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ISSN 1862-4154 Preis: 5,– € Ausgabe 2.13

Demografie und Gesellschaft

Wie wollen wir altern? Altenrepublik Österreich Wie wir den Wandel gestalten Altersvorsorge Welche Reformen greifen

Lebenslanges Lernen Wie wir Schritt halten

Aktives Altern Was wir selbst tun können


Moderne Gebäudetechnik, die Sie überzeugen wird Energieeffizienz, Komfort, Sicherheit und Kostenersparnis. siemens.at/icbt Bei Siemens Building Technologies ist das Ganze mehr als die Summe seiner Einzelteile: Integrierte Gesamtlösungen vernetzen unterschiedliche Disziplinen der Gebäudetechnik und sorgen für maximale Energieeffizienz sowie optimalen Schutz und Sicherheit für Menschen und Werte. Wir bieten intelligente Infrastrukturlösungen für Industrie- und Zweckbauten, Wohngebäude, öffentliche Einrichtungen, aber auch Tunnelbauten. Unser Portfolio umfasst Gebäudeautomationssysteme, Regelungsanlagen für Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen, Zutrittskontrolle, Identifikationssysteme, Technik für Brandschutz, Evakuierung, Löschen und Gefahrenmanagement, Einbruch-

meldung und Videoüberwachung. Gerade bei komplexen Einsatzgebieten wie Flughäfen, Krankenhäusern, Rechenzentren, Hotels, Elektrizitätswerken und Industrieproduktionen gewährleistet eine intelligente Integration verschiedener Gewerke in vernetzte Gesamtlösungen ein Höchstmaß an Produktivität, Flexibilität, Komfort, Zuverlässigkeit und Benutzerfreundlichkeit. Siemens AG Österreich Building Technologies Division 1210 Wien Siemensstraße 90 Telefon 05 1707-32000, icbt.at@siemens.com

Infrastructure & Cities Sector


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Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, auch wenn es nicht unbedingt als guter Stil gilt – dürfen wir Sie ausnahmsweise einmal aufs Alter ansprechen? Keine Sorge, wir möchten Sie nicht mit Anti-Aging-Ratschlägen behelligen. Uns interessieren die Herausforderungen, die uns gesellschaftlich wie persönlich erwarten. Österreich altert. Unsere Kinder werden in einem Land leben, in dem mindestens jeder Vierte über 60 Jahre alt ist. Das wird Österreich mehr verändern, als wir es uns heute vorstellen.

DR. GERHARD GENSCH Chefredakteur „upgrade“ Donau-Universität Krems

Es ist keine Frage, ob der demografische Wandel kommt. Nur wie er kommt, darauf haben wir Einfluss: ob Jung und Alt einander solidarisch unterstützen oder ob sie sich in einem sinnlosen Generationenkonflikt verausgaben; ob wir Wachstumsraten von mehreren Prozent hinterhertrauern oder andere Wege zum Wohlstand finden; ob wir unsere Sozialsysteme überheizen oder erneuern; ob wir abweisend sind für Menschen, die aus fernen Ländern zu uns kommen, oder an dem vielfältigen Miteinander Gefallen finden. Und nicht zuletzt: Ob wir dem Alter neuen Sinn geben oder es vorwiegend als Verlust und Defizit erleben.

Foto: Donau-Universität Krems/Reischer

Das Alter geht uns alle an, auch und gerade die Jungen. Deshalb fragt das neue upgrade, wie wir unser Sozial- und Gesundheitssystem so umbauen können, dass es der neuen Realität gerecht wird. Wir wollten wissen, wie sich die jugendliche Minderheit von morgen in einer von Mehrheitsfindung lebenden Demokratie durchsetzen wird; welche Erfahrungen mit dem Alter Menschen in anderen Kulturen wie Nigeria haben und wie die Querdenker vom Think Tank 30 des Club of Rome sich die Zukunft vorstellen. Der demografische Wandel verändert die Infrastruktur genauso wie die politischen Parteien, Schulen und Krankenhäuser, Universitäten und Unternehmen, welche unsere Innovationsfähigkeit erhalten müssen. Weil wir hier nicht auf Erfahrungen zurückgreifen können, wird die alternde Gesellschaft uns viel jugendliche Neugier abverlangen. Darin liegt unsere Chance, neue Wege auszuprobieren. Welche Art von Wohlstand wollen wir? Welche Formen des Miteinanders könnte es noch geben – etwa mit Dementen? Die alternde Gesellschaft wird eine lernende Gesellschaft sein – es wird spannend werden.

Besuchen Sie unsere Website! Alle Ausgaben von upgrade gibt es auch im Internet: www.donau-uni.ac.at/ upgrade

Ihr Gerhard Gensch

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4 INHALT

Themenschwerpunkt: Demografische Zukunft

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Altenrepublik Österreich Dreißig Jahre länger leben – das ist ein Grund zur Freude. Und eine Herausforderung für Wirtschaft und soziale Sicherungssysteme. Der demografische Wandel ist unbequem, aber auch eine Chance, über das, was uns wichtig ist, noch einmal grundlegend nachzudenken.

Titelfoto: plainpicture/Fancy Images

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Lernen lernen

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„Zum Nutzen aller“

Wer heute zur Schule geht, steht erst ganz am Anfang einer Lernbiografie, die bis ins Alter reicht. Längst arbeiten Wissenschaftler wie Politiker an einem Konzept für lebenslanges Lernen. Doch es muss noch viel getan werden, damit dieses auch umgesetzt werden kann.

Vom lebenslangen Lernen profitiert nicht nur das Individuum, sagt die Bildungsforscherin Monika Kil. Sie skizziert, welcher Wert sich für die Gesellschaft ergibt.

24 24 Zeit zu handeln

Die demografische Entwicklung bringt die Altersvorsorge in eine gewaltige Schieflage. Ohne mehr Produktivität und grundlegende Reformen wird Absicherung im Alter ein Luxus für wenige werden. Was können Staat und Unternehmen tun?

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Das eigene Ding Jugendliche wollen nicht mehr in die Fußstapfen der älteren Generation treten, sondern eigene Wege beschreiten. Die Jugendforscherin Beate Großegger erläutert, warum das so ist.


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42 Neues aus der Donau-Universität Krems

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Laufen und lachen Die Österreicher fürchten sich davor, künftig einmal Pflege in Anspruch nehmen zu müssen, besagt eine Studie. Zu Unrecht? Was gute Pflege ausmacht und wie wir selbstbestimmt altern können.

Anti-Aging, nein danke Der Theologe Chibueze C. Udeani wuchs in Nigeria auf und kam vor 26 Jahren nach Österreich. Ein Gespräch über sehr unterschiedliche Vorstellungen vom Altern. Meinung Zahlen & Fakten Buchtipps

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Internationale Kooperationen

Pech gehabt?

Eine Studie untersucht Formen der Diskriminierung auf dem österreichischen Arbeitsmarkt. Was forschen Sie?

Wenn sich Kreise schließen Katharina Gerlich hat junge Menschen zu ihrem Thema gemacht. Als Mutter und als Soziologin.

46 Die Krankheit verstehen Alumni-Porträt

Demenzkranke zu pflegen, zehrt an den Kräften. Monika Lechner gibt als Beraterin ihr Wissen an Pflegekräfte weiter.

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Editorial Universitätsleben Alumni-Club Termine Kunst & Kultur Vorschau/Impressum Archiv

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MEINUNG 7

Die Verjüngung des Alters Alter wird in unserer Gesellschaft immer noch mit Rückzug aus dem aktiven Leben, mit Krankheit und Einsamkeit verbunden. Dieses Altersbild trifft jedoch nicht mehr zu. Wir werden umdenken müssen. Von Oliver Bruttel

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Illustration: Elke Ehninger, Foto: privat

OLIVER BRUTTEL Dr. Oliver Bruttel ist Projektleiter am Institut für Demoskopie Allensbach und hat gemeinsam mit dessen Geschäftsführerin Prof. Dr. Renate Köcher die Generali Altersstudie 2013 verfasst. Davor war er bei McKinsey & Company beschäftigt. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Bereiche Wirtschaft und Soziales, Recht und Sicherheit sowie Medienanalysen. Bruttel hat Volkswirtschaftslehre, Politikwissenschaft und Öffentliches Recht an den Universitäten Bonn und Warwick (Großbritannien) studiert.

och nie zuvor hat sich die ältere Generation so vital und gesund gefühlt und ein so aktives Leben geführt wie heute. Das belegen auch unsere Ergebnisse der Generali Altersstudie 2013: Die heutigen 65- bis 85-Jährigen fühlen sich im Durchschnitt zehn Jahre jünger, als es dem tatsächlichen eigenen Lebensalter entspricht. Auch stufen fast die Hälfte der 65- bis 74-Jährigen ihren Gesundheitszustand als (sehr) gut ein – ein Wert, wie er 1985 für die 50- bis 64-Jährigen gemessen wurde. Die Altersschwellen, ab denen sich Vitalität, Interessenhorizont und die Offenheit für Neues deutlich vermindern, haben sich in den vergangenen 20 bis 30 Jahren um rund zehn Jahre nach hinten verschoben. Während der Anteil älterer Menschen steigt, hat sich die ältere Generation gleichsam verjüngt und kompensiert damit einen Teil der Auswirkungen der demografischen Entwicklung. Entsprechend dieser „Verjüngung“ sind die 65- bis 85-Jährigen sehr oft noch leistungsfähig, was sich auf familiärer wie gesellschaftlicher Ebene zeigt. Innerhalb der Familie unterstützen Großeltern nicht selten in beachtlichem zeitlichen und finanziellen Umfang ihre Kinder. Doch sie hüten nicht nur die Enkel, viele (fast die Hälfte der Befragten) sind bürgerschaftlich engagiert, etwa im kirchlichen, kulturellen oder sportlichen Bereich. Elf Prozent arbeiten auch noch jenseits des gesetzlichen Rentenein-

trittsalters. Dies ist nicht zwangsläufig Ausdruck einer finanziellen Notlage, sondern entspricht dem Wunsch nach Engagement und Teilhabe – Arbeiten im Ruhestand ist im Gegenteil in den höheren Einkommensgruppen deutlich stärker verbreitet als in den unteren. Die Art und Weise, wie die ältere Generation ihr Leben gestaltet, ist daher weniger auf Altersgrenzen zurückzuführen als auf Bildung, Einkommen und den individuellen Gesundheitszustand. Wie das Leben im Alter verläuft, ist demnach nicht schicksalshaft vorgezeichnet, sondern in hohem Maße Ergebnis eines selbst entwickelten Lebensentwurfs. Angesichts dieser Befunde müssen Gesellschaft, Politik und Wirtschaft umdenken und einen neuen Umgang mit dem Altern und den älter werdenden Menschen entwickeln. Statt das Alter und den demografischen Wandel fast ausschließlich mit steigenden Belastungen für die sozialen Sicherungssysteme zu verbinden, sollte der Blick darauf gerichtet werden, welche Rahmenbedingungen für ein selbstbestimmtes Altern geschaffen werden müssen und wie ältere Menschen die Gesellschaft und nachfolgende Generationen unterstützen können – was sie schon heute in bemerkenswerter Art und Weise tun.

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www.ifd-allensbach.de www.generali-altersstudie.de

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1900

2010

24,2 % Der Anteil von Menschen über 60 Jahren an der österreichischen Bevölkerung

9,1 %

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2050

Foto: fotolia.com/Günter Menzl

37 %

Im Jahr 2050 werden 37 Prozent der Österreicher über 60 Jahre alt sein.

Der demografische Wandel zwingt uns zu Veränderungen. Die sozialen Sicherungssysteme müssen genauso umdenken wie Schulen, Unternehmen und Parteien. Bequem ist das nicht, aber eine Chance, alte Maßstäbe zu hinterfragen und neue Wege auszuprobieren. Von Angelika Ohland

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10 DEMOGRAFISCHE ZUKUNFT

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GUDRUN BIFFL Univ.-Prof. Mag. Dr. habil. Gudrun Biffl ist Dekanin der Fakultät für Wirtschaft und Globalisierung der Donau-Universität Krems. Dort leitet sie die Departments für Migration und Globalisierung und für Wissens- und Kommunikationsmanagement. Biffl ist Mitglied des Expertenrates für Integration, Fachbereich Beruf und Arbeit des österreichischen Bundesministeriums für Inneres.

reißig Jahre sind eine lange Zeit. In dreißig Jahren wird ein Baum groß, Kinder bekommen eigene Kinder, technische Erfindungen wie das Internet wälzen das Leben um. In dreißig Jahren könnte man mehrere Instrumente oder Sprachen lernen und zig Fächer studieren. Dreißig Jahre sind ein Dreiviertel Arbeitsleben – und sehr viele Jahre, in denen der Mensch alt ist. Dreißig Jahre wurden uns in den vergangenen hundert Jahren an durchschnittlicher Lebenszeit geschenkt. Das ist ein Grund zur Freude. Aber es ist auch unbequem. Denn für so viele Alte wurden unsere Renten- und Gesundheitssysteme nicht ausgelegt. Die Wirtschaft ringt um Innovationen – können Ältere da noch mithalten? Wachstumsverwöhnte Länder wie Österreich tun sich schwer mit dem Gedanken, dass ihre Bevölkerung nicht nur altert, sondern auch kaum noch wachsen wird. Die Infrastruktur wird sich dem anpassen müssen – es werden mehr Pflegeeinrichtungen und weniger Schulen gebraucht, die gesamte Infrastruktur muss überdacht werden. Warum macht uns die Demografie Angst?

ANTON PELINKA Univ.-Prof. Dr. Anton Pelinka ist Professor für Politikwissenschaft und Nationalismusstudien an der Central European University in Budapest. Davor war er Professor für Politikwissenschaft und einige Jahre Dekan an der Universität Innsbruck. Pelinka hat Rechtswissenschaften studiert, ist Kommentator im ORF und Buchautor.

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Der demografische Wandel wird Österreich verändern – vermutlich mehr, als es sich die meisten vorstellen können. Er wird in die Familien hineinwirken und das Straßenbild verwandeln, weil irgendwann jeder Zweite unter vierzig einen Migrationshintergrund haben wird. Die Migranten werden nicht nur eine andere Religion, sondern auch ein anderes Familienbild mitbringen. Statt frühzeitigem Ruhestand werden Bildungsphasen bis ins höhere Alter eine lange Erwerbstätigkeit begleiten. So jedenfalls könnte es kommen. Und wenn es so kommt: Werden wir uns mit diesen Umwälzungen anfreunden können? Werden wir den Wandel so gestalten, dass unsere Familien, unsere Wirtschaft und Demokratie sich zum Guten entwickeln? Und warum ist die Demografiedebatte von so vielen Ängsten begleitet? „Der demografische Wandel ist eine beachtliche Herausforderung, doch nichts, was die Gesellschaft schrecken muss.“ So fassen die Demografie-Forscher Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, und Gerhard Naegele, Direktor

des Instituts für Gerontologie an der TU Dortmund, ihre Forschung zusammen. Auch der Sozialforscher Jürgen Kocka, Mitglied im Forschungskuratorium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, hält die zusätzlichen dreißig Lebensjahre für einen Gewinn. Deshalb spricht er auch nicht von einer überalterten Gesellschaft, sondern von einer Gesellschaft des verlängerten Lebens. Kocka hält unsere Altenbilder schlicht für veraltet: „Würde sich die Vorstellung durchsetzen, dass das Alter nicht mit 60 oder 65, sondern mit 70 oder 75 beginnt, wäre das statistische Verhältnis zwischen Jungen, Alten und sehr Alten ein ganz anderes.“ Doch so gelassen sehen das nicht alle. Herwig Birg etwa, bis 2004 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Demographie, fallen zum Thema vor allem zwei Begriffe ein: Katastrophe und Krise. Schuld an dem Desaster seien die niedrige Fertilität und die „langen Bremswege“ in der Bevölkerungsentwicklung. Der Forscher fragt: „Welche Chancen sollen damit verbunden sein, dass die Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung erhöht, die Löhne gekürzt, die Versorgungsniveaus alter und kranker Menschen gesenkt und Schulen, Bibliotheken und Kirchen geschlossen werden?“ Birg nennt fünf „demografische Plagen“: Zu ihnen zählen der Generationenkonflikt, der Verteilungskonflikt zwischen Kinderlosen und Eltern, der Konflikt zwischen sich entleerenden Regionen und Ballungszentren, zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund sowie die Verschärfung der Wirtschafts- und Finanzkrise durch die demografische Entwicklung. Der Soziologe Karl Ulrich Mayer hingegen hält von derartigen Krisenszenarien wenig. Mayer ist Präsident der Leibniz-Gemeinschaft und wissenschaftlicher Leiter der aktuellen Ausstellung „Zukunft leben. Die demografische Chance“. Die Folgen der Bevölkerungsentwicklung sind für ihn kein „unentrinnbares Schicksal, sondern eine Herausforderung und Gestaltungsaufgabe für unsere individuelle Lebensführung, für das soziale Miteinander in Familien und Gemeinden, für Arbeitsorganisationen sowie für die Politik“. Dabei sind Mayer die Risiken durchaus bewusst: Es wird weniger Kinder und mehr Alte geben; die Großeltern werden ihre En-


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Fotos: Donau-Universität Krems/Wilke, privat (S. 10), Getty Images/Tuan Tran (S. 11)

„Meine Enkelin wird es einmal leichter haben, nach der Familienpause in den Beruf zurückzukehren.“

kel länger begleiten, aber diese werden nur wenige Geschwister, Tanten und Onkel haben; in den Renten- und Sozialsystemen wird ein Ungleichgewicht zwischen Beitragszahlern und Empfängern entstehen; wir werden mehr kranke Menschen haben – allein die Zahl der Demenzkranken wird sich bis 2050 verdoppeln. Hinzu kommt, dass weniger Kinder weniger Konsumnachfrage und Wirtschaftswachstum bedeuten können, glaubt Mayer. Auch das Humanvermögen wird weniger stabil sein, Produktivität und Innovationsfähigkeit könnten abnehmen. Doch Mayer sieht auch die Chancen der demografischen Entwicklung: Auf dem Arbeitsmarkt wird die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften steigen und mit ihr das Gewicht der Arbeitnehmer. Die Jugendarbeitslosigkeit wird sinken, ältere Arbeitnehmer werden wieder gefragt sein, Frauen nach einer Familienpause leichter in den Ar-

beitsmarkt zurückfinden. Auch die Integration von Migranten ist dann einfacher. Moderne Gesellschaften seien enorm anpassungsfähig, glaubt Mayer. Spitzen-Pensionen sind Spitzen-Kosten Gerade bei der Anpassung hapere es in Österreich noch gewaltig, findet Gudrun Biffl. Die Wirtschaftswissenschaftlerin leitet das Department für Migration und Globalisierung an der Donau-Universität Krems und hat den OECD-Bericht „Aktives Altern“ mitverfasst. „Die Senioritätsentlohnung steht nicht in Einklang mit der Produktivität. 15 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts gehen allein in die staatlichen Pensionszahlungen, das ist internationale Spitze. Gleichzeitig schaffen wir keine Anreize, länger zu arbeiten. Die Schweden machen das besser: Je länger ein Schwede arbeitet, desto höher wird seine Pension.“

Auf den Punkt gebracht

• Wegen der „langen Brems-

wege“ der Bevölkerungsentwicklung ist die Alterung der Gesellschaft für Jahrzehnte unumkehrbar.

• Die Alterung der Gesellschaft fordert nicht nur die Sozialsysteme heraus, sie wirkt bis in jede Familie hinein und fordert ein Umdenken.

• Der erzwungene Wandel

birgt neben den Risiken auch Chancen. Allerdings nur, wenn wir uns mit ihm anfreunden und ihn aktiv gestalten.

