Wie macht Ihr das?! Zahlen und Daten zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Freien Kinder- und J

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SIND WIR LAUT SCHES I R E Y A B Ä I S C H- S T I VA L P O R U E 13. E E AT E R F 02.2024 H T R E 1. K IND G, 06.–1 R E B N NÜR

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2023 Magazin Theater für junges Publikum

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Theater für junges Publikum Magazin 2023

ASSITEJ Theater der Zeit

DIE BÜHNE IST IM

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Zahlen und Daten zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Freien Kinder- und Jugendtheater in Deutschland Diskussion der Studienergebnisse

Wie macht Ihr das?! ASSITEJ Theater der Zeit


STREITEN?

So ein Theater

Saison 2023/2024

Teens

(ab 12 Jahren)

Kids

(ab 4 Jahren) Ich heisse NAME Theater Jungfrau & Co. Bern & Theater Blau Zürich | 5+ SO 19.11. | 15 : 00 Uhr Schulvorstellungen: MO 20.11. | 09 : 30 & 14 : 00 Uhr KOPRODUKTION S’ letschte Märlibuech Ein Familienstück mit Live-Musik von Notenkopf und Wortgold | 6+ Im Rahmen des Zuger Märlisunntig: SO 10.12. | 13 : 30 & 16 : 00 Uhr Schulvorstellungen: DI 12.12. | 09 : 30 Uhr MI 13.12. | 09 : 30 Uhr Famillienvorstellung: MI 13.12. | 18 : 00 Uhr

SCHAUBURG – THEATER FÜR JUNGES PUBLIKUM SPIELZEIT 2023/2024

Jupiter Zuger Sinfonietta, Wüstendörfer & Huangci | 6+ Schulkonzert: DI 19.12. | 09 : 30 Uhr

Heidi feiert Weihnachten Singspiel für die ganze Familie in einem Akt | TOBS Theater Orchester Biel Solothurn | 6+ SO 24.12. | 14 : 00 Uhr Stereo – Typen Kolypan & Teatro Lata | 8+ SO 21.01. | 15 : 00 Uhr Oh Brüder, oh Schwestern Vorstadttheater Basel | 10+ SO 03.03. | 15 : 00 Uhr Schulvorstellungen: MO 04.03. | 09 : 30 & 14 : 00 Uhr Was macht ds Wätter? Ein Objekttheater für alle von Engel & Magorrian | 4+ SO 17.03. | 15 : 00 Uhr Emma und der Rehwolf Ein Stück von Familie Schrammel mit Musik für die ganze Familie | 5+ SO 28.04. | 15 : 00 Uhr Das Haus meines Geistes Ein Stück für junges Publikum von Old Masters | 5+ MI 05.06. | 15 : 00 Uhr Schulvorstellung: MI 05.06. | 09 : 30 Uhr

Hamlet von William Shakespeare – Deutsch von Helmut Krausser | TAK Theater Liechtenstein | 15+ DI 28.11. | 20 : 00 Uhr Der Barbier von Sevilla Rossinis Oper als grosses Figurentheater in der Regie von Nikolaus Habjan | Theater Basel | 12+ SA 13.01. | 19 : 00 Uhr B Eine installative Reise durch Schneewittchens 11 Räume mit trickster-p | 12+ DO 18.01. | ab 19 : 00 Uhr FR 19.01. | ab 19 : 00 Uhr SA 20.01. | ab 16 : 00 Uhr Ein Sommernachtstraum von William Shakespeare in der Regie von Antú Romero Nunez | Theater Basel | 14+ DO 21.03. | 19 : 00 Uhr Romeo und Julia auf dem Dorfe nach der Novelle von Gottfried Keller | Theater Kanton Zürich | 14+ MI 03.04. | 20 : 00 Uhr Sei kein Mann Tanztheater für Jugendliche und Erwachsene von Kollektiv F | 12+ DI 28.05. | 20 : 00 Uhr Schulvorstellung: DI 28.05. | 09 : 30 Uhr

MI 27.09. — SA 30.09.

YOUNG DANCE

Internationales Tanzfestival Zug | 5+

Bei Schulvorstellungen sind alle Besucher:innen herzlich willkommen. Tickets sind zu den normalen Ticketpreisen am Kartenverkauf erhältlich. Kartenverkauf + 41 41 729 05 05 karten@theatercasino.ch Theatervermittlung +41 41 729 10 50 vermittlung@tmgz.ch

Mehr Infos und Tickets theatercasino.ch/programm


editorial

von Brigitte Dethier

D

Brigitte Dethier ist erste Vorsitzende im Vorstand der ASSITEJ Deutschland und seit der Spielzeit 2022/2023 als freie Regisseurin tätig. Zuvor war sie Intendantin des Jungen Ensemble Stuttgart. Foto: Jan Merkle

ieser Neustart war dringend notwendig. Die Coronapandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen haben Theater und Künstler*innen, die für ein junges Publikum arbeiten, in eine plötzliche Krise gestürzt. Die gemeinsame Präsenz in einem Raum, die das Theater ausmacht, war nicht mehr möglich. Künstler*innen und Theatereinrichtungen konnten ihrer Arbeit nicht nachgehen, Kinder und Jugendliche mussten zuhause bleiben und auf fast alles, was mit Begegnung, Freizeit und Spaß zu tun hat, verzichten. Deshalb war es ein wichtiger Schritt, dass die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien das Programm NEUSTART KULTUR aufgesetzt hat. Die ASSITEJ hat sich als Projektträger angeboten, um in einem nächsten wichtigen Schritt dafür Sorge zu tragen, dass auch die Freien Theater für junges Publikum unterstützt und somit die größten Härten der Pandemie abgefedert werden konnten. Darstellende Künste für junges Publikum in Deutschland sind künstlerisch und organisatorisch höchst vielfältig. Damit die ASSITEJ als Stimme der Theater für junges Publikum und Player der Kulturellen Bildung noch besser die Bedarfe dieser heterogenen Landschaft vom kleinen Ein-Personen-Theater bis zum eigenständigen Kinder- und Jugendtheaterhaus vertreten kann, war es dringend angebracht, insbesondere die wirtschaftliche Lage der Freien Kinder- und Jugendtheater zu evaluieren. Die hier vorgestellten Studien gehen geht auf die Lage vor und während der COVID-19-Pandemie ein. Sie zeigt die prekären Bedingungen, unter denen große Teile der Theaterschaffenden für junges Publikum nicht nur während, sondern auch schon vor der Pandemie gearbeitet haben. Sie zeigen, wie viel Freie Kinderund Jugendtheater reisen und wie enorm viele Aufführungen sie pro Jahr zeigen – sowohl in Schulen, Kitas als auch Jugendfreizeiteinrichtungen, also direkt im Alltagsleben der Kinder und Jugendlichen, wo verschiedene Milieus und soziale Gruppen zusammenkommen. Kinder haben ein Recht auf die Beteiligung am kulturellen und künstlerischen Leben. Um dieses Recht einlösen zu können, brauchen wir eine kulturelle Grundversorgung mit Darstellenden Künsten für junges Publikum. Menschen, die schon in ihrer Kindheit Zugänge zu den Künsten gefunden haben, profitieren oft ihr ganzes Leben davon. Deshalb ist es besonders wichtig, Kindern die Türen zu den Darstellenden Künsten zu eröffnen – damit sie die Chance erhalten, Theater als Ausdrucksmittel, als Reflexionsraum, als Ort zum Sehen, Hören, Fühlen, Vorstellen und Denken für sich zu entdecken. Im Fokus: Freies Kinder- und Jugendtheater. Studien zur Situation 2017–2022 ist die bisher umfangreichste Erfassung von Daten über Freie Kinder- und Jugendtheater. In dieser Ausgabe von ixypsilonzett werden die Ergebnisse diskutiert und eingeordnet. Die Autor*innen bringen unterschiedliche Perspektiven mit: Expert*innen, die die Zahlen erhoben und interpretiert haben, werden ergänzt durch Expertisen für spezifische Themenfelder. Am Ende stehen (wie immer) Forderungen. An die Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik. Als Ermutigung und Aufforderung, Theater für junges Publikum zu erhalten, zu fördern und auszubauen. Für die jungen Menschen in unserem Land und für die Künstler*innen, die diese wichtige Arbeit machen. Ich wünsche allen viel Freude und Erkenntnis beim Lesen (und Rechnen)! Brigitte Dethier Vorstandsvorsitzende der ASSITEJ


ixypsilonzett | Magazin 2023

Johanna Benz graphicrecording. cool

Wie macht Ihr das?! Coverillustration und Zeichnungen:

inhalt

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Editorial

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Vorworte

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Lesehinweise

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Zwischen Impfung, Screen und Bühne: Der Entstehungskontext des Sammelbandes Im Fokus: Freies Kinder- und Jugendtheater. Studien zur Situation 2017–2022 Eine für alle? Was die neue Studie der ASSITEJ für alle Kinder- und Jugendtheater bedeuten kann

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Wer? Wo? Wie? Charakteristika der Freien Kinder- und Jugendtheater Wider die Verniedlichung: Ästhetische Charakteristika Strukturelle Charakteristika

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Kinder- und Jugendtheater überall – Theater und ländliche Räume

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Theater für alle versus faire Bezahlung? Die wirtschaftliche Dimension des Kinder- und Jugentheaters

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Betriebswirtschaftliche Zusammenhänge im (Freien) Kinder- und Jugendtheater

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Kinder- und Jugendtheater als Arbeitsplatz – (K)Eine Arche für soziale Theaterproduktion? „Wenn ich meine Frau wäre, würde ich mich verlassen.“ Theater und Familienleben

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Theater und Bürokratie: Wie kann das Zuwendungsrecht der Zukunft aussehen?

42

You’ll never walk alone: Die Rolle von Netzwerken, Kooperationen und Bündnissen im Freien Kinder- und Jugendtheater LaFTs, ASSITEJ, Studienkontakte – Formelle und informelle Netzwerke Partner*innen im Bereich Bildung

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Diversität im Freien Kinder- und Jugendtheater: völlig normal? Zur Abfrage von Diversitätsdimensionen in Förderanträgen Das Publikum im Zentrum Das Ziel: nachhaltig und ganzheitlich

50

Die Zukunft jetzt gestalten! In Kontakt kommen Die Datenlage im Blick Vielfältiges Vermitteln in diversen Landschaften Im Kontakt bleiben

54

Was folgt

58

Die Freien Darstellenden Künste und das junge Publikum Plädoyer für ein strukturelles Umdenken

61

Wie wird Kultur in Zahlenform gebracht? – Datenerhebung und Methodik

65 66 67 68 68

Glossar Literatur- und Quellenverzeichnis Abbildungsverzeichnis Autor*innen und Beteiligte Impressum


Wie macht Ihr das?!


vorworte Liebe Theaterschaffende, liebe Leser*innen, „trau dich, trau dich ... auch wenn es daneben geht. Trau dich, trau dich … es ist nie zu spät!“ Diese Zeilen gehen mir sofort durch den Kopf, wenn ich ans Theater für junge Menschen denke. Sie stammen aus einem Klassiker des Berliner Grips Theaters, einem Lied für Mutige und Ängstliche und alle dazwischen. Mutig, ängstlich oder irgendwo dazwischen verortet sich jedes Kind. Im Theater hat es die Chance, sich selbst zu reflektieren, sich in Beziehung zum Gezeigten zu setzen. Gerade das Theater ist der Ort, an dem Kinder und Jugendliche mehr Mut und ihre eigene Stimme entdecken können. Und das ist prägend und ermutigend! Denn Kinder und Jugendliche haben das Recht auf Kulturelle Teilhabe und Mitgestaltung – unabhängig davon, ob sie in der Großstadt oder auf dem Land aufwachsen, wie viel ihre Eltern verdienen, ob sie eine Beeinträchtigung haben oder nicht. Diese Zugänge schaffen zum großen Teil die Freien Kinder- und Jugendtheater in der gesamten Bundesrepublik – und mit Ihnen die Menschen, die für und mit Kindern und Jugendlichen kreativ sind: die Regisseur*innen, die Darsteller*innen, die Theaterpädagog*innen, die künstlerischen Leiter*innen und viele mehr. Ihr Beitrag zur Kulturellen Bildung für junge Menschen ist unersetzlich und dafür danke ich allen Theaterschaffenden ausdrücklich! Fachlich unterstützt werden sie durch das Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland (KJTZ). Das Bundesjugendministerium hat es 1989 eingerichtet und fördert es seitdem. Das KJTZ schafft Austausch und Begegnungen, fördert den Wissensaustausch zwischen den Akteur*innen der Darstellenden Künste – und setzt sich dafür ein, dass Kinder und Jugendliche mitgestalten. Theater erleben, Theater gemeinsam machen – das war während der Coronapandemie zeitweise unmöglich. Häuser mussten schließen, Stücke neu arrangiert oder aus dem Programm genommen werden, mobile Theatergruppen konnten nicht touren. Was haben wir aus dieser Zeit gelernt? Was brauchen Kinder- und Jugendtheater in Zukunft, um ihrem Auftrag gerecht zu werden? Darüber gibt die Auswertungsstudie des Förderprogramms Neustart Kultur – Junges Publikum Aufschluss. Sie wurde mit Spannung erwartet – dieses Heft stellt die Ergebnisse vor. „Kunst und Kultur ermöglichen es uns, gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen unsere Phantasie zu nutzen, um eine Welt zu schaffen, in der wir gemeinsam besser leben.“ So steht es im Manifest der ASSITEJ, der Internationalen Ver-

einigung des Theaters für Kinder und Jugendliche. Das Manifest ist während der Corona-Pandemie entstanden. Gerade in Krisenzeiten ist der Zusammenhalt zwischen den Generationen, der gemeinsam in die Zukunft gerichtete Blick so wichtig. Gerade angesichts der Klimakrise, des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und seiner weitreichenden Folgen sollten wir Kinder und Jugendliche in die Entscheidungen, die sie heute und in Zukunft betreffen, besser einbeziehen – um gemeinsam an einer Zukunft zu arbeiten, die für alle lebenswert bleibt. Als Bundesjugendministerin ist es mir sehr wichtig, dass sich junge Menschen einbringen können. Dafür habe ich das Bündnis für die junge Generation gegründet. Mit dem Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit machen wir jungen Menschen Mut, ihre eigenen Ideen in die Tat um zusetzen. Zudem will ich sie besser beteiligen – und mit einem Nationalen Aktionsplan die Kinder- und Jugendparlamente auf kommunaler Ebene weiter stärken. Im Koalitionsvertrag ist das Wahlalter 16 vereinbart. Dafür setze ich mich mit aller Kraft ein – damit die Stimme der Jugend mehr zählt! „Trau dich, trau dich … dann könnt ihr bald viele sein … trau dich, trau dich … du bist nicht allein!“ Diese Zeilen von Volker Ludwig machen heute genauso viel Mut wie vor 48 Jahren. Sie zeigen die emanzipatorische Kraft des jungen Theaters – eine Kraft, die wir in herausfordernden Zeiten mehr denn je brauchen. Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre dieser Sonderausgabe der ixypsilonzett. Ihre

Lisa Paus MdB

Lisa Paus ist Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Foto: Laurence Chaperon


vorworte

in welchen Regionen der Bundesrepublik präsentieren die Freien Kinder- und Jugendtheater ihre Stücke? Welche Orte machen sie zu ihren Bühnen? Welche Genres und Formensprache wählen sie? Mit wie vielen Aufführungen begeistern sie jedes Jahr erneut ihr Publikum? Aber vor allem: Wie ermöglichen sie die erschwinglichen Ticketpreise? Bisher gab es auf solche Fragen keine Antworten. Denn obwohl das Kinder- und Jugendtheater in Deutschland – speziell die Freien Darstellenden Künste für junges Publikum – ein unverzichtbarer Bestandteil der Kulturlandschaft der Bundesrepublik und eine tragende Säule für die kulturelle Vielfalt und Entwicklung in unserer Gesellschaft ist, war die Datenlage zu dieser Sparte bislang sehr dünn. Die fehlenden Zahlen erschwerten zunächst die Entwicklung des Programms NEUSTART KULTUR – Junges Publikum, das viele freie Kinder- und Jugendtheater in der Coronazeit dabei unterstützte, ihre Arbeit aufrecht zu erhalten und weiterzuentwickeln. Das Förderprogramm hat mit 21 Millionen Euro mehr als 250 Theatern geholfen, diese Krise zu überstehen. Erstmalig unterstützte der Bund mit diesem Programm Theater für junges Publikum nicht nur als Instrument der kulturellen Vermittlung, sondern unter dem Aspekt der Kunstförderung. Kinder und Jugendliche haben in einer demokratischen Gesellschaft Anspruch darauf, am kulturellen Leben teilzuhaben. Dazu bedarf es in der gesamten Bundesrepublik eines breiten, niedrigschwelligen und inklusiven kulturellen Angebots für Kinder und Jugendliche aus allen sozialen Schichten. Bisher gab es keine Statistiken zu den Freien Darstellenden Künsten für junges Publikum, deren Arbeit meist jenseits großer, repräsentativer Kultureinrichtungen stattfindet. Die Auswertungsstudie der ASSITEJ gibt erstmals einen wichtigen Einblick in deren Struktur und die Arbeitsrealitäten. Sie verdeutlicht den massiven Anteil dieser Theater an einem flächendeckenden und preislich erschwinglichen kulturellen Angebot für Kinder und Jugendliche. Das Engagement der Freien Szene ist ein Grundbaustein eines Kulturangebots, das zugänglich und nahbar ist, zum Beispiel als mobiles Gastspiel, das zu seinem Publikum in die Schulen und Kitas kommt und mit partizipativen Projekten Räume für eigene künstlerische Erfahrungen öffnet. Wohl nirgendwo sonst ist das Theaterpublikum so divers wie im Bereich der Kinder- und Jugendtheater, und das liegt nicht zuletzt an solchen Angeboten, die über Kitas und Schule Kinder unterschiedlicher Herkunft erreichen. Daran zeigt sich, dass diese verhältnismäßig kleine, aber

agile Sparte für den gesamten Bereich der darstellenden Künste von Bedeutung ist. Auf der anderen Seite offenbart die Studie aber auch, wer den Preis für ein finanziell niedrigschwelliges Kinder- und Jugendtheaterangebot zahlt. Ein abwechslungsreicher Spielplan und maßgeschneiderte pädagogische Angebote werden noch viel zu oft zu Lasten der Künstler*innen realisiert – mit Honoraren, die unter der notwendigen Mindestgrenze liegen, oder über Querfinanzierungen aus anderen Erwerbstätigkeiten. Daher müssen wir uns fragen, welche sozialen Rahmenbedingungen nötig sind, um das jeweils individuelle künstlerische Schaffen, aber mittelbar damit auch gesamtgesellschaftlich ein freiheitliches Kulturleben bestmöglich zu unterstützen. Diese Rahmenbedingungen zu verbessern, haben sich die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag zur Aufgabe gemacht. Sie haben sich unter anderem zum Ziel gesetzt, die statistische Berichterstattung zu verbessern, Mindesthonorierungen freischaffender Künstler*innen und Kreativer in die Förderbestimmungen des Bundes aufzunehmen, sowie soloselbstständige und hybrid beschäftigte Kreative besser abzusichern. Im ersten Jahr der Legislaturperiode hat das federführende Bundesministerium für Arbeit und Soziales bereits wichtige Regelungen zur strukturellen Verbesserung der sozialen Lage für Selbstständige und überwiegend kurz befristet Beschäftigte auf den Weg gebracht. Als Bundesregierung arbeiten wir daran, weitere Verbesserungen der Rahmenbedingungen herbeizuführen, um es Künstler*innen zu ermöglichen, aus kreativem Schaffen zuverlässiger eine nachhaltige Lebensgrundlage zu erwirtschaften. Ich hoffe, dass die Erkenntnisse der Studie dazu beitragen, dass das Theater für junges Publikum mehr Aufmerksamkeit, mehr Anerkennung und auch mehr Unterstützung erfährt.

Claudia Roth MdB

Claudia Roth ist Staatsministerin für Kultur und Medien. Foto: J. Konrad Schmidt

Wie macht Ihr das?!

Liebe Theaterakteur*innen, liebe Leser*innen,

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ixypsilonzett | Magazin 2023

Lesehinweise Quellen In den nachfolgenden Beiträgen werden die Ergebnisse des Sammelbandes Im Fokus: Freies Kinder- und Jugendtheater. Studien zur Situation 2017–2022 verhandelt. Der Sammelband besteht aus zwei Studien und Anhängen:  einer quantitativen Erhebung mit Fokus auf wirtschaftliche Kennzahlen der Theater: Geza Adasz/Valerie Eichmann/Stefanie Fischer: „Quantitative Erhebung zur wirtschaftlichen Lage der Freien Kinder- und Jugendtheater in Deutschland zwischen 2017 und 2021.“ In: Im Fokus: Freies Kinder- und Jugendtheater. Studien zur Situation 2017–2022, hg. von ASSITEJ e.V., Frankfurt am Main, 2023.  und einer qualitativen Interviewbefragung mit Fokus auf soziale und ökonomische Faktoren der Freien Kinder- und Jugendtheater: Ulrike Kaden/SabineWellmer/Marco Puxi: „Qualitative Studie zur Lage von Theaterschaffenden in Freien Kinder- und Jugendtheatern in Deutschland 2022. Im Auftrag der ASSITEJ e.V. Deutschland, Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik, Berlin.“ In: Im Fokus: Freies Kinder- und Jugendtheater. Studien zur Situation 2017– 2022, hg. von ASSITEJ e.V., Frankfurt am Main, 2023. Wörtliche Zitate der interviewten Personen aus der qualitativen Interviewbefragung sind dem oben genannten Artikel von Kaden/Wellmer/Puxi 2022 entnommen und werden mit dem Hinweis „Interviewte Person“ in der Fußnote gekennzeichnet. Die vorgestellten Statistiken basieren, sofern nicht anders gekennzeichnet, auf der o. g. quantitativen Erhebung von Adasz/Eichmann/Fischer. Beide Studien werden im Folgenden zitiert und mit weiterführenden Gedanken kommentiert.

Datengrundlage Die Studien des Sammelbandes Im Fokus: Freies Kinderund Jugendtheater. Studien zur Situation 2017–2022 basieren auf den Daten, die im Rahmen des Förderprogramms NEUSTART KULTUR – Junges Publikum erhoben wurden. Es ist daher zu beachten, dass jene Theater von der Betrachtung ausgeschlossen sind, die aufgrund ihrer Struktur nicht antragsberechtigt waren oder aus anderen Gründen keine Anträge gestellt haben. Die Fördergrundsätze des Programms bilden daher die Definitionskriterien der untersuchten Gruppe. Als Freie Kinder- und Jugendtheater zählen demnach:  Theater mit und ohne eigene Spielstätte, *  Einzelunternehmende,  GbRs mit eigenem Spielbetrieb sowie  Mehrspartenhäuser, die ein klares Profil im Kinder- und Jugendtheater haben  und unabhängig von der Form nicht mehr als 70 Prozent institutionelle öffentliche Förderung erhalten. Dies gilt nur, wenn die Förderung die Kosten für Personal und Honorarkräfte nicht deckt. Andernfalls darf die institutionelle Förderung nur 50 Prozent betragen. Da die Datengrundlage auf der Antragstellung im Förderprogramm beruht, kann es stellenweise zu Unschärfen kommen, wenn beispielsweise nur ein Theater mit einem spezifischen Kriterium (Bundesland, Rechtsform, o. Ä.) einen Antrag gestellt hat. Diese Unschärfen werden bei der Interpretation der Ergebnisse jedoch beachtet, sodass die Gesamtauswertung nicht negativ beeinflusst wird. In diesem Sinn werden stellenweise keine spezifischen Interpretationen gemacht, wenn zu diesem Kriterium zu wenig Datenmaterial vorhanden ist. Diese Leerstellen in den Daten können (und sollten) als Anregung für weitere statistische Erhebungen und Untersuchungen verstanden werden.

Darstellung in Tabellen Autor*innenschaft Sofern nicht anders gekennzeichnet, sind die nachfolgenden Beiträge in Zusammenarbeit von Geza Adasz, Valerie Eichmann und Stefanie Fischer verfasst worden. Sie sind ebenso Autor*innen der Studie Quantitative Erhebung zur wirtschaftlichen Lage der Freien Kinder- und Jugendtheater in Deutschland zwischen 2017 und 2019. In dieser Ausgabe von ixypsilonzett. Theater für junges Publikum erläutern und kommentieren sie unter Mitwirkung eines Fachbeirats bestehend aus Skadi Konietzka, Mirrianne Mahn, Gabriela Mayungu, Helge-Björn Meyer, Dr. Thomas Renz, Prof. Dr. Wolfgang Schneider und Dr. Aron Weigl die erhobenen Daten. Durch die Beiträge von Skadi Konietzka, Kai Liczewski und Prof. Dr. Wolfgang Schneider werden die vorgestellten Daten im größeren Kontext der Freien Darstellenden Künste für junges Publikum diskutiert.

Teilweise liegen zu bestimmten Fragestellungen nicht genügend konsistente Datensätze innerhalb einer bestimmten Gruppe vor, um eine Aussage daraus abzuleiten. Beispielsweise wenn N = 1, in einer Gruppe also nur die Daten eines einzigen Theaters zur Verfügung stehen. In solchen Fällen sind die Daten der Vollständigkeit halber zwar in der Tabelle aufgeführt, wurden aber durch graue Schriftfarbe optisch abgeschwächt. Weiterhin können vereinzelt Rundungsdifferenzen auftreten.

Gendersprache Eine gendersensible, inklusive Sprache war beim Verfassen dieser Publikation von Bedeutung. Das Sternchen (*) als Genderzeichen und zur Inklusion nichtbinärer, transgeschlechtlicher Personen findet vorliegend Anwendung. *

Künstler*innen die nicht eigenständig produzieren, sondern ausschließlich an Produktionen mitwirken, wie beispielsweise Schauspieler*innen, Musiker*innen, Regisseur*innen, etc., waren nicht antragsberechtigt.


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ixypsilonzett | Magazin 2023

Zwischen Impfung, Screen und Bühne:

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Der Entstehungskontext des Sammelbandes Im Fokus: Freies Kinder- und Jugendtheater. Studien zur Situation 2017–2022 von Geza Adasz, Valerie Eichmann und Stefanie Fischer

Wie macht Ihr das?!

er Sammelband besteht aus zwei Studien, die im Kontext des Förderprogramms NEUSTART KULTUR – Junges Publikum erstellt wurden. Was dieser Kontext für die erhobenen Daten bedeutet und welche Ziele mit Im Fokus: Freies Kinder- und Jugendtheater verfolgt werden, wird hier vorgestellt. Um die schwerwiegenden Folgen der Einschränkungen und Lockdowns in der COVID-19-Pandemie abzufedern, stellte die Bundesregierung mit der NEUSTART KULTUR-Förderung einen beispiellosen Rettungsschirm bereit: Zwei Milliarden Euro wurden für den Erhalt der Kunst- und Kulturlandschaft in Deutschland bewilligt. Rund 21 Millionen Euro davon waren exklusiv den Freien Darstellenden Künsten für junges Publikum gewidmet. Für viele Freie Theater waren diese Fördergelder existenzsichernd. Schulen und Kitas, die nicht nur Zielgruppen, sondern für mobile Bühnen auch Vorstellungsorte sind, waren auch 2021, als erste Lockerungen ein kulturelles Leben allmählich wieder zuließen, noch lange von strikten Auflagen zum Infektionsschutz wie klassenweiser Quarantäne und Homeschooling betroffen. Zudem hatten viele Lehrkräfte nicht die Kapazitäten, außerunterrichtliche Aktivitäten zu planen, oder wurden von den Unwägbarkeiten dieser Zeit daran gehindert. Weiterhin waren Familien stark belastet durch die Herausforderung, Homeoffice und Homeschooling miteinander zu verbinden und standen unter psychischem Druck, etwa durch die Angst vor Ansteckung, durch finanzielle Sorgen aufgrund von Kurzarbeit, anschwellenden Energiepreisen und Inflation. All diese Faktoren beschnitten die Kulturellen Teilhabemöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen während der Pandemie gravierend. Die Förderung NEUSTART KULTUR – Junges Publikum hatte zum Ziel, die Freien Kinder- und Jugendtheater bei der Bewältigung dieser Herausforderungen zu unterstützen und so die Kulturellen Teilhabemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche während und auch nach der Pandemie zu sichern.

Gefördert wurde in drei Modulen:1  Modul A umfasste den Erhalt des Spielbetriebs für Theater mit eigener Spielstätte  Modul B förderte Gastspiele beispielsweise von mobilen Theatern  In Modul C wurden Projekte zur Publikumsgewinnung und -entwicklung gefördert. Die ASSITEJ hat als Fachverband der Darstellenden Künste für junges Publikum die Weiterleitung der Fördergelder an die Freien Kinder- und Jugendtheater bei der Beauftragten des Bundes für Kultur und Medien (BKM) beantragt und ist seit März 2021 hierfür zuständig. Damit lag auch die Bearbeitung aller Förderanträge und Verwendungsnachweise bei der ASSITEJ. So entstand im Rahmen der Realisierung des Förderprogramms eine in ihrer Tiefe einmalige Datenbasis, die erstmals Einblick in die betriebswirtschaftliche Struktur der Freien Kinder- und Jugendtheater gibt. Zusammen mit einer qualitativen Interviewbefragung geförderter Freier Kinderund Jugendtheater durch das Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) erscheint nun herausgegeben von der ASSITEJ mit Im Fokus: Freies Kinder- und Jugendtheater. Studien zur Situation 2017–2022 ein Sammelband, der auf Basis der durch die Förderung erhobenen Daten empirische Einblicke in die Arbeitsrealität und Struktur der Freien Kinder- und Jugendtheater in Deutschland gibt. Ein Beispiel: Da in den Modulen A und B nur der Erhalt des bisherigen Spielbetriebs gefördert werden konnte und nicht etwa eine Ausweitung oder Steigerung der Vorstellungsanzahl, können die beantragten Fördersummen in Höhe von rund 16 Millionen Euro (Modul A: 6 258 327,24 Euro, Modul B: 9 864 124,36 Euro) als Richtwert für die Ausgaben für künstlerisches Personal der Theater in Vor-Corona-Jahren gelesen werden.* Bezogen auf die Gesamtzahl der betrachteten Theater ergibt das eine durchschnittliche Budgethöhe je Theater von nur knapp 60 000 Euro jährlich. Nicht-künstlerische Kosten für etwa Verwaltung, Technik und Infrastruktur


Zwischen Impfung, Screen und Bühne

sind an dieser Stelle noch nicht mitgerechnet. Es drängt sich daher an dieser Stelle die Frage auf: Wie realisieren die Freien Kinder- und Jugendtheater damit ihren Spielbetrieb? In den nachfolgenden Beiträgen wird diesem wie nachgegangen. Dazu werden die Ergebnisse der zwei oben genannten Studien vorgestellt und im Kontext aktueller kulturpolitischer Debatten beleuchtet. Gemeinsam mit anderen Autor*innen und dem Fachbeirat, der die Entstehung von Im Fokus: Freies Kinder- und Jugendtheater. Studien zur Situation 2017–2022 begleitet hat, werden Tendenzen, Hypothesen und auch Handlungsempfehlungen für Politik und Verwaltung in den folgenden Beiträgen dargelegt. Das Ziel ist, nicht nur eine Deskription des aktuellen Zustands zu geben, sondern auch Anstoß für Veränderungsprozesse zu liefern. Wenn über Kunst, Kultur und Kulturelle Bildung gesprochen wird, wird meist schnell auf die Bedeutung solch meritorischer Güter für eine Gesellschaft verwiesen:** Kunst und Kultur bieten der Gesellschaft einen Mehrwert, indem sie beispielsweise zur Reflexion anregen, zum Perspektiv-

Beantragte Summe Modul

können und sollten daher an die Freien Kinder- und Jugendtheater ebenso wenig angelegt werden wie an öffentlich subventionierte Theater. Dennoch ist es wichtig, die Struktur und den Status Quo empirisch zu erfassen, um eine möglichst transparente Grundlage für kulturpolitische Entscheidungen zu schaffen. Bis auf wenige allgemeine Zahlen, wie sie beispielsweise das Statistische Bundesamt im Spartenbericht Darstellende Kunst zusammenträgt, bleiben aber die Kennzahlen zu Aufführungszahlen, Personalkosten, Einnahmen und Ähnlichem der Freien Theater überwiegend privatrechtliche Geheimnisse. Daraus folgt, dass sich die Kulturpolitik in einem Dilemma wiederfindet: Obwohl die Arbeit der Freien Theater im Allgemeinen Anerkennung findet, gibt es keine konsistente, vergleichbare quantitative Erhebung zum Betrieb aller Freien Theater in Deutschland, wie es beispielsweise die Theaterstatistik des Deutschen Bühnenvereins ist. Für Freie Theater, ihre Künstler*innen und ihre Vertreter*innen ist es folglich schwerer, im Gespräch mit potenziellen Förderern

Bewilligte Summe

Ausgereichte Mittel

N

9

N

Ø beantragte Summe

Ø ausgereichte Summe

Förderquote

N

Modul A (SAVE)

6 258 327,24 €

137

4 858 435,02 €

107

4 632 190,81 €

107

45 681,22 €

43 291,50 €

78%

Modul B (SHOW)

9 864 124,36 €

273

8 832 303,53 €

245

8 572 961,43 €

244

36 132,32 €

35 135,09 €

90%

Modul C (SUPPORT)

9 880 503,93 €

215

7 153 377,32 €

155

7 085 186,18 €

155

45 955,83 €

45 710,88 €

72%

Gesamtergebnis

26 002 955,53 €

625

20 844 115,87 € 507 20 290 338,42 €

506

41 604,73 €

40 099,48 €

81%

wechsel einladen oder identitätsstiftend wirken können. Sie tragen so zu einer Verbesserung unseres gesellschaftlichen Lebens und Seins bei, weswegen sie öffentlich gefördert werden sollen. Die Darstellenden Künste für junges Publikum richten sich in diesem Sinne speziell an Kinder und Jugendliche, um ihnen eine gleichberechtigte Teilhabe an Kunst und Kultur zu ermöglichen. Diese Aufgabe findet breiten gesellschaftlichen Zuspruch. So sehen beispielsweise 89 Prozent der Bevölkerung die Aufgabe der Stadt- und Staatstheater darin, ein Programm für Kinder- und Jugendliche anzubieten.2 Freie Theater unterstützen diesen gesellschaftlichen Willen und fungieren als wichtiger Pfeiler für die kulturelle Grundversorgung in der Fläche neben den staatlich geförderten Theatern. Sie müssen daher gleichwertig behandelt und in ihrer individuellen Form strukturell gestärkt werden, um das bestehende kulturelle Angebot für junges Publikum zu erhalten und idealerweise noch zugänglicher, diverser und nachhaltiger zu machen. Betriebswirtschaftliche Rentabilitätsansprüche

ihre Bedarfe fundiert darzulegen, sodass die Entwicklung passgenauer Förderprogramme gut gelingt. Im Fokus: Freies Kinder- und Jugendtheater. Studien zur Situation 2017–2022 bezieht sich daher vorrangig auf finanzielle und damit zusammenhängende soziale Aspekte des Freien Kinder- und Jugendtheaters, um dazu beizutragen, diese Lücke zu schließen, wohl wissend, dass Kunst und Kultur nicht in wirtschaftlichen Maßstäben allein betrachtet und gemessen werden kann.

