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Hier steckt Potenzial

Viele Geflüchtete bringen mit, was die Schweiz dringend benötigt: Arbeitswille und Vorkenntnisse.

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Asylwesen
Strassenmagazin Nr. 571 15. März bis 4. April 2024 Bitte kaufen Sie nur bei Verkäufer*innen mit offiziellem Verkaufspass davon gehen CHF 4.–an die Verkäufer*innen CHF 8.–

Café Surprise – eine Tasse Solidarität

Zwei bezahlen, eine spendieren

Café Surprise ist ein anonym spendierter Kaffee, damit sich auch Menschen mit kleinem Budget eine Auszeit im Alltag leisten können. Die spendierten Kaffees sind auf einer Kreidetafel ersichtlich.

Bild: Ole Hopp Beteiligte Cafés oder bestelle die aktuelle Liste unter +41 61 564 90 90.
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Dranbleiben

Menschen im Asylverfahren haben in der Schweiz keinen regulären Zugang zum Arbeitsmarkt. Wie das Recherchekollektiv WAV für Surprise 562 herausarbeitete, müssen sie zwar in manchen Kantonen an Beschäftigungsprogrammen teilnehmen, werden dafür aber nicht regulär entlohnt und je nach Ort bei Weigerung mit Sanktionen bedacht. Für einige sind die Programme willkommene Ablenkung, für andere aber auch ein weiteres Zwangsregime nach Flucht und Existenzangst. In der Aufnahmegesellschaft hingegen wird nicht selten mit Dankbarkeit argumentiert: Ob die Ankommenden wüssten, was es uns kostet, ihnen Schutz zu gewähren?

Freiwilligkeit ist hier der Schlüssel. Das Recht auf Asyl ist ein Menschenrecht. (Froh kann sein, wer es nie in Anspruch nehmen muss.) Viele der Ankommenden, auch die vorläufig Aufgenommenen, wollen gern arbeiten. Das haben die Befragungen von Hanna Fröhlich von CORRECTIV Schweiz ergeben, ab Seite 8. Der Journalistin erzählten 79 Personen, welche berufichen Vorkenntnisse sie haben und was

4 Aufgelesen

5 Na? Gut! Schweiz verurteilt

5 Vor Gericht Flucht in die Juristokratie

6 Verkäufer*innenkolumne Ein Koffer voller Emotionen

7 Moumouni antwortet Brauchen wir Tabus?

8 Asyl Ohne Arbeitserlaubnis

16 Erdbeben Besuch bei Überlebenden

22 Ein Jahr danach

sie bereit wären zu tun. Gleichzeitig herrscht vielerorts Personalmangel. Dass beide Seiten hier profitieren könnten, ist selbst den Behörden bereits bewusst. Steht nun ein Kulturwandel an?

An einer grossen Recherche wie dieser dranzubleiben, ist nur mit entsprechenden Ressourcen möglich – Recherchekollektive wie WAV oder CORRECTIV füllen Lücken, welche der Wandel in der Medienwelt hinterlassen hat. Andere sind Einzelkämpfer wie der Fotograf Murat Türemiş: Weil es ihn persönlich bewegt, hat er im letzten Jahr mehrfach die durch das Erdbeben vom Februar 2023 schwer getroffene türkische Provinz Hatay und dortige Überlebende besucht, ab Seite 16. Seine Bilder zeugen von anhaltender Zerstörung und der Suche nach einem Umgang damit.

24 Kultur «Migration bedeutet immer einen Bruch im Leben»

26 Veranstaltungen

27 Tour de Suisse Pörtner in Basel, Spalen

28 SurPlus Positive Firmen

29 Wir alle sind Surprise Impressum Surprise abonnieren

30 Surprise­Porträt «Wir geben uns Halt»

Surprise 571/24 3 Editorial
SARA WINTER SAYILIR Redaktorin
TITELBILD: ANWAR

Auf g elesen

News aus den 100 Strassenzeitungen und -magazinen in 35 Ländern, die zum internationalen Netzwerk der Strassenzeitungen INSP gehören.

Im Museum

Zum zweiten Mal in ihrem Leben besuchte die Strassenmagazin-Verkäuferin Gabriela Băncuța dieses Jahr ein Kunstmuseum und verliebte sich in die Engelsgemälde der finnischen Nationalgalerie. Băncuța wurde in Rumänien geboren, lebt aber schon seit fast 14 Jahren in Helsinki – 13 Jahre davon war sie obdachlos.

ISO

1 In einem grösseren Saal hängt der «Mythos Aino», ein Triptychon von Akseli GallenKallela. Die Geschichte aus dem finnischen Nationalepos Kalevala handelt von Aino, die sich lieber ertränkt, als einer arrangierten Ehe mit dem älteren Väinämöinen zuzustimmen. «Schrecklich anstrengend für eine Frau. Sie wollte lieber allein sein als mit einem Mann», sagt Băncuța. Sie selbst hat geheiratet, bevor sie 18 war. Ihr Ehemann starb später.

2 In der Lobby im Obergeschoss betrachtet Băncuța «Vanha Tamma» (dt. «Alte Stute») des Künstlers Nils Kreuger. Sie sagt, dass ihr das Pferd leid tue. «Das Pferd ist ein grossartiges Tier, aber Gott hat ihm eine so schwere Aufgabe gegeben. Es gibt immer Arbeit, nie Ruhe. Sie schlafen sogar im Stehen. Auch dieses Pferd hat weder Futter noch Wasser, niemand kümmert sich.»

3 Ihr Lieblingsbild der Sammlung ist «Kirkastunut» (dt. «Erleuchtet») von Ilona Harima aus dem Jahr 1939. «Hier betet eine Frau zu Gott und Jesus um himmlische Führung. Sie bittet um Hilfe, weil sie sie braucht und Kinder hat, und Gott erhört sie, deshalb schickt Jesus ihr einen Engel zu Hilfe», sagt Băncuța. «Ich habe das Gefühl, dass Gott mich heute hierhergeschickt hat, um dieses Gemälde zu sehen, um mir Kraft zu geben.»

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NUMERO, HELSINKI
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Schweiz verurteilt

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg hat die Schweiz wegen Diskriminierung verurteilt und damit Kläger Mohamed Wa Baile Recht gegeben. Wa Baile war 2015 auf dem Weg zur Arbeit am Hauptbahnhof Zürich von der Polizei aufgefordert worden, sich auszuweisen. Als er sich weigerte, wurde er durchsucht. Ein Strafverfahren wurde eingeleitet, Wa Baile zu einer Geldstrafe von 100 Franken verurteilt. Mit Unterstützung der Allianz gegen Racial Profiling klagte er bis vor Bundesgericht: Die Identitätskontrolle sei rechtswidrig und einzig aufgrund seiner Hautfarbe geschehen.

Die Richter*innen am EGMR haben das nun bestätigt. In der Personenkontrolle sowie im Verfahren vor Schweizer Gerichten sehen sie Verstösse gegen das Diskriminierungsverbot, das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und das Recht auf wirksame Beschwerde. Die Schweizer Gerichte hätten prüfen müssen, ob bei der Personenkontrolle diskriminierende Gründe eine Rolle gespielt hätten. Die Schweiz muss Wa Baile nun knapp 24 000 Euro für Kosten und Auslagen zahlen.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hält das Urteil im Fall Wa Baile auch über die Landesgrenzen der Schweiz hinaus für wegweisend. Ebenso Daniel Moeckli, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Zürich, der gegenüber Tamedia sagte, es sei das erste Mal überhaupt, dass der EGMR in dieser Deutlichkeit zum Schluss komme, dass eine Personenkontrolle Racial Profiling darstelle und damit das Diskriminierungsverbot verletze. LEA

An dieser Stelle berichten wir alle zwei Wochen über positive Ereignisse und Entwicklungen.

Vor Gericht

Flucht in die Juristokratie

Anscheinend, so berichtete die Sonntagszeitung, kursiert in Justizkreisen derzeit dieser Witz: Wahrscheinlich habe das Zürcher Obergericht seinen Beschluss vom 25. Januar 2024, das Urteil gegen Ex-Raiffaisen-CEO Pierin Vincenz und Konsorten aufzuheben, erst am 20. Februar publiziert, damit er nicht Thema der Schnitzelbänke an der Basler Fasnacht wird. Wobei die Geschichte aus rechtsstaatlicher Perspektive alles andere als lustig ist. Vor dem Gesetz sind alle gleich – so zumindest lautet das Versprechen an alle Bürger*innen. Doch allzu oft sind einige doch gleicher als die andern, da spielt der Reichen-Bonus. Das zeigt dieser Fall.

Kurz zur Erinnerung: Der ehemalige Top-Banker Vincenz und vier Geschäftspartner wurden im April und August 2022 zu teilweise mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Das Bezirksgericht Zürich hatte es als erwiesen angesehen, dass sich die fünf Männer des Betrugs, der ungetreuen Geschäftsführung, der Urkundenfälschung sowie der Veruntreuung schuldig gemacht hatten. Es ging um den Kauf von Firmen, an denen die Beschuldigten insgeheim beteiligt waren und so Millionen einstrichen. Und um Bordellbesuche auf Kosten der Bank.

Gegen dieses Urteil gingen die Beteiligten vor dem Zürcher Obergericht in Berufung und verlangten die Rückweisung des Falls an die Staatsanwaltschaft. Die Akten seien unvollständig, die Richter der Vorinstanz befangen gewesen und, gravierend, sie sehen das Anklageprinzip durch die viel

zu lange und plauderhafte Anklageschrift verletzt. Zudem seien die Verfahrensrechte eines französischsprechenden Beschuldigten nicht gewahrt, da ihm die Klage nicht übersetzt wurde. Weil sie nicht genau gewusst hätten, was man ihnen vorwirft, hätten sich die Beschuldigten nicht effektiv zur Wehr setzen können.

Das ist lachhaft. Erstens beginnt jede gerichtliche Befragung mit der Frage, ob die oder der Beschuldigte verstanden hat, was Gegenstand des Verfahrens sei und ob die beschuldigte Person die Sache mit dem*der Verteidiger*in besprechen konnte. Auch in diesem Fall. Kann auch gut sein, dass die 356-seitige Klage streckenweise «ausschweifend» und stellenweise «pauschal» formuliert war. Das trifft häufig zu bei grossen Wirtschaftsfällen, wenn es um hochkomplexe Sachverhalte geht. Doch die Behauptung, dass sich genau diese fünf Männer nicht effektiv verteidigen konnten, ist ein Hohn für alle, die sich kein Team von Staranwälten leisten können – die nun am Obergericht Zürich erfolgreich die Aufhebung des Urteils erwirkten. Wegen «schwerwiegenden Verfahrensfehlern».