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Österreich in dreißig Jahren: Fast alle Mütter sind berufstätig, ein Migrationshintergrund ist gängig. Mehrsprachigkeit wird genauso typisch österreichisch sein wie ein Universitätsabschluss und ein hohes Maß an Mobilität. „Doch bislang kommen die Reformen in Österreich nur langsam voran, wir sind gebremst unterwegs“, findet Biffl. Sorge bereitet ihr auch die Aushöhlung der Mitte: „Ich habe Angst vor Spaltungen der Gesellschaft. Dazu gehört auch der latent wachsende Generationenkonflikt. Statt einer neuen Solidarität der Generationen erleben wir gerade am Arbeitsplatz eine neue Konkurrenz. Früher waren Jung und Alt in verschiedenen Arbeitsmärkten, jetzt konkurrieren sie um dieselben Jobs.“ Die Spaltung der Gesellschaft

„Alt bin ich morgen, heute will ich mit den jungen Leuten lernen.“

Kritisch sieht Biffl auch die „Wunschvorstellung, dass die Frauen für die Kinder zu Hause bleiben – der Arbeitsmarkt ist noch immer nach dem Karrieremuster des Mannes ausgerichtet“. Die Folgen sind bekannt: Je höher eine Frau sich qualifiziert, desto niedriger ist ihre Fertilität. Unter österreichischen Akademikerinnen bleiben inzwischen 45 Prozent kinderlos. Der zweite Schlüssel zur demografischen Zukunft ist für Biffl die Bildung. „Diese müssen wir so reformieren, dass die Massen studieren können. Wir brauchen einen Anspruch auf einen Abschluss, der den Zugang zur Universität ermöglicht. In Japan, einer sehr erfolgreichen alternden Gesellschaft, haben 56 Prozent der 25- bis 34-Jährigen einen Universitätsabschluss.“

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Die Spaltung betrifft aber auch Arm und Reich. „Die Verlierer der Globalisierung sind die Armen der reicheren Länder“, sagt Anton Pelinka, Politikwissenschaftler an der Central European University in Budapest. Die demografische Entwicklung könnte diese Tendenz noch verstärken. Die Demografie entfaltet ihre Wirkung schließlich nicht isoliert, sondern zusammen mit vielen anderen Faktoren wie Familie und Beruf, Migration und Globalisierungsdruck, Bildung und lebenslanges Lernen. Die politischen Äußerungen zu diesen Herausforderungen empfindet Anton Pelinka nicht selten „als Ausdruck einer peinlichen Hilflosigkeit“. Auf Phänomene wie Globalisierung, Migration und Demografie habe die Politik letztlich wenig Einfluss. Wie viele Kinder ein Paar bekommt, ob im Wiener Bezirk ein tschetschenisches Caféhaus eröffnet oder welche Menschen es nach Österreich zieht – darüber entscheiden nicht Politiker, sondern die Betroffenen. „Da fährt ein Zug und die Politik tut so, als säße sie in der Lok“, ärgert sich Pelinka. Pelinka hat sich intensiv mit den Parteien und dem Wahlverhalten befasst. Er hat beobachtet: „Es gibt kein Merkmal, das in Österreich so sehr das Wahlverhalten prägt wie das der Generation. Sozialdemokraten und Volkspartei haben vor allem alte, die Grünen vor allem junge Wähler. Das bedeutet, dass sich die Generationen in der Antwort auf die gesellschaftlichen Herausforderungen politisch auseinanderentwickeln.“


DEMOGRAFISCHE ZUKUNFT 13

Fotos: mauritius images/Fancy (S. 12), plainpicture/Kniel Synnatzschke (S. 13)

Heikel findet der Politikwissenschaftler auch, dass die demografisch forcierte Zuwanderung populistisch ausgenutzt wird, besonders von den Freiheitlichen. Hinzu kommt eine weitere Schieflage: „Weil sich jede Demokratie an der Mehrheit orientiert, muss die Politik auf die Alten mehr Rücksicht als auf die Jungen nehmen“, sagt Pelinka. „Aber wie lange das gut geht, ist eine andere Frage. Zumal die 40-Jährigen einen Lebensstandard, wie ihn die heute 60-Jährigen haben, später nicht erwarten können.“ Die Alten aber sind in ihrer Sorge um die nachfolgende Generation gespalten. Sie passen zwar auf die Enkel auf oder steuern beim Hauskauf der Kinder etwas bei, überhaupt sorgen sie sich sehr, solange es um die eigene Familie geht. Aber gesellschaftlich sind sie wenig kompromissbereit, da herrscht das Gefühl vor: „Wir haben unsere Altersvorsorge nicht geschenkt bekommen.“ Gegen eine gesellschaftliche Umverteilung werden sie sich wehren, da ist Anton Pelinka sich sicher. „Wenn es in Österreich nicht gelingt, die Interessen der Alten zu zähmen, indem Sozialdemokraten und Volkspartei hier gemeinsam auftreten, könnte es mit der Berechenbarkeit der älteren Generation zu

„Wenn ich einmal so alt bin wie er, kann ich seinen Lebensstandard nicht mehr halten.“

Ende gehen“, fürchtet Pelinka. „Dann könnte es passieren, dass sie neue, extreme Parteien gründen oder freiheitlich wählen.“ Nichts geht ohne die Alten Politik kann man nur mit den Alten machen, nicht gegen sie, glaubt auch der deutsche Politologe und Sozialwissenschaftler Wolfgang Gründinger, Jahrgang 1984 und Mitglied im Think Tank 30 des Club of Rome. Eine erfolgreiche Demografiepolitik steht für ihn auf drei Säulen: einer aktiven Geburtenpolitik, einer weltoffenen Zuwanderungs- und Integrationspolitik und dem Versuch, zu altern, ohne zu veralten. Um das zu erreichen, ist eine Erhöhung der Lebensarbeitszeit für ihn genauso notwendig wie ein Ausbau der Bildung, so dass „keiner mehr verloren geht“. Auch neue Wohnformen, eine Anpassung der Infrastruktur und eine Stabilisierung der Renten- und Krankenversicherungen gehören dazu. Um das politische Ungleichgewicht zu entkräften, schlägt er eine stärkere Mitsprache junger Menschen vor. „Zentral ist nicht die Frage, ob wir altern, sondern wie wir altern: mit gut ausgebildeten Fachkräften, mit massiven Investitionen in Forschung und Entwicklung, mit anpassungsfähiger Infrastruktur, mit stabilen Sozialsystemen, mit einer lebendigen Demokratie – oder ohne all das“, schreibt Gründinger in seinem Buch „Aufstand der Jungen“. Dem stimmt der Altersforscher Karl Ulrich Mayer zu: Die wirtschaftlichen Einbußen ließen sich durch höhere Produktivität, durch längere Lebensarbeitszeit sowie durch die Eingliederung von Müttern ins Arbeitsleben mildern. Bessere Schulen und der Abbau von Bildungsschranken könnten der Verknappung des Humanvermögens entgegenwirken, Arbeitsplätze den Bedürfnissen älterer Arbeitnehmer angepasst werden. Ganz bestimmt müssen Länder wie Österreich und Deutschland noch attraktiver für qualifizierte Zuwanderer werden. Und nicht zuletzt hat auch die individuelle Lebensführung Einfluss darauf, wie hilfsbedürftig oder leistungsfähig jemand im Alter ist. Verändern wird sich auch unser Bild vom Alter. „Während die Gesellschaft strukturell altert, hat sich die ältere Generation gleichsam verjüngt und kompensiert damit einen Teil der Auswirkungen der demo-

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14 DEMOGRAFISCHE ZUKUNFT

grafischen Entwicklung“, stellt das Institut für Demoskopie Allensbach in seiner Altersstudie 2013 fest. Dabei verlaufen die Grenzen weniger entlang des Alters als entlang unterschiedlicher Einkommen, Bildung und Gesundheit. Wettkampf der Stereotype Begreifen wir das Altern als Defizit und „Disengagement“, wie Wissenschaftler den Rückzug aus Beruf und anderen Aufgaben nennen? Oder stellen wir uns das Alter als aktiven Lernprozess vor? Vielleicht aber löst hier auch nur ein Stereotyp das andere ab. Denn während wir überkommene Bilder von gebrechlichen, vergesslichen Großeltern abstreifen, treten neue, jetzt positive Altersstereotype auf, die Fitness, Produktivität und Flexibilität im Alter huldigen. Auch dieses konstruierte neue Altersbild bleibt nicht ohne Konsequenzen. „Wo keiner mehr alt sein will, fällt eine Sinngebung und Wertschätzung des Alters als Lebensphase und des Alterns als sinnvoller und natürlicher Prozess im Leben immer schwerer“, fasst der Sozialwissenschaftler Daniel Bieber in seinem Buch „Sorgenkind demografischer Wandel?“ seine Beobachtungen zusammen. Bieber fürchtet, dass Ältere, die es wagen, sich wie Ältere zu benehmen, in Zukunft stigmatisiert werden. Denn das neue Leitbild sei „der fitte, mobile, flexible, produktive, also verjüngte Ältere, der sich mit allen seinen Kräften ins ökonomische Kampfgetümmel wirft“. Viele Altersforscher zeigten hier eine erschreckende Körpervergessenheit, schimpft Bieber auf seine Zunft: „Flüchtet hier eine ganze Disziplin vor dem Unausweichlichen, dem Tod?“ Wie wir es drehen und wenden: Das Alter bleibt – auch – eine Zumutung, ein „Unfall“ und „unverschuldeter Gewaltakt“, wie Simone de Beauvoir es in der ihr eigenen gnadenlosen Offenheit ausgedrückt hat. Keine Fitness könne darüber hinwegtäuschen, dass das Alter ein „Lebensabschnitt der Zukunftsverminderung“ sei, schreibt Odo Marquard. Das habe allerdings nicht nur Nachteile, sagt der Philosoph, denn das Alter mache „illusionsresistent“, ein „So-istes“ löse das jugendliche „So-soll-es-sein“ ab. Dass wir in der Demografiedebatte den Gedanken an unsere Endlichkeit zulassen, ist möglicherweise nicht weniger wichtig als

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die Sicherung von Wirtschaftskraft und Sozialsystemen. Es wird auch an den Alten selbst liegen, ob sie in Zukunft eher für Lebenserfahrung und Weisheit geschätzt oder für Lebensverleugnung und Anti-Aging-Narretei belächelt werden. Weisheit, sagt die Psychologin und Altersforscherin Ursula Staudinger von der Jacobs University Bremen, sei die „höchste Einsichts- und Urteilsfähigkeit in schwierigen und unsicheren Fragen des Lebens“. Sie entstehe nicht durch Altern, sondern durch den Wunsch, „Grundlegendes über das Leben zu erfahren und etwas beizutragen zum Wohle der Gemeinschaft“. Zurzeit ist unsere Gesellschaft weniger auf Weisheit ausgerichtet als auf Lebenserfolg. Das Primat von Wachstum, Egozentrismus und Machtwillen verträgt sich schwer mit dem Altern. Dass der demografische Wandel uns nun dazu zwingt, die Frage nach unseren Lebensgrundlagen anders zu stellen – das könnte ein willkommener Kollateralgedanke der Demografiedebatte sein. LITERATUR Katharina Diel-Gligor, Wolfgang Gründinger & Ali Aslan Gümüsay (Hg.): 7 Tugenden Reloaded. Zukunftsmodelle des Think Tank 30. Vergangenheitsverlag, Berlin 2013 Wolfgang Gründinger: Wir Zukunftssucher. Edition Körber Stiftung, Hamburg 2012 ders.: Aufstand der Jungen. C. H. Beck, München 2009 Michael Hüther, Gerhard Naegele (Hg.): Demografiepolitik. Springer VS, Wiesbaden 2013 Karl Ulrich Mayer (Hg.): Zukunft leben. Nicolai 2013 Herwig Birg: Die ausgefallene Generation. C.H. Beck, München 2005 Institut für Demoskopie Allensbach: Generali Altersstudie 2013. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2013 Daniel Bieber (Hg.): Sorgenkind demografischer Wandel? Oekom Verlag, München 2011 Horst W. Opaschowski: Deutschland 2030. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2013 Winfried Kösters: Weniger, bunter, älter. Den demografischen Wandel aktiv gestalten. Olzog Verlag, München 2011 OECD 2005, Ageing and Employment Policies. Austria, OECD Publ., Paris


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„Wir wollen gut leben, statt viel haben.“

Foto: David Ausserhofer

schuldung, eine unterfinanzierte Bildung, ein nicht ganz faires Rentensystem und ökologische Lasten vererben. Für die jüngere Generation engagieren sie sich nur innerhalb der eigenen Familie, nicht politisch. Eine Umverteilung der demografischen Lasten durch eine Erhöhung des Renteneintrittsalters etwa würden sie als Geringschätzung der eigenen Lebensleistung missverstehen. Auch in nachhaltiger Lebensführung können sich die Jüngeren wenig von den Älteren abschauen.

Wolfgang Gründinger, Jahrgang 1984, ist Sprecher der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen und Mitglied des Think Tank 30 des Club of Rome. Er lebt als Politikbeobachter und Journalist in Berlin.

Ihr neues Buch befasst sich mit den sieben Tugenden. Welche Tugend brauchen wir am meisten, um den demografischen Wandel zu meistern? Wolfgang Gründinger: Wir brauchen Gerechtigkeit zwischen den Generationen. Damit die ältere Generation ihren fairen Anteil vom Wohlstand abbekommen kann, müssen die Jungen enorm produktiv und leistungsfähig sein. Deshalb müssen wir mehr in ihre Bildung und Ausbildung investieren. Nur so können sie den Wohlstand einer älter werdenden Gesellschaft erwirtschaften. Unser Sozialstaat gibt für die Älteren viermal so viel wie für die Jüngeren aus. Als das Land jung war, haben wir das Sicherungssystem für die Alten ausgebaut. Jetzt wo die Gesellschaft altert, müssten wir die Sicherung für die Jungen ausbauen. Sind die Alten sich ihrer Zukunftsverantwortung bewusst? Sind sie bereit, Privilegien aufzugeben und mehr Verantwortung zu tragen? Gründinger: Die Älteren erkennen an, dass sie der jüngeren Generation eine hohe Staatsver-

Hat der demografische Wandel auch etwas Gutes? Gründinger: Weniger Menschen verbrauchen weniger Energie und Nahrung – das ist ökologisch sehr heilsam. In einer älteren Gesellschaft geschehen nicht mehr so viele Gewaltverbrechen. Man hat weniger Ausgaben für Bildung oder Kindergeld – das ist die demografische Dividende. Die Arbeitslosigkeit wird zurückgehen. Aber diese Gewinne werden überkompensiert von den Kosten für Renten, Pensionen, Gesundheits- und Pflegeleistungen. Auch die Pro-KopfStaatsverschuldung wird steigen, weil die Schulden sich auf weniger Köpfe verteilen. Weniger Menschen, mehr Wachstum – ist das ein Widerspruch? Gründinger: In Gesundheit und Pflege werden wir wachsen, andere Bereiche werden schrumpfen. Die jüngere Generation pflegt ein anderes Wohlstandsmodell: gut leben, statt viel haben. Viel problematischer als eine Wirtschaft ohne steigendes Bruttoinlandsprodukt ist die Vererbung der ungerechten Lebenschancen. Was auf dem Arbeitsmarkt falsch läuft, kann das Rentensystem nicht auffangen. Wenn wir heute befristete, schlecht bezahlte Beschäftigungsverhältnisse haben, wird die Altersarmut für einen nicht geringen Teil der jüngeren Generation später zurückkehren. Wie möchten Sie selbst einmal alt werden? Gründinger: Wie in dem Lied von Peter Fox – mit hundert Enkelkindern in meinem Haus am See. Und wenn meine Enkeltochter mich fragt: „Opa, was hast du gemacht, damit ich, wenn ich mal so alt bin wie du, auch noch in meinem Haus am See sitzen kann?“, dann werde ich ihr, so hoffe ich, keine Antwort schuldig bleiben.

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16 STATISTIKEN

Zahlen & Fakten Bevölkerungsentwicklung

Demografie im Jahr 2060: Fast jeder Dritte ist über 65 Jahre alt Während der kommenden 40 Jahre wird die Bevölkerung Österreichs von heute 8,42 auf 9,38 Millionen Menschen anwachsen, so lautet die Prognose von Statistik Austria. Der Anteil der Altersgruppe 65 plus wird sich dabei weiter vergrößern – von aktuell 18 auf 29 Prozent. Gleichzeitig geht der Anteil der Personen im erwerbsfähigen Alter zwischen 20 und 65 Jahren um knapp 10 auf 52 Prozent zurück. Dass der demografische Wandel auch die übrigen EU-Mitgliedsstaaten betrifft, zeigen die Zahlen von Eurostat. Demnach wird ebenfalls nahezu jeder dritte EU-27Bürger bis zum Jahr 2060 65 Jahre oder älter sein. Im Vergleichsjahr 2010 waren es noch 17,4 Prozent. Mit zunehmender Lebenserwartung wird es künftig immer mehr Menschen geben, die ein dreistelliges Lebensalter erreichen. Weltweit haben zurzeit 343.000 Menschen ihren 100. Geburtstag bereits hinter sich, so die Statistik der Vereinten Nationen. 1.400 davon leben in Österreich. Im Jahr 2050 sollen es etwa zehnmal so viel sein: weltweit 3,2 Mio. bzw. 12.000 in Österreich. Bereits heute hat jedes zweite Neugeborene in Österreich gute Aussichten, seinen 100. Geburtstag zu erleben, so eine Schätzung der Allianz-Gruppe. Internationaler Spitzenreiter bei den über 100-Jährigen ist Japan: Auf der Pazifikinsel soll 2050 bereits ein Prozent der Bevölkerung über 100 Jahre alt sein. Quellen: Allianz-Gruppe, Eurostat, Statistik Austria, Vereinte Nationen

Bevölkerungsentwicklung in Österreich: von der Pyramide zur Glocke Lebensjahre

Männer

Frauen

2011

95

2030

90

2060

85 80 75 70

Die Zahl der 100-Jährigen verneunfacht sich bis 2050

65

Anzahl 100-Jährige in Österreich

55

2013

2050

50

1.400

45 40 35

12.000

30 25 20 15 10 5 0 80

60

40

20

0

0

Personen in 1.000

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20

40

60

80


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Daten in Kürze

Lebensarbeitszeit

Alternde Belegschaft

Lebenserwartung 60-Jähriger in Österreich Frauen / Männer

Die Frühpensionierungen der 1980er und 1990er Jahre haben zu einem Rückgang der Be-

schäftigung älterer Menschen geführt. Doch der Trend kehrt sich um. In vielen Ländern sind nach Arbeitsmarkt- und Pensionsreformen wieder über zwei Drittel der 50- bis 64-Jährigen berufstätig. Unternehmen müssen sich darauf einstellen, ihre Produktivität künftig mit einer älteren Belegschaft zu steigern. Eine Umfrage der Commerzbank AG zeigt jedoch, dass Firmen noch sehr eingeschränkt reagieren. 85 Prozent der befragten Unternehmen konzentrieren ihre Bemühungen auf die Qualifizierung der jüngeren Mitarbeiter, auf Weiterbildungsangebote für Ältere setzen nicht einmal die Hälfte. Häufig ungenutzt bleibt auch das Potenzial altersgemischter Teams und auch Karrieremodelle für Ältere bilden fast immer noch die Ausnahme. Quelle: International Labour Organization, Commerzbank AG Immer mehr ältere Arbeitnehmer Beschäftigungsquote 50- bis 64-Jähriger (Prozent) 75 %

65 % 55 %

45 %

Fokus: junges Personal

Fokus: Beschäftigungsfähigkeit Älterer 85 %

Schweden

Weiterbildung jüngerer Mitarbeiter

Schweiz

Gesundheitsförderung der Mitarbeiter

60 %

Deutschland

Ergonomische Gestaltung von Arbeitsplätzen

56 %

Großbritannien

Personalmarketing

49 %

USA

Arbeitsplatzmodelle für Mütter/Väter (z.B. Teilzeit)

49 %

Österreich

Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze

48 %

Frankreich

Bemühung um Hochschulabsolventen/junge Fachkräfte

45 %

Ungarn

Einrichtung altersgemischter Teams oder Arbeitsgruppen

45 %

35 % 1980

Unternehmen setzen zu selten auf Perspektiven für Ältere

2020

Einbindung von Ruheständlern, z.B. als Experten

45 %

Intensivere Weiterbildung für ältere Arbeitnehmer

44 % 43 %

Altersteilzeit- oder Vorruhestandsregelungen Entwicklung von Laufbahnmodellen für ältere Mitarbeiter

11 %

Lebensqualität

Wie leben Pensionisten? 65- bis 85-Jährige fühlen sich im Schnitt zehn Jahre jünger und führen mehrheitlich ein

aktives, zufriedenes und abwechslungsreiches Leben. Sie empfinden ihre materielle Lebenssituation als gut und verfügen über enge familiäre Bindungen sowie einen stabilen Freundeskreis. Für eine lebenslange Selbstbestimmtheit – möglichst in der eigenen Wohnung – achten die meisten besonders auf den Erhalt ihrer Gesundheit. Dies sind die zentralen Erkenntnisse der Generali Altersstudie für Deutschland, für die rund 2.000 Personen im Alter von 65 bis 74 sowie von 75 bis 85 befragt wurden.

1970 2000 2010 2020 2030

78,8 / 74,9 83,8 / 79,7 85,5 / 81,7 87,0 / 83,3 88,3 / 84,8

Geburten und Sterbefälle je 1.000 Einwohner, 2011 Deutschland Österreich EU-27 Irland

8,1 / 10,4 9,3 / 9,1 10,4 / 3,9 16,3 / 6,3

Pensionsregelalter Frauen / Männer, 2010 Norwegen Österreich Italien Griechenland OECD

67 / 67 60 / 65 59 / 59 57 / 57 61,8 / 62,9

Tatsächliches Antrittsalter Frauen / Männer, 2007 Norwegen Österreich Italien Griechenland OECD

63,2 / 64,2 58,9 / 57,9 60,8 / 60,8 62,4 / 60,9 62,3 / 63,5

Erwerbstätige ab 65 Jahren – Veränderung 2011 gegenüber 2001 in Prozent Finnland Österreich EU-27 Polen Rumänien

+169,0 +114,2 +10,9 – 27,4 – 65,8

Quelle: Generali Zukunftsfonds, 2012 Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Leben? völlig zufrieden

16 % 28 %

im Durchschnitt:

17 % 10 %

7,4

9% 3% 1%

32 %

Im Seniorenheim mit eigenem Zimmer

21 %

Bei den Kindern, Enkeln

20 %

x = unter 0,5%

Bei anderen Verwandten

Erwerbstätige in Prozent der Bevölkerung 50–54 Jahre 55–59 Jahre 60–64 Jahre 65+ Jahre

(w / m) 71 / 85 47 / 69 7 / 23 1/3

19 % Quellen: Statistik Austria, EUROSTAT, OECD

In einer Wohngemeinschaft mit anderen älteren Menschen

x 0 x

Im Seniorenheim mit eigener Wohnung

In einer eigenen Wohnung in einem Mehrgenerationenhaus

3% überhaupt nicht zufrieden

59 %

In der eigenen Wohnung mit Pflegedienst

13 %

10

Geringe Arbeitsmarktbindung älterer Frauen

Wenn Sie einmal nicht mehr alleine leben können, wie möchten Sie leben?