*

Laut Fördergrundsätzen durften nur künstlerische Personalkosten gefördert werden. Als Definitionskriterium für künstlerisches Personal wurde der Normalvertrag (NV) Bühne Solo des Deutschen Bühnenvereins herangezogen. Alle Beschäftigungsgruppen, die darin unter § 1 genannt werden, wurden als künstlerisches Personal anerkannt, unabhängig davon, ob eine Beschäftigung nach NV-Bühne-Tarif vorlag. ** Meritorische Güter haben einen Mehrwert für die Gesellschaft, etwa Bildung, öffentlicher Nahverkehr, Kunst und Ähnliches, deshalb werden sie vom Staat gefördert und geschützt.

Wie macht Ihr das?!

Abb. 1: Eckdaten des Förderprogramms NEUSTART KULTUR – Junges Publikum Die Abblidung zeigt eine Zusammenfassung der Gesamtbilanz des Förderprogramms. Im Positiven auffällig ist zunächst die geringe Ablehnungsquote. Das Programm hat folglich eine hohe Anzahl an Freien Theatern erreichen können.


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Eine für alle? Was die neue Studie der ASSITEJ für alle Kinder- und Jugend­ theater bedeuten kann Jedes Jahr gibt der Deutsche Bühnenverein die Theaterstatistik mit zentralen Wirtschaftsdaten der öffentlich geförderten Theater, Orchester und Festspiele heraus. Hierin sind alle öffentlichen Theaterunternehmen, Spielstätten und Theaterfestivals in vergleichbarer Weise gelistet. Diese Auswertung von Kennzahlen über den Spielbetrieb erscheint seit Jahrzehnten konstant und ist ein wichtiges Instrument der kulturpolitischen Lobbyarbeit. Weiterhin kam 2018 mit der Studie Kunst und Macht im Theater von Thomas Schmidt eine repräsentative und aufmerksamkeiterregende Analyse der Arbeitsbedingungen an öffentlichen Theatern heraus. Die Freien Theater mit ihren fluiden und multidimensionalen Produktionszusammenschlüssen sind hingegen nur schwer zu erfassen, sodass es nur wenig repräsentatives Material gibt. Der Fonds Darstellende Künste hat mit dem Report Darstellende Künste –Wirtschaftliche, soziale und arbeitsrechtliche Lage der Theater- und Tanzschaffenden in Deutschland (2010) ein zentrales Kompendium über die sozioökonomische Situation der Theaterschaffenden herausgebracht, das den Finger in die Wunde der prekären Arbeitsverhältnisse in der deutschen Theaterlandschaft legt. Der Systemcheck des Bundesverbands Freie Darstellende Künste schließt hier seit 2021 mit Fokus auf die Freie Theaterlandschaft und ihrer sozialen Absicherung an. Dies sind nur einige Beispiele für empirische Erhebungen, die wesentlich dazu beitragen, die Interessen von Künstler*innen vor der Politik zu vertreten. Einen dezidierten Blick auf das Theater für junges Publikum vermisst man darin jedoch und so ist die 2017 von der ASSITEJ herausgegebene Publikation Zur Lage des Kinder- und Jugendtheaters in Deutschland die erste Studie, die die Struktur und Arbeitsweisen dieser Theater untersucht. Der Fokus liegt hierbei auf den grundsätzlichen Fragen: Wer, wo und wie ist die Kinder- und Jugendtheaterlandschaft? Dabei wurden öffentliche wie Freie Theater betrachtet und der Umriss eines heterogenen Feldes gezeichnet. Im Fokus: Freies Kinder- und Jugendtheater. Studien zur Situation 2017–2022 ist nun ein weiterer Schritt hin zu einer vertieften Auswertung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Freien Kinder- und Jugendtheater. Der Sammelband gibt erstmals Einblick in die Betriebsstruktur dieser Theater und betrachtet ein empfindliches System, dessen Netz aus Theatern mit eigener Spielstätte, Tourneetheatern,

Solo­künstler*innen, etc. wesentlich zur kulturellen Grundversorgung von Kindern und Jugendlichen, besonders in ländlichen Räumen, beiträgt. Dieses Netz agiert zum Großteil unter dem Radar der kulturpolitischen Wahrnehmung. Die neuen Studien der ASSITEJ sind damit nicht nur Evaluation eines Förderprogramms, sondern erfassen auch, welchen Beitrag die Freien Kinder- und Jugendtheater für die Kulturelle Teilhabe, Bildung und künstlerische Selbsterforschung von jungen Menschen leisten. Ziel der Erhebungen ist es, Vertreter*innen und Engagierten für das Kinder- und Jugendtheater damit ein Instrument für ihre kultur- und bildungspolitische Arbeit zu geben, um die Darstellenden Künste für junges Publikum für die Zukunft zu stärken. Die Herausforderungen, mit denen das Freie Kinderund Jugendtheater umzugehen hat, wie Budgetknappheit, Zunahme administrativer und bürokratischer Arbeiten, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, faire Bezahlung und soziale Absicherung sind auch zutreffend für die Darstellenden Künste in den Stadt- und Staatstheatern. Auch wenn Kinder- und Jugendtheater programmatische wie strukturelle Besonderheiten im Vergleich zu Theatern für ein allgemeines Publikum aufweisen, sind die zu erarbeitenden Lösungen für die aktuellen Probleme produktions-, betriebsund branchenübergreifend zu denken. Studien und Analysen, wie die hier besprochenen, helfen damit der gesamten Theaterlandschaft, da sie strukturelle Probleme, Leerstellen und mögliche Lösungen aufdecken. So sind die Ergebnisse der ASSITEJ-Studie zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Freien Kinder- und Jugendtheater auch für öffentlich geförderte Theater und ihre kulturpolitische Interessenvertretung relevant. Denn, und das wird auch in den Studien der ASSITEJ deutlich, öffentlich geförderte und Freie Kinderund Jugendtheater müssen zusammen und nicht gegeneinander gedacht werden, wenn es um den Erhalt der kulturellen Grundversorgung von Kindern und Jugendlichen geht.

1

Siehe ASSITEJ e.V.: Fördergrundsätze NEUSTART KULTUR – Junges Publikum, letzter Zugriff am 26. Juli 2023, https://www.jungespublikum.de/wp-content/ uploads/2022/10/Foerdergrundsaetze_ASSITEJ_nl_2022_10_13-1.pdf.

2

Siehe Birgit Mandel: Theater in der Legitimitätskrise? Interesse, Nutzung und Einstellungen zu den staatlich geförderten Theatern in Deutschland – eine repräsentative Bevölkerungsbefragung. Hildesheim: Universitätsverlag Hildesheim, https:// doi.org/10.18442/077, 2020.

Geza Georg Adasz ist für die ASSITEJ im Projektbüro Berlin im Rahmen von NEUSTART KULTUR – Junges Publikum tätig und leitet dort seit 2022 das Teilprojekt „Evaluation und Datenanalyse“. Foto: privat Valerie Eichmann ist Referentin für Vernetzung und Fortbildung bei NEUSTART KULTUR – Junges Publikum sowie für den Arbeitsbereich Kinder- und Jugendbeteiligung im Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland zuständig. Foto: privat Stefanie Fischer arbeitet seit 2021 für die ASSITEJ als Projektleitung des Förderprogramms NEUSTART KULTUR – Junges Publikum. Foto: Christin Küster



Wer? Wo? Wie? W

12

ixypsilonzett | Magazin 2023

Wie macht Ihr das?!

von Geza Adasz, Valerie Eichmann und Stefanie Fischer

Charakteristika der Freien Kinder- und Jugendtheater

Wider die Verniedlichung: Ästhetische Charakteristika

er ist das Freie Kinder- und Jugendtheater? Wo findet es statt? Wie wird es produziert? Hat es eine spezifische Formsprache? Welche Selbstwahrnehmung haben Theatermacher*innen für junges Publikum? Die erhobenen Daten der ASSITEJ zeichnen das Bild einer heterogenen Landschaft, in der sich klare Tendenzen zu genreübergreifenden Formen und kooperativen Produktionsweisen abzeichnen. Die Freien Kinder- und Jugendtheater sind dabei alles andere als eine optionale Parallelstruktur zu öffentlich getragenen Theatern. So spielten die untersuchten Freien Kinder- und Jugendtheater im Zeitraum zwischen 2017 und 2019 zusammen pro Jahr durchschnittlich 21 990 Aufführungen. (Zum Vergleich: Alle öffentlich geförderten Theater spielten in der Spielzeit 2018/19 in der Sparte Kinder- und Jugendtheater inklusive Puppenspiel zusammen 16 224 Aufführungen.1)* Sie bilden damit eine wesentliche Säule der kulturellen Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Gestärkt wird diese Bedeutung auch durch ihre hohe Mobilität. Besonders Tourneetheater tragen dazu bei, flächendeckend Kindern und Jugendlichen Theater und theaterpädagogische Angebote zu bieten.

Der Versuch, das Kinder- und Jugendtheater ästhetisch zu charakterisieren, muss zwangsläufig mit der Phrase beginnen, dass es so vielfältig ist wie das Theater selbst. Theater für junges Publikum umfasst nicht nur ein einzelnes Genre. Auch steht es für keine homogene ästhetische Richtung. Die Erhebung Qualitative Studie zur Lage von Theaterschaffenden in den Darstellenden Künsten für junges Publikum in Deutschland 2022 schaut daher etwas genauer auf die Selbstbeschreibungen und -verortungen der untersuchten Freien Kinder- und Jugendtheater und versucht, einzelne Stränge in der Heterogenität herauszuarbeiten, um hierin Entwicklungen und Schwerpunkte herauszustellen. Zunächst das wenig Überraschende: Über die Hälfte der befragten Theater verorten sich selbst im Sprechtheater (Abb. 2). Äquivalent zum Spielbetrieb für ein erwachsenes Publikum zeichnet sich auch hier eine vorrangig sprachbasierte Verhandlung von Themen und Inhalten ab. Das Musiktheater für junges Publikum ist mit einem fast gleich großen Anteil wie das Puppentheater verhältnismäßig stark vertreten, obwohl es als ein noch recht junges Genre gilt.2 Wann diese Entwicklung stattfand und welche Auswirkun-

*

Es ist jedoch anzumerken, dass Stadt- und Staatstheater in der Regel auch größere Zuschauer*innenräume bespielen. Der Vergleich dient daher nur einer groben Einordnung des Größenverhältnisses der Aufführungsanzahl.


Wer? Wo? Wie?

gen beispielsweise das Engagement von Initiativen wie der AG Musiktheater der ASSITEJ oder das Netzwerk Junge Ohren hatten, sollte an anderer Stelle weiterführend betrachtet werden. Auch Tanz und Performance sind deutlich vertreten und nehmen anteilig einen festen Platz im ästhetischen Spektrum der Darstellenden Künste für junges Publikum ein. Grundsätzlich ist aber festzustellen, dass die befragten Kinder- und Jugendtheater eine Vielzahl unterschiedlicher Genres abdecken. Diese Klassifizierung ist jedoch nur mäßig zielführend. So geben beispielsweise Theater in Qualitative Studie zur Lage von Theaterschaffenden in den Darstellenden Künsten für junges Publikum in Deutschland 2022 an, dass sie je nach Inszenierungsidee oder Thema auf verschiedene theatrale Mittel und Genres zurückgreifen.3 Dazu zählen Figurentheater, Schauspiel, performatives Theater, Erzähltheater, Musik- und Tanzelemente, poetisches, absurdes, politisches oder auch biografisches Theater. Die genreübergreifende Arbeit wird damit erklärt, dass unterschiedliche Arbeitsthemen unterschiedliche Formate und ästhetische Mittel benötigen. Weiterhin wird eine eigene Stück-, Text- beziehungsweise Figurenentwicklung oder Interpretation etablierter Kinder- und Jugendtheaterstücke angestrebt, wobei experimentelle und innovative Ansätze eine übergeordnete Rolle spielen.4 Neben dieser Übereinstimmung zur fluiden ästhetischen Formsprache wurde in den Interviews besonders betont, mit einem als traditionell bezeichneten Verständnis von Kinder- und Jugendtheater brechen zu wollen. Die Inszenierung einer „extrem heilen Welt“ mit „niedlichen Darstellungen“5 wird von den Befragten problematisch gesehen, da ein solcher Ansatz davon ausgeht, dass man Kinder und Jugendliche weder mit schwierigen, noch komplexen Themen konfrontieren könne. Ebenfalls wird der reflektierte, wertschätzende Umgang mit Kindern und Jugendlichen als grundlegende Voraussetzung für die eigene Theaterarbeit benannt.6 Man möchte Kindern und Jugendlichen aufrichtig und ernsthaft begegnen und sie durch die eigene Theaterarbeit zur Selbstermächtigung und Selbstwahrnehmung anregen und idealerweise positiv in ihrer biografischen Entwicklung prägen.7 Gerade durch die theaterpädagogische Arbeit werden nicht nur Kinder und Jugendliche mit den Mitteln des Theaters vertraut gemacht. Es fließen auch ihre eigenen Perspektiven und Erfahrungen aus der Arbeit mit

Schauspiel (Sprechtheater) Theater mit Profilanteilen in:

158

Musiktheater

79

Puppenspiel

74

13

in die künstlerische Arbeit mit ein.8 Diese „wechselseitige Durchdringung“ macht das Theater zum „experimentellen Raum künstlerischen Forschens“.9 Dieser durchaus breit vertretene Anspruch bricht sich jedoch mitunter an den Realitäten des Spielbetriebs. So werden weitgreifende Probleme und Resignation beschrieben, wenn es darum geht, ein interessiertes Publikum für anspruchsvolle Produktionen und Stücke abseits der etablierten ‚Kassenschlager‘ zu gewinnen, Klischees zu überwinden und gleichzeitig ökonomisch zu arbeiten.10 Gerade in Bezug auf die gesellschaftliche Relevanz ihrer Produktionen zeigen sich Einige desillusioniert und sehen ihre Arbeit bestenfalls als gemeinsames unterhaltendes Ereignis, das berührt, und so einen Kontrast bildet zum zurückgezogenen, individuellen Konsum von (sozialen) Medien.11 Dieser Balanceakt zwischen künstlerisch progressivem Anspruch und dem Erfüllen von mitunter durch Klischees geprägten Erwartungen des Publikums (dessen Spitze wohl noch immer das Weihnachtsmärchen bildet)12 betrifft Freie Theater wie öffentlich geförderte gleichermaßen und spiegelt das Spannungsfeld wider, in dem sich die Spielplangestaltung von Kinder- und Jugendtheatern bewegt: auf der einen Seite die Zugewandtheit zu einer jungen, diversen, mediensozialisierten Generation, für und mit der man Theater machen möchte, auf der anderen Seite die Erwartungshaltungen älterer Generationen, die – in der Regel zumindest für Kinder – den Theaterbesuch organisieren, die Karten kaufen und entscheiden, welches Stück gesehen wird. Auch der Standort der Theater hat Einfluss auf Programm, Themenwahl und Ästhetik. So müssen sich gerade Theatermacher*innen in ländlichen Räumen auf ein heterogenes und altersgemischtes Publikum einstellen, da sich Vorstellungen allein für eine bestimmte Altersgruppe nicht rentieren: „Das, was wir hier machen, ist eigentlich Theater für Alle [sic!]. Und hier ist immer die Frage: Welche Themen sind interessant? Weil die Leute sind es hier nicht so gewohnt, Theater schauen zu gehen, und da ist es sowieso wichtig, ein möglichst breites Publikum anzusprechen.“13 Theater für junges Publikum ist ästhetisch gesehen auch als intergenerationaler Balanceakt zu begreifen und braucht den Schutz und die Förderung als meritorisches Gut durch den Bund, die Länder und Kommunen, um weiterhin anspruchsvolle Angebote ästhetischer Erfahrungen anbieten zu können.

Tanztheater

Erzähltheater

49

Objekttheater

45

44

Performance

44

Clownerie

N

20

258

(Mehrfachnennung möglich)

Abb. 2: Verortung der Theater nach Sparten Zwecks objektiver Einordnung wurden hier relevante Aussagen und Nennungen von Schlüsselwörtern in den Selbstbeschreibungen der Theater aus der Antragstellung und in ihren eigenen Internetpräsenzen herangezogen.


ixypsilonzett | Magazin 2023

14

Strukturelle Charakteristika Das Theater in Deutschland basiert auf dem dualen System von öffentlich getragenen und Freien Theatern. Auch das Kinder- und Jugendtheater ist in diese beiden Strukturen unterteilt. Zwar ist die Betriebsform nicht aussagefähig über die künstlerische Qualität, jedoch scheint die Außenwahrnehmung nicht losgelöst vom Vorurteil, dass das Ansehen eines Theaters steigt, je größer und etablierter es ist: „Also da besteht auch immer noch, glaube ich, so ein Gefälle in der Anerkennung, in der Wahrnehmung. Also da sind wir halt die kleine[n], freie[n] mobile[n] Sumpfdotterblumen-Bühnen. Also was natürlich nicht stimmt, weil wir einfach anders unterwegs sind und anders professionalisiert sind.“14

Freies Theater wird gemeinhin assoziiert mit Projektorientierung und organisatorischer Souveränität. Letzteres spiegelt sich unter anderem in der Betriebsform der von der ASSITEJ befragten Theater wider: Alle Theater befinden sich in freier Trägerschaft und haben unterschiedliche Rechtsformen, was nicht zuletzt auch zu unterschiedlichen Organisationsstrukturen führt. So sind 34,1 Prozent der Befragten Theater Einzelkünstler*innen, 31,4 Prozent GbRs, 26,7 Prozent eingetragene Vereine und rund sieben Prozent gGmbHs/GmbHs.

Antragstellende Theater Bundesland (alphabetisch)

N

andere Form

0,8 Prozent arbeiten in anderen Rechtsformen (siehe Abb. 3). Dabei zeichnen sich auch Kumulationen in einzelnen Bundesländern ab, so beispielsweise in Nordrhein-Westfalen und Berlin. Woran dies liegt, welche Faktoren in der Landes- und Kulturpolitik hier begünstigend, bzw. in anderen Bundesländern benachteiligend wirken, wäre in einer weiterführenden Studie vertieft zu analysieren. Die von der ASSITEJ befragten Freien Kinder- und Jugendtheater sind mehrheitlich als Personengesellschaft (Einzelunternehmer*innen, GbR) organisiert. Von Vorteil ist bei diesen Rechtsformen unter anderem, dass sie mit verhältnismäßig geringen bürokratischen Auflagen verbunden sind. So können sie beispielsweise ohne Einlagen (so bei der GmbH) oder Mindestanzahl von Mitgliedern (wie etwa beim e.V.) gegründet werden. Jedoch haften Gesellschafter*innen von GbRs und Soloselbstständige mit ihrem Privatvermögen für den wirtschaftlichen Erfolg ihres Betriebs. Anders als bei einer GmbH ist im Fall einer Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens also auch das persönliche Vermögen, wie Ersparnisse oder Immobilien, bedroht. Betrachtet man die Anzahl von Vorstellungen und die Anzahl von Neuinszenierungen, so fällt hierbei ein Zusammenhang mit der Betriebsform auf: Durchschnittlich haben die befragten Theater 640 Inszenierungen pro Jahr produziert, der jährliche Durchschnitt pro Theater liegt damit bei drei Neuinszenierungen pro Jahr. Personengesellschaften (Solokünstler*innen, GbRs) produzieren im Schnitt 2,6 und institutionelle Freie Theater (e.V., (gemeinnützige) GmbH)

Einzelkünstler*in

e.V.

GbR

gGmbH

GmbH

Baden-Württemberg

30

15

9

4

1

Bayern

26

6

12

6

2

Berlin

45

19

9

13

4

Brandenburg

1

1

Bremen

3

1

2

Hamburg

10

1

2

2

3

2

1

7

6

16

1

Hessen

31

Mecklenburg-Vorpommern

5

3

Niedersachsen

24

5

5

12

1 2

2

Nordrhein-Westfalen

46

12

14

17

Rheinland-Pfalz

10

3

3

3

Saarland

1

1 7

Sachsen

11

Sachsen-Anhalt

1

Schleswig-Holstein

10

Thüringen Gesamtergebnis Abb. 3: Rechtsform der Theater je Bundesländer

5

4 258

2

1

2

2

1

0

1

3

1

3

88

69

81

1 1 1

1 10

8


Wer? Wo? Wie?

der ASSITEJ Studie Quantitative Erhebung zur wirtschaftlichen Lage der Freien Kinder- und Jugendtheater in Deutschland zwischen 2017 und 2019 nicht abschließend geklärt werden. Es sollte jedoch beachtet werden, dass durch die verhältnismäßig hohe Anzahl an Neuinszenierungen in den GbRs Kapazitäten für die Produktion gebunden werden, die in der Folge nicht für den Spielbetrieb zur Verfügung stehen, was eine Finanzierung des Theaters durch Eintritte zusätzlich erschwert. Neben der Rechtsform ist das wohl augenfälligste Unterscheidungsmerkmal innerhalb der befragten Freien Kinderund Jugendtheater das Vorhandensein einer eigenen Spielstätte. Lediglich knapp ein Drittel (31 Prozent) hat eine eigene Spielstätte. In den gesamten Freien Darstellenden Künsten sind es hingegen 71 Prozent.15 Gastspiele und Tourneen sind demnach besonders für das Freie Kinder- und Jugendtheater ein wichtiges Strukturmerkmal und die Theaterarbeit ist folglich durch eine hohe Mobilität und Flexibilität gekennzeichnet.16 (Weiteres zum Thema Mobilität im nächsten Kapitel.) Da die Aufführungsorte sowohl Schulaulen, Sporthallen, Klassen- oder Gemeindezimmer sein können und immer andere Anforderungen und Gegebenheiten mit sich bringen, sind die Theater auf eine kooperative Zusammenarbeit in der Vorbereitung mit den Erzieher*innen oder Lehrer*innen angewiesen. Denn bei einer Buchungs­anfrage sei es nur bedingt möglich, Vorgaben zu machen oder auszuwählen, wo man spielt: „Wir spielen letztlich überall, wo wir gebucht werden“.17 Die Rahmenbedingungen für Aufführungen bedürfen daher eines hohen Grades an Flexibilität, was direkte

3,8 Inszenierungen pro Jahr (siehe Abb. 4 und 5). Auch im Vergleich der Aufführungszahlen haben die institutionellen Theater einen größeren Output als Theater, die als Personengesellschaft organisiert sind. Dies ist jedoch nur der Vergleich der absoluten Zahlen. Beachtet man das Verhältnis des Anteils der jeweiligen Betriebsform an der Gesamtzahl der Theater, zeigt sich beispielsweise, dass die zehn erfassten gemeinnützigen GmbHs nur vier Prozent aller Theater in der Studie bilden, sie aber mit 2 376 Aufführungen pro Jahr für elf Prozent der verzeichneten Spieltermine verantwortlich sind, was ein überproportionales Verhältnis darstellt. Die ähnlichen Ergebnisse der Vergleiche bei den absoluten und relativen Aufführungszahlen legen nahe, dass es einen Zusammenhang zwischen der Größe eines Theaterbetriebes und der Aufführungsanzahl gibt, der sich verkürzt auf die Formel bringen ließe: je größer die Struktur des Betriebes, umso mehr Aufführungen können gespielt werden.* Im Sinne der Steigerung von Produktivität durch Arbeitsteilung eine logische Konsequenz. Dieses Verhältnis lässt sich jedoch nicht auf die Anzahl an Produktionen übertragen: Die GbRs nehmen 32 Prozent der erfassten Betriebe ein. Mit über 255 Produktionen stellen sie 40 Prozent der 640 herausgebrachten Neuinszenierungen, wodurch sich an dieser Stelle ein überproportionales Verhältnis ergibt. Ob dies eine Folge von Förderstrukturen ist, in denen GbRs hauptsächlich Einzelprojektförderungen erhalten oder welche anderen Gründe hierzu beitragen, konnte in

Aufführungen Gesamt pro Jahr

15

Ø Aufführungen pro Jahr

Neuproduktionen Gesamt pro Jahr

Ø Neuproduktionen pro Jahr

Rechtsform

Anzahl

Anzahl

N

Anzahl

Anzahl

N

andere Form

128,50

64,25

2

5,50

2,75

2

Einzelkünstler*in

6 575,00

83,23

79

105,50

1,49

71

e.V.

6 071,00

102,90

59

218,50

3,90

56

GbR

5 842,00

83,46

70

255,50

3,70

69

gGmbH

2 376,00

237,60

10

40,50

4,05

10

GmbH

998,00

199,60

5

14,50

2,90

5

Gesamt

21 990,50

97,74

225

640,00

3,00

213

Abb. 4: Neuproduktionen und Aufführungen nach Rechtsformen

Rechtsform

*

Aufführungen Gesamt pro Jahr

Ø Aufführungen pro Jahr

Neuproduktionen Gesamt pro Jahr

Ø Neuproduktionen pro Jahr

Anzahl

Anzahl

N

Anzahl

Anzahl

N

Personengesellschaften

12 417,00

83,34

149

361,00

2,58

140

institutionelle Theater

9 573,50

125,97

76

279,00

3,82

73

Gesamt

21 990,50

97,74

225

640,00

3,00

213

Weitere Faktoren wie der Standort, die Saalgröße u.v.m. sind hierbei ausgeklammert.

Abb. 5: Neuproduktionen und Aufführungen nach institutionellen Theatern und Personengesellschaften In dieser Darstellung wurden die Theater, die in den Rechtsformen „Einzelkünstler*in“ oder „GbR“ arbeiten als „Personengesellschaften“ zusammengefasst, alle übrigen Theater, die als juristische Personen firmieren, als institutionelle Theater.


16

ixypsilonzett | Magazin 2023

Auswirkungen auf die grundsätzliche Wahl ästhetischer Mittel und die Form für mobile Theaterstücke hat, da diese an verschiedene Räume anpassbar sein müssen. Die Entscheidung für oder gegen eine Spielstätte hängt vordergründig nicht mit programmatischen Fragen zusammen, sondern mit ökonomischen Faktoren. Gerade in urbanen Zentren sind oftmals ausschließlich Probe- und Büroräume verfügbar, die zu mitunter hohen Kosten angemietet werden müssen. Da in den ländlichen Gebieten Arbeitsräume oftmals zugänglicher und finanzierbarer sind, kommt

Antragstellende Theater

davon mit eigener Spielstätte

Bundesland (alphabetisch) Baden-Württemberg

30

7

Bayern

26

8

Berlin

45

13

Brandenburg

1

1

Bremen

3

0

Hamburg

10

1

Hessen

31

7

Mecklenburg-Vorpommern

5

1

Niedersachsen

24

12

Nordrhein-Westfalen

46

19

Rheinland-Pfalz

10

3

Saarland

1

0

Sachsen

11

4

Sachsen-Anhalt

1

0

Schleswig-Holstein

10

2

Thüringen

4

1

258

79

Gesamtergebnis

es auch dazu, dass sich Theatermacher*innen dazu entschließen, ihren Wohn- und Arbeitsort in periphere Regionen zu verlagern, wie die befragten Theater angeben.18 Dennoch sind die Theater auf städtische, dichter besiedelte Gebiete und die damit einhergehende größere Nachfrage nach Kulturangeboten für Kinder und Jugendliche angewiesen. Daher gibt es unter den Befragten ohne eigene Spielstätte trotz der infrastrukturellen Engpässe ein kontinuierliches Bemühen, eine eigene Spielstätte in urbanen Räumen zu realisieren. Dabei ist sowohl die lokale Vernetzung unter den Akteur*innen für junges Publikum, als auch die Zusammenarbeit mit nachbarschaftlichen Initiativen von großer Bedeutung, da so beispielsweise Räumlichkeiten zur temporären Nutzung als Spielstätte ermöglicht werden (siehe Kapitel You’ll never walk alone).19 In Städten sind außerdem Initiativen wie die Proberaumplattform vom Performing Arts Programm Berlin ein Versuch, dem Platzmangel in urbanen Ballungsräumen, der zunehmend zu einem strukturellen Problem für alle Bereiche der Darstellenden Künste wird, etwas entgegenzusetzen. Perspektivisch wäre es zur Entspannung der räumlichen Kapazitäten jedoch sinnvoll, die Theater dabei zu unterstützen, auch in peripheren Räumen arbeiten zu können, wodurch auch das kulturelle Angebot in ländlichen Räumen verbessert werden würde. Ein letzter Aspekt in Bezug auf die Struktur der befragten Freien Kinder- und Jugendtheater gilt ihrem Alter. Hierbei lohnt sich ein kurzer historischer Exkurs. Anhand der Gründungsjahre (siehe Abb. 8) lassen sich die Auswirkungen der unterschiedlichen Kulturpolitik in der ehemaligen DDR und der BRD beobachten. Zunächst ist festzuhalten, dass die

Abb. 6: Theater mit eigenen Spielstätten nach Bundesländern

Theater mit eigener Spielstätte im: städtischen Raum

Gesamtzahl aller befragten Theater

ländlichen Raum

Rechtsform

Anzahl

andere Form

1

Einzelkünstler*in

22

Anzahl

N 2

6

88

e.V.

15

1

69

GbR

26

2

81

gGmbH

2

10

GmbH

3

1

8

Gesamtergebnis

69

10

258

Abb. 7: Verteilung der Theater mit eigenen Spielstätten nach Rechtsform in verschiedenen Raumtypen (Stadt/Land) Theater, die über eine eigene Spielstätte verfügen, nach ihren Standorten in den Raumtypen 1 (städtischer Raum) und 2 (ländlicher Raum) nach der Raumtypologie RegioStar2 aufgeschlüsselt.


Wer? Wo? Wie?

17

35

30

25

20

15

10

5

0 1955

1960

e.V. Einzelkünstler*in GbR gGmbH GmbH

1965

1970

1975

1980

Gründungen Ost Gründungen West

Anzahl an Theatergründungen in der ehemaligen DDR bzw. den neuen Bundesländern geringer ist als in den westlichen Bundesländern, was entsprechend der geringeren Bevölkerungszahl in den östlichen Bundesländern jedoch relativ zu betrachten ist. So hatte beispielsweise die DDR mit 213 Bühnen gemessen an der Einwohner*innenzahl weltweit eine der höchsten Theaterdichten. Jedoch war Theater wie auch das Kinder- und Jugendtheater Teil eines sozialistischen Bildungsprojekts. Die Gründung freier Gruppen war daher durch die staatliche Aufsicht in vielen Bereichen gehemmter als im Westen. Dies, sowie die Abwicklung staatlicher Theaterbetriebe nach der Wiedervereinigung erklärt den konstant hohen Zuwachs an Theatern im Osten in den folgenden Jahren. Es ist weiterhin auffällig, dass sich nach 2005 die GbR als häufigste Betriebsform unter den Neugründungen abzeichnet. Ob und inwiefern der für die Postmoderne programmatische Gedanke, Theaterproduktion als kollektiven Schaffensprozess zu begreifen, hier Auswirkungen auf die Wahl der Betriebsform hatte, wäre in einer gesonderten Untersuchung zu betrachten. Festzuhalten ist aber, dass der Boom an GbRs, die sich mit ihrem Theater selbstständig machten, auch im Kontext der Sozialreformen und massiven Einsparungen in öffentlichen Haushalten nach der Wende zu sehen ist. Die Einflüsse einer neoliberalen Wirtschaftspolitik jener Jahre nehmen hier auch Einfluss auf das Theatersystem als Arbeitsplatz.