Es ist eine veritable Ohrfeige für die Strafverfolgungsbehörden und das erstinstanzliche Gericht. Was die Substanz des Falls betrifft: leeres Hickhack. Es geht um Formelles statt um die Schuldfrage. Hier zeigt sich, inwiefern Mächtige und Einflussreiche vor dem Gesetz eines demokratischen Rechtsstaats bessergestellt sind. Für sie gibt es Mittel zur Flucht in eine abstrakte Juristokratie.

YVONNE KUNZ ist Gerichtsreporterin in Zürich.

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PRISKA WENGER
ILLUSTRATION:
Na? Gut!

Ein Koffer voller Emotionen

Als ich das letzte Mal nach Somalia reiste, wurde mir die Hälfte der Sachen aus dem Koffer gestohlen. Als ich ihn aufgegeben hatte, war er 30 Kilo schwer. Als ich ihn wiederbekam, wog er noch 15 Kilo. Die Hälfte war weg. Das Schloss war aufgebrochen.

Ich vermute, dass es auf dem Transit in Dubai passiert ist. Der Flughafen in Mogadischu ist klein, überall sind Kameras. Dubai ist riesig und unübersichtlich.

Nun waren in dem Koffer nicht nur meine eigenen Sachen drin, sondern viele Geschenke, die ich nach Somalia mitbringen sollte. Wenn jemand aus der Community nach Somalia reist, gibt man dieser Person Sachen für Verwandte und Freunde mit und sagt: «Bring es meiner Schwester, meinem Bruder, meiner Familie.» Kleider, Schuhe, Schweizer Schokolade und so weiter. Die Familie hatte ihren Verwandten im Voraus mitgeteilt: «Wir geben Seynab dies und jenes mit.» Das wird alles abgemacht und angekündigt. Alle freuen sich. Es gehört dazu, dass man für andere Personen Sachen überbringt.

Als meine Mutter krank war, kaufte ich oft Medikamente in der Schweiz und gab sie auch anderen mit. Ich ging sogar damit an den Flughafen und wartete. Ich schaute, ob jemand nach Somalia reist, und dann sprach ich die Leute an: «Gehst du in

die Heimat? Meine Mutter ist krank, kannst du diese Medikamente für sie bitte mitnehmen?» Ich gab das Rezept als Bestätigung für den Zoll mit. Die Leute machen das für einen, man hilft sich gegenseitig. Sie sehen, das sind Medikamente, das ist wichtig, jemand wird das dringend benötigen. Ich rief dann jeweils meine Angehörigen an: «Mit dem Flug so und so kommt eine Person und bringt dir was mit.» Dann warten die Verwandten schon am Flughafen, um es in Empfang zu nehmen.

Und jetzt kam ich mit leeren Händen in Mogadischu an. Das geht eigentlich nicht. Ich musste all den Leuten mitteilen: «Entschuldigung, die Sachen sind weg.» Ich konnte ihnen nicht ins Gesicht schauen. Ich schämte mich. Ich wusste, wie sie sich gefreut hatten, ich wusste, wie enttäuscht alle waren. Wenn es nur meine Sachen gewesen wären, wäre da meine Wut gewesen und fertig. Weil aber die Gegenstände von so vielen Menschen in dem Koffer lagen, waren die gestohlenen Waren auch mit ihren Emotionen verbunden. In diesem Koffer lagen Vorfreude, Erwartung, die emotionale Verbindung zu den Verwandten in der Schweiz. Und am Schluss dann zusätzlich meine Wut, meine Tränen, meine Schuldgefühle, meine Scham und ihre Enttäuschung.

SEYNAB ALI ISSE, 52, verkauft Surprise am Bahnhof Winterthur. Sie reist nicht mehr oft nach Somalia, seitdem ihre Mutter gestorben ist. Die Gelegenheiten, Geschenke mitzubringen, sind rar geworden.

Die Texte für diese Kolumne werden in gemeinsamen Workshops von sozialer Arbeit und Redaktion erarbeitet. Die Illustration entsteht in Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern – Design & Kunst, Studienrichtung Illustration.

Verkäufer*innenkolumne
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ILLUSTRATION: HELENA HUNZIKER

Moumouni antwortet

Brauchen wir Tabus?

Hinweis: Im Folgenden geht es um Suizid und psychische Erkrankungen.

1. Bruderliebe

Ich hab mich vor meinem Bruder geoutet. Ich hab’s irgendwie nicht mehr ausgehalten. Ich hatte immer so Angst. Irgendwann hab ich gemerkt, dass ich die Zeit mit ihm nicht mehr geniessen kann, weil ich zu sehr damit beschäftigt war, daran zu denken, wie er reagieren würde, wenn ich es ihm sage. Da dachte ich: Macht voll keinen Sinn, wenn ich es ihm nicht sag’, damit wir ein gutes Verhältnis haben – aber das gar nicht geniessen kann. Verstehst du? Und dann hab ich so überlegt und überlegt und dachte mir: Fuck it. Ich weiss eh, dass er mich liebt. Scheissegal, was er sagt, er wird mich ja wohl weiter lieben. Er ist mein Bruder, der kann gar nicht anders. Und selbst

wenn er dann denken würde, dass er mich hasst, weil ich schwul bin, er würde mich trotzdem lieben. Ich bin sein Blut.

Als ich es ihm endlich gesagt hab, hat er mir hart auf die Schultern gehauen, mich grob am Nacken gepackt, auf die Wangen geküsst und dann gesagt: Ich schwör’, ich würde dich sogar lieben, wenn du auf Hunde stehen würdest! Wie hetero kann man sein? Ich erzähl ihm, dass ich auf Männer stehe, und er vergleicht das gleich mit Hunde ficken. Aber ich bin froh, dass ich’s ihm gesagt hab. Und dass er weiss, dass er mich trotzdem liebt. Also, dass ich das auch weiss, jetzt.

2. Alle kennen es

Am Tag, an dem ich anfing, davon zu erzählen, hörte es nicht mehr auf. Plötzlich haben alle Verständnis und aus-

serdem ein Familienmitglied, dem es genauso geht. Dabei habe ich erst von Mariamas paranoider Schizophrenie erzählen können, nachdem ich es einfach nicht mehr für mich behalten konnte. Es brach aus mir heraus wie Wasser aus zu einer Schale geformten Händen. Ich konnte es nicht mehr aufhalten. Besser, ich kündige es selbst an, bevor sie irgendwo anruft oder auftaucht.

Plötzlich hat meine beste Freundin einen Bruder, der in eine Psychose mit religiösem Wahn gefallen ist und Stimmen hört. Und ihr Ex hat wohl Borderline oder was auch immer. Aber er hat eben ähnliche Symptome wie L, die sich schon mehrmals das Leben nehmen wollte und manchmal auch einfach nur damit droht. Und S findet in der Therapie heraus, dass die Phasen, in denen sich ein Schleier über ihr Leben legt, wohl in das Krankheitsbild der Depression fallen. Und dass sie Medikamente nehmen kann, die helfen. Sie erzählt mir eine vollkommen neue Geschichte, von ihrer Mutter, von der ich wusste, dass sie verstorben ist, als sie ein Kind war. Sie sei gewesen wie Mariama. B erzählt mir von seinem Jugendfreund, der sich im letzten Jahr das Leben genommen hat, nachdem er zwei Jahre lang nichts anderes mehr konnte, als verwirrt im Café zu sitzen. Er sei gesprungen, man wisse nicht genau, ob im Glauben, dass er fliegen könne, oder in tiefster Verzweiflung. U erzählt mir, seine Mutter habe ab und zu Phasen, in denen er sie nicht verstehe. I erzählt mir von ihrem Bruder, der auf der Strasse gelandet sei während einer Psychose. Er glaube ihr nicht, dass sie sie sei, und habe das Gefühl, sie sei von den rassistischen Behörden ermordet und ausgetauscht worden. Es sei so anstrengend und sie habe Angst um ihn, wenn er mit der Polizei interagiere, ich wisse schon, so als Schwarzer Mann. Wieso haben wir uns das alles nicht schon früher erzählt? Es hätte wohl geholfen.

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ILLUSTRATION: CHRISTINA BAERISWYL FATIMA MOUMOUNI pssschhhhhhhht!!

Ignoriertes Potenzial

Asyl Der Bildungsstand von geflüchteten Menschen wird in der Schweiz nirgends erfasst. Dabei bringen die meisten von ihnen Know-how mit, welches das Land dringend brauchen könnte.

TEXT HANNA FRÖHLICH ILLUSTRATIONEN ANWAR

Das ehemalige Kurhotel und Restaurant «Gurnigelbad» liegt auf dem Gurnigel, einem Hügelzug am Nordrand der Freiburger Alpen im Berner Rüti. Es ist ein hölzernes altes Haus, das eher an eine Herberge für Wanderer als an ein Hotel erinnert. Seit gut einem Jahr dient es als Asylunterkunft. Der Zweck: geflüchtete Personen unterzubringen, solange sie auf einen Bescheid warten, der über ihre Zukunft entscheidet.

Birhane Tadesse, ein ruhiger Mann Mitte dreissig mit wachen Augen und breitem Lachen, wohnt seit einem Jahr hier. Zuhause in Äthiopien hat er als Feuerwehrmann am Flughafen gearbeitet. Auch hier in der Nähe, in Belp, gibt es einen kleinen Flughafen. Er war schon dort, hat nach Arbeit gefragt. Man hat ihm die Technik gezeigt und ihm alles erklärt. Die Arbeit ist die gleiche wie zuhause.

Birhane Tadesse, der eigentlich anders heisst und wie alle Menschen im Asylprozess hier anonymisiert auftritt, spricht gerne über seinen ehemaligen Beruf, nur hat ihn bis jetzt niemand danach gefragt. Der Bildungsstand von geflüchteten Menschen wird in der Schweiz nirgends erhoben. Während Tadesse wartet, ist er nur eines: ein Asylbewerber. Seine Ausbildung, seine Berufserfahrung, sein Potenzial für den Schweizer Arbeitsmarkt spielen keine Rolle.

Einen Tag in der Woche kann Tadesse die Asylunterkunft verlassen, um als freiwilliger Helfer auf einem Friedhof zu gärtnern. Mehr ist nicht möglich, obwohl er gerne öfter aushelfen würde. «Rausgehen, um zu arbeiten, befreit den Geist, schafft Sinn», sagt Tadesse. «Die Atmosphäre in der Asylunterkunft ist aufgeladen und depressiv, den Leuten geht es nicht gut, sie alle haben ihre Probleme, ihre individuellen Fluchtgeschichten, Heimweh.»

