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8 Das Fremde und Das Eigene

Die Konstruktion des Fremden Österreich ist seit jeher von kultureller Vielfalt geprägt. Dennoch tut sich das Land schwer, eingewanderte Mitbürger als einen Teil der Gesellschaft anzuerkennen, und schafft damit immer weiter Fremde. Von Katharina Schmidt

ass irgendein betrunkener Kerl aus einer Kleinstadt so auf sein Aussehen reagiert, an das ist Tori Reichel gewöhnt. Doch von der Universität Wien hätte er sich „ein bisschen mehr Fingerspitzen­ gefühl“ erwartet. Seinem Ärger machte der 23-jährige Publizistikstudent vor einigen Wochen in einem offenen Brief an seine Alma Mater Luft, der in den sozialen Netz­ werken und darüber hinaus für viel Aufse­ hen sorgte. Reichel stammt aus dem Flach­ gau, seine Mutter ist Österreicherin, sein Vater Nigerianer. Im Oktober verwendete die Uni ein Foto von ihm, dem dunkelhäu­ tigen Studenten, nicht zum ersten Mal, um ihre Internationalität zu illustrieren. Und da ist Reichel endgültig der Kragen geplatzt: „Das Einzige an mir, das irgendwie exotisch ist, ist mein ausgeprägter Flachgauer Dia­

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lekt“, erklärte er in einem offenen Brief. Auch im Alltag wird Reichel immer wieder für einen Amerikaner gehalten und auf Englisch angesprochen – nicht bösartig, aber eben schubladisierend. Die OnlineRedaktion der Uni Wien reagierte umge­ hend: Rasch war das Foto von der Website verschwunden und man entschuldigte sich bei Reichel, dass er „sich in einem unpas­ senden Kontext wiedergefunden“ hat. Stammesdenken: „Wir“ gegen „die Anderen“ Dieser „unpassende Kontext“ ist allerdings ein deutlicher Indikator für eine Grund­ einstellung, die sich quer durch die öster­ reichische Gesellschaft zu ziehen scheint: Eine durch den äußeren Eindruck erzeugte Unterscheidung zwischen „uns“ und


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