Ausgabe 1 | www.sachsen-tourismus.de
Vom Zauber der Steine Die Schatzkammer Freibergs
INHALT
Titelfoto: Eingangsbereich der »terra mineralia« · Foto: Jan Rieger
Torgau
Kamenz
LEIPZIG Grimma
Radebeul
Görlitz DRESDEN
Freiberg Zwickau
Plauen
Bautzen
Meißen
Zittau
Pirna
CHEMNITZ
AnnabergBuchholz
Unterwegs
Genuss
Tradition & Handwerk
4 Die Heimstatt der Protestanten
20 Optimist & Optimierer
30 Gewebter Reichtum
Das prächtige Schloss Hartenfels war nicht nur
Hinter dem berühmten Namen »Vincenz Richter«
Die Kunst der Lausitzer Leineweber
Fürstensitz, sondern auch Zentrum der Reformation.
stecken heute zwei grundverschiedene Köpfe.
machte Zittau einst zur zweitreichsten Stadt
in ganz Sachsen.
8 Magisches Stein-Reich
23 Für großen Hunger
Das Silber sorgte einst für Reichtum,
und kleinen Geldbeutel
aber an die Pracht der »terra mineralia«
Grüne Klöße: vom »Arme-Leute-Essen«
reicht es bei Weitem nicht heran.
zu einer regionalen Spezialität
12 Daheim bei einem Genie
24 Feiner Wein mit Eigensinn
Der Chemie-Nobelpreisträger Wilhelm Ostwald
hat in Großbothen bei Grimma ein faszinierendes
Kleinod hinterlassen.
Menschen
Kultur 34 Stilmix zum Lobe Gottes
Der Dom St. Petri vereint die unterschiedlichsten
Baustile und seit 1530 auch zwei Konfessionen.
Wenn die Reben an den Elbhängen reifen, freuen
sich »Drei Herren« auf den neuen Jahrgangs-Genuss.
Panorama
38 Der Rock des Reformators
Handschriften aus acht Jahrhunderten
machen die Ratsschulbibliothek zum Mekka
für Büchernarren.
28 Edle Klöppelei in Stahl 16 Der Rechenmeister
Wie Adam Ries vor mehr als 500 Jahren die
Mathematik modernisierte und im Erzgebirge
sein Glück machte
29 Umtrunk in der Tram
Canaletto nahm seine Arbeit sehr genau
und setzte – wie jeder Handwerker –
auf besondere Hilfsmittel.
Einsteigen, Ticket stempeln, aussteigen?
18 Der flüchtige Sohn
Nicht in Plauen! Hier wird manche
42 Cinecittà an der Neiße
Wo viele nur von Lessing reden,
Straßenbahnfahrt zum Erlebnis.
Warum reisen immer mehr Kinostars tief in den
lohnt auch die Suche nach einem anderen
Osten ans Ufer der Neiße? Der Kameras wegen!
Künstler: Georg Baselitz.
3 Editorial 2
40 Malen nach Strahlen 28 Zu Gast beim Kokosweber
·
27 Kulturhöhepunkte Teil 1
·
33 Kulturhöhepunkte Teil 2
·
46 Impressum
·
47 Adressen der Städte
EDITORIAL
DREIZEHN MAL
WILLKOMMEN! Liebe Leserinnen und Leser,
DREIZEHN nimmt Sie dabei an die Hand.
die erste Ausgabe des Stadtschönheiten-
Die Entdeckungsreise führt durch all jene
Magazins DREIZEHN möchte Sie entfüh-
sächsischen Städte, an denen man viel zu oft
ren: auf Seitenwege, unbekannte Pfade und
vorbeifährt oder die ein wenig im Schatten
zu ungeahnten Erlebnissen. Denn auch au-
der Metropolen stehen. Warum sich das
ßerhalb der Metropolen lockt Sachsen mit
lohnt? Das erfahren Sie von alten Meistern
vielen schönen Seiten, die Sie so noch nie
in Pirna und jungen Winzern in Radebeul,
gesehen haben.
in Meißner Traditionslokalen und einer
Finden Sie mit DREIZEHN heraus, was
ganz besonderen Handwerksstube in Zittau.
Kate Winslet in Görlitz zu suchen oder was
Überall kann sich Ihr Bild von Sachsen ver-
die Landskron-Brauerei mit dem New Yorker
ändern und zu den Facetten des Freistaats,
Hafen gemein hat. Erfahren Sie in Großbothen
die Sie bereits kennen – oder zu kennen
bei Grimma, wie es einst im »Haus Ener-
glauben –, werden sich neue Perspektiven
gie« im Laboratorium eines Nobelpreisträ-
gesellen.
gers zuging. Oder stürzen Sie sich in einen
Nur eine Sache müssen Sie selbst mit-
wahren Rausch betörender Formen und
bringen, wenn die gemeinsame Tour mit
Farben und bewundern Sie in Freiberg die
DREIZEHN ein Erfolg werden soll: Lust auf
schönsten Mineralien der Welt in atembe-
»Stadtschönheiten« wie Annaberg, Torgau,
raubender Präsentation. Vielleicht zieht es
Bautzen, Plauen oder Zwickau. Alles Weite-
Sie auch ins Umland von Kamenz, wo man
re findet sich von selbst – Sie werden sehen.
heute Inspirationen auf den Spuren eines Künstlers finden kann, der zu den bedeu-
Ein anregendes Lesevergnügen wünscht die
tendsten lebenden Malern der Welt zählt?
DREIZEHN-Redaktion
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UNTERWEGS 路 TORGAU
Torgau, Schloss Hartenfels 路 Foto: Sylvio Dittrich 4
UNTERWEGS · TORGAU
DIE HEIMSTATT DER PROTESTANTEN Weil der sächsische Kurfürst lange auch in Torgau residierte, wurde das prächtige Schloss Hartenfels zum politischen Zentrum der Reformation – mit der ersten protestantischen Kirche überhaupt.
M
ühsam war der Weg für den alternden Reformator. Der Som-
tenfels war ihm gut vertraut. Über vierzig Mal soll er Zeit seines Le-
mer war längst vorbei und nasskaltes Herbstwetter machte
bens hier Station gemacht haben, wo einst sein Schutzherr Friedrich
ihm zu schaffen. Trotzdem nahm Martin Luther die 50 Kilometer
der Weise residierte. Der freilich war schon seit fast zwei Jahrzehnten
lange Strecke von Wittenberg nach Torgau im Oktober 1544 frohen
tot. Doch nun hatte sein Nachfolger und Neffe Johann Friedrich der
Mutes in Angriff: Es gab etwas zu feiern. Der Weg zum Schloss Har-
Großmütige nach dem Reformator schicken lassen.
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UNTERWEGS · TORGAU
Schlosskapelle · Foto: Andreas Schmidt
Martin Luther · Quelle: Stadt Torgau
war der Kirchenbau jedoch eine Frage der
der sächsischen Prominenz predigte er
Anlass für die Einladung war die Einweihung
Ehre. Schließlich war Renaissanceschloss
»nach seiner Weise, einfach, kurz, zweck-
der neuen Schlosskapelle, die Johann Fried-
Hartenfels – um das die Sachsen sogar von
mäßig, freimüthig, ohne alle Rücksicht
rich in nur sieben Monaten Bauzeit auf dem
Kaiser Karl V. beneidet wurden – zur poli-
auf Fürstengegenwart und Fürstengunst«,
großzügigen Schlossgelände hatte errichten
tischen Schaltzentrale für die Ausbreitung
wie Grulich notierte. Luthers Freude an
EIN BESONDERER NEUBAU
lassen, als erstes protestantisches Gotteshaus
der Reformation geworden. Und so schien
der Kirche war offensichtlich, doch in sei-
überhaupt. Zwar war in Torgau schon 1520
es dem Kurfürsten nur recht und billig, dass
ner Predigt mahnte er zur Bescheidenheit:
die erste protestantische Predigt zu hören ge-
Martin Luther höchstselbst die erste Predigt
»Nicht, daß man daraus eine sonderliche
wesen, aber einen Kirchenneubau unter dem
in der neuen Kirche hielte.
Kirche mache, als wäre sie besser denn an-
Einfluss der Reformation von 1517 hatte es
Der stieg denn auch am 17. Sonntag nach
dere, wo man Gottes Wort predigt.« Es
noch nicht gegeben. »Wo die Reformation
Trinitatis auf die von Simon Schröter ge-
sein allen »der Vortheil dabei, daß das Ge-
Eingang fand, da war überall kein Bedürfniß
schaffene Kanzel, die symbolträchtig in
bet noch eins so stark geht, wenn der ganze
vorhanden, neue Kirchengebäude aufzufüh-
der Mitte des Kirchenschiffs angeordnet
Haufe einträchtiglich betet.«
ren. Nur in Besitz nehmen und einrichten
war, um die zentrale Bedeutung von Gottes
Dem Kurfürsten muss die Predigt, deren
durfte man die vielen, welche die Katholiken
Wort und der Predigt zu betonen. Es heißt,
Wortlaut komplett überliefert ist, gut
ihnen hatten überlassen müssen«, schrieb
Luther habe sogar mit dem Architekten
gefallen haben. Vier Wochen später ließ
Friedrich Joseph Grulich im Jahr 1855.
über seine Vorstellungen eines Kirchenbaus
er zum Dank ein Fässchen Most nach
Für den sächsischen Kurfürsten in Torgau
gesprochen. Mit Blick über die Häupter
Wittenberg senden.
Der Große Wendelstein im Schloss Hartenfels · © Tourismusverband Sächsisches Elbland · Foto: Volkmar Heinz
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UNTERWEGS · TORGAU
Hübsche Hofdamen trifft man auch heute noch gelegentlich auf Schloss Hartenfels · Foto: Dirk Brzoska
ZEITREISE INKLUSIVE
aus Sandstein ist das Lieblingsmotiv der Fo-
Die schlichte Altarmensa wird von steinernen
Wer sich heute in die Zeit vor fast 500 Jah-
tografen. Rechter Hand ist in edel gestalteten
Engeln getragen und ist eine Kopie des ver-
ren zurückversetzen möchte, hat es leicht auf
Ausstellungsräumen noch bis Oktober eine
loren gegangenen Originals. Allein die Or-
Schloss Hartenfels. Seit es zur viel beachte-
Ausstellung zur »Churfürstlichen Guardie«
gel stammt offensichtlich aus neuerer Zeit:
ten Landesausstellung »Glaube und Macht«
zu sehen, der herrschaftlichen Leibgarde.
