Teddyaward 2014 Programme Magazine

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Mit Offenheit und Toleranz sollten wir Menschen in Deutschland begrüßen und sie willkommen heißen. Eine „Willkommens-Kultur“ ist meines Erachtens eine wesentliche Grundlage für eine erfolgreiche Zuwanderungspolitik und für eine multikulturelle Weltgesellschaft. Wir benötigen diese für eine nachhaltige dynamische Entwicklung unseres Wohlstandes.

Harald Christ im Gespräch mit Moritz Wulf

Wenn es um Missstände in Deutschland geht, sprechen wir u.a. über Gleichberechtigung am Arbeitsplatz und die Frage, ob sich jemand nicht traut, sich zu outen, weil er Angst hat, die Karriere nicht fortsetzen zu können? Da können Sie auch aus eigener Erfahrung sprechen: Haben Sie sich gleich sehr früh geoutet, oder wie war das bei ihnen? In Deutschland ist es regional durchaus unterschiedlich. Reden wir über Metropolregionen wie Berlin oder Köln, in denen das Thema Homosexualität, Bisexualität oder sexuelle Orientierung eigentlich nicht mehr die hervorgehobene Rolle spielt, oder reden wir über andere Regionen? Ich war z.B. Schirmherr beim CSD 2012 in Stuttgart. Dort ging es genau um dieses Thema: Gleichberechtigung am Arbeitsplatz. Wir haben dabei festgestellt – auch in Verbindung mit verschiedenen öffentlichen Kommentaren – dass Gleichberechtigung nach wie vor noch nicht in allen Köpfen verbreitet ist. Es ist noch keine Selbstverständlichkeit, dass sexuelle Orientierung, Religion und/oder Hautfarbe keine Rolle spielt und dass das Talent und der Charakter eines Menschen im Vordergrund stehen. Um auf Ihre eigentliche Frage zu kommen: auch ich habe erlebt, dass Gleichberechtigung nicht immer möglich war. Ich bin erst dann zum Outing gekommen, als ich mit meiner beruflichen Entwicklung schon relativ weit war. Das hatte auch den Grund, dass ich unter anderem Angst vor Ressentiments hatte, die es mit Sicherheit gegeben hätte. Heute ist das deutlich besser geworden. Aber das soll uns nicht davon abhalten, immer wieder darauf hinzuweisen, dass noch ein weiter Weg, bis auch in Deutschland völlige Normalität eingekehrt ist, zu gehen ist. Wir wollen in einer weltoffenen, globalen Welt leben. Es gibt noch immer Regionen in der Welt, in denen Homosexualität, Bisexualität verfolgt und teilweise mit dem Tod bestraft wird. Es gehört selbstverständlich dazu, dass sowohl die individuelle sexuelle Orientierung als auch verschiedenste Religionen, Hautfarben und Kulturen keine Rolle mehr spielen dürfen.

Herr Christ, Sie unterstützen den TEDDY AWARD seit mehreren Jahren. Ohne Ihre Unterstützung wäre die Umsetzung in der jetzigen Form nicht möglich. Warum ist Ihnen dieses Engagement beim TEDDY AWARD so wichtig? Der TEDDY AWARD hat eine lange Tradition als Teil der Berlinale. Gerade das Prämieren eines queeren Filmpreises beim TEDDY, zieht weltweite Aufmerksamkeit auf sich. So ein Projekt zu unterstützen ist unglaublich wichtig. Der TEDDY ist natürlich nur möglich durch den intensiven persönlichen Einsatz vieler ehrenamtlicher Helfer und durch Sponsoring. Für mich ist es selbstverständlich, mich bei diesem wichtigen Thema für unsere Gesellschaft, unser Land und unsere Stadt Berlin zu engagieren.

Nun sind Sie wie jeder andere auch ein Multiplikator in den wirtschaftlichen, politischen und privaten Netzwerken, in denen Sie sich bewegen. Wie wichtig ist es Ihnen, dass durch Ihr Beispiel in diesem Umfeld eine andere, größere Aufmerksamkeit für gesellschaftlichen Einsatz entsteht? Es gibt zwei unterschiedliche Beweggründe für Engagement. Der eine Grund ist das Engagement, weil einem das Anliegen wichtig ist, und der andere ist das Engagement, um sich selbst in die Öffentlichkeit zu rücken. Das zweite ist bei mir wenig ausgeprägt. Mir geht es in erster Linie darum, als Mensch für Themen einzutreten. Dabei ist es unwichtig, in welchem persönlichen Umfeld man sich befindet. Sondern es ist wichtig, es einfach zu tun. Eine gewisse Bekanntheit und ein gewisses Umfeld können genauso helfen, wie durch positives Vorleben, andere Menschen zu begeistern, und einfach mitzumachen. Wenn ich dabei einen kleinen Beitrag leisten kann, dass viele Menschen selbstverständlich mit dem Thema Gleichberechtigung und Toleranz umgehen, dann leiste ich diesen gerne. Das ist auch der Grund, warum ich gerne zur Verfügung stehe, solche Projekte und kulturellen Ereignisse wie den TEDDY zu unterstützen. Seit vielen Jahren stehe ich gerne persönlich bei vielen kleinen Einzelthemen zur Verfügung, die nicht so sehr im Fokus der Öffentlichkeit liegen, und versuche einfach tagtäglich, einen Beitrag für eine tolerantere Welt zu leisten. Das ist mir ein persönliches Anliegen.