Rauszukommen sei schwierig, die Asylunterkunft liegt oben auf dem Berg, der letzte Bus vom Dorf aus fährt um 19 Uhr, danach erreicht man die Unterkunft nur noch zu

Fuss von Riggisberg aus. Elf Kilometer läuft einer der Bewohner jeden Abend nach oben, um trotzdem das Boxtraining in Bern besuchen zu können. In der Türkei, dem ersten Fluchtland nach Afghanistan, hat er sein Geld als professioneller Boxer verdient.

Zweimal die Woche kommt eine Handvoll ältere Damen in die Unterkunft, um Deutsch zu unterrichten. «Im Vordergrund steht die Beschäftigung der Geflüchteten», sagt Katharina Müller, eine der Freiwilligen. Die Frauen sind pensioniert und engagieren sich in ihrer Freizeit für die Leute. Neben den Angestellten des SRK, das die Asylunterkunft führt, sind sie ihre einzigen Ansprechpersonen, der einzige Kontakt nach draussen.

Fokus auf Herausforderungen

In den Kursen ist die Stimmung gut, die Leute scherzen und helfen einander, wenn der Wortschatz einer Person mal nicht ausreicht, um einen Satz zu formulieren. Heute üben sie Bewerbungsgespräche. Sie alle wären bereit zu arbeiten. Den meisten ist bewusst, dass sie nicht mehr das Gleiche tun können wie zuhause – vorerst jedenfalls, da das Deutsch noch nicht gut genug ist oder das Zertifikat nicht anerkannt wird. Beides zählt zu den grössten Herausforderungen zur Arbeitsmarktintegration, wie Jonas Lehner vom Schweizerischen Arbeitergeberverband bestätigt: «Das Beherrschen einer Landessprache ist nach wie vor in vielen Branchen eine wichtige Voraussetzung für eine Anstellung und für die professionelle Ausübung des Berufs. Eine weitere Herausforderung ist die Vergleichbarkeit von Diplomen und Abschlüssen. Bildungssysteme und Berufsabschlüsse variieren von Land zu Land erheblich.»

«Ich war Mitglied des afghanischen Parlaments, bevor die Taliban an die Macht kamen, in der Türkei habe ich als Lehrer und als Bauleiter gearbeitet», berichtet ein

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Mit Hilfe der digitalen Plattform CrowdNewsroom haben wir 79 Personen im Asylverfahren zu ihrem Bildungsstand befragt. Konkret: Was sie früher gearbeitet haben und was sie sich vorstellen können, in der Schweiz zu arbeiten – und was sie sonst noch sagen möchten. Dies sind einige Rückmeldungen.

VENEZUELA Ich habe 25 Jahre lang als Assistentin in einem Zivilgericht in der Gemeinde Río Chico, Stadtbezirk Páez, im Bundesstaat Miranda, Venezuela, gearbeitet. Ich würde gerne im Bereich des Schreibens und Transkribierens arbeiten, aber ich weiss, dass der sprachliche Faktor dies ein wenig schwierig macht. Ich würde aber auch gerne mit Kindern oder älteren Menschen arbeiten. Ich bin sehr motiviert und eifrig. Ich musste aus politischen Gründen flüchten, weil ich anders denke als der derzeitige Präsident Maduro. Ich kann nicht in mein Land zurückkehren, da ich bei der Einreise sofort festgenommen werden würde; es liegt ein Haftbefehl gegen mich vor.

AFGHANISTAN Ich war Ölwechselmechaniker. Hier könnte ich als Fahrer von schweren Maschinen arbeiten. Ich strebe danach, meinen Job gut zu machen, und ich liebe es, effizient zu sein. Ich habe eine grosse Liebe zur Arbeit und würde gerne viel arbeiten.

TÜRKEI Ich habe einen Master im Bereich Landwirtschaft, Elektro- und Sanitärinstallation. Hier könnte ich in der Elektrizität, Sanitäranlagen und Landwirtschaft arbeiten. Ich möchte weiterhin die Arbeit machen, die ich verstehe und einen Beitrag in diesem Land leisten.

TÜRKEI Ich habe als Physiklehrer gearbeitet. In der Schweiz könnte ich eine Weiter- oder Ausbildung als Physiklehrer, in der Autoreparatur, Schneiderei oder Haushaltselektrik machen. Es ist schwer, untätig zu warten, wenn man nicht bei der Familie ist.

IRAN Ich habe 24 Jahre als Fahrer im Strassenbau gearbeitet. In Zukunft kann ich als Fahrer oder als Maler arbeiten. Während meiner Arbeit im Iran habe ich eine Innovation angestossen, einen Strassenbelag, der viel haltbarer ist. Arbeitslos zu sein seit einem Jahr, ist sehr schwierig.

TÜRKEI Ich habe als Mathematiklehrer gearbeitet. Ich würde gerne an einer Universität studieren, um meine Chancen auf einen Arbeitsplatz zu erhöhen. Denn ich glaube, dass es schwer sein wird, eine Stelle als Mathematiklehrer zu finden. Aber wenn man mir die Chance gibt, kann ich auch als Mathematiklehrer oder in einem verwandten Bereich arbeiten. Ich kann im Bankensektor arbeiten, wenn ich die Möglichkeit habe, die notwendigen Kurse zu besuchen. Ich möchte mich auf jeden Fall am Arbeitsleben beteiligen und so schnell wie möglich integrieren.

IRAK Ich habe einen Uniabschluss als Buchhalter. In der Schweiz würde ich gerne als Buchhalter arbeiten. Ich bin homosexuell und musste deshalb flüchten.

gewährten Schutzstatus S, der eine Arbeitserlaubnis enthält. Hier seien in Rahmen eines Pilotprojekts Qualifikationen erhoben worden. «Das ist bei anderen Geflüchteten im ordentlichen Asylverfahren bisher noch nicht der Fall. Wir prüfen aber derzeit, wie sich neue Erhebungsmethoden im SEM ermöglichen lassen. Die Kantone führen Potenzialabklärungen durch, wo u.a. Qualifikationen erhoben werden», sagt Regula Mader, Vizepräsidentin des SEM. Bei Asylsozialhilfeabhängigen Personen komme seit 2019 zudem eine Integrationsagenda zum Zuge: «Das Ziel ist, dass diese Personen unterstützt werden, damit sie Zugang zum Arbeitsmarkt oder zu Bildung finden.»

Berufliche Perspektiven bitten

SP-Nationalrätin Sandra Locher Benguerel wünscht sich mehr als das. Sie hat einen Vorstoss eingereicht, der die Erhebung des Bildungsstands von Schutzsuchenden fordert. Das liegt im Interesse der Schweiz, wie sie betont. «Das Erfassen der Kompetenzen und Bildungspotenziale von Geflüchteten in der Schweiz würde helfen, den bildungspolitischen Handlungsbedarf abzulesen, gezielt steuern zu können und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken», sagt Benguerel. Denn es sei sowohl für die geflüchteten Menschen als auch für die Schweiz von grundlegender Bedeutung, den Neuankommenden und insbesondere denjenigen, die zu einem langfristigen Exil gezwungen sind, berufliche Perspektiven zu bieten, damit sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten und sich in die Gesellschaft integrieren könnten. Der Nationalrat teilt Benguerels Meinung und hat den Vorstoss angenommen. Der Bundesrat hingegen hat die Ablehnung beantragt. Den obligatorischen Bericht dazu hat er noch nicht veröffentlicht.

GUINEA Ich habe als Maler und als Metallschweisser gearbeitet. In der Schweiz könnte ich das Gleiche machen. Ich bin zuerst nach Italien geflüchtet, aber dort ist es sehr hart. Deswegen bin ich jetzt hier, die Schweiz aber sagt, ich solle zurück nach Italien. Ich habe Angst, dass sie mich zwingen. Die Schweiz ist ein sicheres Land. Ich bin seit 2017 auf der Flucht.

TÜRKEI Ich habe 7 Jahre als Masseur im Tourismussektor gearbeitet. Ich kann auf dem Bau arbeiten oder als Fahrer. Ich möchte arbeiten, aber es will mich niemand nehmen mit N-Ausweis. Ich möchte einfach arbeiten, ich will nicht mal Geld dafür.

79 Personen haben uns in einer ersten Recherche über ihren beruflichen Hintergrund und ihre Einsatzmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt berichtet. Arda Nur ist einer von ihnen. Jeden Tag scrollt er auf seinem Handy durch die Fotos und Videos von seiner Familie, die immer noch in der Türkei ist. Arda Nur ist Kurde und wird in der Türkei politisch verfolgt. «Da in der Region, aus der ich stamme, ausschliesslich Kurd*innen leben, haben wir dort Probleme. Ich musste hierherkommen, nachdem in der Türkei aus politischen Gründen ein Haftbefehl gegen mich erlassen wurde.»

Arda Nurs Bilder, die er mit Acrylfarbe malt, hängen in der Asylunterkunft an der Wand. Er hat in der Türkei als Verkäufer im Export- und Logistikunternehmen seiner Familie gearbeitet. Seine Muttersprache ist Kurdisch, schreiben und lesen kann er jedoch nur auf Türkisch, da Kurdisch in der Türkei unterdrückt wird. Er lebt seit etwa elf Monaten in der Schweiz. Mit ihm leben in der Asylunterkunft Gurnigelbad zurzeit knapp 160 Personen. Jeweils acht Leute teilen sich ein Zimmer. Ein Grossteil von ihnen wartet schon über ein Jahr auf einen Entscheid. 160 Leute, die seit einem Jahr einer Arbeit nachgehen könnten.

Der demografische Wandel führt dazu, dass die Schweizer Bevölkerung immer älter wird und gleichzeitig immer weniger Leute arbeiten und in die AHV einzahlen werden. Insgesamt bedeutet dies, dass bis 2040 rund

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431 000 Personen im Arbeitsmarkt fehlen. Dies sind rund acht Prozent der gesamten heute erwerbstätigen Bevölkerung. Michael Siegenthaler von KOF macht in diesem Zusammenhang auf einen grundsätzlichen Punkt aufmerksam: «Fachkräftemangel bedeutet für die Volkswirtschaft primär eine Bremswirkung. Wenn zusätzliche Fachkräfte in den Arbeitsmarkt integriert werden können, um die nicht gefüllten Stellen zu besetzen, bedeutet das sehr wahrscheinlich zusätzliches Wachstum.» Deshalb sei eine Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt gesamtwirtschaftlich sinnvoll. Daher sei es fragwürdig, dass gewisse Kantone Geflüchteten mit Restriktionen den Weg in den Arbeitsmarkt erschwerten.