1985

1990

1995

2000

2005

2010

2015

2020

Abb 8: Gründungsjahre der Theater

Vgl. Deutscher Bühnenverein, Hg.: Theaterstatistik 2018/2019. Die wichtigsten Wirtschaftsdaten der Theater, Orchester und Festspiele. Bonn: Köllen Druck und Verlag GmbH, 2020, S. 254. 2 Vgl. Dorothea Hartmann: „Zukunftsmusik heute – Die junge Sparte des zeitgenössischen Musiktheaters für Kinder und Jugendliche.“ In Kinder- und Jugendtheater im Wandel, Ausschuss für künstlerische Fragen, Referate, Nr. 4, hg. von Deutscher Bühnenverein, S. 39–45, 2012, S. 44. 3 Vgl. Ulrike Kaden/Sabine Wellmer/Marco Puxi: „Qualitative Studie zur Lage von Theaterschaffenden in Freien Kinder- und Jugendtheatern in Deutschland 2022. Im Auftrag der ASSITEJ e.V. Deutschland, Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik, Berlin.“ In Im Fokus: Freies Kinder- und Jugendtheater. Studien zur Situation 2017–2022, hg. von ASSITEJ e.V., Frankfurt am Main, 2023 S. 16 ff. 4 Vgl. ebd. 5 Ebd., S. 18. 6 Ebd., S. 13. 7 Ebd., S. 19. 8 Gerd Taube: „Kinder- und Jugendtheater heute – Eine Einführung.“ In Kinderund Jugendtheater im Wandel, Ausschuss für künstlerische Fragen, Referate, Nr. 4, hg. von Deutscher Bühnenverein, S. 7–14, 2012, S. 13. 9 Ebd. 10 Vgl. Kaden/Wellmer/Puxi 2022, S. 19. 11 Vgl. ebd., S. 20. 12 Ausführlich zur Spielplanposition des Märchens in: ixypsilonzett. Theater für junges Publikum 2022, Nr. 2. 13 Interviewte Person; Kaden/Wellmer/Puxi 2022, S. 14 14 Ebd. 15 Sarah Weißmann: Bildung und Kultur. Spartenbericht Darstellende Kunst 2021. Hg. von Statistisches Bundesamt (November 2021): S. 60, letzter Zugriff: 20. Juli 2023, https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bildung-Forschung-Kultur/Kultur/Publikationen/Downloads-Kultur/spartenbericht-darstellende-kunst-5216103219004.pdf?__blob=publicationFile. 16 Vgl. Kaden/Wellmer/Puxi 2022, S. 15. 17 Interviewte Person; ebd., S. 15. 18 Vgl. ebd., S. 16. 19 Vgl. ebd. 1

Wie macht Ihr das?!

1950



rubrik

19

Kinder- und Jugendtheater überall Theater und ländliche Räume

W

ie bereits im vorhergehenden Kapitel deutlich wurde, arbeitet der überwiegende Teil der Freien Kinder- und Jugendtheater ohne feste eigene Spielstätte. Naturgemäß sind sie daher sowohl auf die Kooperation mit lokalen Spielstätten als auch auf die Zusammenarbeit mit den sie engagierenden Bildungs- und Freizeiteinrichtungen angewiesen. Somit spielt die Reisetätigkeit für die meisten Theater eine essenzielle Rolle. Es fällt sofort auf, dass die Entfernungen zu Gastspielreisen innerhalb einer großen Spanne liegen und die meisten Theater sowohl in ihrer unmittelbaren Umgebung als auch an weit von ihren Heimatorten entfernten Spielstätten auftreten (siehe Abb. 9 und 10). Im bundesweiten Mittel liegt 2017–2019 der durchschnittliche Aktionsradius bei 139,9 km, wobei die weitesten Ziele im Schnitt bis zu 441,3 km entfernt sind. Nach 2020 beträgt der Durchschnittsradius nur noch 85,8 km (mit einem durchschnittlichen Maximum von 254,5 km). Die Gesamtheit der erfassten Gastspielreisen mit identifizierbaren Zielgebieten reduzierte sich im Jahresmittel in der Anzahl von jährlich 2 336 auf 1 507 und lag somit 35,5 Prozent niedriger als in der Zeit vor der Pandemie.* Eine genauere Auswertung der Veränderung kann erst im Zuge der abschließenden Evaluation des Förderprogramms erfolgen, da zum Zeitpunkt der Erhebung nicht alle geförderten Projekte abgeschlossen waren. Jedoch lässt sich bereits jetzt absehen, dass mithilfe von NEUSTART KULTUR – Junges Publikum der Gastspielbetrieb überwiegend aufrechterhalten werden konnte. Obwohl die Datenerhebung der ASSITEJ-Studie nicht alle eingegangenen Förderanträge umfasst, lassen sich mithilfe der ungewöhnlich detaillierten Datenlage auch interessante Schlussfolgerungen zur Versorgungsdichte der einzelnen

*

Wobei 2017–2019 die Zahl der Theater, deren Gastspielpläne ausgewertet werden konnten, bei N = 83 liegt und 2021–2022 bei N = 60, weshalb die Ergebnisse zu den beiden Zeiträumen streng genommen nicht direkt miteinander verglichen werden sollten, da die Beobachtung des Reiseverhaltens hier nicht kontinuierlich ist. Dennoch geben diese Angaben Aufschluss über eine allgemeine Veränderung, die erwähnt werden sollte.

von Geza Adasz, Valerie Eichmann und Stefanie Fischer

Regionen mit Freien Theatern für Kinder und Jugendliche ableiten: Betrachtet man zunächst die Standortverteilung der in der Auswertung berücksichtigten 258 Freien Kinderund Jugendtheater im Verhältnis zur Bevölkerung, so entsteht ein bundesweiter Durchschnitt von 1,9 freien Theatern je 100 000 Einwohner*innen unter 18 Jahren (siehe Abb. 11). Auf jedes Theater würde somit (in der hypothetischen proportionalen Verteilung) ein potenzielles Publikum von 50 000 jungen Menschen entfallen. Auch wenn diese Rechnung kaum den realen Bedingungen gerecht wird, illustriert sie doch einerseits den großen Bedarf hin zur flächendeckenden Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Theaterangeboten und andererseits die enormen, noch unerschlossenen Potenziale für die Theater, wenn es gelingen sollte, die Zielgruppe umfassender zu erreichen, als es heute offenbar der Fall ist. Einige Regionen weichen von dem genannten Referenzwert von 1,9 pro 100 000 Einwohner*innen ab und es lässt sich ein Zusammenspiel von Bedarf, der Dichte lokal ansässiger Freier Theater und Gastspieltätigkeit beobachten: In Bundesländern, in denen das Verhältnis zwischen dem Anteil junger Einwohner*innen und der Zahl lokaler Freier Theater am stärksten divergiert, wurden von den hier erfassten Theatern zwischen 2017 und 2019 auch besonders viele Gastspiele umgesetzt (beispielsweise Regionen in Baden-Württemberg, Bayern oder Nordrhein-Westfalen). Dies verdeutlicht, wie Gastspiele einen wichtigen Bestandteil der flächendeckenden Grundversorgung jungen Publikums mit kulturellen Bildungs- und Teilhabeangeboten bilden, wo Theater mit eigener Bühne und festem Standort die Zielgruppen in der Fläche nicht erreichen können. Denn für viele Bildungseinrichtungen stellt alleine schon die Anfahrt zu lokalen Theaterstandorten organisatorisch und auch finanziell eine Hürde dar, die durch den Besuch der Theater vor Ort beim Publikum überwunden wird.1 Aus den Daten zur Gastspieltätigkeit im Betrachtungszeitraum ist ersichtlich, dass die Reichweite der untersuchten Freien Theater grundsätzlich das gesamte Bundesgebiet


ixypsilonzett | Magazin 2023

20

umfasst. Peripher gelegene Regionen werden von den befragten Theatern jedoch generell weniger bespielt – nicht nur räumlich (es wird an weniger Orten gespielt), sondern auch in der Häufigkeit (die absolute Anzahl der Auftritte in diesen Regionen ist für das gesamte Bundesland und über den ganzen Betrachtungszeitraum 2017–2019 niedriger als in den stärker versorgten Gebieten). Dabei ist hervorzuheben, dass kulturellen Angeboten gerade in ländlichen Regionen noch ein weiterer wesentlicher Stellenwert zukommt, wie die Förderinitiative TRAFO – Modelle für Kultur im Wandel der Kulturstiftung des Bundes, die sich explizit Modellprojekten in ländlichen Räumen widmet, betont: Kultur darf nicht nur als weicher Standortfaktor, sondern muss als Daseinsvorsorge und Handlungsfeld der regionalen Entwicklung betrachtet werden.2 Sie weist auf die Kultur als Impulsgeberin für die Entwicklung ländlicher Räume hin und betont die Aufgaben von Kulturarbeit, welche als identitäts- und gemeinschaftsstiftend sowie demokratiestärkend zu verstehen sind.3 Dies ist in gleichem Maße für junges und erwachsenes Publikum von Relevanz. Das Leben jenseits urbaner Orte attraktiv zu gestalten und Beteiligung der Landgesellschaft zu schaffen, trägt zur Sicherung ihrer Zukunft bei. Dies ist ganz besonders mit Blick auf Angebote mit und für Kinder und Jugendliche von Bedeutung, da der Nachwuchs in der Tendenz besonders stark in urbane Räume abwandert.4 Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die gegensätzlichen Pole, die das Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) in Qualitative Studie zur Lage von Theaterschaffenden in Freien Kinder- und Jugendtheatern in Deutschland 2022 als erste Berührungspunkte der Befragten mit Theater identifiziert (Geburtsjahre der Befragten zwischen 1958 und 1990): „‚Ländlicher Raum‘ und ‚Theater‘ erscheinen in den biografischen Erzählungen als gegensätzliche Erfahrungsräume.“5 Die Befragten lassen sich im Hinblick auf ihre familiäre Herkunft und den Erstkontakt zu den Darstellenden Künsten grob in zwei Gruppen einteilen: 1) überwiegend akademische Elternhäuser im städtischen Raum mit frühem Kontakt zu künstlerischen Inhalten durch die Familie (teilweise Theaterabonnements) und Kooperationen zwischen Theatern und Schulen; 6

N = 37

2017–2019

N=9

Ø Entfernung

N = 30

2020 –2021

Ø Entfernung

Ø Entfernung

N=7

Einzelkünstler*innen Standorte in der Stadt N = 72 Standtorte auf dem Land N = 16

Ø Entfernung

106

Max. Entfernung

466,7 112,4

Max. Entfernung

326 97,1

Max. Entfernung

318,9 63,4

Max. Entfernung

207,4

N=7

2017–2019

N=0

Ø Entfernung

N=6

2020 –2021

Ø Entfernung

Ø Entfernung

N=0

e.V. Standorte in der Stadt N = 63 Standtorte auf dem Land N = 6

Ø Entfernung

111,1 314,4

Max. Entfernung

Max. Entfernung 43,4

Max. Entfernung

237,5

Max. Entfernung

N = 19

2017–2019

N=5

Ø Entfernung

N = 10

2020 –2021

Ø Entfernung

Ø Entfernung

N=5

GbR Standorte in der Stadt N = 69 Standtorte auf dem Land N = 12

Ø Entfernung

109 412,9

Max. Entfernung 123,7

464,5

Max. Entfernung 100 178,1

Max. Entfernung 45,8 107,6

Max. Entfernung

N=3

777

Max. Entfernung 171,5

Ø Entfernung

530,2

Max. Entfernung

N=1

N=1

460,5

Ø Entfernung

Ø Entfernung

11,1

Max. Entfernung

13,1

N=0

2020 –2021

2017–2019

gGmbH Standorte in der Stadt N = 9 Standtorte auf dem Land N = 9

Ø Entfernung Max. Entfernung

N=1 N=1 N=0 N=1

2020 –2021

2017–2019

GmbH Standorte in der Stadt N = 6 Standtorte auf dem Land N = 2

In dieser spezifischen Betrachtung der Gastspiele nach Zielorten wurden nur die Aufführungen berücksichtigt, zu denen die Veranstaltungsorte ermittelbar waren – die tatsächliche Zahl liegt darüber.

347,8

Ø Entfernung

624,9

Max. Entfernung 464,4

Ø Entfernung

806

Max. Entfernung

In diesen Übersichten wurden die Theater der Rechtsform „andere Form“ ausgenommen, da sie keine Gastspiele durchführten.

Ø Entfernung Max. Entfernung 288,5

Ø Entfernung

km 0

Standorte des Theaters Stadt

801

Max. Entfernung 100

200

300

400

Abb. 9: Entfernung zu Gastspielen nach Betriebsform

500

600

700

800

Standorte des Theaters Land 900

N=1


Kinder- und Jugendtheater überall

Standorte der Theater Gastspiele 2017–19 Bundesland (alphabetisch)

Stadt

Land

Baden-Württemberg

23

Bayern

22

Max. Entf. km

141,01

502,43

13

4 Berlin

45 –

Brandenburg

1

Bremen

3

– – Hamburg

10 –

Hessen

24

Mecklenburg-Vorpommern

4

7

Rheinland-Pfalz

7

Thüringen

73,95

180,45

2

7

72,34

241,34

5

70,80

124,70

1

56,20

635,40

1

145,67

460,59

15

142,30

329,09

10

76,83

547,15

2

16,35

122,40

2

53,34

217,42

6

11,12

92,48

4

83,10

3 1

135,70

740,50

1

62,00

120,00

1

89,84

427,62

5

75,35

273,95

4

76,18

449,90

2

50,28

116,80

2

112,55

458,95

11

65,49

260,30

9

171,50

530,20

1

121,63

335,55

4

32,53

261,35

2

464,35

806,00

1

288,50

801,00

1

14,90

476,40

1

7,05

21,90

1

55,60

149,50

1

27,20

62,80

1

1

68,05

386,70

1

76,70

418,70

1

7

249,30

738,20

2

94,25

120,60

2

129,91

441,26

83

86,64

254,51

60

3 1

Gesamtergebnis

4

858,10

3

221

221,95 575,97

40,53

3

Schleswig-Holstein

82,05 213,31

813,80

Sachsen-Anhalt

8

1

1 8

256,10

4

3

Sachsen

64,90

438,90

1

Saarland

N*

360,58

2 45

Max. Entf. km

128,18

22

Nordrhein-Westfalen

N* Ø Entfernung km

150,60 1

Niedersachsen

Gastspiele 2021–22

Ø Entfernung km 7

21

37

258

Abb. 10: Entfernung und Regionen zu Gastspielen nach Bundesländern Die Differenz im Gesamt N zu Abb. 9 mit Aufschlüsselung nach Rechtsformen liegt daran, dass dort die Theater der Rechtsform „andere Form“ ausgenommen wurden, da sie keine Gastspiele durchführten. Die Zeilen werden ausgegraut, wenn N <= 1 und damit zu wenige Datenpunkte vorliegen.

2) überwiegend aus nicht-akademischen Haushalten und/oder ländlichen Regionen mit Distanz zur Kunst- und Kulturszene.7 „So wird die geringe bis fehlende Präsenz des Theaters bzw. des Theaterbesuchs im ländlichen Alltag beschrieben und resümiert, dass ‚Kunst und Kultur für mich eigentlich in den Bereich der Großstadt‘8 gehören. [...] Der Weg in die Theaterwelt wird vor diesem Hintergrund wie-

derholt als ‚rein zufällig‘ beschrieben“9 und erfolgte häufig erst später, zum Beispiel während des Studiums. Erfreulicherweise zeigt die Analyse der Daten in der Antragstellung, dass Theater und ländliche Räume im Jahr 2023 kein Gegensatzpaar mehr sind: Es werden nach wie vor nicht alle Landkreise in Deutschland erreicht, jedoch wird deutlich, dass vor allem Freie Kinder- und Jugendthea-


22

ixypsilonzett | Magazin 2023

Anteil Bevölkerung U18 in %

Theater je 100tsd U18

Gastspiele 2017–19

N

Bundesland (abfallend) Baden-Württemberg

16,98

1,59

1012

30

Hamburg

16,92

3,19

44

10

Nordrhein-Westfalen

16,84

1,52

502

46

Hessen

16,83

2,93

525

31

Niedersachsen

16,71

1,79

417

24

Berlin

16,65

7,35

461

45

Bayern

16,56

1,19

537

26

Bremen

16,48

2,69

12

3

Rheinland-Pfalz

16,36

1,49

212

10

Schleswig-Holstein

16,23

2,11

125

10

Brandenburg

15,93

0,25

129

1

Sachsen

15,93

1,71

160

11

Mecklenburg-Vorpommern

15,29

2,03

78

5

Thüringen

15,28

1,24

33

4

Saarland

14,87

0,68

34

1

75

1

Sachsen-Anhalt

14,79

0,31

Gesamtdurchschnitt

16,53

1,88

Wie macht Ihr das?!

Abb. 11: Anteil der unter 18-jährigen Bevölkerung je Bundesland, Dichte der befragten Freien Kinder- und Jugendtheater und Anzahl der Gastspiele in der Region (durch Theater in der Erhebung aus dem gesamten Bundesgebiet) Die Farbintensität zeigt an, in welchem Bundesland die meisten Freien Kinder- und Jugendtheater je 100tsd unter 18-Jährigen bestehen.

ter ein wichtiger Player bei der kulturellen Grundversorgung in ländlichen Regionen sind. Beim Fachtag Im Theater LANDen – Theater in ländlichen Räumen erleben und erproben, einer digitalen Kooperationsveranstaltung der ASSITEJ Förderprogramme NEUSTART KULTUR – Junges Publikum und Wege ins Theater am 29. November 2022 kamen rund 70 Theaterakteur*innen zusammen, die für und mit Kindern und Jugendlichen Theaterprojekte in ländlichen Räumen umsetzen. Finanzierung, Raum und Zeit wurden als essenzielle und stets knappe Ressourcen betont.10 Verbessern kann sich die Lage für Kinder und Jugendliche sowie Theaterakteur*innen nur durch eine gezielte Förderung. Einige Empfehlungen aus dem TRAFO-Ideenkongress von 2019 sind auch zugunsten von Freien Theaterakteur*innen für junges Publikum in ländlichen Räumen zu deuten: Sie würden von einer vereinfachten Förderung ehrenamtlicher Projekte (z.B. durch Regionalbudgets), längerfristigen Fördermöglichkeiten gelungener Praxis (jenseits bisheriger Projekt- bzw. institutioneller Förderung) oder bundesweiten Angeboten zur Beratung und zum Wissenstransfer von Kreativen profitieren.11 Regionalmanager*innen, die als Ansprechpersonen in einer Kommune oder einem Landkreis und als Netzwerkstelle für Kulturarbeit agieren, würden die Netzwerkarbeit für Theaterakteur*innen zudem erleichtern (siehe Kapitel You’ll never walk alone).12

1 2

Siehe Kaden/Wellmer/Puxi, „Qualitative Studie“, S. 30. Siehe Samo Darian/Harriet Völker/Julia Diringer/Gudrun Kirchhoff: Neue Ideen und Ansätze für die Regionale Kulturarbeit. Teil 1: Loslegen. Hg. von TRAFO – Modelle für Kultur im Wandel. Eine Initiative der Kulturstiftung des Bundes, Berlin, 2022, S. 14. 3 Siehe ebd., S. 15. 4 Siehe ebd., S. 19. 5 Interviewte Person; Kaden/Wellmer/Puxi, „Qualitative Studie“, S. 6. 6 Siehe Kaden/Wellmer/Puxi, „Qualitative Studie“, S. 5. 7 Siehe ebd., S. 6. 8 Interviewte Person; ebd. 9 Ebd. 10 Micha Kranixfeld: „Wege durch ländliche Räume“, letzter Zugriff am 26. Juli 2023, https://jungespublikum.blog/2023/01/20/wege-durch-landliche-raume/. 11 Kulturstiftung des Bundes, Hg: „Kultur als Impulsgeber für die Entwicklung ländlicher Räume. Empfehlungen aus dem TRAFO-Ideenkongress.“ (April 2019): letzter Zugriff am 23. Juli 2023, https://www.trafo-programm.de/ downloads/20200713_Kultur_in_laendlichen_Raeumen_Empfehlungen.pdf. 12 TRAFO – Modelle für Kultur im Wandel. Eine Initiative der Kulturstiftung des Bundes, Hg.: „Regionalmanager*in Kultur. Kulturarbeit in ländlichen Räumen. Handreichung zu einem neuen Aufgabenprofil.“ (2021): letzter Zugriff am 21. Juli 2023, https://www.trafo-programm.de/downloads/210603_ OAK_Handreichung_WEB_Einzelseiten.pdf?77275c84bc84fdfe03fb8460997 82563=139f2c004d3ecd872285ce44b878ba0e.


Theaterstandorte Gastpielorte

Prozent an Einwohner*innen unter 18 Jahren von 12,3 Prozent bis 20,1 Prozent.

Abb. 12: Anteil der Einwohner*innen unter 18 Jahre nach Landkreisen, Standorte der Theater und Gastspiele über den gesamten Erhebungszeitraum. (Quelle Basiskarte: Bundesamt für Kartografie und Geodäsie)

23

Wie macht Ihr das?!

Kinder- und Jugendtheater überall



rubrik

Theater für

alle

versus

faire Bezahlung?

Die wirtschaftliche Dimension des Kinder- und Jugendtheaters von Geza Adasz, Valerie Eichmann und Stefanie Fischer

D

ass der Betrieb Freier Theater für und mit Kindern und Jugendlichen überhaupt stattfinden kann, ist in hohem Maße abhängig vom Einsatz der Menschen, die diese Angebote umsetzen. Das Theater allgemein, und ganz besonders das Kinder- und Jugendtheater, stellt (wie in vielen der geführten Interviews deutlich wird) für die meisten Menschen eine Herzensentscheidung dar – damit diese aber, im steuerrechtlichen Sprachgebrauch, nicht zur „Liebhaberei“ wird, ist eine wirtschaftlich tragfähige Finanzierung notwendig.*

*

„Liebhaberei“ im Steuerrecht bezeichnet Unternehmungen, die ohne ernsthaft erkennbare Absicht eines betrieblichen Gewinns betrieben werden. Stuft das Finanzamt ein angemeldetes Gewerbe als Liebhaberei ein, können die Betreiber betriebliche Ausgaben aus diesem Unternehmen nicht als einkommensmindernde Aufwendungen in ihrer Steuererklärung ausweisen, was für die Betreiber erhebliche Nachteile bedeutet: Sämtliche Kosten des Betriebes werden sozusagen als „Privatvergnügen“ angesehen und alle Einnahmen müssen vollumfänglich als Gewinn versteuert werden.

25

Die Analyse der Einkommensquellen der von der ASSITEJ untersuchten Theater zeigt eine Zweiteilung der Theaterlandschaft: auf der einen Seite diejenigen mit einer diversifizierten Einnahmenstruktur, auf der anderen Seite die mit Konzentration auf eine spezialisierte Einnahmeart. Während die Umsätze der Theater, die in der Rechtsform einer GbR oder durch Einzelkünstler*innen geführt werden, in der Regel vorwiegend aus Kartenverkäufen bzw. Einnahmen durch Honorare (beispielsweise für Gastspiele) stammen, sind die Einnahmen der Theater mit größeren Organisationsstrukturen für gewöhnlich breiter aufgestellt (siehe Abb. 13). Weitere Einnahmequellen bilden vielerorts (mit Ausnahme der GmbHs und Einzelkünstler*innen) Spenden, öffentliche Förderung und zu einem nicht unerheblichen Teil nicht näher definierte betriebliche Einnahmen (in der Abbildung 13 zusammengefasst als „Sonstige Einnahmen“), wie beispielsweise der Verkauf von Souvenirs, Tonträgern etc. oder auch der Betrieb einer Theatergastronomie. Zusammengefasst bilden diese selbst erwirtschafteten Einnahmen und akquirierten Mittel die Eigenfinanzierungsquote, die mit durchschnittlich 71 Prozent durchgehend sehr hoch ist. (Zum Vergleich: Im Spartenbericht Darstellende Kunst 2021 des Statistischen Bundesamtes werden 80,3 Prozent der Einnahmen der öffentlichen Theaterunternehmen als Zuweisungen und Zuschüsse ausgewiesen, die Betriebseinnahmen liegen dort bei 17,1 Prozent des Etats.)1


26

ixypsilonzett | Magazin 2023

Durchschnittlich beziehen nur 28,3 Prozent der betrachteten Freien Theater öffentliche Förderung (siehe Abb. 14). Sie liegen damit deutlich unter dem Durchschnitt von 87 Prozent, der allgemein für die Freien Darstellenden Künste ermittelt wurde.2 Besonders Theater mit kleineren Strukturen weisen dabei eine überdurchschnittlich hohe Eigenfinanzierungsquote von 80 bis 90 Prozent auf (siehe Abb. 13) – nur knapp über zehn Prozent der Einzelkünstler*innen nutzen Förderungen, die dann wiederum auch nur 7,5 Prozent ihres Etats ausmachen. Unter den Theatern mit größeren Strukturen und dementsprechend personell besser ausgestatteter Verwaltung nutzen hingegen über 63 Prozent der Vereine und 50 Prozent aller gemeinnützigen GmbHs Fördermittel. In diesen beiden Gruppen beträgt der durchschnittliche Anteil der Förderungen am Etat 39 Prozent bei den gGmbHs und bis über 46 Prozent bei den e.V. Als Gründe für die geringe Förderquote nennen interviewte Personen aus kleineren Theaterstrukturen in der qualitativen Untersuchung den administrativen Aufwand für Förderanträge, der personell und finanziell kaum leistbar sei, zumal die Finanzierung der organisatorischen Arbeit im Vorhinein auf eigenes Risiko erfolgt: „Das ist eine Zeit- und Arbeitsressource, die da verbraucht wird, das ist unfassbar.

Das können wir eigentlich nicht leisten.“3 In der quantitativen Auswertung der eingegangenen Kosten- und Finanzierungspläne für den Spielbetrieb im Rahmen von NEUSTART KULTUR – Junges Publikum spiegelt sich dann auch der meist nicht kalkulierte Verwaltungsaufwand wider: Insgesamt berücksichtigen gerade einmal acht Prozent aller Kalkulationen Ausgaben für allgemeine Verwaltungsaufgaben und nur 28 Prozent die Kostenposition eines künstlerischen Betriebsbüros, das die Umsetzung des Spielbetriebs koordiniert. Bestätigend ist in diesem Zusammenhang auch zu beobachten, wie – mit Ausnahme der GmbHs – mit zunehmender Größe der Unternehmensstruktur parallel der Eigenfinanzierungsanteil sinkt und die Förderquote steigt: Die Etats eingetragener Vereine beinhalteten in dieser Auswertung 46 Prozent öffentliche Förderungen, die der gemeinnützigen GmbHs 39 Prozent und GbRs bestreiten immerhin über 17 Prozent ihrer Einnahmen aus verschiedenen Zuwendungen der öffentlichen Hand. Die im Rahmen der qualitativen Untersuchung befragten Theater berichten aus ihrer eigenen Erfahrung, dass Kinder- und Jugendtheater auch häufig aus den engen Rastern der Förderprogramme fallen, da viele Projekte zwischen Kultureller Bildung und Kunst zu verorten sind, was bei-

Eigenfinanzierungsanteil

öff. Förderungen und Zuschüsse

Rechtsform

N

Gesamt

Gesamt

Einzelkünstler*in

28

89,76%

7,57%

e.V.

50

53,36%

46,64%

GbR

32

82,62%

17,38%

gGmbH

6

60,92%

39,08%

GmbH Gesamtergebnis

5

88,10%

11,90%

121

71,33%

28,05%

14,51% 28,05%

52,50%

öffentliche Förderungen und Zuschüsse

Eigenfinanzierungsanteil

Rechtsform

4,32 %

Kartenverkauf und Honorare

Kartenverkauf und Honorare

Sonstige Einnahmen

Spenden und Privatförderung

Anteil von 100%

Anteil von 100%

Anteil von 100%

Einzelkünstler*in

95,80%

4,20%

0,00%

e.V.

47,58%

38,51%

13,91%

GbR

85,52%

9,86%

4,62%

gGmbH

61,16%

30,84%

8,00%

GmbH

43,27%

56,63%

0,10%

Gesamtergebnis

73,60%

20,34%

6,06%

Abb. 13: Zusammensetzung des Eigenfinanzierungsanteils am Etat, nach Rechtsformen Die Anteile der selbst erwirtschafteten Einnahmearten am Gesamtetat der Theater summieren sich auf die Eigenfinanzierungsquote. In der Regel wird der übrige Finanzierungs­bedarf durch Zuschüsse und Förderungen gedeckt. Lediglich bei den selbstständig Einzelkünstler*innen summiert sich die Eigenfinanzierungsquote und die Förderquote nicht auf 100 Prozent: Die fehlenden 2,66 Prozent setzen sich aus nicht gesondert kategorisierten buchhalterischen Einnahmen wie Abschreibungen, Einlagen etc. zusammen.

Sonstige Einnahmen Spenden und Privatförderung

Anm.: Die Summe des Eigenfinanzierungsanteils und der Zuschüsse bildet nicht alle Einnahmen der Einzelkünster*innen ab. Hier spielen verschiedene buchhalterische Einnahmen, wie bspw. Abschreibungen oder auch Privateinlagen eine Rolle, die nicht in die betriebliche Kategorie „sonstige Einnahmen“ fallen.


Theater für alle versus faire Bezahlung

Kinder- und Jugendtheater und die Förderlandschaft In den Interviews der qualitativen Studie kritisieren Befragte, dass in ihrer Erfahrung vor allem Theater mit eigener Spielstätte und etablierte Künstler*innen aus den Ballungsräumen gefördert würden, während die Freien Theater sowie im ländlichen Raum ansässige Künstler*innen zu wenig berücksichtigt werden. Auch bemängeln sie, dass Jurys oftmals nur Konzepte berücksichtigen, die als besonders innovativ, integrativ oder experimentell wahrgenommen werden, während konventionelle Ansätze oftmals keine Chance hätten.5 Diese Selbstwahrnehmung steht in Kontrast zum interdisziplinären, partizipativen und experimentierfreudigen Grundverständnis der eigenen Ästhetik von Freien Kinder- und Jugendtheatern, wie sie im Kapitel Wider die Verniedlichung herausgearbeitet wird. Es ist daher die Auswahl der Befragten zu beachten: Es wurden sowohl Personen befragt, deren Theater in hohem Maße Förderung erhalten als auch Theater, die nur wenig oder keine beziehen. Es zeigt sich dementsprechend, dass projektbasierte Spitzen- und Innovationsförderungen

zwar mitunter ankommen, dass jedoch ein Großteil der Freien Kinder- und Jugendtheater (wie die Aufstellung der Einnahmequellen weiter oben zeigt) diese Förderung nicht erhält. Qualitäts- bzw. Innovationsmängel können, aber müssen nicht das ausschließende Kriterium sein, sondern auch beispielsweise Budgetmangel, um alle Projekte zu fördern, die inhaltlich überzeugen. Hinsichtlich der mitunter prekären wirtschaftlichen Verhältnisse in den Freien Kinder- und Jugendtheatern, die in den hier verhandelten Studien nachgezeichnet werden, erscheint es sinnvoll, die aktuelle Förderpraxis zu prüfen und ihr Ziel in Bezug auf die Darstellenden Künste für junges Publikum neu zu befragen. Was für eine Kinder- und Jugendtheaterlandschaft möchte man in zehn Jahren vorfinden? Wie verbreitet soll sie in den ländlichen Räumen sein? Welche Rolle soll die Perspektive von jungen Menschen selbst einnehmen? Gezieltere Förderprogramme, die die Bedürfnisse der Theater für junges Publikum und der Kinder und Jugendlichen selbst in den Fokus nehmen und fest in der Kulturförderlandschaft verankern, könnten helfen, die prekären Arbeitssituationen zu verbessern und die Darstellenden Künste für junges Publikum zu stärken.

Gesamt in Auswertung Rechtsform

davon öffentl. gefördert

N Anzahl

Anteil

andere Form

2

1

50,00%

Einzelkünstler*in

88

9

10,22%

e.V.