Sie wurde erst 1994 eingeweiht und ent-
im Jahr 2004 herausgeputzt wurde, lässt der
Weil das Schlossareal für die große Luther-
spricht im Klang dem Stil der Renaissance.
Schlosshof im Zentrum des Gemäuers die
Ausstellung ab 2015 nochmals »aufge-
Interessant für Kunstkenner: Im Inneren
alte Macht wieder spürbar werden. Die Brü-
hübscht« wird, ist der Zugang zur lutheri-
des Schlosses wurde eine Wandmalerei aus
cke über den – bewohnten – Bärengraben
schen Kapelle nicht auf dem ersten Blick zu
der Werkstatt von Lucas Cranach nachge-
wird auch zu Luthers Zeiten kaum anders
finden, doch ein Besuch hinter dem Bret-
wiesen und weitere werden vermutet. Da
ausgesehen haben, ebenso das mächtige Por-
terzaun lohnt sich. Der Kirchenraum ist be-
die Denkmalschützer in vielen Räumen
tal. Der erste Blick fällt seit je auf den Großen
wusst schlicht gehalten und soll im Wesent-
noch immer forschen, dürften auch in Zu-
Wendelstein: Die kunstvolle Außentreppe
lichen den Zustand von 1544 widerspiegeln.
kunft interessante Überraschungen warten. 7
UNTERWEGS · FREIBERG
Rhodochrosit aus Kuruman (Südafrika) »terra mineralia«, Freiberg · Foto: Jörg Wittig, Dresden 8
UNTERWEGS · FREIBERG
Magisches Stein-Reich
Wahrscheinlich ist die »terra mineralia« in Freiberg die schönste Mineralienausstellung der Welt. Warum? Weil sie die exquisite Schönheit der kristallinen Farbwunder hemmungslos feiert und daraus ein rauschhaftes Erlebnis für die Sinne komponiert.
Aquamarin aus Virgem da Lapa (Brasilien) »terra mineralia«, Freiberg · Foto: Jörg Wittig, Dresden 9
UNTERWEGS · FREIBERG
S
chloss Freudenstein in Freiberg ist ein
deutlich: Hier regiert allein die Schönheit.
GROSSZÜGIGE SAMMLERLEIDENSCHAFT
schmuckes Renaissanceschloss aus
Perfekt inszeniert und optimal ausgeleuchtet,
Zu verdanken ist diese Sammlung einer groß-
dem 16. Jahrhundert, wie es so man-
erstrahlen Fluorite, Amethyste und selbst
zügigen Stifterin. Die 93-jährige Dr. Erika
che gibt in Deutschland. Doch wer durch
Gips in einem Glanz, der jeden Besucher
Pohl-Ströher wuchs im Vogtland auf und ist
das Portal tritt, merkt gleich: Mit Schlossro-
seit über sechs Jahrzehnten der Faszination der
mantik und Rittersaal wird’s hier eher nichts.
Mineralien erlegen. Die vermögende Sammle-
Ein Korpus aus Glas und Sichtbeton domi-
rin unterhält seit vielen Jahren Kontakte rund
niert den Innenhof, die Fensterflächen lassen
um den Globus, um sich die schönsten Stücke
schreiendes Magenta im Inneren erkennen.
zu sichern. »Denn die pure Schönheit der Mi-
Ein architektonisches Experiment? Ohne
neralien war der wichtigste Antrieb ihrer Sam-
Zweifel. Ein gelungenes? Unbedingt!
melleidenschaft«, sagt die Ausstellungsleiterin Anna Dziwetzki – »und das ist das große Glück unserer Ausstellung.« Ab 2004 über-
SCHATZKAMMER DER UNTERWELT Die Eintrittskarte zur »terra mineralia«
ließ Erika Pohl-Ströher rund 20.000 Stücke
kostet acht Euro für Erwachsene. Sie ist
ihrer viermal so großen Kollektion der TU
zugleich ein Ticket für eine Weltreise, ge-
Edelopal aus Yowah (Australien)
Bergakademie Freiberg und deren mineralo-
nau genommen: eine Unterweltreise. Die
»terra mineralia«, Freiberg · Foto: Jörg Wittig, Dresden
gischer Sammlung. Der Großteil steht nun der
beginnt in der Kornkammer direkt unterm Dach und führt dann rasch hinab in eine
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Wissenschaft zur Verfügung, doch 3.500 der augenblicklich bannt. Farben voller Strahl-
schönsten Stücke machen die »terra mineralia«
zauberhafte Welt voll von bizarrer Schön-
kraft, Formen wie aus dem Skizzenbuch
seit 2008 zu einer unvergleichlich prunk-
heit. Der Weg durch die Kontinente mag
eines Fantasten – all das vereint sich über
vollen Schatzkammer. Und sind damit in
dabei die Ahnung einer Systematik vorge-
mehrere Etagen zu einem berauschenden
Schloss Freudenstein genau am rechten Ort.
ben, doch auf Schritt und Tritt wird über-
Gesamtkunstwerk.
www.terra-mineralia.de •
UNTERWEGS · FREIBERG
»Afrika-Saal« der »terra mineralia« · Foto: Jan Rieger
Carbonato-Cyanotrichit aus Dachang (China) »terra mineralia«, Freiberg Foto: Jörg Wittig, Dresden
Fluorit aus Dalnegorsk (Russland) · »terra mineralia«, Freiberg · Foto: Jörg Wittig, Dresden 11
UNTERWEGS 路 GRIMMA
Geballtes Wissen: 14.000 Werke stapeln sich in Ostwalds Bibliothek 路 Foto: Kristin Schmidt 12
UNTERWEGS · GRIMMA
Daheim
Genie
bei einem
Im Wilhelm Ostwald Park in Großbothen bei Grimma führt die Urenkelin des Nobelpreisträgers durch Leben und Werk ihres Vorfahren.
D
ie weißhaarige Dame mit der
schers beschäftigte, desto mehr zogen die
dezenten Brille öffnet begeis-
Vielseitigkeit und Genialität ihres Urgroß-
tert ein wertvolles Buch nach
vaters sie in ihren Bann. »Ich kann mir nun
dem anderen. Während sie die Schätze des
keine andere Arbeit mehr vorstellen«, er-
Hauses zeigt, schwingen ihre schwarzen
klärt die Nachfahrin, die sich von 1991 bis
Ohrringe bei jeder Kopfbewegung. »Die
2005 um die Verwaltung des Archivs küm-
wissenschaftliche Bibliothek hier umfasst
merte und die Wilhelm-Ostwald-Gedenk-
rund 14.000 Werke. Damit sie alle in die
stätte leitete.
Regale passen, schwebte Wilhelm Ostwald ein genormtes Papierformat vor.« Der En-
VIELSEITIGKEIT VOLLER ENERGIE
thusiasmus von Anna-Elisabeth Hansel
Seit 2012 ist »Haus Energie« komplett
reißt mit, wenn sie über den Chemie-Nobel-
saniert. So nannte der Wissenschaftler sei-
preisträger spricht – obwohl sie als Jugendli-
nen Landsitz, der heute ein seltenes Juwel
che nicht besonders gut auf ihren bedeuten-
darstellt: die völlig erhaltene Wohn- und
den Urgroßvater zu sprechen war. »Wenn
Wirkungsstätte eines Ausnahmeforschers
ich mit schlechten Leistungen nach Hause
inmitten eines denkmalgeschützten Parks.
kam, hörte ich die vorwurfsvolle Frage ‚Das
»Vergeude keine Energie, verwerte sie!«,
weißt du nicht?‘ und fühlte mich wie ein
war der Grundsatz Wilhelm Ostwalds, der
ganz kleines Licht.«
schon als kleiner Junge höchst wissbegierig
Hansel wurde zunächst Ingenieurin, doch
war und später als Erwachsener ein unglaub-
je länger sie sich mit dem Nachlass des For-
liches Pensum an Arbeit schaffte.
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UNTERWEGS · GRIMMA »Wilhelm kam aus einer Handwerker-fa-
Amerika, hinterließ Unmengen an Lehrbü-
milie, in der es als einziges Buch die Bibel
chern und stand mit rund 5.500 Briefpart-
gab«, weiß Anna-Elisabeth Hansel. »Den-
nern in regem Kontakt.
noch konnte er mit fünf Jahren lesen und
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schreiben. Als Zwölfjähriger baute er aus ei-
UNIVERSELLES INTERESSE
ner Zigarrenkiste und dem Opernglas seiner
»Dadurch, dass ich jede Arbeit dann tat,
Mutter einen funktionierenden Fotoappa-
wenn mich nach ihr verlangte, konnte ich
rat, er war enorm vielseitig.« Das Interesse
alle Energie sparen, die man (…) darauf
und Talent für die verschiedensten Bereiche
wenden muss, die erforderliche Stimmung
begleiteten ihn ein Leben lang und machten
herzustellen oder innere Widerstände zu
ihn zu einem der wichtigsten Universalge-
überwinden. Dies ist meine Erklärung,
lehrten seiner Zeit.
wenn man mich fragt, wie ich so viele
Schon im Alter von 28 Jahren wurde Wil-
Arbeit habe fertig bringen können.« Die
Universalgenie
helm Ostwald in seiner Geburtsstadt Riga
Urenkelin des Wissenschaftlers erläutert
und Nobelpreisträger Wilhelm Ostwald
zum Professor ernannt und sechs Jahre
diese Zeilen von Ostwald und sein Vorge-
Foto: Kristin Schmidt
später, 1887, an die Universität Leipzig
hen. »Er hatte fünf thematische Schreibti-
berufen. 167 seiner Schüler wurden später
sche. Wenn er müde wurde, setzte er sich an
Professoren in Europa, Japan und den USA,
den nächsten und beschäftigte sich mit die-
vier davon bekamen den Nobelpreis. Ost-
sem Thema.« Doch er vergrub sich nicht
wald selbst wurde diese Anerkennung 1909
nur in der Arbeit, sondern musizierte auch
für seine Katalyse-Forschung verliehen, ein
häufig, nahm sich Zeit für seine fünf Kin-
nach ihm benanntes Verfahren kommt bis
der, genoss die Natur, malte Landschafts-
heute in der Industrie zum Einsatz. Er grün-
bilder und betätigte sich handwerklich,
dete Zeitschriften, übersetzte Fachtexte, war
um »Haus Energie« mit Gas und Wasser
der erste deutsche Austauschprofessor in
zu versorgen.
