Die Wiederaufbauleistungen der Altösterreicher in der Zweiten Republik

Page 221

220 DIE WIEDERAUFBAULEISTUNGEN DER ALTÖSTERREICHER IN DER ZWEITEN REPUBLIK Meine Eltern verkauften ihr Grundstück nicht gegen Bargeld sondern tauschten es gegen die dreifache Fläche in der Gemeinde Gerasdorf ein. Im gleichen Jahr wurde uns das Haus Nr. 71 auf dem Leopoldauerplatz angeboten. Wir besichtig­ ten es, mussten aber feststellen, dass darin sieben Mieter wohnten, und sich auch ein Betrieb darin befand. Nach kurzem Nachdenken wechselte das Haus um 150.000 Schilling den Besitzer. 1955 übersiedelten wir in das eigene Haus Nr. 71 und gaben das gemietete Haus Nr. 83 auf – das war ein stolzes Gefühl! Vor Weihnachten war meine Mutter immer recht aktiv mit den Gänsen, sie stopfte je­ des Jahr etwa 30 Stück, und das drei Mal täglich, das letzte Mal immer um Mit­ ternacht. Die Gänse brachten uns einen schönen Gewinn und auch den Kontakt zur Familie Stelzik, den Besitzern des Hauses Nr. 70. Als sie dann ihr Haus ver­ kaufen wollten, waren wir für sie die ersten Ansprechpartner. Leider waren in der Zwischenzeit die Grundstückspreise in der Leopoldau so emporgetrieben worden, dass wir für das kleinere Haus schließlich 300.000 Schilling bezahlen mussten. Doch mein Vater sagte: „Ein Nachbarhaus kannst du nur alle 100 Jahre kaufen“, und so schlossen wir das Geschäft ab. Der Kauf hat sich in späteren Jah­ ren gelohnt und wir sind noch heute für die Weitsicht unseres Vaters dankbar. Der Fuhrpark unseres Betriebes wurde auch verändert, wir kauften einen ge­ brauchten Renault und später einen neuen Zweitonner – einen ÖAF. Nun konn­ ten wir liefern und handeln, was sich mit der Zeit lohnte. Da es in einem Jahr in Deutschland mit Gurken Versorgungsprobleme gab, kam der Herr Wildanger von der Firma Hengstenberg zu uns. Wir konnten ihm 20 Waggons Gurken ver­ mitteln, was natürlich ein gutes Geschäft war, aber es entstand auch eine Freundschaft zwischen uns und ich durfte später nach München kommen und bei der Firma Hengstenberg ein Praktikum absolvieren. Am 24. April 1965 haben meine Frau und ich in der Hirschstettener Kirche gehei­ ratet. Schon meine Großeltern in Südmähren hatten 1934 meinen Eltern unmit­ telbar nach deren Hochzeit die Landwirtschaft übergeben und diese machten das Gleiche mit dem Konservenbetrieb in der Leopoldau. Wir bekamen den Be­ trieb mit allen Forderungen gegenüber den Kunden, aber auch mit allen Schul­ den, die auf ihm lasteten. Wir übernahmen etwa 150 Kunden, die damals noch drei Mal pro Woche besucht wurden. Maschinen gab es sehr wenig – eine Sti­ chelmaschine, eine Krautschneidemaschine, einen Dampfkessel und zwei Wan­ nen zum Pasteurisieren von Gurken und Gemüse sowie eine Dosenverschlussmaschine und eine Kochanlage. Im darauf folgenden Jahr kauf­ ten wir von der Firma Bock unseren ersten Rundfüller. Diese Maschine brachte große Erleichterungen bei der Produktion, welche dadurch gesteigert werden konnte.


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.