69

44

63,76%

GbR

81

15

18,51%

gGmbH

10

5

50,00%

GmbH

8

1

12,50%

258

75

29,06%

Gesamtergebnis

Abb. 14: Anteil der Theater, die in der Vergangenheit regelmäßig Zuwendungen empfangen haben

Wie macht Ihr das?!

spielsweise bei Theatern mit interdisziplinären Ansätzen durchaus frustrierend wirken kann: „Es gibt Leute, die fallen immer raus aus den Rastern.“4 Trotz beziehungsweise gerade aufgrund des hohen Anteils an Eigenfinanzierung befinden sich die Freien Kinder- und Jugendtheater mit ihren niedrigschwelligen Eintrittspreisen von üblicherweise rund 5,50 Euro pro Kind (siehe Abb. 15) in einer wirtschaftlich prekären Lage, wie besonders die Situation der Einzelkünstler*innen verdeutlicht: Nach Ausgaben für Personal (dies schließt nicht die Zahlungen an die Einzelkünstler*innen oder die Gesellschafter*innen der GbR ein, sondern nur Zahlungen an Dritte) von durchschnittlich 186,66 Euro pro Vorstellung sowie allen in den Gesamtkosten inkludierten betrieblichen Kosten beträgt der Rohertrag einer*s Einzelkünstler*in aus Ticketeinnahmen oder Honoraren durchschnittlich nur 47,59 Euro je Aufführung (siehe Abb. 16). Je höher die Eigenfinanzierungsquote eines Theaters ist, desto negativer wirken sich damit Ticketpreise, die nicht kostendeckend sind, auf die Wirtschaftlichkeit eines Theaterbetriebes und das Einkommen der Akteur*innen aus. Ein Großteil der Befragten gibt daher an, neben der Tätigkeit in ihren Theatern noch weitere Einnahmequellen zu haben, wodurch eigene Aufführungen querfinanziert werden. Eine interviewte Person fasste die Situation zusammen mit: „Jede Aufführung ist eigentlich ein Defizit.“6 Bei den Einzelkünstler*innen beziehen sich die Personalkosten nur auf Honorare für Dritte, das Honorar der Einzelkünstler*innen bildet sich entsprechend der Einnahmen-

27


28

ixypsilonzett | Magazin 2023

Ø Aufführungen pro Jahr

Ø Neuproduktionen pro Jahr

Ø Preis Kinder

Ø Preis Jugendliche

Ø Preis Erwachsene

Ø Preis Gruppen

Rechtsform

Anzahl

N

Anzahl

N

Höhe

N

Höhe

N

Höhe

N

Höhe

N

andere Form

64,25

2

2,75

2

8,00 €

1

10,00 €

1

–€

0

–€

0

Einzelkünstler*in

83,23

79

1,49

71

5,11 €

62

6,12 €

49

6,00 €

1

5,50 €

3

e.V.

102,90

59

3,90

56

5,58 €

53

6,35 €

50

11,50 €

6

5,00 €

6

GbR

83,46

70

3,70

69

5,40 €

55

6,76 €

52

8,00 €

1

6,00 €

2

gGmbH

237,60

10

4,05

10

7,69 €

8

8,89 €

9

–€

0

6,17 €

3

GmbH

199,60

5

2,90

5

6,13 €

4

6,38 €

4

–€

0

–€

0

Gesamtergebnis

97,74 225

3,00

213

5,48 € 183

6,57 €

165

10,38 €

8

5,50 €

14

Abb. 15: Durchschnittliche Aufführungs- und Neuproduktionszahl und Preisgestaltung der Theater

Ø Aufführungen pro Jahr Rechtsform

Ø Einnahmen Ticket und Vorstellungshonorar

Ø Ø Ø Einnahmen gesamt Ausgaben Personal Ausgaben gesamt

Anzahl

Summe

Summe

Summe

Summe

N

Einzelkünstler*in

95,85

47 994,87 €

66 474,74 €

17 891,62 €

43 432,59 €

17

e.V.

100,38

144 234,17 €

412 258,95 €

265 930,97 €

404 455,24 €

38

GbR

100,03

72 529,68 €

109 427,17 €

39 847,53 €

79 673,45 €

19

gGmbH

280,13

339 828,46 €

755 329,41 €

467 533,49 €

749 827,81 €

4

GmbH

251,83

369 757,94 €

682 645,58 €

347 546,33 €

641 984,90 €

3

Gesamtergebnis

113,83

125 227,93 €

295 608,41 €

173 819,88 €

278 354,50 €

81

Erhebungszeiträume: 2017–19, nur diejenigen Geförderten, von denen vollständige Datensätze zu den jeweiligen Datenpunkten vorlagen

Einzelkünstler*in N = 17 e.V N = 38 GbR N = 19 gGmbH N = 4 GmbH N = 3 Euro 0

500

1 000

1 500

Abb. 16: Einnahmen und Ausgaben, Ausgaben Personal gesamt und je Aufführung im rechnerischen Mittel Die rechnerisch auf die durchschnittlichen Werte je Rechtsform im Jahr umgelegten Kosten und Einnahmen pro Veranstaltung erlauben einen Blick auf die Fehlbedarfe je Aufführung, wie hoch also die Kosten sind, die nicht durch Einnahmen aus Ticketverkäufen und Honoraren gedeckt werden.

2 000

2 500

3 000

3 500

4 000

4 500

Ticket-/Honorareinnahmen je Aufführung Ausgaben gesamt je Aufführung Ausgaben Personal je Aufführung


Theater für alle versus faire Bezahlung

überschussrechnung aus der Differenz von Einnahmen und Ausgaben. Die „Gesamtkosten je Aufführung“ beziehen alle Kosten, die im laufenden Betrieb anfallen, mit ein und legen sie auf eine Vorstellung um, damit ein vergleichbares Bild entsteht, wie hoch die finanziellen Aufwendungen sind, die ein Theater leisten muss, um seine Vorstellungen zu realisieren. Unbezahlte Arbeiten sind nicht erfasst. Dabei muss berücksichtigt werden, dass obwohl die Gesellschafter*innen einer GbR bzw. der oder die Einzelkünstler*in in der Regel selbst Teil des Realisierungspersonals sind, diese für gewöhnlich jedoch kein reguläres aufführungsbezogenes Honorar erhalten, sondern als Unternehmer*innen bzw. Teilhaber*innen mit der Gewinnausschüttung entlohnt werden. Diese Saläre fließen also nicht in die Kostenrechnung des Theaters ein. Daher sei hier kurz der ermittelte statistische Wert erwähnt: Im Schnitt lagen Ausschüttungen vor Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen etc. im Erhebungszeitraum von 2017 bis 2019 bei den Einzelkünstler*innen bei rund 22 000 Euro. Bei den GbRs, die im Mittel aus 3,3 Gesellschafter*innen bestehen, lag der Bruttogewinn bei knapp 12 000 Euro pro Person. Diese Zahlen sind im negativen Sinn bemerkenswert, da selbstständige Theaterschaffende mit ihrer „Kernaufgabe“ ohne Unterstützung von außen oder Zuerwerb nur in den seltensten Fällen wirtschaftlich überlebensfähig sind. In den Gesprächen der ISG mit den Theatermacher*innen sind als übliche Komplementärtätigkeiten unter Anderem genannt worden: Selbstständige Honorarkraft in anderen Theaterprojekten, Yogaunterricht, Arbeit im musikalischen Bereich sowie als Coaches, Rhetorik- oder Bewerbungstrainings an Schulen bzw. als Veranstalter*innen von Workshops für Lehrer*innen und Erzieher*innen oder Arbeit als Dozent*in-

Einzelkünstler*in N = 32

nen. Diese weiteren Engagements machen laut Aussage der Interviewten ca. 3–60 Prozent ihrer Einnahmen aus.7 Bei der analytischen Betrachtung der betriebswirtschaftlichen Kennzahlen eines Theaterbetriebes kommt dem Anteil der Personalkosten besondere Bedeutung zu, da das Verhältnis zwischen den Ausgaben für Personal und allen übrigen Kosten der Theater (Sachkosten des Betriebes, Produktions- und Investitionskosten) Rückschlüsse auf die infrastrukturelle Ausstattung des Betriebes zulässt: Je höher der Anteil der Ausgaben für Sachmittel, die für die Umsetzung des Theaterbetriebes unverzichtbar sind (seien es Raummieten, Technik oder Ausstattung etc.), umso geringer ist das Budget, das für Personalkosten zur Verfügung steht. Dabei fällt auf, dass Einzelkünstler*innen und GbRs im Vergleich zu den übrigen Rechtsformen nach den Ergebnissen der Untersuchung verhältnismäßig niedrige Ausgaben für Personal aufwenden (siehe Abb. 17). Es ist aber nicht davon auszugehen, dass in diesen Betriebsformen im Verhältnis zur Größe weniger Personalleistungen erbracht werden. Vielmehr ist dieser Umstand als Indikator dafür zu lesen, dass in kleineren Theaterstrukturen unentgeltliche Arbeit einen wesentlichen Beitrag zu ausgeglichenen Jahresabschlüssen bildet. Einer interviewten Person zufolge stellt eine angemessene Bezahlung der Theaterschaffenden (etwa entsprechend dem Normalvertrag Bühne) ein generelles Problem für viele Theaterbetriebe dar: „So werde am Honorar als erstes gespart, wenn etwa eine Neuproduktion gestemmt werden müsse.“8 Und auch wenn ein Theaterbetrieb selbst generell wirtschaftlich gut dasteht, sei dies keine Garantie dafür, dass Angestellte angemessen – also entsprechend geltender Tarife oder Honoraruntergrenzen – bezahlt werden.9 Gerade

46,68% 64,14%

e.V N = 47 GbR N = 36

50,48%

gGmbH N = 7

66,06%

GmbH N = 4 Tsd. Euro 0

29

60,35% 100

200

Ausgaben gesamt Ausgaben Personal

300

400

500

600

700

800

900

1 000

1 100

1 200

Abb. 17: Personalkostenanteil an den Gesamtausgaben nach Rechtsformen In der Tabelle angegeben ist der errechnete Mittelwert der Theater in der jeweiligen Rechtsform auf Grundlage der vorhandenen Daten aus dem Zeitraum 2017–2019.


Wie macht Ihr das?!

30

ixypsilonzett | Magazin 2023

die aufwändige und außerhalb des regulären Spielbetriebes stattfindende Konzeption neuer Spielreihen oder Stückentwicklungen pro Jahr stellt so manchen Theaterbetrieb vor betriebswirtschaftliche Herausforderungen: Die Produktionskosten werden häufig aufgrund der hohen Preissensibilität des Publikums bzw. der Kooperationspartner*innen nicht in die kalkulatorischen Gesamtkosten je Aufführung einbezogen. Das hat zur Folge, dass die kostenintensiven Neuproduktionen entweder oft zum Gegenstand unbezahlter Überstunden werden oder ohne finanzielle Zuwendungen von außen gar nicht umsetzbar sind.10 Als typische Arbeitsbereiche, die häufig aus wirtschaftlichen Zwängen heraus ebenfalls kaum abgedeckt werden können, wurden in den Interviews der qualitativen Untersuchung genannt: Social Media, Datenschutz oder die vielfältigen Formen der Netzwerk- und Lobbyarbeit, zu der auch der Austausch mit Kolleg*innen bei Festivals oder Vernetzungstreffen zählen.11 Die Theaterlandschaft und Kulturpolitik sieht sich hier also wiederum einem Dilemma gegenüber: Mit allgemein steigenden Kosten, aber gleichbleibend niedrigen Einnahmeerwartungen stellt sich manchen Freien Theaterschaffenden – wie auch den Theatern als Institutionen – die generelle Frage nach der wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit, die in einem der geführten Gespräche von den Betroffenen folgendermaßen beantwortet wurde: „Und dann kam also auch so ein Punkt, wo ein großer, großer Frust sich in mir breit gemacht hat, weil ich gemerkt habe: Ich kann einfach von dem Kindertheater nicht leben. Ich kann davon einfach nicht leben.“12 Zugleich liegt auf der Hand, dass ohne angemessene Bezahlung das Personal über kurz oder lang sowohl für die Freien Kinder- und Jugendtheater, als auch für die Darstellenden Künste generell, verloren geht, da die betroffenen Theaterschaffenden hier keine angemessenen Perspektiven vorfinden – weder für ihr aktives Berufsleben noch mit Blick auf eine auskömmliche Altersvorsorge. So sehen sich viele Menschen in den Freien Darstellenden Künsten von Altersarmut bedroht.13 Dabei sind die Theater dringend auf die außerordentliche Einsatzbereitschaft ihrer Mitarbeiter*innen angewiesen, zugleich wird ihre Rolle als arbeitsmarktpolitischer Akteur häufig unterschätzt: Obwohl im Rahmen dieser Untersuchung keine vollständigen Zahlen über die Mitarbeiter*innenstrukturen erhoben werden konnten, ließ die Analyse der im Rahmen der Antragstellung eingereichten Finanzierungspläne einzelner Gastspiel- und Aufführungspläne die Feststellung zu, dass im Allgemeinen 51 Prozent aller Personalpositionen durch Honorarkräfte, 30 Prozent durch Angestellte, acht Prozent durch Minijobber und elf Prozent durch die Einzelkünstler*innen bzw. Gesellschafter*innen der GbRs selbst ausgefüllt werden. Bei Betrachtung der wirtschaftlichen Verhältnisse von Freien Kinder- und Jugendtheatern muss also konstatiert werden, dass die meisten Theater stets am Rande der wirtschaftlichen Tragfähigkeit arbeiten – die beruflichen Bedingungen der Theaterakteur*innen, die als Personengesellschaften agieren, sind gar als „prekär“ anzusehen.

Ein Phänomen, das sich dabei sowohl bei größeren wie kleineren Theatern zu manifestieren scheint, ist die bereits an mehreren Stellen angedeutete (und in der Regel nicht quantitativ und buchhalterisch erfasste) übliche unentgeltliche Mehrarbeit: Um den Betrieb überhaupt aufrechterhalten zu können, wird in der Branche offensichtlich neben den bezahlten Arbeitsstunden von der Notwendigkeit unvergüteter zusätzlicher Leistung ausgegangen. Dies ist aus zweierlei Perspektiven problematisch: Entweder herrscht in den Betrieben eine institutionalisierte Kultur der ‚freiwilligen Selbstausbeutung‘ – sowohl auf Arbeitnehmer*innen – wie auch auf Arbeitgeber*innenseite. Oder es lässt sich hierbei ein strukturelles Problem der betriebswirtschaftlichen Organisation in (den meist kleineren) Kinder- und Jugendtheaterbetrieben insofern identifizieren, als dass die Leistungen der GbR-Mitglieder oder Einzelunternehmer*innen weder inhaltlich noch quantitativ klar definiert sind – geschweige denn beispielsweise in Form von projektbezogenen Binnenverträgen in einer GbR fixiert werden. Dementsprechend werden diese geleisteten Arbeitsstunden überhaupt nicht erfasst, wodurch in solchen Fällen von vornherein die Kalkulation der betrieblichen Aufwendungen in Form von Personalleistungen permanent verzerrt wird. Damit ist streng genommen gar keine konsistente realistische Betriebskalkulation möglich. Im übertragenen Sinne fahren diese Betriebe mit ihrem Ressourcenmanagement mit Vollgas durch eine Nebelwand, zugleich wird eine realistische und damit zielführende Einschätzung des Förderbedarfs erschwert. Dieser Umstand entbehrt nicht einer gewissen Tragik, da in der Arbeitsrealität das buchhalterisch unsichtbare, aber reale Defizit dieser Theaterbetriebe gezwungenermaßen nicht dargestellt werden darf, sollten sich diese Betriebe künftig um öffentliche Zuschüsse bemühen wollen – weil betriebswirtschaftlich defizitäre Betriebe entsprechend der üblichen Fördergrundsätze grundsätzlich keine öffentlichen Zuwendungen erhalten sollen.

Vgl. Weißmann: Bildung und Kultur. Spartenbericht Darstellende Kunst 2021, S. 53. 2 Siehe ebd., S. 60. 3 Interviewte Person; Kaden/Wellmer/Puxi 2022, S. 35. 4 Interviewte Person; Kaden/Wellmer/Puxi 2022, S. 36. 5 Siehe Kaden/Wellmer/Puxi 2022, S. 45. 6 Interviewte Person; Kaden/Wellmer/Puxi 2022, S. 34. 7 Kaden/Wellmer/Puxi 2022, S. 38. 8 Interviewte Person; Kaden/Wellmer/Puxi 2022, S. 37. 9 Siehe ebd. 10 Siehe ebd. 11 Siehe ebd., S. 43. 12 Interviewte Person; Kaden/Wellmer/Puxi 2022, S. 34. 13 Ausführlich in: Henrik Adler/Wibke Behrens/Thomas Fabian Eder/Christian Grüner/Janet Merkel/Sven Sappelt (2022): „Zukunftsfähig und gerecht? Die soziale Absicherung von Freiberufler*innen, Selbstständigen, hybrid Erwerbstätigen und Kulturunternehmer*innen in den freien darstellenden Künsten.“ In: Bundesverband Freie Darstellende Künste e.V. (Hg.): Themendossiers im Rahmen von Systemcheck, Berlin. 1


Wie macht Ihr das?!


32

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Betriebswirtschaftliche

Zusammenhänge

im (Freien) Kinder- und Jugendtheater von Kai Liczewski

Wie macht Ihr das?!

U Einleitung

Die Kostenkrankheit

m (Musik-)Theaterproduktionen auf die Bühne zu bringen, muss Vieles zusammengebracht werden. In den großen Häusern sind daher zahlreiche Abteilungen und Gewerke mit entsprechenden Spezialist*innen beschäftigt. Was nun, wenn alle diese Aufgaben eine Person allein stemmen muss – dazu noch den eigenen Vertrieb leitet, Social Media-Manager*in ist und die Buchhaltung nachts nachholen muss? In der Freien Kinder- und Jugendtheaterszene ist es keine Seltenheit, dass nur sehr wenige Personen die vielfältigen Aufgaben auf sich vereinen. (Mit 34 Prozent bilden Einzelkünstler*innen die größte Gruppe der Theater der Studie zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Freien Kinder- und Jugendtheater in Deutschland.) Wenn an der Vielzahl der aktuellen und zukünftigen Herausforderungen selbst die Beschäftigten der großen Häuser teils verzweifeln, wie sollen die Menschen der Freien Kinderund Jugendtheaterlandschaft diese bewältigen? Wie lange finden sich Idealist*innen, die noch unter den aktuellen Bedingungen arbeiten wollen und können? Aufgrund fehlender Daten war es objektiv schwer zu fassen, wie es den Menschen der Freien Kinder- und Jugendtheater ökonomisch geht. In der Folge wird vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Studie zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Freien Kinder- und Jugendtheater in Deutschland auf einige der betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen näher eingegangen werden.

Alle Kulturorganisationen haben ein gemeinsames Problem: Steigende Kosten können bei einem hohen Personalkostenanteil nicht durch Steigerungen der Produktivität, beispielsweise aufgrund von technischem Fortschritt, kompensiert werden. Orchester haben eine in der Partitur festgelegte Größe, es stehen weiterhin Menschen auf der Bühne. Und auch hinter der Bühne können Roboter keine Requisiteur*innen ersetzen. Damit steigen, auch aufgrund von Tarifabschlüssen, die Personalkosten in öffentlichen Betrieben Jahr für Jahr. Die Größe des Publikums wäre selbst bei entsprechender Nachfrage von Saalgrößen und Sichtbarkeiten begrenzt. Die Einnahmen sind also nicht skalierbar. Für subventionierte Häuser ist dieser seit 1966 als „Baumol’sche Kostenkrankheit“ (Dienstleistungen verteuern sich schneller als materielle Güter)1 bekannte Effekt eine zentrale Argumentationslinie für die Notwendigkeit der laufenden Valorisierung* ihrer öffentlichen Subvention: Selbst wenn die Eigenerlöse jedes Jahr um die Höhe der Inflation gesteigert werden könnten, muss die Subvention mit valorisiert werden.2 Durchschnittlich haben die öffentlichen Theater eine Eigenfinanzierungsquote von 18 Prozent.3 Wenn die Kartenpreise aus Gründen der Zugänglichkeit stabil und niedrig gehalten werden sollen und müssen, braucht es sogar eine höhere Steigerung der Subvention oder zusätzlich andere Finanzierungsquellen.

*

Wertsicherung; Anpassung eines Wertes an die Inflation


Betriebswirtschaftliche Zusammenhänge

welche die Organisationen meist nicht aufbringen können. Es gibt sogar Aussagen von Theaterakteur*innen, dass noch nicht einmal mögliche Projektförderungen beantragt werden können, da der administrative Aufwand hierfür zu hoch ist. Nur 28,3 Prozent der in der Studie betrachteten Freien Theater beziehen aktuell irgendeine öffentliche Förderung (siehe Kapitel Theater für alle vs. faire Bezahlung?). Theater nutzen häufig die Systematik der Deckungsbeitragsrechnung, um Entscheidungen zur Spielplanung und der resultierenden Kosten- und Erlösstruktur zu treffen. Dabei handelt es sich um ein System der Teilkostenrechnung, bei dem den vorstellungsbezogenen Erlösen (vor allem die Einnahmen aus Kartenverkauf) die vorstellungsbezogenen Kosten (Honorare, Materialkosten) entgegen­ gestellt werden. Je nach Organisation kann der Anteil der variablen Kostenpositionen, also vereinfacht gesagt die Kosten je Vorstellung, sehr unterschiedlich sein. Bei Festivals sind beispielsweise meist alle Künstler*innengagen variable Kosten (sie sind abhängig von der Anzahl der Vorstellungen), bei Mehrspartenhäusern mit eigenem Orchester und fest angestellten Ensembles sind die Honorare für die fest angestellten Künstler*innen dagegen Fixkosten und nur die Gästekosten variabel. Daher sind Deckungsbeiträge zwischen Theater­organisationen nicht vergleichbar. In subventionierten Häusern wäre es aber in jedem Fall nicht ungewöhnlich, dass die Vorstellungserlöse noch nicht einmal die variablen Kosten einer Vorstellung decken. An diesen

Die Planung von Erlösen und Kosten Im Vergleich zu städtischen und staatlichen Theatern haben die in der Studie betrachteten Theater durch die geringen staatlichen Förderungen insgesamt eine höhere Eigenfinanzierung von 71 Prozent (siehe Kapitel Theater für alle vs. faire Bezahlung?). Die Annahme, dass die oben geschilderten Dynamiken diese Theater damit nicht so stark treffen würden (der hohe Anteil der Eigeneinnahmen könnte ja einfach um die Inflation durch Preiserhöhungen gesteigert werden, wodurch die steigenden Kosten gedeckt wären) ist aber sicher falsch. Die Eintrittspreise werden nicht aufgrund der Vollkosten der Vorbereitung und Durchführung der Vorstellungen, inklusive einer Umlage der Gemeinkosten (Kosten für Organisation, Management, Rechnungswesen, Investitionen), kalkuliert. Die Eintrittspreise werden aufgrund von anderen Erwägungen festgelegt. Schulen können nur bestimmte Beträge zahlen. Man steht in Konkurrenz zu subventionierten Angeboten und möchte nicht zuletzt die Zugänglichkeit für alle Einkommensgruppen erhalten. Neben den also nur begrenzt steigenden und mit gewisser Unsicherheit behafteten Kartenerlösen wurde die Erschließung von weiteren Einnahmequellen wie dem Verkauf von Getränken oder Merchandising über die letzten Jahrzehnte bereits zu einem großen Teil ausgereizt. Und eine weitere Erschließung von Einnahmequellen benötigt Ressourcen,

andere Form

Einzelkünstler*in

33

e.V.

GbR

gGmbH

GmbH

Gesamt

Bundesland (alphabetisch) Baden-Württemberg

202 159,80 €

564 736,80 €

752 846,76 €

379 858,80 €

–€

–€

1 899 602,16 €

Bayern

195 062,55 €

197 370,60 €

631 157,05 €

327 450,30 €

–€

446 639,00 €

1 797 679,50 €

Berlin

402 603,59 €

809 750,28 €

1 182 837,62 €

948 397,47 €

70 342,03 €

637 305,97 €

4 051 236,96 €

–€

10 296,00 €

–€

38 795,00 €

–€

–€

49 091,00 €

Brandenburg Bremen

–€

112 909,90 €

–€

47 326,50 €

–€

–€

160 236,40 €

Hamburg

25 280,00 €

93 075,00 €

103 300,00 €

283 205,82 €

–€

–€

504 860,82 €

Hessen

18 126,00 €

570 701,03 €

314 535,60 €

1 089 130,43 €

443 164,40 €

86 050,00 €

2 521 707,46 €

Mecklenburg-Vorpommern

–€

33 720,00 €

–€

35 957,99 €

–€

–€

69 677,99 €

41 313,40 €

282 229,06 €

316 664,03 €

464 565,55 €

182 724,44 €

26 325,00 €

1 313 821,48 €

199 950,00 €

1 213 940,98 €

2 437 578,02 €

1 331 940,66 €

53 445,19 €

630 143,08 €

5 866 997,93 €

Rheinland-Pfalz

–€

129 299,98 €

368 035,57 €

232 071,00 €

84 700,00 €

–€

814 106,55 €

Saarland

–€

46 790,00 €

–€

–€

–€

–€

46 790,00 €

Sachsen

–€

296 492,42 €

68 091,60 €

232 909,00 €

–€

–€

597 493,02 €

Sachsen-Anhalt

–€

43 034,00 €

135 964,00 €

21 600,00 €

–€

–€

200 598,00 €

Schleswig-Holstein

–€

511 761,45 €

134 609,15 €

92 112,00 €

19 999,00 €

27 770,00 €

786 251,60 €

Thüringen

–€

–€

163 965,00 €

–€

–€

–€

163 965,00 €

1 084 495,34 €

4 916 107,50 €

6 609 584,40 €

5 525 320,52 €

854 375,06 €

1 854 233,05 €

20 844 115,87 €

Niedersachsen Nordrhein-Westfalen

Gesamt

Abb. 18: Bewilligte Mittel im Programm je Rechtsformen und Bundesländer Die im Zuge der Antragsprüfung von 2021 bis 2022 durch NEUSTART KULTUR – Junges Publikum bewilligten Mittel nach Rechtsformen und Standorten der antragstellenden Theater.


34

ixypsilonzett | Magazin 2023

Theatern muss die Subvention sogar mehr als nur die Fixkosten tragen. Wenn allerdings von nicht subventionierten Theatern die Aussage kommt, dass „[j]ede Aufführung [...] eigentlich ein Defizit [ist]“4, stellt sich doch die Frage, wie die Fixkosten der Organisation bzw. der Lebensunterhalt der Einzelunternehmer*innen gedeckt werden. Jedes Theater wird immer Projekte realisieren, die über ihren besseren Deckungsbeitrag andere Projekte mit schlechterem Deckungsbeitrag gegenfinanzieren. Die Deckung der Fixkosten, und das heißt auch der Lebensunterhalt der Einzelunternehmer*innen, muss alle Vorhaben allerdings gemeinsam erreichen, wenn es keine anderen Finanzierungsquellen gibt. Und spätestens bei der Einstellung von zusätzlichen Mitarbeiter*innen oder der Investition in Spielstätten ist eine langfristigere Planungssicherheit durch entsprechende mehrjährige Zuwendungszusagen, die zumindest die Fixkosten absichern, essenziell.

Wie macht Ihr das?!

Die versteckten Personalkosten Bei der Kostenstruktur ist eine der grundsätzlichsten Kennzahlen die Personalkostenquote. Hier sind die Freien Kinder- und Jugendtheater mit knapp 60 Prozent näher an den öffentlichen Theaterorganisationen mit 73 Prozent.5 Diese geringere Quote kann zum Teil an dem höheren Anteil von Sprechtheater bei den Freien Kinder- und Jugendtheatern im Vergleich zu den in der Theaterstatistik betrachteten Theatern liegen. In Kombination mit den geführten Befragungen kann man bei der Analyse der Studien aber noch zu einem weiteren Grund für die geringere Quote kommen: Bei vielen der Freien Theater, vor allem bei den Einzelunternehmer*innen, könnten die Personalkosten systematisch zu niedrig dargestellt sein. Es wäre äußerst spannend, einen echten Stundensatz der Beschäftigten zu bestimmen. Die zur Bestimmung dieser Kennzahl notwendige tatsächlich geleistete Arbeitszeit steht allerdings leider nicht zur Verfügung. Eventuell könnten künftige Untersuchungen hier ansetzen. Es wäre zu vermuten, dass das Verhältnis der insgesamt geleisteten Arbeitszeit und der Entlohnung Fragen im Hinblick auf Fair-Pay für Künstler*innen und die Einhaltung des Mindestlohns aufwirft. Weiter ist anzunehmen, dass einzelne Geschäftsmodelle (wenn man hier die zur Theaterorganisation gewordenen Herzensangelegenheiten der Künstler*innenpersönlichkeiten an dieser Stelle mit diesem betriebswirtschaftlichen Terminus bezeichnen darf) im Angesicht einer wirklich fairen Entlohnung der geleisteten Arbeitszeit inklusive Überstunden nicht mehr tragfähig wären.6 Weiterhin ist anzunehmen, dass dieses Problem angesichts der aktuellen Inflation jährlich schlimmer wird: Aufgrund der weiter oben geschilderten Zusammenhänge werden die Karten- und Gastspielpreise wahrscheinlich nicht überall entsprechend der Inflationsrate angepasst. Die Künstler*innenhonorare beziehungsweise die Ausschüttungen an die Einzelunternehmenden können demnach nicht steigen. Ein durch andere Nebenbeschäftigungen querfinanziertes Defizit der Theatertätigkeit (wie es auch in den Be-

fragungen im Rahmen der Studie thematisiert wird)7 wird durch die steigenden Materialkosten (Mieten, Treibstoff, etc.) mit jedem Jahr zunehmen. Und das führt dann automatisch zu einem weiteren Rückgang des Reallohns pro geleisteter Stunde.

Das Risiko und die Zukunft In geschäftsüblichen Zeiten hat man als Theater seine Erfahrungswerte zu den erwarteten Vorstellungen, den dort erwarteten zahlenden Gästen, Erfahrungswerte zu den Kosten. Für neue Produktionen setzt man Budgets für Personalund Materialkosten an, gibt sich einige Reserven, steuert das Risiko, indem man Entscheidungen im Produktionsprozess trifft. Das betriebswirtschaftliche Risiko liegt bei den Freien Kinder- und Jugendtheatern dabei meistens bei den Künstler*innen selbst. Über 65 Prozent der Studienteilnehmer*innen sind als Einzelunternehmer*in oder als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) organisiert.8 Das heißt, im Zweifel haften die Personen selbst für ein entstehendes Defizit, aber bevor es dazu kommt, werden sie erst einmal noch weniger verdienen, wenn etwas nicht so läuft wie erhofft. Rücklagen wird es selten geben. Das muss in Zeiten der Unsicherheit, durch Veranstaltungseinschränkungen und Publikumsrückgang auf der einen, und sprunghaften Kostensteigerungen auf der anderen Seite, dazu führen, dass das Risiko reduziert wird. Öffentlich geförderte Theater stellen mögliche Spartenschließungen, Einschränkung von Spielzeiten, Begrenzung der Jugendarbeit oder weniger Neuproduktionen als Konsequenz dar, wenn bei Verhandlungen ausbleibende Subventionsvalorisierungen drohen. Freie Kunst-Unternehmer*innen werden ihre eigenen Konsequenzen ziehen. Diese könnten sein, dass weniger Neuproduktionen gewagt, Gastspiele in ländlichen Gebieten reduziert oder innovative Formate aufgrund von Ressourcenmangel nicht umgesetzt werden können. Auch für die Entwicklung effizienterer Arbeitsweisen mittels digitaler Tools und Green-Event-Konzepten benötigt es Zeit und Energie. Und was ist mit dem Nachwuchs? Aus den Studienergebnissen lässt sich ablesen, dass die untersuchten Theater zum Großteil zwischen 1985 und 2019 gegründet wurden, die Gründungen in den Jahren 2020–2023 dagegen wenig überraschend stark zurückgingen. Werden sich vor dem Hintergrund der so unsicheren Arbeitsbedingungen noch Künstler*innen finden, welche die ausscheidenden Kulturakteur*innen ersetzen?

Fazit Es ist an der Zeit zu erkennen, dass etwas getan werden muss, um die Freien Kinder- und Jugendtheater strukturell und langfristig zu unterstützen. Vielleicht werden sich weiterhin unverbesserliche Idealist*innen finden, die wesentlichen Einschränkungen in ihrer Lebenshaltung hin-


Betriebswirtschaftliche Zusammenhänge

nehmen und anschließend Gefahr laufen, in Altersarmut zu geraten – um Kinder zu begeistern, sie zu unterhalten und sie an Darstellende Kunst heranzuführen. Die kosten- und erlösseitigen Risiken der letzten Jahre, kombiniert mit dem Anspruch an flächendeckenden Mindestlohn/Fair-Pay, machen es allerdings unmöglich, diese Situation so weiter zu akzeptieren und auszublenden. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist ein „Weiter so“ nicht denkbar und schon gar nicht nachhaltig. Im Gegenteil – es würden Potenziale einer lebendigen, erfolgreichen, qualitätsvollen und flächendeckenden Kulturversorgung für Kinder und Jugendliche in Deutschland vergeudet. Wenn wir als Gesellschaft eines aus der Coronapandemie gelernt haben sollten, dann, dass uns Kinder und Jugendlichen nicht egal sein dürfen. Die berechtigten Forderungen der ASSITEJ nach mehrjährigen Förderprogrammen und zentral angebotenen Qualifizierungsmaßnahmen und Dienstleistungen für Freie Theaterschaffende werden Geld kosten. Aber jede Kosten-Nutzen-Analyse wird zum Ergebnis kommen: So viel Leistung für so wenig Geld bekommt Deutschland nie wieder!