Engagierte Nachfahrin: Anna-Elisabeth Hansel, Urenkelin von Ostwald · Foto: Kristin Schmidt
UNTERWEGS · GRIMMA »Wilhelm Ostwald hatte eine unglaublich
»Ostwalds Versuche waren bahnbrechend,
weite Voraussicht«, sagt Anna-Elisabeth
denn sie nahmen fast seherisch die Digitali-
Hansel, während sie vom Musikzimmer in
sierung der Farben vorweg«, urteilt Kunst-
den zweiten Raum geht. Dieser ist dem Insti-
kritiker Professor Peter Guth.
tut gewidmet, das der Forscher gründete, um
»Mein Urgroßvater hatte selbst sehr viel Ener-
ein global einheitliches Verständigungssys-
gie«, sagt Anna-Elisabeth Hansel am Ende
tem für die Wissenschaft zu schaffen. Seine
des Rundgangs nicht ohne Stolz. »Aber er hat
Ideen reichten dabei von einer Weltsprache
auch an die Ressourcen der Natur und damals
bis zum Weltgeld. Er selbst hielt die Farben-
bereits an die Umwandelbarkeit von Sonnen-
lehre, der er sich vor allem in Großbothen
in elektrische Energie gedacht.«
widmete, für seine größte Leistung. In sei-
Aus ihrer anfänglichen Ablehnung ist Leiden-
nem ehemaligen Laboratorium zeugen davon
schaft für das Vermächtnis eines großen Mannes
Malkästen, Schautafeln, Farborgeln und sein
geworden, das sie mit Engagement weitergibt.
Doppelkegel für die Normierung der Farben.
www.wilhelm-ostwald-park.de • Faszination Farb-Harmonie: der Ostwaldsche Doppelkegel · Foto: Kristin Schmidt
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MENSCHEN · ANNABERG-BUCHHOLZ
Der
Rechenmeister
ADAM RIES ZÄHLT ZU DEN VÄTERN DER MODERNEN RECHENKUNST. ANDERS ALS VIELE SEINER ZEITGENOSSEN IST RIES BIS HEUTE BEKANNT: WEIL ER BEI SEINER ARBEIT AUCH AN DEN KLEINEN MANN DACHTE.
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Adam-Ries-Museum Annaberg-Buchholz · Foto: Jörg Petzold
MENSCHEN · ANNABERG-BUCHHOLZ
Rechenbrett mit Rechenpfennigen · Foto: Jörg Petzold
D
er Bergbau hatte Annaberg zur zweitgrößten Stadt in
Auszug aus der »Coß« · Foto: Jörg Petzold
heutige Annaberger Johannisgasse, wo nun das Adam-Ries-Museum
Sachsen mit 12.000 Einwohnern wachsen lassen und zog
seinen Standort hat. Das Paar bekam mindestens acht Kinder, einige
noch immer viele Menschen ins Erzgebirge. Um das Jahr
der Söhne wurden später ebenfalls Rechenmeister.
1523 war auch ein Rechenmeister aus dem fränkischen Staffelstein dar-
Auch von offizieller Seite wurde Ries’ Arbeit geschätzt und man
unter. Sein Name: Adam Ries. Er hatte erst vor wenigen Jahren eine Re-
beauftragte ihn 1533 mit der Erstellung einer »Brotordnung«.
chenschule in Erfurt eröffnet, doch offenbar war die Blütezeit der Handelsstadt vorbei – ganz im Gegensatz zu Annaberg.
Diese Tabellensammlung sollte sicherstellen, dass »der arme gemeine man ym Brotkauff nicht übersetzt würde«, also betrogen. Sie legte fest, wie viel ein »Groschenbrot«
NEUES RECHNEN FÜR DIE PRAXIS
oder eine »Pfennigsemmel« mindestens wiegen musste.
Zwar hat er wohl nie eine Universität besucht, aber bald
Der Hintergrund: Die Bäcker passten die Größe ihrer
fand der Zahlenkünstler Ries ein gutes Auskommen,
Backwaren an die schwankenden Getreideprei-
indem er für Silber- und Erzbergwerke die Abrechnungen übernahm und die Bücher prüfte. Dabei
se an. Die Brotordnung stellte sicher, dass sie nicht »zu kleine Brötchen« backten.
stellte Adam Ries täglich fest, dass die gebräuchlichen römischen Ziffern für viele Berechnun-
FÜR MEHR LUST AM RECHNEN
gen schlicht unpraktisch waren. In der Folge
Bei aller wissenschaftlichen Arbeit hatte
setzte er sich immer stärker für die Nutzung des
Ries immer die Bedürfnisse der Menschen
arabischen Zahlen- und Rechensystems ein.
im Blick, die sich als Händler oder Bau-
In seinem zweiten Rechenbuch »Rechenung
ern in den unterschiedlichen Maß- und
auff der linihen und federn« leitete er vom
Gewichtseinheiten etlicher Fürstentümer zu-
damals gebräuchlichen Rechnen auf Linien,
rechtfinden mussten. Dieser Leserschaft gab
bei dem Pfennige auf linierten Brettern hinund hergeschoben wurden, auf das wesentlich praktischere schriftliche Rechnen mit indisch-arabi-
Ries immer wieder praktische Tipps an die Hand und wünschte ihnen in seinem dritten Rechenbuch aus dem Jahr 1550 , sie mögen damit das Rech-
schen Ziffern über. Das Buch wurde ein großer Erfolg und erschien in
nen »mit lust und frölichkeit begreiffen«.
mehr als einhundert Auflagen. Das lag vor allem daran, dass Ries sein
Trotz seiner damaligen Bekanntheit konnte Ries zu Lebzei-
Werk nicht auf Latein verfasste, sondern gut verständlich auf Deutsch.
ten nicht das Geld für den Druck seines Algebra-Lehrbuchs »Coß« aufbringen. Er starb 1559. Die erste Druckausgabe
AUGEN AUF BEIM BRÖTCHENKAUF
des Werks erschien 1992 zum Anlass seines 500. Geburtstags.
1525 fand sich ein weiterer Grund, in Sachsen zu bleiben: Ries heiratete die Freiberger Schlossertochter Anna Leuber und zog in die
www.adam-ries-museum.de •
Büste Adam Ries · Foto: Marcel Drechsler 17
MENSCHEN · KAMENZ
Der
flüchtige
Sohn DER MALER UND BILDHAUER GEORG BASELITZ WURDE 1938 IN DEUTSCHBASELITZ GEBOREN, HEUTE EIN ORTSTEIL VON KAMENZ. DOCH WIE NÄHERT MAN SICH EINEM KÜNSTLER, DESSEN WERKE SICH SELTEN AUF DEN ERSTEN BLICK ERSCHLIESSEN? EINE SPURENSUCHE.
DeutschBaselitz-Rundweg · Foto: Anne Hasselbach
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D
MENSCHEN · KAMENZ
em einen großen Sohn der Stadt Kamenz kann man kaum entgehen: Gotthold Ephraim
Lessing grüßt am Ortseingang, in der Bäckerei gibt es »Lessing-Törtchen« und jede Stadtführung bringt Interessantes aus Leben und Werk des berühmten Dichters zutage. Doch ein zweiter Sohn der Stadt macht sich rar: Hans-Georg Kern. Der einflussreiche »Kunstkompass 2013« zählt den Maler und Bildhauer zu den fünf bedeutendsten Künstlern der Gegenwart. Freilich unter seinem Künstlernamen: Georg Baselitz. Stadtsilhouette im Rahmen · Foto: Anne Hasselbach
© 2013 Georg Baselitz
Georg Baselitz: »Auftritt am Sandteich II - bei + 30° C (Remix)«, 2006, Öl auf Leinwand • Foto: Jochen Littkemann
BESTÄNDIGKEIT IM WANDEL
GANZ BEI SICH, MIT NEUEM BLICK
Man kann den Künstlernamen als State-
Bernd Asselmann ist Vorsitzender des
Hasselbach. Die Station »Grabung.« spielt
ment verstehen. Als starkes Bekenntnis zu
Baselitz-Fördervereins und Mitinitiator des
etwa auf die Entdeckung frühgeschichtlicher
den eigenen Wurzeln in der Lausitz. Doch
DeutschBaselitz-Rundwegs. Er meint: Nie-
Urnen an, die der kleine Hans-Georg mit sei-
ein starres Festhalten an der Vergangenheit
mand muss glauben, auf den Rundwegen um
nem Bruder machte. »Die kleine Hütte mit
ist Baselitz’ Sache nicht. Nach seinen ersten
den Ort »die Welt durch die Augen von Ge-
einem späteren Doppelporträt des Brüder-
»Frakturbildern« wurde er in den 1970er-
org Baselitz zu sehen.« Vielmehr solle man
paars nimmt diesen Gedanken auf«, erklärt
Jahren berühmt, weil seine Bildmotive fort-
die Landschaft auf sich wirken lassen, durch
die Kamenzer Künstlerin, die den Rundweg
an kopfstanden, und um die Jahrtausend-
die Kunstinstallationen einen anderen Blick-
mitgestaltete.
wende entstanden mehr als 80 »Russenbil-
winkel gewinnen. »Die Leute sollen ganz bei
Das Schöne an dem Parcours: Der Besucher
der«. Kürzlich sorgte der wandlungsfreu-
sich selbst sein.«
muss selbst entscheiden, auf welche Weise er
dige Künstler für Aufsehen mit der Ankün-
Und vielleicht ist das tatsächlich der beste
dem Ort, der Landschaft oder dem Künstler
digung, »schwarze Bilder« malen zu wollen.
Weg, den DeutschBaselitz-Rundweg zu erle-
begegnen möchte; als Spaziergänger, Kunst-
»Ich mache es den Leuten nicht einfach«,
ben. Dazu die Natur, die sich immer auch im
kenner, Suchender oder jemand, der sich ein-
bekannte Georg Baselitz in einem Interview
Werk des Künstlers wiederfindet, und Orte
fach überraschend lässt. Denn anders als viele
mit dem SPIEGEL. »Die Identifikation
seiner Kindheit und Jugend. »Wir haben an
touristische »Hochglanzattraktionen« ge-
fällt schwer, man erkennt meine Kunst nicht
vielen Stellen Zitate von Baselitz platziert
steht er jedem, der sich darauf einlässt, seine
sofort.« Wie also soll man diesem Künstler
und mit neuen Kunstobjekten oder seinen
eigene Deutung zu. Eigentlich ganz passend.
in seiner Heimat nahe kommen?