12 % 1%

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Lernen Die gesellschaftlichen Entwicklungen unserer Zeit machen es nötig und möglich, ein Leben lang zu lernen. Längst hat das Konzept „Lebenslanges Lernen“ Einzug in den wissenschaftlichen und politischen Diskurs gehalten. Doch bislang ist der Ansatz mehr Absichtserklärung als Realität. Von Elisa Holz

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LEBENSLANGES LERNEN 19

Fotos: fotolia.com/Yuri Arcurs (S. 18), privat (S. 19)

M

an lernt nie aus. Das ist zweifelsohne eine richtige Feststellung. Aber auch ein sprichwörtlicher Stoßseufzer, der immer dann geäußert wird, wenn die Dinge eine unerwartete Wendung nehmen. Solche Wendungen und Herausforderungen auf individueller wie auch auf gesellschaftlicher Ebene sind eine Erscheinung unserer Zeit, die von jedem Einzelnen größtmögliche Flexibilität und Anpassung an ständig wechselnde Verhältnisse fordert. In der globalisierten, dynamisierten und hoch technisierten Wissensgesellschaft kann man Lernen nicht mehr auf einen kurzen Lebensabschnitt beschränken, zu veränderlich sind die gesellschaftlichen, technischen und ökonomischen Rahmenbedingungen. Um mit dieser Dynamik mithalten zu können, muss der moderne Mensch immer auf der Höhe der Zeit sein, lernen und sich weiterbilden – ein Leben lang und bis ins hohe Alter. Vor diesem Hintergrund steht das gesellschaftstheoretische Konzept für so genanntes „Lebenslanges Lernen“ (LLL). Als solches hat es längst Einzug gehalten in den gesellschafts- und bildungspolitischen Diskurs vieler Länder Europas, die mittels LLL nicht nur den Anforderungen einer globalisierten Welt gerecht werden wollen, sondern auch dem demografischen Wandel – niedrigen Geburtenraten und immer mehr alten Menschen – begegnen müssen. Seit Beginn des Jahrtausends hat sich auch die Europäische Union lebenslanges Lernen zu eigen gemacht und seitdem in regelmäßigen Abständen diverse Memoranden, Strategiepapiere und Empfehlungen verabschiedet. Auch Österreich hat mit der Strategie „LLL:2020“ seine Ziele klar dargelegt – ein kompliziertes Konstrukt unterteilt in Grundprinzipien, Leitlinien, Aktionslinien und Schlüsselkompetenzen. Darin heißt es: „Lebensbegleitendes Lernen bedeutet, die Aspekte der dynamischen Veränderungen aktiv aufgreifen und neue Chancen nutzen zu können – sei dies nun im beruflichen, im sozialen oder kulturellen Bereich.“ So weit die Theorie. Ein Konzept mit vielen Facetten Doch was genau lebenslanges Lernen bedeutet und bedeuten kann, ist nicht immer eindeutig. Zu viele divergierende sozial-, bildungs-, wirtschafts- und integrationspoli-

tische Aspekte und Konnotationen sind in dem breit angelegten Konzept enthalten. Dieser ganzheitliche Ansatz ist sicher sinnvoll. Es besteht allerdings die Gefahr, dass LLL beliebig oder gar missverstanden wird. Ein erstes Missverständnis wohnt schon der Bezeichnung dieses Konzeptes inne. „Das Wort ‚lebenslang‘ ist nicht gerade positiv besetzt“, sagt Barbara Schober, Professorin für Psychologische Bildungs- und Transferforschung an der Universität Wien. Das klingt in vielen Ohren nach Strafe, Zwang und nach Fremdbestimmung. Dabei soll es bei LLL eigentlich genau um das Gegenteil gehen: nämlich um Motivation und Selbstwirksamkeit, um die Lust und auch die Fähigkeiten, sich neuen Herausforderungen zu stellen und damit Verantwortung für sich zu übernehmen. „Es geht um eine Grundhaltung, um Offenheit und die Bereitschaft, seine Fähigkeiten zu nutzen und immer wieder zu erweitern“, sagt Schober. Diese Fähigkeiten können auf drei verschiedene Arten erworben werden. Zum einen durch formales Lernen, wie es zum Beispiel an Bildungsinstitutionen wie Schulen, Universitäten oder bei gezielten Weiterbildungsangeboten möglich ist. Die Ergebnisse dieses Lernprozesses können nach geltenden Standards klassifiziert oder zertifiziert werden. Zum lebenslangen Lernen gehört aber auch so genanntes nonformales Lernen, also organisiertes Lernen außerhalb des formalisierten Bildungswesens. Die dritte und keineswegs zu vernachlässigende Art des Lernens ist das informelle Lernen. Das bedeutet, dass man Lebenserfahrungen und Fertigkeiten, die man über die Jahre im Alltag, im Berufsleben oder auch in der Freizeit gewissermaßen nebenbei erworben hat, reflektiert und gezielt einsetzen kann. Alter außen vor Gerade diesen letzten primär praktischen und handlungsorientierten Aspekt lebenslangen Lernens könnte sich die Generation der heute schon über 60-Jährigen zunutze machen. Schließlich wächst mit dem Alter auch die Anzahl dieser Fertigkeiten. Eine Tatsache, von der im Übrigen auch der Arbeitsmarkt profitieren könnte. Aber die ältere Generation ist derweil noch weitgehend außen vor. Aktives Altern ist häufig noch eine Wunschvorstellung, Realität ist viel-

Auf den Punkt gebracht

• Das Konzept des

„Lebenslangen Lernens“ (LLL) hat Einzug gehalten in den gesellschafts- und bildungspolitischen Diskurs vieler Länder Europas. Doch was leitet sich daraus konkret ab?

• Erreicht werden soll eine

Wertschätzung für das Lernen über die gesamte Lebenszeit, vom Kind bis zum Senior, und damit die Fähigkeit zu Selbstwirksamkeit und Eigenverantwortung.

• Von dieser „Inklusion“ aller

Alters- und Bevölkerungsgruppen profitiert nicht nur das Individuum, sondern die gesamte Gesellschaft.

BARBARA SCHOBER Univ.-Prof. Dipl.-Psych. Dr. Barbara Schober ist Professorin für psychologische Bildungs- und Transferforschung an der Fakultät für Psychologie der Universität Wien. Ihre Forschungsergebnisse sind in zahlreichen internationalen Publikationen veröffentlicht – etwa zu den Themen Motivationsförderung in Schulen, lebenslanges Lernen, bildungspsychologische Interventionsmaßnahmen sowie geschlechtsspezifische Bildungsverläufe.

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20 LEBENSLANGES LERNEN

Wandel mit Weile Der Grundstein für diesen Wandel liegt aber nicht im Rentenalter, sondern in den Kinderjahren. Lebenslanges Lernen sollte bereits in der Kinderkrippe, im Kindergarten und in der Schule gelehrt werden. Doch bislang hat das Konzept im Bildungswesen noch nicht wirklich Einzug gehalten. „Man müsste nachhaltig planen. Aber der Bildungssektor ist sehr träge“, weiß Schober, die schon viele verschiedene Förderansätze für Schüler und insbesondere auch Lehrer entwickelt hat. In den gemeinsamen Lernzielen gehe es zum einen darum, wie man die Wertschätzung für das Lernen auch über die ganze Lebenszeit hinweg erhalten kann. Wichtig ist aber

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auch, dass Menschen das Lernen lernen können. Das hat weniger mit der Vermittlung von Lehrinhalten als vielmehr mit Motivation zu tun – angesichts herrschender Zustände mindestens eine bildungspolitische Revolution. Aus ihrer eigenen Erfahrung weiß Schober, dass man einen langen Atem braucht und sehr dicke bildungspolitische Bretter bohren muss, um solch einen Paradigmenwechsel im Bildungssystem auch tatsächlich irgendwann herbeizuführen. Bekanntermaßen ist nichts schwieriger, als herrschende Einstellungen zu ändern. Und nicht nur das: Es geht auch um Befindlichkeiten. So fühlen sich Lehrkräfte beispielsweise durch Initiativen in diese Richtung häufig angegriffen und auch Politiker können Versäumnisse in ihrer Verantwortung oft gar nicht korrigieren, weil sie dadurch offenbar würden. Ein Beispiel für eine misslungene LLL-Initiative ist auch der BolognaProzess. Dieser sieht eigentlich vor, dass sich Bachelor-Absolventen und -Absolventinnen später im Berufsleben durch einen Masterstudiengang weiterqualifizieren. Tatsache ist, dass die beiden unterschiedlichen Studiengänge nach wie vor meist direkt hintereinander angetreten werden, weil die Studierenden sonst berufliche Nachteile befürchten müssen. Das alles sind Gründe, warum die Gesellschaften Europas noch weit entfernt davon sind, LLL auch zu leben. LLL für alle Trotz aller Rückschläge: Langfristig wird kein Weg am lebenslangen Lernen vorbeiführen, da sind sich Politik und Wissenschaft im Prinzip einig. Denn die Vorteile liegen in jeder Hinsicht auf der Hand. „Im besten Fall ist das eine Win-win-Situation“, sagt Bildungspsychologin Schober. Es profitiert das Individuum durch mehr Selbstbewusstsein und das Gefühl, gebraucht zu werden. Es profitiert der Arbeitsmarkt, der aufgrund der demografischen Entwicklung schon jetzt an einem Fachkräftemangel leidet. Und es profitieren Gesellschaft und Demokratie von Menschen, die aktiv am gesellschaftlichen Leben teilhaben wollen und das auch können. Der Aspekt der Inklusion ist zentral: „Im Grunde ist lebenslanges Lernen ein sozialpolitisches Konzept“, sagt Thomas Pfeffer, Mitarbeiter am Department für Migration und Globalisierung an der Do-

„Momentan sind ältere Menschen ausgegrenzt und nicht Teil des Entwicklungsprozesses. Das liegt nicht zuletzt am gesellschaftlichen Rollenbild.“ Peter Baumgartner

PETER BAUMGARTNER Univ.-Prof. Dr. habil. Peter Baumgartner leitet das Department für Interaktive Medien und Bildungstechnologien an der Donau-Universität Krems. Seine Forschungsund Lehrtätigkeiten konzentrieren sich auf E-Learning, Blended Learning und Interaktive Medien. Auch Lehr- und Lerntheorie, (Hochschul-)Didaktik sowie Evaluationsmethodik zählen zu seinen Arbeitsfeldern. Zuvor hatte Baumgartner Professuren an der Universität Innsbruck sowie an der Fernuniversität Hagen inne. Baumgartner forscht auch im Ausland.

Fotos: Donau-Universität Krems/Wilke (S. 20), Donau-Universität Krems/Reischer (S. 21)

mehr der Ruhestand. Alter, so das Bild in den Köpfen, ist gleich Abstellgleis. „Momentan sind ältere Menschen ausgegrenzt und nicht Teil des Entwicklungsprozesses“, konstatiert Peter Baumgartner, Professor für Interaktive Medien und Bildungstechnologien an der Donau-Universität Krems. Das liege nicht zuletzt am gesellschaftlichen Rollenbild, nach dem das Alter eine Lebensphase ist, die hauptsächlich mit physischen, aber auch geistigen Defiziten einhergeht. Wer heute schon älter ist, dem traut man den Anschluss an das bewegte Gesellschaftsleben kaum mehr zu. Ein großes Problem in diesem Zusammenhang ist auch die mangelnde Vertrautheit mit neuen Technologien. „Da gibt es Ressentiments“, weiß der Bildungsforscher. Dabei seien aber beispielsweise elektronische Portfolios gut geeignet, um Lebensläufe darzustellen, Kompetenzen zu extrahieren und Entwicklungen sichtbar zu machen – nicht nur für potenzielle Arbeitgeber, auch für die Person selbst. Ähnlich nützlich wäre der furchtlose Umgang mit sozialen Medien, um Netzwerke zu knüpfen, Gleichgesinnte kennenzulernen und so Isolation im Alter vorzubeugen. Aber Technologie ist, so Baumgartner, nur ein Mittel zum Zweck: „Jede technische Innovation braucht auch die soziale Innovation.“ Soziale Innovationen gehen für den Wissenschaftler einher mit neuen Organisationsformen und neuen gesellschaftlichen Normen. Im Grunde also muss, auch was lebenslanges Lernen im Alter betrifft, ein Bewusstseinswandel stattfinden.


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„Durch die Diskussion um lebenslanges Lernen werden gesellschaftliche Missstände sichtbar gemacht. Das Basiskonzept des lebenslangen Lernens ist integrativ.“ Thomas Pfeffer

THOMAS PFEFFER Mag. Dr. Thomas Pfeffer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Departements für Migration und Globalisierung an der Donau-Universität Krems. Er ist als Forscher, Lehrer und Berater insbesondere in den Bereichen höhere Bildung und Migration tätig. Pfeffer war an diversen europäischen Studien zum internationalen Vergleich von Bildungssystemen und Bildungsorganisationen beteiligt, zuletzt beschäftigte er sich mit der Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen und mit Diskriminierung in Rekrutierungsprozessen in Österreich.

nau-Universität Krems. Deshalb sei es auch so wichtig, dass das Konzept von verschiedenen Politikfeldern gemeinsam gefördert wird – wie es in Österreich zumindest in Ansätzen wie der „LLL:2020“-Strategie bereits der Fall ist. Dazu gehören die Bildungsund Wissenschaftspolitik, die Wirtschafts-, die Sozial- und auch die Integrationspolitik. „Solide Alphabetisierung und die Fähigkeit zu lernen müssen im formalen Schulsystem aufgebaut werden. Beides sind wesentliche Voraussetzungen dafür, auch später am lebenslangen Lernen teilnehmen zu können. Wenn Menschen aus bildungsfernen Schichten besonders gefährdet sind, frühzeitig aus dem formalen Schulsystem auszuscheiden, führt dies zu systematischer Diskriminierung und lebenslanger Benachteiligung“, sagt Pfeffer. Durch die Diskussion um lebenslanges Lernen würden solche gesellschaftlichen Missstände sichtbar gemacht, selbst wenn man von der Umsetzung noch weit entfernt sei. „Das Basiskonzept des lebenslangen Lernens ist integrativ“, was Pfeffer für einen der großen Pluspunkte hält. In der Konsequenz bedeutet das „Flexibilisierung, Öffnung und mehr Durchlässigkeit des Bildungssystems“. Aber auch stärkere Verantwortung der Bildungsinstitutionen für den Erfolg ihrer Schüler und Schülerinnen oder Klienten: Gerade öffentliche Bildungseinrichtungen dürften sich nicht zu Instrumenten der Statusvererbung degradieren lassen, fordert Pfeffer. Teilhabe, Demokratie, Freiheit Von dieser „inklusiven Nebenwirkung“ des lebenslangen Lernens könnte auch die ältere Generation profitieren – im sozialen wie auch im gesundheitlichen Sinne (siehe Interview Seite 22). Auch ökonomisch gibt es schon jetzt Bedarf an älteren, erfahrenen Arbeitnehmern, die sich nicht zum „alten Eisen“ zählen lassen wollen. Die Zahl an Unternehmen und Institutionen, die die Fähigkeiten auch älterer Beschäftigter anerkennen und schätzen, wächst langsam. Die gesamte Gesellschaft, gerade im demokratisch verfassten Sozialstaat, profitiert von Menschen, die sich ihren Fähigkeiten gemäß einbringen – nicht nur im volkswirtschaftlichen Sinne, sondern auch im familiären oder sozialen Bereich. „Positiv besetztes und nachhaltig gefördertes lebenslanges Lernen würde

die bürgergesellschaftliche Perspektive verändern“, ist Schober überzeugt. Und der Stoßseufzer, dass man ja nie auslernt, wäre dann vielleicht Credo einer Gesellschaft von Individuen, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen können. Denn wenn das Konzept im Sinne seiner Erfinder umgesetzt wird, bedeutet lebenslanges Lernen eben nicht nur mehr Arbeit und Verantwortung, sondern auch mehr Selbstbestimmtheit und persönliche Freiheit.

LITERATUR UND LINKS Gudrun Biffl, Thomas Pfeffer, Friedrich Altenburg: Diskriminierung in Rekrutierungsprozessen verstehen und überwinden. Schriftenreihe Migration und Globalisierung, Donau-Universität Krems, 2013 Franz Kolland und Pegah Ahmadi: Bildung und aktives Altern. Bewegung im Ruhestand. Bielefeld, 2010 Barbara Schober et al.: Lebenslanges Lernen als Herausforderung der Wissensgesellschaft. Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens Barbara Schober, Christiane Spiel: Der Beitrag der Schule zur Förderung von Bildungsmotivation und Grundkompetenzen für LLL. In Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Österreich (Hrsg.), Lebenslanges Lernen in der Wissensgesellschaft – Voraussetzungen und Rahmenbedingungen, StudienVerlag Innsbruck, 2004 Österreichische Nationalagentur für Lebenslanges Lernen – www.lebenslanges-lernen.at Department für Interaktive Medien und Bildungstechnologien – www.donau-uni.ac.at/imb Department für Migration und Globalisierung – www.donau-uni.ac.at/mig

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22 INTERVIEW

Zum Nutzen aller Monika Kil, Professorin für Weiterbildungsforschung und Bildungsmanagement an der Donau-Universität Krems, hat das Forschungsunternehmen „Benefits of lifelong learning“ auf die Beine gestellt. Das Logo dieses Projekts ist eine Glocke. Das Projekt soll wachrütteln, denn lebenslanges Lernen nutzt der ganzen Gesellschaft und dem Einzelnen – in allen Lebensphasen. Von Elisa Holz

upgrade: Laut Volksmund lernt Hans nimmer mehr, was Hänschen noch leicht lernen kann. Ein Irrtum? Und wenn ja, welche gesellschaftlichen Auswirkungen hat dieser Irrtum? Monika Kil: Dieses Sprichwort ist sachlich falsch. Die Forschung zeigt, dass unser Gehirn – anders als lange Zeit gedacht – im Alter nicht kontinuierlich leistungsschwächer wird. Rein physisch betrachtet kann man ein Leben lang lernen. Auf der anderen Seite zeigen psychologische und lebenslauforientierte Ansätze, dass Veränderungen im Alter häufig auch das Lernen beeinträchtigen. upgrade: Hat das was mit unserer Bildungskultur zu tun, die auch in dem oben zitierten Sprichwort sichtbar wird? Kil: Ja, auch. Und eine moderne Gesellschaft ist immer arbeitsteilig. Es gibt einige Gruppen in unserer Gesellschaft, von denen nicht verlangt wird, dass sie sich kontinuierlich verändern. Für viele Hausfrauen oder Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer mit einfachen Aufgabenzuschnitten und auch für Ältere ist lebenslanges Lernen nicht unbedingt vorgesehen. Bestimmten Gruppen unserer Gesellschaft wird noch nicht einmal Zugang zu Bildung gewährt. upgrade: Jetzt sprechen wir aber über die gegenteilige Absicht von lebenslangem Lernen, nämlich dem gesellschaftlichen Nutzen von „Nicht-Bildung“.

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Kil: Bildung ist so ein hoher Wert, dass hier ein feiner Unterschied gemacht wird. Bei allen anders lautenden Lippenbekenntnissen: Eine hundertprozentige Teilhabe aller ist nicht gewünscht. Denn Bildung bedeutet Einfluss und die Teilhabe an Macht steht nicht jedem zu. Hier zeigt der Diskurs seine Doppelbödigkeit, die gerne unter den Teppich gekehrt wird.

Foto: privat

upgrade: Geht diese Exklusion mit dem Konzept des lebenslangen Lernens einher? Kil: Das Problem wird bei der Diskussion über lebenslanges Lernen nicht vorrangig thematisiert. Trotzdem könnte das Konzept diese Situation aufbrechen. Denn implizit geht es auch um Inklusion. Damit richtet sich der Blick automatisch auch auf jene, die bestimmten Bevölkerungsgruppen Bildung erschweren wollen. Auf Schlüsselpersonen, Sozialstrukturen, Organisation, Institutionen und Systeme. Im Moment kommt das Thema Inklusion jedoch hauptsächlich zur Sprache, wenn es um Menschen mit Behinderung geht. Dabei geht es nicht nur um barrierefreie Umbaumaßnahmen, sondern gerade auch um soziale und psychologische Freiheiten und Beteiligungsmöglichkeiten – auch für die ältere Generation. Nur so kann echte gesellschaftliche Teilhabe entstehen. upgrade: Wie würde sich unsere Gesellschaft verändern, wenn lebenslanges Lernen auf breiter Basis etabliert werden könnte? Kil: Den gesellschaftlichen Nutzen muss man auf drei Ebenen sehen. Zunächst stärkt lebenslanges Lernen auf individueller Ebene die so genannten zentralen Selbstaspekte, also Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit. Man weiß, dass man etwas bewirken kann. Das hilft Herausforderungen selbstständig anzugehen, ohne gleich überfordert zu sein. Auch lernt man in Weiterbildungskursen implizit Toleranz, Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft, Interaktion, Vertretung von Interessen und den konstruktiven Umgang mit Konflikten. In diesem Sinne ist Lernen zweitens auch wichtig für demokratisch verfasste Gesellschaften. Und drittens: Durch die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen ändert sich unser Verhalten. Menschen knüpfen soziale Netzwerke, das Familienleben ändert sich, berufliche Perspektiven gestalten sich neu, zivilgesellschaftliches Engage-

ment wird möglich. Wer lebenslang lernt, ist letztendlich gesünder, länger aktiv und kann tragfähige soziale Netzwerke aufbauen. upgrade: Was halten Sie von der gelegentlich geäußerten Kritik, dass der „wohlverdiente“ Lebensabend durch das Konzept instrumentalisiert werde? Kil: Das ist zynisch. Folgte man dieser Kritik, würde man den Menschen längere Gesundheit vorenthalten. Denn wer gefördert wird und sich selbst fordert, bleibt länger fit im Gehirn und damit länger gesund. Wenn jemand erst spät das Sozial- und Gesundheitssystem in Anspruch nehmen muss, ist das nicht nur für das Individuum gut, sondern für die gesamte Gesellschaft – nicht nur im Hinblick auf die Ökonomie. upgrade: Wer muss das Konzept des lebenslangen Lernens auf den Weg bringen? Kil: Dafür ist das Bildungsmanagement verantwortlich – von Kindergärten über Schulen, Universitäten bis hin zum Weiterbildungssektor. Ein interessantes Beispiel in diesem Zusammenhang sind die so genannten Bildungsgemeinderäte, die es seit kurzem in Niederösterreich gibt. Diese Bildungsbeauftragten machen sich auf kommunaler Ebene und an Ort und Stelle ein Bild, erarbeiten Vorschläge und setzen das Konzept regional und bedarfsorientiert um. Daran kann man ersehen, dass es bei dem Konzept des lebenslangen Lernens eben nicht nur um Beteiligung an organisierter Weiterbildung geht, sondern auch um das Engagement in der Familie, in der Gemeinde, im sozialen Bereich oder auch in Wirtschaft und Kultur. Viele Bereiche, in denen zum Beispiel auch ältere Menschen gut aktiv werden können. upgrade: Brauchen wir einen Bewusstseinswandel, um den Wert von lebenslangem Lernen in der Gesellschaft zu verankern? Kil: Klar, die Politik, aber auch wir Forscher müssen viel stärker darauf hinweisen, dass es sich lohnt, auf breiter Basis ins Bildungssystem zu investieren. Es geht nicht nur darum, zu helfen und zu heilen, sondern auch um Fördern und Fordern. In dem Sinne ist Bildung immer ein Impuls für mehr Gesundheit, mehr gesellschaftliche Inklusion und persönliche und soziale Vitalität.