1

2

3

4 5 6 7 8

35

Siehe William J. Baumol/William G. Bowen: Performing Arts: The Economic Dilemma: a Study of Problems Common to Theater, Opera, Music and Dance. New York: The Twentieth Century Fund, 1966. Siehe Deutscher Bühnenverein, Hg.: Theaterstatistik 2019/2020. Die wichtigsten Wirtschaftsdaten der Theater, Orchester und Festspiele. Bonn: Köllen Druck und Verlag GmbH, 2021, S. 190 ff. Siehe ebd., S. 259. Anm.: Hier der Wert des Geschäftsjahres 2018/19 – Aufgrund der während der Corona-Jahre beschränkt aussagekräftigen Vergleichszahlen werden bewusst nicht die Zahlen von 2019/20 und 2020/21 verwendet. Interviewte Person; Kaden/Wellmer/Puxi, „Qualitative Studie“, S. 34. Kaden/Wellmer/Puxi, „Qualitative Studie“, S. 22, S. 35. Vgl. ebd. S. 34 ff. Vgl. ebd., S. 32 ff. Vgl. ebd., S. 23.

Kai Liczewski ist derzeit als Leiter des Bereichs Finanzen und Informationsmanagement bei den Salzburger Festspielen beschäftigt. Vor seinem Wechsel nach Salzburg hat er unter anderem Erfahrungen am Theater Plauen-Zwickau und beim Erstellen einer Arbeit über das Kostencontrolling der Bayerischen Staatsoper gesammelt. Er war in beratender Funktion an der Datenanalyse für Im Fokus: Freies Kinder- und Jugendtheater. Studien zur Situation 2017–2022 beteiligt. Foto: privat


36

ixypsilonzett | Magazin 2023

Kinder- und Jugendtheater als

Arbeitsplatz

(K)Eine Arche für soziale Theaterproduktion? von Geza Adasz, Valerie Eichmann und Stefanie Fischer

Wie macht Ihr das?!

I

n den letzten Jahren sind diverse Publikationen erschienen, die sich mit dem Theater als Betrieb, als Arbeitgeber und als Arbeitsort befassen. Sowohl öffentlich getragene als auch Freie Theater fallen hierbei durch prekäre Arbeitsverhältnisse und strukturelle Probleme auf. So stellt Thomas Schmidt in der 2019 erschienenen Publikation Macht und Struktur im Theater heraus, dass mehr als die Hälfte aller Mitarbeiter*innen am Theater bis zu zehn und mehr Stunden täglich leisten. Dabei verdienen gerade jene wenig, die besonders viel arbeiten. Weiterhin stellt er fest, dass gerade dort, wo die tägliche Arbeitsbelastung sehr hoch ist, mehr Frauen tätig sind. Diese beiden Gruppen bilden 60 Prozent der Mitarbeitenden an Theatern und müssen oftmals extern dazu verdienen, um ihre Existenz zu sichern.1 Hinzu kommen Wochenenddienste, die in der Regel nicht gesondert entgolten werden. Vor dem Hintergrund, dass 44,5 Prozent der an Theatern tätigen Künstler*innen einen akademischen Abschluss haben, deutlich mehr als 39 Stunden die Woche arbeiten und Kunst als gesellschaftlich relevantes Gut angesehen wird, ist ihre durchschnittliche Monatsgage von 2 700 Euro brutto fraglich niedrig.2 Dass Theater trotz der gesellschaftskritischen Themen, die sie verhandeln, jenseits der Bühne oft weniger progressive Arbeitsbedingungen bieten, ist in den letzten Jahren unter anderem durch die Arbeit des ensemble-netzwerkes und des BIPoC-Netzwerkes, der Genossenschaft deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA), aber auch durch breite Diskurse wie #metoo und den Forderungen von marginalisierten Künstler*innen immer deutlicher zutage getreten. Die Kinder- und Jugendtheater sind von diesen Debatten und Konflikten nicht ausgenommen, besonders hinsichtlich der

finanziell prekären Bezahlung von Mitarbeiter*innen, wie auch die Daten in Im Fokus: Freies Kinder- und Jugendtheater. Studien zur Situation 2017–2022 nahelegen. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass die Budgets von Kinder- und Jugendtheatern noch immer nicht finanziell gleichwertig zu anderen Sparten behandelt werden – eine Diskrepanz, die bereits 2017 von den Berliner Kinder- und Jugendtheatern bemängelt wurde, was in den Erhebungszeitraum der ASSITEJ Studien fällt.3 Es ist daher anzunehmen, dass die Spannung zwischen dem Anspruch faire Löhne zu zahlen und den Möglichkeiten schmaler Budgets hier besonders stark ist. Doch eine vereinfachte Darstellung zwischen ausbeuterischer Theaterinstitution und ausgebeuteten Künstler*innen wäre zu kurz gegriffen. Gerade wenn man die Freien Kinder- und Jugendtheater betrachtet, wird die Komplexität zwischen künstlerischen Ansprüchen und Arbeitsrealität deutlich. So zeigen die Interviews in Im Fokus: Freies Kinder- und Jugendtheater. Studien zur Situation 2017–2022 zum Thema „Das Freie Kinder- und Jugendtheater als Arbeitsplatz“, dass sich auch hier Künstler*innen und Theaterleiter*innen oft selbst ausbeuten, um den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten.4 Dabei geben die Befragten an, dass gerade der Wechsel in die Selbstständigkeit einen Ausweg aus missbräuchlichen Strukturen hatte bieten sollen: „Schwierige Arbeitsbedingungen stellen ebenfalls einen wichtigen Grund für den Wechsel zu selbstständiger Theaterarbeit bzw. der Gründung eigener Theaterbetriebe dar. Hierzu zählen umfangreiche Mehrarbeit und Tourneealltag, was insbesondere für Theaterschaffende mit Kind(ern) und/oder Pflegeaufgaben zu Vereinbarkeitsproblemen im Verlauf der Berufsbiografie führt. Aber auch hierarchische


Kinder- und Jugendtheater als Arbeitsplatz

„Wenn ich meine Frau wäre, würde ich mich verlassen.“ – Theater und Familienleben Ebenso wie Thomas Schmidt in seiner Studie Macht und Struktur im Theater und der Report Darstellende Künste herausstellen, wird auch in Im Fokus: Freies Kinder- und Jugendtheater. Studien zur Situation 2017–2022 deutlich, dass das Theater nicht kompatibel mit dem Familienleben zu sein scheint. Besonders Frauen erfahren hier strukturelle Diskriminierung. So beschreiben Befragte, dass sie aus Produktionen gedrängt oder ihre Verträge in der Elternzeit nicht verlängert wurden. Sie beschreiben übergriffige Kommentare bei Kostümanproben oder das Ende von Arbeitsbeziehungen, da sie als Eltern als nicht mehr flexibel genug wahrgenommen werden.13 Die vulnerable Position, die durch die Elternschaft entsteht, wird so durch fehlende Kooperationsbereitschaft der Institutionen und Kolleg*innen zu einer strukturellen Benachteiligung für all jene, die Angehörige pflegen. Verschiedene Studien thematisieren die (Un-)Vereinbarkeit von Familie und Theater, vertiefte, repräsentative Erhebungen zu diesem Thema für öffentliche und Freie Theater fehlen jedoch. Es ist daher dringend notwendig, dass weitreichende und vergleichbare Befragungen institutions- und betriebsformübergreifend gemacht werden, um der strukturellen Diskriminierung von pflegenden Menschen in den Darstellenden Künsten entgegenwirken zu können. Die Studien der ASSITEJ bieten Anhaltspunkte, welche konkreten Herausforderungen für Menschen mit Pflegeund Familienaufgaben in den Freien Darstellenden Künsten für junges Publikum bestehen: Auf die Frage, wie sie Familie und Beruf verbinden, wurde beispielsweise geantwortet, dass besonders der Tagesablauf mit Proben und Vorstellungen jenseits der klassischen nine-to-five Arbeitszeit problematisch sei und viel Verständnis von der Familie für die oftmals „chaotischen Arbeitsbedingungen“14 erfordere. Wem es gelingt, dies miteinander zu verbinden, benötigt dafür in der Regel ein gutes Netzwerk an Unterstützer*innen, eine*n beruflich flexible*n Partner*in, verfügbare Babysitter*innen sowie die dafür notwendigen Finanzen.15 Familie und Theater zu vereinbaren, gleicht damit eher einem Glücksspiel, das davon abhängt, ob man in einer sozioökonomisch privilegierten Lebenssituation ist oder nicht. Welche Folgen hieraus für die Diversität der Theater entstehen, wird näher im Kapitel Diversität im Freien Kinder- und Jugendtheater erläutert. Andere Befragte wechselten in die Teilzeitarbeit und/ oder den organisatorischen Bereich am Theater oder haben sich aufgrund der oben genannten familienunfreundlichen Rahmenbedingungen ganz gegen Kinder entschieden. Doch auch Befragte ohne Kinder schildern, dass ihr Privatleben unter der Arbeit leidet. Aussagen wie: „Wenn ich meine Frau wäre, würde ich mich verlassen“16 mögen im ersten Moment nach selbstironischem Galgenhumor klingen, doch es ist ein Armutszeugnis für die feministischen und libertären Grundsätze, die auf den Bühnen vertreten werden wollen, dass es für die Künstler*innen so erschwert ist, Familien bzw. Privatleben und die Kunst miteinander in Einklang zu bringen.

Wie macht Ihr das?!

Strukturen und Machtmissbrauch, einschließlich Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, stellen Auslöser für den Arbeitsplatz- und Wohnortwechsel sowie die Entscheidung für eine Betriebsgründung dar.“5 Doch die Befragten geben an, dass es auch im Arbeitskontext von Freien Theatern (sowohl im Angestelltenverhältnis wie auch als Soloselbstständige) es für sie zu belastenden Arbeitserfahrungen kommt, unter anderem, weil es keine geregelten Arbeitszeiten gibt und eine hohe zeitliche Flexibilität gefordert wird.6 Durch die unterschiedlichen Phasen des Spielbetriebes, je nachdem, ob man sich auf Tournee befindet oder in der Erarbeitung eines neuen Stückes, gibt es zum einen keine geregelten Tagesabläufe und kommt es zum anderen zu Ballungen von Arbeitslasten – beispielsweise, wenn im Sommer die Auftritte in Freilichttheatern anstehen oder Tourneen stattfinden, die mitunter eine Abwesenheit von sechs bis acht Wochen bedeuten.7 Antragsfristen für Förderungen können in solchen Zeiten intensiver Arbeitsverdichtung nicht wahrgenommen werden, was sich negativ auf die Finanzierung der weiteren Tätigkeit auswirkt. Auch sind Wochenendarbeiten ebenfalls im Freien Theater die Regel, da hier Vorstellungen gespielt werden. Einen Freizeitausgleich können sich gerade Soloselbstständige mit Mehrfach-Engagements oft nicht erlauben, da die unterschiedlichen Proben- und Aufführungstermine es nicht zulassen.8 Eine wöchentliche Arbeitszeit von 50 bis 70 Stunden führt daher zu einer Arbeitsbelastung, die als „einfach Wahnsinn“9 bezeichnet wird. Ein anhaltender Überforderungszustand ist bei vielen die Folge, da sie zeitgleich an allen Stellen der Produktion benötigt werden: von der Lichtprogrammierung über die Publikumsakquise bis hin zum Schreiben von Anträgen und dem Erstellen von Abrechnungen. Aus wirtschaftlichen Gründen können die Aufgaben oft nicht an Dritte übergeben werden und verbleiben so bei den Theatern selbst, die in der Umfrage mehrheitlich aus Soloselbstständigen und GbRs bestehen.10 Die Arbeitsbedingungen an den Freien Theatern, beziehungsweise im eigenen Theaterbetrieb, sind folglich keine Verbesserung der Arbeitsumstände im Vergleich zum institutionalisierten Theaterbetrieb. Die Schilderungen der befragten Theater machen deutlich, dass sich vor allem die begrenzten ökonomischen Ressourcen negativ auf die Arbeitsbedingungen auswirken. Dabei ist nicht unwesentlich, dass viele Künstler*innen, die für und mit Freien Kinder- und Jugendtheatern arbeiten, sowohl selbstständig tätig sind, als auch zeitgleich oder abwechselnd in Angestelltenverhältnissen arbeiten. Für die Darstellenden Künste geht man von 20 Prozent aus, die in einer solchen Parallelstruktur arbeiten.11 Dabei muss die zweite ausgeübte Tätigkeit nicht zwangsläufig künstlerisch sein. Knapp 29 Prozent der KSK-versicherten Künstler*innen aus den Darstellenden Künsten und 49 Prozent der Nicht-KSK-Versicherten gingen 2010 einer nicht-künstlerischen Nebentätigkeit nach.12 Diese komplexen Beschäftigungsverhältnisse erzeugen für die Betreffenden nicht selten einen hohen bürokratischen und planerischen Aufwand, der zulasten der Zeit für Fürsorgeaufgaben und Regeneration geht.

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Wie macht Ihr das?!

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Ob und wie sich Theater und Privatleben vereinen lassen, ist im Zusammenhang mit der Frage zu betrachten, wie wir ganz grundsätzlich Erwerbsarbeit gestalten müssen, um neben dieser all jene, die auf Fürsorge Anderer angewiesen sind, versorgen zu können. Auf diese Frage muss hinsichtlich des demografischen Wandels in jedem Berufsfeld eine Antwort gefunden werden. Daher muss auch das Theater seine Strukturen befragen und an die sich verändernden gesellschaftlichen Bedingungen anpassen, wenn es für Menschen ein gesundes und sozial angemessenes Arbeitsumfeld bieten möchte. Der problematische Status Quo der Produktionsweise an Theatern (prekäre Honorarstrukturen, die oft keinen gesicherten Lebensunterhalt ermöglichen; kurzfristige Proben- und Aufführungsplanungen; Benachteiligung von Eltern; fehlende Doppelbesetzungen von Rollen für Krankheits- oder private Notfälle; u. v. m.) ist nicht unveränderbar. Es sind Faktoren, die durch ressourcenschonende Planungen zumindest entschärft werden können. Im 21. Jahrhundert ist und muss es möglich sein, Theater in einer sozialverträglichen und damit auch nachhaltigen Art und Weise zu produzieren – sowohl in finanzieller wie auch zeitökonomischer Hinsicht. Für einen solchen Veränderungsprozess braucht es Solidarität zwischen Künstler*innen, Theaterleiter*innen, Projektleiter*innen, Politiker*innen, Verwaltungsbeamt*innen und Kulturakteur*innen. Sie alle sind von dieser Frage betroffen, denn eine Gesellschaft kann ohne Fürsorge- bzw. Care-Arbeit nicht existieren. Die Journalistin und Autorin Teresa Bücker bringt das Spannungsverhältnis zwischen Zeit, Fürsorge- und Erwerbsarbeit in ihrem Buch Alle_Zeit. Eine Frage von Macht und Freiheit anschaulich auf den Punkt, wenn sie schreibt: „[U]m sich im Kapitalismus Care und [sic!] Karriere zuzutrauen, muss man ein wenig größenwahnsinnig sein und sich für sehr belastbar halten. Vielleicht ist das Gefühl mit der Übernahme von Care-Aufgaben eine irgendwie irrationale Entscheidung zu treffen, aber auch genau das Problem unserer Zeit: Für andere Menschen zu sorgen, sollte sich nicht waghalsig und unvernünftig anfühlen, sondern etwas sein, das allen offensteht, die gemeinsam mit anderen leben wollen. Zudem ist es in vielen Fällen keine sorgsam abgewogene Entscheidung, Care-Verantwortung zu tragen. Diese Verantwortung kann uns auch zufallen: Wir alle, die Eltern, Geschwister oder Partner*innen haben, können zu pflegenden Angehörigen werden. [...].”17 Wo, wenn nicht im Theater, das per Definition Ort gelebter Gemeinschaftserfahrung ist, wäre der richtige Raum, um Visionen einer sozialeren Gesellschaft, einer sozialverträglichen Erwerbsarbeit zu erproben? Es könnte seine Strukturen dahingehend revolutionieren und so seinem Selbstverständnis als jener Ort, an dem Utopien Platz haben, performativ nachkommen. Schritte in diese Richtung könnten beispielsweise sein, kostengünstige Betreuungskonzepte für Kinder von Künstler*innen bei Abendproben und -vorstellungen sowie an den Wochenenden anzubieten und Betreuungskosten in Förderungen anzuerkennen. Auch eine größere Planungs-

sicherheit durch mehrjährige Förderungen kann dazu beitragen, dass der Druck auf Seiten der Erwerbsarbeit abnimmt und Ressourcen für Care-Arbeit frei werden. Wichtig wäre ebenso ein Umdenken hinsichtlich der Ansprüche an Verfügbarkeit und Flexibilität von Menschen innerhalb von Produktionsprozessen: Wie lang- beziehungsweise kurzfristig können oder müssen Proben- und Projektplanungen sein, um die verschiedenen Bedürfnisse von Menschen in gerechter Weise zu berücksichtigen? Zu all dem gehört aber in erster Linie eine realistische und kritische Einschätzung der vorhandenen Ressourcen und dessen, was sie leisten können. Da besonders die Ressource Geld hier einen zentralen Faktor bildet, ist es wichtig, empirisch zu erfassen, wie viel Kinderund Jugendtheater unter Berücksichtigung aller Leistungen und Arbeitsbereiche kosten. Denn wie im Kapitel Theater für alle vs. faire Bezahlung? gezeigt wird, werden gerade im administrativen Bereich die Kosten nicht oder nicht umfassend in Kalkulationen abgebildet. Eine realistische Darstellung dieser Kosten ist auch in Förderanträgen wichtig, um den Aufwand in diesem Bereich gegenüber Zuwendungsgeber*innen sichtbar zu machen. Wünschenswert wäre daher auch ein Umdenken auf Seiten der letzteren und einer vereinfachten Anerkennung von administrativen Tätigkeiten, beispielsweise durch Pauschalbeträge (Verwaltungspauschalen und Ähnliches) in Abhängigkeit von der Fördersumme.

Thomas Schmidt: Macht und Struktur im Theater. Asymmetrien der Macht. Wiesbaden: Springer Fachmedien, 2019, S. 173. 2 Vgl. ebd., S. 163. 3 Vgl. hierzu Parlament Berlin: „Pressemitteilung des Arbeitskreises der Berliner Kinder- und Jugendtheater,“ letzter Zugriff am 23. Juli 2023, https://www.parlament-berlin.de/ados/18/Kult/vorgang/k18-0042-v_PM%20 Arbeitskreis%20der%20Berliner%20Kinder-%20und%20Jugendtheater.pdf. 4 Vgl. Kaden/Wellmer/Puxi 2022, S. 44. 5 Vgl. ebd., S. 10. 6 Vgl. ebd., S. 42. 7 Vgl. ebd. 8 Vgl. ebd. 9 Interviewte Person; ebd. 10 Siehe ebd. 11 Fonds Darstellende Künste, Hg.: Report Darstellende Künste. Wirtschaftliche, soziale und arbeitsrechtliche Lage der Theater- und Tanzschaffenden in Deutschland. Studien – Diskurse – Internationales Symposium. Dokumentation Bd. 68, Essen: Klartext Verlag, 2010, S. 37. 12 Vgl. ebd., S. 59. 13 Vgl. Kaden/Wellmer/Puxi 2022, S. 44 und Annika Mendrala/Verena Sophie Usemann: „Belastungen, Bedürfnisse und Herausforderungen von Bühnenmüttern. Eine Pilotstudie zur Lebenssituation von Bühnenkünstlerinnen mit Kindern.“ Hg. von Bühnenmutter e.V. (2022): S. 17, letzter Zugriff am 26. Juli 2023, https://www.buehnenmuetter.com/pilotstudie. 14 Interviewte Person; Kaden/Wellmer/Puxi 2022, S. 44. 15 Vgl. ebd. 16 Interviewte Person; ebd. 17 Teresa Bücker: Alle_Zeit. Eine Frage von Macht und Freiheit. Berlin: Ullstein Buchverlage, 2022, S. 129. 1



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Theater und

Bürokratie:

Wie kann das Zuwendungsrecht der Zukunft aussehen? von Geza Adasz, Valerie Eichmann und Stefanie Fischer

Wie macht Ihr das?!

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nabhängig von der Betriebsform wird die administrative Arbeit als zunehmende Belastung für die künstlerische Tätigkeit beschrieben. Gerade in Zeiten von Corona waren die Theater durch permanente Umdisposition belastet. Auch die benötigten Fördergelder stellten durch den damit verbundenen Verwaltungsaufwand eine Arbeitsbelastung dar, die kaum aufgefangen werden konnte: „Das ist etwas, wo ich denke: Wahnsinn! Wir haben elf verschiedene Fördertöpfe im Moment. Was das an Administration heißt! Bei der personellen Ausstattung, die wir haben! Das steht in keinem Verhältnis.“1 Die Zeit, die Theater jeder Größe für Verwaltungsaufgaben einplanen müssen, bindet Ressourcen, die eigentlich für die künstlerische Arbeit an Produktionen, inhaltlichen Recherchen oder wichtige Netzwerkarbeit benötigt werden würden. Auch aus anderen Institutionen des dritten Sektors (allgemein nicht-gewinnorientierter Organisationen) kommt zunehmend Kritik, dass der bürokratische Aufwand, besonders in Bezug auf geringe Förder- beziehungsweise Zuwendungssummen so hoch sei, dass die Projekte damit unwirtschaftlich werden und der beabsichtigte Zweck des Fördergebers dadurch verfehlt wird. Zu diesem Schluss kommen die Verfasser*innen des Impulspapiers Modernisierung der Zuwendungspraxis für den Dritten Sektor, das 2018 von der Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e.V. (AWV) herausgegeben wurde.* Zur Veranschaulichung: Alle Projektförderungen, die vom Bund oder den Ländern ausgegeben werden – auch wenn sie über Projektträger wie die ASSITEJ, den Fonds Darstellende Künste oder anderen ausgereicht werden – basieren auf den sogenannten ANBest-P, den Allgemeinen Nebenbestimmun-

*

Die AWV – Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e.V. ist die neutrale Plattform zur Entwicklung zukunftswirksamer Regeln und Verfahren durch Kommunikation und Kooperation zwischen öffentlicher Verwaltung, Wirtschaft und Drittem Sektor unter Beteiligung der Wissenschaft.

gen für Zuwendungen zur Projektförderung, unterschieden nach Bund und Land. Hierin werden Zuwendungsempfänger*innen mit einer Förderung von 5 000 Euro die gleichen Auflagen auferlegt, wie jenen mit einer Förderung mit 500 000 Euro oder 50 Millionen Euro. Bei betragsmäßig geringen Förderungen stehen diese Gelder und der Verwaltungsaufwand zur Einhaltung der komplexen Vorschriften bei Bundes- und Landesförderungen in keinem Verhältnis mehr.2 Beispielsweise müssen kleine und große Theater die gleichen Regelungen zur Vergabe, Verausgabung der Mittel, etc. erfüllen wie deutlich größere Unternehmen aus der freien Wirtschaft mit einem vielfach höheren Fördervolumen und größeren personellen Kapazitäten. Bei Verstößen gegen diese Vorschriften aus den oben genannten ANBest-P droht kleinen wie großen Institutionen die Rückforderung der Zuwendung. Jedoch stellt die Rückforderung einer Zuwendung von 5 000 Euro für eine GbR eine andere Herausforderung dar als für ein großes Unternehmen. „Zwar suggeriert ein von Geber und Nehmer unterzeichneter Vertrag eine Geschäftsbeziehung auf Augenhöhe, de facto bleibt aber die öffentliche Hand die stärkere Seite, die ihre Bedingungen durchsetzen kann.“3 Die Möglichkeit einer Rückforderung aufgrund adminis­ trativer Fehler hängt damit wie ein Damoklesschwert über Geförderten, was nicht zuträglich für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Fördergeber*in und Geförderten ist. „Die Zuwendungsnehmer dürften nicht als Bittsteller angesehen werden, sondern als Akteure, die an der Gestaltung des Gemeinwesens mitwirkten. Gebraucht werde ein Para-


Theater und Bürokratie  die Festbetragsfinanzierung als Regelfall bei Projekt­finan­

zierungen  der einfache Verwendungsnachweis ohne Belege und Be-

legliste sollte generell angewendet werden  Entfall der Frist zur Ausgabe von Fördermitteln  Auszahlung der Gesamtfördersumme bei Bewilligung  (einfache) Anerkennung von Gemeinkostenanteilen  Vereinheitlichung des Antrags- und Abrechnungsverfah-

rens Eine rapide Vereinfachung des Zuwendungsrechts kann in Zusammenarbeit mit Fachverbänden dabei helfen, dass Fördergelder nachhaltige Wirkung entfalten.

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Interviewte Person; vgl. Kaden/Wellmer/Puxi 2022, S. 42. Rainer Bode/Dr. Michael Ernst-Pörksen/Martin Olaf/Kilian Schmuck/ Gerhard Vogt: „Modernisierung der Zuwendungspraxis für den Dritten Sektor.“ Hg. von Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e.V. (Juni 2018): S. 13, letzter Zugriff am 26. Juli 2023, https://www.awv-net.de/ upload/pdf/Zuwendungspraxis/AWV-Impulspapier-Modernisierung-derZuwendungspraxis-fr-den-Dritten-Sektor.pdf. Ebd., S. 10. Ebd. Ebd., S. 14.

Wie macht Ihr das?!

digmenwechsel in der Förderpolitik: weg von der ‚Misstrauenskultur‘ hin zu einem partnerschaftlichen Umgang ‚auf Augenhöhe‘.“4 Mehr Vertrauen in die Kultur-Partner*innen und eine Entbürokratisierung des Zuwendungsrechts könnte Bund, Ländern und Geförderten viel Zeit und damit auch Geld sparen. Die AWV schlägt hierzu vor, dass Zuwendungen verstärkt über Fachverbände ausgereicht werden und die Förderungen gemäß Nr. 12 VV zu § 44 BHO mit wesentlich geringeren Auflagen, als es die öffentliche Hand vorsieht, in einem privatrechtlichen Zuwendungsvertrag weitergereicht werden dürfen. Zwar fungieren Fachverbände wie die ASSITEJ oder Joint Adventures schon in einer solchen Position, jedoch ist es noch „überwiegende Praxis [...], den Institutionen bei der Weiterleitung aufzuerlegen, sämtliche Bestimmungen des ursprünglichen Bescheides privatrechtlich weiterzugeben.“5 Weitere Vorschläge zur Entbürokratisierung des Zuwendungsrechts stellt auch Klaus Gürtler in Zumutungen des Zuwendungsrechts. Erwartungen an eine kooperative Kulturförderung in Niedersachsen des Zuwendungsrechts dar. Die Forderungen beider Artikel sind an vielen Stellen ähnliche, einige seien hier kurz vorgestellt:

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You’ll never walk alone:

Die Rolle von Netzwerken, Kooperationen und Bündnissen im Freien Kinder- und Jugendtheater von Geza Adasz, Valerie Eichmann und Stefanie Fischer

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„Auch diese Netzwerkarbeit […] im Verband und politischen Bereich hat mir im Laufe der Jahre gezeigt, dass man auch bestimmte Entwicklungen prägen kann. Wenn man sich sozusagen zusammenschließt und für etwas einsetzt. Es dauert manchmal ein bisschen. Aber wir haben im Laufe der Jahre auch viele Sachen auf den Weg bringen können, ändern können.“1 Ob zur Stärkung der eigenen Lobby, Weiterentwicklung der künstlerischen Arbeit, aus Ressourcenmangel oder damit ohne eigene Spielstätte überhaupt vor Publikum gespielt werden kann, zählt die Vernetzung und Kontaktpflege zu Kooperationspartner*innen zu den Kernaufgaben von Freien Theaterschaffenden in den Darstellenden Künsten für junges Publikum.

Wie macht Ihr das?!

LaFTs, ASSITEJ, Studienkontakte – Formelle und informelle Netzwerke Zahlreiche Befragte engagieren sich ehrenamtlich in formellen und informellen Netzwerken. Formelle Netzwerke gibt es auf lokaler oder Bundesebene, größtenteils sind die Befragten jedoch in landesweiten Netzwerken wie Landesverbänden (LaFTs) vertreten. Dies erklärt sich durch regionale Besonderheiten und Herausforderungen, beispielsweise aufgrund der Kulturhoheit der Länder. Zwei Drittel der Befragten sind in Verbänden für Freie Theater, die Freie Szene im Allgemeinen, Freie Darstellende Künste, Puppentheater, Tanz für junges Publikum sowie ASSITEJ aktiv.2 Die ASSITEJ ist das einzige bundesweite Netzwerk und Interessenvertretung für die Darstellenden Künste für junges Publikum. Der Verein ist durch regionale Arbeitskreise und den steten Kontakt mit seinen Mitgliedstheatern verbunden. Sprecher*innen solcher formellen Netzwerke dienen wiederum als An-

sprechpartner*innen für die Politik und Verwaltung.3 Auch dies ist Arbeit, die nicht entlohnt wird. Informelle Netzwerke reagieren auf strukturelle Leerstellen und schaffen Synergien für gegenseitige Gastspiele, unterstützen bei Vermittlungsangeboten, bieten kollegiale Beratung oder Räume für Veranstaltungen und Proben an. Auch erklären die Befragten, dass die Netzwerke aufgrund einer lokalen Nähe entstanden sind oder noch aus Studienzeiten bestehen.4 Ausbildungskontexte explizit für Kinder- und Jugendtheater gewinnen somit nicht nur für die Vernetzung, sondern auch für erfolgreiches Arbeiten im späteren Leben an Bedeutung. Der bereits erwähnte Fachtag Im Theater LANDen zu Theaterprojekten in ländlichen Räumen reagierte als solcher auf den Bedarf des Austauschs und der Vernetzung. Es hat sich herauskristallisiert, dass die Theaterakteur*innen immer wieder über Strukturen und Herausforderungen sprechen müssen, wodurch der künstlerische Austausch zu kurz kommt.5 Bedarf an intensiverem Austausch gibt es zudem konkret zu den Themen Generationenwechsel, Beantragung von Fördergeldern sowie zum Umgang mit Pressekontakten.6 Im Rahmen des Förderprogramms NEUSTART KULTUR – Junges Publikum war es möglich, vorherrschende Bedarfe zu erfragen und entsprechend kostenlose Fortbildungen für Freie Theaterakteur*innen anzubieten, die mit großem Interesse angenommen und besucht wurden. Befragte Theaterakteur*innen sagen gegenüber dem Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG), dass die Vernetzungsmöglichkeiten im ländlichen Raum aufgrund der Distanzen und längeren Fahrtwege erschwert seien.7 Ein positiver Effekt aus der Coronapandemie war, dass sich der Austausch einiger Befragter vermehrt habe, da Treffen über Videokonferenzen standortungebunden leicht zu realisieren waren.8


You’ll never walk alone

Auf Seiten der befragten Vertreter*innen aus den Theatern stehen dem Wunsch nach einer stärkeren Vernetzung am häufigsten fehlende zeitliche Ressourcen gegenüber.9 Zu diesem Ergebnis kommt auch das Programm TRAFO – Modelle für Kultur im Wandel, das ebenfalls einen Blick auf die Situation von Netzwerken in ländlichen Räumen wirft.10 Sie stellen fest, dass eine kleinteilige Akteur*innenlandschaft mit wenig Sichtbarkeit vorherrscht. Freie Künstler*innen und Projekte der Soziokultur entwickeln neue Formate in ländlichen Regionen. Sie arbeiten jedoch vor allem allein an Ideen, da Netzwerke und zentrale Ansprechpersonen nicht vorhanden sind.11 „Den Engagierten fehlt es an Zeit und Ressourcen, um sich zu vermarkten, Strukturen zu professionalisieren und – vor allem – sich zu vernetzen und gemeinsam größere und langfristige Vorhaben für ihre Region zu planen.“12 TRAFO setzt auf regionale Kulturarbeit, die unter anderem dadurch gekennzeichnet ist, sowohl eine horizontale Vernetzung zwischen Vertreter*innen lokaler Politik, Kultur oder anderen gesellschaftlichen Bereichen als auch eine vertikale Vernetzung auf der Landes- und Bundesebene zu verfolgen.13 Das Ziel ist, langfristig „Möglichkeiten für Beteiligung und Zusammenarbeit für viele Menschen“ zu schaffen.14 Der Notwendigkeit des Aufbaus und der Betreuung von Netzwerken und Kooperationen steht nicht nur in ländlichen Räumen der Mangel an zeitlichen Ressourcen gegenüber. Netzwerkarbeit in Förderungen zu berücksichtigen und, wie von TRAFO vorgeschlagen, Regionalmanager*innen einzusetzen15, sind Gelingensbedingungen für die kulturelle Grundversorgung.

Partner*innen im Bereich Bildung Die Zusammenarbeit mit Bildungseinrichtungen ist besonders hervorzuheben, da mit ihr Kinder und Jugendliche aus allen Bevölkerungsgruppen erreicht werden können. Im Bereich Bildung sind Kitas, Kindergärten, verschiedene Schulformen, darunter Grund-, Förder- und weiterführende

N

Die Studie umfasst keine verlässlichen Daten zum Thema Ausbildung im Kinder- und Jugendtheater, weswegen das Thema nicht weiter ausgeführt wird. Dass in Deutschland akademische und praktische Ausbildungswege, die explizit auf das Schaffen im Kinder- und Jugendtheater ausgelegt sind, bisher rar sind, soll jedoch nicht unerwähnt bleiben. Dabei stellen sie die Grundlage für ein professionelles Arbeiten für und mit Kindern und Jugendlichen dar.