Bildern in Beziehung gesetzt«, sagt Anne
www.deutschbaselitz-rundweg.de • 19
GENUSS 路 MEISSEN
20
Gottfried Herrlich 路 Foto Wolfgang Schmidt
GENUSS · MEISSEN
Der Name »Vincenz Richter« ist eine Institution in Meißen und seit Generationen dem Genuss verpflichtet. Dass der Weg dahin ganz unterschiedlich sein kann, wissen Vater und Sohn Herrlich am besten. enn Gottfried Herrlich von der »Gnade« schwärmt, jeden Tag in seinem Restaurant die Gäste begrüßen zu dürfen, glaubt man ihm jedes Wort. Der 76-Jährige dirigiert die Besucher durch jeden Raum des verwinkelten Traditionslokals »Vincenz Richter« neben der Meißner Frauenkirche. Er erzählt, schwadroniert, berichtet, erinnert sich und hat zu jedem der unzähligen Sammlerstücke des Hauses eine Geschichte parat. Mindestens eine. Handelnde Personen sind etwa der Porzellanerfinder Johann Friedrich Böttger, ein Offizier der Roten Armee nach dem Zweiten Weltkrieg und immer wieder Botschafter, Staatschefs, Landesherren oder Prominente aus vieler Herren Länder. Alle haben sie zur reichen Geschichte des bekanntesten Restaurants der Stadt beigetragen und Gottfried Herrlich wird nicht müde, seinen Gästen auf immer neue Weise davon zu erzählen. Er sagt: »Dieses Haus ist nicht so schön, wie es die Leute empfinden«, obwohl er genau um die Schönheit des Gebäudes weiß. Doch er versteht sich als die Seele des Restaurants, er macht es komplett – und seine Gäste danken es ihm jeden Abend aufs Neue.
Traditionslokal »Vincenz Richter« in Meißen · Foto: Wolfgang Schmidt
REBEN RUNDUM
doch heute füllen Riesling, Weißburgunder
Den anderen Herrlich kann man sich
und Scheurebe mehr als 100.000 Flaschen
schwerlich in den kleinen Räumen des Lo-
pro Jahr. »Uns ist schnell klar geworden, dass
kals vorstellen, auch wenn er dort praktisch
es wirtschaftlich nicht funktioniert, wenn
aufgewachsen ist. »Natürlich ist so eine
wir nur für das Lokal produzieren«, sagt der
Tradition auch eine Verpflichtung«, sagt
Winzer Herrlich. Und dann erzählt auch er.
Thomas Herrlich. Einen Kopf größer als
Was es heute bedeutet, gute Weine zu machen
sein Vater, wirkt er bedächtig und ruhig,
und wie sehr das Wissen und die Technologie
das ganze Gegenstück zum quirligen Senior.
der letzten Jahrzehnte die Qualität verbessert
Er wägt seine Worte ab, sucht gute Argu-
haben. »Mein Großvater hat noch im Kel-
mente und immer wieder wandert sein Blick
ler des Restaurants Trauben gepresst«, sagt
durch die großen Panoramafenster zwischen
er und klingt dabei nicht, als ob er sich die-
den Reben am Kapitelberg. Keine Butzen-
se Zeiten wieder herbeiwünscht. Der Vater
scheiben verklären den Blick hinaus in seine
nickt und erinnert sich an seinen Schwieger-
»Vincenz Richter«-Welt. Auch sie ist von
vater Vincenz Richter III. »Der hat das noch
einer Leidenschaft für den Genuss geprägt
in den Siebziger jahren gemacht«, meint er
– nur anders. Eigentlich wollten sie hier nur genügend Wein für das Restaurant herstellen,
und sieht in Gedanken vielleicht seinen kleiThomas Herrlich · Foto: Wolfgang Schmidt
nen Sohn vor der alten Weinpresse stehen. 21
GENUSS · MEISSEN ZWEI GENERATIONEN, EIN ZIEL
blickt dankbar auf alles, was gewesen ist, und
Sohn gleichermaßen erarbeitet, auf verschiede-
Vier Jahrzehnte später macht der Sohn seinen
optimistisch auf die Tage, die noch kommen.
nen Wegen und mit einem unterschiedlichen
eigenen Wein. Gemeinsam mit dem Vater geht
Und der andere mag auch am Abend eines
Blick auf die Dinge. Aber doch immer auf eine
er ein paar Schritte durch die Rebenreihen und
Tages nicht von »Gnade« sprechen: Er sieht
Weise, die der Tradition des Genießens bei
man sieht zwei Männer, die ihren Platz in einer
Aufgaben, Herausforderungen, Chancen – und
»Vincenz Richter« diente – und dies wohl auch
langen Tradition gefunden haben. Der eine
natürlich Erfolg. Den haben sich Vater und
noch über die nächsten Generationen tun wird.
Thomas und Gottfried Herrlich · Foto: Wolfgang Schmidt
Familientradition seit 1873 1873 eröffnete der Gastronomensohn Vincenz Richter I. aus Aussig im Sudetenland in Meißen seine altdeutschen Wein- und Bierstuben im Haus der Tuchmacherzunft aus dem Jahr 1523. 40 Jahre später gründete sein Sohn ein Weingut und war damit nach dem vernichtenden Reblausbefall um die Jahrhundertwende einer der Pioniere im sächsischen Elbtal. Nach 1945 war die Arbeit von Vincenz III. und seiner Frau Ilse vom Kampf gegen die Enteignung geprägt – letztlich mit Erfolg. Noch vor dem Fall der Mauer – inzwischen führte die Tochter gemeinsam mit Schwiegersohn Gottfried Herrlich das Lokal – begann die umfassende Rekonstruierung des Hauses, die im Juni 1990 mit der Neueröffnung abgeschlossen wurde. Im Sinne der Familientradition übernahm die Tochter des Hauses, Ulrike Herrlich, das Vikarienhaus von 1513 auf der Freiheit in Meißen: Die »BurgStuben« werden als Pension und als Weinstube geführt. Der Sohn Thomas Herrlich trat 1995 in die Fußstapfen des Urgroßvaters und übernahm das Stadtweingut Meißen von 1617, das er im Jahr 2009 um ein modenes Kelterhaus erweiterte.
22
GENUSS · PLAUEN ls »Arme-Leute-Essen« haben die Grünen Klöße eine lange Tradition im Vogtland. Warum? »Ganz einfach – Sie brauchen neben Salz nur eine einzige heimische Zutat: Kartoffeln.« Katharina Berger kennt sich aus. Als Betreiberin der »Tennera«, einer der ältesten Schankwirtschaften Plauens, ist sie zwangsläufig eine Fachfrau zum Thema und weiß, dass die Herstellung der regionalen Spezialität nicht ganz trivial ist. »Am besten gelingen die Klöße, wenn man nicht zu viel Respekt davor hat«, sagt Berger und erinnert sich an ihre ersten selbstgemachten Klöße: »Ich habe für meine Schwiegereltern gekocht und es ist völlig schiefgegangen.«
Für großen Hunger und kleinen Geldbeutel
Heute passiert ihr das nicht mehr. Die
Was bringt man im Vogtland auf den Tisch,
Grünen Klöße sind bei vielen Gästen der
wenn nur noch Kartoffeln im Haus sind?
»Tennera« der Favorit – die Chefin mag dazu am liebsten eine Rinderroulade, weil
Grüne Klöße! Umso besser, wenn sich dann
das ein »klassisches Sonntagsessen im Vogt-
doch noch etwas Fleisch findet.
land« ist. Und weil das Lokal zugleich der Sternquell-Brauerei-Ausschank ist, gehört auch ein frisch gezapftes Bier dazu. »Tennera« Plauen · tägl. 11–23 Uhr geöffnet www.tennera.de •
GRÜNE KLÖSSE – IN FÜNF SCHRITTEN ZUM GENUSS REIBEN Geschälte Kartoffeln – am besten festkochende – reiben und die Rohmasse in einen »Kloßsack« aus robustem Stoff füllen. Unterdessen einen großen Topf Wasser zum Kochen bringen. PRESSEN Die Masse im Sack pressen oder walken, bis kaum noch Flüssigkeit herausläuft, und in eine Rührschüssel geben. WICHTIG: Die Flüssigkeit auffangen! STÄRKEN Ein paar Minuten warten, bis sich die Kartoffelstärke abgesetzt hat, restliche Flüssigkeit fortgießen. Etwa drei Viertel der Stärke unter die Kloßmasse rühren. Dazu Salz nach Geschmack. BRÜHEN Von dem kochenden (!) Wasser so viel über die Kloßmasse gießen, bis sie gut formbar und weich wird. Die Masse nun mit einem Holzlöffel grob durchrühren und anschließend Klöße formen. KOCHEN Die Klöße ins kochende Wasser legen und auf sehr kleiner Flamme 20 Minuten ziehen lassen. Fertig!
Grüner Kloß · Foto: Bernd Jürgens 23
GENUSS · RADEBEUL
FEINER WEIN MIT EIGENSINN Die Weintradition am Radebeuler Elbhang reicht 900 Jahre zurück. Das junge Weingut »Drei Herren« fügt dieser Tradition ein neues und spannendes Kapitel an.
