Sommer 2016 // Gratis

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SWISSLIFE 7. Jahrgang // Ausgabe 2 // Fr. 0.00

Sommer 2016 // Gratis


«Wetsch no es Wurstredli?» Es gibt wohl kaum jemanden, dem diese Frage beim Einkaufen mit Mamma in der Metzg nicht gestellt wurde. Gratis war das «Redli» allerdings nicht – es wurde beim Kauf von Fleisch überreicht. Und die Salamitaktik des Metzgers ging oft auf: Manch einer ist so auf die Wurst gekommen.


Editorial // 3

Grüezi

Was nichts kostet, heisst es gemeinhin, ist nichts wert. Wirklich? Abgesehen davon, dass letztlich immer jemand irgendwie bezahlt, egal, ob umsonst, ob kostenlos, ob unentgeltlich, als Zugabe, kostenfrei oder geschenkt: Was gratis daherkommt, ist oft mehr wert als teuer eingekaufte Leistung.

Ivo Furrer CEO Swiss Life Schweiz

Wenn ich nur schon an die unzähligen Familienangehörigen denke, die ohne Aufheben und Klage ihre älteren Angehörigen pflegen – glücklich ein Land, das sich dies noch leisten will und kann. Ganz zu schweigen von all den Freiwilligen, die sich in unserem Land um alles Erdenkliche kümmern: die Instandhaltung von Wanderwegen, die Organisation von grossen und kleinen Festen, die Putztage im Dorfbach, die Fronarbeit im Tixi-Taxi oder im lokalen Sportverein. Was sich hier an Energie, an Initiative und an Engagement sammelt, ist gleichsam bewunderns- wie verdankenswert. Alle, die in der Freiwilligenarbeit engagiert sind, leisten einen Beitrag für das Gemeinwohl und unser friedfertiges Zusammenleben, der nicht hoch genug geschätzt werden kann. Diese Gratisarbeit leistet auch einen grossen Beitrag dazu, dass wir uns immer wieder in Gemeinschaften finden, die ein gemeinsames Ziel haben – und dieses liegt weit weg von Profitdenken und Gewinnmaximierung. Ich freue mich mit Ihnen an dieser Art von Gratis, diesem Dienst an der Allgemeinheit – und wünsche Ihnen geruhsame Entspannung bei der Lektüre unserer Sommerausgabe.

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Photo Selection:

Häuschen, umsonst

Aus rein zufälligen Entdeckungen, oft an den unwahrscheinlichsten Orten, und ersten Aufnahmen entstand mit der Zeit Marco Volkens Sammlung helvetischer WC-Häuschen.

Warum arbeiten Sie gratis mit, Hansueli Weibel?

Fragebogen:

Titelgeschichte:

Tage ohne Geld in Basel

Stille Örtchen, stille Orte. Seit Jahren widmet sich der Fotograf Marco Volken den ebenso skurrilen wie unscheinbaren Bauten im Schweizer Nirgendwo, die er «Stille Orte» nennt. Sein gleichnamiger Bildband zeigt Aufnahmen von atemberaubender Schönheit – ab Seite 6.

Michael Hugentobler macht den Versuch, sich ohne Geld und ohne Arbeit durchs Leben zu schlagen. Auf der Suche nach etwas Essbarem kommt ihm auch sein Stolz in die Quere.

Zahlensalat:

Unbezahlt schlägt bezahlt

Für nichts gibts nichts. Wer ohne Geld durchkommen muss, steht vor zwei Fragen. Erstens: Wo kriege ich was zu essen? Und zweitens: Wo übernachte ich? Allein diese Grundbedürfnisse zu stillen, ist mit viel Aufwand verbunden und vor allem auch erniedrigend und frustrierend, wie Sie ab Seite 16 erfahren.

Gesamtverantwortung: Swiss Life, Kommunikation Schweiz, Martin Läderach Redaktionskommission: Ivo Furrer, René Aebischer, Thomas Bahc, Monika Behr, Elke Guhl, Christian Pfister, Hans-Jakob Stahel, Paul Weibel Redaktionsleiter UPDATE: Dajan Roman Redaktionsadresse: Magazin SWISSLIFE, Public Relations, General-Guisan-Quai 40, 8022 Zürich, magazin@swisslife.ch Projektleitung: Mediaform|Christoph Grenacher, Ittenthal/Zürich Konzept und Gestaltung: Festland Werbeagentur, St. Gallen/Zürich Übersetzung: Swiss Life Language Services Druck und Versand: medienwerkstatt ag, Sulgen; gedruckt auf FSC-Papier Adressänderungen/Bestellungen: Magazin SWISSLIFE, General-Guisan-Quai 40, 8022 Zürich, magazin@swisslife.ch Auflage: 115 000 Erscheinungsweise: 3 × jährlich; Frühling, Sommer, Herbst. Rechtlicher Hinweis: In dieser Publikation vermittelte Informationen über Dienstleistungen und Produkte stellen kein Angebot im rechtlichen Sinne dar. Über Wettbewerbe wird keine Korrespondenz geführt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. ISSN 2235-7645 Das Magazin SWISSLIFE ist eine spannende, aber keine Pflichtlektüre. Falls Sie in Zukunft darauf verzichten wollen, können Sie uns das mit der portofreien Antwortkarte am Schluss des Magazins mitteilen.


Inhalt // 5

27 «Proberentnern» bedeutet, dass man für eine gewisse Zeit mit Pensionären zusammenlebt, um den dritten Lebensabschnitt möglichst real zu spüren, oder an einem der «Proberentner»Events teilnimmt, wie etwa an jenem der 81-jährigen Lotti Luraschi (Bild). Was das bringt, lesen Sie ab Seite 30.

Lust auf eine Umarmung? Der gross gewachsene Wolfgang Weber bietet mit anderen Free Huggern Umarmungen auf der Strasse an. Ob die Passanten das wollen, ist ihnen überlassen. Um niemanden zu bedrängen, steht Wolfgang Weber nicht mit ausgebreiteten Armen da, wie man ab Seite 42 erfährt.

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Sorg für dich.

Die Lebenserwartung steigt, die Lebensqualität ebenso. Doch wie fühlt es sich eigentlich an, ein junger Alter zu sein. Wer es erfahren möchte, liest das «Sorg für dich» oder geht «proberentnern».

Tour de Suisse:

A Swiss Life:

Im Reich des Unsichtbaren

Wolfgang Weber

In seiner Freizeit kennt Wolfgang Weber keine Berührungsängste. Der Gründer des «Free Hugs Network Schweiz» bietet auf belebten Strassen wildfremden Leuten eine Umarmung an. Gratis.

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Alpenbitter:

Sauerampfer

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Prototypen:

Gut und gratis

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Wettbewerb:

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2066:

Sind Sie scharf auf diesen Gewinn?

Ende der Knappheit

SWISSLIFE Digital: www.swisslife.ch/magazin oder als App für Tablets und Smartphones bei Google Play und im App Store

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6 // Photo Selection

Umsonst aufs

Häuschen Hinter dieser Bildserie des Fotografen Marco Volken standen nicht Absicht, sondern zufällige Entdeckungen in der freien Natur. Die Erkenntnis: Die Architektur der kleinen Dinge geniesst viel Freiheit. Jedes «stille Örtchen» balanciert individuell zwischen Zweckmässigkeit, Witz, Würde, Intimität und Gebastel.



Vordere Seite: Chorntal | 431 m ü. M. | Gipf-Oberfrick AG Oben: Wildstrubelhütte | 2783 m ü. M. | Lenk BE Unten: Bivouac du Dolent/La Maye | 2665 m ü. M. | Orsières VS


Photo Selection // 9

Roslenalp/Oberalp | 1762 m ü. M. | Sennwald SG

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Voralphütte | 2124 m ü. M. | Göschenen UR


Photo Selection // 11

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Chamanna Georgy | 3175 m Ăź. M. | Pontresina GR


Photo Selection // 13

Oben: Streccia | 637 m ü. M. | Terre di Pedemonte TI Unten: Refuge du Bois des Brigands | 849 m ü. M. | Montanaire VD

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Fragebogen // 15

Wie wichtig ist der Verein Mammern Classics im Dorf?

Der Verein gibt unserem kleinen Dorf mit seinen nur 650 Einwohnern einen wunderbaren Zusammenhalt. Fast das ganze Dorf macht bei unserem Musical mit, das vom 26. August bis 10. September in einem Zirkuszelt direkt am Untersee gespielt wird. Welchen Stellenwert haben im Verein die Helfer, die ehrenamtlich arbeiten?

Ohne all die vielen helfenden Hände könnten wir diesen Riesenanlass nicht stemmen. Ohne all diese Idealisten, die uns unterstützen, wären wir verloren. Wenn Sie all die Gratis-Arbeit im Verein bezahlen müssten: Was würde das kosten?

Ohhh, da käme sicher ein hübscher Betrag zu unserem aktuellen Budget von rund 400 000 Franken. Ich denke mal, das wären locker um die 30 000 Franken. Sie führen das Musical «Seegfrörni» im Spätsommer auf. Ist das nicht ein bisschen früh für einen gefrorenen See?

Überhaupt nicht. Wir spielen ja in diesem tollen Viermasterzelt – und den See können wir dank dem Segen der Technik zufrieren lassen: Sie werden staunen! SWISSLIFE Sommer 2016

Was gibt es gratis in Ihrem Musical?

Eine traumhafte Ambiance, die man sich für kein Geld kaufen kann. Was würden Sie mit der Zeit machen, die Sie hätten, wenn Sie nicht im Verein Mammern Classics engagiert wären?

Ich habe zeitlebens als Bauunternehmer gearbeitet; wir konnten selten weg. Jetzt werde ich bald 70 Jahre alt und geniesse es zu reisen, zu wandern, in die Berge zu gehen. Und der grosse Garten braucht mich auch. Wo arbeiten Sie sonst noch gratis?

Ich singe und spiele im Männerchor Mammern Theater. Was bringt Ihnen Gratis-Arbeit?

Das gute Gefühl, etwas für die Gemeinschaft zu tun und dafür zu sorgen, dass auch in einem kleinen Dorf der Zusammenhalt nicht verloren geht. Wie viele Stunden pro Woche arbeiten Sie gratis?

Jetzt noch nicht so viel, vielleicht so einen guten halben Tag, mit zunehmendem Pensum. Im August und September bin ich dann praktisch voll engagiert – ich baue ja zusammen mit meinen Kollegen auch noch eigenhändig die Bühne! www.mammernclassics.ch



Titelgeschichte // 17

Tage ohne Text und Bild: Michael Hugentobler

Geld

in Basel Kann man sich heute gratis durchs Leben schlagen? Und, wenn ja, wie lange? Unser Autor hat den Selbstversuch in der Stadt am Rheinknie gewagt. Seine Erfahrung zeigt: Nichts ist umsonst. Und geldlos Ăźberleben ist auch eine Frage der Selbstachtung.