„Wer lebenslang lernt, ist letztendlich gesünder, länger aktiv und kann tragfähige soziale Netzwerke aufbauen.“

MONIKA KIL Univ.-Prof. Dr. Monika Kil ist 2013 als Universitätsprofessorin für Weiterbildungsforschung und Bildungsmanagement an die Donau-Universität Krems berufen worden. Sie war Abteilungsleiterin des Forschungs- und Entwicklungszentrums am Deutschen Institut für Erwachsenenbildung – LeibnizZentrum für Lebenslanges Lernen in Bonn. Sie studierte Erziehungswissenschaft und Organisationspsychologie an der Universität Dortmund. Promovierte zum Thema Weiterbildungsmanagement und habilitierte im Bereich Erwachsenen-/Weiterbildung und empirische Bildungsforschung.

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24 DEMOGRAFIE

Zeit zu handeln Das Thema Altersvorsorge birgt gesellschaftspolitischen Sprengstoff. Um der demografischen Entwicklung Stand und die Produktivität hochzuhalten, bedarf es grundlegender Reformen. Was können Politik, Gesellschaft und Unternehmen tun? Von Hans-Peter Bayerl

D

as Vertrauen in die staatliche Pension schwindet. Jeder zweite Österreicher fürchtet sich vor der Altersarmut, so das Umfrageergebnis des Marktforschungsunternehmens YouGov. Ein Blick auf die demografische Entwicklung verleiht dieser Sorge Gewicht. Auf immer mehr Beitragszahler kommen immer weniger Berufseinsteiger. Bis 2075 soll Österreichs Bevölkerung von heute 8,3 auf 9,7 Millionen Menschen ansteigen. 33,9 Prozent werden dann über 60 Jahre und nur noch 13,5 Prozent unter 15 Jahre alt sein. Droht dem Vorsorgesystem der Infarkt? Angesichts dieser demografischen Schieflage zeichnet der Verein „Die Pensionsbeitragszahler Österreichs“ ein düsteres Zukunftsbild: Spätestens im Jahr 2040 müsse jeder Erwerbstätige einen Pensionisten finanzieren. Das Sozialministerium geht von etwas anderen Zahlen aus. Laut dessen Prognose beträgt das Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und über 65-Jährigen im Jahr 2060 immer noch zwei zu eins, wobei eine jährliche Zuwanderung von rund 29.000 beitragszahlenden Personen berücksichtigt ist. Schon heute beträgt der Anteil an Pensionsbeitragszahlern ohne österreichischen Pass rund 12 Prozent. Trotzdem warnt die OECD vehement davor, dass die Pensionssysteme vieler europäischer Länder demografisch nicht nachhaltig seien. Für Österreich gilt das in besonderem Maße. Erst im Februar verkündete das Finanzministerium bei den Pensionen eine Finanzierungslücke von einer Milliarde Euro bis zum Jahr 2017.

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Immer weniger Beitragszahler müssen für immer mehr Rentner und Pensionisten aufkommen. Das Versorgungssystem ist aus dem Gleichgewicht geraten. Reformen sind dringend nötig.


Fotos: fotolia.com/wildworx/ Yuri Arcurs/ Vladimir Voronin/Robert Kneschke/Ljupco Smokovski

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Statt vieler kleinerer Nachjustierungen wie die Erhöhung von Pensionseintrittsalter oder Versicherungsbeiträgen wird Österreich nicht um eine grundlegende Reform herumkommen, meint Gottfried Haber, Leiter des Forschungsbereichs Wirtschafts- und Finanzpolitik an der Donau-Uni Krems. „Das System wird erst dann unempfindlich gegen demografische Entwicklungen sein, wenn es den individuellen Pensionsanspruch, der sich aus versicherungsmathematischen Formeln ergibt, von der Umverteilung, die im Pensionssystem stattfindet, trennt. Letztlich könnten immer nur die Erwerbstätigen selbst ihre späteren Pensionisten bezahlen“, erklärt der Experte. Das bisherige Umlagesystem sei aber nicht nur ineffizient, sondern auch ungerecht. Das zeigen beispielsweise die „Hacklerregelungen“, die bestimmte Berufsgruppen ohne Abschläge in die Frühpension entlassen. Aufgrund der undurchsichtigen Umverteilung weiß kaum jemand, wie hoch die spätere Pension tatsächlich ausfallen wird. In der Folge investieren die Menschen auch nicht in dem gewünschten Umfang in die private Vorsorge, die neben der betrieblichen die dritte Säule des österreichischen Systems bildet.

Auf den Punkt gebracht

• Ein nachhaltiges Pensions-

system erfordert eine grundlegende Reform, etwa durch die Trennung von individuellen Ansprüchen und Umlagen.

• Altersarmut betrifft eher

Alleinerziehende als Pensionisten und ist primär eine Frage der Bildung.

• Die Unternehmen müssen

sich auf die Bedürfnisse der Älteren einstellen, um die Produktivität langfristig zu sichern.

• Die Politik ist gefordert, die

Gesellschaft aufzuklären und einen nationalen Alternsplan aufzustellen, der alle Interdependenzen berücksichtigt und langfristig tragfähig ist.

Längere Teilhabe am Wirtschaftsleben Bei der Altersvorsorge gehe es nur vordergründig darum, dass aktive Erwerbstätige den Pensionisten Geld bezahlen, sondern vielmehr um die Verteilung von Gütern und Dienstleistungen, betont Gottfried Haber. „In Arbeit stehende Menschen können anders als die sehr Jungen und Alten noch am Wirtschaftsleben teilhaben. Deshalb ist

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26 DEMOGRAFIE

GOTTFRIED HABER

IRENE KLOIMÜLLER

Univ.-Prof. MMag. Dr. Gottfried Haber ist seit 2012 an der Donau-Universität Krems tätig und dort verantwortlich für die Fachbereiche „Management im Gesundheitswesen“ sowie „Wirtschafts-, Budget- und Finanzpolitik“. Er ist zudem Berater für zahlreiche Organisationen und in Ministerien.

Dr. Irene Kloimüller, MBA ist Expertin für Arbeitsfähigkeits- und Generationenmanagement und geschäftsführende Gesellschafterin des Beratungsunternehmens Wert:Arbeit. Dort leitet sie Präventionsprogramme zum Erhalt von Arbeitsfähigkeit. Sie studierte Medizin und absolvierte ein MBA-Studium an der Donau-Universität Krems.

es wichtig, dass jeder während der Erwerbszeit genug beiträgt, um später genug zu haben.“ In einem von Haber empfohlenen versicherungsmathematischen System – egal ob umlagefinanziert oder mit Kapitaldeckung – bemessen sich die Ansprüche in erster Linie an dem selbst Eingezahlten. Die Barwerte der Einzahlungen entsprechen mindestens den Auszahlungen. So weiß jeder künftige Pensionist, was er mindestens erwarten kann und kann seine private Vorsorge entsprechend anpassen. Aus Gründen der Solidarität müsse es natürlich weiterhin eine gewisse Umverteilung geben; diese wäre aber ebenfalls transparent, wenn das Regelpensionsalter und die Mindestpension bei einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben oder zum Ausgleich von Betreuungszeit klar festgelegt würden. Die Finanzierung der Umlage sei dann lediglich eine technische Frage und könnte beispielsweise durch Solidaritätszuschläge oder die Besteuerung der Pensionen erfolgen.

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Ein transparentes und nachhaltiges Finanzierungssystem zu designen, geht freilich nicht von heute auf morgen. Zwei bis drei Jahre würde das dauern, schätzt Gottfried Haber. Zwar würde sich der Übergang vom bisherigen auf das neue Modell über mehrere Jahrzehnte erstrecken, um zu große soziale Härten zu vermeiden. Der Umstieg lohne sich aber, denn so ließen sich auch die Zeitpunkte der Pensionierung flexibler gestalten und damit die Erwerbstätigkeit in der Bevölkerung erhöhen. Das deutsche Max-PlanckInstitut (MPI) für Sozialrecht und Sozialpolitik erkennt darin die größte Stellschraube, um Beitragszahler zu entlasten und gleichzeitig der Altersarmut vorzubeugen. Um zu erforschen, wie sich ökonomische und demografische Faktoren in gegenseitiger Abhängigkeit verändern, hat das Institut das Simulationssystem MEA-PENSIM entwickelt. Dies hat gezeigt, dass sich die Produktivkraft der alternden Bevölkerung nur dann erhalten lässt, wenn mehr ältere Menschen, aber auch mehr Frauen und junge Leute in Lohn und Brot gebracht werden. Um dies zu erreichen, seien aber nicht nur Altersteilzeitmodelle erforderlich, sondern ebenso Studienreformen, die einen früheren Berufseinstieg erlauben und eine ausreichende Versorgung mit Kinderbetreuungsplätzen. Gesellschaftliche Aufklärung tut not Zu den Forschungsergebnissen des MPI zählen unter anderem die Erkenntnisse, dass das Risiko der Altersarmut nicht etwa für die Mehrheit der Rentner am größten ist, sondern für Alleinerziehende, und dass die Grundsicherung im Alter letztlich eine Frage der Bildung ist. Abgesehen vom Pensionssystem gibt es für die Politik also viele wirksame Hebel, die aber noch häufig von hartnäckigen Vorurteilen blockiert werden. Einer dieser Mythen ist, dass die Älteren die Arbeitsplätze der Jüngeren besetzen. Die skandinavischen Länder zeigen hingegen, dass Länder mit hohem Pensionseintrittsalter auch die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit aufweisen. Auch die weit verbreitete Meinung, die Älteren seien weniger produktiv als die Jüngeren, ist nicht pauschal zutreffend, wie unlängst der ehemalige Chef des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) Helmut Kramer auf einer gemeinsamen Veranstaltung der „Enquete Ar-


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beitsfähigkeit“, einer Kooperation zwischen der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA), der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) und dem Österreichischen Produktivitäts- und Wirtschaftlichkeits-Zentrum (ÖPWZ), klarstellte. Natürlich lasse die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit in gewissem Maße nach, aber bis zum Alter von 70 Jahren nicht dramatisch. „Jüngere laufen zwar schneller, aber die Älteren kennen die Abkürzungen“, brachte es Kramer auf den Punkt. Wie lassen sich Arbeitnehmer halten? Als Fakt hingegen bezeichnete Kramer, dass die meisten Älteren in Österreich gar nicht länger arbeiten wollten und auch die Arbeitgeber nicht an älteren Arbeitnehmern interessiert seien. Gleichzeitig betonte Kramer aber auch, dass es für beide Parteien noch zu wenig Anreize für einen längeren Verbleib im Erwerbsleben gebe. Die Unternehmensberaterin Irene Kloimüller kritisiert diesbezüglich, dass die bisherige Arbeitsmarktpolitik es den österreichischen Unternehmen bis heute recht einfach mache, ältere Mitarbeiter in die Frühpension zu schieben. Außerdem werde die Wiedereingliederung durch die Betriebe nach längerer Krankheit durch das rasche Einspringen der Krankenkasse mit Krankengeld behindert. „Um eine längere Arbeitsfähigkeit zu fördern, bedarf es dringend einer umfassenden Arbeitsreform, die beispielsweise Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeitmodelle schafft, aber auch die Gesundheitsförderung mit einbezieht.“ Trotzdem, so Irene Kloimüller, werden sich immer mehr Unternehmen der zunehmenden Bedeutung der älteren Arbeitskräfte bewusst und setzen entsprechende Maßnahmen um, allen voran die Industriebetriebe.

Fotos: Helge Bauer, privat

Resignation im Job vorbeugen Problematischer ist die Situation aber bei Unternehmen mit nur wenigen Beschäftigten im Alter von 50 plus, wo die spezifischen Bedürfnisse dieser Gruppe nicht richtig bekannt sind. Hier gelte es konkret zu schauen und sich dem Thema mit viel Kreativität zu öffnen, so Kloimüller. So sollten beispielsweise eigene Modelle entwickelt werden, die die besondere didaktische und ergonomische Situation berücksichti-

gen. Gelungene Beispiele für die generationsübergreifende Förderung bzw. den Erhalt der Arbeitsfähigkeit zeigen 20 Betriebe mit insgesamt 16.000 Mitarbeitern, die am Programm „Fit für die Zukunft“ teilgenommen haben. Grundmodell dieses Programms ist das „Haus der Arbeitsfähigkeit“ nach Juhani Ilmarinen. „Älteren Menschen geht es in der Regel nicht mehr um Karriere, sondern um Perspektiven und Werte“, erklärt Kloimüller. „Ohne Sinnhaftigkeit drohen Rückzug und Produktivitätseinbußen.“ Den größten Nachholbedarf erkennt Kloimüller bei kleinen und mittleren Unternehmen. Für sie müssten branchenspezifische Modelle entwickelt und einschlägige Förder- und Präventionsprogramme zum Erhalt von Arbeitsfähigkeit noch besser erreichbar gemacht werden. Nationalplan für künftige Generationen Von der Politik wünscht sich Kloimüller grundlegende Reformen, die den gesamten Zyklus des Erwerbslebens berücksichtigen und Erkenntnisse aus Wissenschaft, Medizin und Bildung integrieren. Abgesehen von privaten Universitäten falle Österreich in der Bildungsforschung zum Thema Altern noch hinter vielen anderen Ländern zurück. Auch Helmut Kramer legte in seinem Vortrag dar, dass sich das Problem der gesellschaftlichen Alterung nicht ohne umfassende gesellschaftspolitische Maßnahmen und ohne die Einbeziehung von Forschung und des Steuer- und Bildungssystems lösen lassen wird – zusätzlich zu den Reformen bei Pensionen und Gesundheit. All dies müsse endlich im Rahmen eines nationalen Altersplanes strategisch und schrittweise erfolgen, fordert Kramer. Gottfried Haber betont darüber hinaus die soziale und ökonomische Bedeutung einer solchen Strategie. „Die Absicherung der Zukunft ist gleichermaßen für die Wirtschaft und die Menschen wichtig.“ Beide bräuchten Vorhersehbarkeit und nachhaltige Rahmenbedingungen, die nicht nur für ein paar Jahre Entspannung für die Pensionskassen brächten, sondern für Jahrzehnte, idealerweise sogar für Jahrhunderte tragfähig wären. „Unsere demografisch bedingten Probleme lösen sich nicht von selbst. Jetzt ist die Zeit zu handeln“, fordert er alle Beteiligten auf.

PENSIONSEINTRITTSALTER IN DER EU Im Jahr 2009 gingen die EUBürger und -Bürgerinnen im Schnitt bereits mit 61,4 Jahren in den Ruhestand, in Österreich mit 60,9 Jahren. An der Gesundheit liegt das nicht, denn die Mehrheit der 70-Jährigen verfügt heute über einen deutlich besseren Gesundheitszustand als vor 20 Jahren. Angesichts der steigenden Lebenswartung fordert die OECD, das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung zu koppeln. In vielen Ländern sollen die Bürger schon jetzt erst mit 67 Jahren in Pension gehen – mancherorts könnten es Experten zufolge sogar 74 Jahre werden.

LITERATUR UND LINKS Irene Kloimüller et al.: Das Haus der Arbeitsfähigkeit bauen – Eine Bauanleitung um Arbeitsfähigkeit zu erhalten und zu fördern, AUVA und PVA Eigenverlag, 2012 H. Bruckner, R. Czeskleba, A. Heider, P. Hoffmann, I. Kloimüller, K. Schneeberger: Erfolgsfaktor Gesunde Arbeit – arbeitswissenschaftliche Fakten für die betriebliche Praxis, ÖGB Verlag, 2010 WAI-Netzwerk Austria zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit – www.wai-netzwerk.at Gütesiegel für Alter(n)sgerechte Organisationen – www.nestorgold.at

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Die Suche nach dem eigenen Ding Jung zu sein in einer alternden Gesellschaft, ist nicht immer einfach. Die Jugendforscherin Beate Großegger erläutert, was Jugendliche sich für ihr Leben wünschen und warum das Lebensmodell der älteren Generation nur noch bedingt als Vorbild taugt. Von Stephanie Arns

upgrade: Wie stellen sich Jugendliche ihr Leben vor? Was sind ihre Ziele? Beate Großegger: Jugendliche entwickeln ihre Lebensperspektive sehr nahe am persönlichen Alltag. Fragt man sie, was ihnen besonders wichtig ist, kommen immer die gleichen Antworten: ein harmonisches Familienleben, gute und verlässliche Freunde, genügend Freizeit, um dem von vielen als sehr stressig empfundenen Ausbildungsalltag zu entfliehen, eine solide Ausbildung abschließen und dann später einmal einen Job finden, der gut bezahlt ist, einen gehobenen Lebensstandard ermöglicht oder zumindest Existenzsicherheit bietet. Die Wünsche der Jugendlichen sind also im Grunde sehr einfach, sie zu realisieren, ist aber zunehmend schwierig. upgrade: Woran liegt das? Großegger: Die Arbeitswelt, in die die heutige Jugend einsteigt, ist mit der der Elterngeneration kaum mehr vergleichbar: atypische Beschäftigung, befristete Arbeitsverträge, Berufsbiografien, in denen Phasen der Arbeitslosigkeit zunehmend normal sind, liegen im Trend. Der Zwang zu beruflicher Mobilität steigt und klassische Normalarbeitsplätze mit langfristig sicherer Vollzeitbeschäftigung bei ein und demselben Arbeitgeber werden rar. Jugendliche haben Sorge, keinen „guten“ Job zu finden.

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„Die Mehrheit der Jugend hat das Gefühl: Die Alten verstehen noch immer nix.“

Foto: iStockphoto.com/Sadeugra, privat

BEATE GROSSEGGER Dr. Beate Großegger ist stellvertretende Vorsitzende des Instituts für Jugendkulturforschung in Wien, seit 2001 leitet sie dessen Forschungsabteilung. Darüber hinaus ist sie als externe Lehrbeauftragte in der akademischen Lehre tätig, unter anderem am Institut für Publizistikund Kommunikationswissenschaft der Universität Wien, am Institut für Praktische Theologie der Universität Innsbruck sowie an der Donau-Universität Krems. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Jugendkulturen und Lifestyles, Jugend und Arbeitswelt, Jugend und Politik, Jugend und soziale Exklusion.

