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SO LÄUFT’S 121

Mehr/Weniger

Weniger ist mehr (auch was den Umsatz betrifft) Im Minimalismus liegt die Zukunft der Mode: Weniger Konsum löst gleich mehrere Probleme quer durch die Branche. Die bisherigen Wirtschafts- und Produktionsmodelle ruinieren schließlich nicht nur die Umwelt, sondern auch das Geschäft. Text: Petrina Engelke. Fotos: Tim Davis, Gesprächspartner. Illustration: Claudia Meitert @Caroline Seidler

Mode produziert für die Mülldeponie. Da stimmt die Farbe nicht, es bleibt beim Zuschnitt etwas übrig und dann hat sich jemand gründlich vertan, was die Nachfrage nach diesem oder jenem Design betrifft. So landen Millionen Tonnen Stoffe, Ärmel, ganze Jeans im Müll (siehe Kasten 1). Und das ist noch nicht alles. Ungern reden Modemarken von der strategischen Überproduktion mit Blick auf Discounter und Outlets oder dem Produktionsminimum beim billigsten Produzenten, das über dem anvisierten Verkauf liegt oder über ihre Orderverträge mit den großen Modehäusern, die sich die Regale füllen und eine garantierte, kostenfreie Rücknahme von locker 30 Prozent am Ende der Saison erzwingen. Diese Art von Wegwerfmode wirft einen immer längeren Schatten auf die Bilanzen. Selbst die verkaufte Mode landet oft recht bald auf der Halde oder in der Müllverbrennung. So manches Kleidungsstück gerät eben nach zwei Runden in der

Waschmaschine aus der Form oder es verstaubt als Fehlgriff samt Preisschild in irgendeinem Schrank. Nur ein verschwindend geringer Anteil findet seinen Weg in die Wiederverwertung. Das meiste landet auf der Mülldeponie. Das gemeine Polyester-Shirt verrottet so schnell nicht. Viele der heute verwendeten Fasern brauchen zum Auseinanderfallen so lange wie die vielzitierten Plastiktüten und -flaschen. Jahrzehnte oder Jahrhunderte. Das heißt: Nachdem die Müllabfuhr abdampft, sind die Kleider mitnichten weg. Der Müllberg wächst.

Die Tücken des Recycling

Eine Antwort auf das Müllproblem ist die Recycling-Tonne im Laden – sichtbar, messbar, sieht gut aus. So wirbt H&M aggressiv mit seinem Rücknahmeprogramm Long Live Fashion, Uniqlo gibt gebrauchte Kleider an Flüchtlingslager weiter, Nudie knüpft Teppiche aus alten Jeans. Toll. Leider wird es bei gleichbleibenden Kleidermengen nichts nutzen. Denn wie viele Altkleiderteppiche wollen wir denn wohl im Wohnzimmer stapeln? Recycling kann auch bei der Produktion ansetzen: Statt

Berge von Kleidern

Die Produktion der globalen Textilindustrie wuchs von ca. 86 Millionen Tonnen 2011 auf 92,3 Millionen Tonnen 2013. China produziert Schätzungen zufolge jährlich mehr als 20 Millionen Tonnen Textilmüll. In Großbritannien landen rund eine Million Tonnen Textilien auf der Kippe. Jeder US-Bürger wirft pro Jahr ca. 30 Kilogramm Kleidung weg. Nicht eingerechnet, was an Secondhandläden oder in Altkleidersammlungen ging.

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