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A

n einem der ersten Frühlingstage fuhr ich nach Basel mit der Absicht, eine Woche lang kein Geld auszugeben. Am Bahnhof stand ein Mann mit aufgedunsenen Wangen und bat um Münzen. Ich sagte ihm, ich hätte nichts, und er nahm die Absage mit der Routine des Bettlers zur Kenntnis, der sich gewöhnt ist, von Passanten angelogen zu werden. In seinem Gesicht waren weder Scham noch Empörung zu erkennen. Er drehte sich um, bucklig und krumm, und dann stellte er die Frage einem anderen, mit der monoto-

geben brauche. Chris Anderson, der ehemalige Chefredaktor des US-Magazins «Wired», hat ein Buch darüber geschrieben und kam zum Schluss, dass dieses Geschäftsmodell seit über hundert Jahren funktioniert und weiter funktionieren wird. Denn gratis ist nicht gratis. An jedes Angebot ist eine Bedingung geknüpft. Den Gratisbrezel von Brezelkönig bekommt nur, wer eine Tasse Tee kauft. Als ich in Basel ankam, nahm ich mir vor, während dieser Woche nicht für Gegenleistungen zu arbeiten und auch keine Mülltonnen zu durchwühlen. Und somit wusste ich nicht, ob ich

«Vor der Fahrt nach Basel hatte ich die Hoffnung gehabt, mit Rabattmarken und Gutscheinen überleben zu können.» nen Stimme einer Durchsageaufnahme. Auch diesmal war die Antwort: «Ich habe kein Geld.» Wochen vor der Fahrt nach Basel hatte ich die Hoffnung gehabt, mit Rabattmarken und Gutscheinen überleben zu können. Jeden Tag stapeln sich im Briefkasten farbige Broschüren, von Digitec, Microspot oder Kiosk. Hotels bieten sagenhafte Rabatte an, Kurbäder locken mit Spezialdeals und fast jede Tasse Kaffee scheint gratis zu sein. Man könnte meinen, alles im Leben sei so billig, dass man gar kein Geld auszu-

während der ersten vierundzwanzig Stunden überhaupt etwas zu essen finden konnte. Auf dem Marktplatz flöteten die Amseln von roten Dächern herab, und neben einer marmornen Säule stand ein Mann mit einem schwarzen Schnauzbart und einem goldenen Saxophon und spielte Nino Rotas «Speak Softly, Love». Er beendete das Stück mit einem lauten «Hey!» und verneigte sich vor niemandem. In seinem Koffer lagen drei einsame kleine Münzen, sie mochten von ihm selbst stammen. Ich ging zu Coop nebenan, in der Hoff-

nung auf gratis Käsemuster, von denen es allerdings an diesem Tag keine gab. Bei Migros war keine Salami zum Probieren aufgeschnitten und auch Globus bot keine Häppchen an. Ich hatte mit vielem gerechnet, was mir während dieser Reportage in die Quere kommen könnte, aber nicht mit meinem Stolz. Ich ging den Marktplatz auf und ab, näherte mich Passanten, verzweifelte, drehte mich ab, versuchte es nochmals, versagte wieder. Ich hätte gerne dem Saxophonspieler zugehört und das alles vergessen. Stattdessen ging ich quer durch die Stadt, über Kopfsteinpflaster, in dessen Fugen ein Brei aus Konfetti und Zigarettenstummeln moderte, unter gläsernen Schluchten durch, bis zur Kunstschule, wo ein Verein namens Foodsharing eine Verteilstation unterhält. Foodsharing will die Verschwendung von Lebensmitteln stoppen und ermuntert die Leute dazu, ihr überschüssiges Essen bei der Station abzugeben, wo sich dann jeder bedienen kann. Der Verein hat innerhalb von drei Jahren zehntausend Menschen mobilisiert, die gratis diese Stationen füttern, in Deutschland, Holland, Österreich und der Schweiz. Der Gründer ist ein Deutscher namens Raphael Fellmer. Er lebte fünf Jahre ohne Geld und baute sich während dieser Zeit ein Netzwerk von Bioläden auf, die ihm schenkten, was sie nicht mehr verkaufen konnten. Seine Partnerin brachte während dieser Zeit ein Kind zur Welt, ohne dass die beiden je etwas für Spitalaufenthalt, Hebamme oder Frauenärztin bezahlt hätten. Leider war die Verteilstation leer. Ich ging zu Fuss zum Marktplatz zurück. Basel, diese Stadt, in der ich nieman-


Titelgeschichte // 19

den kenne, kam mir fremd und unwirtlich vor, die Leute verschwanden in den Läden, Boutiquen und Cafés mit einer Ernsthaftigkeit im Gesicht, die an Spitzensport erinnerte. Bis Ladenschluss stand ich vor einem Antiquariat und betrachtete den SchwarzWeiss-Stich zweier Menschen, die nackt auf Steinen sassen, die Frau hielt einen Apfel in der Hand, hinter ihr bäumte sich eine Schlange auf, ein Hund bellte, ein Hirsch hob warnend den Kopf, und ein Nashorn drehte sich weg, in einer kaum interpretierbaren Geste, die zwischen Angriff und Flucht schwankte. Dieses biblische Leben im Paradies – auch das nicht bedingungslos. Nebenan lag eine Bäckerei, und als die Verkäuferin eben die Tür zusperren wollte, begannen sich meine Beine zu bewegen, aber als ich vor der Verkäuferin stand, wussten die Lippen nicht mehr, was Wörter waren. Die Frau war geduldig, und schliesslich hörte sie zu, aber dann schüttelte sie den Kopf. Ich rannte zu einer anderen Bäckerei um die Ecke, und auch dort schüttelte die Verkäuferin den Kopf. Das würde sich in den nächsten Tagen ständig wiederholen. Jemand, der auf diesem Gebiet viel erfolgreicher gewesen war, war der Journalist Michael Holzach, der in den Achtzigerjahren zu Fuss und ohne Geld quer durch Deutschland reiste. Allerdings muss Holzach wie ein bettelnder Vagabund ausgesehen haben. Schon nur aus Mitleid mit seinem Hund verköstigten ihn die Leute. Es war schon dunkel, als ich Alex traf, der in Wirklichkeit nicht Alex hiess. Ihn hatte ich einige Wochen vorher via Couchsurfing kontaktiert, eine

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«Als ich vor der Verkäuferin stand, wussten die Lippen nicht mehr, was Wörter waren.» Website, die kostenlose Unterkunft anbietet. Alex sass in einem Café. Er bezahlte ein Bier. Wenn die Gläser leer waren, holte Alex neue. Nach etwa zwei Stunden bekam er einen roten Kopf und ich hatte den Eindruck, als hätte er schon vor unserem Treffen zu trinken begonnen. «Couchsurfing ist nicht wirklich gratis», sagte Alex, «denn ich will ja etwas von dir.» Langweilen könne er sich auch allein, mit mir wolle er Spass haben. Er wankte zur Bar, und als er zurückkam, sagte er: «Nachher gehen wir in einen Stripclub.» Meinen Einwand, er könne unmöglich einen Reporter auf Recherche in einen Stripclub einladen, liess er nicht gelten. Er lachte die Argumentation aus dem Raum, der Inbegriff der Verschwendung verhöhne die Idee dieser Geschichte. Da war ein klar definiertes Oben und Unten. Spät in der Nacht, nach einer absurden Art Ehekrach unter Fremden, sass Alex eingesunken vor dem Computer in seiner Wohnung und murmelte, es sei doch ein Jammer, dass wir den Stripclub nicht besucht hätten.

Seiner Wohnung haftete ein Gefühl an, als würde hier niemand leben. Am Fernseher waren rote, gelbe und blaue Punkte zu sehen, und durch diese Punkte schossen kleinere Punkte, wie Pistolenkugeln. Darunter stand «Kein Signal» geschrieben. Alex steckte ein Kabel um, und dann erschien Moritz Bleibtreu am Bildschirm, wie er sich Kokain in die Nase zog. Alex erzählte von seiner eigenen Amphetaminsucht in der Vergangenheit und sagte, er sei glücklicherweise immun gegen die Wirkung des Alkohols. Wir tranken eine Flasche Weisswein in groteskem Tempo, und dann schlief er ein, mit dem Kinn auf der Brust und den Schuhen an den Füssen. Ich verliess die Wohnung vor Morgengrauen. Wasser tropfte von nackten Bäumen. Schwarze Wolken zerrissen zu strahlendem Blau, aber dann kam der nächste Regen. Bei einer Verteilstation von Foodsharing an der Schanzenstrasse fand ich einen Brotlaib, drei Karotten und eine Peperoni. Und einen jungen Mann mit Dutt. Der junge Mann sagte: «Nichts ist gratis in diesem Leben, nicht mal der Abfall der Bäckereien – wenn die merken, dass man ihnen das Brot aus dem Container holt, schliessen sie den Container ab.» Der junge Mann verwies mich auf den ehemaligen Kiosk neben der Verteilstation, der mit Sprüchen wie «Jedes Herz ist eine revolutionäre Zelle» oder «Ohne Mampf kein Kampf» bemalt war und inmitten einer Baustelle stand, wo rundherum Glasbauten in die Höhe wuchsen. Dort bekam ich fortan ein veganes Mittagessen, das zwar fünf Franken kostete, aber wer eine Ausrede hatte, machte hinterher den Abwasch.