Neben Asylunterkünften hat uns die Recherche auch in Rückkehrzentren geführt. Hier wohnen die Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde. Der politische Wille ist: Sie sollen sich nicht integrieren, sondern das Land möglichst schnell verlassen. Eine Arbeitserlaubnis steht deshalb ausser Frage. Die Realität ist jedoch: Die Hälfte der Abgewiesenen kann aus humanitären Gründen gar nicht ausgeschafft werden, weil die unsichere Lage in ihrem Heimatland es nicht zulässt. Sie bleiben länger in der Schweiz, viele von ihnen bis zu mehreren Jahren.

Ausharren in Resignation

Ein solches Rückkehrzentrum ist Bellelay im Kanton Bern, von den Höhenzügen des Juras umgeben. Hier oben ist es still. Eine weisse Schneedecke hat das Dorf unter sich bedeckt. Das Zentrum befindet sich im Gebäude einer ehemaligen Psychiatrie. Hier wohnen fünf Familien, hauptsächlich Frauen mit ihren Kindern. Wie in Gurnigelbad fährt auch hier der letzte Bus um 18:30 Uhr nach Tavannes, dem nächstgelegenen Dorf mit einem Laden. Nur die Kinder verlassen das Haus, um zur Schule zu gehen.

Die Bewohnerinnen sitzen zusammen im Gemeinschaftsraum. Eine Freiwillige, die regelmässig nach Bellelay kommt, verteilt Weihnachtsbeleuchtung und Kleider an die Frauen. Auch Lara Sambo wohnt hier. Sie trägt einen knöchellangen hellgrünen Rock mit afrikanischem WachsPrint und auf dem Kopf eine übergrosse gestrickte Wollmütze mit Schweizerkreuz und Raiffeisen-Logo. «Wir warten und warten», sagt sie. Sie ist mit ihrem kleinen Sohn hergekommen. Weit gereist, eine gefährliche Strecke. Im Kongo hatte sie eine Ausbildung als Näherin gemacht.

Hier in der Schweiz würde sie sich gerne zur Pflegeassistentin ausbilden lassen. Eine andere Frau aus Ghana spricht fliessend Englisch und hat als Sekretärin bei einer Immobilienfirma gearbeitet, jetzt in der Schweiz sähe sie sich im Marketing oder in der Pflege.

Die Frauen versuchen positiv zu bleiben, und doch ist ihren Gesichtern die Resignation anzusehen. Schlimmstenfalls droht ihnen eine Zwangsausschaffung, bestenfalls können sie auf ein Härtefallgesuch mit positivem Ausgang hoffen. Das Gesuch kann bei Familien nach fünfjährigem Aufenthalt in der Schweiz beantragt werden, bei Alleinstehenden je nach Alter nach fünf- oder zehnjährigem Aufenthalt. Vorweisen müssen sie dafür unter anderem Deutsch-, oder wie hier in Bellelay, mit Zertifikat nachgewiesene Französischkenntnisse auf Niveau A1 sowie ein

Stellenangebot. Um das Härtefallgesuch stellen zu können, müssen heimliche Wege gegangen werden, da die Kriterien dafür – nämlich Integration in die Gesellschaft, Sprachkenntnisse und ein in Aussicht stehender Arbeitsplatz – in der Situation als abgewiesene Person auf dem offiziellen Weg nicht unterstützt werden. Zudem braucht es Anwält*innen, die sich für die Leute einsetzen. Hauptsächlich sind das Freiwillige aus Solidaritätsorganisationen sowie Netzwerken. Im Jahr 2022 hat das Migrationsamt 12 383 Asylgesuche abgelehnt, knapp die Hälfte der weggewie-

Übersicht Aufenthaltsstatus

Asylsuchende (Ausweis N)

Der Ausweis N gibt einer Person von der Gesuchstellung bis zur Beendigung des Asylverfahrens ein Anwesenheitsrecht in der Schweiz.

Vorläufig Aufgenommene (Ausweis F)

Der Ausweis F kann aufgrund einer vorläufigen Aufnahme ausgestellt werden, ist aber keine ausländerrechtliche Bewilligung. Die vorläufige Aufnahme wird Personen gewährt, die von einer Wegweisung betroffen sind, aber aufgrund von Unzulässigkeits-, Unzumutbarkeits-, oder Unmöglichkeitsgründen nicht weggewiesen werden können.

Anerkannter Flüchtling ohne Asylgewährung (Ausweis F)

Wird die Flüchtlingseigenschaft anerkannt, bestehen aber Asylausschlussgründe, erhält der/die Betroffene einen Ausweis F. Diese Personengruppe ist rechtlich besser gestellt als vorläufig aufgenommene Personen, da die Genfer Flüchtlingskonvention ein Mindestmass an Rechten für anerkannte Flüchtlinge vorschreibt, von denen auch per nationaler Gesetzgebung nicht abgewichen werden darf.

Anerkannter Flüchtling mit Asylgewährung (Ausweis B bzw. C)

Wird die Flüchtlingseigenschaft anerkannt und bestehen keine Asylausschlussgründe, hat der/die Betroffene Anspruch auf die Aufenthaltsbewilligung B. Die Erlangung einer Niederlassungsbewilligung C richtet sich nach den allgemeinen ausländerrechtlichen Kriterien.

Schutzbedürftige (Ausweis S)

Der Schutzstatus S gewährt einer bestimmten Personengruppe für die Dauer einer schweren allgemeinen Gefährdung, insbesondere während eines Krieges oder in Situationen allgemeiner Gewalt, kollektiven Schutz. Es handelt sich hierbei um einen rückkehrorientierten Status.

Sans-Papiers

Wurde ein Antrag auf Asyl oder auf eine Aufenthaltsbewilligung abgelehnt, eine Aufenthaltsbewilligung entzogen oder wurde nach Einreise kein entsprechender Antrag auf eine Aufenthaltsbewilligung gestellt, handelt es sich um Personen, die ohne legalen Aufenthaltsstatus in der Schweiz leben.

Quelle: beobachtungsstelle.ch

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senen Personen hat Nothilfe bezogen. Auch Freiwilligenarbeit ist abgewiesenen Asylsuchenden nicht gestattet, und die acht bis zwölf Franken am Tag, die sie vom Kanton bekommen, verunmöglichen eine berufliche Integration – nur schon das Busticket ins nächste Dorf kostet die Hälfte davon. Eine ausweglose Situation: Einerseits ist nicht klar, wann sie in ihr Herkunftsland zurückkönnen, eine Rückkehr kann Jahre dauern. In der Zwischenzeit werden die Betroffenen minimal versorgt, nützen niemandem und wären eigentlich sehr gern zu Arbeit bereit. Auch aus Langeweile.

Das Rückkehrzentrum Enggistein liegt ebenfalls auf einem Hügel in einem spärlich besiedelten Tal. Eigentlich ein schöner Flecken, aber ausser Pferden haben die Leute keine Nachbarn. Soweit das Auge reicht, grasen sie eingezäunt auf der Weide um das Haus herum. Manchmal, wenn die Bewohner*innen des Zentrums eine Geburtstagsparty feiern, werden sie von der Besitzerin des Gutshofs zurechtgewiesen – die Pferde brauchen Ruhe, heisst es.

Einige der vierzig Leute, die hier leben, sind nun seit zehn Jahren in der Schweiz. Zehn Jahre, ohne einer Beschäftigung nachgehen zu können, sich beruflich zu entwickeln, sich zu qualifizieren. Ausserdem zehn Jahre Bangen und Angst haben vor der Abholung. Auch wenn sie es schaffen, nach zehn Jahren in der Nothilfe, ist es danach

oft schwierig. Khalid Akram hat jahrelang in einem Rückkehrzentrum in Aarwangen gelebt. Er hat das Härtefallgesuch überstanden und eine Bewilligung erhalten. Nun ist er daran, sich für Lehrstellen zu bewerben. «Aber wenn ich mich bewerbe, fragen die Leute mich, wieso ich die letzten zehn Jahre nichts gearbeitet habe.»

Andere haben bereits Lösungen

Auf die Frage, wieso hier keine Lösung für die Beschäftigung der Menschen gefunden werde, sagt Regula Mader vom SEM, dass die rechtlichen Bestimmungen keine Möglichkeit für den Fall vorsehen, dass aufgrund eines Härtefallgesuchs keine Lösung gefunden würde. Die Kompetenz, die rechtlichen Bestimmungen zu ändern, liege beim gesetzgebenden Nationalrat. Im Oktober letzten Jahres hat der Bundesrat auf Antrag des Nationalrates entschieden, dass die Voraussetzungen von abgewiesenen Asylsuchenden und jugendlichen Sans-Papiers für den Zugang zur beruflichen Grundbildung gelockert werden sollen.

Andere haben bereits Lösungen entwickelt. Der Europarat und die UNESCO wollen mit einem «European Qualifications Passport» eine Art universellen Beleg für den Bildungsstand von geflüchteten Personen schaffen. So würde aufgrund verfügbarer Nachweise klar werden, welche Qualifikationen sie haben. Einen solchen Nachweis könnten sie bei potenziellen Arbeitsstellen vorweisen und so besser, schneller und von Anfang an in Berufen arbeiten, für die sie qualifiziert sind. Die Schweiz unterstützt bis dahin weder das Projekt des Europarats noch jenes der UNESCO. Die Schweizer Vertretung des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR mit seinem Hauptsitz in Genf sagt dazu: «Was den Europäischen Qualifikationspass für Flüchtlinge betrifft, so würden wir es in der Tat begrüssen, wenn sich die Schweiz an diesem Projekt des Europarates beteiligen würde. Das ist noch nicht der Fall. Dies würde vor allem jenen Flüchtlingen den Zugang zur Hochschulbildung und zum Arbeitsmarkt erleichtern, die auf der Flucht einen Teil oder die Gesamtheit ihrer Diplomdokumente verloren haben.» Doch bisher hat das zuständige Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) diesbezüglich noch keine Entscheidung getroffen.

Recherchenetzwerk CORRECTIV

Die CORRECTIV CrowdNewsroom gGmbH mit Büro in Bern ist die Schweizer Tochter des Recherchenetzwerks CORRECTIV. Ihre Recherchen fördern die Demokratie, indem Bürger*innen daran teilhaben. CORRECTIV in der Schweiz arbeitet nicht gewinnorientiert, ist auf das Gemeinwohl ausgerichtet und finanziert sich vor allem aus institutioneller Unterstützung und Spenden. correctiv.org/schweiz

Alle Befragungsergebnisse finden Sie online bei CORRECTIV unter folgendem Link: correctiv.org/?p=178125

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Ein anhaltender Albtraum

Erdbeben Am 6. Februar 2023 bebte im Südosten der Türkei und in Nordsyrien die Erde. Auch heute noch ist die Region schwer gezeichnet, die Aufräumarbeiten dauern. Ein Besuch bei Überlebenden in der stark zerstörten Grossstadt Antakya in der Provinz Hatay.

