The Gap 138

Page 31

otelo — Offenes Technologielabor

Ein Modell für Neue Arbeit

3D-Drucker sind zum Symbol für die Möglichkeiten dezentraler Produktion und der Unabhängigkeit von großen Industriebetrieben geworden. Diese Wunderdinger fehlen natürlich auch in keinem Otelo – so das Kürzel für die offenen Technologielabore –, von denen es mittlerweile vier in Oberösterreich und eines in Deutschland gibt. Doch 3D-Drucker und selbst das breitest gefaßte Verständnis von Technologie reichen nicht aus, um die OteloPhilosophie vollständig zu beschreiben. In Otelos wird nicht nur gebastelt, geschraubt, gelötet und mit Technologie experimentiert, hier wird auch über die Zukunft der Arbeit und der Wirtschaft nachgedacht und hier werden neue Modelle auch gleich erprobt. Erst kürzlich wurde eine Genossenschaft gegründet, die Entrepreneurship auf vollkommen neue Beine stellt. Als »unselbstständig Selbstständige« haben angestellte Mitglieder alle Sicherheiten, die ein Angestelltenverhältnis mit sich bringt, und sie können dennoch wie eigenständige Unternehmer agieren.

Für Otelo-Mitbegründer Martin Hollinetz waren zwei Überlegungen ausschlaggebend für die Entwicklung des neuen Konzepts. Die erste war recht pragmatisch: In den Otelos sollen immer wieder Ideen entwickelt werden, die in Projekten und wirtschaftlicher Tätigkeit münden. Für deren Abwicklung braucht es eine professionelle Struktur, die die regionalen Trägervereine nicht bieten können. Die zweite ist viel tiefgreifender: »Viele, die in Otelos aktiv sind, setzen sich mit dem Verhältnis von Arbeit und Zeit auseinander und damit, wie eine Balance zwischen beiden hergestellt werden kann. Wir wollten uns mit der Genossenschaft ein eigenes Modell schaffen, wie wir Arbeit organisieren können«, so Hollinetz. Die herkömmlichen Modelle folgen alle einer simplen Logik: Wer heutzutage unternehmerisch tätig wird, ist Diener des Wachstumsparadigmas. »Wenn du ein Unternehmen gründest, musst du gewinnorientiert wirtschaften. Wenn du sinnvoll unternehmerisch tätig sein willst, muss dein Unternehmen wachsen.« Diese Diagnose trifft auf einzelne Unternehmen ebenso zu wie auf die Gesamtwirtschaft. Die Otelo-Genossenschaft bietet einen konkreten Ansatz für einen Paradigmenwechsel in Richtung einer nachhaltigeren Entwicklung. Die Angestellten der Genossenschaft bekommen ein vorab festgelegtes Fixgehalt, das alles abdecken soll, was sie zum Leben brauchen. Wer besser wirtschaftet – also hochgerechnet auf ein Jahr mehr verdient als erwartet – bekommt die Gewinne in Form von mehr Freizeit zurück. Um das Risiko für die einzelnen Mitglieder und die Genossenschaft selbst überschaubar zu halten, hinterlegen die Mitglieder eine Kaution. Wenn ihr Plan nicht aufgeht, beginnt ein Kündigungsprozess mit entsprechenden Fristen zu laufen.

Text und bild Werner Reiter

In Oberösterreich wird derzeit Arbeiten in der Community neu erfunden. Unternehmer organisieren sich in einer Genossenschaft, die erwirtschaftete Gewinne in Form von Freizeit ausbezahlt. Dies ist nur eine von vielen Ideen, die in Otelos, den offenen Technologielaboren entwickelt werden. Balance zwischen Arbeit und Zeit

031

018-035_Story.indd 31

06.09.13 10:39


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.