Es gibt viele Organisationen, die ein kostenloses Leben propagieren. Etwa Freecycle.org, mit weltweit neun Millionen Mitgliedern, die in ihren Städten Produkte austauschen, um sie nicht wegwerfen zu müssen (leider wurde in Basel gerade nichts angeboten). Oder die Freeconomy-Bewegung des irischen Wirtschaftswissenschaftlers und Aktivisten Mark Boyle. Boyle hauste ein Jahr lang in einem geschenkten Wohnwagen und gab nichts aus, indem er

dasselbe hinaus wie eine Lohnverhandlung. Bloss kreiste die Diskussion nicht um Geld, sondern um Gefälligkeiten und Weltanschauungen, aber das Konzept war dasselbe. Am vierten Morgen betrat ich einen kleinen Raum mit tiefer Decke und einem Buffet. Man nahm sich ein Tablett, stellte eine Tasse darauf, füllte die Tasse mit dem Kaffee aus der Thermoskanne und wenn die Kanne zu blubbern begann, griff ein Herr mit fröhli-

«Es stand mir nicht zu, diesen Männern das Brot, die Butter und die Marmelade wegzuessen.» zum Selbstversorger wurde. Ein Gratisleben scheint nur mit sehr viel Zeit und innerhalb der eigenen Komfortzone zu funktionieren, denn als Boyle sich auf eine Reise zu Mahatma Gandhis Geburtsort in Indien machen wollte, kam er gerade mal bis nach Frankreich. Er sprach kein Französisch und konnte den Leuten nicht erklären, warum er ohne Geld lebte. Sie hielten ihn für einen ganz normalen Bettler. Die folgende Nacht verbrachte ich auf dem Sofa einer Argentinierin. Als Gegenleistung folgte ich ihr von einer Kirche in die nächste, von einem Jesus am Kreuz zum anderen, und so stellte sich dann die Routine ein: Das Seilziehen zwischen Geben und Nehmen, während jeder seine Bedürfnisse zu befriedigen versucht. Es lief letztlich auf

chem Gesicht unter die Theke und holte eine neue Kanne hervor. An den Tischen der Gassenküche sassen schweigsame Männer mit gesenktem Blick. Einer hatte keinen Gurt an der Hose und am Schuh löste sich die Sohle. Einer war erschöpft an seinen Rucksack gekippt und schlief mit offenem Mund. Einer putzte seine Pfeife, indem er Toilettenpapier zwirbelte und den Spiess in den Luftkanal schob. Ich sass vor einem Teller voll Brot, Butter und Aprikosenmarmelade und überlegte, dass ich weitermachen könnte. Ich wusste nun, wie es funktionierte. Aber ich wollte nicht. Normalerweise bin ich abhängig von Geld, nun war ich abhängig von den Leuten mit dem Geld. Der Unterschied liegt in der Freiheit der Entscheidung. Derjeni-

ge mit dem Geld darf bestimmen, ob er Wildreis mit Broccoli essen will oder Tomaten mit Mozzarella. Er muss sich vor dem Schlafenlegen nicht zum Stripclub zerren lassen, sondern kann ganz einfach die Decke zur Nase hochziehen und die Augen schliessen. Er kann Kirchen besichtigen und Jesusstatuen anschauen, falls er das mag, oder sonst ins Kunstmuseum und dort Picassos sitzende Dora bestaunen. Es schien mir fast ironisch, dass gerade am trostlosesten aller Orte der vergangenen Tage die Achtung gewahrt wurde, hier in der Gassenküche. Dadurch, dass man nichts erbetteln musste, und dass man sich nicht dem Willen anderer beugen musste. Als sei das Betreten dieses Raums Beweis genug, um die Ernsthaftigkeit der Situation zu belegen. Und nun, da der Stolz in der Brust schnurrte wie eine müde Katze, begann das Gewissen zu nörgeln. Es stand mir nicht zu, diesen Männern das Brot, die Butter und die Marmelade wegzuessen. Ich würde längst wieder in einem warmen Bett schlafen, während ihnen Gurt und Pfeifenputzer noch immer fehlten. Am Ende dieses Tages gab ich auf. Es war kurz vor Mitternacht, die Stadt war leer. Am Bahnhof fuhr eine Frau auf einem Trottinett vorbei. Sie war um die vierzig und trug einen rosaroten Hello-Kitty-Rucksack am Rücken. Sie stoppte, kehrte um und fragte nach Kleingeld. Ich sagte, ich hätte keins. Sie nahm die Absage mit der Routine der Bettlerin zur Kenntnis, die sich gewöhnt ist, von Passanten angelogen zu werden. Wie schon der Mann vier Tage zuvor. Und auch in ihrem Gesicht waren weder Scham noch Empörung zu erkennen. War denn beides nicht da? Ich fragte nicht nach, die Antwort ahnte ich.


Titelgeschichte // 23

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Unbezahlt schlägt bezahlt In der Schweiz, man weiss es, wird viel gearbeitet. Weniger bewusst ist man sich der Tatsache, dass das Volumen der unbezahlten Arbeit um 14 Prozent höher liegt als jenes der bezahlten Arbeit. Den grössten Teil der Gratisarbeit betrifft die Hausarbeit. Diese wird hauptsächlich von Frauen geleistet. Kochen, putzen oder waschen ist nicht Männersache. Noch nicht.

BEZAHLTE ARBEIT

7,7 Mrd. Stunden

UNBEZAHLTE ARBEIT

8,7 Mrd. Stunden


Zahlensalat // 25

401 Mrd. Franken 62%

38% EINGESPARTE ARBEITSKOSTEN

ANTEIL MÄNNER/FRAUEN

23%

Betreuungsaufgaben

67%

Hausarbeit

Ehrenamtliche und freiwillige Tätigkeiten

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Sorg für dich.

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Jahre ist das Alter, ab dem das österreichische Institute for Applied Systems Analysis Menschen als «alt» bezeichnet. Das lange Leben hat jetzt eine eigene Wie es sich anfühlt, Plattform. erfährt man beim «Proberentnern». Seite 28

Seite 30


So sind unsere Kunden Nico Aeschimann – Ironman-Rennleiter

Die Kunden verstehen ist das oberste Ziel unseres Geschäfts. Darum besuchten 100 Swiss Life-Mitarbeitende 100 Kunden. Raquel Moreno, Leiterin Medizinischer Dienst & Fachstelle Betriebliches Gesundheitsmanagement bei Swiss Life Schweiz, traf Ironman-Rennleiter Nico Aeschimann. «Seit ich beim Ironman angefangen habe, mache ich auch selbst Triathlon. Ich bin ein ‹Ganz oder gar nicht›-Typ – ich will gespürt haben, was die Athleten spüren. Ich erinnere mich noch genau an meinen ersten Ironman. Du holst deine Startnummer, kriegst den Athleten-Bändel, stellst dein Velo hin und weisst: Jetzt bin ich dabei. Jetzt ist er gekommen, dieser Moment. Jetzt kannst du nichts mehr machen, ausser loslegen. Ich hatte ein Jahr lang trainiert und – puh – war ich nervös! Dabei war es ja nur der halbe Ironman. So, wie wir ihn hier in Rapperswil am Zürichsee auch ausrichten. Meinen ersten ganzen Ironman habe ich in Malaysia absolviert. Wie es läuft, weiss ich also von beiden Seiten. Als mein Chef vor drei Jahren sagte, er wandere aus, war für mich klar: Ich übernehme. Jetzt bin ich Rennleiter von Ironman Schweiz. Sport verbindet auf eine ganz besondere Art. Das spürt man auch in unserem Team. Wir alle arbeiten auf den einen Tag hin: Der Ironman ist der Höhepunkt, die ultimative Belohnung. Das brauche ich. Ich muss Ergebnisse sehen, spürbare Resultate.»

Eine eigene Plattform für die Langlebigkeit

«Mit acht will ich Hexenkraft haben», sagt die 5-jährige Greta.

«Die heutige Lebenserwartung ist vollkommen beispiellos», sagt Professor James Vaupel, Gründungsdirektor des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung in Rostock. «Nie zuvor hat der Mensch annähernd so lang gelebt wie heute.» Darum ist es für ihn wichtig, sich damit auseinanderzusetzen, wie wir mit diesem längeren Leben umgehen. Informationen, Impulse und Emotionen vermittelt eine neue spezielle Plattform: swisslife.com/hub


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Die Fakten für die deutlich gestiegene Lebenserwartung in hoch entwickelten Ländern sprechen für sich:

Pingpong Vorsorge muss nicht schwierig sein. Eine Frage, eine Antwort. Im Chat. Und zwar jetzt. Sofort. Mi., 8. Juni 14:26

Ich bin gerade Vater geworden. Gibt es etwas, was ich bei der Vorsorge nun zusätzlich beachten sollte?

In wohlhabenden Ländern steigt die Lebenserwartung seit eineinhalb Jahrhunderten um rund 2,5 Jahre pro Jahrzehnt an. Dies belegen auch Statistiken aus der Schweiz, aus Frankreich, Deutschland und Österreich.

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Die Lebenserwartung ist in den Industrieländern höher denn je. Bei der Geburt ist sie mit 81 Jahren für Männer und 85,2 Jahren für Frauen (2014) mehr als doppelt so hoch wie noch im 19. Jahrhundert. Damals lag sie zum Beispiel in Genf für alle bei rund 40 Jahren.

er Mensch wird immer älter. Doch was fangen wir mit dieser Erkenntnis an, was heisst das für die Gesellschaft? «Die Konsequenzen der steigenden Lebenserwartung werden in fast allen Lebensbereichen klar unterschätzt», sagt Patrick Frost, CEO der Swiss Life-Gruppe. Das Unternehmen hat sich deshalb vorgenommen, das Thema des «längeren, selbstbestimmten Lebens» zum Gegenstand der öffentlichen Diskussion zu machen: «Wir wollen dafür sorgen, dass dieses Thema in der Gesellschaft die Aufmerksamkeit erfährt, die es angesichts seiner enormen Bedeutung für die Generation von heute verdient», führt Patrick Frost weiter aus. Auf der eigens dafür geschaffenen Plattform swisslife.com/hub, für die auch die Journalisten des renommierten englischen Wirtschaftsmagazins

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Vor einigen Jahrzehnten war die steigende durchschnittliche Lebenserwartung noch darauf zurückzuführen, dass frühzeitige Todesfälle öfters verhindert werden konnten. Seit den 1970er-Jahren ist dieser Anstieg vor allem der rückläufigen Sterberate von Menschen über 65 zu verdanken.

Das hohe Alter ist zwar nicht frei von chronischen Krankheiten, erlaubt aber in vielen Fällen ein autonomes Leben.

«The Economist» Beiträge liefern, kann diese Diskussion stattfinden. Eine Umfrage der Economist Intelligence Unit, mit der Swiss Life zusammenarbeitet, ergab zum Beispiel, dass für 91 Prozent aller Senioren die Unabhängigkeit ein wichtiges Ziel bleibt. Die damit verbundene Selbstbestimmung ermöglicht einen umfassenderen Blick darauf, was zu einem erfüllten Leben gehört: Es verbindet Autonomie, Kompetenz und soziale Bindungen in allen Lebensphasen. Dass die Freiheit eines längeren, selbstbestimmten Lebens nicht zu Lasten der Allgemeinheit gehen muss, zeigen Menschen in einem emotionalen dreiminütigen Film des Schweizer Regisseurs Elias Ressegatti. Die 103-jährige Anna Maria schliesst ihn wie folgt ab: «Was ich noch möchte? Was soll ich sagen? Alles läuft wie am Schnürchen.»

