention beitragen. Und Mobilisation ist eine der Präventionsmassnahmen gegen spitalerworbene Pneumonien. Aline Wolfensberger, Oberärztin meV in der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene, weiss, wie schwer die Auswirkungen von healthcare ­assoziierten Infektionen (HAI) sein können. «In der Schweiz leiden etwa fünf bis sechs Prozent der Patienten an einer im Spital erworbenen Infektion, etwa die Hälfte davon wäre vermeidbar», sagt sie.

Ein interdisziplinärer Ansatz für eine gesündere Zukunft Die Ergebnisse verschiedener Studien und Projekte sowie die Erfahrungen am USZ zeigen deutlich: Bewegung ist mehr als nur eine Ergänzung zur Therapie – sie ist ein wesentlicher Bestandteil moderner Gesundheitsversorgung. Doch der Weg dorthin erfordert ein Umdenken. Physiotherapie im Spital heisst nicht einfach «Gehtraining». Die Bedeutung der Bewegung beginnt bereits im akuten Setting, zum Beispiel auf einer Intensivstation. «Wir alle – Ärztinnen, Therapeuten, Pflegefachpersonen, Patienten und Angehörige – müssen Bewegung als festen Bestandteil der Gesundheitsvorsorge sehen und entsprechend handeln», sagt Christine Meier Zürcher. Denn eines ist klar: Bewegung ist auch Medizin.

«Bewegung kann zur Infektionsprävention beitragen.»

Aline Wolfensberger, Oberärztin meV an der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene

PPP – PATIENT PARTNERSHIP FOR PREVENTION

Das Team der Spitalhygiene am USZ untersucht in Zusammenarbeit mit Forschenden des Instituts für Implementation Science (IfIS) UZH, des Instituts für Designforschung der ZHdK und Patienten-Vertreterinnen, wie Patientinnen und Angehörige in die Pneumonie-Prävention eingebunden werden können. Ziel ist es, die Infektionsraten zu senken – unter anderem durch Förderung der Mobilisation.

Risikovorhersagen dank künstlicher Intelligenz

An der neurochirurgischen Intensivstation des Instituts für Intensivmedizin am USZ entsteht das ICU-Cockpit. Diese IT-Plattform nutzt künstliche Intelligenz (KI), um vorherzusagen, ob ein Patient nach einer Hirnblutung weitere Komplikationen entwickeln wird. Das Ziel ist, frühzeitig präventive Massnahmen zu ergreifen.

Text: Barbara Beccaro

Bilder: Shutterstock, Christoph Stulz

Patienten mit einer speziellen Hirnblutung, der sogenannten

Subarachnoidalblutung, erleiden häufig innerhalb von bis zu 14 Tagen schwerwiegende Komplikationen, oft ohne vorherige Warnsignale. Die Ursachen sind vielfältig und können verengte Hirnarterien, Entzündungen oder kleinste Zirkulationsstörungen umfassen. Ein Forschungsteam arbeitet daran, mithilfe von KI subtile Anzeichen für bevorstehende Komplikationen zu erkennen, noch bevor sie auftreten.

Dazu entwickelt es Algorithmen, die Echtzeitdaten der Patienten analysieren und live Vorhersagen treffen.

Datenbasierte Risikovorhersage

Das entwickelte Modell integriert Daten aus verschiedenen Quellen, darunter Messsignale wie Blutdruck, Herzfrequenz und Hirnstrommessungen verschiedener Biosensoren, klinische Parameter aus der Krankengeschichte, Daten aus bildgebenden Verfahren, Laborwerte und neurologische Befunde. Im Gegensatz zu statischen Modellen, die nur einen einzelnen Zeitpunkt analysieren, berücksichtigen diese Modelle die zeitliche Entwicklung der Variablen, um auch feinste Muster zu

erkennen, die auf eine bevorstehende Komplikation hinweisen könnten. «Es gibt Zusammenhänge, die von Menschen gar nicht mehr erkannt werden. Künstliche Intelligenz hingegen kann sehr grosse Mengen an Daten gleichzeitig verarbeiten, Zusammenhänge erkennen und Risiken daraus berechnen», erklärt Jan Folkard Willms, Oberarzt in der neurochirurgischen Intensivstation am Institut für Intensivmedizin und Mitglied der Forschungsgruppe ICU­ Cockpit. Die Analyse der gesammelten Daten

ermöglicht es, ein individuelles Risikoprofil für betroffene Patienten zu erstellen. Die Fachpersonen können präventive Massnahmen ergreifen, um weitere Schädigungen zu verhindern.