Welche Vision einer Gesellschaft haben Sie, wo Sie sagen würden, das wäre ein wirklicher, glücklicher Zustand für alle? Ich habe eine Vision von einer Gesellschaft, in der die Leistung und der Charakter zählen und in der die Persönlichkeit des Einzelnen im Vordergrund steht. Unabhängig von der sozialen Herkunft, der nationalen Herkunft, der religiösen Zugehörigkeit und der sexuellen Orientierung. Man würde sich eine solche Gesellschaft ja weltweit wünschen – aber wie weit sind wir denn da Ihrer Meinung nach überhaupt in Deutschland? Und wie wichtig finden Sie es, ein Beispiel dafür zu geben, dass Engagement in der Gesellschaft, für die Gesellschaft, für Minoritäten und letztendlich für das gesamte Zusammenleben belangreich ist? Zunächst sind wir in Deutschland schon weit gekommen. Ich bin nun 41 Jahre alt. 20 Jahre zuvor war das Thema Toleranz bei weitem nicht so ausgeprägt wie heute. Wir sind schon deutlich weiter. Ich bin zuversichtlich, dass diese Entwicklung weitergeht. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass wir nicht in allen Bereichen dort sind, wo wir heute schon sein müssten. Nehmen wir z.B. das Thema Spitzensport: Profifußball. Wir haben nach wie vor viele Bereiche des beruflichen Alltages, in denen der offene Umgang mit einer anderen geschlechtlichen Orientierung ein großes Problem für die Betroffenen darstellt. Je mehr Menschen dafür werben, dass sie und wir alle in einer Gesellschaft leben wollen, die tolerant ist und in der Gleichberechtigung eine große Rolle spielt, desto weiter entwickelt sich unsere Gesellschaft unabhängig von der Religion, der Hautfarbe und der Herkunft des Einzelnen. Zugleich hoffe ich, dass dadurch auch rassistische und rechte Gewalt, die es noch immer in Deutschland und auch in Berlin gibt, verringert wird. Wir leben in einem Land, das von der Vielfalt der kulturellen Unterschiede geprägt ist. Die Zukunft unseres Landes wird die nächsten Jahrzehnte, Jahrhunderte darauf ausgelegt sein, dass wir mit diesen Kulturen, also miteinander, offen umgehen. Ich denke, dass wir gute Voraussetzungen dazu haben, in dieser Hinsicht als Land ein Vorbild zu sein. Gleichzeitig lebt Deutschland von den Menschen, die in diesem Land leben. Es ist wichtig, dass wir Vorbilder sind. Dafür ist eigenes Engagement gefragt. Ich versuche es selbst vorzuleben und hoffe, dass viele Menschen es nachahmen und wir somit gemeinsam zu einem besseren Zusammenleben beitragen.

Es heißt, dass man sich in Krisenzeiten staatlicherseits eine bestimmte Form von Solidargemeinschaft nicht mehr leisten kann. Wie viel eigenes Engagement braucht es als Vorbild, damit die Gesellschaft versteht, dass jeder Einzelne einen Beitrag zu einer Sozialgemeinschaft beisteuern kann? Ohne das millionenfache Engagement vieler Menschen wäre dieses Zusammenleben in Deutschland unmöglich. Deswegen ist es immer wichtig, (ehrenamtliches) Engagement, das meist nicht sichtbar wird, entsprechend zu würdigen. Ein Staat könnte das überhaupt nicht alles finanzieren. Es ist umso bedeutender, dass wir Impulse und Anregungen setzen und wertschätzen, wenn sich Menschen einbringen. Dies hat nichts mit Geld zu tun. Es beginnt damit, einfach Ideen zu haben und Zeit zu investieren, sich zu engagieren und sich einzubringen. Das fängt im Kleinen an, in der Kinder- und Seniorenbetreuung, und setzt sich über verschiedene soziale und kulturelle Projekte fort. Unsere Demokratie und damit unsere Gesellschaft leben davon, dass sich Menschen jeden Tag neu einbringen. Es gibt viele positive Beispiele, die nie genannt werden. Aber die mal in den besonderen Blickpunkt der Würdigung zu rücken, das ist mir ein besonderes Anliegen.

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28. TEDDY AWARD / www.teddyaward.tv


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