Und vor allem junge Frauen haben Angst davor, in ihren Erwerbsbiografien nicht ausreichend Versicherungszeiten mit entsprechendem Gehalt zu erwerben, um später einmal eine Pension zu haben, von der sie tatsächlich auch leben können. Kurz gesagt: Sie fürchten die Altersarmut. upgrade: … und müssen zudem für die Rente einer wachsenden Anzahl von Älteren aufkommen. Wird die Situation der Jugendlichen, auch von der Politik, zu wenig berücksichtigt? Großegger: Jugendliche sind eine marginalisierte Gruppe: nicht nur, weil es in unserer Gesellschaft einfach zahlenmäßig viel mehr Ältere als Junge gibt, sondern auch, weil die Älteren leider wenig Bereitschaft zeigen, sich für die eher kleine Gruppe der Jungen starkzumachen. Man muss es offen sagen: Die Älteren stellen die eigenen Interessen gern über die der nachkommenden Generation. So gesehen darf es nicht verwundern, dass jeder zweite Jugendliche meint: „Wir Junge müssen für uns selbst sorgen, uns hilft heute keiner mehr.“ Viele von ihnen kritisieren, dass die Politik für die großen Probleme der Gegenwart, wie beispielsweise die Sicherung des Wohlfahrtsstaates in Zeiten der Krise wie auch in einer alternden Gesellschaft, keine wirklich nachhaltigen Lösungskonzepte anbietet. Sie erwarten Rahmenbedingungen, die es ihnen ermöglichen, in ihrem Leben Fuß zu fassen. Sie wollen – so wie es ihre Eltern taten – in eine Zukunft gehen können, die nicht von lauter Fragezeichen und einem großen Maß an existenziellen Risiken geprägt wird. Das sollte zum Nachdenken und auch zum Handeln Anlass geben. Wenn wir weiterhin untätig bleiben, wird uns das nämlich irgendwann einmal auf den Kopf fallen. upgrade: In welchem persönlichen Verhältnis stehen Jugendliche und die ältere Generation? Eigentlich verläuft das Zusammenleben doch recht harmonisch, die Zeiten der Generationenkonflikte scheinen vorbei zu sein? Großegger: Von Seiten der Jugendforschung beobachten wir ein sehr entspanntes, durchaus respektvolles, in manchen Belangen aber auch ein wenig gleichgültiges Verhältnis zwischen Jung und Alt. Um den viel be-

schworenen Generationenkonflikt ist es in jüngster Zeit in der Tat sehr ruhig geworden. Das hat aber nicht automatisch zu mehr Dialog geführt. Auch wenn sich Eltern mit Erziehungsratgebern eindecken und sich um Verständnis für die Sorgen und Interessen ihrer Sprösslinge bemühen, hat die breite Mehrheit der Jugendlichen das Gefühl: „Die Alten verstehen noch immer nix.“ Dass Jugendliche ihren Lebensmittelpunkt daher in die Gesellschaft der Altersgleichen verlagern, ist nur plausibel. upgrade: Dabei kommen auch viele Ältere immer noch sehr jugendlich daher. Großegger: Diesen Party machenden, snowboardenden oder mit jungen Bekleidungsmarken auf „trendig“ gestylten Älteren begegnet die Jugend mit einem zynischen Lächeln und denkt sich: Die mögen zwar vielleicht auf jung machen und haben doch so gar keine Ahnung, wie es ist, heute jung zu sein. Hier zeigt sich, dass es vielen gar nicht so sehr um mehr Verständnis für die Jugend geht, wenn sie sich mit deren Alltagskulturen beschäftigen. Sie wollen vielmehr Lifestyles kopieren, um ihr eigenes Image von „eher ältlich“ in „cool und jung“ zu verwandeln. upgrade: Taugt die ältere Generation den Jugendlichen dann noch als Vorbild, um ihnen gewissermaßen den Weg zu weisen? Großegger: Wohl kaum. Fragt man Jugendliche, ob sie denn Vorbilder hätten, sagen sie: „Vorbilder sind nicht mehr so am Laufen.“ Und sie erklären auch schlüssig, warum: Erstens riecht das Wort „Vorbild“ für sie nach Erziehungsmaßnahme. Zweitens legt dieses Wort nahe, dass man in die Fußstapfen eines anderen tritt und gewissermaßen das Erbe der älteren Generation fortführt. Und genau das wollen Jugendliche heute nicht: Sie suchen nach „ihrem eigenen Ding“ und wollen ihre eigenen Wege gehen. Abgesehen davon taugt das Weltwissen der Älteren in Zeiten, die durch einen sehr dynamischen sozialen und technologischen Wandel geprägt sind, auch immer weniger dazu, Handlungsmodelle anzubieten, um die vielen Anforderungen des Alltags zu meistern – was freilich nicht heißt, dass junge Menschen der älteren Generation heute mit mangelnder Wertschätzung begegnen würden.

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Foto: Getty Images/Karan Kapoor

Laufen, lernen, lieben, lachen Wir möchten gerne alt werden, fürchten uns aber davor, Pflege in Anspruch nehmen zu müssen. Warum eigentlich? Prävention und in späten Jahren eine gute Pflege können helfen, die Beweglichkeit von Körper und Geist zu erhalten und das zu ermöglichen, was die meisten Menschen sich wünschen: auch im Alter selbstbestimmt zu leben. Von Carola Kleinschmidt

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eder will alt werden – aber keiner will es sein“, sagte der Schauspieler Martin Held. Das trifft offenbar auch auf viele Österreicher und Österreicherinnen zu. Es ist eine ihrer größten Ängste, im Alter zum Pflegefall zu werden. Diese Sorge hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. 54 Prozent der Österreicher fürchten sich davor – und fast genauso groß ist die Angst, einen pflegebedürftigen Menschen in der Familie zu haben, hat die Generali-Studie „Zukunftsängste 2012“ herausgefunden. Dabei ist die Tatsache, dass man sich überhaupt mit der Angst vor dem Altwerden beschäftigt, relativ neu in der Menschheitsgeschichte. Vor 170 Jahren lag die Lebenserwartung in Norwegen bei gerade mal 45 Jahren – und dies war damals das Land mit der höchsten Lebenserwartung. Heute liegt sie in Japan bei 90 Jahren. In Österreich wurden die Frauen 2011 im Schnitt 83,4 Jahre alt, die Männer 78,1. Wobei gilt: Wer die 60 geschafft hat, hat gute Chancen, auch 80 Jahre und älter zu werden. Jeder zweite Mann wird derzeit mindestens 80 Jahre alt, jede zweite Frau wird sogar ihren 85. Geburtstag erleben. Und noch ist kein Ende der steigenden Lebenserwartung in Sicht. „Erstmalig in der Geschichte gibt es so viele so alte Menschen“, erklärt Professor Christoph Gisinger, Leiter des Zentrums für

Auf den Punkt gebracht

• Prävention ist einfach und

komplex zugleich: sich bewegen, lernen und geistig rege sein, Freundschaften und Kontakte pflegen.

• Warum wird eine Maus zwei, eine Fledermaus vierzig Jahre alt? Die Wissenschaft ist erst dabei, die Biologie des Alterns zu verstehen.

• Niedrigschwellige

Pflegepraxen können Menschen darin unterstützen, sich selbst zu helfen.

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Geriatrische Medizin und Geriatrische Pflege der Donau-Universität Krems und Chef des Hauses der Barmherzigkeit. Diese Einrichtung ist auf die Versorgung bei einem sehr hohen Pflegebedarf spezialisiert, sie betreut Menschen mit starken Behinderungen ebenso wie Hochbetagte und chronisch Kranke. Zugleich forscht das Zentrum in Kooperation mit dem Haus der Barmherzigkeit zu Geriatrie und innovativen Ansätzen in der Pflege. Was bedeutet selbstbestimmtes Altern? Insofern stellt sich auch erstmals für eine relevante Zahl von Menschen und die Gesellschaft insgesamt die Frage: Was kann man tun, damit Menschen möglichst lange fit und gesund bleiben? Wie kann es gelingen, dass viele Menschen bis ins hohe Alter selbstbestimmt leben können? Und: Was heißt selbstbestimmtes Altern eigentlich? Dass man auch mit 80 noch auf Weltreise geht? Dass man mit 90 noch einen Tanzkurs besucht? „Unter selbstbestimmtem Altern versteht man, dass man den Alltag selbst bewältigt. Man muss nicht unbedingt selbst staubsaugen. Aber dass man sich ohne Hilfe waschen, ankleiden und außer Haus bewegen kann“, erklärt Christoph Gisinger. Mit diesen Fähigkeiten können Menschen selbst bestimmen, wie sie ihren Alltag gestalten. Auch wenn es gewisse Einschränkungen geben sollte – sie haben die Wahl: Sie können entscheiden, wohin sie gehen, wen sie treffen, was sie tun. Das ist die Basis der Selbstbestimmtheit. Schon kleine Kinder streben nach Unabhängigkeit. Sobald sie dazu in der Lage sind, formulieren sie ihr lautstarkes „Selber machen!“ Diese Fähigkeit möchte sich jeder Mensch so lange wie möglich erhalten. Am liebsten bis zum Ende des Lebens. Die vier L der Altersprävention Inzwischen gibt es viele Studien wie die „Baltimore Longitudinal Study of Aging“, die eine große Anzahl von Menschen über ihr Leben hinweg begleitet haben. Sie haben herausgearbeitet, welche Parameter die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass der Wunsch auf Selbstbestimmung in Erfüllung geht. Gisinger nennt die „vier L“ der Altersprävention: „Laufen, Lernen, Lieben und Lachen.“ Er erklärt das konkret so: „Laufen


Fotos: laif/DENIS ALLARD/REA, Niko Formanek

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bedeutet letztlich, dass man körperlich aktiv ist. Lernen beschreibt die geistige Aktivität. Lieben umreißt, dass es wichtig ist, soziale Kontakte zu haben und zu pflegen. Lachen meint eine gewisse Gelassenheit, also die Fähigkeit, die Dinge, die man nicht ändern kann, gelassen hinzunehmen. Schließlich haben die meisten Menschen ja im Alter gewisse Beschwerden – die kann man verkrampft oder eben gelassen nehmen.“ Die „vier L“ kann man gut und gerne als die Quintessenz der Alterspräventionsforschung bezeichnen. „Diese vier Eckpunkte erhalten die Fitness und verzögern die Demenz“, erklärt Gisinger. Jedes „L“ ist mit vielen Untersuchungen untermauert. So zeigen Langzeitstudien, dass Menschen, die sich regelmäßig bewegen und ihre Muskeln trainieren, weniger häufig im Alter stürzen, ein gesünderes Herz-Kreislauf-System haben und ihr Gehirn fitter ist. Andere Studien besagen, dass Menschen mit einem intakten Sozialleben später eine Demenz entwickeln als Menschen ohne ausreichende soziale Beziehungen. Dass Anerkennung und Wertschätzung für die Gesundheit viel wichtiger sind, als man bisher dachte, legen inzwischen eine ganze Reihe von Studien nahe. Donald Redelmeier und Sheldon Singh von der Universität Toronto analysierten beispielsweise die Daten von Oscar-Gewinnern im Vergleich zu jenen Schauspielern, die zwar nominiert, aber nicht siegreich waren. Die Oscar-Gewinner lebten drei bis vier Jahre länger als ihre Kollegen, die nicht mit diesem hoch anerkannten Preis ausgezeichnet worden waren. Gisinger: „Diese Studie ist methodisch etwas umstritten. Aber man kann sich durchaus vorstellen, dass das Gefühl, erwünscht und gewollt zu sein, positiv für die Gesundheit ist.“ Eine eindrucksvolle Studie zum Effekt einer positiven Lebenseinstellung und einer gewissen Gelassenheit führte Becca R. Levy, Psychologin am Institut für Gesundheit der Universität Yale, durch. Sie begleitete 23 Jahre lang mehr als 600 gesunde Menschen und fand heraus, dass ein maßgeblicher Faktor für das gute Älterwerden die persönliche Einstellung zum Leben und Älterwerden war. Die Probanden, die das Älterwerden mit Gelassenheit annahmen, lebten im Schnitt 7,5 Jahre länger. „Der Effekt des po-

„Fit und selbstbestimmt im Alter zu sein, ist letztlich kein persönliches Verdienst. Es ist auch viel Glück dabei. Mit den vier L kann man aber das Potenzial, das man hat, ausschöpfen.“ Christoph Gisinger

Auch „Wischen“ hält den Kopf fit: TabletComputer sind ideal bis ins hohe Alter, weil sie das Spielerische mit dem Anspruchsvollen verbinden können.

sitiven Selbstbildes in Bezug auf das eigene Älterwerden war größer als physiologische Faktoren wie niedriger Blutdruck und Cholesterinspiegel, die beide mit einer längeren Lebenserwartung von etwa vier Jahren assoziiert werden“, erläutert Levy. Die Studienteilnehmer mit positivem Selbstbild äußerten beispielsweise auf die Frage nach dem Befinden eher Sätze wie: „Ich hatte auch in diesem Jahr viele schöne Erlebnisse.“ Die Aussagen der Lebenspessimisten klangen eher so: „Das Leben wird mit dem Alter einfach schlechter.“ Die Lebensoptimisten ließen sogar die Nichtraucher, die Superschlanken und die Sportskanonen weit hinter sich. Gesund alt werden ist auch Glückssache Dabei ist der persönliche Einfluss, den man auf sein Altwerden hat, größer, als man bisher dachte: „Es gibt Menschen, die sind von der Statur her athletisch. Andere sind eher zart. Jeder wird einsehen, dass der Zarte durchaus trainieren kann und etwas für

CHRISTOPH GISINGER Univ.-Prof. Dr. Christoph Gisinger ist Vorstand der „Haus der Barmherzigkeit“-Gruppe mit Pflege- und Behinderteneinrichtungen in Wien und Niederösterreich. Der Altersforscher leitet das Zentrum für Geriatrische Medizin und Geriatrische Pflege am Department für Gesundheitswissenschaften und Biomedizin der Donau-Universität Krems.

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„Die 82-Jährigen in Norwegen fühlen sich wie die 72-Jährigen in Österreich, also zehn Jahre jünger. Niedrigschwellige Pflegepraxen unterstützen die Menschen dort früh darin, ihre Selbstständigkeit zu erhalten.“ Martina Kuttig

MARTINA KUTTIG Mag. Martina Kuttig ist Fachbereichsleiterin Pflegewissenschaft im Zentrum für Management im Gesundheitswesen an der Donau-Universität Krems. Nach dem Diplom für Allgemeine Krankenpflege und OP-Pflege hat sie ihren Magister in Pflegewissenschaften an der Universität Wien erworben.

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seine Muskeln tun. Und dass der Athletische nicht viele Muskeln haben wird, wenn er seine Zeit vor dem Fernseher verbringt“, sagt Gisinger. So etwa ist das auch mit dem Älterwerden. „Zu 30 bis 50 Prozent spielt die Veranlagung eine Rolle. Aber was man daraus macht, kann man beeinflussen.“ Dennoch: Es gibt Grenzen der Beeinflussbarkeit. Auch wer sich sein Leben lang viel bewegt und viele Freundschaften pflegt, hat keine Garantie für Gesundheit bis zum Tod. Gisinger betont: „Fit und selbstbestimmt im Alter zu sein, ist letztlich kein persönliches Verdienst. Es ist auch viel Glück dabei. Mit den „vier L“ kann man aber das Potenzial, das man hat, ausschöpfen.“ Viele Menschen sehen sich am Ende ihres Lebens damit konfrontiert, dass sich ihr Potenzial für Gesundheit erschöpft. Manchmal summieren sich die vielen einzelnen gesundheitlichen Beschwerden zu einer so starken Beeinträchtigung, dass die selbstständige Bewältigung des Alltags nicht mehr gelingt. „Pflegebedürftig wird man in der Regel, weil es chronische Probleme im Bereich der Sinnesorgane gibt, des Denkens oder der Mobilität. Im Alter liegt meist eine Kombination vor“, erklärt Gisinger. Dann kommen die Menschen oft in eine pflegende Institution. Dort geht es nicht nur um gute Versorgung. Gute Pflege heißt, Menschen mit starken Einschränkungen so viel Selbstbestimmung zu ermöglichen, wie es nur geht. „Ein Kranker hat die gleichen Grundbedürfnisse wie ein Gesunder“, betont Gisinger. Im Pflegealltag muss man allerdings kreativ sein, um die „vier L“ zu erfüllen: Laufen und Bewegung sind vielleicht nur mit Hilfe möglich. Muskeltraining findet begleitend statt, damit die Bewegungsfähigkeit erhalten bleibt, auch wenn der zu pflegende viel liegt. Anregende Erlebnisse gehören in den Tag, um den Wunsch der Menschen nach geistiger Aktivität zu befriedigen. Soziale Kontakte, eine menschlich zugewandte Pflege. Struktur im Tag, aber auch Freiheit für eigene Entscheidungen. Was gute Pflege ausmacht Ist das noch selbstbestimmt? „Einen Rahmen gibt es ja immer und für jeden Menschen in jeder Lebenssituation“, erklärt Gisinger. „Ein völlig selbstbestimmtes Leben gibt es nicht. Auch, wenn man im Luxushotel Urlaub

macht, darf man vielleicht nur bis zwölf Uhr frühstücken. Im Haus der Barmherzigkeit ist das Ziel, den Rahmen für die Menschen so weit wie möglich zu stecken.“ Man kann sich leicht vorstellen, dass diese Art von Pflege Personal braucht – und Schulung für das Personal. Hier sieht Gisinger noch viel Verbesserungspotenzial im Umgang mit Pflegebedürftigen. „Oft wird vergessen, dass man diese Menschen nicht auf den medizinischen Fall reduzieren darf.“ Dieses Verbesserungspotenzial ist das Hauptanliegen von Martina Kuttig. Sie ist die Leiterin des Fachbereichs Pflegewissenschaft an der Fakultät für Gesundheit und Medizin der Donau-Universität Krems. Hier können sich diplomierte Krankenschwestern und -pfleger aus Deutschland, Österreich und der Schweiz mit mehrjähriger Berufspraxis in verschiedenen Studiengängen berufsbegleitend weiterbilden. Die Schwerpunkte des Studiums reichen von PflegeManagement (im Anschluss wird man beispielsweise Leiter einer Abteilung, einer Station oder einer kompletten Pflege-Einrichtung) über die Ausbildung zur Lehrkraft für Pflegende bis hin zur spezialisierten Pflegepraxis, beispielsweise im Bereich des Wundmanagements. Durch das berufsbegleitende Studium haben Krankenschwestern und -pfleger endlich die Möglichkeit, eine ganze Reihe akademischer Abschlüsse mit verschiedenen Schwerpunkten zu erlangen. „Die Sackgassen-Ausbildung in der Pflege gehört der Vergangenheit an“, erklärt Kuttig. Eine Frage der inneren Haltung Dabei haben die Dozenten des Fachbereichs neben dem Vermitteln von Fachkenntnis vor allem den Anspruch, den Studierenden eine bestimmte Haltung zur Pflegetätigkeit nahezubringen, die den Rahmen für das praktische Arbeiten liefert. „Die innere Haltung ist ein starker Fokus im Studium. Es geht um eine ressourcenorientierte Pflege. Das heißt, die Pflege hilft den Patienten dabei, ihre Fähigkeiten zu erhalten und auch neue Ressourcen aufzubauen.“ Im Alltag bedeutet das: Die zu pflegenden Menschen werden beim Essen begleitet und unterstützt – ihnen wird das Essen nicht einfach gereicht, weil dies schneller ist. Es bedeutet, Hilfestellung zu leisten, da-


Foto: Donau-Universität Krems/Reischer

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mit das Muskeltraining regelmäßig gemacht wird, die Menschen mobil bleiben, soziale Kontakte und Interessen pflegen, vielleicht sogar neue aufbauen. Wenn Martina Kuttig von ihrer Vorstellung einer guten Pflege erzählt, fragt man sich sofort: Wie soll das gehen, wenn die Zeitfenster für die Pflege immer kleiner werden, die Versorgung immer schneller sein soll? Kuttig ist da ganz klar: „Diese Art der Pflege erfordert Zeit, Geduld und erweiterte Kompetenzen.“ Sie ist mit einem Mini-Budget nicht zu verwirklichen. Da ist Kuttig deutlich: „Die Gesellschaft muss sich überlegen, ob sie sich das leisten möchte. Keine hoch qualitative Pflege ohne Denken in neuen Strukturen und ohne finanzielle Mittel.“ Wer Kuttig für unrealistisch hält, der irrt. Denn gerade in der Professionalisierung der Pflege sieht die Leiterin des Fachbereiches auch eine große Chance für Geldeinsparung – vor allem im präventiven Bereich. In Großbritannien, den Niederlanden oder Norwegen gebe es beispielsweise längst PflegePraxen. Das sind Praxis-Einrichtungen, die von Pflege-Fachkräften geleitet werden. Sie entlasten die Hausarztpraxen und sind wichtige, niedrigschwellige Ansprechpartner für ältere Menschen mit ihren Fragen rund um Gesundheit und Unterstützung. „Die Pflegepraxen sind Gate-Keeper zwischen Arztpraxis, Krankenhaus und Pflegeeinrichtung“, erklärt Kuttig. Diese Pflegefachkräfte unterstützen Menschen schon frühzeitig dabei, ihre Selbstständigkeit zu erhalten und sich die Hilfe zu holen, die sie wirklich brauchen. Den Effekt beschreibt Kuttig so: „Die biopsychosoziale Gesundheit und Selbstständigkeit der Menschen wird viel aktiver unterstützt. Das wirkt sich direkt auf das Lebens- und Gesundheitsgefühl aus. Die 82-Jährigen in Norwegen fühlen sich wie die 72-Jährigen hier. Also zehn Jahre jünger.“ Damit solche Praxen auch im deutschsprachigen Raum entstehen können, müssten die Pflegefachkräfte allerdings mit mehr Rechten ausgestattet werden. Kuttig: „Pflegende dürfen derzeit noch nicht einmal ein Rezept für Verbandsmaterial verschreiben. Das muss sich ändern.“ Die Akademisierung der Pflege könnte in diese Entwicklung etwas Schwung bringen – und mit dem Selbstbewusstsein, das eine akademische

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Ausbildung mit sich bringt, werden die Absolventen der Fakultät für Gesundheit und Medizin auch ihre eigene Stimme lauter in die Diskussion um die angemessene Versorgung von chronisch kranken oder betagten Menschen einbringen, hofft Kuttig. Kann man die Biologie austricksen? Die Riege der Molekularbiologen erhofft sich Veränderung dagegen von einer ganz anderen Seite. Die Forschung beschäftigt sich seit langem mit der Frage, wie man die biologische Grundlage des Alterns beeinflussen kann, so dass Alterungsprozesse langsamer voranschreiten, vielleicht sogar stoppen. Wie ernst sollte man diese Forschung nehmen? Wird man den Alterungsprozess tatsächlich hinausschieben können? Werden die Menschen irgendwann im Idealfall „gesund sterben“? Lange Zeit dachte man, das Altern liege vor allem an den Abnutzungserscheinungen des Lebens. Bei Zellen, die sich immer wieder teilen, treten irgendwann Fehler auf und über die Jahre summieren sich diese Fehler zu den Alterseffekten, die wir an unseren Organen und Geweben sehen und spüren können. Die Anhäufung von chronischen Erkrankungen im Laufe des Lebens, die in späten Jahren häufig zur Pflegebedürftigkeit führen, sind insofern die logische Folge des Alterungsprozesses in jeder Zelle. Allerdings mussten die Wissenschaftler auch feststellen, dass dieser Alterungsprozess offensichtlich nicht bei allen Lebewesen gleich verläuft. „Verschiedene Tierarten altern sehr unterschiedlich“, erklärt Gisinger und nennt das Beispiel von Maus und Fledermaus: Eine Maus wird durchschnittlich zwei Jahre alt. Eine Fledermaus, die ähnlich groß ist und einen vergleichbaren Stoffwechsel hat, wird 40 Jahre alt. Inzwischen weiß man, worin dieser Unterschied begründet ist: Neben der Abnutzung beeinflussen die Reparaturmechanismen der Zellen, wie schnell der Alterungsprozess voranschreitet. Bei Fledermäusen sind bestimmte Gene aktiviert, die das Reparaturpotenzial der Zelle stärken. Die Zellen können sich länger fehlerfrei reproduzieren, das Altern der Fledermaus schreitet langsamer voran als das der Maus. Wissenschaftler fragen sich folgerichtig: Wie

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kann man es schaffen, diese Gene anzuschalten? Einige Studien wiesen darauf hin, dass eine strenge Kalorien-Diät genau das schafft. Das wäre für den Menschen allerdings ein ungemütliches Leben – er dürfte nie mehr als 600 bis 800 Kalorien pro Tag essen. Und der Erfolg ist nicht bewiesen. Doch inzwischen ist man medikamentösen Anti-Aging-Stoffen auf der Spur. „Das Diabetes-Mittel Metformin und das Antibiotikum Ampicillin scheinen bestimmte Gene, die hier eine Rolle spielen dürften, aktivieren zu können“, sagt Gisinger. Die Forschung läuft auf Hochtouren. Das Ziel: „Man will die alters-assoziierten Krankheiten aufhalten.“ Ob und wann das gelingen wird, weiß allerdings niemand. Insofern setzt man derzeit am besten auf die „vier L“, wenn man möglichst viele Jahre lang fit bleiben möchte. Und das sind bei den meisten Menschen heute mehr, als sie denken.