Zuerst einmal: herzliche Gratulation! Und super, dass Sie sich Gedanken über Ihre Vorsorge machen. Zu Ihrer Frage: Bei jungen Vätern wie Ihnen ist es oft sinnvoll, eine mögliche Erwerbsunfähigkeit zu versichern. Wie mache ich denn das? In Form einer Rente. Schauen Sie sich doch zusammen mit Ihrem Berater Ihre Vorsorge umfassend an. Und aufgrund Ihrer neuen Lebenssituation gibt es sicher noch an weiteren Stellen Potenzial für die eine oder andere Optimierung. Besten Dank.

Jürg Renggli, Swiss Life-Generalagent in Herisau, und unser Beraterteam antworten im Chat auch auf Ihre Fragen: myworld.ch/chat


So So wird wird das das «Alter» «Alter» aus aus Davon zu sprechen, ist das eine. Es zu erleben, das andere: Das erkannten auch jene Menschen, die sich auf www.proberentnern.ch dafür bewarben, den dritten Lebensabschnitt möglichst real zu spüren. Sie verbrachten einen unvergesslichen Tag, an den sie sich lange erinnern werden: Vielleicht sogar bis in ihren eigenen dritten Lebensabschnitt.

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nsere Lebenserwartung steigt kontinuierlich. Aber wir leben nicht nur länger, wir bleiben auch länger jung. Demnach können wir das Leben länger selbstbestimmt geniessen und auch im Alter neue Fähigkeiten erlernen. Aber: Noch orientieren wir uns an Seniorinnen und Senioren aus unserem Umfeld – meist an unseren Grosseltern. Doch frisch pensionierte Menschen stellen bereits ein moderneres und vor allem auch digital versierteres Altersbild dar. Und diese Entwicklung geht immer weiter. Im Endeffekt bedeutet dies, dass wir in Zukunft keinen vorgespurten Pfaden mehr folgen werden und uns selbst Jahre nach der Pensionierung alle Möglichkeiten offenstehen. Doch was heisst das für mich konkret? Was für eine Persönlichkeit werde ich bis ins Alter entwickeln? Schwierig zu beantworten. Schliesslich lässt sich das Alter nicht «ausprobieren» – jedenfalls bislang nicht. Oder doch? Auf der Website proberentnern.ch werden vier Dokumentarfilme gezeigt: Vier junge Menschen erfahren, wie abwechslungsreich und lustvoll das Leben im Alter sein kann. Sie leben für begrenzte Zeit mit Pensionären zusammen – so wie jene Menschen, die sich für exklusive «Proberentner»-Events bewarben: Ihnen allen gemein war das Erkennen und Verstehen, dass die Lebenserwartung steigt und die persönliche Auseinandersetzung mit der Langlebigkeit unumgänglich ist.


Sorg für dich // 31

probiert probiert

Für Pius Acker war Improvisation nie nur Theater, sondern immer auch ein Abbild des Lebens. Es geht darum, etwas von sich preis zu geben, offen zu sein und neue Erfahrungen zu sammeln – gerade auch im Alter. Man darf und soll Fehler machen, von ihnen lernen und weitergehen. Wichtig ist, auf sein Bauchgefühl zu vertrauen und mit den Mitmenschen von Angesicht zu Angesicht zu kommunizieren.

Theaterspiel ist auch Improvisation fürs Leben: Pius Acker gibt seinen «Proberentnern» mit auf den Weg, dass sie des Öfteren auch ihrem Bauchgefühl vertrauen sollten.

SWISSLIFE Sommer 2016

Improvisieren mit Pius Acker Man sagt immer, «die Alten» seien in ihren Gewohnheiten und Ansichten festgefahren. Pius Acker (80) räumt am ersten «Proberentner»-Event mit diesem Vorurteil auf: Sein ImprovisationsWorkshop bietet den Besuchern die Gelegenheit, aus ihrem Wohlfühlbereich auszubrechen und Neuland zu erkunden. Pius Acker, ein 80-jähriger Tausendsassa, denkt überhaupt nicht daran, sich zur Ruhe zu setzen. Er ist Verwaltungsrat eines Start-ups und passionierter Improvisationstheater-Schauspieler. Im von ihm geführten «Proberentner»-Event «Improvisieren – die Kunst des Lebens» hat er viel vor mit den Teilnehmenden. Er will sie aus ihrer Wohlfühlzone entführen und auf ein Abenteuer mitnehmen, das an ihre Instinkte, ihr Vertrauen in sich selbst und ihre Spontaneität appelliert. In der bunt gemischten Gruppe von Frauen und Männern geben sich die einen locker, die anderen wirken abwartend. Los geht’s: fünf, vier, drei, zwei, eins... go! «Ich will, dass ihr euch nacheinander in den Sessel in der Mitte setzt und dort für 20 Sekunden verweilt.» Pius Ackers erster Test stellt die Teilnehmenden gleich ins Scheinwerferlicht. Dort, im Zentrum der Aufmerksamkeit, sieht man jedes Zittern der Lippen, jeden Wimpernschlag, jeden verkrampften Muskel – während man, vom Licht geblendet, nichts erkennt. In diesem Moment fühlen sich alle ein wenig verloren, nackt und verletzlich. So ist es, wenn man ins kalte Wasser geworfen wird. Als erfahrener Theaterschauspieler weiss Pius Acker aber, dass erst durch diesen Akt der Verletzlichkeit das Eis bricht. Er führt seine Truppe tapfer in das Unbekannte, in die Theaterimprovisation. Ballspiele lösen Tierimitationen ab und steigern sich zu spontanen Szenen und Situationen. Es ist eine ganz besondere Stimmung im Raum: Der Zauber einer Gruppe, deren Mitglieder einander vertrauen, sich selbst zu sein und gleichzeitig alle möglichen Variationen ihrer selbst auszuprobieren. Hier darf man abblocken und ausflippen, lachen und sticheln. Die Spielfreude wirkt ansteckend; Pius Acker lächelt in sich hinein. Unter seiner Leitung hat sich an diesem Sonntagnachmittag innerhalb weniger Stunden eine eingeschworene Truppe entwickelt, die seine Lebensphilosophie auf der Bühne mit Erfolg ausprobiert. Jetzt geht es darum, diesen Schwung auch in den Alltag mitzunehmen, denn dort beginnt schliesslich die grosse Improvisation des Lebens: fünf, vier, drei, zwei, eins... go!

Selbstbestimmt anlegen Wer heute Geld aus einer Erbschaft oder einer Lebensversicherung erhält, fragt sich zu Recht: Was tun mit dem Geld? Soll man es einfach auf dem Bankkonto lassen? Mit Zinsen ist kaum zu rechnen, mit Gebühren aber schon. Fondsanlagen sind da eine gute Alternative. Vor allem, wenn sie mit Steuervorteilen und einem Todesfallschutz verbunden sind. Und man – wie bei Swiss Life Premium Comfort – drei Anlagestrategien zur Wahl hat, zwischen denen man jederzeit wechseln kann.

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Bei Lotti Luraschi dreht sich vieles im Leben um das Thema Musik und Tanz. Dass man damit in Schwung bleibt, versteht sich von selbst. Ihre hohe Lebensqualität beruht aber auch auf einem gesunden Mass an Arbeit und Lebensfreude.

Für Lotti Luraschi keine Frage: Wer tanzt, hält sein Leben in Schwung.

Lottis Tipps für ein längeres und besseres Leben. Jahr für Jahr steigt die durchschnittliche Lebenserwartung in der Schweiz um sechs Wochen an. Wir leben also immer länger. Die Frage ist aber nicht, wie man älter wird, sondern wie man länger besser lebt. Beim «Proberentner»-Tanzevent in St. Gallen gibt Lotti Luraschi (81) drei wertvolle Tipps. Lotti Luraschi sieht keinen Tag älter als 72 aus. Dabei wird die bezaubernde Rentnerin in zwei Wochen 82! Chic gekleidet, mit anmutiger Haltung und einer hinreissenden Ausstrahlung ist die Frau ein Paradebeispiel dafür, wie man mit viel Verve älter werden kann. An diesem Abend ist die passionierte Tänzerin und Sängerin zusammen mit ihrem Tanzpartner Harry Gaschi Gastgeberin des zweiten «Proberentner»-Events im Oya Club in St. Gallen. Auf dem Programm stehen schwingende Tanzbeine – und, ganz nebenbei, eine praktische Anleitung für ein längeres, besseres Leben. Zwischen den guten alten Hits und Schlagern, bei denen sich Zurückhaltung und Knie der Gruppe von

Minute zu Minute lockern, verrät Lotti Luraschi drei Tipps, die bestens wirken. Erster Tipp: «Tanzen, tanzen, tanzen. Denn Tanzen ist nicht nur gut für die Psyche, sondern auch für die Bewegung und Kommunikation.» Zweiter Tipp: «Nicht mehr arbeiten – aber doch noch arbeiten.» Die Rentnerin sucht sich heute gezielt Aufgaben aus, die ihr gut tun und die Spass machen. Sie ist Tanzlehrerin eines Seniorenkurses, engagiert sich in ihrem Chor, schreibt und nimmt sich Zeit für ihre drei Enkel und zwei Urenkel: «Ich werde gebraucht.» Dritter und wichtigster Tipp: «Freude am Leben haben und nicht an gestern oder morgen denken.» Zurück auf die Tanzfläche: Unter die «Proberentner», die sich für den Tanzkurs angemeldet haben, mischen sich auch echte Rentner, welche Lotti Luraschi kurzerhand aus ihrem Seniorentanzkurs in den Oya Club eingeschleust hat. Jung und Alt vermischen sich im Schummerlicht, man lässt sich führen, wird geführt, die Schrittfolgen lösen sich in kreativer Freiform auf und die Stimmung ist einfach fantastisch. Wenn hier heute jemand daran denkt, was morgen sein könnte, dann das: Es wird gut. Solange wir tanzen, wird alles gut.


Sorg für dich // 33

Im Hier und Jetzt: Zen-Meditation auf der Rigi. «Proberentnern» auf die ruhige Art: Zen-Priester Vanja Palmers mit seiner Meditationsgruppe.

Vanja Palmers ist bei sich angekommen. Im Meditationszentrum oberhalb des Vierwaldstättersees predigt er als Zen-Priester nicht nur Gelassenheit, er lebt sie auch. Und er weiss, was für ein besseres Leben zählt: Gesundheit, Ernährung und Achtsamkeit.