Schulen wichtige Kooperationspartner*innen (siehe Abb. 19). Ein befragtes Theater pflegt dabei beachtliche 70 Kooperationen. Bei der Zusammenarbeit finden sowohl Gastspiele als auch Theaterbesuche und verschiedene Vermittlungsund Mitmachangebote statt. Die Pandemie stellte die Kooperationen plötzlich vor neue Herausforderungen. Der Kontakt zu einigen Schulen und Kitas ist gar abgebrochen. Regelmäßige Aufführungstermine über das Jahr hinweg konnten nicht stattfinden. Die Theater wurden zu alternativen Gastspielplanungen gezwungen: neue Veranstaltungsformate, verkleinerte Publikumsgruppen, wodurch bisherige Kalkulationen nicht mehr tragfähig waren. Diese Defizite konnten in vielen Fällen durch die Förderung von NEUSTART KULTUR – Junges Publikum aufgefangen werden.16 Vorstellungen für Bildungseinrichtungen bedeuten für Theater aber auch unabhängig von Corona eine flexible Anpassung an die jeweiligen räumlichen Gegebenheiten (siehe Unterkapitel Strukturelle Charakteristika). Das ISG resümiert in seinem Bericht über die Ergebnisse der qualitativen Befragung, dass die Zusammenarbeit mit Kitas, Kindergärten und Schulen durch fehlende Räumlichkeiten für die Aufführung der Theaterstücke erschwert wird.17 Die Verwandlung einer Turnhalle, Aula oder eines Musikraumes in eine Bühne ist Besonderheit und Herausforderung zugleich. Die Künstler*innen sind auf verlässliche Absprachen und Zuverlässigkeit ihrer Kooperationspartner*innen bis zur letzten Minute vor der Aufführung angewiesen.

119

Grundschulen 88% Kindergärten

74%

Kitas

67%

sonstige

43%

weiterführende Schulen

29%

Bibliotheken

14%

Museen

8%

Förderschulen

5%

Jugendkunstschulen

3%

Abb. 19: In eingereichten Verwendungsnachweisen genannte Kooperationspartner*innen der Theater bei der Umsetzung von Aufführungen (Mehrfachnennung möglich)

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Als hinderlich für eine Zusammenarbeit wird beispielsweise benannt, dass „in den Einrichtungen das Wissen in Bezug auf die Beantragung von Fördergeldern zur Subventionierung der Auftritte fehle. Mehrfach genannt wurde zudem, dass die personellen Ressourcen [in den Bildungseinrichtungen] nicht ausreichten, um die Kooperation mit den Theatern abzustimmen“.18 Um auftreten zu können, sehen sich Theatermacher*innen somit neben ihrer künstlerischen Arbeit auch damit konfrontiert, intensiv mit den Pädagog*innen zu kommunizieren und sie bei Bedarf sogar bei Finanzierungsfragen zu beraten. Die Netzwerkarbeit mit Bildungseinrichtungen macht damit einen wesentlichen Teil der Überlebensstrategie von Kinder- und Jugendtheatern aus. In den Daten der quantitativen Erhebung wird Netzwerkarbeit nicht explizit in den Kostenplänen benannt. Dass diese Kommunikation und Pflege von allen unternommen wird, steht jedoch außer Frage. Argumentativ ließe sich diese Arbeit in den Bereich der Vermittlung einordnen. Da aber nicht anders angegeben, müsste das allgemein niedrige Honorar der Theaterakteur*innen folglich auch auf diese Arbeitsleistungen angerechnet werden. Die Ressourcen, die Künstler*innen für junges Publikum für Schul- und Kitavorstellungen aufbringen müssen, stehen den geringen Einnahmen der Gruppenvorstellungen gegenüber, deren Eintrittspreise nicht kostendeckend sind

(siehe Abb. 16). Vor allem in ländlichen Räumen tragen Vorstellungen in Bildungseinrichtungen jedoch zur kulturellen Grundversorgung von Kindern und Jugendlichen bei. Ein Dilemma, das Jugend-, Kultur- und Bildungspolitik sowie Künstler*innen in gleichem Maße betrifft.

1 Interviewte Person; Kaden/Wellmer/Puxi, „Qualitative Studie“, S. 28. 2 Siehe Kaden/Wellmer/Puxi, „Qualitative Studie“, S. 29. 3 Siehe ebd. 4 Siehe ebd. 5 Siehe Kranixfeld, „Wege durch ländliche Räume“. 6 Siehe Kaden/Wellmer/Puxi, „Qualitative Studie“, S. 33. 7 Siehe ebd., S. 29. 8 Siehe ebd. 9 Siehe ebd., S. 32 f. 10 Syspons: „Evaluation des Programms TRAFO – Modelle für Kultur im Wandel der Kulturstiftung des Bundes. Kurzbericht Mai 2021.“ Im Auftrag der Kulturstiftung des Bundes. (2021): letzter Zugriff am 26. Juli 2023, https://www.trafo-programm.de/downloads/Kulturstiftung_des_Bundes_ TRAFO_Evaluation_Kurzbericht_web.pdf. 11 Siehe Darian et al., Neue Ideen und Ansätze, S. 18. 12 Ebd., S. 15. 13 Siehe ebd., S. 18. 14 Ebd., S. 16. 15 Siehe TRAFO – Modelle für Kultur im Wandel, „Regionalmanager*in Kultur“. 16 Siehe Kaden/Wellmer/Puxi, „Qualitative Studie“, S. 40. 17 Siehe ebd., S. 31. 18 Ebd.


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Diversität

im Freien Kinder- und Jugendtheater: völlig normal? von Geza Adasz, Valerie Eichmann und Stefanie Fischer

B

Zur Abfrage von Diversitätsdimensionen in Förderanträgen

ei einem kritischen Blick auf das Antragsformular für die Förderung von NEUSTART KULTUR – Junges Publikum (siehe Anhang Im Fokus: Freies Kinder– und Jugendtheater. Studien zur Situation 2017–2022) zeigt sich, dass Antidiskriminierungsund Gleichstellungsbemühungen der Antragsteller*innen keine wesentliche Rolle für die Vergabe gespielt haben, da das Förderprogramm als Rettungs- und Zukunftsprogramm in erster Linie das Fortbestehen professioneller Freier Kinder- und Jugendtheater zum Ziel hatte. Allgemein ist es in Deutschland bisher unüblich, in Antragsformularen Differenzierungsmerkmale der Mitarbeiter*innen in den Theatern oder Diversitätsvorhaben in den beantragten Projekten abzufragen. Vereinzelt ist dies der Fall, wenn die Förderung explizit auf Arbeitsbereiche wie Inklusion oder Diversität abzielt. Doch welche positiven Effekte täten sich auf, wenn solche Abfragen zukünftig fester Bestandteil von Förderanträgen wären? Zum einen könnten über Förderanträge Daten zu unter anderem Personal, Programm und eingesetzten finanziellen Mitteln gesammelt werden, die in weiteren Schritten für empirische Analysen zum Stand der Diversitätsentwicklung in den Kultureinrichtungen genutzt werden könnten. Das sozialpolitische Netzwerk Citizens for Europe weist darauf hin, dass die Erhebung sogenannter Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten in Deutschland größtenteils fehle.1 Solche Daten sind jedoch als Grundlage notwendig, um Strategien der Antidiskriminierung und Gleichstellung zu entwickeln.2 Zum anderen kann eine solche Abfrage auch als proaktive Maßnahme eingesetzt werden, um Antragstellende anzuregen, Diversitätsvorhaben in ihren Projekten mitzudenken. Dies könnte mit zusätzlichen Prämien belohnt werden oder gar als Voraussetzung für eine Förderung angesetzt werden. Mittelfristig würde dies zur Diversifizierung, Repräsentation gesellschaftlicher Vielfalt und Sichtbarkeit marginalisierter Perspektiven im Kinder- und Jugendtheater beitragen. Eine intersektionale Perspektive als erweiterter Blick auf Diskriminierungen ist dabei stets zu wahren.

In der empirischen Forschung bestehen bisher keine fertigen Instrumente, die es ermöglichen, Diversität methodisch korrekt, forschungsethisch akzeptabel und vor allem inhaltlich aussagekräftig zu erheben.

Das Publikum im Zentrum Mit der Frage „Inwiefern spielt Diversität für Ihren Theaterbetrieb eine Rolle?“ wurde im Interviewleitfaden auf die Leerstelle in der quantitativen Datenerhebung reagiert. Deutlich wird, dass die Befragten Diversität vorrangig in Bezug auf die Dimensionen sozialer sowie ethnischer Herkunft und Nationalität3 verstehen. Bei den befragten Theaterbetrieben lassen sich unterschiedlich stark ausgeprägte Diversitätsorientierungen und -entwicklungsprozesse in den Bereichen Programm, Personal und Publikum beobachten. Eine inklusive Programmund Themenwahl wird nach Angabe der Befragten vor allem bei Stückentwicklungen mitgedacht. Vielfalt in der Figurengestaltung wird dabei vereinzelt schon als Selbstverständlichkeit gezeigt.4 Im Bereich Personal beschreibt eine interviewte Person, dass BIPoC-Schauspieler*innen von besser zahlenden Stadt- und Staatstheatern oder dem Fernsehen abgeworben wurden. Die allgemein prekären Rahmenbedingungen im Feld der Freien Darstellenden Künste für junges Publikum müssen daher auch als eine Hürde bei der Diversifizierung des Personals betrachtet werden. Viele Menschen können sich die Arbeit in diesem prekären Sektor nicht leisten oder sind auf die Unterstützung durch Familie oder Partner*innen als Hauptverdiener*innen angewiesen.5 Hinzu kommt, dass marginalisierte Gruppen aufgrund von beispielsweise rassistischen, ableistischen oder patriarchalen Strukturen häufig einen eingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt und schlechtere Chancen zu diesem haben.6 Welche Rückschlüsse lassen sich dadurch für die Ebene der Produzierenden schließen? Welche Perspektiven und Geschichten bleiben dadurch außen vor? Wenn sich (mehrfach) marginalisierte Kinder und Jugendliche nicht auf der Bühne repräsentiert sehen, werden sie das Theater wahr-


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scheinlich nicht als Ort erleben, in dem sie Anschluss finden und sich entfalten können. Gleiches lässt sich ebenfalls auf Klassismus anwenden: Welche sozialen Milieus sind im Theater sowohl im Personal als auch als Held*innen in den Geschichten unterrepräsentiert? In dem Kapitel zu Theater in ländlichen Räumen (Siehe Kapitel Kinder- und Jugendtheater überall – Theater und ländliche Räume) wird bereits die grobe Zweiteilung der befragten Kinder- und Jugendtheatermacher*innen beschrieben. Sie verfügen entweder über einen akademischen Familienhintergrund oder stammen aus nicht-akademischen Elternhäusern. Ob und inwiefern die Landschaft der Kinder- und Jugendtheater beispielsweise mit einem Klassismusproblem zu kämpfen hat, könnte Inhalt einer weiteren Studie sein. Thomas Renz hat 2016 in der Jazzstudie 2016 beispielsweise ermittelt, dass Klassismus innerhalb der Jazzszene immanent ist.7 Mit dem Anspruch, Theater für alle zu machen, sprechen die Theater aktiv Kitas, Kindergärten und Schulen im erweiterten Stadtgebiet an und bauen finanzielle Hürden durch niedrige Ticketpreise ab.8 Die finanziell nicht rentablen Gastspiele finden statt, um Kinder und Jugendliche unmittelbar zu erreichen und den Organisationsaufwand für die Kooperationspartner*innen gering zu halten.9 Abbildung 20 zeigt, dass dort, wo der Anteil der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund hoch ist, tendenziell mehr Gastspiele stattfinden. Hier findet die Definition des Migrationshintergrundes des Statistischen Bundesamts Anwendung. Danach hat eine Person einen Migrationshintergrund, sofern sie selbst oder mindestens eines ihrer Elternteile nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde.10

Dies liegt zum einen daran, dass in Ballungsräumen sowohl die Anteile der migrantischen Bevölkerung als auch die Spieltätigkeit im Vergleich zu ländlichen Räumen höher sind. Zum anderen sorgen bedarfsgerechte Förderbedingungen in einzelnen Bundesländern für bessere Konditionen. Aus der Analyse der Sachberichte der ausgewerteten Verwendungsnachweise geht hervor, dass 36 von den 123 zum Zeitpunkt der Datenerhebung vorliegenden Sachberichte Ausführungen dazu beinhalten, mit welchen Orten, welchen Akteur*innen der Zivilgesellschaft und Bildung sowie mit welchen soziokulturellen Einrichtungen Kooperationen bestehen, um möglichst breit Kinder und Jugendliche zu erreichen. Genannt wurden unter anderem: „Sonderpädagogisches Förderzentrum“, „Gemeinschaftsunterkunft für geflüchtete Familien“, „Einrichtungen für erkrankte und behinderte Kinder“, „Sprachheilschule“,“ „Behinderteneinrichtung“, „Stadtteilzentrum“, „Flüchtlingshilfe“, „Ferien- und Freizeiteinrichtungen“, „Migrantenvereine“. Die Theater verlassen damit ihre eigenen Räume, um Kulturelle Teilhabe zu ermöglichen. Die Unterschiede im Zugang zu ökonomischen Ressourcen und zur Bildung innerhalb der Zielgruppen sind ein Pro-

blemfeld, das die Theatermacher*innen in den Interviews als zentral für ihre Arbeit beschreiben. Hinzu kommt die geringere Dichte an Aufführungen in ländlichen Räumen, sodass sich die These aufstellen lässt, dass Bildungsbenachteiligung und das Leben in ländlichen Räumen in Kombination eine Ferne zum Theater verursachen. Vor allem im außerschulischen Bereich gestalte sich die Ansprache (mehrfach) marginalisierter Kinder und Jugendlicher schwierig. Dass kaum divers aufgestelltes Personal sowie Netzwerke bestehen, in denen sich Menschen mit Diskriminierungs- und Marginalisierungserfahrungen verorten und repräsentiert sind, trägt außerdem dazu bei, dass diese Zielgruppen nicht erreicht werden. Eine gezieltere und engere Zusammenarbeit, zum Beispiel mit Kindern die eine Migrationsgeschichte oder Fluchterfahrung haben oder aus Familien, die in Armut leben sowie mit jungen Menschen mit Behinderungsperpektiven, findet sowohl in städtischen als auch ländlichen Räumen vor allem im Rahmen theaterpädagogischer Angebote statt.11 Sie tragen zu Kultureller Teilhabe bei, jedoch erzielen sie keine nachhaltigen strukturellen Veränderungen.

Das Ziel: nachhaltig und ganzheitlich Der Abbau von Barrieren und die Umsetzung einer diskriminierungskritischen Praxis in den Darstellenden Künsten für junges Publikum können nur gelingen, wenn ein Bewusstsein für die eigenen Ausschlussmechanismen, die die strukturelle Ungleichheit befördern, vorhanden ist. Erst danach kann die Diversifizierung in den Bereichen Personal, Publikum und Programm einsetzen. Für eine nachhaltige und ganzheitliche Umsetzung innerhalb eines Betriebes sind zusätzliche Ressourcen – zeitliche und finanzielle – notwendig. Dass die Repräsentation marginalisierter Perspektiven gerade in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen eine hohe Bedeutung hat, erschließt sich nicht zuletzt aus der UN-Kinderrechtskonvention (Artikel 23, 31) und der UN-Behindertenrechtskonvention (Artikel 7, 30). Die Vielzahl an Veranstaltungen der ASSITEJ wie die SPURENSUCHE – Das Arbeitsfestival der Freien Kinder- und Jugendtheater (Fokus des Rahmenprogramms 2022: Veränderungsprozesse für mehr Diversität und weniger Barrieren auf ästhetischer, struktureller und personeller Ebene; Fokus des Rahmenprogramms 2023: Rassismuskritik und Empowerment), oder das 7-teilige Frankfurter Forum Junges Theater 2021/22 als zentrales Diskurstreffen für die Darstellenden Künste für junges Publikum sowie daraus hervorgegangene Handreichungen und Publikationen wie Diskriminierungskritische Perspektiven: Eine Handreichung für Theatermacher*innen. Vol. 1: Rassismuskritische Theaterpraxis (deren erste Auflage 2023 innerhalb kürzester Zeit vergriffen war) kommen dem Wunsch nach einer Weiterentwicklung der eigenen Arbeit und einer diskriminierungskritischen Praxis in den Darstellenden Künsten für junges Publikum nach und unterstützen die Sensibilisierung der Theater für diese Diskurse.


Theaterstandorte Gastpielorte

Prozent der Kinder mit Migrationshintergrund in Kindertageseinrichtungen von 2,66 Prozent bis 66,83 Prozent.

Abb. 20: Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund in Kindertageseinrichtungen und Gastspiele 2017–2022

47

Wie macht Ihr das?!

Diversität im Freien Kinder- und Jugendtheater


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Insbesondere die Beschäftigung mit der Diskriminierungsform Adultismus ist in Kontexten der Arbeit mit und für Kinder und Jugendliche von besonderer Bedeutung. Denn bei einer ernsthaften Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in Fragestellungen, die die Struktur oder das Programm eines Theaters betreffen, werden junge Menschen als Expert*innen ihrer eigenen Lebenswelt wahrgenommen. Bereits an einigen Theatern in Deutschland haben sich Kinder- und Jugendbeteiligungsgruppen etabliert. Nennenswert ist beispielsweise die Drama Control, das Kinder- und

Jugendbeteiligungsgremium am Jungen Schauspielhaus Bochum. Die Gruppe, bestehend aus Kindern und Jugendlichen im Alter von drei bis 20 Jahren, ist ein Jugendaufsichtsrat, welcher Projekte vorschlägt, konkrete Handlungsanweisungen an das Team des Theaterreviers gibt sowie inhaltliche, künstlerische und öffentlichkeitswirksame Prozesse mitgestaltet. Beteiligung ist zum Beispiel auch durch Kinder- und Jugendjurys möglich. Ein Positivbeispiel ist die mit Kindern und Erwachsenen paritätisch besetzte Jury des Deutschen Kinder-Theater-Fests.

UN-Kinderrechtskonvention

UN-Behindertenrechtskonvention

Artikel 31: Beteiligung an Freizeit, kulturellem und künstlerischem Leben, staatliche Förderung (1) Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes auf Ruhe und Freizeit an, auf Spiel und altersgemäße aktive Erholung sowie auf freie Teilnahme am kulturellen und künstlerischen Leben. (2) Die Vertragsstaaten achten und fördern das Recht des Kindes auf volle Beteiligung am kulturellen und künstlerischen Leben und fördern die Bereitstellung geeigneter und gleicher Möglichkeiten für die kulturelle und künstlerische Betätigung sowie für aktive Erholung und Freizeitbeschäftigung.

Artikel 7: Kinder mit Behinderungen (1) Die Vertragsstaaten treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass Kinder mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen Kindern alle Menschenrechte und Grundfreiheiten genießen können.

Artikel 23: Förderung behinderter Kinder (3) In Anerkennung der besonderen Bedürfnisse eines behinderten Kindes ist die nach Absatz 2 gewährte Unterstützung soweit irgend möglich und unter Berücksichtigung der finanziellen Mittel der Eltern oder anderer Personen, die das Kind betreuen, unentgeltlich zu leisten und so zu gestalten, dass sichergestellt ist, dass Erziehung, Ausbildung, Gesundheitsdienste, Rehabilitationsdienste, Vorbereitung auf das Berufsleben und Erholungsmöglichkeiten dem behinderten Kind tatsächlich in einer Weise zugänglich sind, die der möglichst vollständigen sozialen Integration und individuellen Entfaltung des Kindes einschließlich seiner kulturellen und geistigen Entwicklung förderlich ist.

1

2 3

4 5 6

Artikel 30: Teilhabe am kulturellen Leben sowie an Erholung, Freizeit und Sport (1) Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen, gleichberechtigt mit anderen am kulturellen Leben teilzunehmen, und treffen alle geeigneten Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen a) Zugang zu kulturellem Material in zugänglichen Formaten haben; b) Zugang zu Fernsehprogrammen, Filmen, Theatervorstellungen und anderen kulturellen Aktivitäten in zugänglichen Formaten haben; c) Zugang zu Orten kultureller Darbietungen oder Dienstleistungen, wie Theatern, Museen, Kinos, Bibliotheken und Tourismusdiensten, sowie, so weit wie möglich, zu Denkmälern und Stätten von nationaler kultureller Bedeutung haben. (2) Die Vertragsstaaten treffen geeignete Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit zu geben, ihr kreatives, künstlerisches und intellektuelles Potenzial zu entfalten und zu nutzen, nicht nur für sich selbst, sondern auch zur Bereicherung der Gesellschaft. (4) Menschen mit Behinderungen haben gleichberechtigt mit anderen Anspruch auf Anerkennung und Unterstützung ihrer spezifischen kulturellen und sprachlichen Identität, einschließlich der Gebärdensprachen und der Gehörlosenkultur.

Siehe Nasiha Ahyoud et al.: „Wer nicht gezählt wird, zählt nicht. Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten in der Einwanderungsgesellschaft – eine anwendungsorientierte Einführung.“ Hg. von Vielfalt entscheidet – Diversity in Leadership, Citizens For Europe (2018): letzter Zugriff am 26. Juli 2023, https://www.kiwit.org/media/material-downloads/antidiskriminierungs_-_gleichstellungsdaten_-_einfuehrung.pdf, S. 8. Siehe ebd., S. 5. Siehe Charta der Vielfalt e. V.: „Vielfaltsdimensionen“, letzter Zugriff am 07. Juni 2023, https://www.charta-der-vielfalt.de/fuer-arbeitgebende/ vielfalts­dimensionen/. Siehe Kaden/Wellmer/Puxi, „Qualitative Studie“, S. 22. Siehe ebd. Siehe Lena Hipp: „Ungleichheiten und Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt.“ In: Politik und Zeitgeschichte, 2016, Nr. 66, S. 42–48.; Deutsches Zent-

rum für Integrations- und Migrationsforschung DeZIM e.V. (2022): „Kopftuch und Arbeit? Erfahrungen von Musliminnen und Muslimen auf dem deutschen Arbeitsmarkt.“, DeZIMinutes, Nr. 8 (Oktober 2022): letzter Zugriff am 26. Juli 2023, https://www.dezim-institut.de/fileadmin/user_upload/ Demo_FIS/publikation_pdf/FA-5433.pdf. 7 Siehe Thomas Renz: (2016): jazzstudie2016. Lebens- und Arbeitsbedingungen von Jazzmusiker/-innen in Deutschland. Berlin: Unionverlag, S. 13 f., S. 22. 8 Siehe Kaden/Wellmer/Puxi, „Qualitative Studie“, S. 21 f. 9 Siehe ebd., S. 30. 10 Statistisches Bundesamt: „Migrationshintergrund. Migration und Integration“, letzter Zugriff: 23. Juli 2023, https://www.destatis.de/DE/Themen/ Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Migration-Integration/Glossar/ migrationshintergrund.html. 11 Siehe ebd., S. 25.



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Zukunft jetzt gestalten!

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Die

*

Theaterpädagogisches Handeln im Freien Kinder- und Jugendtheater von Skadi Konietzka

G

In Kontakt kommen

Die Datenlage im Blick

enreübergreifende und interdisziplinäre Ansätze, partizipative und performative Spielpraktiken sowie vielfältige künstlerische Herangehensweisen prägen die Darstellenden Künste für junges Publikum. Das vielleicht wichtigste Merkmal dieser Theaterarbeit, ungeachtet der Unterschiede in Theaterform, Inhalt und Aktionsraum, scheint jedoch der reflektierte und wertschätzende Umgang mit Kindern und Jugendlichen zu sein,1 so die Aussagen vieler der interviewten Theatermacher*innen. Aus dem Anliegen heraus, den jungen Menschen aufrichtig und ernsthaft zu begegnen, leitet sich ein starkes Bestreben ab. Es folgt dem Wunsch, das junge Publikum mittels Theaterarbeit zur Selbstwahrnehmung und Selbstermächtigung anzuregen.2 Und so stelle gerade theaterpädagogisches Handeln ein vielversprechendes Mittel dar, um zur Zielgruppe durchzudringen: „Okay, wenn wir euch mit dem Stück jetzt gerade nicht gekriegt haben aus irgendeinem Grund, welche andere Möglichkeit gibt es dann, dass wir in Kontakt kommen?“3 Welche Aussagen lassen sich zum Zusammenwirken von Kunstproduktion und theaterpädagogischem Engagement aus dem Datenmaterial ableiten? Welchen Stellenwert hat die Theaterpädagogik in den Kostenplänen und Projektkonzepten der gestellten Anträge im Förderprogramm NEUSTART KULTUR – Junges Publikum? Wo finden sich theaterpädagogische Positionen? In welcher Größenordnung? Und was sagen die befragten Theaterakteur*innen über theaterpädagogisches Handeln?

Von insgesamt 541 gestellten Anträgen in den Modulen A, B und C sind in 92 Anträgen neben der künstlerischen Produktion explizit theaterpädagogische Angebote benannt. Die 92 Anträge mit Theaterpädagogik-Positionen schlüsseln sich innerhalb der Module wie folgt auf: Modul A (SAVE – Realisierung des aktuellen Spielbetriebs) 29 Anträge, Modul B (SHOW – Gastspielrealisierung) 30 Anträge und Modul C (SUPPORT – Die Zukunft jetzt gestalten: Publikumsgewinnung und -entwicklung in den Darstellenden Künsten für junges Publikum) 33 Anträge. Das entspricht einem Anteil von 17 Prozent. Ob in weiteren Projekten theatervermittelnde Arbeit eine Rolle spielt und diese nicht kalkuliert ist, lässt sich nicht abschließend ermitteln. Sowohl eingetragene Vereine (34 Anträge) als auch GmbHs und GbRs (37 Anträge) planen theaterpädagogische Formate in ihren Projekten. 21 Anträge, in denen Theatervermittlung eine Rolle spielt, wurden von Einzelkünstler*innen gestellt. Gemessen an der Gesamtanzahl aller Anträge von Einzelkünstler*innen im Rahmen des Förderprogramms nehmen diese allerdings nur einen Anteil von knapp 12 Prozent ein. Die höchste Dichte an Projekten, die theaterpädagogische Konzepte mitdenken, ist in Nordrhein-Westfalen mit 33 Anträgen und damit einem Gesamtanteil von 36 Prozent zu verzeichnen. Innerhalb aller gestellten Anträge sind 224 Stellen für Fachkräfte der Vermittlung und Theaterpädagogik vorgesehen. Im Verhältnis zu den im Gesamten geplanten Personalstellen von insgesamt 4 550 entspricht dies nur einem Anteil von fünf Prozent. Die geplanten Kosten für theaterpädagogisches Personal in Höhe von insgesamt 741 268,40 Euro machen gemessen am Gesamtvolumen der geplanten Kosten für Personalstellen nur drei Prozent aus. Wie lassen sich diese Zahlen lesen, die so ernüchternd wirken und wenig in die Zukunft zu weisen scheinen? Deutet es darauf hin, dass sich Theaterschaffende im Bereich der Darstellenden Künste für junges Publikum künstlerisch produzierend und theaterpädagogisch vermittelnd begreifen,

* Titel des im Rahmen des Förderprogramms NEUSTART KULTUR – Junges Publikum ausgerufenen Moduls C zur Entwicklung künstlerisch-partizipativer Vermittlungsformate.


Die Zukunft jetzt gestalten!

aus dem Selbstverständnis einer vielfältigen Theaterpersönlichkeit heraus? Oder beleuchtet es vielmehr die Situation finanzieller Engpässe und wirtschaftlicher Notlagen, die es kaum möglich machen und geradezu verhindern, theaterpädagogischem Handeln ein eigenständiges Wirkungsfeld zu geben?

Trotz der zahlenmäßig geringen Anträge und Stellen für Fachkräfte der Theaterpädagogik wird Vermittlungsarbeit von den interviewten Personen als wichtiges Instrument der Kinder- und Jugendtheaterarbeit dargestellt. Vor allem in Bezug auf die Diversität ihres Publikums betonen die Interviewten die Dringlichkeit eines theaterpädagogischen Engagements. Gesellschaftlich relevante Arbeit zu produzieren, z.B. Theaterarbeit in einen nachbarschaftlichen Bezug zu stellen und/oder gezielt Kinder und Jugendliche unterschiedlicher sozialer Herkunft anzusprechen, ist den Theatermacher*innen ein wichtiges Anliegen.4 Ziel sei eine stärkere Bezugnahme auf das konkrete sozialräumliche Gefüge, um „gute Kunst mit und für Kinder und [die] Nachbarschaft zu machen.“5

Wo interviewte Personen großstädtischer Theater von dem Wunsch berichten, Theater für eine als divers beschriebene Stadtbewohner*innenschaft zu produzieren und damit insbesondere Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund als (Teil-)Zielgruppe zu adressieren und einzubeziehen6, steht die Situation in ländlichen Räumen in deutlichem Kontrast dazu.7 Allein schon eine Differenzierung zwischen Kinder- und Jugendtheater einerseits und Erwachsenentheater andererseits als auch die Fokussierung auf eine spezifische Gruppe ist kaum durchführbar und nicht erstrebenswert: „Das, was wir hier machen, ist eigentlich Theater für alle. Und hier ist immer die Frage: Welche Themen sind hier interessant? Weil die Leute sind es hier nicht so gewohnt, Theater schauen zu gehen und da ist es sowieso wichtig, ein möglichst breites Publikum anzusprechen.“8 Theaterakteur*innen in ländlichen Räumen müssen sich demnach besonders flexibel auf ein heterogenes und wechselndes Publikum einstellen und häufig altersübergreifende Theaterarbeit leisten.9 Grundsätzlich zeigt sich, dass eine gezieltere und engere Zusammenarbeit mit einem jungen Publikum aus bildungsbenachteiligten Familien, prekären Verhältnissen, mit Migrations- und Fluchthintergrund sowie mit verschiedenen Behinderungsperspektiven sowohl in städtischen als auch

Anträge im Modul A und B von Theatern mit eigener Spielstätte

Anträge im Modul A und B von mobilen Bühnen (Gastspiele)

29

30

Vielfältiges Vermitteln in diversen Landschaften

85

N = 114

= ˆ 25% der Anträge enthalten für Theaterpädagogik und Vermittlung vorgesehene Positionen und Budget

192

51

N = 222

= ˆ 14% der Anträge enthalten für Theaterpädagogik und Vermittlung vorgesehene Positionen und Budget

47 Personalpositionen

197 282,70 €

75 Personalpositionen

260 098,70 €

= ˆ 8% am gesamten Personalumfang

= ˆ 7% am gesamten Personalbudget

= ˆ 19% am gesamten Personalumfang

= ˆ 12% am gesamten Personalbudget

Anträge im Modul A und B gesamt Anträge gesamt

Theater mit eigener Spielstätte und mobile Bühnen Gesamtergebnis

Anträge mit Theaterpädagogik

N 336

59

Im Antrag für Theaterpädagogik und Vermittlung:

Anteil am gesamten:

vorgesehene Pesonalpositionen

vorgesehenes Budget

Personalumfang

Anzahl

Summe

Anteil an N 122

Abb. 21: Anteil der Anträge mit theaterpädagogischen Inhalten in den Modulen zur Sicherung des Spielbetriebes (Modul A und B) an der Gesamtzahl der Anträge und Anteil der Theaterpädagogik am Personalplan laut Kosten- und Finanzierungsplan

18%

457 381,40 €

27%

Personalbudget

10%


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ländlichen Räumen vor allem im Rahmen theaterpädagogischen Engagements stattfindet, das hier eine gesellschaftlich relevante Vermittlerrolle einnimmt.10 Die pandemiebedingten Einschränkungen der letzten drei Jahre haben in besonderem Maße die Notwendigkeit der Vermittlungsarbeit im Freien Kinder- und Jugendtheater deutlich gemacht. Die Frage, wie Kunst und Vermittlung für Einzelkünstler*innen oder freie Gruppen ohne festes Haus aussehen können, wurde existenziell bedeutsam. Für die Entwicklung von neuen Dialogen und Formaten der Beteiligung wurde Modul C: Die Zukunft jetzt gestalten

Gesamtergebnis

(SUPPORT) ein wichtiges Förderinstrument des Programms NEUSTART KULTUR – Junges Publikum. 46 Prozent aller geplanten Stellen für Theaterpädagog*innen wurden in diesem Modul beantragt. Die inhaltliche Fokussierung lag hier vor allem auf Begleitworkshops/Nachbereitungen, Ideenwerkstätten/Laborformaten, partizipativen Theaterworkshop und interner Entwicklungsarbeit, wie z.B. Vernetzung. Dies verdeutlicht, dass der Bedarf in den Theatern vorhanden ist, sich theaterpädagogischen Angeboten zu widmen. Voraussetzung ist, dass für diese ein Budget und Entlohnung zur Verfügung stehen.