TEXT UND FOTOS MURAT TÜREMIŞ

Emirkan Keskin

Emirkan Keskin wurde nach über zwei Tagen schwerverletzt aus den Trümmern geborgen. Nachdem er stabilisiert war, wurde dem 19-Jährigen zunächst ein Bein amputiert. Mit 28 Operationen und einer Verlegung in eine bessere Klinik wurde vergeblich versucht, Keskins zweites Bein zu retten. Nach fast acht Monaten Behandlung, Prothesen-Anpassung und Physiotherapie kam er schliesslich aus dem Krankenhaus. Heute lebt er zusammen mit seinem Vater in einer Containersiedlung ausserhalb von Antakya und trainiert dort das Laufen mit Prothesen. Eine Reha-Klinik ist erst im Bau. Emirkan verlor beim Erdbeben seine Mutter und mehrere Freunde. Nun wartet er auf weitere Operationen, die notwendig sind, um die schmerzfreie Bewegung der Hüfte wiederherzustellen.

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Hayriye Över

Einmal die Woche schiebt Mutter Süheyla Över ihre Tochter Hayriye zur Physiotherapie bei einer Hilfsorganisation. Therapeutin Nida Nur Özdemir soll Övers Körper auf die Beinprothesen vorbereiten, auf die sie zehn Monate wartet.

Die 38-Jährige lag nach über 48 Stunden unter Trümmern mit vielen hundert weiteren Verletzten nochmals fünf Tage mit klaffenden Wunden auf einer Rettungstrage im Krankenhaus in Adana. Dann wurden beide Beine teilweise amputiert.

Ihre Töchter Fatma, 17, und Elif Mina, 7, sowie ihr Ehemann Sedat, 47, haben das Erdbeben nicht überlebt.

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Aysel Yüce

Aysel Yüce hat ihre beiden Söhne Fırat, 15, und Ferat, 20, sowie ihren Ehemann Ali, 56, in den Trümmern ihrer Wohnung verloren. Nun lebt sie zusammen mit der ebenfalls obdachlos gewordenen Familie ihrer älteren Schwester bei deren Tochter. Kumsal, 7, spielt mit der Gehhilfe ihrer Grosstante.

Yüces rechtes Bein ist unterhalb der Hüfte amputiert, ihr linker Fuss ist teilweise gelähmt. Zusammen mit Physiotherapeut Gökmen Nefsioğulları, 38, übt sie mehrmals wöchentlich das Aufstehen und Gehen mit der Beinprothese.

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Fatma Keklik

Fatma Keklik lag über drei Tage unter Trümmern, bevor sie herausgezogen wurde. Zwei ihrer vier Kinder, ihr Sohn Kaan Eren, 5, und ihre Tochter Hatice Ecrin, 12, überlebten mit kleinen Verletzungen. Ihre Tochter Fethiye, 19, der Sohn Efe, 17, sowie ihr Ehemann verstarben.

Insgesamt hat Fatma Keklik bereits über 30 Operationen hinter sich. Nun wartet sie auf eine Muskeltransplantation. Bisher kann sie ihren linken Arm nicht einsetzen, auch mit der Beinprothese kann sie sich nur schlecht bewegen.

FOTO: ZVG MURAT TÜREMIŞ, 59, ist freier Fotograf und Mitbegründer der laifGenossenschaft mit Wohnsitz in Berlin. Mit seiner Reportage möchte er dazu beitragen, dass die Überlebenden des Erdbebens nicht in Vergessenheit geraten.

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Epizentrum

Einstufung der seismischen Intensität laut USGS-Skala

Das Leben im Jahr nach der Apokalypse

Ein Jahr nach den Erdbeben in der Türkei und Nordsyrien kann in den betroffenen Gebieten von Normalität keine Rede sein. Viele Menschen fühlen sich vom Staat im Stich gelassen.

Dunkelheit, Nebel und Stille liegt über dem südtürkischen Antakya, als am Jahrestag morgens um 4.17 Uhr tausende Menschen der Opfer der Erdbeben gedenken. Plötzlich ruft es aus der Menge: «Hört jemand unsere Stimmen?» Auf einmal rufen Menschen aus jeder Ecke diesen Satz, vereinen sich zu einem spontanen Sprechchor. Er weckt entsetzliche Erinnerungen: Nach den Beben vor einem Jahr riefen die Bergungstrupps diese Worte, um lebend verschüttete Menschen in den Trümmern zu finden. Heute ist es auch ein verzweifelter Ruf der Überlebenden an die Regierung: Hört ihr uns überhaupt, wisst ihr um unsere Lage?

Die Menschen in der Südosttürkei und Nordsyrien erlebten am 6. Februar 2023 eine Art Weltuntergang: Zwei massive Erdbeben der Stärke 7,7 und 7,6 erschütterten eine Region mehr als doppelt so gross wie die Schweiz. In der Türkei starben offiziellen Meldungen zufolge 50 783 Menschen; der türkische Ärzteverband geht von doppelt so hohen Zahlen aus. An viele Orte, vor allem in den von der Opposition regierten Regionen, kam die Katastrophenhilfe sehr spät und unkoordiniert. Zahlreiche Menschen versuchten, ihre Angehörigen mit blossen Händen aus den Trümmern zu graben – meist vergeblich. Viele Stimmen unter den Trümmern verstummten nach einigen Tagen. Für die Menschen in der Region ist das bis heute ein kollektives Trauma. Die Regierung räumt zwar mittlerweile Versäumnisse ein, begründet sie aber mit dem gigantischen Ausmass der Jahrhundertkatastrophe.

In Nordwestsyrien traf das Beben Regionen, die seit Jahren bereits unter dem Bürgerkrieg leiden, man schätzt die Zahl der Erdbebenopfer dort auf 6000. Im Unterschied zur Türkei gab es dort keine Metropolen, Millionen Menschen waren bereits vorher auf der Flucht, viele lebten in Zeltcamps. Weil die meisten Grenzübergänge geschlossen sind, kam internationale Hilfe nur sehr spät und begrenzt. Bis heute mangelt es an Verpflegung und Krankenhäusern. Laut der UN sind nach den Beben eine halbe Million Menschen mehr in Syrien zu Binnenflüchtlingen geworden.

In der Türkei versprach Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan direkt nach den Beben, die Region innerhalb eines Jahres wieder aufzubauen. Ein unrealistisches Versprechen: Über 300 000 Gebäude waren eingestürzt oder schwer beschädigt, es fehlte quasi über Nacht an 850 000 Wohnungen und Geschäftsräumen. Bisher hat die staatliche Baugesellschaft TOKI mit dem Bau von 180 000 Wohnungen begonnen – eine gigantische Zahl und trotzdem viel zu wenig. Zudem sind die Bauarbeiten sehr ungleich verteilt: So wird in der Region Hatay, die am stärksten von den Beben zerstört wurde, bisher am wenigsten gebaut. In der Region Gaziantep dagegen, eine Hochburg von Erdoğans Regierungspartei AKP, ist der Wiederaufbau schon weit vorangeschritten.

Ein Teil der Erdbebenopfer sieht sich von der Politik vernachlässigt, weil sie oppositionell wählen oder Minderheiten angehören: In Hatay leben viele arabischstämmige Alawiten und Chris-

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GAZIANTEP ADANA
ARMENIEN GEORGIEN
ALEPPO IRAN SYRIEN
SCHWARZES MEER ZYPERN TÜRKEI ANKARA
ISTANBUL
MITTELMEER
IRAK DAMASKUS
ANTAKYA
ANTALYA
QUELLE: USGS

ten, Armenier und bis zu den Beben auch eine kleine jüdische Gemeinde, dazu kommen hunderttausende syrische Geflüchtete. Andere Provinzen des Erdbebengebietes, Adiyaman, Kahramanmaraş und Malatya, sind kurdisch geprägt. Die meisten türkeistämmigen Menschen in der Schweiz kommen aus betroffenen Gebieten.

Langsamer Wiederaufbau

Fast 700 000 Menschen leben in der Erdbebenregion noch immer in Containercamps, dazu kommt eine unbestimmte Zahl von Menschen, die noch in Zelten wohnen. Die Containercamps liegen in der Regel an den Stadträndern, wo es an öffentlichen Verkehrsmitteln, Schulen, Krankenhäusern und Arbeit mangelt. Bei heftigen Regenfällen tropft es durch die Containerdächer, verwandeln sich die Zufahrtswege in Schlamm. Die Region war schon vor den Beben eine der ärmeren der Türkei. Nach den Beben sind die Mietpreise explodiert, nur wohlhabende Menschen können sich eine der intakt gebliebenen Wohnungen leisten. Auch die neuen Wohnanlagen werden in der Regel am Stadtrand errichtet, auf Feldern, die schon vor den Beben als möglicher Baugrund ausgewiesen wurden. Im Zentrum von Hatay dagegen werden noch immer schwer beschädigte Häuser abgerissen, gleichen ganze Viertel einer Steinwüste. Unabhängige Stadtplaner*innen und Bauingenieur*innen schätzen, dass der Wiederaufbau der Region mindestens zehn Jahre dauern wird.

Zu den Leidtragenden gehören vor allem die Kinder. Nach den Beben blieben die Schulen in Hatay sechs Monate lang geschlossen. Noch heute mangelt es an Schulgebäuden und Lehrpersonen, die meisten Schüler*innen werden in beengten Räumen nur in den Kernfächern unterrichtet. Schon vor den Beben war Schulraum knapp, wurde teils in Schichten unterrichtet. Nun fehlt es für Sport-, Kunst- oder Musikstunden vielerorts an Personal und Räumen. Ebenso ist die medizinische Versorgung noch immer mangelhaft. Bei den Beben stürzten zwanzig Krankenhäuser und Dutzende Gesundheitszentren ein oder wurden schwer beschädigt. Zwar wurden einige neue Krankenhäuser errichtet, doch es fehlt vielerorts noch an Fachabteilungen und Personal. Die Menschen müssen oft weite Wege in Kauf nehmen, um operiert zu werden oder eine*n Fachärzt*in sehen zu können – kostbare Zeit, die im Ernstfall das Leben kosten kann.

107 204 Menschen wurden laut offiziellen Zahlen bei den Beben verletzt, Hunderte verloren einzelne Gliedmassen. Der Staat stellte rasch Prothesen zur Verfügung, doch es fehlt an flächendeckender Physiotherapie. Ebenso benötigen Zehntausende psychologische Behandlung, um die Traumata zu überwinden. Gleichzeitig drohen nach der akuten Seuchengefahr direkt nach den Beben weitere, neue Gesundheitsrisiken. An den Stadträndern werden gigantische Trümmerberge angehäuft, Staub ist überall. Die Ärztekammer prangert seit Monaten an, dass die beschädigten Häuser nicht fachgerecht abgerissen und entsorgt werden. So gelangen massenhaft Schadstoffe in die Luft und ins Trinkwasser, insbesondere Asbest. Viele Menschen leiden mittlerweile an Atemnot, die Ärztekammer warnt langfristig vor einem massiven Anstieg an Lungenkrebs.