LITERATUR UND LINKS Becca R. Levy, Martin D. Slade et al.: Longevity Increased by Positive Self-Perceptions of Aging. Journal of Personality and Social Psychology, 2002, Vol. 83, No. 2, 261–270 Oscar Ybarra, Eugene Burnstein, Piotr Winkielman, Matthew C. Keller, Melvin Manis, Emily Chan and Joel Rodriguez: Mental Exercising Through Simple Socializing: Social Interaction Promotes General Cognitive Functioning, Pers Soc Psychol Bull 2008; 34; 248 Healthy Aging: Lessons from the Baltimore Longitudinal Study of Aging. Nachzulesen unter http://www.nia.nih.gov/health/publication/healthyaging-lessons-baltimore-longitudinal-study-aging Carola Kleinschmidt: Jung alt werden. Warum es sich mit 40 schon lohnt, an 80 zu denken. Ellert & Richter, Hamburg 2010 Studienangebot Pflegewissenschaft – www.donau-uni.ac.at/pflegewissenschaft Master-Lehrgang Geriatrie – www.donau-uni.ac.at/geriatrie


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„Essen, Hygiene, Einstellung zu Leben und Tod – da gibt es große kulturelle Unterschiede“, hat Chibueze C. Udeani erlebt.

Wir interessieren uns nicht für Anti-Aging Der Theologe Chibueze C. Udeani wuchs in Nigeria auf und kam vor 26 Jahren nach Österreich. Dort haben die Menschen eine ganz andere Vorstellung vom Alter als in der Heimat seiner Kindheit. Von Angelika Ohland

upgrade: In Europa möchte jeder als jung gelten – sogar noch mit 70. Ist das in Nigeria, wo Sie herkommen, ähnlich? Chibueze C. Udeani: In Nigeria haben wir eine grundsätzlich andere Einstellung zum Altwerden. Natürlich möchten auch wir im Alter gesund bleiben und ein beschwerdefreies Leben führen. Aber das, was man als Jugendwahn bezeichnet, kennen wir nicht. Wir messen jeder Lebensstufe ihre eigene Bedeutung bei. In Österreich scheint es, als würde ein Mensch im Alter bedeutungslos, als würde er nicht mehr gebraucht. Wen wundert es da, dass die Menschen so eine panische Angst vor dem Altwerden haben? upgrade: Wie erklären Sie sich diese Entwicklung? Udeani: Die österreichische Gesellschaft ist sehr leistungsorientiert und individualistisch. Letztlich ist jeder auf sich allein gestellt, das Gemeinsame wird eher als störend erlebt. Man möchte frei sein, auch frei von Verpflichtungen. Natürlich ist auch die nigerianische Gesellschaft leistungsorientiert, aber bei uns zählt die Gemeinschaft sehr viel. Ob Individualismus oder Gemeinsinn vorherrscht, hängt weniger mit dem Wohlstand zusammen, es ist vor allem eine Frage der Haltung. Das sieht man an Japan: eine hochmoderne Gesellschaft, die gleichwohl sehr gemeinschaftlich denkt und keine strikte Trennung zwischen Jung und Alt kennt. upgrade: Wie altern Menschen in Nigeria? Udeani: Wir betrachten das Altern als einen natürlichen biologischen Prozess. Deshalb interessieren wir uns auch kaum für Anti-Aging. Die Alten werden mitgetragen. Gleichzeitig stellen sie ihre Lebenserfahrung zur Verfügung und helfen im Alltag mit. Beide Seiten leisten etwas. Jedes Alter hat bei uns besondere Verpflichtungen und Rechte. Eine Mutter zum Beispiel wird nicht mehr mit ihrem Namen gerufen, sondern als „Mutter von“ bezeichnet. Man erwartet von ihr, dass sie sich verantwortungsvoll wie eine Mutter verhält, auch gegenüber fremden Kindern. Die Kinder wiederum müssen die Mutter respektvoll behandeln. Solche gesellschaftlichen Regeln geben Halt, auch im Alter.

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CHIBUEZE UDEANI Prof. Dr. Chibueze C. Udeani hat den Lehrstuhl für Missionswissenschaft und Dialog der Religionen der Universität Würzburg inne. Bis 2012 war er Direktor des Instituts für Caritaswissenschaft an der Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz. Seit 2012 ist er wissenschaftlicher Leiter der Fach- und Forschungsstelle für Migration, Integration und interkulturelle Bildung der Caritas Oberösterreich. Udeani hat den Universitätslehrgang Intercultural Studies an der Universität Salzburg initiiert und geleitet. Außerdem ist er Trainer für interkulturelle Kompetenz in diversen Profit- und Non-Profit-Unternehmen.

upgrade: Welche Regeln gibt es im Umgang mit Alten? Udeani: Im Bus zum Beispiel steht der Jüngere auf und bietet einem Älteren den Platz an. Aber auch die Alten nehmen Rücksicht. In der Familie schaut man, ob eine Arbeit für die Älteren noch zumutbar ist – die Großeltern passen dann eher auf die Enkel auf, statt auf dem Feld zu arbeiten. upgrade: Grundlage ist in Nigeria also immer noch die Großfamilie? Udeani: Es muss keine Großfamilie im traditionellen Sinn sein – es ist der Gedanke der Großfamilie, der immer noch prägend ist. Er verbindet uns auch in der Diaspora. Für uns ist es selbstverständlich, Geld nach Hause zu überweisen. Wir fühlen uns nicht nur für unsere Eltern, Brüder und Schwestern verantwortlich, sondern darüber hinaus. Wo Verwandtschaft fehlt, springen andere ein – das ist das Sippenprinzip. Auch wer selber keine Kinder hat, wird einbezogen. Wir deuten Verwandtschaft so, dass sie über die leibliche Verwandtschaft hinausgeht. upgrade: Gibt es in Nigeria denn gar keinen Generationenkonflikt? Udeani: Konflikte zwischen den Generationen gibt es in jeder Kultur. Aber bei uns sind die Spielregeln relativ klar, was nicht heißt, dass das Verhältnis zwischen Alt und Jung reibungslos ist. Insgesamt gibt es allerdings weniger Konkurrenz in unseren Beziehungen – das hilft. upgrade: Wie wird das Sippenprinzip durch die Globalisierung verändert? Udeani: Die Globalisierung verändert das Bewusstsein, das sich mehr an individualistischen, kapitalistischen Lebensformen orientiert. Auf der anderen Seite macht die Globalisierung die eigenen Werte auch bewusst, etwa indem wir merken: So wie die westlichen Industriegesellschaften mit ihren Alten umgehen, so wollen wir das nicht. Die Globalisierung wird unsere Traditionen nicht völlig kappen. Ein wahres Sprichwort lautet: „You can take the child out of the village, but you can’t take the village out of the child.“ Auch wenn die Globalisierung zu einer inneren Spannung zwischen den Werten geführt hat: Die Prägung bleibt bis zu einem gewissen Grad erhalten.

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upgrade: In Nigeria ziehen viele Junge vom Land in die Städte. Wie verändert dies das Leben der Alten? Udeani: Die Alten werden in der Regel zwar weiterversorgt, aber sie vereinsamen, weil sie im Alltag nicht mehr in eine größere Verwandtschaft eingebettet sind. Wenn die Jungen das Dorf verlassen, leben oft ferne Angehörige mit ihren Eltern. Dafür muss derjenige, der in die Stadt gegangen ist, finanziell für diese fernen Verwandten mit aufkommen. Es wird also umgeschichtet. Das erzeugt auch bei den Jüngeren einen enormen Druck, nicht nur wirtschaftlich. upgrade: Weltweit leben 100 Millionen alte Menschen von weniger als einem US-Dollar am Tag, 80 Prozent haben kein regelmäßiges Einkommen. In Europa gehen Menschen auf die Straße, weil sie etwas später in Rente gehen sollen. Wie passt das zusammen? Udeani: Das Gefühl von Armut und Benachteiligung kann man nur im gesellschaftlichen Kontext verstehen. Das Leben in Europa ist so ökonomisiert, dass man nicht einmal mehr auf die Toilette gehen kann, ohne dafür etwas zu bezahlen. Schon Kinder werden mit Dingen überhäuft – da entsteht fast eine Art Sucht nach immer mehr Konsum. Für diese Menschen ist es schwer, wenn sie sich mit 70 Jahren plötzlich einschränken sollen. In Österreich sorgt der Staat sehr für seine Bürger. Das hat viel Gutes gebracht, aber es ist auch etwas verloren gegangen: die Fähigkeit, die Initiative zu ergreifen oder sich an neue Umstände anzupassen, wurde nicht mehr trainiert. upgrade: Die erste Generation der Migranten in Österreich wird jetzt alt. Was bedeutet das für diese? Udeani: Viele Migranten haben ein Leben lang geglaubt, sie würden im Alter wieder nach Hause gehen. Das war eine Lebenslüge. Man kann nicht ohne Weiteres nach 30 Jahren in die Heimat zurückkehren und dort weiterleben, als wäre man nie fort gewesen. Diese Erkenntnis ist für viele bitter. Das Alter bringt eine Phase der Enttäuschung mit sich. Aber viele Migranten haben auch eine andere Vorstellung vom Alter als die Österreicher. Ob ein Altersheim in der jetzigen Form die berechtigten Bedürfnisse von Migranten erfüllt, möchte ich bezweifeln.


Fotos: privat (S. 37), Getty Images/David Malan (S. 39)

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„In Österreich scheint es, als würde der Mensch im Alter bedeutungslos. Wen wundert es, dass die Leute eine panische Angst vor dem Alter haben?“

upgrade: Warum sehen Sie die Unterbringung in einem Heim so kritisch? Es gibt doch auch sehr gute und menschliche Heime. Udeani: Vor zwei Wochen habe ich einen Bekannten im Altersheim besucht. Um ehrlich zu sein: Ich möchte so im Alter nicht leben. So sachgerecht und medizinisch anspruchsvoll in dem Heim alles sein mag – ich empfinde es als sehr unpersönlich. upgrade: Was kann man tun, wenn eine Pflege nicht mehr zu vermeiden ist? Welche besonderen Bedürfnisse haben Migranten? Udeani: Wir sprechen von kultursensibler Pflege. Diese betrifft beide Seiten. Der Migrant muss realisieren, dass er in einer anderen Welt alt wird, in der andere Regeln gelten als in seiner Heimat. Er muss sich fragen, wo er sich integrieren will und kann und wo seine Grenzen liegen. Pfleger und Ärzte wiederum müssen sich mit dem kulturellen Hintergrund der Migranten beschäftigen. Essen, Besuchszeiten, Hygiene, Religion, Einstellung zu Leben und Tod – da gibt es große Unterschiede. Auch Nähe und Distanz werden kulturell sehr unterschiedlich emp-

funden. Wer darf was über einen anderen erfahren? Was löst Scham aus? Wie fühlen sich die Angehörigen mit der professionellen Pflege – löst sie Schuldgefühle aus? upgrade: Der Islam ist die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in Österreich. Wie prägt er die Vorstellung vom Altwerden? Udeani: Im Islam gilt die familiäre Pflege von Angehörigen als religiöse Pflicht. Diese Verantwortung kann man nicht delegieren – gegenüber Heimen gibt es fast null Toleranz. upgrade: Was haben Sie persönlich gemacht, als Ihre Mutter alt wurde? Udeani: Meine Mutter hat in Nigeria gelebt, ich in Österreich. Trotz dieser schwierigen Situation hätte ich es als Schande empfunden, meine Mutter in ein Heim zu geben. Wir konnten das Problem in meiner Familie nur gemeinsam lösen. Mein ältester Bruder und seine Frau haben meine Mutter aufgenommen. Dafür habe ich ihnen finanziell unter die Arme gegriffen. Das war für alle nicht leicht, aber es war eine Lösung, mit der wir leben konnten.

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40 INTERNATIONALE KOOPERATIONEN

Pech gehabt Frau, Migrantin und über fünfzig? Dann dürfte es schwer werden bei der Jobsuche. Worin aber besteht Diskriminierung bei der Vergabe von Arbeitsplätzen in Österreich und wie kann sie überwunden werden? Das analysierte ein EU-Projekt der Donau-Universität Krems. Von Alexandra Simon

Das falsche Geschlecht, die falsche Nationalität, das falsche Alter: Bewerbungschancen werden nicht unwesentlich von Faktoren beeinflusst, die mit Leistung und Kompetenz nichts zu tun haben. Um Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt zu verhindern, muss man sie aber erst einmal verstehen.

Das Projekt in Kürze

• Titel: Understanding and

Overcoming Discrimination in Labour Recruitment Practices in Austria

• Projektzeitraum: 01.12.2011 bis 30.11.2012

• Fördergeber: EU • Projekttyp: Teil des

EU-Gemeinschaftsprogramms für Beschäftigung und soziale Solidarität PROGRESS

• Projektteam am Department für Migration und Globalisierung:

Univ.-Prof. Mag. Dr. Gudrun Biffl (Projektverantwortliche) Mag. Friedrich Altenburg, MSc Mag. Dr. Thomas Pfeffer

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rotz des häufig beklagten Mangels an Fachkräften ist es für Personen mit Migrationshintergrund, Frauen und über 50-Jährige oft schwierig, eine ausbildungsadäquate Beschäftigung zu finden. Sogar von Diskriminierung in Rekrutierungsprozessen und am Arbeitsplatz wird immer wieder berichtet. Wie aber kommt es in Unternehmen und Organisationen zu Diskriminierung, welche Motive und Handlungsweisen liegen ihr zugrunde? Wie lässt sich Diskriminierung überwinden und Diversität erhöhen? Das

untersuchte das EU-Projekt „Understanding and overcoming discrimination in labour recruitment practices in Austria“. Potenziale erkennen Für das kürzlich abgeschlossene Projekt interviewten Mitarbeiter des Departments für Migration und Globalisierung der Donau-Universität Krems Experten aus verschiedenen Bereichen und führten eine Online-Befragung unter Arbeit gebenden Organisationen durch. „Vergleicht man Österreich mit anderen EU-Ländern, dann lässt


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sich aufgrund der jüngsten EurobarometerUmfrage sagen, dass ethnische Herkunft, Geschlecht und Alter in Österreich besonders häufig als nachteilig für Bewerber und Bewerberinnen angesehen werden. Gleichzeitig ist Österreich das Land mit der geringsten Bereitschaft für Maßnahmen zur Erhöhung der Diversität am Arbeitsplatz“, berichtet Thomas Pfeffer. Auch das Wissen über die Rechte von Diskriminierungsopfern sei in Österreich am geringsten ausgebildet, erklärt Pfeffer, der am Department für Migration und Globalisierung forscht. „Ein besonders deutliches Zeichen für Diskriminierung ist die Konzentration bestimmter Personengruppen auf ganz bestimmte Tätigkeiten“, sagt Gudrun Biffl, Studienleiterin und Dekanin der Fakultät für Wirtschaft und Globalisierung an der Donau-Universität Krems. Wie es dazu kommt, lässt sich laut Pfeffer auch aus der betrieblichen Logik Arbeit gebender Organisationen erklären. Er weist darauf hin, dass Rekrutierung meist unter Zeitknappheit und Unsicherheit stattfindet: „Organisationen haben nicht unbegrenzt Zeit für die Personalauswahl und verfügen auch nicht über alle Informationen. Sie wollen schnell zu Personalentscheidungen kommen und dabei ihr Risiko für Fehlentscheidungen gering halten. Durch die Entscheidung für vertraut erscheinende Personen reduzieren sie Aufwand und Risiko, wenden dabei aber oft unbewusst diskriminierende Auswahlkriterien an.“

Foto: iStockphoto.com/gehringj

Umdenken fördern Dies treffe insbesondere auf kleine und mittlere Unternehmen zu, die keine Spezialisten für die Personalsuche beschäftigen. „Die Diversität der eigenen Belegschaft ist für viele große und international agierende Unternehmen schon ein strategisches Anliegen, während kleine und mittlere Unternehmen oft noch Probleme haben, den Wert von Diversität für ihre Organisation zu erkennen“, meint Pfeffer. Neben dem Zugang zu einem erweiterten Reservoir an Arbeitskräften könne größere Diversität der eigenen Belegschaft beispielsweise auch den Zugang zu neuen Kundensegmenten erleichtern oder die Kreativität und Problemlösungskompetenz einer Organisation erhöhen. Die Autoren und Autorinnen setzten in

Wirksame externe Maßnahmen, um die Rekrutierung und Beschäftigung von Frauen in den befragten Organisationen zu erleichtern Angaben in Prozent Unterstützung bei der Bewertung informell erworbener Kompetenzen

24,1

Informations- und Beratungsangebote zum Umgang mit Frauen Preise/Anerkennung für erfolgreiche Rekrutierungsund Beschäftigungspraktiken

17,1 12,1

Best-Practice-Beispiele möglichst unterschiedlicher Betriebsformen Vorgaben für öffentliche Einrichtungen für die Rekrutierung von Frauen

22,6 11,6 28,1

Anreize für Unternehmen für die Rekrutierung von Frauen Verschärfung bestehender Gleichbehandlungs-/ Antidiskriminierungsregelungen Verbesserte Durchsetzung von Gleichbehandlungs-/ Antidiskriminierungsregelungen

11,1 25,1

Quelle: Biffl/Pfeffer/Altenburg. Diskriminierung in Rekrutierungsprozessen verstehen und überwinden. März 2013, S. 77

ihrer Untersuchung beim Selbstverständnis und den Opportunitätsstrukturen von Arbeit gebenden Organisationen an. Sie unterschieden zwischen drei Bereichen, in denen Organisationen erfolgreich handeln müssen: in der funktionalen Aufgabenerfüllung, dem betriebsinternen Zusammenleben und in den Außenbeziehungen einer Organisation. „Diese Dreiteilung erwies sich als hilfreich, um einerseits verschiedene Problembeschreibungen im Zusammenhang mit Diversität und Diskriminierung in Organisationen zu unterscheiden und andererseits spezifische Lösungsvorschläge genauer zuordnen zu können“, erklärt Pfeffer. Um die Ergebnisse der Studie umsetzen zu können, ist laut Biffl allerdings ein verstärkter öffentlicher Diskurs über Diversität und Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt notwendig. „Bei diesem Thema ist auch die Sozialpartnerschaft gefragt und die Ministerien müssen eingebunden werden, wenn ein Umdenken erzielt werden soll“, betont Biffl. Die im Projekt erarbeiteten Handlungsempfehlungen sollen im Sinne der übergeordneten EU-Strategie auch dazu beitragen, die Entwicklung einer effektiven Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik voranzutreiben. www.donau-uni.ac.at/mig/progress

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42 WAS FORSCHEN SIE?

Wenn sich Kreise schließen Junge Menschen begleiten Katharina Gerlich, 42, schon lange. Als Koordinatorin von internationalen Austauschprogrammen hat sie viele Jahre Jugendliche betreut. Seit 2009 forscht die Soziologin an der Donau-Universität Krems über Möglichkeiten der psychosozialen Intervention und sucht aktuell Antworten auf Fragen zur Jugendgewalt. Von Ingrid Ladner

Mag. Dr. Katharina Gerlich ist seit 2009 wissenschaftliche Mitarbeiterin und Vortragende am Department für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit der Donau-Universität Krems. Gerlich arbeitet mit qualitativen soziologischen Erhebungs- und Analyseverfahren zu spezifischen Fragestellungen der Psychotherapie und von psychosozialen Prozessen.

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orschen wollte Katharina Gerlich immer schon, aber sie glaubte nie so recht daran, davon auch leben zu können. Als Frau und Mutter zweier Kinder im Alter von acht und zwölf Jahren weiß Gerlich, dass es mit einer wissenschaftlichen Laufbahn nicht ganz so leicht ist. Lange Zeit hat die Soziologin daher nach ihrem Diplomstudium freiberuflich gearbeitet. Gerlich hat sich während dieser Zeit unter anderem als Projektleiterin, Assessorin und Mediatorin qualifiziert und viel Erfahrung in Koordination und Organisation erworben – und dennoch nie ganz von der Wissenschaft gelassen. 2009 promovierte sie über die Zusammenhänge von Mutterschaft, Karriere und Zufriedenheit. Naheliegend und geschickt. Die zweisprachig aufgewachsene Wienerin hatte ihr Thema zum Untersuchungsgegenstand gemacht. Und mit dem Abschluss des Doktoratsstudiums und den Kindern in der Schule gelang es Gerlich schließlich doch, als Wissenschaftlerin durchzustarten. Seit inzwischen vier Jahren ist sie Mitarbeiterin am Zentrum für Psychotherapie und psychosoziale Interventionen unter der Leitung der Trauma-Expertin Silke Gahleitner an der Donau-Universität Krems.