Anträge

Anträge mit Theaterpädagogik

PersonalPersonalpositionen positionen mit Theaterpädagogik

Kosten für Personalpositionen

Kosten für Theaterpädagogik

gesamt

gesamt

gesamt

gesamt

gesamt

25 553 731,00 €

741 268,40 €

541

Anteil 92

17%

Anzahl

4550

Anteil 224

5%

Abb. 22: Anteil der Anträge und beantragter Personalpositionen mit theaterpädagogischem Bezug an allen Anträgen im gesamten Förderprogramm

Anträge

Anträge mit Theaterpädagogik-

PersonalPositionen positionen Theaterpädagogik

gesamt

Anzahl

gesamt

Anteil

Anzahl

Anteil

Modul A (SAVE)

114

29

25%

1622

47

3%

Modul B (SHOW)

222

30

14%

1741

75

4%

Zwischenergebnis

336

59

18%

3363

122

4%

Modul C (Support)

205

33

16%

1187

102

9%

Gesamtergebnis

541

92

17%

4550

224

5%

Modul A 32%

Modul B 33%

Modul C 36%

Verteilung der Anträge die Theaterpädagogik beinhalten, je Modul

Abb. 23: Anteil der Anträge und beantragter Personalpositionen mit theaterpädagogischem Bezug (Module A, B und C)

Modul A 21% Modul B 33% Modul C 46%

Verteilung der Personalpositionen Theaterpädagogik, wenn beantragt, je Modul


Die Zukunft jetzt gestalten!

Die vorangegangenen Ausführungen zeichnen ein positives und relevantes Bild der Theaterpädagogik im Freien Kinderund Jugendtheater. Theaterpädagogisches Handeln wird als wirksames Mittel zur Begleitung von künstlerischen Produktionen eingesetzt. Vermehrt hinzu kommen partizipative Formate, Ideenwerkstätten und Labore, in denen Kinder und Jugendliche bereits am Produktionsprozess teilhaben. Darstellende Künste für junges Publikum bedeuten eben nicht nur für, sondern auch mit Kindern und Jugendlichen künstlerisch wirkend zu sein. Gerade in zeitgenössischen Angeboten, die interdisziplinäre Vermittlungsansätze und partizipatives Handeln verfolgen, ist dieser gesellschaftliche und Kulturelle Teilhabeaspekt erlebbar. Die Ergebnisse zeigen jedoch auch den Widerspruch, der zwischen den für Theaterpädagogik verwendeten Ressourcen und der ihr beigemessenen Bedeutung besteht: Einer Vermittlungsarbeit kommt in den Zahlen nicht der Stellenwert zu, der von den Befragten gewünscht, gefordert und gesellschaftlich notwendig ist. Dies wird vor allem in Personalfragen deutlich. Ein Großteil der Vermittlungsarbeit wird von den Theaterschaffenden on top gemacht und bedeutet eine zusätzliche Herausforderung hinsichtlich der engen Budgets. Notwendig sind hier dringend eigene Stellen für qualifizierte Fachkräfte der Vermittlung und Theaterpädagogik. Voraussetzung dafür sind Förderprogramme, die Rechercheund Entwicklungsprozesse ermöglichen und Theatervermittlung als wesentlichen Bestandteil einer Theaterarbeit für und mit Kindern und Jugendlichen begreifen. Insbesondere von Theatermacher*innen, die mit anspruchsvollen und diversen Zielgruppen zusammenarbeiten, wird eine grundständige theaterpädagogische und diversitätssensible Berufsausbildung als wichtige Voraussetzung erachtet:11 „Einfach das Handwerkszeug zu haben und stabil zu sein, in den Momenten, die schwierig sind. Oder wo man nicht mehr weiter weiß, weil da zum Teil so krasse Lebensumstände die Kids verhindern, offen zu sein, zu spielen, ihren Körper zu zeigen, ihre Stimme zu fühlen.“12 Eine fundierte Qualifizierung und Professionalisierung von Theaterpädagog*innen ist notwendig, um auf die Bedarfe und Herausforderungen des Berufsfeldes entsprechend reagieren zu können und eine hohe Qualität der theaterpädagogischen Arbeit zu gewährleisten. Theaterpädagogisches Engagement muss somit elementarer Bestandteil des Freien Kinder- und Jugendtheaters sein, wenn es Kontakt ermöglichen und Zukunft gestalten will – zwischen Darstellenden Künsten und jungem Publikum.

Anmerkung der Redaktion: Die Auswertung der abgeschlossenen Projektabrechnungen zum Erhalt des Spielbetriebs in den Fördermodulen A und B zeigt, dass nur in 59 von 336 Förderungen Fachkräfte für die Vermittlung und Theaterpädagogik eingesetzt wurden. Diese Personalstellen machen dabei nur einen Anteil von rund 9 Prozent des gesamten Personalbudgets aus. Die für die Theaterpädagogik verwendeten geringen finanziellen Mittel im regulären Spielbetrieb weisen einen Widerspruch zur Bedeutung und Notwendigkeit auf, die auch die Befragten beispielsweise bei der Ansprache ihrer Zielgruppen betonen.13 Bei der Betrachtung dieser Zahlen muss bedacht werden, dass die Förderung durch NEUSTART KULTUR – Junges Publikum zu einer Zeit eingesetzt hat, in der Social Distancing den Alltag bestimmte und direktes pädagogisches Arbeiten in Gruppen nicht erlaubt und später dann nur mit Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen möglich war. Dies könnte auch einen Grund dafür darstellen, dass der Anteil an Vermittlungspositionen in den Anträgen so gering ausfällt.

1 Siehe Kaden/Wellmer/Puxi, „Qualitative Studie“, S. 13. 2 Ebd., S. 19. 3 Ebd.,S. 25. 4 Vgl. ebd, S. 19. 5 Interviewte Person; Kaden/Wellmer/Puxi, „Qualitative Studie“, S. 19 f. 6 Vgl. Kaden/Wellmer/Puxi, „Qualitative Studie“, S. 20. 7 Siehe ebd., S. 11 8 Interviewte Person; Kaden/Wellmer/Puxi, „Qualitative Studie“, S. 12. 9 Siehe Kaden/Wellmer/Puxi, „Qualitative Studie“, S. 12. 10 Siehe ebd., S. 21 f. 11 Siehe ebd., S. 51. 12 Interviewte Person; ebd., S. 26. 13 Siehe ebd., S. 23–27.

Skadi Konietzka ist Dozentin für Theatervermittlung an der Hochschule Merseburg und Kulturwissenschaftlerin. Zudem war sie sowohl Jurorin für das Modul C des Förderprogramms NEUSTART KULTUR – Junges Publikum als auch Mitglied im Fachbeirat zur Studie. Foto: Thomas Tiltmann

Wie macht Ihr das?!

Im Kontakt bleiben

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Was folgt von Geza Adasz, Valerie Eichmann und Stefanie Fischer

D

ie Studien der ASSITEJ zeichnet ein Bild der Freien Kinder- und Jugendtheater, das ihren elementaren Beitrag an der flächendeckenden und niedrigschwelligen kulturellen Grundversorgung von jungen Menschen deutlich macht.1 Sie zeigen jedoch auch, zu welchem Preis dies geschieht: Noch immer arbeiten Theatermacher*innen unter den empfohlenen Honoraruntergrenzen von 310 Euro pro Vorstellung2, finanzieren ihre Vorstellungen durch unentgeltliche Arbeit und zusätzliche Einkommensquellen. Es gibt weite Landstriche, in denen kaum Aufführungen für junges Publikum stattfinden, was eine grundsätzliche Unterversorgung nahelegt.

Doch Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Kulturelle Teilhabe. Darauf, dass sie niedrigschwellig zugänglich ist und sich an junge Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft richtet. Was wird benötigt, um verlässliche und teilhabegerechte Zugänge zu den professionellen Darstellenden Künsten für junges Publikum anbieten zu können? Der Fachbeirat (siehe Kapitel Autor*innen und Beteiligte) zur Erarbeitung von Im Fokus: Freies Kinder- und Jugendtheater. Studien zur Situation 2017–2022 hat dazu zusammen mit den Autor*innen folgende Empfehlungen für neue Handlungsweisen für die Politik von Bund, Ländern und Kommunen im Umgang mit den Freien Darstellenden Künsten für junges Publikum entwickelt:


Was folgt

1.

Ein strukturelles Umdenken ist notwendig, wenn wir allen Kindern und Jugendlichen in Deutschland Kulturelle Teilhabe ermöglichen wollen. Die aktuellen gesellschaftspolitischen Fragen wie der Umgang mit einer vielfältigen Gesellschaft, die Stärkung ländlicher Räume oder die ökonomische Ungleichverteilung betreffen Kinder und Jugendliche ebenso wie die Darstellenden Künste für junges Publikum. Sie betreffen die Chancengleichheit in unserer Gesellschaft und haben direkte Auswirkung auf die Kulturellen Teilhabemöglichkeiten von jungen Menschen. Die Studie zeigt, wo wir in Bezug auf diese Themen aktiv werden müssen und es struktureller Änderungen bedarf, um Kindern und Jugendlichen aus allen Teilen der Gesellschaft unabhängig von ihrem Zugang zu Bildung, Einkommen, einer Migrations- oder Fluchterfahrung zukünftig die Teilhabe an Theater und kulturellem Leben zu ermöglichen: A. Diversität muss Teil der Theater-DNA sein Um jungen Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft Kulturelle Teilhabe zu ermöglichen, müssen für theaterinterne Reorganisations- und Diversifizierungsprozesse personelle und finanzielle Ressourcen durch Bund, Länder und Kommunen zur Verfügung gestellt und diese Teil der Förderinstrumente werden. Diversität in den Freien Darstellenden Künsten für junges Publikum darf keinen Zusatzcharakter haben und darf sich nicht nur auf die Publikumsgewinnung beschränken, sondern muss ein grundlegender Bestandteil sein und zum Querschnittsthema werden. B. Entwicklungsförderung in ländlichen Räumen Kinder- und Jugendtheater arbeiten für und mit jungen Menschen in allen Regionen des Landes. Es braucht aber gerade in ländlichen Räumen eine Entwicklungsförderung der Länder und Kommunen für Räume und Infrastrukturen, in denen Kulturelle Bildungsprojekte und Kunst für junge Menschen stattfinden können, um dort das kulturelle Angebot auszuweiten. C. Kinder- und Jugendtheater ist gleichermaßen eine Aufgabe der politischen Ressorts für Kultur, Bildung und Familie Die Kulturelle Teilhabe von Kindern und Jugendlichen muss als ein ganzheitliches Vorhaben begriffen werden. Politik und Verwaltungen sollten hier ebenso wie Kinder- und Jugendtheater sparten- und bereichsübergreifend agieren, um Projekte, die für und mit jungen Menschen arbeiten, nicht durch einengende Definitionen bei Förderungen zu beschneiden oder gar zu benachteiligen.

1 2 3

Vgl. UN-Kinderrechtskonvention, Artikel 31. Siehe Bundesverband Freie Darstellende Künste: „Neue Honoraruntergrenzen“. Siehe Mandel, S. 28.

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2.

Kulturelle Grundversorgung braucht Menschen, die sie ermöglichen und Arbeitsbedingungen, die nicht zu einer sozialen Schieflage führen. Die Künstler*innen, die für junges Publikum arbeiten, müssen von dieser Arbeit leben können. Ihre Honorare müssen mindestens den empfohlenen Mindeststandards des Bundesverbands Freie Darstellende Künste entsprechen. Der gesellschaftliche Wunsch niedrigschwelliger Ticketpreise für Kinder und Jugendliche darf nicht auf Kosten der Theatermacher*innen mit unentgeltlicher Arbeit oder zulasten ihrer Altersvorsorge realisiert werden. In der Bevölkerung erwarten 92 Prozent der Befragten niedrigschwellige Ticketpreise und 89 Prozent Angebote für Kinder und Jugendliche an öffentlichen Theatern.3 Eine Lösung von Seiten der Politik ist notwendig. Nachhaltige Förderstrukturen von Bund, Ländern und Kommunen, die auf die strukturellen Besonderheiten der Freien Darstellenden Künste für junges Publikum eingehen, sind unerlässlich, damit ein resilientes Produzieren für Kinder und Jugendliche möglich ist. Eine solche Struktur gibt es bisher nicht und die NEUSTART KULTUR-Förderung hat gezeigt, wie hoch der Bedarf ist und schon vor der Pandemie war. Zentral sind hierbei besonders: A. Die Förderung von Netzwerken und Qualifizierung Wissenstransfer, Ressourcenteilung, gegenseitige Unterstützung bei Produktionen, Gastspielen und Förderanträgen sind wichtige Instrumente für Freie Theater und Theatermacher*innen, um nachhaltig ihre Strukturen auszubauen und für die Zukunft zu stärken. Auch Netzwerke mit Bildungspartner*innen sind elementare Bausteine für einen stabilen Spielbetrieb. Hierfür werden zeitliche und damit auch finanzielle Ressourcen benötigt, die durch den Bund in Form von Qualifizierungs- und Netzwerkförderungen breit angelegt und dauerhaft etabliert werden sollten. B. Gastspielförderung und Mehrjahresförderung Um weiterhin niedrigschwellige Eintrittspreise anbieten und dennoch faire Honorare für Künstler*innen zahlen zu können, braucht es auf Landesebene besonders in ländlichen Regionen eine Förderung von Gastspielen für Kinder und Jugendliche. Solche Förderungen müssen nach Möglichkeit mehrjährig und unbürokratisch sein, um zum einen nachhaltig Wirkung entfalten zu können, und zum anderen Freie Kinder- und Jugendtheater dabei zu unterstützen, Resilienz aufzubauen, damit diese auch zukünftig die kulturelle Grundversorgung von Kindern und Jugendlichen deutschlandweit sicherstellen. C. Basisförderung und Einbeziehung in alle Förderprogramme Das Freie Kinder- und Jugendtheater leistet ein breites Spektrum an kultureller Grundversorgung und muss auch in dieser Breite in Förderungen von Bund, Ländern und Kommunen berücksichtigt werden: Dazu müssen Kinder- und Jugendtheater in allen Förderprogrammen explizit benannt und ihre Perspektive in Jurys und Gremien gehört werden. Dabei müssen Produktionen, Recherchen wie auch vermittelnde und administrative Arbeit anerkannt werden, um die Vielfalt der Förderprogramme auch künftig für die Macher*innen in den Darstellenden Künsten für junges Publikum zugänglich zu machen.


Wie Ihr


macht das?!


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ixypsilonzett | Magazin 2023

Die Freien Darstellenden Künste und das

junge Publikum

Plädoyer für ein strukturelles Umdenken von Prof. Dr. Wolfgang Schneider

Wie macht Ihr das?!

I

m Jahr 2018 fordert der Deutsche Kulturrat, der Dachverband von mehr als 250 Kulturverbänden in Deutschland: „Tanz und Theater mit Kindern und Jugendlichen sowie für junges Publikum als kulturpolitische Schwerpunktsetzung in der Theaterlandschaft Deutschlands und in allen Tanzund Theaterverbänden zu formulieren, auf allen politischen Ebenen zu konzeptionieren und in allen Praxen der Darstellenden Künste umzusetzen, um jedem Kind und jedem Jugendlichen mindestens zwei Mal im Jahr ein Tanz- und Theatererlebnis zu ermöglichen.“1 2023 zeigt der neue Sammelband der ASSITEJ, Im Fokus: Freies Kinder- und Jugendtheater. Studien zur Situation 20172022, im Rahmen des Bundesprogramms NEUSTART KULTUR – Junges Publikum, dass eine umfängliche kulturpolitische Unterstützung weiterhin fehlt: Noch immer arbeiten Theatermacher*innen unter den empfohlenen Honoraruntergrenzen […]; finanzieren ihre Vorstellungen durch unentgeltliche Arbeit und zusätzliche Einkommensquellen. Zudem gebe es „weite Landstriche“, in denen kaum Aufführungen für junges Publikum stattfinden, „was eine grundsätzliche Unterversorgung nahelegt.“2 Dabei hat doch alles so gut angefangen. Noch lange vor der Verabschiedung der Rechte des Kindes durch die Vereinten Nationen hieß es im GRIPS Theater schon: „Dass ihr’s wisst, nichts muss bleiben, wie es ist“3. Welt wird als veränderbar vorgeführt. Damals nannte man das „emanzipatorisches Kindertheater“. Nach mehr als einem halben Jahrhundert bleibt festzustellen, dass die gesellschaftspolitischen Bekenntnisse nicht nur die internationale Theaterlandschaft geprägt haben, sondern sich das Theater für junges Publikum auch als Plädoyer für die Rechte der Kinder versteht. Die künstlerische Praxis der Darstellenden Künste reiht sich damit ein in eine Bewegung für gleichwertige Lebensverhältnisse.

Plädoyer für mehr Diversität Eine der Erkenntnisse der ASSITEJ-Studien ist dagegen ernüchternd: Ein strukturelles Umdenken ist notwendig, wenn wir allen Kindern und Jugendlichen in Deutschland Kulturelle Teilhabe ermöglichen wollen (siehe Kapitel Was folgt). Zwar ist das Publikum bei den Schulvorstellungen nirgends so divers in der Theaterlandschaft wie im Kinderund Jugendtheater. Aber noch immer klafft eine Lücke in Personal und Produktion hin zu (mehrfach) marginalisierten Gruppen, die Theater sehen und auch machen wollen. Diversität und Inklusion ist kein Surplus, was man sich erlauben kann – oder nicht. Es ist ebenso eine kulturpolitische Querschnittsaufgabe wie Kulturelle Bildung, die erst die Voraussetzung von Nachfrage und Teilhabe schafft. Freie Kinder- und Jugendtheater sollten wie in skandinavischen Ländern selbstverständliche Partner von Bildungseinrichtungen sein, von der Kindertagesstätte über die Grundschule bis zur Sekundarstufe. Von der Oberstufe braucht zunächst einmal nicht die Rede zu sein, das gymnasiale System weiß die Theaterarbeit als Persönlichkeitsbildung zumeist zu schätzen. Und die öffentliche Förderung darf nicht weiterhin nur auf Produktion setzen, sondern eben auch Distribution und vor allem Rezeption ermöglichen. Die Rolle von Theaterpädagogik und Soziokultur darf nicht weiter unterschätzt werden und muss selbstverständlich als integraler Bestandteil zum Portfolio der Freien Kinder- und Jugendtheater gehören. Theater und Schule stehen offensichtlich immer noch in einem problematischen Verhältnis, wegen unterschiedlicher Strukturen, die aber von allen politischen Verantwortlichen der Ressorts Bildung, Familie und Kultur überwunden werden könnten.


Die Freien Darstellenden Künste und das junge Publikum

Plädoyer für mehr Zeit, mehr Räume, mehr Geld Die Freien Darstellenden Künste sind charakterisiert durch besondere Arbeitsweisen, sie arbeiten oft interdisziplinär, sind im besten Falle geprägt durch große Experimentierfreudigkeit, man spricht zu Recht davon, dass vielfältige neue Impulse für das Theater gerade aus diesem Bereich kommen. Durch das Ausprobieren von Formaten und Ästhetiken liefern sie gelegentlich auch so etwas wie die gesellschaftliche Reflexion über die Weiterentwicklung in der Kunst. Die Langfristigkeit der Förderung wird also das A und O einer zukünftigen Kulturpolitik sein. Auch die Studien des Fonds Darstellende Künste aus 2022 plädieren für mehr Zeit, mehr Räume, mehr Geld. Das klingt utopisch, basiert aber auf der beforschten prekären Praxis. Verbindlichkeiten und Planungssicherheiten befördern offensichtlich die künstlerischen Prozesse und verhindern, dass sich auch weiterhin die Freien Darstellenden Künste von Projekt zu Projekt hangeln müssen, viel Zeit für Antragslyrik verwenden und nach kurzer Zeit der Aufführungspraxis beim nächsten Förderprogramm mitmachen müssen. Zu den Forderungen aus der Wissenschaft gehören die Finanzierung von Formaten wie Rechercheförderung, Prozessförderung und Residenzförderung sowie – nicht sonderlich verwunderlich – die mehrjährige Konzeptionsförderung. Der aktuelle Stand der Evaluationen zur Förderarchitektur in den Darstellenden Künsten müsste genutzt werden, um einen Atlas zur Neugestaltung der Theaterlandschaft zu diskutieren, um Ziele und ihre Realisierung zu entwerfen, mit einer Re-Vision der Agenda des Theaters. Und es gilt gleichermaßen, immer wieder die grundsätzlichen Fragen zur Theaterkunst zu stellen: Sind die bestehenden kulturpolitischen Instrumentarien noch zeitgemäß? Sind Kooperationen als Potenzial für Theaterreformen brauchbar? Wie steht es um das Zusammenwirken als Auftrag der Förderung? Welcher Strategien bedarf es wegen der sozialräumlichen Rahmenbedingungen? Wer sind die Partner der Konzeptionen von Planung und Realisierung?

Plädoyer für das Menschenrecht auf Kulturelle Teilhabe Allein die Wertschätzung von Kindern und Jugendlichen als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft offenbart die Idee eines unteilbaren Menschenrechts. Die Freien Darstellenden Künste werden Protagonisten der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948: In Artikel 2 geht es um die Rechte, die jedem Menschen zustehen sollten: „Ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse*, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politische oder sonstige Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand“. In Artikel 27 heißt es unter anderem: „Jeder hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu erfreuen“. Diese Rechte werden im Theater für junges Publikum gelebt und gleichzeitig propagiert. Die

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Freude an den Künsten hat auch etwas mit Unterhaltung zu tun, mit Spaß und Vergnügen. Auch die UN-Kinderrechtskonvention macht in Artikel 31 deutlich, worum es beim Menschenrecht auf Theater geht: „Die Vertragsstaaten achten […] das Recht des Kindes auf volle Beteiligung am kulturellen und künstlerischen Leben und fördern die Bereitstellung geeigneter und gleicher Möglichkeiten für die kulturelle und künstlerische Betätigung.“ Wiederum geht es um freie Teilnahme, vor allem aber um kulturelle und künstlerische Teilhabe, insbesondere durch Betätigung und Beteiligung. Und auch dafür steht das Theater für junges Publikum, sofern es gefördert und damit ermöglicht wird. Das gilt gleichermaßen für die Freien Kinder- und Jugendtheater als auch die Kinder- und Jugendtheater an Stadt- und Staatstheatern, sowie für das Theater für Kinder und Jugendliche als auch für das Theater mit Kindern und Jugendlichen, ein klares Plädoyer, Theater für junges Publikum kulturpolitisch strukturell umzudenken. PS. Wie wär’s mal mit einer konzertierten Aktion, im Bund, in den Ländern und in den Kommunen? Am Welttag des Theaters für junges Publikum, dem 20. März, tagen all die parlamentarischen Ausschüsse für Kultur, Bildung und Soziales und haben als einzigen Tagesordnungspunkt die Zukunft des Theaters für ein junges Publikum auf der Agenda!

1

2

3

*

Deutscher Kulturrat: „Darstellende Künste für junges Publikum: Zugänge schaffen, Ensembles stärken und Strukturen implementieren. Stellungnahme des Deutschen Kulturrates“ (13. Februar 2019) https://www.kulturrat. de/positionen/darstellende-kuenste-fuer-junges-publikum-zugaenge-schaffen-ensembles-staerken-und-strukturen-implementieren/. Vgl. Geza Adasz/Valerie Eichmann/Stefanie Fischer: „Quantitative Erhebung zur wirtschaftlichen Lage der Freien Kinder- und Jugendtheater in Deutschland zwischen 2017 und 2021.“ In: Im Fokus: Freies Kinder- und Jugendtheater. Studien zur Situation 2017–2022, hg. von ASSITEJ e.V., Frankfurt am Main, 2023 Volker Ludwig, „Nashörner schiessen [sic!] nicht“ GRIPS Theater, Berlin, 1974. Anmerkung der Redaktion: rassistische Benachteiligung; siehe Diskussion im Deutschen Bundestag: Expert*innen sind mehrheitlich für die Ersetzung des „Rasse“-Begriffs im Grundgesetz

Prof. Dr. Wolfgang Schneider ist Ehrenpräsident der Internationalen Vereinigung des Theaters für Kinder und Jugendliche und Vorsitzender des Fonds Darstellende Künste. Als Mitglied im Fachbeirat begleitete er die Arbeit an den Studien in Im Fokus: Freies Kinder- und Jugendtheater. Studien zur Situation 2017–2022. Foto: Lilge



rubrik

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Wie wird Kultur in Zahlenform gebracht? Datenerhebung und Methodik von Geza Adasz, Valerie Eichmann und Stefanie Fischer

U

m eine solide Analyse zu erstellen und eine Untersuchung vorzulegen, die den geltenden wissenschaftlichen Standards entspricht, ist die transparente Erhebung und Verarbeitung der verwendeten Daten werden die Datenquellen, ihre Einordnung sowie eventuelle selektive Datenschnitte der quantitativen Untersuchung vorgestellt. Anschließend wird die Auswahl der Befragten und Methodik der qualitativen empirischen Untersuchung beschrieben.

Auf Grundlage der eingereichten Anträge wurden seit Mitte 2022 Daten von 274 Freien Kinder- und Jugendtheatern erhoben. Ausgewertet wurden die anonymisierten Jahresabschlüsse und Steuerbescheide aus den Jahren 2017 bis 2019 sowie die Kosten- und Finanzierungspläne der 563 in den Anträgen skizzierten Maßnahmen und die zum Zeitpunkt der Auswertung vorliegenden Nachweise der Mittelverwendung, einschließlich der von Fördermittelempfänger*innen erstellten Sachberichte. Zum Zeitpunkt des formellen Abschlusses der Datenerhebung lagen allerdings erst 122 Verwendungsnachweise aus abgeschlossenen Förderungen der ersten Förderrunde vor. Von den Datensätzen der 274 antragstellenden Theater waren zudem acht nicht verwertbar, da sie in der Antragstellung keine aussagekräftigen Unterlagen beinhalteten. Acht weitere Theater willigten nicht in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten ein. Die quantitativen Analysen der Studie beruhen daher auf den Angaben der verbleibenden 258 Theatern und den ihnen zugeordneten 541 einzelnen Anträgen.

Wie macht Ihr das?!

unverzichtbar. Im ersten Teil des folgenden Kapitels


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Zur Ermittlung der Reichweite des Förderprogramms wurde die Anzahl der umgesetzten Stücke, Inszenierungen und Besucher*innenzahlen in einer nachträglich erweiterten Analyse aus 149 Verwendungsnachweisen der ersten Förderrunde NEUSTART KULTUR – Junges Publikum aufgenommen. Weiterhin ist zu beachten, dass nicht alle Datensätze Informationen zu allen abgefragten Datenpunkten (siehe Glossar zur Begriffsdefinition) enthalten, weshalb nicht alle Teilanalysen auf derselben Datengrundlage beruhen: In jeder Tabelle ist deshalb der Wert N angegeben, der aussagt, auf wie viele konsistente Datensätze sich die jeweiligen Auswertungen stützen. Aus diesem Grund kann es unter Umständen vorkommen, dass in derselben Kategorie (beispielsweise „Anteil von X am Gesamtumsatz“) in verschiedenen Tabellen (die jeweils andere Datenkategorien miteinander in Verbindung setzen) unterschiedliche Ergebnisse aufgeführt sind, da sie auf unterschiedlichen N-Werten beruhen. Wenn innerhalb einer Gruppe nicht genügend konsistente Datensätze vorliegen, um daraus eine Aussage abzuleiten, (beispielsweise wenn N = 1), sind die Daten der Vollständigkeit halber zwar in der Tabelle aufgeführt, wurden aber durch graue Schriftfarbe optisch abgeschwächt und nicht weiter interpretiert.

Wie macht Ihr das?!

Datenquellen der quantitativen Untersuchung im Detail Insgesamt liegen aus der Antragstellung 424 einzelne verwertbare Dokumente zum Nachweis der formellen Förderfähigkeit der antragstellenden Theater vor: Im Einzelnen handelt es sich dabei um 93 Einkommensteuerbescheide, 98 Einnahmenüberschussrechnungen, 108 Jahresabschlüsse und 125 Gewinnermittlungen. Diese Dokumente ermöglichen nach der Auswertung Rückschlüsse auf die Einnahmenund Ausgabenstruktur der Theater und, je nach Art der Unterlagen, unterschiedlich tiefe Einblicke in die betrieblichen Strukturen, wie beispielsweise Anteile der Personal- und Sachkosten am Gesamtbudget oder Anteile der unterschiedlichen Einnahmearten am Etat. Die Informationen aus diesen Dokumenten wurden kategorisiert und in 93 Datenpunkten (siehe Glossar zur Begriffsdefinition) je Theater eingeordnet. Aus den ursprünglich 563 eingereichten Anträgen wurden weitere 75 Datenpunktarten extrahiert, die sich überwiegend auf die Verteilung der Ausgaben auf die geplanten personellen Positionen nach Tätigkeiten beziehen. Zuletzt wurden bei der Auswertung der eingereichten Verwendungsnachweise (zusätzlich zum Abgleich der geplanten mit den tatsächlich verwendeten Mitteln) Daten zu Art, Umfang und Umsetzungsformen der geförderten Vorhaben ausgewertet, sodass hieraus jeweils 142 Datenpunkte gewonnen werden konnten. Zusammengenommen liegen somit in 310 erhobenen Datenkategorien 26 727 Datenpunkte vor (8 508 aus den eingereichten Geschäftsunterlagen, 11 480 aus Kosten- und Finanzierungsplänen und 6 739 aus Verwendungsnachweisen), die im Pivotverfahren gruppiert wurden und so die Grundlage der quantitativen Untersuchung bilden.

Zusätzlich wurden im Zuge der Datenerhebung die während der Antragstellung eingereichten Programme und Gastspielpläne der Theater, sowie (soweit vorhanden) namentlich genannte Spielstätten aus Abrechnungen und Sachberichten in den Verwendungsnachweisen ausgewertet. Darüber ließen sich 4 674 Spielorte aus der Zeit zwischen 2017 und 2019, sowie 1 507 Spielstätten aus der Zeit zwischen 2021 und 2022 identifizieren, an denen Theater mit Gastspielen aufgetreten sind. Aus Gründen des Datenschutzes wurde diesen Orten vor der weiteren Verarbeitung die entsprechenden Postleitzahlen zugeordnet und in den darauf folgenden Analysen zur Reisetätigkeit der Tourneetheater lediglich mit der geografischen Mitte des jeweiligen Postleitzahlgebietes gearbeitet. Im weiteren Verlauf dieses Teilbereichs der Auswertung wurden weiterhin sozialräumliche Kennzahlen aus dem Bestand des Bundesinstitut für Bau-, Stadt und Raumforschung über das INKAR-Portal integriert. Zur Einordnung der Spielstätten und Standorte nach den Kategorien „städtischer Raum“ und „ländlicher Raum“ wurde die regionalstatistische Raumtypologie (RegioStaR) des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr herangezogen. Aufgrund der Art und des Ursprungs der erhobenen Daten muss daher nochmal nachdrücklich und grundsätzlich betont werden, dass die Erkenntnisse und Schlussfolgerungen aus der Untersuchung nur Teilaspekte der Arbeitsrealität der Theater abbilden können: Unbeleuchtet bleiben im Zuge der hier diskutierten Erhebungen beispielsweise viele Fragen aus dem Gebiet der Besucher*innenforschung sowie soziale und biografische Aspekte.

Die qualitativen Ergebnisse der Untersuchung Neben der quantitativen Untersuchung, die sich auf die Analyse der Zahlen aus der Prüfung und Abrechnung des Förderprogramms stützt, wurde das Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) mit einer qualitativen Befragung beauftragt, mit dem Ziel sowohl das subjektive Erleben der Akteur*innen einzubeziehen, als auch Leerstellen einer rein zahlenmäßigen Erhebung teilweise auszugleichen und zu ergänzen. Insgesamt wurden 15 erzählorientierte Interviews (orientiert am problemzentrierten Interview nach Andreas Witzel)1 geführt, welche sich auf einen mit der ASSITEJ zuvor gemeinsam entwickelten Leitfaden stützen. Der Ergebnisbericht der ISG erscheint unter dem Titel Qualitative Studie zur Lage von Theaterschaffenden in Freien Kinder- und Jugendtheatern in Deutschland 2022 neben der quantitativen Erhebung als eigenständige Teilstudie in dem Sammelband Im Fokus: Freies Kinder- und Jugendtheater. Studien zur Situation 2017-2022. Die Auswahl der Interviewpersonen berücksichtigt die Heterogenität der Antragstellenden z.B. im Hinblick auf ihre Verortung im urbanen oder ländlichen Raum, die Höhe des Umsatzes oder die Art der Förderung sowie der Rechtsform des jeweiligen Theaters. Bei der Auswahl, auf Grundlage des Datenbestandes aus der quantitativen Untersuchung, konnte somit eine breite Streuung hinsichtlich der aufgeführten Merkmale berücksichtigt


Wie wird Kultur in Zahlenform gebracht?

Die durch das Sampling abgebildete Heterogenität innerhalb der Gruppe der interviewten Theaterakteur*innen wurde in der anschließenden themenfokussierten Auswertung durchgehend berücksichtigt. Die qualitative Forschungsperspektive ermöglicht vor diesem Hintergrund eine eingehende Betrachtung unterschiedlicher individueller Erfahrungshorizonte sowie vertiefende Einblicke in die Verflechtung von biografischen, künstlerischen und beruflichen Rahmenbedingungen, die das reine Zahlenmaterial der quantitativen Auswertung ergänzen.

männlich

weiblich

Gesamt

Einzelkünstler*in

1

1

2

Einzelkünstler*in (mit eigenem Personal)

1

0

1

Einzelkünstler*in (mit externem Personal)

1

1

2

GbR

0

3

3

> 500 000 €

3

2

5

> 100 000 €

1

6

7

< 100 000 €

1

6

7

gGmbH

0

2

2

Stadt

3

5

8

Land

0

3

3

Stadt und Land

1

3

4

Merkmale

Abb. 24: Merkmale des Samplings in der qualitativen Untersuchung

1

Andreas Witzel: Verfahren der qualitativen Sozialforschung. Überblick und Alternativen, Frankfurt a. M.: Campus Verlag, 1982.