Statt diesen Warnungen Gehör zu schenken, unterdrückt die türkische Regierung kritische Organisationen. Die eigenen Fehler vor und nach der Katastrophe aufzuarbeiten, scheint ohnehin nicht im Sinne Ankaras. Dabei trägt die Regierung Erdoğan eine Mitschuld am Ausmass der Zerstörung. Sie legalisierte beispiels-

weise 2018 durch eine nachträgliche Bauamnestie illegale Bauten – von denen viele den Beben nicht standhielten. Zudem wies sie vielerorts sumpfige Felder als Baugebiet aus, dort stürzten besonders viele Gebäude ein. Regionalverwaltungen schluderten ganz offensichtlich bei den Baukontrollen, auch dort, wo wie in Hatay die oppositionelle Cumhuriyet Halk Partisi CHP regiert. Die legt ebenso wenig Rechenschaft für ihre Fehler ab: In Hatay stellte sie erneut den umstrittenen Bürgermeister Lütfü Savaş als Kandidaten für die anstehenden Kommunalwahlen auf. Die Bevölkerung wirft seiner Provinzverwaltung Korruption bei der Vergabe von Baugenehmigungen vor.

Juristisch haben die Politiker*innen wenig zu befürchten. Bei den ersten Gerichtsprozessen, die in den letzten Wochen begannen, wurden vor allem Bauunternehmer, Ingenieure oder private Baukontrolleure wegen Pfusch am Bau angeklagt. «Aber kein einziger Beamter, gewählter Bürgermeister oder Stadtratsmitglied wurde bisher wegen seiner Rolle bei der Genehmigung zahlreicher Bauprojekte, die weit hinter den Standards für sicheres Bauen zurückblieben, angeklagt», prangerte jüngst die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch an.

Die Menschen in Hatay haben nicht vergessen. Bei der Gedenkveranstaltung am Jahrestag forderte das Publikum lautstark den Rücktritt des Bürgermeisters, Erdoğans Gesundheitsminister empfing man mit Buhrufen, andere Funktionäre wurden als «Mörder» beschimpft. Viele fühlen sich im Stich gelassen. Die Hoffnung, dass jemand ihre Stimme hört, ist gering.

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«Migration bedeutet immer einen Bruch im Leben»

Kino «Gefangene des Schicksals» von Mehdi Sahebi begleitet junge Asylsuchende in der Schweiz. Ein Gespräch über Traumata, Demokratie und die Gefahr der Verallgemeinerung.

INTERVIEW MONIKA BETTSCHEN

Mehdi Sahebi, in Ihrem Dokumentarfilm gewähren Sie einen tiefen Blick in die Gemütslage junger Asylsuchender aus dem Iran und aus Afghanistan. Sie selbst sind Anfang der 80er-Jahre aus dem Iran als politischer Flüchtling in die Schweiz gekommen. Mit welchen psychischen Herausforderungen haben diese Menschen zu kämpfen?

Mehdi Sahebi: Zunächst ist es wichtig, nicht zu verallgemeinern: Es gibt nicht die Flüchtlinge, sondern es sind normale Menschen in herausfordernden Lebenssituationen. Individuen, mit eigenen Träumen, aber auch Traumata: Diese entstehen in den Herkunftsländern, wo oft Repression herrscht. Darauf folgt die Flucht. Migration bedeutet immer einen Bruch im Leben eines Menschen. Man wird heimatlos, anonym und sprachlos, ist ausgeliefert wie ein Kind. Man muss in einer neuen Umgebung eine neue Sprache lernen und hat mit Verlust- und Ohnmachtsgefühlen zu kämpfen. Etwa, weil man lange untätig auf einen Asylentscheid warten muss. Es ist eine Kette von Ereignissen, die auf die Psyche einwirkt. In allen Szenen, bewusst oder unbewusst, geht es um die Verarbeitung von Traumata. Aber nicht nur Geflüchtete, sondern alle Menschen können solche Momente erleiden.

Wie meinen Sie das?

Jeder Mensch erlebt Momente, in denen er sich ohnmächtig fühlt, als Gefangener des Schicksals. Etwa durch Krankheit oder einen Todesfall. Schicksal kann aber auch sein, wenn jemand ein Leben in jenen vordefinierten Bahnen führt, die von der Gesellschaft, den kulturellen Erwartungen oder der Konditionierung vorgegeben sind. Auch dies schränkt die persönliche Freiheit ein, was verhindert, dass ein Mensch sein Potenzial voll ausschöpfen kann.

Sie sind Filmemacher und haben Ethnologie studiert. Wie beeinflusst dies Ihre Arbeit?

Als Ethnologe bin ich an der Geschichte eines Menschen interessiert und als Filmemacher will ich dessen Gedankenwelt erhellen. Bei einem Dokumentarfilm ist es entscheidend, Menschen zu porträtieren, um ein Thema für möglichst viele zugänglich zu machen. Für meinen Film habe ich eine Art Feldforschung gestartet, indem ich meine Protagonist*innen und deren Situation während mehrerer Jahre untersucht habe. Wir sehen junge Erwachsene und erkennen in ihnen die eigene Jugend wieder. Ein solches Langzeitprojekt erfordert Geduld, aber so entsteht

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eine Atmosphäre, in der sich jemand öffnen kann. Das grösste Geschenk, das man einem Menschen machen kann ist, ihm zuzuhören. Und dadurch lernt man auch etwas über sich selbst.

Was bedeutet das in Bezug auf die Fluchterfahrung?

Eine Flucht ist schmerzhaft, birgt aber auch Chancen für die eigene Persönlichkeit, weil man sich in der Fremde intensiv mit sich selbst und mit der eigenen Kultur auseinandersetzt, wobei man auch eigene Abhängigkeiten erkennen kann. Es faszinierte mich, wie die Protagonist*innen Wege fanden, ihre Traumata anzugehen, auch mit Humor oder indem sie einander beistanden. Dies zu dokumentieren, war für mich von grosser Bedeutung, weil ich Ähnliches erlebt habe.

Ihre Protagonist*innen sprechen überraschend offen über psychische Probleme oder Heimweh. Etwa der junge Ezat, der seinen Teddybären zeigt und sagt, dass er mit ihm spricht, wenn er traurig ist.

Häufig wird vergessen, dass viele fast noch Kinder sind. Man sieht nur das Klischee, Bart, dunkle Haare, und nimmt das offenbar erst mal als bedrohlich wahr. Wenn man die Menschen kennenlernt, sieht man aber ihren weichen Kern. Auch hier gilt: Man darf sie nicht als eine homogene Gruppe betrachten. In den Medien sehen wir sie oft in überfüllten Booten oder in Warteschlangen. Durch die stete Wiederholung dieser Bilder neigen die Leute dazu, gleichgültig zu werden gegenüber dem einzelnen Schicksal. Die Vorstellung von einer homogenen Gesamtheit, von dem Volk oder von den Migrant*innen, ist ein falscher Massstab. Sie entspricht einer Ideologie. Das Ganze ist eine Fiktion. Um das Leben zu verstehen, sollte man sich auf das Fragmentarische und das Konkrete konzentrieren. Mein Fokus lag darauf, die Geflüchteten als Individuen zu zeigen. Diese Herangehensweise spiegelt die Überlegungen des deutschen Philosophen Walter Benjamin, der betont hat, dass eine tiefere Untersuchung die Vielfalt der Einzelnen und deren Geschichten berücksichtigen sollte, anstatt sie als homogene Masse zu betrachten.

Es gibt ja auch eine Szene, in der ein SVP-Politiker vom «bedrohlichen Ausmass dieser Völkerwanderung» spricht, während Sanam, eine Ihrer Protagonist*innen, neben ihm sitzt.

Sanam, eine im Iran geborene Afghanin, besucht in dieser Szene eine öffentliche Politveranstaltung zum Thema Migration. Sie tut dies, um sich Rat suchend an die Anwesenden zu wenden. Sie und ihr Mann bemühen sich in dieser Zeit um einen Familiennachzug, weil ihr sechsjähriger Sohn während ihrer Flucht von der iranischen Polizei entdeckt und zurückgebracht wurde.

Es fällt auf, dass der Politiker Sanam nie in die Augen schaut, während sie von ihrer Notlage berichtet.

So, wie auch viele ausblenden, was sich an Europas Aussengrenzen abspielt. Täuscht dieser Eindruck?

Nein, das war tatsächlich so. Es war mir wichtig, diese Kälte und den Mangel an Empathie gegenüber diesem

Einzelschicksal zu zeigen. Aber ich muss auch sagen, dass man gerade an solchen Anlässen, wo ein Austausch stattfindet, sieht, wie demokratisch die Schweiz aufgebaut ist. Sanam wirkt in dieser Szene zwar einsam, aber danach war sie erstaunt, dass sie direkt neben einem Politiker sitzen und sich trotzdem frei äussern konnte. So etwas wäre in Afghanistan oder im Iran unvorstellbar.

Sind wir uns dieser Privilegien in Europa vielleicht nicht so bewusst?

Ja, manchmal denke ich, dass diese Dinge als selbstverständlich betrachtet werden. Diese Freiheiten sind ein Gut, das durch viele Generationen hindurch entstanden ist und das man schützen muss. Es zu verlieren wäre eine Katastrophe. Europa ist für viele Flüchtende eine Verheissung, ein Synonym für Freiheit. Zurzeit drängen viele rechtsextreme Kräfte an die Macht, welche die demokratischen Institutionen angreifen und vernichten wollen. Und darüber hinaus, in Russland, in China oder auch in meinem Herkunftsland, dem Iran, gibt es totalitäre Systeme, die keine freie demokratische Welt wollen. Das dürfen wir nicht vergessen.

MEHDI SAHEBI, 1963 geboren im Iran, floh mit 20 Jahren in die Schweiz, wo er an der Universität Zürich Ethnologie mit Schwerpunkt visuelle Anthropologie, Geschichte und Völkerrecht studierte. Sein Dokumentarfilm «Zeit des Abschieds» gewann 2006 am Filmfestival Locarno an der Semaine de la critique den Preis SRG SSR. «Gefangene des Schicksals» war dieses Jahr für den Prix de Soleure nominiert.

«Gefangene des Schicksals» (Orig. «Prisoners of Fate»), Regie: Mehdi Sahebi, Dokumentarfilm, CH 2023, 100 Min. Läuft zurzeit im Kino.