Am Zentrum wird im Bereich der Psychotherapie und Beratung geforscht und gelehrt – mit dem Schwerpunkt auf biopsychosoziale Methoden. Das bedeutet, dass neben den traditionell biologischen und psychischen Faktoren auch soziologische Aspekte bei der Entstehung und Therapie von Erkrankungen berücksichtigt werden. Dabei trägt die Forschung in Krems auch wesentlich zur fachlichen Weiterentwicklung der am Department angebotenen Weiterbildungslehrgänge bei. Neben dem Psychotherapeutischen Propädeutikum können die Studierenden unter einer Vielzahl psychotherapeutischer Fachspezifika wählen. Andere Lehrgänge greifen aktuelle Themen im psychosozialen Fachdiskurs auf wie etwa den Umgang mit schwierigen Randgruppen wie zum Beispiel aggressiven Kindern und Jugendlichen, „wo noch vieles unerforscht ist“, wie Gerlich betont. Dabei geht es einerseits um die Evaluation psychosozialer Einrichtungen für Kinder und Jugendliche und um Fragen zum methodischen Zugang. Dieses Neuland erschließen Gahleitner, Gerlich und ihre Kollegin Heidemarie Hinterwallner gerade in dem EU-Projekt „Together against violence“ im Rahmen des Daphne-Programms, für das ein Forschungsnetzwerk zwischen den Ländern Bulgarien, Spanien und Österreich initiiert wurde. Lücken schließen OECD-Zahlen zeigen am Beispiel Mobbing, dass österreichische Jugendliche im internationalen Vergleich an dritter Stelle liegen, im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit, Opfer oder gar Täter von psychischer und physischer Gewalt zu werden. Viele dieser gewaltbetroffenen und gewaltbereiten Jugendlichen werden in Österreich in stationären Einrichtungen der Jugendwohlfahrt betreut. Bei diesen Jugendlichen, die


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Foto: Donau-Universität Krems/Reischer

WIRKUNGEN UND NEBENWIRKUNGEN Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Departments für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit unter der Leitung von Anton Leitner beforschen vor allem Fragen der Möglichkeiten und Auswirkungen psychosozialer Interventionen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Untersuchung von Risiken, Nebenwirkungen und Schäden in der Psychotherapie und psychosozialer Interventionen. Mit der Berufung von Silke Gahleitner und Christoph Pieh baute das Department 2012 seine Kompetenzen mit ausgewiesenen Experten im Bereich der Traumforschung und der somatoformen Störungen aus. www.donau-uni.ac.at/psymed

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44 WAS FORSCHEN SIE?

LINKS EU-Programm Daphne III – http://europa.eu/legislation_ summaries/human_rights/ fundamental_rights_within_ european_union/ l33600_de.htm Bundesverband Therapeutische Gemeinschaften Österreich – www.t-gemeinschaften.org

zwischen 14 und 18 Jahre sind, handelt es sich um eine Hochrisikogruppe mit verschiedensten biopsychosozialen Belastungen. Jedoch existiert national wie auch in vielen EU-Ländern kein abgestimmtes Konzept, wie stationäre Einrichtungen mit dieser Herausforderung fachgerecht umgehen können. „Für die Betreuer und Betreuerinnen der Jugendwohlfahrt ist das extrem schwierig“, erklärt Gerlich. „80 Prozent dieser Jugendlichen sind traumatisiert, fünf Prozent sind sehr gewalttätig.“ Die Herausforderung des Projekts sei, erklärt die Wissenschaftlerin, einen methodischen Zugang zu finden und dabei die Betroffenen in ihrer Lebenswelt abzuholen. Betroffene mit einbinden Vorarbeit dazu wurde bereits im Bundesverband der Therapeutischen Gemeinschaften Österreich unter der Leitung von Hermann Radler geleistet. Der Soziologe hat nun die Donau-Universität Krems im Rahmen des Projekts als Kooperationspartner ins Boot geholt. Aufgabe der Universität ist es in diesem Falle, nicht nur zu forschen, sondern auch – entsprechend dem Credo des europäischen Daphne-Programms – Überlegungen anzustellen, wie die betroffenen Jugendlichen selbst eine möglichst aktive und direkte Rolle bei der Weiterentwicklung von Serviceleistungen und ihrer Evaluation spielen können. Neben Interviews mit Jugendlichen wollen die Kremser Wissenschaftlerinnen außerdem Gespräche mit Fachkräften stationärer Einrichtungen führen. Zusätzlich

werden Entscheidungsträger und Leitungskräfte verschiedener Einrichtungen befragt. Die Ergebnisse liegen Ende 2014 vor. Karriere und Zufriedenheit „Mit dem Daphne-Projekt schließt sich der Kreis zu meiner Vergangenheit und der Arbeit mit Jugendlichen“, lächelt Gerlich sichtbar zufrieden in ihrem Büro im Altbau der Donau-Universität Krems, einem Architekturjuwel der 1920er-Jahre. Jetzt macht sie das, was sie immer wollte: qualitative Forschung mit Blick auf bestimmte Ziel- und Randgruppen wie etwa die amerikanischen Bäuerinnen im Norden Michigans, die sie in ihrer Diplomarbeit untersucht hat. Michigan? Vielleicht doch etwas weit hergeholt für eine Wienerin? „Ich habe zwei Heimaten“, erklärt Gerlich. Eine ist Österreich, die andere sind die USA und dort Michigan, wo die Wurzeln ihres Mannes liegen. Die Brücke zu Nordamerika legte Gerlichs Vater, der mit der Familie ein halbes Jahr dort verbracht hat. Katharina Gerlich war damals neun Jahre alt. Seitdem war das Interesse geweckt und sie hat die Verbindung nie aufgegeben. Gleich nach dem Gymnasium machte sich Gerlich für ein Jahr als Assistenz-Lehrerin davon, dem folgten viele weitere Aufenthalte in Amerika – aber sie ist immer wieder auch zurückgekehrt. Wien sollte ihre erste Heimat bleiben, denn ein Lehrer aus Michigan, ihr späterer Mann, war damals im Rahmen eines Austausches in Wien – und blieb. Ironie des Lebens? Jedenfalls hatte sich so ein erster Kreis geschlossen.

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EXPERTENMEINUNGEN 45

„We are looking for solutions based in what the same attended kids, their parents and the professionals working in the field see as useful.“ We are investigating about violent behavior in adolescents in residential care centers, in order to find new and effective ways to combat violence within these settings, with the ultimate aim of making recommendations to the European Parliament on how to address this problem. What I find interesting and innovative is that we are looking for solutions based in what the same attended kids, their parents and the professionals working in the field see as useful, more or apart from the institutional solution modeling. The methods used to find this out are direct in their application (that is, making direct questions in first person interviews and focus groups) and qualitative, so they can show us thoroughly how interviewees conceive and interpret

the reality they are involved in, their basic conceptions of violence and how to face it. In addition, we are looking at it from an international perspective, which implies a rich cross-comparison view and workflow that can enrich local solutions. I hope the result of this research is a better comprehension of the problem but also the possibility of giving practical new guidelines and guidance tools for educators, social workers, directors and even public politics designers, that show a clear and direct lessening of violent behavior and aggressive climate in the centers.

www.plataformaeducativa.org

DANIEL FIERRO Daniel Fierro is a Spanish researcher working in the Daphne project. He is specialized in adolescentto-adult development and transitions from a sociocultural perspective. Fierro works for a foundation called “Plataforma Educativa” since 2009 doing research, innovation and development of new projects in varied subjects.

Fotos: privat

„Wir haben uns entschlossen, unsere Arbeit einer wissenschaftlichen Evaluation zu unterziehen.“ Die Therapeutischen Gemeinschaften sind Träger der Jugendwohlfahrt. Sie nehmen ihren gesellschaftlichen Auftrag ernst und bilden sich in ihrer pädagogischen Tätigkeit, der Betreuung von Kindern in schwierigen Lebenslagen, beständig weiter. Über die Fort- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter hinaus haben wir uns entschlossen, unsere Arbeit einer wissenschaftlichen Evaluation zu unterziehen. Da dies unsere Kapazitäten sprengen würde, haben wir nach einem geeigneten Partner Ausschau gehalten. Diesen haben wir im Department für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit der Donau-Universität Krems gefunden. Mit ihrer hochprofessionellen Unterstützung wurde ein gemeinsames Forschungskonzept entwickelt, welches uns eine valide Datenlage ermöglicht, um die

Wirkfaktoren in unserer pädagogischen Betreuungsarbeit zu analysieren. In die Untersuchung werden alle Systempartner – Kinder, deren Eltern und die Betreuungspersonen – mit einbezogen. Mit diesem Einsatz wissenschaftlicher Methoden beschreiten wir neue Wege in unserer Arbeit. Die Untersuchung läuft über drei Jahre. Wir versprechen uns neben dem Gewinn neuer Erkenntnisse vor allem auch eine Qualitätssicherung. Als Obmann der Therapeutischen Gemeinschaften bin ich sehr stolz, diesen Weg eingeschlagen zu haben und sehe gespannt den Ergebnissen entgegen, die unsere Tätigkeit stärken und verbessern. www.t-gemeinschaften.org

HERMANN RADLER Hermann Radler absolvierte eine kaufmännische Ausbildung, studierte Soziologie und arbeitet seit 16 Jahren als Psychotherapeut. Gemeinsam mit seiner Frau Sonja Radler gründete er die Therapeutischen Gemeinschaften Österreich. Seit 2010 ist Radler auch Präsident der österreichischen Sektion der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen (IGFH).

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46 ALUMNI-PORTRÄT

Die Krankheit verstehen Einen Demenzkranken zu pflegen, verlangt einem Menschen viel ab – körperlich und seelisch. Monika Lechner, selbst lange Zeit in der Altenpflege tätig, absolvierte den Lehrgang Demenzstudien an der Donau-Universität Krems und gibt heute als selbstständige DemenzBeraterin und Seminarleiterin ihr Wissen an Pflegekräfte weiter. Von Franziska Brettschneider

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ie ältere Dame ist nicht zu beruhigen. Sie wehrt sich mit Händen und Füßen, stammelt kaum verständliche Wortfetzen, sie ist verwirrt. Verzweiflung und Panik sind in ihren Augen zu lesen. Überall fremde Gesichter, alle reden auf sie ein. Wo bin ich? Ich will das alles nicht. Situationen wie diese kennt Monika Lechner nur allzu gut. Fast zehn Jahre lang arbeitete die diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester aus Villach in Kärnten in der Pflege von Demenzpatienten. Zuletzt baute sie eine Demenzstation in einem Villacher Pflegeheim auf und leitete diese viele Jahre lang. „Ich habe selbst miterlebt, unter welchem Stress auch die Schwestern und Pfleger in einer solchen Situation stehen“, erinnert sich die 56-Jährige. Gerade bei Menschen mit fortgeschrittener Demenz, die sich nicht mehr richtig verständigen können und oft auch aggressiv werden, ist viel Einfühlungsver-


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Aufgewachsen in einem Dorf in Kärnten, besucht Monika Lechner nach dem Abitur die Gesundheitsund Krankenpflegeschule in Klagenfurt. Danach arbeitet die diplomierte Schwester sechs Jahre lang in der Allgemeinchirurgie. Als sie ihren Mann heiratet, verheiratet sie sich auch mit dessen Modegeschäft: 20 Jahre lang managt sie die Boutique und zieht die Söhne groß. Nach dem Tod ihres Mannes geht Lechner wieder in die Altenpflege zurück und baut in einem Pflegeheim in Villach eine Demenzstation auf, die sie sechs Jahre lang leitet. Berufsbegleitend absolviert sie den Lehrgang „Demenzstudien“. Seit 2011 ist sie selbstständig als DemenzPflege-Beraterin, Referentin und Seminarleiterin tätig und gibt ihr Wissen an Pflegekräfte und Angehörige von Betroffenen weiter.

STUDIENGANG DEMENZSTUDIEN

Foto: privat

Der Master-Studiengang „Demenzstudien – medizinisches und soziales Management von Personen mit Demenz“ nähert sich dem Thema mit einer wertschätzenden Grundhaltung. Die Studierenden erwerben Wissen über die Ursachen des Krankheitsbildes, verschiedene Kommunikationsmethoden, neueste diagnostische Verfahren und Behandlungsansätze sowie relevante Rechtsvorschriften. In sechs Semestern erhalten sie alle Instrumentarien, um fachübergreifend in einem interdisziplinären Team zu arbeiten, zu forschen und in der Lehre tätig zu sein. www.donau-uni.ac.at/ neuro/demenz

mögen gefragt. „Meine Mitarbeiter und ich haben dann intuitiv, aus dem Bauch heraus, gehandelt. Das ging in den meisten Fällen auch gut“, erzählt Monika Lechner. Dennoch war dieser Zustand auf Dauer unbefriedigend, sie wollte mehr über die Krankheit Demenz erfahren. „Mir fehlte das nötige Wissen über die Erkrankung und darüber, wie wir mit Betroffenen und ihren Angehörigen umgehen müssen.“ Monika Lechner schrieb sich, 50-jährig, für den Master-Lehrgang Demenzstudien an der Donau-Universität Krems ein, den diese damals zum ersten Mal anbot. Die Bedürfnisse Demenzkranker „Das war die beste Entscheidung, die ich habe treffen können“, sagt sie heute rückblickend. In den sechs Semestern erhielt sie all die Antworten, nach denen sie so lange gesucht hatte: Sie erwarb Wissen über die Ursachen des Krankheitsbildes, die speziellen Bedürfnisse von Menschen mit Demenz und über die verschiedenen Wege, mit ihnen zu kommunizieren. Sie erfuhr über die Anwendungsmöglichkeiten diagnostischer Verfahren und lernte Konzepte zu entwickeln, die Betroffenen mehr Selbstständigkeit und Lebensqualität ermöglichen. Seit Krems ist Monika Lechners Leben ein komplett anderes. Ein neues, positives, eines mit Perspektive: Gleich nach dem Studium hat die Villacherin den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt, ist nun als Pflegeberaterin tätig, hält Vorträge vor Pflegekräften aus Heimen und Krankenhäusern und bildet selbst Pflegekräfte aus. „Das Studium war wie eine Initialzündung für mich, ich kann mich nun intensiv dem Thema Demenz widmen“, schwärmt die Krems-Absolventin, die sich in ihrer Masterthese der hohen Belastungssituation von Pflegekräften gewidmet hat.

system nicht ausgerichtet.“ Wachrütteln will sie daher und das Bewusstsein für diese Missstände in der Gesellschaft schärfen – gerade auch vor dem Hintergrund einer steigenden Zahl Demenzkranker. Ihr Wissen weiterzugeben sieht Lechner als Berufung. Und als eine Möglichkeit, selbst immer weiter dazuzulernen: „In meinen Seminaren stellen mir Teilnehmer oft auch Fragen zu Problematiken, mit denen ich mich selbst noch gar nicht auseinandergesetzt habe. Manchmal ergeben sich daraus auch Inhalte für neue Seminarthemen.“ Zufriedenheit und Glück schenken Als eine, die selbst viele Jahre lang eng mit dementen Personen gearbeitet hat, liegt Monika Lechner auch am Herzen, pflegende Angehörige zu begleiten und bei ihrer kräftezehrenden Arbeit zu unterstützen. „80 Prozent der Pflegearbeit findet im häuslichen Bereich statt“, sagt sie, „meistens sind es Frauen, die das übernehmen.“ Nicht wenige geraten über die Jahre, in denen sie Vater oder Mutter zu Hause pflegen, in finanzielle Not oder bekommen psychische Probleme. Sie vernachlässigen ihre eigene Familie, ihre Freunde und sich selbst, leben ausschließlich für den Kranken. Stirbt dieser schließlich, fallen viele in ein Loch, da ihnen ihr einziger Lebensinhalt genommen wurde. „Wir dürfen die Pflegenden nicht alleinlassen“, sagt Lechner. „Demenz muss keine Endstation sein. Menschen mit dieser Krankheit können sehr liebevoll sein und sehr viel geben.“ Zuneigung spüren, miteinander lachen, wieder Glück empfinden – mit dem nötigen Wissen, so Monika Lechner, ließe sich die Lebensqualität von Pflegern und Patienten enorm steigern. Die Zeit der Pflege, das hat sie selbst erlebt, kann so sogar sehr schön sein.

Ein Bewusstsein schaffen Denn die Arbeit mit dementen Menschen beschränkt sich eben nicht nur darauf, sie zu waschen und anziehen, ins Bett zu hieven oder ihnen beim Essen zu helfen. „Die Pflege von Demenzkranken nimmt sehr viel mehr Zeit in Anspruch, die persönliche Ansprache ist viel intensiver, es muss viel mehr Beziehungsarbeit geleistet werden als in der normalen Pflege“, weiß Lechner aus Erfahrung. „Doch darauf ist unser Gesundheits-

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48 UNIVERSITÄTSLEBEN

Campus Krems Akademischer Festakt

Auszeichnung für verdiente Persönlichkeiten

Universitätsrat

Wahl der Vorsitzenden Der neu konstituierte Universitätsrat der

Donau-Universität Krems würdigt Verdienste Für ihr besonderes Engagement an der Universität für Weiterbildung hat die

Donau-Universität Krems neun verdiente Persönlichkeiten aus Forschung und Lehre mit dem Ehrenring und der Ehrenprofessur im Rahmen eines akademischen Festaktes im April ausgezeichnet: William Kilgallon, Hartmut Ehrlich, Hans-Jörg Meisel, Robert Fischer, Rudolf Slavicek, Ingela Bruner-Newton, Michael M. Märtens, Brigitte Schigl und Armin J. Kammel. Die Würdigung erfolgte in festlichem Rahmen im Audimax der Universität unter Anwesenheit des designierten Rektors Generalsekretär Mag. Friedrich Faulhammer vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung.

Donau-Universität Krems hat in seiner Sitzung vom 29. April 2013 Wolfgang Mazal vom Institut für Arbeitsund Sozialrecht an der Universität Wien zum Vorsitzenden und Martina Pecher, geschäftsführende Gesellschafterin der Pecher Consulting GmbH, zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Neu in den Universitätsrat bestellt wurde Gail-Suzanne Brown, Senior Vice President, Research & Development bei Fresenius Medical Care Deutschland GmbH. Für eine zweite Periode als weitere Mitglieder gewählt wurden Roland Fischer, ehemaliger Dekan der Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung (IFF) an der AlpenAdria-Universität Klagenfurt und Christian Milota, Geschäftsführer der Niederösterreichischen Landesakademie in St. Pölten.

www.donau-uni.ac.at/aktuell

www.donau-uni.ac.at/gremien

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Symposium

Neues Zentrum widmet sich Europafragen Mit einem Symposium wurde am 3. Juni an der Donau-Universität Krems das neue „Zentrum für Europa und Globalisierung“ eröffnet. Dessen Leiterin, Dekanin

Die serbische Fotografin und Videokünstlerin Andrea Palasti

Gudrun Biffl, will damit einen weiteren Schritt in der Entwicklung eines europäischen Dialogforums setzen und die bereits vorhandenen Europakompetenzen der Kremser Universität ausbauen. In Forschung und Lehre werden künftig Schlüsselfragen zur Entwicklung der Europäischen Union erörtert. Othmar Karas, der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, wird als wissenschaftlicher Beirat und Vortragender im Zentrum tätig sein. Dem Europaexperten wurde im Rahmen der Zentrumseröffnung die Ehrenprofessur der Donau-Universität Krems verliehen. www.donau-uni.ac.at/aktuell

Fotos: Donau-Universität Krems/Roeck (S. 48, 49 rechts), fotolia.com/fotomek (S. 48), Palasti (S. 49)

Artist in Residence 2013

Künstlerin Andrea Palasti kommt nach Krems Die serbische Fotografin und Videokünstlerin Andrea Palasti wird Artist in Resi-

dence 2013 der Donau-Universität Krems. Die 1984 geborene Künstlerin studierte an der Universität von Novi Sad und der Academy of Art Fotografie und anschließend Kunst- und Medientheorie an der Universität Belgrad. Ihre Arbeiten wurden in einer Vielzahl von Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt, zuletzt präsentierte sie die Mixed-Media-Installationen „Girls“ und „Balkan Disco“. Die mehrfach ausgezeichnete Künstlerin erhielt zahlreiche Stipendien und Förderungen.

Die Donau-Universität Krems verleiht Othmar Karas im Rahmen der Zentrumseröffnung die Ehrenprofessur durch geschäftsführende Vizerektorin Viktoria Weber (li.) und Dekanin Gudrun Biffl.

www.andreapalasti.com www.donau-uni.ac.at/cultur

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50 KARRIERENETZWERK

Alumni-Club Glückwünsche von der Donau-Universität Krems

Der Alumni-Club feiert sein 1.500. Mitglied Der Alumni-Club der Donau-Universität Krems wächst: Er freut sich über sein 1.500stes Mitglied. Elisabeth Januschkowetz hat 2002 das Master-Studium EURO-JUS LL.M. in Krems abgeschlossen. Nach beruflich intensiven Jahren möchte die 41-Jährige künftig die Vorteile des Alumni-Clubs genießen und sich dort auch über Fachthemen austauschen. Als Anwärterin zur Rechtsanwältin hat Januschkowetz 2004 in einer kleinen Kanzlei in Melk begonnen. Inzwischen ist die gebürtige Niederösterreicherin dort Partnerin und vertritt unter anderem Gewaltopfer in Strafprozessen vor Gericht. „Anfangs mussten die Opfervertreter ihre Wahrnehmung im Gerichtssaal noch erkämpfen“, erzählt Januschkowetz. „Inzwischen ist die Wahrung der Opferrechte etabliert und auch voll akzeptiert.“ Die Mitglieder des Alumni-Clubs der Donau-Universität Krems sind Teil eines umfassenden internationalen Netzwerks an Expertinnen und Experten aus den verschiedensten Branchen. Sie profitieren von zahlreichen Aktivitäten und Angeboten in den Bereichen Weiterbildung, Karriere, Freizeit und Kultur.