D
as größte Kapital ist nicht das
moderner Kunst im Obergeschoss schwär-
schmucke Gutshaus mit traum-
men kann. Oder von beidem gleichzeitig.
haftem Elbblick und auch nicht
Doch Becks Leidenschaft für Schönheit
der Steilhang mit den Rebstöcken. Der größ-
und Genuss ist nicht als mangelnder Ernst
te Schatz ist Zeit. Denn die Zeit und der
beim Betrieb des Weinguts zu deuten – sie
Umgang mit ihr machen das Weingut »Drei
ist vielmehr eine belebende Zutat. Denn na-
Herren« zu einer besonderen Adresse für
türlich hat der Professor die schwarzen Zah-
Genießer, Weinfreunde und Kunstliebha-
len im Blick, die das Gut erwirtschaften soll
ber. Alles hat hier seine Zeit und bekommt
und denen man mit dem letztjährigen Er-
so viel davon wie nötig. Die Arbeit an den
trag von 35.000 Flaschen schon recht nahe
Rebstöcken, der Genuss am Feierabend, der
kommt. Entscheidend bei allem ist jedoch
Wein und nicht zuletzt die Kunst. »Wir kä-
der Anspruch, den Beck mit seinen Partnern
men nicht auf die Idee, unsere Weine mit
Claus Höhne und Antje Wiedemann teilt.
irgendwelchen Tricks schneller in den Ver-
Schon heute könnten sie mehr Wein verkau-
kauf zu bringen«, sagt Rainer Beck. »Unser
fen, als sie produzieren, doch: Die Zeit ist
Riesling braucht zwölf Monate und manch-
noch nicht reif.
mal mehr, bis er soweit ist. Deshalb kommt
Das sagt der Winzer Claus Höhne, der
unser 2011er auch erst in diesem Jahr in den
nicht viele Worte macht und dem man an-
Verkauf.«
sieht, dass er oft lange Tage im Weinberg
NACHHALTIGKEIT GEHT VOR ERTRAG
andere«, erklärt er seine Passion. Schneiden,
verbringt. »Kein Arbeitstag ist hier wie der
24
Solche Sätze hört man häufig unterhalb der
biegen, binden, neue Rebstöcke pflanzen,
markanten Feldsteinschnecke auf der Kuppe
Drahtrahmen erneuern oder – ganz wich-
des Weinbergs; nicht nur vom emeritierten
tig – die vielen Mauern auf dem Steilhang
Kunstgeschichtesprofessor Beck, der 2002
kontrollieren. »Für 50.000, vielleicht auch
die marode Domäne kaufte und 2004 mit
60.000 Flaschen könnten unsere fünf Hek-
zwei Partnern das Weingut gründete. Dem
tar einmal gut sein«, schätzt Höhne, aber
Liebhaber von Wein und Kunst fällt dort
allzu eilig hat er es damit nicht. »Weinbau
die Rolle des Connaisseurs zu, der mit un-
ist kein kurzfristiges Geschäft«, sagt er und
gebremster Leidenschaft von den aktuellen
Antje Wiedemann sekundiert: »Da ist die
Weinen oder seiner exquisiten Sammlung
Nachhaltigkeit zwangsläufig inklusive.«
GENUSS · RADEBEUL
Bei der Arbeit: Claus Höhne, Rainer Beck und Antje Wiedemann (v. l.) · Foto: Wolfgang Schmidt 25
GENUSS · RADEBEUL QUALITÄT OHNE EITELKEITEN
Weingut »Drei Herren« 2013 als einzigen
sein muss, liegt auf der Hand. »Als Claus
Zuständig für Marketing und Vertrieb, hat
Betrieb mit dem Bundesehrenpreis für Sach-
Höhne eine Cuvée aus Dunkelfelder, Ca-
Antje Wiedemann das Winzerhandwerk von
sen auszeichnete. Selbst die Feinschmecker-
bernet Cortis und Cabernet Franc machen
der Pike auf gelernt – obwohl sie eigentlich
bibel »Gault Millau« schreibt 2013, dass
wollte, haben wir gesagt: Das wird nichts«,
dem »deutschen Weinadel« entstammt:
sich »das Warten lohnt«, wie der »2010er
erinnert sich Rainer Beck. »Er hat sie natür-
2003 war sie Sächsische Weinkönigin und
feinduftig-würzige Riesling aus dem Holz-
lich trotzdem gemacht und sie war wirklich
ein Jahr später gar Deutsche Weinprinzessin.
fass« zeige, und regt an, diese Richtung wei-
ausgezeichnet.« Diese Anekdote bot denn
Die lebhafte Mittdreißigerin komplettiert
ter auszubauen.
auch den Anstoß für die passende Vermark-
das Führungstrio der »Drei Herren«, das
Ob man diese Empfehlung am Radebeuler
tung: Seit einigen Jahren wird sie erfolgreich
kaum unterschiedlicher sein könnte. Die
Weinberg freilich nötig hat, darf bezweifelt
unter dem Namen »Eigensinn« verkauft.
gemeinsame Liebe zu Riesling, Scheurebe,
werden. Denn alle wichtigen Entscheidun-
Weiß- und Grauburgunder oder Regent
gen fallen hier gemeinsam bei einem guten
ÖFFNUNGSZEITEN VINOTHEK
macht die Weingutbesitzer seit Jahren regel-
Wein in der gemütlichen Vinothek, im Gar-
Donnerstag, Freitag und Samstag
mäßig zu den Favoriten der Weingutachter
ten oder im Obergeschoss, umgeben von
14.00 – 18.00 Uhr
der Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft,
modernen Kunstwerken internationaler und
Sonntag 11.00 – 18.00 Uhr
deren Auszeichnungen bescheiden eine
nationaler Künstler wie etwa Neo Rauch.
und nach Vereinbarung
Wand im Kellergeschoss zieren und die das
Dass man dabei nicht immer einer Meinung
www.weingutdreiherren.de •
Über der Vinothek trifft traditioneller Genuss auf Gegenwartskunst · Foto: Wolfgang Schmidt 26
KULTURHÖHEPUNKTE
Was ist los in Sachsen? DIE KULTURHÖHEPUNKTE 2014 · TEIL 1
»Via Thea« in Görlitz · Foto: Thomas Igney
Annaberg-Buchholz
Freiberg
Grimma
31. Mai 2014 Annaberger Modenacht
26. – 29. Juni 2014 »Bergstadtfest« Das größte Volksfest Mittelsachsens
18. Mai 2014 Museumsfest im Göschengarten und im Göschenhaus
20. – 29. Juni 2014 494. »Annaberger Kät« Das größte Volksfest des Erzgebirges
Juni – Dezember Hochklassig-hochklassisch
12. – 14. September 2014 8. Internationales Musikantentreffen
22. – 24. August 2014 Festwochenende im Barbara-Uthmann-Jahr
28. September – 4. Oktober 2014 Große Festwoche
8. – 9. November 2014 Martinimarkt in der Klosterkirche
25. November – 22. Dezember 2014 Freiberger Christmarkt mit Bergparade
www.grimma.de •
www.annaberg-buchholz.de • www.kaet-blog.de •
www.freiberg-service.de •
Bautzen
Görlitz
Kamenz
23. – 25. Mai 2014 1012. Bautzener Frühling (Stadtfest)
Juni – August 2014 Historisches Sommertheater
Anfang Mai 2014 Lausitzer Blütenlauf und Anradeln in und um Kamenz
18. Juli – 3. August 2014 Lausitzer Musiksommer »Vier Elemente«
7. – 9. August 2014 »Via Thea« Internationales Straßentheaterfestival
21. Juni 2014 »Fête de la Musique« (Straßenmusikfest)
28. November – 21. Dezember 2014 630. Bautzener Wenzelsmarkt
29. – 31. August 2014 Görlitzer Altstadtfest
22. – 28. August 2014 Forstfest Kamenz (Umzüge, Fahrgeschäfte)
www.bautzen.de •
www.goerlitz.de •
www.kamenz.de • 27
PANORAMA · ANNABERG-BUCHHOLZ
|
ZITTAU
Edle Klöppelei in Stahl Wenn die Annaberger Klöpplerinnen im Kulturzentrum ERZHAMMER zusammenkommen, finden sich auf den Klöppelsäcken nicht nur klassische Garne für Borten oder Spitzen. Stattdessen entstehen immer öfter filigrane Schmuckstücke aus glänzenden Metallfäden. Angeregt von Vorreiterinnen des Metallklöppelns wie Ines Schwotzer und Birgit Härtel, findet diese Variante des 450 Jahre alten Kunsthandwerks immer mehr Freunde. Auch die ehemalige Klöppelkönigin Manuela Fischer ist seit vielen Jahren mit von der Partie: »Die Arbeit mit Metalldrähten ist sehr viel schwieriger als das Klöppeln mit Garn, denn das Material verzeiht keine Fehler.« Auf der anderen Seite stehe aber die Möglichkeit, »räumlich zu klöppeln.« Bei den Kunden kommen die geklöppelten Preziosen aus Stahl- oder Kupferdraht gut an, sie zahlen zwischen 10 und 400 Euro für die exquisiten Einzelstücke. www.kloeppeln-in-sachsen.de •
Metallklöppelspitze von Manuela Fischer (Originalgröße 5 x 5 x 3 cm) · Foto: Marcel Drechsler
Zu Gast beim Kokosweber
D
ie Leinewebertradition in der Lausitz ist weithin geläufig. Weniger bekannt ist die Tatsache,
dass seit 1957 in Olbersdorf auch Kokosfasern verwebt werden. In der historischen
Wassermühle aus dem Jahr 1848 entstehen seitdem aus robusten Naturfasern wie Kokos, Sisal oder Hanf Türmatten, Fußmatten und Kokosläufer in den unterschiedlichsten Ausführungen. Die einzige Kokoshandweberei Europas wird seit 1993 von Mario Hilger geführt, der gemeinsam mit seiner Frau auch eine Schauwerkstatt betreibt: Nach Anmeldung können hier Kleingruppen die Kunst der Kokosweberei erlernen oder zusehen, wie auf teils über 100 Jahre alten Maschinen diese außergewöhnliche Handwerkstradition gepflegt wird. www.kokosweberei-hilger.de • 28
Iris Hilger beim Handweben einer Türmatte aus Kokosfasern · Foto: Foto-Pasja
PANORAMA · PLAUEN
Die »Bier-Elektrische« ist in Plauen bei Touristen wie Einheimischen gleichermaßen beliebt · Foto: Wolfgang Schmidt
D
ie Kinder in Plauen wissen es schon: Wenn die grüne 21 kommt, lohnt sich oft ein Blick in den Triebwagen. Denn mit etwas Glück lässt sich ein Brautpaar entdecken.
Brautpaar? Straßenbahn? Im Plauener »Standesamt auf Schienen« passt das durchaus zusammen: In zwei historischen Triebwagen können Heiratswillige ihre Lebenslinien offiziell verbinden lassen und dem »schönsten Tag im Leben« eine ganz besondere Note geben.