SWISSLIFE Sommer 2016

Eine Gruppe von Fremden – die meisten haben im Internet vom «Proberentner»-Event erfahren – trifft sich an einem Sonntag am Vierwaldstättersee. Das Tagesthema fasziniert: meditieren mit Vanja Palmers – Calida-Erbe, Hippie, Zen-Priester und Weltverbesserer im Meditationszentrum Felsentor. Zuerst geht es mit der romantischen Zahnradbahn, danach weiter zu Fuss durch den Schnee. Ein einziger Weg führt durch das mythische Felsentor hindurch in eine andere Welt: Man spürt, dass hier im Meditationszentrum die Dinge etwas anders laufen. Es ist ein Ort der Begegnung mit Menschen, Tieren, sich selbst. Ein Ort, wo die Natur stark ist. Ein Ort, wo man sich Zeit nimmt und einem Zeit gegeben wird. Bevor es Zeit für die jeden Sonntag stattfindende offene Meditation ist, lädt Vanja Palmers erst mal zu Tee und Kuchen. Die Diskussion ist von Beginn weg angeregt, kurios, faszinierend. Ganz so wie der 68-Jährige selbst. Er lebt seine Ideale und Werte mit einer wunderbaren Gelassenheit. Wie schafft man es, besser zu leben, lautet die Frage. Um dies zu erreichen, gilt es drei Dinge zu befolgen: Erstens: Gesundheit. Das Leben ist Bewegung, Atem ist Bewegung und Gesundheit braucht tägliche Bewegung. Zweitens: Ernährung. Eine Ernährung, die Qualität über Quantität stellt und so wenig tierische Lebensmittel wie möglich verwendet. Das ist für den Menschen gesünder und erst recht für den Planeten. Drittens: Achtsamkeit. Achtsamkeit, sich nicht in den eigenen Gedanken zu verstricken. Achtsamkeit, den Atem nicht zu verlieren. Achtsamkeit sich selbst wie auch den Mitmenschen, den Tieren, der Natur gegenüber. Achtsamkeit heisst, jetzt und hier zu sein. Das Zendo Meditationshaus am Felsentor ist aus Ulmenholz gebaut und riecht nach Harz und Rauch. Aus dem scheinbaren Nichts tauchen pünktlich all die Menschen auf, die an diesem Tag gemeinsam meditieren. Still setzen sich alle auf ihr Kissen, suchen die Stellung, in der sie die nächsten dreissig Minuten verbringen werden. Alle lassen den Atem fliessen und beginnen mit einer gesungenen Meditation, einem harmonischen Klangteppich aus Atem und Stimmen; ein Gänsehautmoment, der langsam abebbt. Nur ein Vogelzwitschern, die Reibung eines Sockens auf dem Kissen klingen in die Stille, die im Raum geteilt wird, bis der Gong das Ende verkündet und alle wieder auftauchen. Die «Proberentner»-Gruppe macht sich inspiriert auf den Rückweg – mit der Hoffnung, etwas von dem umzusetzen, was an diesem Nachmittag vermittelt wurde.

Gewinnen Sie 500 Franken für Ihre Zukunft!

In Europa bricht die Lebenserwartung alle Rekorde. Das längere, selbstbestimmte Leben verändert aber auch unsere Vorstellung davor, «alt» zu werden – und «alt» zu sein. Unsere Frage lautet: Ab welchem Alter bezeichnet das österreichische Institute for Applied Systems Analysis Menschen als «alt»? 68 Jahre? 70 Jahre? 74 Jahre? Wenn Sie die Wettbewerbsfrage richtig beantworten, können Sie einen Startbatzen für Ihre private Vorsorge gewinnen. Wir wünschen viel Glück!

Karte im Umschlag einsenden oder online teilnehmen: www.swisslife.ch/magazin


Vorsorge für das längere Leben Die meisten Menschen möchten ihr Leben so lange wie möglich selbstbestimmt führen. Ein regelmässiges Einkommen nach der Pension schadet da sicher nicht. Swiss Life Calmo IncomePlan bietet dieses Einkommen während des ganzen Lebens, ungeachtet dessen, was an den Kapitalmärkten passiert. Bei diesem Produkt kann man übrigens auch selbstbestimmt darüber entscheiden, wann man einen Teil der Anlage zurückhaben möchte.

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1½ Zimmer? Vier Jahreszeiten!

Caroline Kaufmann heute – und mit der App Oldify fotografisch 40 Jahre in die Zukunft geschickt.

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Was machen Sie beruflich? Ich bin als Regional Sales Managerin tätig. Wie wohnen Sie? In einer kleinen Eineinhalb-Zimmer-Wohnung mit Blick auf den Genfersee.

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Caroline Kaufmann, 30, ist am Genfersee zu Hause. Nach der Pensionierung kann sie sich vorstellen, je nach Saison an einem anderen Ort zu leben und sich ganz ihren Hobbys zu widmen: gesund kochen, mit Familie und Freunden die Zeit geniessen und sich aktiv bewegen, etwa beim Tauchen oder Skifahren.

Was werden Sie nach der Pensionierung tun? Ich werde es geniessen, mehr Zeit zu haben für meine Hobbys und um zu reisen – und vielleicht engagiere ich mich auch in einer gemeinnützigen Organisation.


Sorg für dich // 35

Kieser schwitzt «Macht Krafttraining unbeweglich?» Was tun Sie in Ihrer Freizeit? Leider habe ich nicht so viel Zeit für meine Hobbys, aber ich mag Skifahren, Tauchen, Schwimmen, Tanzen, Spaziergänge. Zudem bin ich gerne mit meinen Freunden zusammen und ich mag es, zu lesen und zu kochen. Wie viel Geld brauchen Sie zum Leben? Ich gebe nicht sehr viel aus, ausser für meine Ferien und meine Hobbys, und passe meinen Lebensstil meinem Lohn an. Und ich versuche, immer etwas für die Zukunft auf die Seite zu legen. Was tun Sie für Ihre Gesundheit? Ich versuche, gesund zu essen und mich regelmässig zu bewegen. Und ich nehme mir auch Zeit für mich – wie sagt man doch: Es braucht einen gesunden Geist in einem gesunden Körper!

Wie werden Sie mit 70 wohnen? Es wäre ein Traum, je nach Jahreszeit an verschiedenen Orten zu wohnen: Im Winter in den Bergen, regelmässig in einem warmen Land unter Palmen, in der Nähe meiner Familie – nicht luxuriös, sondern gemütlich, damit ich mich wohlfühle. Was werden Sie mit Ihrer freien Zeit anfangen? Ich möchte gerne für meine Familie und meine Freunde kochen und zudem reisen, skifahren und tauchen. Wie viel Geld werden Sie zum Leben brauchen? Das ist schwierig zu sagen – aber genug, um zu reisen und meinen Hobbys nachzugehen. Was werden Sie für Ihre Gesundheit tun? Ich hoffe, mich jeden Tag bewegen zu können, mich gesund zu ernähren und mir Sorge zu tragen.

Die «Villa aux roses» Seit unser Baby da ist, haben wir an den Kauf eines Hauses gedacht – doch nichts passte. Dann diese Anzeige, dieses Telefon mit dem ImmopulseBerater – und Herzrasen pur, als wir vor dem Haus standen. Der eine von uns erkundigte sich, was es noch braucht, um das Objekt zu kaufen, die andere deklamierte: «Diese Villa hat auf uns gewartet, es gibt keine andere!» Die Atmosphäre, die Umgebung, das stete Lächeln von Abigael bei der Besichtigung, die Begleitung während des Kaufs: Alles war perfekt. Mit der «Villa aux roses» haben wir unseren Traum verwirklicht.

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Magali Clivaz, Gregory Pavone und Abigael haben ihr Nest mitten im Grünen gefunden.

Attraktive Angebote und Infos rund ums Wohneigentum finden Sie unter www.swisslife.ch/immopulse

Wie beweglich wir sind, darüber entscheiden zwei Aspekte: Auf der einen Seite unsere Gelenkigkeit und auf der anderen Seite die Dehnfähigkeit unserer Muskeln. Unsere Gelenkigkeit ist abhängig vom Knochenbau und mit Abschluss der Pubertät mehr oder weniger unveränderbar. Was wir beeinflussen können, ist die Dehnfähigkeit unserer Muskeln. Und das funktioniert ganz hervorragend – sofern Sie regelmässig und anatomisch korrekt trainieren. Dann werden die Muskelfasern länger – und Sie beweglicher. Ein prägnantes Beispiel aus der Praxis zeigt ebenfalls, dass Unbeweglichkeit nichts mit Krafttraining zu tun hat. Vor vielen Jahren arbeitete in meinem Studio Njue Jackson – ein Bodybuilder aus Kenia. Er wies eine extreme Muskelentwicklung auf. Bei Wettkämpfen auf der Bühne überraschte er immer wieder, indem er seine Kür mit einem eleganten Spagat beendete. Er war nicht nur im Hüftgelenk sehr gelenkig, sondern auch seine Muskeln waren sehr dehnfähig. Trotz des Krafttrainings – oder sollte ich besser schreiben: dank des Krafttrainings. Korrektes Krafttraining macht zusätzliche Dehnübungen überflüssig. In der Rehabilitation können diese jedoch durchaus sinnvoll sein. Denn schon die kurzzeitige Stilllegung von Gelenken nach Operationen reduziert die Dehnfähigkeit der Muskeln. Der Grund: Sarkomere, die kleinsten funktionellen Einheiten der Muskulatur, werden in Serie abgebaut – der Muskel wird kürzer und Sie verlieren Ihre Beweglichkeit. Eine physiotherapeutische Behandlung kann neben Krafttraining in diesem Fall helfen, die volle Beweglichkeit wieder herzustellen. Werner Kieser (75), gelernter Schreiner, Ex-Boxer, Buchautor und Philosoph (MA), ist der erfolgreichste Krafttrainer Europas. Kiesers Blog: kieser-training.de/blog


Schöne Befreiung vom Wecker Donato Galli ist im Tessin aufgewachsen. Mit 16 machte er eine Lehre als Betriebsdisponent im Bahnhof von Magadino. Danach arbeitete er viele Jahre als Übersetzer. Mit 58 liess er sich vorzeitig pensionieren. Von der Terrasse seines Hauses hat er einen wunderbaren Blick auf den Lago Maggiore – und den Bahnhof, wo sein Berufsleben begann. Text: Yvonne Eckert, Bild: Giorgio von Arb