Auf der Intensivstation werden viele Parameter von Patientinnen und Patienten digital überwacht.

Forschung mit Echtzeitdaten

Seit 2016 baut die Forschungsgruppe von Emanuela Keller diese IT­Infrastruktur auf, die hochauflösende medizinische Daten aus der Intensivstation erfasst, verarbeitet und speichert. Bis Ende 2024 wurden bisher 1400 Milliarden Datenpunkte von mehr als 2100 Patientinnen und Patienten (> 250 000 Überwachungsstunden) gesammelt.

Diese im ICU­ Cockpit erfassten Echtzeitdaten bilden die Basis für das aktuelle Projekt. «Dank dieser Infrastruktur sind wir in der Lage, Algorithmen in Echtzeit zu testen, weiter zu trainieren und zu validieren», sagt Jan Willms. Die «stille Validierung» im Livedatenstrom stellt sicher, dass die Algorithmen zuverlässige und aussagekräftige Ergebnisse liefern, bevor sie im klinischen Alltag eingesetzt werden. Algorithmen gelten bei der Zulassung durch Behörden wie Swissmedic als «medizinisches Gerät». Bevor sie in der Klinik angewendet werden dürfen, müssen sie in umfangreichen Studien getestet und zertifiziert werden. Dies ist normalerweise mit

hohen Kosten und erheblichem Aufwand verbunden. Am USZ können die Forschenden jedoch dank des ICUCockpits ihre Algorithmen im Hintergrund laufen lassen, ohne das medizinische Personal zu beeinflussen.

Validierung und klinische Anwendung

Das von der USZ Foundation unterstützte Forschungsprojekt befindet sich derzeit in der Validierungsphase, in der die Algorithmen in einer Liveumgebung getestet werden. «So sehen wir, ob der Algorithmus tatsächlich hilft», sagt der Intensivmediziner. Ziel ist es, eine Zulassung von Swissmedic für «inhouse» entwickelte Software zu erreichen, um die Algorithmen direkt auf Intensivstationen im USZ testen zu können. Langfristig soll das System Patienten helfen, die zum Beispiel nach einer Subarachnoidalblutung besonders gefährdet sind. Derzeit stirbt etwa ein Drittel der Betroffenen trotz Behandlung, ein weiteres Drittel erleidet im Verlauf der Therapie Komplikationen. Nur ein

Drittel überlebt mit minimalen Folgen. Die Forschenden am USZ arbeiten daran, ein Warnsystem zu etablieren, das diese Risikopatienten frühzeitig identifiziert.

Der Weg zur digitalen Klinik Dank der Digitalisierung ist es möglich, dieses Ziel zu verfolgen. Es hat lange gedauert, bis die digitale Basis geschaffen war, aber mit der datengetriebenen Forschung, finanziert durch Drittmittel der Horten­, Gebert ­Rüf­ und der Tobel­Stiftung, des Schweizerischen Nationalfonds und Innosuisse wurde die ICU­ CockpitIT­Infrastruktur am USZ emöglicht. Sie ist die Grundlage, um KI­Algorithmen zu entwickeln und in die klinische Praxis zu integrieren. «Dank der hochauflösenden Daten sind wir in der Lage, präzise Algorithmen zu entwickeln, die uns helfen, Risiken vorherzusehen und präventiv zu handeln», erklärt Jan Willms. Dies könnte in Zukunft entscheidend dazu beitragen, die Behandlungsqualität auf Intensivstationen und darüber hinaus zu verbessern.