Doch das ist nur eine der Attraktionen, die immer wieder über die Schienen der Vogtlandstadt rollen. Insgesamt fünf liebevoll restaurierte Schienenfahrzeuge der Baujahre 1905 bis 1969 sind in Plauen für besondere Anlässe und Stadtrundfahrten unterwegs. Ein Dauerbrenner: die »Bier-Elektrische«. Der Triebwagen von 1966 mit der Nummer 78 ist als rollendes Restaurant ausgebaut und bei Touristen wie Einheimischen gleichermaßen beliebt. Wer auf das Bier verzichtet, kann in Plauen noch eine weitere nicht alltägliche Perspektive genießen – den Blick vom Führerstand der
UMTRUNK IN DER TRAM Eine Fahrt mit der Straßenbahn ist zumeist ziemlich alltäglich. Doch mit der richtigen Linie kann sie durchaus zu einem unvergesslichen Erlebnis werden – zumindest in Plauen.
Straßenbahn KT 4D. Auf diesem Modell können Führerscheinbesitzer ab 18 Jahren eine Straßenbahnfahrschulfahrt buchen und auf Wunsch die ganze Familie selbst durch die Stadt chauffieren.
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TRADITION & HANDWERK · ZITTAU
Gewebter Reichtum Die Tuchmachertradition legte den Grundstein. Doch erst das Geschick der Händler machte Zittau zur zweitreichsten Stadt in Sachsen.
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TRADITION & HANDWERK · ZITTAU
H
eute würde man die »Bildungsreise« von Friedrich und Christoph Lange vermutlich Industriespionage nennen. Im Jahr 1666 war es jedoch eine hochoffizielle Mission, mit der die Brüder aus Großschönau vom Zittauer Rat betraut wurden. Ihr Ziel war es, bei der Konkurrenz im fernen Holland die Kunst der Damastweberei zu erlernen und das wertvolle Know-how in die Lausitz zu holen. EIN KLUGER SCHACHZUG Doch es war nicht die Zunft der Tuchmacher, die als treibende Kraft hinter diesem Coup steckte. Die erhielt zwar
bereits 1312 die erste Zunftordnung der Oberlausitz, doch das Sagen hatten in Zittau seit je die Händler. Sie waren es, die das Potenzial des Luxusguts Damast erkannt hatten und die damit in den folgenden Jahren zeitweise zum Weltmarktführer aufsteigen sollten. Für das aufwendig herzustellende Tuch wurden an den Fürsten- und Königshöfen Europas Höchstpreise gezahlt und nur wenige Weber verstanden sich damals auf diese Kunst. In den Jahren nach der Rückkehr der Gebrüder Lange wurde Zittau mit seinen 32 Ratsdörfern zu einem Paradebeispiel gelungener Wirtschaftspolitik.
Glaubensflüchtlinge aus Böhmen und Mähren fanden in der Oberlausitz eine neue Heimat und Arbeit, sodass sich die Region um Zittau zum am dichtesten besiedelten Landstrich der Oberlausitz entwickelte. Im Jahr 1705 schlossen sich die Zittauer Leinwandhändler zur Kaufmannssozietät zusammen, um ihre Interessen auch international besser zu schützen, und machten die Stadt in den folgenden Jahrzehnten zum wichtigsten Handelsplatz Sachsens nach Leipzig. Dieser Zeit verdankt die Stadt Zittau ihren Beinamen »die Reiche« – und natürlich den tausenden Webstühlen in Zittau und den Ratsdörfern.
Händlerstolz in alter Pracht: der Zittauer Bürgersaal · Foto: Thomas Glaubitz
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TRADITION & HANDWERK · ZITTAU
6.250 zählte man bereits im Jahr 1729, allein in Großschönau, wo rund drei Viertel der Bevölkerung von der Weberei lebten, waren bis zu 1.000 Damastwebstühle in Betrieb. Vor Ort waren Faktoren als Mittler zwischen Händlern und Webern für die Versorgung der Heimwebereien zuständig. Sie beschafften Flachs aus Schlesien und später auch andere Garne wie Seide, um noch hochwertigere Damaststoffe herzustellen.
Historischer Webstuhl · Foto: Mikko Ollikainen 32
HEISS BEGEHRT BEI HOFE Während in den Webstuben auf dem Land oft die ganze Familie hart arbeiten musste, ging das Kalkül für die Kaufleute in Zittau auf. Die wertvollen Damaststoffe aus der Region waren Mitte des 18. Jahrhunderts äußerst gefragt in Frankreich, England und sogar in Übersee. Der Erfolg spiegelte sich bald in prächtigen Häusern in Zittau wider, aber auch in zahlreichen Stiftungen reicher Kaufleute zugunsten armer Studenten, Waisen und Bedürftiger. Die Produktion stieg an und auch die Bevölkerung wuchs immer weiter. Lebten um 1705 noch 26.000 Menschen im Land Zittau, waren es 85 Jahre später schon 43.000. Neben Damast waren auch andere Leinenstoffe aus der Region für den Export gefragt. Vor allem England war ein Großabnehmer und nahm etwa 1753 den größten Teil der Ausfuhrmenge von 25.550 Zentnern Leinwand ab, 3.504 Zentner gingen nach Italien. Doch jeder Aufschwung geht einmal zu Ende. Zwar wurde in Großschönau noch bis 1933 Damast hergestellt, doch mit dem Beginn des Industriezeitalters waren die Tage der traditionellen Leineweberei in der Oberlausitz gezählt. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts setzten sich die billigeren, industriell hergestellten Webwaren durch und viele der Heimweber mussten sich in den neuen Textilfabriken verdingen. Einige der Nachfolgeunternehmen sind bis heute wichtige Arbeitgeber in der Region.
KULTURHÖHEPUNKTE
Was ist los in Sachsen? DIE KULTURHÖHEPUNKTE 2014 · TEIL 2
Meißen
Pirna
Zittau
17. – 18. Mai 2014 Meißner Töpfermarkt
3. Juniwochenende 2014
28. Mai 2014
Stadtfest Pirna
Historienspektakel »Spectaculum Citaviae«
12. Juli 2014 Lange Nacht der Kunst und Kultur
1. Samstag im August
28. Juni 2014
Romantische Hofnacht
Sächsischer Familientag in Zittau
26. – 28. September 2014 Meißner Weinfest
1. Wochenende im September
15. – 17. August 2014
Einkaufsnacht, Weinfest und Open -Air –
»O-See-Challenge« (Weltmeisterschaft
Schauspiel »Der Retter von Pirna«
im Cross-Triathlon=
www.pirna.de •
www.zittau.de •
www.touristinfo-meissen.de • www.stadt-meissen.de •
www.o-see-challenge.de •
Plauen
Radebeul
20. – 22. Juni 2014 55. Plauener Spitzenfest
30. Mai – 01. Juni 2014 Karl-May-Festtage Radebeul
Zwickau 16. – 18. Mai 2014 Europäisches Lutherstätten-Treffen 2014
28. Juni – 6. Juli 2014
26. – 28. September 2014
Musical »Sugar –Manche mögen’s heiß«
Herbst- und Weinfest
Open-Air-Spektakel im Parktheater
6. – 7. Juni 2014 »Summer swing« bei Schumann
4. – 5. Oktober 2014 25. November – 21. Dezember 2014
Historisches Weinfest und Sächsischer
6. – 7. September 2014
Plauener Weihnachtsmarkt
Winzerzug im Weingut Hoflößnitz
Historisches Markttreiben in der Altstadt
www.plauener-spitzenfest.de •
www.karl-may-fest.de •
www.zwickautourist.de •
www.theater-plauen-zwickau.de •
www.weinfest-radebeul.de •
www.zwickau.de •
www.plauen.de/weihnachten •
www.winzerzug.de •
Torgau 25. – 27. April 2014 ELBE DAY 29. Juni – 6. Juli 2014 32. Torgauer Festwoche der Kirchenmusik 4. – 6. Juli 2014 Katharina-Tag (Katharina von Bora)
www.torgau.eu • 33
KULTUR 路 BAUTZEN
STILMIX ZUM LOBE GOTTES
Romanik und Barock. Gotik und Jugendstil. Im Dom St. Petri zu Bautzen hat alles davon seinen Platz. Sogar zwei Konfessionen kommen in dem Prachtbau seit Jahrhunderten gut miteinander aus.
34
KULTUR · BAUTZEN
A
m höchsten Punkt der Stadt, fest
stammen, als der Dom geweiht wurde und
Mehrere Stadtbrände beschädigten ihn im 15.
gegründet auf Lausitzer Granit,
die Vorgängerkirche St. Johannis ersetzte, die
Jahrhundert, der Feuersbrunst von 1634 fie-
thront der Dom St. Petri wie ein
hier unter dem Meißner Bischof Eido um die
len Teile des Turms, das gesamte Dach und die
steinerner Wächter. Generationen von Baut-
erste Jahrtausendwende nach Christus errich-
prachtvolle gotische Innenausstattung zum
zener Bürgern wurden unter seinem Dach ge-
tet worden war.
Opfer. Oft dauerte der Wiederaufbau Jahr-
tauft, getraut oder draußen vor den gotischen
In den folgenden Jahrhunderten wandelte
zehnte, vielfach unterbrachen Kriege oder
Stützpfeilern begraben. Zwar erinnert der
sich das Antlitz des Doms immer wieder.
Geldnot die Arbeiten. Nachdem schließlich
Parkplatz vor der Kirche heute kaum mehr an
das Gotteshaus in den Napoleonischen Krie-
den Gottesacker, doch einzelne Grabplatten
gen als Lazarett, Magazin und sogar als Pfer-
an der Dommauer zeugen noch immer von
destall herhalten musste, entschloss man sich
den bewegten Zeiten.
1813 zu einer umfassenden Restaurierung. Diese war mit einer radikalen Umgestaltung
IM WANDEL DER JAHRHUNDERTE
im neugotischen Stil verbunden, der keine
Es waren Zeiten von verheerenden Kriegen
verspielten Barockelemente duldete: Etliche
und Stadtbränden, die selten vor den Kir-
der Seitenaltäre sowie die Beichtstühle muss-
chenmauern Halt machten. Mehrfach nahm
ten weichen und sogar der Orgelprospekt
der Dom Schaden, immer wieder wurde er
erhielt ein neues Gesicht. Lediglich der Al-
aufgebaut oder repariert, stets im Stil der Zeit.
tarraum im vorderen Hauptschiff, die Kanzel
So kommt es, dass der prächtige Kirchen-
und die Fürstenloge im barocken Stil blieben
bau Stilelemente vieler Jahrhunderte in sich
erhalten. Die letzte große Erneuerung des
vereint. Als älteste Bauteile gelten der unte-
Doms endete 1955 mit der Beseitigung der
re Teil des Turms und das romanische West-
Kirchenfenster mit Ausblick
Kriegsschäden und dem Ersatz der zerstör-
portal. Beide dürften aus der Zeit um 1221
Foto: Jens-Michael Bierke
ten Buntglasfenster aus dem 18. Jahrhundert.