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Veranstaltungen

Zürich

«Human Rights Film Festival», Do, 4. bis Mi, 10. Apr., Kino Riffraff, Neugasse 57-63. humanrightsfilmfestival.ch

Der Krisen und Kriege sind viele, und manch eine*r ist mit dem persönlichen Umgang damit und der eigenen Ohnmacht auch überfordert. Angesichts dessen, was passiert, ist es auch nicht falsch, sich das einzugestehen. Was vielleicht zusätzlich ohnmächtig macht, ist das Tempo der aktuellen Berichterstattung. Während die Menschlichkeit andernorts verlorengeht, kann man hier und jetzt immerhin eines tun: Diese verteidigen, sich dafür interessieren, sich ihre Bedeutung bewusst machen. Zusammenhänge und Hintergründe verstehen, ein Gespür für Zwischentöne entwickeln. Das Human Rights Film Festival zeigt 22 Werke, die auch Schauplätze besuchen, die schon wieder aus der öffentlichen Aufmerksamkeit verschwunden sind: So begleitet «Etilaat Roz» das Team einer afghanischen Tageszeitung, die investigativ gegen Korruption und Amtsmissbrauch recherchierte. «Photophobia» ist ein slowakisch­tschechisch­ukrainischer Dokumentarfilm über den 12­jährigen Nikita und seine Familie, die in einer U­Bahnstation in Charkiw ausharren. Zu etlichen Filmen gibt es Podiumsgespräche, hierzu eines über die Situation von Minderjährigen in Asylunterkünften in der Schweiz. Alle Filme am Festival sind für Menschen mit Aufenthaltsstatus N, F und S kostenlos. DIF

St. Gallen

«Marta Margnetti: Serenata & New HEADS: JPP & Alexandra Sheherazade Salem», bis So, 12. Mai, Di bis Fr, 12 bis 18 Uhr, Sa und So, 11 bis 17 Uhr, Kunst Halle Sankt Gallen, Davidstrasse 40. k9000.ch

Marta Margnetti, JPP und Alexandra Sheherazade Salem: Drei junge Künstler*innen, die mit unter­

sich mit Identität und Sprache. Die Begegnung mit den Eltern spielt auch in ihren Arbeiten eine entscheidende Rolle. Während die albanischstämmige Künstlerin JPP die Handschrift ihrer Mutter künstlerisch in ein repetitives Wandmuster übersetzt, stellt Salem ein Backgammon­Spiel mit ihrem Vater als Videoarbeit nach. Dabei spüren die Künstlerinnen Lebensgeschichten nach, die von Migration und Fremdheit, aber auch von Verbundenheit geprägt wurden. DIF

Thun

«Stadt – Land – Fluss. Gustav Stettler im Dialog mit der Sammlung», bis So, 21. Apr., Di bis So, 10 bis 17 Uhr, Mi bis 19 Uhr, Kunstmuseum Thun, Hofstettenstrasse 14. kunstmuseumthun.ch

Landschaften, Idyllen. Die Stille. Stadt und Land als zwei Lebenswelten, die sich gegenseitig benötigen und bedingen. Im Kunstmuseum Thun werden Stettlers Arbeiten von einer thematischen Auswahl an Sammlungs werken flankiert, und zwar von solchen, die sich auf ganz ähnliche Weise mit oszillierenden Prozessen zwischen Urbanem und Ländlichem beschäftigen.

Zürich

«Russland gestern, heute und morgen», Gespräche zu den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs, Sa, 23. März, 13 bis 18 Uhr, Saal, Karl der Grosse, Kirchgasse 14.

karldergrosse.ch

schiedlichen Methoden und Medien arbeiten, aber einem gemeinsamen Thema nachgehen: der Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte. Welche Rollen lebt uns unsere Familie vor? Wie viel übernehmen wir von unseren Eltern? Es geht um Häuslichkeit, Generationen, Liebe, Erinnerungskultur, Frauenbilder und Sprache. Margnetti (*1989 in Mendrisio) arbeitet mit Keramik und Bronze genauso wie mit Sound. Da ist etwa eine persönliche Klangarbeit, die auf einem Gespräch mit ihrer Mutter basiert. JPP (von «j’en peux plus», frz. ich kann nicht mehr; *1997 in Genf) und Alexandra Sheherazade Salem (*1996 in La Gruyère) sind Absolventinnen des Masterstudiengangs Bildende Kunst an der Kunsthochschule HEAD Genève. Beide beschäftigen

Gustav Stettler war ein von ländlicher Kindheit und Jugend geprägter Städter, geboren 1913 im bernischen Oberdiessbach und verstorben 2005 in Basel. Themen wie Anonymität und zwischenmenschliche Entfremdung zogen sich durch sein Schaffen, aber auch das Gegenteil: das Zusammenkommen von Menschen, auf der Strasse, in Galerien, in kleinen und grossen Gruppen. Gleichzeitig kam er immer wieder auf die Natur zurück.

Der Ukraine ­Krieg prägt Ukrainer*innen wie Russ*innen, hinterlässt tiefe Spuren in der Psyche und beeinflusst das globale Machtgefüge. Das städtische Debattierhaus Karl der Grosse fragt Expert*innen und Engagierte: Welche Auswirkungen hat dieser Konflikt auf die Beziehungen Russlands zur restlichen Staatengemeinschaft und auf die Erfolgschancen demokratischer Veränderungen? Der Psychiater Andrey Gagarin und der Filmemacher Gregory Amnouel diskutieren Generationentraumata und deren Bewältigung. Alla Sarbach und Sascha Volkov, Vereinssprecher*innen des Ukrainischen Vereins in der Schweiz, sprechen über mögliche Zukunftsaussichten der Ukrainer*innen, und die russische Aktivistin Anastasia Shevchenko berichtet von der Widerstandsbewegung innerhalb Russlands. Die Veranstaltung findet auf Deutsch, Englisch und Russisch statt. DIF

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BILD(1): PHOTOPHOBIA BILD(2): ALEXANDRA SHEHERAZADE SALEM; BILD(3): KUNSTMUSEUM THUN ©CHRISTIAN HELMLE
A rundi Sach
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Pörtner in Basel, Spalen

Surprise-Standorte: Coop Spalemärt

Einwohner*innen: 201 354

Sozialhilfequote in Prozent: 6,7

Anteil ausländische Bevölkerung in Prozent: 36,9

Geschichte: 1885 war Hermann Hesse Schüler im Internat der benachbarten Basler Mission.

Der Laden befindet sich im Untergeschoss eines winzigen Einkaufzentrums. Bei der Textil-Wäscherei können unter anderem Pferdedecken gereinigt werden, es gibt einen Schlüsselshop, ein Atelier für Vorhänge, einen Coiffeur und einen Kleidungsdiscounter. Der Seitenausgang führt auf einen kleinen Hof hinaus, es locken ein Spielplatz und Sitzbänke, das Areal ist allerdings als Privatgelände markiert. Der öffentliche Spielplatz ist bescheidener, er besteht aus einer einzelnen Wackelente, vor der ein Bänklein steht.

An der Strasse dahinter gibt es ein kombiniertes Geschäft für italienische Haarschnitte und Feinkost, gegenüber liegt ein Trainingszentrum, das verspricht: Fit in 20 Minuten pro Woche. Etwa gleich viel Zeit kann man im Sonnenstudio investieren, um die Winterbleiche zu vertreiben,

auch wenn es nicht für Ferien an der Sonne reicht. Der Vordereingang des Grossverteilers liegt an der Missionsstrasse, die auf die ehemals dort ansässige evangelische Mission zurückgeht, es gibt auch einen Pilger- und einen Nonnenweg in der Umgebung.

Auffällig sind die vielen Geschäfte und Institutionen, die sich mit Alter und Gebrechen befassen. Neben Physiotherapie, einem Fachgeschäft für Orthopädie und einer Fusspflegepraxis gibt es einen Sozial- und Finanzservice für Betagte, während der Mittagstisch und die Nachmittagsbetreuung wahrscheinlich eher Kindern offenstehen. Das Pflegehotel und das Pflegezentrum wiederum bedienen wahrscheinlich wieder eine ältere Klientel. Auf der Strasse sind aber Menschen jeden Alters unterwegs, auch Familien mit

den obligaten Lastenvelos oder Kinderwagen. Eine Frau filmt ihren kleinen Hund, der auf dem Trottoir herumsteht. Etwas verloren weht eine verwitterte Regenbogenfahne an einem grossen grauen Wohnhaus.

Gleich zwei Reparaturwerkstätten für Elektrogeräte sollen helfen, den Ressourcenverschleiss einzudämmen, dazu zwei Secondhand-Läden, die gebrauchte Kleidungsstücke aus dem oberen Preissegment anbieten. Um in der gebrauchten, schicken Kleidung gut auszusehen, stehen Coiffeur-, Kosmetik- und Schönheitssalons bereit. In einer Art Innenhof bedroht die Bronzestatue eines zweiköpfigen Storches einen Frosch, der aber so riesig ist, dass man sich keine Sorgen um ihn zu machen braucht. Ein Fachgeschäft für Lampenschirme hält sich wacker, ebenso eine Tankstelle im Parterre eines Wohnhauses und ein Taxistand. Es scheint nicht wirklich ein Verkehrsknotenpunkt zu sein, möglicherweise besteht die Taxi-Kundschaft aus Menschen, die nicht mehr allzu gut zu Fuss sind.

Ein kleiner Junge und ein Hund, der eine Fussgängerinsel entfernt auf grünes Licht wartet, bellen sich gegenseitig an. Verschiedene männliche Wahlkandidaten lächeln kompetent von Plakaten. Ein Stadtteilsekretariat steht für die Anliegen der Anwohner*innen bereit. Im Café wird darüber diskutiert, mit welchen Aktivitäten das frisch angetretene Rentner*innen-Dasein ausgefüllt werden kann: Museumsbesuche mit dem Museumspass, Wanderungen, Installation von Solaranlagen. Die Harley hingegen wurde zugunsten eines Elektrovelos aufgegeben, das aber ohne Helm gefahren wird. So viel Freiheit und Abenteuer müssen sein.

STEPHAN PÖRTNER

Der Zürcher Schriftsteller Stephan Pörtner besucht Surprise-Verkaufsorte und erzählt, wie es dort so ist.

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Tour de Suisse

Die 25 positiven Firmen

Unsere Vision ist eine solidarische und vielfältige Gesellschaft. Und wir suchen Mitstreiterinnen, um dies gemeinsam zu verwirklichen. Übernehmen Sie als Firma soziale Verantwortung.

Unsere positiven Firmen haben dies bereits getan, indem sie Surprise mindestens 500 Franken gespendet haben. Mit diesem Betrag unterstützen Sie Menschen in prekären Lebenssituationen dabei auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit.