«

Mein Plan für 2016 ist, das zu machen, was ich will – aufzutanken. Ich möchte in diesem Jahr bewusst eine Zäsur schaffen. Zwischen dem, was war, und dem, was neu auf mich zukommt. Meine letzten Arbeitstage habe ich genossen, ich war bis zum letzten Telefongespräch im Arbeitsrhythmus drin, und dann: Zack! Am 1. Februar stand ich früh auf und sagte: wie schön! Vor etwa anderthalb Jahren habe ich erstmals den Gedanken in Erwägung gezogen, mich frühzeitig pensionieren zu lassen. Wir haben das in der Familie besprochen und mussten natürlich rechnen, ob wir uns das finanziell leisten konnten. Klar habe ich mir auch Sorgen gemacht, vor allem wegen der Kinder. Deshalb bin ich nun froh, dass sich alles im richtigen Moment ergeben hat. Meine Tochter heiratet und mein Sohn beginnt seine Ausbildung zum Grenzwächter. Dass wir dieses Haus vor 24 Jahren gekauft haben, gab uns eine gewisse Sicherheit. Zum Glück habe ich eine tolle Ehefrau, die gut haushalten kann, das ist sehr wichtig. Früher klingelte um 6.15 Uhr der Wecker. Jetzt bin ich manchmal um halb fünf in der Küche und trinke einen Kaffee, manchmal schlafe ich bis 8 Uhr. Wir stellen den Wecker nur noch, wenn wir etwas Bestimmtes vorhaben. Die Arbeitsstruktur fehlt mir nicht, es gibt immer etwas zu tun. Wir haben den Garten und ein kleines Häuschen in den Bergen, wo 2500 m2 Land bewirtschaftet werden müssen, mitsamt Obstbäumen. Ich löse gerne Kreuzworträtsel und dichte für Familienfeste oder Geburtstage. Zu-

Sorg für dich // 37

dem möchte ich wieder Sport treiben. Ich habe ja bis 50 Fussball gespielt, zweimal die Woche trainiert und am Wochenende fanden meist Matches statt – meine Frau musste viele Leibchen waschen. Für danach habe ich ein paar Projekte im Hinterkopf. Ich würde gerne kleinere Übersetzungsarbeiten übernehmen – wenn man früher in Pension geht, kann man solche Dinge noch machen. Meine Frau ist ein paar Jahre älter als ich und bekommt nun die AHV. Wir freuen uns, dass wir mehr Zeit füreinander haben und planen gemeinsame Reisen. Jetzt geht es uns gut, aber wir durchlebten auch schwierige Zeiten. Mit 50 hatte ich ein Burnout, musste rund eineinhalb Jahre zu Hause bleiben, wurde arbeitslos. Diese Erfahrung hat natürlich auch meine Entscheidung beeinflusst, vorzeitig in Rente zu gehen. Zum Glück hat uns damals meine Schwiegermutter unterstützt. Deshalb möchte ich nun etwas zurückgeben, Freiwilligenarbeit leisten, zum Beispiel für das Rote Kreuz, ältere Menschen herumfahren oder Organisationen wie «Tischlein deck dich» unterstützen. Mein grösster Traum wäre, bei den Euromillions einen fetten Gewinn zu machen. Mit dem Geld möchte ich Menschen helfen, nicht in Afrika, sondern hier im Tessin. Menschen, die es schwer haben, die schauen müssen, dass Ende Monat noch Geld zum Essen übrig bleibt. Ich bin froh, dass ich mich frühzeitig pensionieren liess. Vielleicht müssen wir in einem Jahr nochmals darüber reden, aber im Moment habe ich keine Angst vor der Zukunft.

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Ruhestand planen Gut ist ein langes Leben, wenn es selbstbestimmt ist. Auch finanziell. Dazu gehört, sich frühzeitig Gedanken über die Pensionierung zu machen und die Finanzen auch entsprechend zu planen. Leider gibt’s dafür keine Patentlösung. Jeder Mensch hat wieder andere Bedürfnisse. Eines trifft aber immer zu: Frühzeitige Planung ist das A und O. Sie sichert den nötigen Handlungsspielraum. Und sie ermöglicht, die Situation individuell zu optimieren.

Enzo Parianotti, Swiss Life-Generalagent in Magadino (Generalagentur Locarno), sagt, was in der Gemeinde Magadino sehenswert ist.

Direkt am wunderbaren Lago Maggiore gelegen, lädt Magadino mit seinen Grotti und Stränden zum Verweilen und zum ausgiebigen «dolce far niente» ein. Wer es lieber etwas aktiver mag, dem kann ich einen Besuch im «Bolle di Magadino» empfehlen. Das Naturschutzgebiet an der Mündung der Flüsse Ticino und Verzasca ist ein Paradies für Vögel, Insekten und Blumen. Der Rundgang mit Informationstafeln dauert rund zwei Stunden. SWISSLIFE Sommer 2016

@ Fragen zur Finanzplanung? Schreiben Sie Annette Behringer, Finanzexpertin bei Swiss Life: annette.behringer@swisslife.ch. Senden Sie uns die Karte im Umschlag des Magazins oder gehen Sie auf folgenden Link: swisslife.ch/finanzplanung


Ein Life Fact von Swiss Life:

«Rund 5 000 000 Liter Trinkwasser verbraucht jeder von uns in seinem Leben. Das sind zwei Olympia-Schwimmbecken von 50 m Länge, 25 m Breite und 2 m Tiefe.» Kennen Sie schon Ihre eigenen Life Facts? Berechnen Sie sie jetzt: www.wirlebenimmerlaenger.ch


«Ich habe jetzt zwei Leben.» Sorg für dich. Mit grossem Glück kommt auch grosse Verantwortung. Swiss Life unterstützt Sie dabei und bietet einen umfassenden Risikoschutz für Familien. Erfahren Sie mehr auf www.swisslife.ch/risikoschutz


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Im Reich des Unsichtbaren

Das Elementarteilchen Higgs hielt sich lange erfolgreich versteckt, bis 2012 Forscher am CERN, Europas Kernforschungsinstitut, den Winzling nachweisen konnten. Erreicht wurde dieser Triumph der Wissenschaften mit der grössten Maschine der Welt, dem 27 Kilometer langen Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider. Ein kostenloser Besuch der ständigen Ausstellung und eine Führung in die Tiefen des unterirdischen Labors erweitern und verwirren das eigene Verständnis der Welt. Allerdings: Reservieren ist Pflicht – und dies rechtzeitig zu tun, empfehlenswert.


Tour de Suisse // 41 So kommen Sie hin Es empfiehlt sich die Anreise mit dem Zug – und frühes Aufstehen: Von Lugano aus braucht man fünfeinhalb Stunden, von St. Gallen gut vier, von Zürich oder Basel knapp drei und von Bern rund zwei Stunden.

Das erwartet Sie Im weltgrössten Forschungszentrum für Teilchenphysik gibts kostenlose Ausstellungen und Führungen (vorher anmelden!). Das CERN stellt einem breiten Publikum seine neuesten Erkenntnisse in Wissenschaft, Teilchenphysik, Spitzentechnologie sowie deren Anwendungen im Alltag vor. Die Rätsel des Universums werden hoch spannend erklärt.

Das gibts zu sehen Globus der Wissenschaft und Innovation ist ein 27 Meter hoher Orientierungspunkt mit einem Durchmesser von 40 Metern – ein Symbol für den Planeten Erde. Einst als «Palais de l’Equilibre» für die Expo.02 am Ufer des Neuenburgersees gebaut, schenkte die Schweizerische Eidgenossenschaft dem CERN das Gebäude. Heute beherbergt es eine faszinierende Dauerausstellung.

i Gut zu wissen Wenn Sie schon mal dort sind: Unbedingt vorher anmelden für eine kostenlose zweistündige Einzelführung auf Französisch oder Englisch. Vorgestellt werden das CERN, seine Geschichte und die jüngsten wissenschaftlichen Entwicklungen und Experimente, die hier durchgeführt werden. Auf dem Programm steht auch ein Blick in den Kontrollraum eines Experiments. Noch besser ist die dreistündige Gruppenführung ab acht Personen, bei der auch der Kontrollraum und/oder ein Beschleuniger an der Oberfläche des Areals besucht werden.

Guten Appetit Genf bietet eine Vielfalt an Restaurants. In der Altstadt und in Eaux Vives isst man gern traditionell, im Viertel Les Paquis exotisch und entspannt und in Carouge italienisch.

Gute Nacht In Genf stehen die teuersten Hotels im Land. Doch auch hier finden sich viele Pensionen, Hostels und B & Bs. Die sind zwar weniger luxuriös, dafür oft umso sympathischer.

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Auch noch zu entdecken Was wäre Genf ohne den Lac Léman. Bei einer Dampfschifffahrt auf dem zweitgrössten See Mitteleuropas geniessen Sie malerische Weinberge, romantische Dörfer und märchenhafte Schlösser. Und ein Gefühl wie bei Ferien an der Côte d’Azur.



A Swiss Life // 43

Text: Yvonne Eckert, Bild: Tom Haller

Der die

Menschen

umarmt

Samstagnachmittag, vor dem Globus in Zürich, Menschen eilen die Bahnhofstrasse entlang, die meisten sind mit Einkaufstaschen bepackt. Dazwischen stehen ein paar Leute, die Schilder in ihren Händen halten, «Free Hugs» steht darauf.