Blick auf die Eule-Orgel · Foto: Jens-Michael Bierke
Barocke Fürstenloge · Foto: Jens-Michael Bierke 35
KULTUR · BAUTZEN ÖKUMENE SEIT 1530 Doch nicht nur äußerliche Faktoren wie Krieg und Zerstörung prägten die Geschichte von St. Petri. Vor allem eine innerkirchliche Bewegung – die Reformation – hat großen Anteil daran, dass der Bautzener Dom nicht nur architektonisch eine Besonderheit ist. Als erste Simultankirche Deutschlands dient er bereits seit 1530 als gemeinsames Gotteshaus für Katholiken und Protestanten. Nur 13 Jahre nach Luthers Thesenanschlag in Wittenberg waren die Gedanken der Reformation in Sachsen auf so fruchtbaren Boden gefallen, dass ein großer Teil der Bürgerschaft zum Protestantismus übergetreten war. Doch was anderswo zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen den Konfessionen führte, fand in Bautzen eine pragmatische Lösung, die bis heute Bestand hat: Ein Drittel der Kirche gehört der katholischen, zwei Drittel gehören der evangelischen Domgemeinde. Im Inneren ist das an zwei Altären, zwei Orgeln und einem trennenden Geländer im Kirchenschiff ersichtlich. Außerdem teilen sich die Gemeinden den Dienst während der Öffnungszeiten, sodass Besucher den Dom jeweils eine Woche durch den kleineren, »katholischen« Eingang und zwei Wochen durch das Portal der Protestanten betreten. Statt meterhohem Lettner trennt heute nur noch ein Geländer die Konfessionen · Foto: Jens-Michael Bierke
FEST FÜR DIE SINNE Doch ganz gleich, welches Portal man nimmt: Der erste Blick geht unweigerlich nach oben. Entlang der mächtigen Säulen, aus denen in lichter Höhe filigrane Gewölberippen sprießen, die sich an farbenfrohen Schlusssteinen vereinen. Erst wenn man die Größe des Raums ermessen hat, entdeckt man all die anderen Details: den katholischen Hochaltar aus Maxener Marmor, den der Italiener Giovanni Maria Fossati schuf. Oder das beeindruckende Kruzifix, das der Dresdner Zwinger-Bildhauer Balthasar Permoser dem Dom einst schenkte und das etwas versteckt hinter dem filigran geschnitzten Chorgestühl aus Eichenholz an der Wand hängt. Natürlich gibt es noch viel mehr zu entdecken und nicht allein mit den Augen. Denn die gewaltige Eule-Orgel mit ihren fast 4.000 Pfeifen muss man einerseits wegen ihrer prächtigen Jugendstil-Ausstattung von 1910 gesehen haben. Noch viel mehr sollte man sie aber hören. Aber das ist schon wieder eine Der Knick im Dach hat statische Gründe (siehe Kasten) · Foto: Jens-Michael Bierke 36
ganz andere Geschichte.
Der Knick in der Statik Der Blick vom Turm offenbart ihn und auch im Kirchenschiff ist er deutlich zu sehen: der »Knick« von St. Petri. Eine gesicherte Erklärung für den unvermittelten »Richtungswechsel« des Baus gibt es nicht. Wahrscheinlich liegen statische Ursachen zugrunde, da der Dom auf dem Fundament einer älteren und kleineren Kirche errichtet wurde. Gut möglich, dass der ansonsten felsige Baugrund im Bereich des Altarraums nicht hinreichend stabil schien und die Dombaumeister lieber auf Nummer sicher gingen.
Quelle: commons.wikimedia.org
Außenansicht des Bautzener Doms · Foto: Jens-Michael Bierke 37
KULTUR · ZWICKAU
DER ROCK DES REFORMATORS Die Zwickauer Ratsschulbibliothek ist ein halbes Jahrtausend alt. In dieser Zeitspanne entstand eine einzigartige Sammlung – mit einigen Kuriositäten.
Bibliotheksleiter Dr. Lutz Mahnke mit einer Tora · Foto: Lars Rosenkranz
M
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it zartem, fast damenhaftem
BUCHKUNST SEIT MEHR ALS 1.000 JAHREN
Strich hat der massige Kirchen-
Einige der wichtigsten und schönsten Bü-
testen der rund 250.000 bibliografischen
mann seine Notizen auf den
cher, Drucke und Handschriften hat er auf
Einheiten stammten aus dem Jahr 830: zwei
Rand des Pergaments geschrieben. Während
dem schmalen Tisch des engen Museums-
kleine Blätter einer medizinischen Abhand-
Dr. Lutz Mahnke vorsichtig die Seiten um-
magazins ausgebreitet. Durch eine Glas-
lung, die aus einem französischen Kloster
blättert, entsteht eine Vorstellung von Martin
tür sind die Besucher im repräsentativen
kommen. Entdeckt wurde die Rarität eher
Luther, wie er in der Schreibstube konzentriert
Lesesaal zu sehen, dessen prächtige Ge-
zufällig, die Bögen dienten als Einband für
seine Gedanken mit dem Federkiel nieder-
staltung irgendwo zwischen Klassizismus
ein wesentlich jüngeres Buch. »So etwas ist
schreibt. Ganz anders hingegen, fast grob und
und Jugendstil angesiedelt ist. Der Zutritt
nicht selten«, erklärt der Bibliothekschef.
unbeholfen, erscheint die Handschrift von
zu den größten Bücherschätzen ist aller-
Er geht durch die Regalreihen und zeigt auf
Philipp Melanchthon, der dem Reformator
dings nur Wissenschaftlern vorbehalten –
viele Buchrücken, die ganz offensichtlich
einst als Mitstreiter zur Seite stand. Die bei-
und natürlich Lutz Mahnke. Aus einem
recycelt wurden – Handschriften, Noten-
als eher unbedeutende Ortschaft. Die äl-
den Handschriften zählen zwar nicht zu den
schützenden Pappkuvert zieht er die ältes-te
blätter, Druckseiten. »Das Pergament war
wertvollsten Beständen von Sachsens erster
Landkarte Sachsens aus dem Jahr 1502 her-
einfach teuer und deshalb hat man es auf
öffentlicher Bibliothek, aber Bibliotheksleiter
vor. Kaum größer als eine Postkarte, zeigt
diese Weise wiederverwendet.«
Mahnke zeigt sie trotzdem besonders gern.
sie etwa die spätere Residenzstadt Dresden
KULTUR · ZWICKAU
Sicher ist sicher: Lange Zeit war es üblich, wertvolle Bände anzuketten · Foto: Lars Rosenkranz
FORSCHUNG MIT ÜBERRASCHUNGSEFFEKT
fünf Jahrhunderten. »Leider sind viele die-
Im Gegensatz zu vielen anderen Bibliothe-
ser Dokumente noch nicht aufgearbeitet«,
ken musste die Ratsschulbibliothek seit ih-
bedauert Lutz Mahnke und hofft, dass
rer Gründung kaum Verluste verschmerzen.
sich der eine oder andere Wissenschaftler
Erstmals 1498 als Büchersammlung der
für eine dieser vielen Aufgaben begeistern
Zwickauer Lateinschule erwähnt, kamen
kann. Als Lohn könnten neben wissen-
trotz mehrerer Umzüge »erst nach 1945
schaftlichen Meriten auch unerwartete Ent-
Bücher abhanden, meist aus ideologischen
deck-ungen winken. So fanden sich in der
Gründen«, so Mahnke. So finden sich in
Bibliothek mit dem Ortsverweis »im
den Regalen des Magazins heute mehr als
Schubkasten« das jahrhundertealte Skelett
200 mittelalterliche Handschriften und
einer hingerichteten Kindsmörderin, Stüc-
etwa 1.200 Inkunabeln, also Drucke aus der
ke von drei Särgen Napoleons und ein Ku-
Zeit bis zum Jahr 1500. Aus zahlreichen
vert mit einem »Stücke vom Mönchsrock«
Nachlässen stammen umfangreiche Brief-
Martin Luthers.
wechsel, etwa von Alma Mahler, Cosima Wagner und anderen Persönlichkeiten aus
www.ratsschulbibliothek.de •
Historische Handschrift · Foto: Lars Rosenkranz
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KULTUR · PIRNA
MALEN NACH STRAHLEN Die historischen Stadtansichten von Canaletto sind weltberühmt – nicht zuletzt wegen ihrer erstaunlichen Detailgenauigkeit. Sein Trick: Zur Sicherheit verließ sich der Maler nicht allein auf seine Augen.
Lebendiges Canaletto-Bild · Foto: Jens Dauterstedt 40
KULTUR · PIRNA
Bernardo Bellotto – »Der Marktplatz zu Pirna« (1753), Staatliche Kunstsammlungen Dresden
D
ie Profession des jungen Bernardo
repräsentativ wirken und bisweilen wurde bei
TRUBEL AM MARKT
Francesco Paolo Ernesto Bellotto
Canaletto auch »gezaubert«, sodass Baustel-
Und noch eine damals übliche Arbeitshilfe
war gefragt am Dresdner Hof, wo
len auf der Leinwand schon zu fertigen Ge-
benutzte Canaletto: ein Büchlein mit Fi-
der 25-jährige Vedutenmaler im Jahr 1747
bäuden wurden.
gurenvorlagen. Das war im 18. Jahrhundert
seinen Dienst antrat. Der Kurfürst selbst
Vor allem kunsthandwerkliches Geschick
durchaus üblich und erklärt, warum sich
hatte nach dem venezianischen Kunsthand-
war für diese Arbeit gefragt, die Cana-
manche Personen oder ganze Gruppen iden-
werker geschickt, der sich bald »Canaletto«
letto selbst vielleicht eher als Handwerk
tisch auf unterschiedlichen Bildern wieder-
nannte und schon früh aus dem Schatten
denn als Kunst bezeichnet hätte. Wie
finden und warum ihre Kleidung eigentlich
seines Onkels und Lehrmeisters gleichen
jeder Handwerker nutzte auch der Hof-
nicht zu dieser Zeit passt.