Epilepsie: Gewitter im Gehirn

Epileptische Anfälle entstehen, wenn sich Gruppen von Nervenzellen im Gehirn plötzlich gleichzeitig entladen. Kommt es immer wieder zu solchen Anfällen, spricht man von Epilepsie. Am USZ sind nebst Neurologen auch Spezialisten und Spezialistinnen aus verschiedenen Bereichen der Medizin vertreten, welche Ursachen abklären können.

Text: Katrin Hürlimann

Bilder: Nicolas Zonvi

Langzeit­EEG

Schwierige oder unklare Fälle werden am USZ mittels Langzeit-EEG über mehrere Tage überwacht. Das erleichtert die Diagnose – und die Therapie kann optimal angepasst werden.

Elektroenzephalogramm (EEG)

Mithilfe eines EEG werden die Hirnströme gemessen. Diese werden in Form von Wellen auf einem Monitor sichtbar gemacht. Anhand von charakteristischen Mustern können Fachpersonen erkennen, ob betroffene Personen zu epileptischen Anfällen neigen. Zunächst wird die Untersuchung über 20 Minuten durchgeführt. Bei unklaren Fällen ist es manchmal aber auch notwendig, längere Ableitungen über mehrere Tage durchzuführen.

Photosensibilität

Bei manchen Menschen können epileptische Anfälle durch Blitzlichter ausgelöst werden. Die Betroffenen können beim Durchfahren einer Autobahngalerie oder beim Spielen von älteren Video-Games epileptische Anfälle erleiden. Diese «Photosensibilität» wird am USZ mit einem Stroboskop im EEG getestet.

Ausbildung am «Glaskopf» Neurologische Assistenzärzte lernen nicht nur, die Hirnströme am Computer zu beurteilen, sondern auch das EEG selbstständig zu analysieren. Ein erster Schritt ist das Üben am «Glaskopf». Dabei trainieren sie das genaue Abmessen für die Position der EEG-Elektroden am Schädel.

Epilepsieforschung

Am USZ wird nicht nur diagnostiziert und behandelt, sondern auch viel geforscht. Ein Schwerpunkt ist die Analyse der Struktur und Funktion des Gehirn bei Personen mit Epilepsie mittels Magnetresonanztomographie So kann beispielsweise ein beschleunigter Alterungsprozess bei Epilepsie detektiert werden.

Wann operieren?

Bei Patientinnen und Patienten, die nicht ausreichend auf Medikamente ansprechen, wird eine Operation erwogen. Die Epilepsiechirurgie führt das USZ im Rahmen des Zentrums für Epilepsie und Epilepsiechirurgie in Zürich in Partnerschaft mit der Klinik Lengg und dem Kinderspital Zürich durch.

Künstliches Koma

Besonders lange epileptische Anfälle benötigen starke Medikamente, um die epileptische Aktivität im Gehirn zu unterdrücken. Wie beim Neustart eines Computers wird auf der Intensivstation die elektrische Aktivität des Gehirns für einige Stunden oder Tage unterdrückt, damit sich das Gehirn vom Anfall erholen kann.

Viele Fachrichtungen, eine Mission Das USZ ist auf die Behandlung von komplizierten und seltenen Fällen von Epilepsie spezialisiert. Experten verschiedener Fachrichtungen wie Neurologie, Intensivmedizin, Neurochirurgie oder Neuroradiologie nützen ihre Kenntnisse zum Wohl der Patientinnen und Patienten. Durch gutes Teamwork gelingt die Betreuung der schwierigsten Fälle.

EPILEPTISCHE ANFÄLLE

Fast fünf Prozent der Menschen erleiden einmal im Leben einen epileptischen Anfall. Unklar ist, ob diese Krampfanfälle eine dauerhaften Hirnschädigung zur Folge haben können, es gibt wenig wissenschaftliche Untersuchungen dazu. «Unser Forschungsteam untersucht seit einigen Jahren, ob epileptische Anfälle zu einer Hirnschädigung führen», erklärt

Marian Galovic, Leiter der Epileptologie und Epilepsieforschung am USZ. Bereits zeigen konnten die Forschenden, dass Personen mit Epilepsie im Vergleich zu gesunden Personen eine schnellere Hirnalterung haben. Jetzt untersuchen sie, ob besonders

lange epileptische Anfälle, genannt Status epilepticus, eine zusätzliche Schädigung verursachen. Erste Daten zeigen, dass während langer Anfälle die Hirnalterung im Vergleich zum normalen Altern um das 80-fache beschleunigt ist. Dies ist sogar 20 Mal schneller als bei Personen mit einer AlzheimerErkrankung. Unter Leitung der USZ-Forschenden wird dies nun mittels modernster Methoden an sechs internationalen Zentren untersucht. «Ein erster Schritt, um Therapien zu entwickeln, die eine solche Hirnalterung verhindern können», so Marian Galovic.