Wie macht Ihr das?!

werden, die eine ausreichende theoretische Sättigung gewährleistet – d.h. dass davon ausgegangen werden kann, dass durch das Führen weiterer Interviews insgesamt keine weiteren neuen Erkenntnisse hinzukommen. Von den 15 Interviews mit einer durchschnittlichen Dauer von 60 Minuten fanden in Abstimmung mit den Interviewpersonen 13 als Videokonferenz und zwei vor Ort statt. Die Befragten sind in der Regel hauptamtlich als Theatermacher*innen innerhalb ihrer unterschiedlichen unternehmerischen Theaterstrukturen tätig. Insgesamt wurden elf Frauen und vier Männer interviewt, die zwischen 1958 und 1990 geboren wurden. Bei den Interviewten handelt es sich durchgängig um deutsche Staatsbürger*innen, in drei Fällen ist der familiäre Hintergrund durch Migration bzw. Flucht gekennzeichnet. Zudem wurden Theaterschaffende mit unterschiedlichen Familienständen und -konstellationen, um die damit einhergehenden diversen Lebenssituationen und Fragen der privaten und beruflichen Vereinbarkeit abzubilden, befragt. Fünf der befragten Theaterakteur*innen sind als Einzelkünstler*innen aktiv, teils mit eigenem oder externem Personal, wie Honorarkräften und freien Mitarbeiter*innen. Weitere fünf der interviewten Theatermacher*innen arbeiten in der Betriebsform eingetragener Verein (e.V.), zwei weitere im Rahmen einer gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbh) und drei Befragte agieren in der Betriebsform Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Hinsichtlich der Umsatzgröße der berücksichtigten Unternehmensformen liegt bei insgesamt sieben Unternehmen ein Umsatz von weniger als 100 000 Euro pro Jahr vor. Bei fünf der befragten Theatermacher*innen liegt die Umsatzgröße zwischen 100 000 und 500 000 Euro im Jahr, weitere drei Theaterschaffende arbeiten in einem Unternehmen mit einer Umsatzgröße von mehr als 500 000 Euro im Jahr. Insgesamt sind acht Befragte im städtischen Raum und drei im ländlichen Raum tätig, bei vier befragten Theatermacher*innen findet die Theaterarbeit sowohl im ländlichen als auch im städtischen Raum statt. Im Zuge der thematischen Fokussierung der Interviews anhand des Leitfadens, konnten zentrale Fragestellungen und Themen im Interviewverlauf fest verankert und – entsprechend der Interviewdynamik – gezielte Nachfragen zur Bedeutung einzelner Aspekte gestellt werden. Letztere wurden im Leitfaden als „Merkposten“ gekennzeichnet, die den Interviewer*innen als interne Hinweise bei der Moderation des Gesprächs dienten. Die Interviews wurden aufgezeichnet, vollständig transkribiert, anonymisiert und anhand eines induktiv-deduktiv entwickelten Codierrasters themenorientiert ausgewertet. Neben dem Leitfaden und der Tonträgeraufzeichnung wurden auch Kurzfragebögen zur Erhebung von Sozialdaten wie z. B. Geburtsjahr, Berufe der Eltern, Staatsangehörigkeit und Familienstand genutzt. Die Abfrage dieser Daten erfolgte zum Abschluss des Interviews. Sie ermöglichte im Rahmen des Auswertungsprozesses ein verbessertes Verständnis der spezifischen Charakteristika der interviewten Gruppe und somit auch eine fundierte Einordnung der Untersuchungsergebnisse.

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Wie macht Ihr das?!


Glossar

Quantitativ, wörtlich „zahlenmäßig“; Quantitative Untersuchungen sammeln standardisierte Daten und werten sie anschließend mithilfe statistischer Methoden aus. Anders als die qualitative Untersuchung beginnt die quantitative für gewöhnlich mit einem vorgegebenen Satz von Kategorien und Merkmalen, die sie dann in ihrem Forschungsgegenstand aufzuspüren versucht. Qualitativ, wörtlich „merkmalsmäßig“; Qualitative Untersuchungen stellen in der empririschen Sozialforschung den Versuch dar, sowohl durch passive Beobachtung oder auch mittels aktiven Gesprächen Muster in Haltung, subjektivem Empfinden und Handlungen der beobachteten Akteure des Forschungsgegenstandes zu erkennen und diese anhand der Einordnung nach Merkmalen auszuwerten. Demnach entwickelt die qualitative Forschung erst im Zuge ihrer Beobachtung die Kategorien oder Merkmale, anhand derer dann eine Auswertung der Ergebnisse erfolgt. Kulturökonomie Als spezialisiertes Feld der Wirtschaftslehre beschäftigt sich die Kulturökonomie mit zwei wesentlichen Fragestellungen, nämlich sowohl den praktischen betriebswirtschaftlichen Bedingungen, denen Kultur und ihre Produktion unterliegt, als auch ihren Einfluss und ihre Verflechtung mit der Gesellschaft und Volkswirtschaft. Während die erste Fragestellung heutzutage Gegenstand des modernen Kulturmanagements ist, wird die zweite in einem breiten interdisziplinären Feld von Wirtschaftssoziologie, Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaften erläutert. Adultismus Diskriminierung von Kindern und Jugendlichen (vgl. auch Epiphanismus, die Diskriminierung Jugendlicher) aufgrund ihres Alters, womit eine Machtungleichheit zwischen jungen Menschen und Erwachsenen einhergeht. Adultismus zeichnet sich dabei nicht nur durch das bloße Vorenthalten von Rechten (wie zum Beispiel eines Rechts auf Selbstbestimmung) oder dem Ausschluss von Kindern von Orten aus, sondern insbesondere auch durch die Überzeugung, dass Kinder (unabhängig von ihrer tatsächlichen persönlichen oder geistigen Reife) eben aufgrund ihres „Kindseins“ keine Verantwortung tragen oder Kompetenzen zum Entscheiden besitzen. Adultismus stellt den gesellschaftlichen Rahmen, in dem Erwachsene sich über die Bedürfnisse, Meinungen und Ansichten von Kindern und Jugendlichen hinwegsetzen, um ihre Ziele durchzusetzen. Klassismus Diskriminierung, Abwertung oder Vorurteile gegenüber Menschen aufgrund einer (vermuteten) Zugehörigkeit zu einem einkommensschwachen Milieu oder aufgrund des Merkmals der sozialen Herkunft. Das Merkmal soziale Herkunft bezieht sich auf den sozioökonomischen Status und Bildungshintergrund einer Person. Klassismus meint insbesondere auch die strukturelle Benachteiligung

von Menschen, denen zum Beispiel aufgrund ihres sozioökonomischen Status Nachteile auf ihrem Bildungsweg und beruflichen Werdegang entstehen, beispielsweise durch den erschwerten Zugang zu kostenpflichtigen Angeboten oder Erschwernissen durch die Betreuung und Pflege von Kindern und Angehörigen. Datenpunkt Ein einzelner Datenpunkt ist eine einzelne bestimmte Information innerhalb einer Sammlung von Daten. Datenpunkte können beliebige Inhaltstypen umfassen: Beispielsweise ist der Inhalt der Erklärung eines Begriffs als Text in einem Wörterbuch ein Datenpunkt, oder eine bestimmte Jahreszahl in der Aufzählung der Meisterschaftssiege aller Sportmannschaften einer Sportart, oder die Summe einer bestimmten Ausgabe in einem Kassenbuch. Datenpunkte werden in Dimensionen geordnet: Die Begriffe in einem Wörterbuch, oder der Name der Mannschaft in der Aufzählung aller Meisterschaftssieger, nach denen die einzelnen Datenpunkte geordnet sind, stellt eine Dimension dar. Über eine oder mehrere Dimensionen geordnet, entstehen aus Sammlungen von Datenpunkten Tabellen und mehrdimensionale Koordinatensysteme. Pivot-Datenmodell Das Pivotverfahren unterscheidet sich zum Ordnungssystem von Datenpunkten in Tabellen mit fest definierten Dimensionen dahingehend, dass die einzelnen Datenpunkte als Gruppen mit einem gemeinsamen Merkmal linear hintereinander angeordnet sind. Das heißt, wenn in einer Tabelle mit Obstsorten in der x-Achse der Name eines Obstes (z.B. „Äpfel“ oder „Kirschen“) und in der y-Achse verschiedene Merkmale von Obst stehen (z.B. „durchschnittliches Gewicht“ oder „Farbe“), dann kann mir diese Tabelle in der entsprechenden Zelle sagen, dass Äpfel typischerweise 182 g wiegen. Aber keine andersartigen Fragestellungen beantworten. In einer Pivottabelle sind die Datenpunkte zu zusammengehörigen Datengruppen zusammengefasst, die hintereinander aufgezählt werden. Mehrere Tabellen mit den Merkmalen von Obstsorten werden bei der sogenannten Pivotierung zu einer Aufzählung von Obstsorten und ihren Merkmalen: Datengruppe 1: „Apfel“, „182 g“, „rot“; Datengruppe 2: „Kirsche“, „20 g“, „rot“, usw. Durch dieses Verfahren wird die variable Bestimmung der Ordnung der beiden Dimensionen in einer Tabelle ermöglicht: Wenn man also beispielsweise (abweichend vom Informationsgehalt der ersten Beispieltabelle) wissen wollte, welches rote Obst es gibt, das 20 g wiegt, könnte man in der Pivottabelle bestimmen, dass in einer Tabelle in der x-Achse Gewichtsgrößen und in der y-Achse Farben stehen. In der daraus entstandenen Tabelle würde an der Achse entlang der Spalten zum Beispiel „rot“, „grün“ und „gelb“ stehen und an der Achse entlang der Zeilen etwa „10“, „20“ und „182“. Wenn man in dieser Tabelle den Wert an der Position „rot“/ „20“ ablesen würde, würde dann dort „Kirsche“ stehen. Auf diese Weise lassen sich aus ein und derselben Datensammlung Koordinatensysteme beliebiger Anordnung und mit beliebig vielen Dimensionen generieren, sodass komplexe Vergleiche und Analysen ermöglicht werden.

Wie macht Ihr das?!

Glossar

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ixypsilonzett | Magazin 2023

Wie macht Ihr das?!

Literatur- und Quellenverzeichnis Adler, Henrik/Behrens, Wibke/Eder, Thomas Fabian/Grüner Christian/Merkel, Janet/ Sappelt, Sven: „Zukunftsfähig und gerecht? Die soziale Absicherung von Freiberufler*innen, Selbstständigen, hybrid Erwerbstätigen und Kulturunternehmer*innen in den freien darstellenden Künsten.“ In: Themendossiers im Rahmen von Systemcheck, hg. von Bundesverband Freie Darstellende Künste e.V., (2022): letzter Zugriff am 26. Juli 2023, https://darstellende-kuenste.de/sites/ default/files/2022-09/220908_TD3_Zukunftsfaehig_und_ gerecht_Systemcheck_2.pdf. Ahyoud, Nasiha/Aikins, Joshua Kwesi/Bartsch, Samera/Bechert, Naomi/Gyamerah, Daniel/Wagner, Lucienne: „Wer nicht gezählt wird, zählt nicht. Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten in der Einwanderungsgesellschaft – eine anwendungsorientierte Einführung. Vielfalt entscheidet – Diversity in Leadership“, hg. von Citizens For Europe (2018): letzter Zugriff am 26. Juli 2023, https://www.kiwit. org/media/material-downloads/antidiskriminierungs_-_ gleichstellungsdaten_-_einfuehrung.pdf. Baumol, William J./Bowen, William G.: Performing Arts: The Economic Dilemma: a Study of Problems Common to Theater, Opera, Music and Dance. New York: The Twentieth Century Fund, 1966. Bode, Rainer/Ernst-Pörksen, Dr. Michael/Olaf, Martin/ Schmuck, Kilian/Vogt, Gerhard: „Modernisierung der Zuwendungspraxis für den Dritten Sektor“, hg. von Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e.V. (Juni 2018): letzter Zugriff am 26. Juli 2023, https://www.awv-net.de/upload/pdf/Zuwendungspraxis/ AWV-Impulspapier-Modernisierung-derZuwendungspraxis-fr-den-Dritten-Sektor.pdf. Bücker, Teresa: Alle_Zeit. Eine Frage von Macht und Freiheit. Berlin: Ullstein Buchverlage, 2022. Bundesamt für Kartographie und Geodäsie: „Kartenmaterial Verwaltungsgebiete Bundesrepublik Deutschland“, VG5000, letzter Zugriff am 26. Juli 2023, www.gdz.bkg.bund.de. Bundesinstitut für Bau-, Stadt und Raumforschung: „Bevölkerungs- und demographische Daten“, letzter Zugriff am 16. März 2023, www.inkar.de. Bundesministerium für Digitales und Verkehr: „Regionalstatistische Raumtypologie“, letzter Zugriff am 16. März 2023, www.bmdv.bund.de. Bundesverband Freie Darstellende Künste: „Neue Honoraruntergrenzen für freischaffende Akteur*innen in den darstellenden Künsten“, letzter Zugriff am 16. März 2023, https://www.darstellende-kuenste.de. Charta der Vielfalt e. V.: „Vielfaltsdimensionen“, letzter Zugriff am 07. Juni 2023, https://www.charta-der-vielfalt.de/fuerarbeitgebende/vielfaltsdimensionen/. Darian, Samo/Völker, Harriet/Diringer, Julia/Kirchhoff, Gudrun: Neue Ideen und Ansätze für die Regionale Kulturarbeit. Teil 1: Loslegen, hg. von TRAFO – Modelle für Kultur im Wandel. Eine Initiative der Kulturstiftung des Bundes, Berlin, 2022. darstellende künste & junges publikum: „Fördergrundsätze NEUSTART KULTUR – Junges Publikum 2021 und 2022“, letzter Zugriff am 23. Juli 2023, https://www.jungespublikum.de/wp-content/uploads/2022/ 10/Foerdergrundsaetze_ASSITEJ_nl_2022_10_13-1.pdf.

Deutscher Bühnenverein, Hg.: Theaterstatistik 2018/2019. Die wichtigsten Wirtschaftsdaten der Theater, Orchester und Festspiele. Bonn: Köllen Druck und Verlag GmbH, 2020. Deutscher Bühnenverein, Hg.: Theaterstatistik 2019/2020. Die wichtigsten Wirtschaftsdaten der Theater, Orchester und Festspiele. Bonn: Köllen Druck und Verlag GmbH, 2021. Deutscher Kulturrat: „Darstellende Künste für junges Publikum: Zugänge schaffen, Ensembles stärken und Strukturen implementieren. Stellungnahme des Deutschen Kulturrates“, 13. Februar 2019, https://www.kulturrat.de/ positionen/darstellende-kuenste-fuer-junges-publikumzugaenge-schaffen-ensembles-staerken-und-strukturenimplementieren/. Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung DeZIM e.V.: „Kopftuch und Arbeit? Erfahrungen von Musliminnen und Muslimen auf dem deutschen Arbeitsmarkt“, DeZIMinutes, Nr. 8 (Oktober 2022): letzter Zugriff am 07. Juni 2023, https://www.dezim-institut.de/fileadmin/user_ upload/Demo_FIS/publikation_pdf/FA-5433.pdf. Fonds Darstellende Künste, Hg.: Report Darstellende Künste. Wirtschaftliche, soziale und arbeitsrechtliche Lage der Theaterund Tanzschaffenden in Deutschland. Studien – Diskurse – Internationales Symposium. Dokumentation Bd. 68, Essen: Klartext Verlag, 2010. Gürtler, Klaus: „Zumutungen des Zuwendungsrechts. Erwartungen an eine kooperative Kulturförderung in Niedersachsen“, letzter Zugriff: 15. Juli 2023, https://www.kupoge.de/ kumi/pdf/kumi142/Guertler_Zuwendungsrecht.pdf. Hartmann, Dorothea: „Zukunftsmusik heute – Die junge Sparte des zeitgenössischen Musiktheaters für Kinder und Jugendliche.“ In Kinder- und Jugendtheater im Wandel, Ausschuss für künstlerische Fragen, Referate, Nr. 4, hg. von Deutscher Bühnenverein, S. 39-45, 2012. Hipp, Lena: „Ungleichheiten und Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt“. In: Politik und Zeitgeschichte, 2016, Nr. 66, S. 42–48. ixypsilonzett. Theater für junges Publikum 2022, Nr. 2. Kaden, Ulrike/Wellmer, Sabine/Puxi, Marco: „Qualitative Studie zur Lage von Theaterschaffenden in Freien Kinderund Jugendtheatern in Deutschland 2022. Im Auftrag der ASSITEJ e.V. Deutschland, Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik, Berlin.“ In: Im Fokus: Freies Kinder- und Jugendtheater. Studien zur Situation 2017–2022, hg. von ASSITEJ e.V., Frankfurt am Main, 2023. Kranixfeld, Micha: „Wege durch ländliche Räume". In: jungespublikum.blog, 20. Januar 2023: letzter Zugriff am 26. Juli 2023, https://jungespublikum.blog/2023/01/20/ wege-durch-landliche-raume/. Kulturstiftung des Bundes, Hg.: „Kultur als Impulsgeber für die Entwicklung ländlicher Räume. Empfehlungen aus dem TRAFO-Ideenkongress.“ (April 2019): letzter Zugriff am 23. Juli 2023, https://www.trafo-programm.de/ downloads/20200713_Kultur_in_laendlichen_Raeumen_ Empfehlungen.pdf. Ludwig, Volker: „Nashörner schiessen [sic!] nicht.“ GRIPS Theater, Berlin, 1974. Mandel, Birgit: Theater in der Legitimitätskrise? Interesse, Nutzung und Einstellungen zu den staatlich geförderten Theatern in Deutschland – eine repräsentative Bevölkerungsbefragung. Hildesheim: Universitätsverlag Hildesheim, https://doi.org/10.18442/077, 2020.


Literatur- und Quellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Eckdaten des Förderprogramms NEUSTART KULTUR – Junges Publikum Abb. 2: Verortung der Theater nach Sparten Abb. 3: Rechtsform der Theater je Bundesländer Abb. 4: Neuproduktionen und Aufführungen nach Rechtsformen Abb. 5: Neuproduktionen und Aufführungen nach Institutionellen Theatern & Personengesellschaften Abb. 6: Theater mit eigenen Spielstätten nach Bundesländern Abb. 7: Verteilung der Theater mit eigenen Spielstätten nach Rechtsform in verschiedenen Raumtypen (Stadt/Land) Abb. 8: Gründungsjahre der Theater Abb. 9: Entfernung und Regionen zu Gastspielen nach Be­triebs­ form Abb. 10: Entfernung und Regionen zu Gastspielen nach Bundesländern Abb. 11: Anteil der unter 18-jährigen Bevölkerung je Bundesland, Dichte der befragten Freien Kinder und Jugendtheater und Anzahl der Gastspiele in der Region (durch Theater in der Erhebung aus dem gesamten Bundesgebiet) Abb. 12: Anteil der Einwohner*innen unter 18 Jahre nach Landkreisen, Standorte der Theater und Gastspiele über den gesamten Erhebungszeitraum. (Quelle Basiskarte: Bundesamt für Kartografie und Geodäsie) Abb. 13: Zusammensetzung des Eigenfinanzierungsanteils am Etat nach Rechtsformen Abb. 14: Anteil der Theater, die in der Vergangenheit regelmäßig Zuwendungen empfangen haben Abb. 15: Durchschnittliche Aufführungs- und Neuproduktionszahl und Preisgestaltung der Theater Abb. 16: Einnahmen und Ausgaben, Ausgaben Personal gesamt und je Aufführung im rechnerischen Mittel Abb. 17: Personalkostenanteil an den Gesamtausgaben nach Rechtsformen Abb. 18: Bewilligte Mittel im Programm je Rechtsformen und Bundesländern Abb. 19: In eingereichten Verwendungsnachweisen genannte Kooperationspartner*innen der Theater bei der Umsetzung von Aufführungen Abb. 20: Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund in Kindertageseinrichtungen und Gastspielen 2017–22 Abb. 21: Anteil der Anträge mit theaterpädagogischen Inhalten in den Modulen zur Sicherung des Spielbetriebes (Modul A und B) an der Gesamtzahl der Anträge und Anteil der Theaterpädagogik am Personalplan (laut eingereichten Kostenund Finanzierungsplänen) Abb. 22: Anteil der Anträge und beantragter Personalpositionen mit theaterpädagogischem Bezug an allen Anträgen im gesamten Förderprogramm Abb. 23: Anteil der Anträge und beantragter Personalpositionen mit theaterpädagogischem Bezug (Module A, B und C) Abb. 24: Merkmale des Samplings in der qualitativen Untersuchung

Wie macht Ihr das?!

Mendrala, Annika Sophie/Usemann, Verena: „Belastungen, Bedürfnisse und Herausforderungen von Bühnenmüttern. Eine Pilotstudie zur Lebenssituation von Bühnenkünstlerinnen mit Kindern“, hg. von Bühnenmutter e.V. (2022): letzter Zugriff am 26. Juli 2023, https://www.buehnenmuetter.com/pilotstudie. Parlament Berlin: „Pressemitteilung des Arbeitskreises der Berliner Kinder- und Jugendtheater“, letzter Zugriff am 23. Juli 2023, https://www.parlament-berlin.de/ados/18/ Kult/vorgang/k18-0042-v_PM%20Arbeitskreis%20der%20 Berliner%20Kinder-%20und%20Jugendtheater.pdf. Renz, Thomas: jazzstudie 2016. Lebens- und Arbeitsbedingungen von Jazzmusiker/-innen in Deutschland. Berlin: Unionverlag, 2016. Renz, Thomas: Zur Lage des Kinder- und Jugendtheaters in Deutschland, hg. von ASSITEJ e.V., Frankfurt am Main, 2017. Schmidt, Thomas: Macht und Struktur im Theater. Asymmetrien der Macht. Wiesbaden: Springer Fachmedien, 2019. Statistisches Bundesamt: „Migrationshintergrund. Migration und Integration“, letzter Zugriff am 23. Juli 2023, https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/ Bevoelkerung/Migration-Integration/Glossar/ migrationshintergrund.html. Syspons: „Evaluation des Programms TRAFO – Modelle für Kultur im Wandel der Kulturstiftung des Bundes. Kurz­ bericht Mai 2021.“ Im Auftrag der Kulturstiftung des Bundes. (2021): letzter Zugriff am 26. Juli 2023, https://www.trafo-programm.de/downloads/Kulturstiftung_ des_Bundes_TRAFO_Evaluation_Kurzbericht_web.pdf. Taube, Gerd: „Kinder- und Jugendtheater heute – Eine Einführung.“ In Kinder- und Jugendtheater im Wandel, Ausschuss für künstlerische Fragen, Referate, Nr. 4, hg. von Deutscher Bühnenverein, S. 7-14, 2012. TRAFO – Modelle für Kultur im Wandel. Eine Initiative der Kulturstiftung des Bundes, Hg.: „Regionalmanager*in Kultur. Kulturarbeit in ländlichen Räumen. Handreichung zu einem neuen Aufgabenprofil.“ (2021): letzter Zugriff am 21. Juli 2023, https://www.trafo-programm.de/ downloads/210603_OAK_Handreichung_WEB_ Einzelseiten.pdf?77275c84bc84fdfe03fb846099782563= 139f2c004d3ecd872285ce44b878ba0e. UN-Kinderrechtskonvention. Übereinkommen über die Rechte des Kindes (1990): letzter Zugriff am 16. März 2023, https://www.bmfsfj.de/resource/blob/93140/ 78b9572c1bffdda3345d8d393acbbfe8/uebereinkommenueber-die-rechte-des-kindes-data.pdf. Weißmann, Sarah: Bildung und Kultur. Spartenbericht Darstellende Kunst 2021, hg. von Statistisches Bundesamt (November 2021): letzter Zugriff: am 20. Juli 2023, https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/ Bildung-Forschung-Kultur/Kultur/Publikationen/ Downloads-Kultur/spartenbericht-darstellendekunst-5216103219004.pdf?__blob=publicationFile. Witzel, Andreas: Verfahren der qualitativen Sozialforschung. Überblick und Alternativen, Frankfurt am Main: Campus Verlag, 1982. Witzel, Andreas: „Das problemzentrierte Interview.“ Forum Qualitative Sozialforschung (Januar 2000): https://doi. org/10.17169/fqs-1.1.1132.

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ixypsilonzett | Magazin 2023

Autor*innen und Beteiligte Konzept & Autor*innenschaft

Beiträge von weiteren Autor*innen

Geza Georg Adasz war nach dem Magister in Kunstpädagogik an der Frankfurter Goethe-Universität sowohl in kleinen Off-Ausstellungsräumen, als auch großen Museen und soziokulturellen Zentren tätig. 2012 wurde der RAW-tempel e.V. in Berlin während seiner Tätigkeit als geschäftsführender Vorstand durch den Rat für Nachhaltige Entwicklung ausgezeichnet. Er arbeitet für die ASSITEJ e.V. im Team von NEUSTART KULTUR – Junges Publikum und leitet dort seit 2022 das Teilprojekt „Evaluation und Datenanalyse“.

Skadi Konietzka | Hochschule Merseburg Kai Liczewski | Salzburger Festspiele Prof. Dr. Wolfgang Schneider | Ehrenpräsident ASSITEJ International und Vorstandsvorsitzender Fonds Darstellende Künste e.V.

Valerie Eichmann ist Kulturmanagerin und Kulturpädagogin. Sie arbeitet als Referentin für Vernetzung und Fortbildung im Förderprogramm NEUSTART KULTUR – Junges Publikum sowie für den Arbeitsbereich Kinder- und Jugendbeteiligung im Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland. Bevor sie den Masterstudiengang Kulturpädagogik und Kulturwissenschaft an der Hochschule Niederrhein abgeschlossen hat, arbeitete sie in der Theatervermittlung des Staatstheater Mainz. Stefanie Fischer ist Kulturproduzentin und Dramaturgin. Seit 2021 ist sie für die ASSITEJ e.V. als Projektleitung des Förderprogramms NEUSTART KULTUR – Junges Publikum tätig. Nach einem Engagement am Staatstheater Braunschweig als Dramaturgin für Kinder- und Jugendtheater betreute sie die Kinder- und Jugendtheaterfestivals Hart am Wind 2020 und AUGENBLICK MAL! 2021 als Produktionsleitung. Sie ist außerdem als Projektleiterin für Freie Tanz- und Theaterproduktionen tätig.

Impressum

ixypsilonzett Theater für junges Publikum Wie macht Ihr das?! Magazin 2023

ASSITEJ e.V. Bundesrepublik Deutschland Schützenstraße 12 60311 Frankfurt am Main

16. Jahrgang

Tel. 069 291538 assitej@jungespublikum.de www.jungespublikum.de

Eine Veröffentlichung der ASSITEJ e.V. Bundesrepublik Deutschland (Internationale Vereinigung des Theaters für Kinder und Jugendliche) Redaktion: Geza Adasz Valerie Eichmann Stefanie Fischer

Verlag: Theater der Zeit, Berlin Gestaltung und Informationsgrafiken: Kerstin Bigalke

Lektorat & Korrektorat Nathalie Eckstein | Theater der Zeit Anna Eitzeroth | ASSITEJ e.V. Gabriela Mayungu | Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland Thomas Renz | Institut für Kulturelle Teilhabeforschung Nikola Schellmann | Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland Jutta M. Staerk | Vorstandsmitglied ASSITEJ e.V. und COMEDIA Theater Köln Beirat zum Sammelband Skadi Konietzka | Hochschule Merseburg Mirrianne Mahn, Gabriela Mayungu | Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland Helge-Björn Meyer | Bundesverband Freie Darstellende Künste e.V. Dr. Thomas Renz | Institut für Kulturelle Teilhabeforschung Prof. Dr. Wolfgang Schneider | Ehrenpräsident ASSITEJ International und Vorstandsvorsitzender Fonds Darstellende Künste e.V. Dr. Aron Weigl | EDUCULT

ixypsilonzett ist Bestandteil der Abonnementauflage von Theater der Zeit sowie für die Mitglieder der ASSITEJ Deutschland.

Redaktionsschluss für dieses Heft: 1. August 2023 ISBN (Paperback) 978-3-95749-483-2 ISBN (ePDF) 978-3-95749-495-5

Einzelheft Magazin: 6 Euro (print) 6 Euro (digital)

Gefördert durch das

Abonnementpreis: jährlich je 1 Ausgabe ixypsilonzett. Theater für junges Publikum | Jahrbuch und ixypsilonzett. Theater für junges Publikum | Magazin in Deutschland: 22 Euro, außerhalb Deutschlands: 40 Euro Abo- und Einzelheftbestellung: Theater der Zeit Winsstraße 72 10405 Berlin Tel. +49 30 4435285 -12 abo-vertrieb@tdz.de www.tdz.de Anna Eitzeroth a.eitzeroth@kjtz.de (ASSITEJ)

Zeichnungen: Johanna Benz graphicrecording.cool

Jahrbuchbestellung auch über: assitej@jungespublikum.de www.jungespublikum.de

Druck: Druckhaus Sportflieger, Berlin

Alle Rechte bei den Autor*innen und der Redaktion. Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung von Verlag und Herausgeber*innen.

Printed in Germany

Förderung des Studiensammelbandes Im Fokus. Freies Kinder- und Jugendtheater. Studien zur Situation 2017–2022 durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (im Programm NEUSTART KULTUR).


STREITEN?

So ein Theater

Saison 2023/2024

Teens

(ab 12 Jahren)

Kids

(ab 4 Jahren) Ich heisse NAME Theater Jungfrau & Co. Bern & Theater Blau Zürich | 5+ SO 19.11. | 15 : 00 Uhr Schulvorstellungen: MO 20.11. | 09 : 30 & 14 : 00 Uhr KOPRODUKTION S’ letschte Märlibuech Ein Familienstück mit Live-Musik von Notenkopf und Wortgold | 6+ Im Rahmen des Zuger Märlisunntig: SO 10.12. | 13 : 30 & 16 : 00 Uhr Schulvorstellungen: DI 12.12. | 09 : 30 Uhr MI 13.12. | 09 : 30 Uhr Famillienvorstellung: MI 13.12. | 18 : 00 Uhr

SCHAUBURG – THEATER FÜR JUNGES PUBLIKUM SPIELZEIT 2023/2024

Jupiter Zuger Sinfonietta, Wüstendörfer & Huangci | 6+ Schulkonzert: DI 19.12. | 09 : 30 Uhr

Heidi feiert Weihnachten Singspiel für die ganze Familie in einem Akt | TOBS Theater Orchester Biel Solothurn | 6+ SO 24.12. | 14 : 00 Uhr Stereo – Typen Kolypan & Teatro Lata | 8+ SO 21.01. | 15 : 00 Uhr Oh Brüder, oh Schwestern Vorstadttheater Basel | 10+ SO 03.03. | 15 : 00 Uhr Schulvorstellungen: MO 04.03. | 09 : 30 & 14 : 00 Uhr Was macht ds Wätter? Ein Objekttheater für alle von Engel & Magorrian | 4+ SO 17.03. | 15 : 00 Uhr Emma und der Rehwolf Ein Stück von Familie Schrammel mit Musik für die ganze Familie | 5+ SO 28.04. | 15 : 00 Uhr Das Haus meines Geistes Ein Stück für junges Publikum von Old Masters | 5+ MI 05.06. | 15 : 00 Uhr Schulvorstellung: MI 05.06. | 09 : 30 Uhr

Hamlet von William Shakespeare – Deutsch von Helmut Krausser | TAK Theater Liechtenstein | 15+ DI 28.11. | 20 : 00 Uhr Der Barbier von Sevilla Rossinis Oper als grosses Figurentheater in der Regie von Nikolaus Habjan | Theater Basel | 12+ SA 13.01. | 19 : 00 Uhr B Eine installative Reise durch Schneewittchens 11 Räume mit trickster-p | 12+ DO 18.01. | ab 19 : 00 Uhr FR 19.01. | ab 19 : 00 Uhr SA 20.01. | ab 16 : 00 Uhr Ein Sommernachtstraum von William Shakespeare in der Regie von Antú Romero Nunez | Theater Basel | 14+ DO 21.03. | 19 : 00 Uhr Romeo und Julia auf dem Dorfe nach der Novelle von Gottfried Keller | Theater Kanton Zürich | 14+ MI 03.04. | 20 : 00 Uhr Sei kein Mann Tanztheater für Jugendliche und Erwachsene von Kollektiv F | 12+ DI 28.05. | 20 : 00 Uhr Schulvorstellung: DI 28.05. | 09 : 30 Uhr

MI 27.09. — SA 30.09.

YOUNG DANCE

Internationales Tanzfestival Zug | 5+

Bei Schulvorstellungen sind alle Besucher:innen herzlich willkommen. Tickets sind zu den normalen Ticketpreisen am Kartenverkauf erhältlich. Kartenverkauf + 41 41 729 05 05 karten@theatercasino.ch Theatervermittlung +41 41 729 10 50 vermittlung@tmgz.ch

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