SWISSLIFE Sommer 2016


I

ch stehe nicht immer mit ausgebreiteten Armen da, damit sich die Passanten nicht bedrängt fühlen und frei entscheiden können, ob sie zu mir kommen wollen. Manchmal halte ich einfach nur das Schild vor mich», sagt Wolfgang Weber, der das «Free Hugs Network Schweiz» gegründet hat. Alle zwei Wochen macht sich der gross gewachsene Mann mit den markanten Augen auf, den shoppenden Menschen gratis eine Umarmung anzubieten. Berührung unter Wildfremden? In der heutigen Zeit?! «Genau deswegen», sagt Weber, «heute sind so viele Berührungen virtuell. Der Kopf ist völlig übertrainiert und wir wissen gar nicht, wie wir aufeinander zugehen sollen. Aber sobald eine Berührung zustande kommt, schaltet der Kopf aus, der Bauch übernimmt, das emotionale Gehirn.» Wer lässt denn so was zu? Gibt’s da keine Widerstände? «Doch. Manchmal ist es auch schwieriger, etwas gratis anzubieten, weil die Leute das eher als verdächtig empfinden», meint Weber. Es gebe gar solche, die befürchten, dass er ihnen beim Umarmen das Portemonnaie aus der Hosentasche ziehe. Die Free-Hugs-Bewegung wurde vom Australier Juan Mann begründet. Als dieser 2004 nach einem längeren Auslandaufenthalt heimkehrte, kam er sich fremd und allein vor. Deshalb stellte er sich mit einem Schild, auf dem «Free Hugs» stand, in eine Fussgängerzone in Sydney. Nach ein paar Anfangsschwierigkeiten erreichte seine Idee eine Art Kultstatus. Zwischenzeitlich war ihm das Gratis-Umarmen polizeilich untersagt worden, doch dadurch waren die Free Hugs noch populärer geworden. In einem Video hatte die Band Sick Puppies auf die Aktion aufmerksam gemacht – der Clip wurde millionenfach angeklickt. Auch Weber erfuhr durch dieses Video von der Bewegung. Eine amerikanische Klientin hatte es ihm als Dankeschön gemailt. «Als ich es das erste Mal sah, wusste ich: Genau das ist es!» Von da an meditierte er nicht mehr alleine im geschlossenen Raum, sondern ging raus auf die Strasse. Für alle offen zu sein, ist für ihn der Test seiner spirituellen Entwicklung. Nicht nur darüber zu sprechen, sondern es wirklich tun. Zuhause in Schaffhausen wagte er es aber noch nicht. Typisch schweizerische Gedanken plagten

Weber: «Was denken wohl die Leute, was ich da mache. Das ist ja völlig ‹gspunne›, da könnte man ja seinen Ruf verlieren.» So begann er an einem fremden Ort, wo ihn die Leute nicht kannten, in Japan, zusammen mit seinen Studenten. Er habe sich damals sehr neutral verhalten, erzählt er, habe höchstens mal ein neutrales «japanisches» Lächeln aufgesetzt. Am Weihnachtsmarkt stellte sich Weber dann erstmals in Schaffhausen mit einem Free-Hugs-Schild auf die Strasse. «Wir schenken uns so viel Materielles, dabei wäre häufig vielleicht nur eine Umarmung nötig, um damit auszudrücken, ich mag und achte dich.» Bei seinen Aktionen geht es ihm um Frieden, Offenheit, Toleranz und Solidarität. Er möchte, dass Menschen sich daran erinnern, dass sie im Innersten alle gleich sind, mit denselben Ängsten und Nöten. Anfangs begleitete ihn in Schaffhausen eine Mutter mit ihrem Sohn. In den vergangenen Jahren hat sich Webers Free Hugs Network vergrössert, gewisse sind regelmässig dabei, andere nur ab und zu. Ihm gefällt, dass es im Netzwerk sowohl jüngere als auch ältere Menschen hat. «So können die Passanten auswählen, wem sie sich annähern wollen», meint er. Immer wieder kämen spontan Menschen hinzu, welche die Erfahrung teilen wollten. Damit sich «dieser Virus» verbreitet, kommunizieren die Free Hugger auch via Social Media, stellen Videos und Fotos ihrer Aktionen auf Youtube oder Facebook. «Vielleicht lässt sich dadurch jemand anstecken.» Weber ist kein Schönwetter-Umarmer, er macht «diesen Job» auch bei Regen. «Das ist eine Verpflichtung, ein Ja zu etwas.» Manchmal würde er stattdessen auch lieber etwas anderes tun, doch: «Die Free-Hugs-Aktionen sind für mich das Wichtigste im Leben. Alles andere ist Zugemüse, Deko.» Wenn es zu einer Umarmung komme, sei dies ein «heiliger Moment». Alles, was sich im Kopf drehe, werde kurzzeitig ausgeblendet, man fühle sich sicher, die Zeit löse sich auf. «Free Hugs» prangt in weissen Buchstaben auf seinem türkisfarbenen Shirt. Weber mag diese Leibchen, die er in Taiwan selbst hergestellt hat und die oft zu Diskussionen führen. Manchmal vergisst er aber auch, dass er ein solches trägt – bis plötzlich jemand mit offenen Armen vor ihm steht.

Der Kopf ist völlig übertrainiert. Aber sobald eine Berührung zustande kommt, schaltet der Kopf aus, der Bauch übernimmt, das emotionale Gehirn.


Wer hat noch nicht, wer will noch mal: Wolfgang Weber beim beherzten Ausüben seiner Tätigkeit in der Zürcher Bahnhofstrasse. SWISSLIFE Sommer 2016


Free-Hug-Aktionen sind für Wolfgang Weber das Wichtigste im Leben, eine Umarmung ist wie ein «heiliger Moment».


A Swiss Life // 47

Auf die Gratis-Umarmungen gebe es viele positive Reaktionen, aber auch Leute, die einen Bogen um ihn machen, Nein sagen oder ihn gar anpöbeln. Wieso tut er sich das trotzdem an? Weber möchte «etwas aus seinem Herzen anbieten», Frieden verbreiten. Auf einem seiner Schilder steht GratisUmarmung auf Arabisch, gleich darunter auf Hebräisch und Russisch. «Free Hugs ist auch ein Brückenschlag, aber wir schlagen nicht, sondern bauen», sagt er. Die weltweite Free-Hugs-Bewegung ist durch die vielen Aktionen, auch auf dem Roten Platz in Moskau oder als «unpolitische» Friedensaktion in Vietnam bekannter und dadurch auch akzeptierter geworden. Kürzlich gab es für Weber und seine Mitumarmer am Zürcher Hauptbahnhof aber «einen schwierigen Moment», wie er es nennt. Sie wurden aus der Halle verwiesen. «Die Angst ist zurzeit extrem gross. Zettel verteilen ist okay, aber die Leute aufhalten und umarmen nicht.» Weber lässt sich von solchen Rückschlägen aber nicht von seiner Mission abhalten. Früher dachte er, dass die Umarmung neutral sein müsse. Heute schaut er, «dass man sich begegnen kann». Wenn jemand auf ihn zuspringt, geht er auch schneller auf diese Person zu. Wenn eine alte Frau kommt, berührt er sie sanfter. Wichtig ist ihm auch, dass er niemanden länger hält als dieser ihn. Und am Schluss bedankt er sich «fürs Teilen», denn auch er nimmt etwas aus diesem Moment für sich mit. In den Arm nehmen lassen sich unterschiedlichste Leute, selbst Polizisten. Gewisse seien glücklich, dass sie mal etwas umsonst kriegen, ein Manager habe mit Tränen in den Augen gesagt, dass er erstmals bedingungslos umarmt worden sei. Ältere Frauen stünden oft lange abwartend in ihrer Nähe, bevor sie sich auf eine Umarmung einlassen. Manchmal nimmt sich auch ein Liebespaar vor Webers Augen in die Arme und lässt ihn wissen, dass sie ihr Quantum schon hätten. Er fordert sie dann lachend auf, ihren Überfluss doch weiterzugeben. Einmal habe ihnen ein älterer, eher verwahrlost aussehender Mann im Rollstuhl lange zugeschaut und sei dann fortgefahren. Eine Viertelstunde später sei er mit roten Rosen zurückgekehrt und habe jedem Free Hugger eine überreicht – «das war unglaublich berührend». Wenn Weber, der sich sonst als eher introvertiert bezeichnet, auf die Strasse geht, dann «tuen ich alli Türe uf». So

kann er sich auch vor allfälligen unangenehmen Begegnungen schützen. Wenn alle Türen offen seien, könne alles wieder raus, auch Unangenehmes. Der Pazifist macht bei seinen Aktionen keinen Unterschied, ob ihm jemand sympathisch ist oder nicht, er würde sowohl Obama als auch Putin umarmen: «Denn auch bei einer kurzen Umarmung kann etwas überspringen», meint er. Die Berührung beginnt für ihn bereits beim Blickkontakt, manchmal genügt es auch, sich nur die Hände zu reichen, die gegenseitige Umarmung sieht er als Höhepunkt. Dem gesellschaftlichen Drang nach immer mehr steht Weber sehr kritisch gegenüber: «Wir sind total abhängig von äusserem Wachstum. Aber wohin wollen wir wachsen? Irgendwann hört das auf.» Er plädiert stattdessen dafür, dass wir unsere Mitmenschen wieder wahrnehmen sollten. Denn es brauche so wenig, um anderen mitzuteilen, dass sie nicht alleine seien. «Jeder kann das, unabhängig von seiner Sprache.» Obwohl Weber selbst Social Media für sein Anliegen nutzt, sieht er nicht nur Vorteile in der digitalen Entwicklung. Smartphones seien zwar hilfreich, sie entfernten Menschen aber auch voneinander, «es wird immer schwieriger, direkt aufeinander zuzugehen». Er ist der Ansicht, dass uns oft der Mut zum Interagieren fehle. Stattdessen würden wir Bücher über die Liebe lesen oder uns entsprechende Filme anschauen. Doch er ist überzeugt, dass nicht nur unser Körper Fitness benötigt, sondern auch unsere Seele: «Wir brauchen Berührungen, sonst werden wir kalt.» Nach einem Samstag, an dem er von 10 bis 16 Uhr in drei Städten mit unterschiedlichsten Menschen Umarmungen und somit «heilige Momente» geteilt hat, geht Weber erfüllt, bewegt und zu «101 Prozent zufrieden» nach Hause. Er weiss, dass er mit seinen Schildern Kontakt aufbauen konnte – wenn auch nur für einen kurzen Moment. Er ist überzeugt, dass Umarmungen eine Medizin sind, die allen zugänglich ist. «Und sie wirkt, bei allen, auch wenn sie nicht alle gleich wahrnehmen.» Die Wissenschaft gibt ihm Recht. Studien haben gezeigt, dass Umarmungen den Blutdruck senken sowie Depressionen vorbeugen. Allein schon das Auflegen der Hand mindert die Produktion von Stresshormonen und regt die Ausschüttung der Entspannungshormone an.

Der Pazifist macht bei seinen Aktionen keinen Unterschied, ob ihm jemand sympathisch ist oder nicht, er würde sowohl Obama als auch Putin umarmen.

SWISSLIFE Sommer 2016


Locarno 5–15 | 8 | 2015 Main sponsors:

Destination sponsor:

Institutional partners: Republic and Canton of Ticino with Federal Office of Culture Swiss Agency for Development and Cooperation sdc City and Region of Locarno

The Leopards of Locarno by Jannuzzi Smith 26

Main sponsors:

Julia, Switzerland

68 Festival del film Locarno 5–15 | 8 | 2015

Destination sponsor:

Institutional partners: Republic and Canton of Ticino with Federal Office of Culture Swiss Agency for Development and Cooperation sdc City and Region of Locarno


Alpenbitter // 49

Sauerampfer (Rumex acetosa) In der Schweiz nennt man die Vitamin-CBombe auch etwas despektierlich «Blacke»: Das von April bis November auf eher feuchten Wiesen wachsende Knöterichgewächs ist ein Blattgemüse wie Löwenzahn oder Blattspinat und enthält ausserordentlich viel Vitamin C. Junge Blätter können in Salate geschnitten oder auch an Saucen und Omelettes gegeben werden. Toll schmeckt, heiss wie eisgekühlt, auch eine Ampfersuppe. Doch zweimal aufgepasst: Sauerampfer enthält viel Kaliumhydrogenoxalat – den Genuss also mässigen, damit im Körper nicht zu viel der gesundheitsschädlichen Oxalsäure (Nierensteine) entsteht. Und: Beim Sammeln des Sauerampfers ist zudem darauf zu achten, dass er nicht von überdüngten Wiesen stammt. Nur Exemplare mit makellosen Blättern sollten gepflückt werden. Ältere spitzförmige Blätter mit rostbraunen Löchern sind unbekömmlich. 1

Der rötliche Blütenstand ist eine Doppeltraube.