Das medizinische Bilderrätsel

Zwei Begriffe haben sich hier versteckt. Finden Sie sie?

Operationshandschuhe Operationshandschuhe sind sterile Einweghandschuhe, die Chirurgen während Operationen tragen, um Patientinnen vor Infektionen zu schützen. Sie verhindern den direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten und sorgen für eine keimfreie Umgebung.

Sauerstoffflasche Eine Sauerstoffflasche im Operationssaal enthält komprimierten, medizinischen Sauerstoff. Sie wird verwendet, um Patienten während der Operation über Atemmasken oder Beatmungsgeräte mit Sauerstoff zu versorgen, um die Atmung sicherzustellen.

Impressum

USZinside

Unser Magazin möchte Ihnen Einblick in die spannende und vielfältige Welt der Medizin geben und die  Menschen dahinter vorstellen. Es richtet sich an Mitarbeitende des USZ und weitere Interessierte.

Herausgeberin

Universitätsspital Zürich, Kommunikation & Marketing

Redaktionsleitung

Katrin Hürlimann, Moritz Suter

Redaktion USZ

Manuela Britschgi, Marcel Gutbrod, Ramon Müller, Martina Pletscher

Externe Autoren

Barbara Beccaro, Phillippe Ganz, Helga Kessler

Layout Cavelti AG

Druck Cavelti AG

Korrektorat Cavelti AG

Bilder

Adobe Stock, Christoph Stulz, Isabel Koch, iStock, Michael Stünzi von Stünzi Visualisierung GmbH, Nicolas Zonvi, Shutterstock, Tobias Willa

Auflage 14 000 Exemplare

Erscheinungsweise

Zweimal jährlich: Frühling / Herbst

Kontakt uszinside@usz.ch

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«Die Notoperation hat mich gerettet.»

Jede zehnte Frau verliert nach der Entbindung zu viel Blut.

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Blutverlust nach der Geburt vermeiden – eines unserer aktuellen Projekte. Wir ermöglichen medizinische Innovationen, die unmittelbar die Lebensqualität der Menschen verbessern. usz-foundation.com

ZUR PERSON

Ich arbeite seit 25 Jahren in der Anästhesiepflege am USZ. An meinem Beruf gefällt mir besonders die Vielfalt der Tätigkeiten und der kurze, aber intensive Patientenkontakt. Am USZ werden fast alle Altersgruppen mit einfachen bis sehr komplexen Krankheitsbildern und Verletzungen behandelt. In der Anästhesie müssen wir uns schnell auf unerwartete oder wechselnde Situationen einstellen. Eine hohe Flexibilität, schnelles Handeln und eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den verschiedenen medizinischen Fachrichtungen sind wichtige Voraussetzungen in der Anästhesie. Für unseren Beruf sind gute Menschenkenntnisse relevant. Während der Narkoseeinleitung versuchen wir den Patientinnen und Patienten ein gutes und sicheres Gefühl für die bevorstehende Operation zu geben.

Daneben benötigen wir für unseren Beruf in der Anästhesiepflege auch umfassendes technisches Fachwissen, zum Beispiel bei der Bedienung der Beatmungsmaschine. Ich bin zudem noch im Bildungsteam und mitverantwortlich für die Ausbildung der Studierenden des NDS Anästhesiepflege – auch für mich ist das Lernen und Fortbilden nie zu Ende.

Narkosen

werden jährlich am USZ eingeleitet.

Operationssäle

gibt es am USZ.

Operationen

werden täglich durchgeführt.

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