Die Spielregeln: 25 Firmen oder Institutionen werden in jeder Ausgabe des Surprise Strassenmagazins sowie auf unserer Webseite aufgelistet. Kommt ein neuer Spender hinzu, fällt jenes Unternehmen heraus, das am längsten dabei ist.

onlineKarma.ch / Marketing mit Wirkung

www.dp-immobilienberatung.ch

Kaiser Software GmbH, Bern

Buchhaltungsbüro Balz Christen, Dübendorf

Heller IT + Treuhand GmbH, Tenniken Sublevaris

Beat Vogel – Fundraising-Datenbanken, Zürich

Fäh & Stalder GmbH, Muttenz

Hypnose Punkt, Jegenstorf

Unterwegs GmbH, Aarau

Infopower GmbH, Zürich

Dipl. Steuerexperte Peter von Burg, Zürich Büro Dudler, Raum- und Verkehrsplanung, Biel

Arbeitssicherheit Zehnder, Zürich www.raeber-treuhand.ch

Beo Treuhand GmbH

Automation Partner AG, Rheinau

Hervorragend.ch/Grusskartenshop

Barth Real AG

Sternenhof, Leben und Wohnen im Alter, Basel Farner’s Agrarhandel, Oberstammheim

Inosmart Consulting GmbH

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Eine von vielen Geschichten

Ricardo Da Costa verliess 2003 GuineaBissau, wo seine Familie immer noch lebt. Der Mechaniker arbeitete zuerst als Bauarbeiter in Portugal und Italien. 2013 kam er in die Schweiz. Wenige Tage nach seiner Ankunft wurden ihm alle Wertsachen gestohlen und er stand er ohne Papiere da. Auf der Gasse lernte er einen Strassenmagazin-Verkäufer kennen und verkauft seither auch. «Ich bin froh, bei Surprise zu sein», erzählt Ricardo. «Manchmal komme ich traurig ins Büro und gehe mit einem Lächeln auf dem Gesicht wieder raus.» SurPlus ist für ihn eine grosse Unterstützung: Das ÖV-Abo ermöglicht Mobilität beim Heftverkauf und bei Schwierigkeiten stehen ihm die Mitarbeitenden mit Rat und Tat bei.

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#568: «Weit verbreitet und tief verwurzelt»

«Erster Schritt zur Staatsbürgerschaft»

Wir alle sind Surprise

In dem sehr interessanten Artikel über die Geschichte der Jenischen in der Schweiz fehlt ein wesentlicher Bestandteil: nämlich die Erwähnung, dass mit der Gründung des modernen Bundesstaates Schweiz 1848 auch das Problem der «Heimatlosigkeit» in Angriff genommen wurde. 1850 wurde ein Bundesgesetz erlassen, das jedem «Heimatlosen» ein Kantons- und ein Gemeindebürgerrecht zusprach. Dadurch waren natürlich nicht alle Probleme beseitigt und es war auch kein Vollbürgerrecht, das lediglich für wohlhabende Neubürger erschwinglich war. Die einstigen «Heimatlosen» waren mit neuen Diskriminierungen konfrontiert. Die einzelnen Kantone wollten so wenige wie möglich aufnehmen, weil mit deren Aufnahme z.B. auch Unterstützungspflichten verbunden waren. Aber für die jenischen «Heimatlosen» war es ein wichtiger erster Schritt zur Staatsbürgerschaft. Nebst der Niederlassungsfreiheit bekamen die Männer auch das politische Mitspracherecht und die Kinder mussten in die Schule. Vielleicht würde es sich lohnen, auch darüber einmal einen Artikel zu schreiben.

FRANÇOISE DE VRIES, Zürich

Imp ressum

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«Ich verstehe den Sinn nicht»

Wir gehen Samstagmorgen immer einkaufen, und jeden Samstag steht dort verlässlich derselbe Surprise-Verkäufer, der Ihr Magazin anbietet. Doch niemand kauft dieses Magazin, und bei den wenigen, die es kaufen, stellt sich die Frage, ob sie es jemals lesen. Der Job scheint mir völlig sinnlos und frustrierend. Ich verstehe den Sinn einer Tagesstruktur, einer Arbeit, eines Lohns, den Sinn von Kontaktmöglichkeiten mit der Bevölkerung. Ich verstehe jedoch nicht den Sinn eines Magazins, das kaum jemanden interessiert und in Zeiten von Internet Ähnliches online kostenlos gelesen werden kann. Ausserdem produzieren Sie Abfall, was nicht sonderlich ökologisch ist. Sie sollten neue Jobs finden, die den Menschen einen echten Sinn geben, z.B. einsame Personen besuchen und mit ihnen Kaffee trinken, Einkäufe für oder mit Betagten erledigen, auf Haustiere aufpassen, Littering bereinigen, biodiverse Blumenwiesen ansäen, Unterschriften sammeln für Abstimmungen, Einpackhilfe im Migros / Coop, damit die Lahmen nicht dauernd alles verstopfen etc.

MATTHIAS WOHLGEMUTH, ohne Ort

Anm.d.Red.:

Die Strassenzeitungsbewegung ist rund 30 Jahre alt, vergleichbare Projekte existieren in vielen Ländern und Städten der Welt – dahinter steht ein bewährtes Konzept. Nämlich, dass es einen Unterschied macht, ob man einer Person ohne Anschluss auf dem ersten Arbeitsmarkt einen selbstbestimmten Verkaufsjob mit sozialem Netzwerk anbietet, oder diese zu Sozialdiensten verpflichtet. Wir verstehen Journalismus zudem als Grundpfeiler unserer Demokratie. Man kann unsere Inhalte nicht zeitgleich umsonst im Netz lesen: Qualitätsjournalismus kostet – auch wenn er einen guten Zweck verfolgt.

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Rosmarie Anzenberger (Korrektorat), Simon Berginz, Monika Bettschen, Christina Baeriswyl, Carlo Knöpfel, Yvonne, Kunz, Isabel Mosimann, Fatima Moumouni, Stephan Pörtner, Priska Wenger, Christopher Zimmer

Mitarbeitende dieser Ausgabe

Seynab Ali Isse, Anwar, Hanna Fröhlich, Helena Hunziker, Kristina Karasu, Kristina Rajić, Sara Ristić, Murat Türemiş

Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird jede Haftung abgelehnt.

Gestaltung und Bildredaktion

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Surprise 571/24 29

«Wir geben uns Halt»

«Ich habe eine Lehre als Konditorin gemacht, aber ich arbeite nicht auf diesem Beruf, weil ich eine Schilddrüsenerkrankung habe, die unter anderem dazu führt, dass ich oft müde bin. Heute lebe ich ausschliesslich vom Verkauf der Strassenzeitung Liceulice, da kann ich mir meine Arbeitszeit selbst einteilen. Darauf gekommen bin ich durch meine Freundin Mira. Ich sah sie letzten Sommer auf der Strasse mit der Zeitung in der Hand und sprach sie an, um mich zu erkundigen, was sie da tut. Sie erzählte mir alles über ihre Arbeit und fragte mich, ob ich auch Hefte verkaufen wolle. Ich sagte zu, schliesslich brauchte ich das Geld. Bis dahin lebten meine Tochter Milica und ich von Alimenten und ein paar Gelegenheitsjobs. Ich hatte zwischendurch Massagekurse besucht und habe damit auch ein wenig Geld verdient, aber das reichte nicht aus; heute massiere ich nur noch Bekannte von mir, und das meist umsonst.

Seit ich Liceulice verkaufe, geht es mir finanziell besser. Der Job gibt mir Sicherheit, und das ist das Wichtigste. Tatsächlich ist Liceulice zu meinem zweiten Zuhause geworden. Ich habe dort wichtige Ansprechpersonen, wenn ich mal nicht weiter weiss oder Sorgen habe. Liceulice bietet auch Englischkurse an, die ich regelmässig besuche. Meine Kolleg*innen, die ebenfalls verkaufen, sind wunderbar. Wir verbringen viel Zeit miteinander, gehen in Konzerte, kochen, haben Spass –und geben uns gegenseitig Halt, damit wir unsere Probleme bewältigen können. In meiner Freizeit gehe ich gerne mit meiner Hündin spazieren, sie heisst Bela.

Ich bin in Montenegro geboren, aber hier in Belgrad gefällt es mir viel besser. Die Stadt ist gross, und man fällt nicht so leicht auf wie bei mir daheim im Dorf, wo jeder jede kennt und alle sofort Bescheid wissen, wenn man ein Problem hat. In Belgrad habe ich auch meinen Mann kennengelernt. Wir haben uns allerdings vor ein paar Jahren getrennt, nun lebe ich allein mit meiner Tochter. Sie ist in der Pubertät, was sich durch seltsames Verhalten bemerkbar macht. Ich weiss, das ist normal und geht wieder vorbei, doch manchmal ist es echt schwierig. Milica ist nicht immer nett zu mir, ich versuche, so oft wie möglich mit ihr zu reden. Manchmal hilft das.

Wenn ich Liceulice verkaufen kann, bin ich ein wenig abgelenkt. Übrigens blättere ich die Zeitung jedes Mal durch, sobald sie erscheint. Ich lese alle Artikel von A bis Z, schliesslich will ich wissen, was ich verkaufe; ausserdem möchte ich gerne mit den Menschen, die bei mir die Zeitung kaufen, darüber reden können. Der Kontakt zu ihnen ist mir sehr wichtig. Die meisten Kund*innen

sind junge Leute. Manche sagen, die Zeitung sei zu teuer. Ich bin da anderer Meinung – man kann richtig was lernen, wenn man Liceulice liest. Fast alle meine Kund*innen sind ausgesprochen nett. Manchmal bekomme ich sogar Trinkgeld. Oder es kommt vor, dass mir jemand Schokolade oder Obst schenkt oder ich bekomme einen Kaffee angeboten.

Ich bin in einer schwierigen Phase meines Lebens, wegen meiner gesundheitlichen Probleme bin ich häufig niedergeschlagen. Umso wichtiger ist für mich eine positive Einstellung: Ich rate allen, niemals aufzugeben und bei allem, was sie tun, beharrlich und ausdauernd zu bleiben. Ich sage mir immer, dass man auch in schwierigen Zeiten fröhlich sein sollte, und ich versuche, die schlechte Energie nicht an die Kunden weiterzugeben. Man muss optimistisch bleiben und darf nie den Glauben an sich selbst verlieren.

Aufgezeichnet von KRISTINA RAJIĆ

Mit freundlicher Genehmigung von LICEULICE / INSP.NGO

30 Surprise 571/24 Internationales Verkäufer*innen-Porträt
Dubravka Kovačević, 39, verkauft Liceulice in der serbischen Hauptstadt Belgrad. FOTO: SARA RISTIĆ

erreicht 377  000 kulturinteressierte Personen

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