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Die 2 bis 3 mm breiten Blüten sind unauffällig.

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Die Frucht ist eine kleine dreikantige Nuss.

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Die Blätter der bis zu 120 cm hohen Pflanze sind im unteren Bereich bis zu 15 cm lang.

SWISSLIFE Sommer 2016

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Illustration: Alexander Schmidt

Der Muntermacher von der Wiese

Mmh, Sauerampfer-Dessert Ein frischherbes Dessert lässt sich aus Erdbeeren, Sauerampfer und Ziegenquark (falls nicht vorhanden: cremigen Ziegenkäse mit Quark pürieren) zaubern: Von einer Orange die Schale abreiben und den Saft auspressen. 400 g Erdbeeren waschen, reinigen, je nach Grösse vierteln oder achteln. Mit Orangensaft und Vanillezucker marinieren. Den Sauerampfer waschen, trocken schleudern und mit einem scharfen Messer in dünne Streifen schneiden. Dann mit 70 g Puderzucker, Orangenabrieb, einer Prise Salz und 400 g Quark in einem Mixer fein mixen. Zwei Deziliter Rahm mit 70 g Puderzucker steif schlagen und unter den Quark heben. Den Quark in einen Spritzsack füllen und am Schluss immer abwechselnd Quark und Erdbeeren in Gläser einschichten, mit gerösteten Mandelblättern garnieren.


MUSICAL am SEE

Seegfrörni

26. AUG – 10. SEP 2016 www.mammernclassics.ch


Prototypen // 51

Wer hats erfunden? Die Schweiz ist voller Menschen, die mit tollen Ideen erfolgreiche Produkte lancieren. Einige Highlights zum Thema «Gratis». Bring Marco Cerqui hatte den Einkaufszettel zu Hause schön vorbereitet, dann aber liegen gelassen. «Meine Freundin hat mir ein Bild des Zettels aufs Handy geschickt. Was nicht sehr praktisch war – aber eine Geschäftsidee»: die Einkaufsplanung aufs Smartphone zu verlagern. Mit seinem Kollegen Sandro Strebel entwickelte er die Gratis-App «Bring!» clever: Der virtuelle Zettel erleichtert die gemeinsame Planung, indem man seine Listen in der App mit mehreren Nutzern führt. «Einkaufen ist selten eine Solo-Angelegenheit. Die Kommunikation ist wichtig», erläutert Sandro Strebel. getbring.com

Gratiswasser

Schluss mit gratis! Früher galt noch die Devise: In jedem Restaurant muss das Amtsblatt aufliegen, der Gast soll es lesen können – bei einem Glas Gratiswasser. Das war gestern. Nur im Kanton Tessin kann der Gast gemäss kantonalem Gastgewerbegesetz heute noch ein Gratiswasser verlangen – vorausgesetzt, er konsumiert eine Hauptmahlzeit. Das Ostschweizer Konzeptkünstlerpaar Frank und Patrik Riklin dagegen hat in Zürich einen Trinkbrunnen installiert, der auf dem Hunziker-Areal in Zürich-Nord steht – und aus dem neben Wasser auch Schokolade oder Bouillon fliesst. socialurbanzone.ch

20 Minuten

Mit gratis Geld verdienen? Geht – wie die Gratiszeitung 20 Minuten zeigt, die in der Schweiz 1999 lanciert wurde. Heute ist sie die einzige nationale Tageszeitung in den drei Landessprachen Deutsch, Französisch und Italienisch und erreicht mit ihrem journalistischen Kurzfutter täglich über zwei Millionen Leser. Das 2005 vom Medienunternehmen Tamedia übernommene Blatt mit starker digitaler Ausrichtung — 20minuten.ch ist das meistgenutzte Newsportal der Schweiz – spült Tamedia viel Geld in die Kasse: Jetzt strebt das Haus mit dem Erfolgstitel die Expansion nach Deutschland an. 20min.ch SWISSLIFE Sommer 2016

Veloverleih Eine ideale Art, Städte kennen zu lernen: Züri rollt, Bern rollt, La Chaux-de-Fonds roule, Le Locle roule, Neuchâtel roule, Genève roule und Valais roule bieten für Einheimische und Touristen attraktive Citybikes und E-Bikes an. Der grösstenteils kostenlose Veloverleih ist eine Erfolgsgeschichte: Seit der ersten Verleihsaison in Zürich 1994 konnte das Netz stetig ausgebaut werden. Aktuell besteht die «Schweiz rollt»-Veloflotte aus sieben Städten/Regionen mit insgesamt knapp tausend Velos. schweizrollt.ch


Scharf auf diesen Gewinn?

Mit etwas Glück steht diese Schneidemaschine von Volano schon bald in Ihrer Küche. Die moderne Technik und die besonders scharfen Messer sorgen für hauchdünn geschnittenen Rohschinken und perfekte «Wurstredli». Wie viele «Redli» à 2 mm gibt eine Lyoner Wurst von 26,5 cm Länge her, wenn an den Wurstenden je 3 cm abgetrennt werden? Hoffen wir, dass Sie bei der Verlosung um die Maschine im Wert von 3000 Franken gut abschneiden.

Der Gewinner wird im nächsten SWISSLIFE bekanntgegeben. Zum Gewinn des letzten SWISSLIFE-Wettbewerbs gratulieren wir Samuel Stalder in Pieterlen. 500 Franken für die Zukunft gehen an Werner Häusermann-Meyer in Frauenfeld.


Wettbewerb // 53

n insende tkarte e lag) oder r o w t n A ch im Ums f e.ch/ (Lasche www.swissli . uf hen digital a gazin mitmac : ss lu ma m e s ch Teilnah .2016. 31.08

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Illustration: Luca Schenardi

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«Wetsch no es Wurstredli?» Es gibt wohl kaum jemanden, dem diese Frage beim Einkaufen mit Mamma in der Metzg nicht gestellt wurde. Gratis war das «Redli» allerdings nicht – es wurde beim Kauf von Fleisch überreicht. Und die Salamitaktik des Metzgers ging oft auf: Manch einer ist so auf die Wurst gekommen.

Ende der Knappheit 3-D-Drucker schaffen eine Art Schlaraffenland, in dem es von allem und für alle genug gibt. Wie funktioniert der Markt und wie verhalten sich die Menschen im Überfluss? In «Star Trek: The Next Generation» wurde erstmals ein sogenannter Replikator vorgestellt. Der Replikator ist ein 3-D-Drucker, der jeden Gegenstand aus jedem denkbaren Material in seiner atomaren Struktur erfassen und erzeugen kann. In der Fernsehserie «Star Trek» steht er auf der Brücke des Raumschiffs und stellt alles her, was gerade gebraucht wird, Werkzeug, Snacks oder auch ein Martiniglas. Was gestern Science Fiction war, ist heute Realität. Man kann 3-D-Drucker für den Privatgebrauch in Elektronikfachmärkten kaufen oder im Internet bestellen und damit Spielzeug, Schmuck, einfache Gebrauchsgegenstände oder auch Ersatzteile für defekte Geräte oder Möbel herstellen. Im professionellen Bereich werden 3-D-Drucker zunehmend für hochkomplexe Objekte eingesetzt, vom Spezialwerkzeug in Raumfahrtstationen bis hin zu künstlichen Organen. Amazon hat kürzlich einige Patente angemeldet, in denen beschrieben wird, wie künftig direkt auf dem Weg zum Kunden im Lieferwagen mit 3-D-Druckern die gewünschten Waren produziert werden. Und in Amsterdam entsteht ein ganzes Haus aus dem 3-D-Drucker. Geht man davon aus, dass der 3-D-Drucker heute etwa dort steht, wo das Mobiltelefon vor 30 Jahren stand, dann kann man erwarten, dass bis in zehn Jahren mehr als die Hälfte der Güter des täglichen Bedarfs zu Hause ausgedruckt und nicht mehr gekauft werden. In jedem Haushalt steht dann eine Art kleine Fabrik, die Dinge so einfach und schnell verfügbar macht, wie das Smartphone heute Information. Bald wird es auch «umgekehrte 3-D-Drucker» geben, die Sachen, die wir nicht mehr wollen, recyceln, indem sie diese wieder in ihre atomaren Bestandteile zerlegen. Da-

durch wird das Baumaterial für die 3-D-Drucker nicht ausgehen und nahezu kostenlos sein. Das spektakulärste Merkmal der universellen Wunschmaschinen ist, dass sie sich selbst reproduzieren können. Wer einen 3-D-Drucker besitzt, kann damit auch 3-D-Drucker für seine Freunde herstellen. Damit werden nicht nur die meisten Waren, sondern auch die Produktionsmittel frei verfügbar. In der schönen neuen Welt der 3-D-Drucker wird praktisch alles gratis. Es gibt keine Konsumenten mehr, nur noch Produzenten, die sich selbst versorgen und in virtuellen Produkte-Bibliotheken Ideen tauschen. Bisher hat Knappheit die Welt regiert, und die Kernaufgabe der Ökonomie war es, knappe Güter effizient zu verteilen. Der 3-D-Drucker schafft eine neue Welt, in der es von allem genug gibt. Das wird nicht nur die Spielregeln des Marktes, sondern auch unser Denken grundlegend verändern. Werden wir durch den Überfluss fett und träge? Nein, im Gegenteil: der Harvard-Ökonom Sendhil Mullainathan und der Princeton-Psychologe Eldar Shafir haben in ihrem Buch «Knappheit» mit Dutzenden von Experimenten nachgewiesen, dass Menschen bei Überfluss klüger entscheiden, als wenn sie in Not sind.

Karin Frick schaut für SWISSLIFE in die Zukunft. Die Ökonomin erforscht und analysiert seit vielen Jahren Trends und Gegentrends in Wirtschaft, Gesellschaft und Konsum. Sie ist Leiterin Research und Mitglied der Geschäftsleitung des Gottlieb Duttweiler Instituts.



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