Namens herausgetreten war.
maler technische Hilfsmittel wie etwa die
Ein Tipp für Kunst-detektive: Der Hund
Camera obscura, um Gestalt und Pro-
auf dem Bild »Der Marktplatz zu Pirna« ist
portionen des Sujets zu erfassen. Der
auch auf einer Dresdner Stadtansicht zu ent-
PRÄZISE PROPORTIONEN In seinen ersten sieben Jahren an der Elbe
Nachbau einer sehr komfortablen Came-
decken.
schuf Canaletto seine berühmten 14 Ansich-
ra-Obscura-Ausführung erfreut sich in
Trotzdem darf man die Bilder natürlich ge-
ten – oder eben »Veduten« – von Dresden,
Pirna regen Interesses. Passenderweise im
trost als Meisterwerke bezeichnen – ob
die heute in der Gemäldegalerie »Alte Mei-
Canaletto-Haus am Marktplatz bewundern
sie nun »Auf der Festung Sonnenstein
ster« zu sehen sind. Zwischen 1753 und 1756
Besucher die ebenso simple wie wirkungs-
über Pirna« heißen oder eben den Pirnaer
entstand ein weiterer Zyk-lus von elf An-
volle Funktionsweise dieses Projektionsap-
Marktplatz zeigen. Letzterer hat sich übri-
sichten Pirnas; etwas weniger bekannt, aber
parats: Über eine Linse und einen Spiegel
gens seit den Zeiten des Malers kaum verän-
mindestens so sehenswert wie die Dresdner
wird das Bild der Umgebung direkt auf
dert und wer sich das Bild im Canaletto-Haus
Bilder. Auch diese Werke bestechen durch
den Zeichentisch in einer komplett abge-
anschaut, erkennt ohne Schwierigkeiten den
ihre Detailgenauigkeit und entsprechen da-
dunkelten Sänfte projiziert. Dort muss der
Platz vor den Fenstern wieder. Besonders gut
mit perfekt dem Zweck der Vedutenmalerei:
Maler die wichtigsten Linien und Raum-
klappt das übrigens einmal im Jahr: Dann
einer möglichst realitätsgetreuen Darstellung
bezüge nur mehr auf Papier nachzeichnen,
stellen die Pirnaer ihr Lieblingsgemälde mit
von Städten und Landschaften im Auftrag
wenn auch durch die Linsenprojektion
historischen Kostümen selbst nach.
des Regenten. Natürlich sollte das Ergebnis
spiegelverkehrt.
Canaletto wäre ganz sicher stolz darauf ...
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KULTUR · GÖRLITZ
Cinecittà
an der Neiße
Die italienische Filmstadt »Cinecittà« ist vielen Kinoliebhabern ein Begriff. Weniger bekannt: Auch in Görlitz geben sich seit Jahren Regisseure und Hollywoodstars die Klinke in die Hand. Wieso eigentlich?
Florian David Fitz im Görlitzer Rathaushof als Carl Friedrich Gauß in »Die Vermessung der Welt« · © Boje Buck Produktion 42
KULTUR · GÖRLITZ
Schauspieler Götz Schubert als Meno Rohde in der Bestsellerverfilmung »Der Turm« · © ZDF/teamWorx/ · Foto: Nik Konietzky
er Markus Bensch bei der Arbeit beobachtet, könnte ihn leicht für einen Flaneur halten. Für einen Spaziergänger mit Blick für Architektur, die Farbe des Straßenpflasters oder den Zustand des Bahnhofs. Ganz falsch ist der Gedanke nicht. Doch während interessierte Touristen in Gedanken Reiseführer-Empfehlungen abhaken, entstehen im Kopf von Markus Bensch neue Welten. Und die gibt es dann – wenn alles glatt geht – irgendwann im Kino zu sehen. Markus Bensch • Foto: privat
PARIS, NEW YORK – ALLES KEIN PROBLEM
kers »In 80 Tagen um die Welt« aufspürte,
sich für Jules Vernes Weltreisenden Phileas
Bis dahin ist es freilich ein weiter Weg und
ist er begeistert von Stadt und Leuten. Denn
Fogg der Görlitzer Untermarkt in einen Pa-
ein gutes Stück davon legt Markus Bensch
beides muss stimmen, wenn ein Filmdreh vor
riser Marktplatz und die Landskron-Brauerei
zurück – im besten Sinne des Wortes zu Fuß,
Ort gelingen soll: Die schönsten Kulissen,
wurde – man höre und staune – zum New
im Auto und immer mit wachem Blick für
Bauwerke oder Landschaften nützen wenig,
Yorker Hafen. Bensch holte auch Kate Wins-
Details, Stimmungen, Atmosphäre. Denn
wenn das Umfeld nicht funktioniert. Für
let nach Görlitz, die für ihre Rolle als Han-
genau darauf kommt es bei seinem Job an:
jeden Dreh müssen Straßen gesperrt, Hau-
na Schmitz in »Der Vorleser« ihren ersten
Beim Studio Babelsberg ist er für die Aus-
seigentümer überzeugt, Genehmigungen
Oscar bekam. Regisseur Quentin Tarantino
wahl der Drehorte verantwortlich. Und
eingeholt und Dutzende Absprachen getrof-
drehte vor Ort einige Szenen der Nazi-Gro-
immer wieder kommt er dabei auf Görlitz
fen werden. »Wenn es da ständig irgendwo
teske »Inglourious Basterds« und in Kürze
zurück und findet, dass »man hier wirklich
klemmt, kann ein ganzer Film in Schwierig-
wird Willem Dafoe in »The Grand Budapest
jeden Film drehen könnte.«
keiten kommen – aber in Görlitz und auch
Hotel« zu sehen sein, wie er auf dem Motor-
Seit Bensch 2003 die Neiße-Stadt für die
anderswo in Sachsen habe ich wirklich nur
rad die Berliner Straße entlangknattert.
Hollywood-Variante des Jules-Verne-Klassi-
gute Erfahrungen gemacht.« So verwandelte 43
KULTUR · GÖRLITZ
FILMSTADT AUS TRADITION
Auch der ZDF-Straßenfeger »Der Turm«
die mondänen Bürgervillen nahe dem Zen-
Görlitz als Drehort ist keine Entdeckung
entstand teilweise in Görlitz. Beim Blick
trum. Diese Vielfalt und einige versteckte
der letzten Jahre. Seit 1954 sind in der
auf die Bandbreite der Filme und der jeweils
Qualitäten machen Görlitz so besonders –
Stadt über 70 Filme gedreht worden, Ten-
dargestellten Epochen wird klar, was die
für Touristen und für Spezialisten wie Mar-
denz weiter steigend. Neben den interna-
Stadt für Filmemacher so attraktiv macht.
kus Bensch. Auch wenn der zuweilen auf
tionalen Produktionen unter der Feder-
Geschichten aus den »Goldenen Zwanzi-
andere Details achtet. ›Der Vorleser‹ spielt
führung von Studio Babelsberg entstanden
gern« lassen sich hier ebenso umsetzen wie
ja eigentlich in Heidelberg. Dort wusste ich
hier 2009 etliche Szenen des Films »Goe-
historische Stoffe aus dem 18. Jahrhundert
aber nach einem kurzen Spaziergang durch
the!«, zwei Jahre später fand Detlef Buck
oder aus der Wendezeit. Orte wie der Un-
die Innenstadt: Hier wird das nichts. Viel zu
hier die richtigen Bilder für die Verfilmung
termarkt und die Gassen der Altstadt regen
viel Außenwerbung und so viele Touristen-
des Bestseller-Romans »Die Vermessung
das Kopfkino an und sind wie geschaffen für
gruppen, dass eine vernünftige Arbeit kaum
der Welt« von Daniel Kehlmann. Eben-
Ausflüge ins Reich der Fantasie. Gleiches
möglich schien.«
falls 2011 war Jan-Josef Liefers für eine
gilt für das Neiße-Ufer, das gleich hinter der
So machte Görlitz das Rennen, wo Bensch
weitere Literaturverfilmung vor Ort:
Stadt wildromatische Züge annimmt, oder
bis heute immer wieder besondere Ecken
Der junge Gauß (Lennart Hänsel) mit seinem Lehrer Büttner (Karl Marcovics) am Untermarkt · © Boje Buck Produktion
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entdeckt. Der Bahnhof zählt dazu – »einer
Görlitz-Besucher von Belang sind. »Das
pest Hotel« sei die 120 Mann starke Film-
meiner Lieblingsorte: in gutem historischen
Essen ist ganz wichtig beim Film«, weiß
crew über 14 Wochen vor Ort gewesen, eine
Zustand, nicht totsaniert und kaum Vanda-
Bensch. »Man braucht gute Restaurants
vergleichsweise lange Zeit. Dennoch »ist
lismus. Das ist ideal.« Abgesehen von der-
und Gastgeber, damit sich die Filmcrew
alles prima gelaufen und das spricht schon
lei »Spezialinteressen« zählen für ihn viele
nach ihren harten Arbeitstagen wohlfühlen
sehr für Görlitz und seine Gastgeber.«
Dinge, die auch für den durchschnittlichen
kann.« Beim Dreh von »The Grand Buda-
KULTUR · GÖRLITZ
Jan-Josef Liefers in Görlitz bei den Dreharbeiten zu »Der Turm« · © ZDF/teamWorx/ · Foto: Nik Konietzky
1967 Kleiner Mann, was nun?
Nadja Uhl in »Der Turm« © ZDF/teamWorx Foto: Nik Konietzky
Filme in Görlitz (Auswahl)
1969 Jeder stirbt für sich allein 1977 Über sieben Brücken musst du gehen 1980 Gevatter Tod 1983 Sachsens Glanz und Preußens Gloria 1992 Rosenemil 1994 Bruder Lustig 2002 Die Frau des Architekten 2003 In 80 Tagen um die Welt 2008 Der Vorleser 2008 Inglourious Basterds 2009 Goethe! 2011 Die Vermessung der Welt 2011 Der Turm 2013 The Grand Budapest Hotel
Die Ruhe vor dem Dreh: der Görlitzer Untermarkt · Foto: Mario Frost 45
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