Der Alumni-Club und seine Kooperationspartner gratulierten mit einem kostenlosen Jahres-Abo der Tageszeitung „Die Presse“ und einer Übernachtung für zwei Personen im arte Hotel Krems. (v.l.: Alumni-Club-Leiterin Judith Bauer, Alexandra Supper, „Die Presse“, Elisabeth Januschkowetz und Michael Frödrich, arte Hotel Krems.)

upgrade upgrade2/2013 2/2013

Gratulation bei der „Blue Hour“

Judith Bauer moderiert im Leopold Museum Wien.

Alumni-Club-Termine 20. 6. 20. 6. 20. 6. 26. 6. 27. 6. 27. 6. 13. 8. 21. 8. 28. 8. 5. 9. 11. 9. 12. 9. 21. 9. 25. 9. 5.10. 8.10. 8.10. 12.10.

Stammtisch Eisenstadt Stammtisch Krems Stammtisch Wien Stammtisch Innsbruck Stammtisch Stuttgart Stammtisch Köln Stammtisch Salzburg Stammtisch Leipzig Stammtisch Frankfurt Stammtisch Krems Stammtisch Wien Stammtisch Stuttgart ALUMNI-Tag Krems Stammtisch Köln Stammtisch Graz Stammtisch München Stammtisch Salzburg ALUMNI-Challenge Krems

www.donau-uni.ac.at/ alumni/veranstaltungen


KONGRESSE UND VERANSTALTUNGEN 51

Termine 5. Dialogforum – Summer School 2013

Migration und Integration Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, dem Geburtenrückgang und der Überalterung der Gesellschaft gewinnen Fragestellungen zu Migration und Integration zunehmend an Bedeutung. Aktuelle Themenschwerpunkte des diesjährigen 5. Dialogforums „Summer School 2013“ der Donau-Universität Krems bilden unter anderem „Jugend, Quo vadis?“ – Wie können Jugendliche heute über Bildung und Beruf ihre eigene Identität entwickeln? Wer sind hierzulande die neuen „working poor“? Wie verändern sich Religionslandschaften durch Migration? Fragen, auf die Gesellschaft und Politik Antworten finden müssen. 29. Juli bis 02. August 2013, Schloss Orth in Gmunden

Sommergespräche der Waldviertel Akademie

Fotos: Donau-Universität Krems/Skokanitsch (S. 50), fotolia.com/Günter Menzl/ Tyler Olson (S. 51)

Das endliche Leben – Altern in Würde Noch nie hatte die Generation „50 plus“ so viel Selbstbewusstsein wie heute. Die „Alten“ leben aktiv und selbstbestimmt, doch die Angst vor Krankheit und Vereinsamung, vor der Endlichkeit des Lebens bleibt. Die Internationalen Sommergespräche der Waldviertel Akademie widmen sich in Vorträgen, Diskussionen und Workshops der Frage, wie sich der letzte Abschnitt des Lebens würdevoll gestalten lässt. Wie können wir den Ausstieg aus dem Erwerbsleben bewältigen? Muss ein Pflegeheim die Endstation bedeuten und welche alternativen Wohnformen gibt es? Und wie gehen wir mit dem Tod als Teil des Lebens um? 29. bis 31. August, Waldviertel Akademie in Weitra

ÖGO-Kongresses 2013

Orthopädie okay Arthrose in den Knien, Probleme mit den Hüften: Mit zunehmendem Alter zeigen sich Verschleißerscheinungen im Bewegungsapparat. Die 31. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Stefan Nehrer von der Donau-Universität Krems zeigt die neuesten chirurgischen Techniken und Methoden auf und verdeutlicht die komplexen biomedizinischen Zusammenhänge im menschlichen „Bewegungssystem“. Denn dank der regenerativen Medizin konnten in der Orthopädie durch die Züchtung und Wiederherstellung kranken Gewebes imposante Fortschritte erzielt werden. 12. bis 14. September 2013, IMC-Center der Fachhochschule Krems

WEITERE TERMINE

Leben im Alter Der Wunsch wächst, das Leben auch im Alter noch eigenverantwortlich gestalten zu können. Das Themenspektrum der Messe SeniorA in Bremen reicht von einfachen Alltagsdingen über Betreuung und Sicherheit bis hin zu Freizeit und Reisen sowie Ehrenamt und Weiterbildung. 10. bis 11. September 2013, Messe Bremen, www.seniora-die-messe.de

Häusliche Pflege Wie Menschen mit Handicap und Senioren ein unabhängiges Leben zu Hause führen können, zeigt die Naidex-ScotlandMesse. Sie richtet sich mit Vorträgen und Seminaren sowie der Naidex-CPD-Konferenz auch an Fachbesucher aus dem Gesundheitswesen. 18. bis 19. September 2013, Naidex Scotland Glasgow, www.naidex.co.uk

Alles für die Generation 50 plus Was sind die neuesten Trends für die In-die-JahreGekommenen? Zahlreiche Aussteller informieren auf der Wiener Herbst Senioren Messe über Dienstleistungen, Produkte, Entwicklungen rund um Freizeit, Wohnen und Reisen. 20. bis 23.11.2013, Messe Wien, wiener-seniorenmesse.at

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52 UPGRADE-TIPPS

Kunst & Kultur Open-Air-Kino

Frische Luft und frische Gefühle Sommer ist, wenn beim Kesselhaus endlich wieder die Leinwand aufgestellt wird – so empfinden es inzwischen viele, die an der Donau-Universität Christoph Waltz und Jamie Foxx in „Django Unchained“ Krems lernen, lehren, forschen oder anderweitig arbeiten. Open-Air-Kino am Kesselhaus, darauf freut man sich schon, wenn die ersten Knospen aufbrechen. Freuen Sie sich also auf 16 Sommerabende mit dem Besten, was das Kino im vergangenen Jahr zu bieten hatte, von „Django Unchained“ bis „Nachtzug nach Lissabon“ und dem leichtfüßigen „römischen“ Woody Allen. Alles Filme, die man gerne auch ein zweites Mal anschaut. Bis 20. Juli, www.kinoimkesselhaus.at

Das Festival Glatt & Verkehrt muss man eigentlich nicht mehr ankündigen – also kurz: Das Thema Brasilien verspricht besonders spannend zu werden, Start ist am 29. Juni im Wolkenturm Grafenegg. Das Hauptfestival beginnt am 24. Juli bei den Winzern in Krems. 29. Juni bis 28. Juli, www.glattundverkehrt.at

Grafik, Pop-Art, Abstrakt-Informelles, Körperfragmente, skulpturale „Hangings“ in Vinyl: Die große Retrospektive von Kiki Kogelnik bietet einen spannenden Rückblick auf Positionen der österreichischen Kunst im 20. Jahrhundert. Wobei Kogelniks Blick weit über ihre Heimat hinausreichte: Nachdem sie 1961 nach New York übergesiedelt war, freundete sie sich mit Lichtenstein, Oldenburg und Warhol an, was ihre eigene Variante der Pop-Art beflügelte.

www.glattundverkehrt.at

Sommerfest Auf jeden Fall vormerken sollten Sie sich den 13. Juli: An diesem Tag feiert die Kunstmeile Krems ihr Sommerfest. Mit ShuttleBus Wien – Krems. Kiki Kogelnik, Two Nymphs, 1977

13. Juli, www.kunsthalle.at

Fotos: © sonypictures, © Kiki Kogelnik Foundation, Wien/New York, 2013

Wenn der 100-jährige Dampfer „Schönbrunn“ durch die Wachau fährt, sind über 100 Musikerinnen und Musiker aus den Regionen entlang des Flusses an Bord. Mit ihren Instrumenten, versteht sich: eine Schifffahrt mit Chor, Blaskapellen und diversen Bands. 6. Juli,

Wie die Pop-Art nach Österreich kam

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Brasilianisch

Klangschiff

Kunst in Krems

Vom 14. Juli bis 6. Oktober, Kunsthalle Krems. www.kunsthalle.at

WEITERE TERMINE


57 MEINUNG 53

Bücher

Master-Thesen Lernerfolg in der Pflegeausbildung Wie kann man den Lernerfolg in der Pflegeausbildung festhalten und kontrollieren? Dieser Frage geht diese empirische Studie nach, für die 201 Lehrpersonen an baden-württembergischen Krankenpflegeschulen befragt wurden. Fazit: Gute Ansätze gibt es bereits, aber die Prüfungsformen müssen die große Vielfalt der Leistungen noch besser berücksichtigen.

2050: Wie wir schon heute die Zukunft erfinden

Wohin mit unseren Alten?

Endlichkeitsphilosophisches

Die Bevölkerung wächst weltweit, während sie in einigen Regionen durchaus schrumpft, die Rohstoffe verknappen sich, das Jahrhundert des Öls geht zu Ende, und erstmals wird es mehr Senioren als Kinder und Jugendliche geben. Roboter werden uns im Haushalt helfen, Bauernhöfe werden in Wolkenkratzern angelegt, virtuelle Universitäten und Fabriken im Internet. 2050: Ulrich Eberls Szenarien sind keine Science-Fiction, sondern wissenschaftlich fundierte Analysen, denen ein hohes Maß an technischer Kompetenz zugrunde liegt.

Die Lebenserwartung steigt und mit ihr die Herausforderungen. Angehörige von Pflegebedürftigen brauchen Strategien und Wissen, wie sie die oft neue Aufgabe meistern. Dieser Pflegeratgeber, der in Zusammenarbeit mit dem ORF entstand, hilft, die nötigen Schritte zu organisieren: Pflegegeld und private Vorsorge, 24Stunden-Betreuung und stationäre Pflege, Sachwalterschaft und die Wahl des richtigen Pflegeheims sind Thema. Aber auch Sterbehilfe, Sterbebegleitung und Patientenverfügung werden nicht ausgelassen.

Einer der herausragendsten Köpfe seiner Zeit macht sich Gedanken über Zeit, Endlichkeit und das eigene Altern – intellektuell brillant, aber keineswegs kühl. Der Band versammelt die wichtigsten Texte des Philosophen zu diesem Thema. Dabei fasst Marquard das – wie auch sonst – philosophisch weit: Es geht um die Einwilligung ins Zufällige, um Vernunft, Humor, und den Lebensabschnitt der Zukunftsverknappung. Das Greisenalter mache ihn gelassen, schreibt Marquard, man müsse sich nichts mehr beweisen, dürfe sich sogar unterbieten. Nur ohne Zukunft, leider.

Peter Resetarits u.a. (Hg.) Linde Verlag, Wien 2013. ISBN 978-3-7093-0513-3 www.lindeverlag.at

Odo Marquard Reclam, Ditzingen 2013. ISBN 978-3-150202784 www.randomhouse.de

Ulrich Eberl Beltz & Gelberg, Weinheim 2012. ISBN 978-3-407753526 www.beltz.de

Maria Klampfl-Vogelmann: Ausbildungsbegleitende Kompetenzfeststellung und Lernerfolgskontrollen in der Pflegeausbildung. DonauUniversität Krems 2012.

Social Media und Change Management Wie können Social Media Veränderungsvorhaben in Unternehmen unterstützen? Die Master-These stellt verschiedene Web-2.0-Tools vor und erläutert, wie diese Kommunikation, Zusammenarbeit, Motivation, Partizipation verbessern können. Mit vielen praktischen Beispielen und einem Experteninterview über Unternehmenskommunikation. Julia Amon: Change Management mit Neuen Medien. Donau-Universität Krems 2012.

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54 VORSCHAU / IMPRESSUM

Vorschau 3.13 Städte im Wandel – was auf sie zukommt Städte sind und waren Anziehungsorte mit oft magischer Aura. Sie wachsen und befinden sich in ständigem Wandel, wie etwa von Produktionszentren zu Kreativ- und Wissensräumen. Politik, Wirtschaft und die Gesellschaft müssen sich daher fragen: Welche Bedeutung haben etwa Bildung, Architektur oder Mobilität in den Metropolen von morgen, um ein harmonisches Zusammenleben trotz aller Diversität zu gewährleisten? Wie prägen MigrantInnen die urbane Gesellschaft, was bringt der Klimawandel mit sich, welches Selbstbild haben Städte und was macht deren Anziehungskraft aus? Schon heute leben weltweit mehr Menschen in der Stadt als auf dem Land. Umso drängender stellt sich die Frage: Wie muss die Stadt der Zukunft aussehen und wie müssen wir die Zukunft unserer Städte gestalten, damit wir morgen und übermorgen noch zufrieden und friedlich in den urbanen Ballungszentren leben und wohnen können? upgrade liefert dazu Antworten in seiner nächsten Ausgabe.

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Vorbilder – warum wir sie brauchen Große Denker, stille Friedensarbeiter, Eltern, Lehrer oder der beste Freund. Sie alle können Vorbilder sein. Aber auch die Natur regt zur Nachahmung an. upgrade fragt nach, was Vorbilder ausmacht, ob es sie überhaupt noch gibt und zeigt, warum sie wichtig sind.

Impressum

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AutorInnen dieser Ausgabe Stephanie Arns, Hans-Peter Bayerl, Franziska Brettschneider, Oliver Bruttel, Elisa Holz, Carola Kleinschmidt, Ingrid Ladner, Angelika Ohland, Alexandra Simon Layoutkonzept ki 36, Sabine Krohberger Grafik Brigitta Bender Schlusslektorat Mirko Partschefeld Leser- und Abonnementservice Barbara Fidler-Kaider, Telefon: +43 (0) 2732 893-2577 E-Mail: barbara.fidler-kaider@donau-uni.ac.at Herstellung sandlerprint&more, Johann Sandler GesmbH & Co KG, Marbach Auflage 20.000 Erscheinungsweise vierteljährlich, upgrade 3.13 erscheint im September 2013

Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Haftung übernommen. Trotz sorgfältiger Auswahl der Quellen kann für die Richtigkeit nicht gehaftet werden. Nachdruck und Verwendung, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Gender-Hinweis: Im Sinne einer besseren Lesbarkeit unserer Artikel verwenden wir die maskuline oder feminine Sprachform. Dies impliziert jedoch keine Benachteiligung des jeweils anderen Geschlechts.

Foto: fotolia.com/alphaspirit

upgrade Das Magazin für Wissen und Weiterbildung der Donau-Universität Krems (ISSN 1862-4154) Herausgeber Rektorat der Donau-Universität Krems Dr.-Karl-Dorrek-Straße 30, A-3500 Krems Chefredakteur Gerhard Gensch, Donau-Universität Krems E-Mail: gerhard.gensch@donau-uni.ac.at Verlag Süddeutscher Verlag onpact GmbH Geschäftsführer: Christian Meitinger Hultschiner Straße 8, D-81677 München Leiter der Redaktion des Verlags Hartmut Rätsch, E-Mail: hartmut.raetsch@sv-onpact.de Verantwortliche Redakteurinnen Ingrid Ladner, E-Mail: ingrid.ladner@donau-uni.ac.at, Stephanie Arns, E-Mail: stephanie.arns@sv-onpact.de, Angelika Ohland


ARCHIV 55

Archiv Sind Sie an unseren upgrade-Ausgaben interessiert? Über den Online-Abonnement-Service können Sie einzelne Magazine oder ein Jahres-Abo bestellen: www.donau-uni.ac.at/upgrade

ISSN 1862-4154 Preis: 5,– €

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Demografie und Gesellschaft

Wie wollen wir altern? Altenrepublik Österreich Wie wir den Wandel gestalten Altersvorsorge Welche Reformen greifen

Lebenslanges Lernen Wie wir Schritt halten

Aktives Altern Was wir selbst tun können

2.13 Human Resource Management

Ich bin dabei

Die Donauregion wird europäisch

Alles im Fluss

Seelenschau Wenn Personaler (zu) viel wissen Nachhaltigkeit So können Unternehmen gute Mitarbeiter an

Ungleiche Brüder Wie Ost und West zueinanderfinden Weite Wege Wovon Wirtschaft und Umwelt

sich binden Betriebsräte Die unterschätzte Kraft Demografischer Wandel Verfallsdatum, nein danke

profitieren Gutes Leben Was Menschen forttreibt Inspirierende Nachbarn Wie sich Universitäten vernetzen

2.12

3.12

ISSN 1862-4154

Mensch und Maschine

Wissenschaft und Erkenntnis

Was weiß die Kunst? Gute Fragen Wie wir mit Bildern und Klängen die Welt verstehen Bauen Was die Architektur am Campus Krems erzählt

Die neue Welt der Technik Intelligente Assistenten Helferlein im Alltag

Campus Krems Art meets Science

Netzgesellschaft Einmischen und teilen

Farbexplosionen Die Künstlerin Katharina Grosse

4.12

Digitale Revolution Still, aber gewaltig

Technologiefolgen Nebenwirkungen beachten

1.13

ISSN: 1862-4154

Preis: 5,– €

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Ausgabe 2.11

Ausgabe 4.11

Digitale Gesellschaft und Ökonomie

Gesundheit und Wohlbefinden

Alles offen?

In Bewegung bleiben

Open Society – Wie soziale Netzwerke Politik mitbestimmen Open Government – Wie sich Regierung und Verwaltung öffnen Open Business – Wie Neue Medien Unternehmen beeinflussen

Balance finden – wie wir wieder ins Lot kommen Arbeitswelt – warum Gesundheitsförderung zählt Entschleunigung – was uns im Tanz bewegt

3.11

2.11

ISSN 1862-4154

ISSN 1862-4154

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Ausgabe 2.10

Ausgabe 3.10

1.12

4.11

ISSN 1862-4154 ISSN 1862-4154

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Ausgabe 1.11

Ausgabe 4.10

Magazin plus Internet – Full-Service für Sie! Nutzen Sie auch unser Online-Angebot zum upgrade Magazin! Dort finden Sie nicht nur das E-Magazin, sondern auch Links zu Studiengängen. Sie erfahren mehr zu News und Kultur rund um den Campus oder Tipps und Special Offers des Alumni-Clubs. www.donau-uni.ac.at/ upgrade

Energie und Mobilität

Wohin geht die Reise? Regenerativ und autark – Die Energie-Revolution Vernetzt und mobil – Verkehr sucht Zukunft Nachhaltig und effizient – Das Haus als Kraftwerk

2.10

15 Jahre Donau-Universität Krems

Wegbereiter und Wegbegleiter Die Weiterbildungsuniversität – Pionierin seit 15 Jahren Forschung und Lehre – wie sie zusammenspielen Lebenslanges Lernen – für Glück und Karriere

3.10

Gehirn und Geist

Kreativität und Innovation

Handwerk des 21. Jahrhunderts Die Kreative Ökonomie – Wertschöpfung im Wissenszeitalter Creative Industries – Wenn sich Kunst und Kommerz vereinen Innovationsförderung – Von der Forschung zum Produkt

4.10

Was den Menschen ausmacht Mentale Gesundheit – Wenn die Psyche krankt Neue Medien – Wie sie unser Denken verändern Hirnschädigungen – Hilfe bei Demenz und Schlaganfall

1.11

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Sa, 29. Juni | 20:00 | Wolkenturm Grafenegg TONKÜNSTLER ORCHESTER & BENJAMIM TAUBKIN, TATIANA PARRA, JONATHAN NASCIMENTO „The Girl From Ipanema” Sa, 6. Juli | 16:30 | Einstieg Schiffstation Krems-Stein TÖNENDE SCHIFFSFAHRT DURCH DIE WACHAU Sa, 13. Juli | 20:00 | Klangraum Krems Minoritenkirche MARTIN PTAK & ENSEMBLE feat. OKKYUNG LEE | A/USA/NL “River Tales” Do, 18. Juli | 20:00 | Schloss zu Spitz GEORG BREINSCHMID/BENI SCHMID/STIAN CARSTENSEN | A/N „Classic Impro“ Sa, 20. Juli | 19:00 | Ruine Aggstein BODO HELL, RENALD DEPPE & DIE WACHAUER PESTBLÄSER „Ritter, Räuber, Rutschpartien – Nemesis Divina und die ausgleichende Gerechtigkeit“

Mi, 24. Juli | 18:00 | Winzer Krems, Sandgrube 13 Piano Forte – Ein exquisiter Klavierabend von Norwegen bis Kuba PAUL GULDA & GYPSY DEVILS | A/SK CHRISTIAN WALLUMRØD ENSEMBLE | N CHUCHO VALDÉS & AFROCUBAN MESSENGERS | CUB Do, 25. Juli | 18:00 | Winzer Krems, Sandgrube 13 Poesie Album – Songs aus drei Kontinenten DAVID MOSS & MARINO FORMENTI | USA/D/A/I SAM LEE & FRIENDS | GB KEZIAH JONES TRIO | NGR So, 28. Juli | 17:00 | Winzer Krems, Sandgrube 13 Handgemacht – Seltsame Instrumente von Japan bis in die Neue Welt CABEZAS DE CERA feat. FRANZ HAUTZINGER | MEX/A SENYAWA feat. KAZUHISA UCHIHASHI | IDN/J HERMETO PASCOAL & BAND | BRA


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