DIE STREICHELWURST. Das Magazin

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Berlin, den 28.07.2010 Liebe Freunde und Kollegen, wir planen die Herausgabe eines Magazins, das regelmäßig in unregelmäßigen Abständen erscheinen soll. Titel und Thema werden von Ausgabe zu Ausgabe wechseln. Gedacht wird eine eher geringere Auflage mit dem Wunsch langfristig Abonnementen aquiriert zu bekommen. Zudem soll es ausschließlich als Printausgabe erscheinen. Formal bestehen keine Einschränkungen. Das Magazin wird in s/w und in DIN A4 auftauchen. Natürlich besteht im Einzelfall die Möglichkeit farbige Abbildungen zu reproduzieren. Als Thema der ersten Ausgabe schlagen wir das nachfolgende Zitat vor: „Zur Dummheit sagt man ja, man sieht sie, wiederholt sie und leise wünscht man sich gänzliches Eintauchen.“ (Deleuze, Foucault: Der Faden ist gerissen. Merve – Berlin, 1977. S.48) Uns würde es freuen, wenn Dir dazu etwas einfällt. Einsendeschluß: 28. September 2010 Zustellungsart: E-mail, dropbox Erscheinungsdatum: Ende Oktober Erscheinungsort: Berlin Wir möchten Dich darum bitten, uns in den nächsten 7 Tagen Deine Zusage bzw. Absage mitzuteilen. Herzlich,

Grit Hachmeister und Claudia Gülzow

IMPRESSUM om streichelwurstmagazin@googlemail.c hmeister Hac Grit zow, Redaktion / Gestaltung: Claudia Gül r Umschlag: Grit Hachmeiste ngen liegen bei den Autoren. Die Rechte der Texte und Abbildu Hachmeister, Jochen Plogsties, astian Gögel, Claudia Gülzow, Grit Seb h, But gy Peg sind e gab Aus er Vertreten in dies Stoye-Cetin. Donata Rigg, Monika Rinck, Katja Druck: Druckerei Hille Dresden 1. Auflage: 55



______________________________________ Katja Stoye-Cetin ist Die Streichelwurst



______________________________________ Katja Stoye-Cetin ist Die Streichelwurst


______________________________________ Katja Stoye-Cetin ist Die Streichelwurst



wenn ich mehr wüsste, wäre mir wohler. aber ich weiß nicht mehr und schlag meine schulter gegen deine. es ergibt eine überraschend fröhliche melodie. wir sind nicht am ende, es geht wieder los. ich hab ne zwiebel auf dem kopf. ich auch.

___________________________________ Das Zettelspiel ist Die Streichelwurst


Donata Rigg ist Die Streichelwurst

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___________________________________ Donata Rigg ist Die Streichelwurst


___________________________________ Monika Rinck ist Die Streichelwurst



___________________________________ Monika Rinck ist Die Streichelwurst


___________________________________ Sebastian Gรถgel ist Die Streichelwurst


___________________________________ Sebastian Gรถgel ist Die Streichelwurst



T rOP e n ( F rAGM e n Te ), 2005 Toncollage nach robert M端ller, 1915, gelesen von Geoffrey Garrison

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> Siebzehn > Ich hatte eine blitz/artige vor überü huschende | erkenntnis, > eine erinnerung | wollte sich formen, ein paar Vorstellungen liefen vage > zu einem Urteil zusammen … > und da wurde [da] das weiße Licht des Tages grau vor Weiße, > es türmte sich | zu einer sinnlichen | Mauer > von Widerstand, > an der das Denken zerbrach. 2 > neunzehn > Mitten in dieser rasenden Sonnenglut [?] Hatte ich Fieber? 2 > Meine Gewaltsamkeit führte nur dazu, daß ich eine Art | Spektrum in diese | grellweiße Luft hineinsah. > 4 Siebenundzwanzig 2 > Mein Verhältnis | zu dieser Umgebung hatte einen erotischen Beigeschmack . 1 > Ich ahnte die Tiefe, ich suchte sie. Das mütterlich Nährsame > der Landschaft, ö dämonisch an Ur /erinnerungen rü hrend, hatte den stechenden | Zauber einer begehrten Frau, der goldene Tore vor himmelblauen Schicksalen >aufspringen läßt. > Die natur war hier erkenntlich > an dem Reiz der >Gebärerin, in der ein Mann die ersten Anfänge > und letzten Bedeutungen des Ich[t]s sucht. 2 > Ist es sta[s]—, { 1 > ist es statthaft? es ist statthaft. 3 > Achtundzwanzig 2 > In diesem Sinne | habe auch ich eine erotische Mission | auf mich genommen, | ich bin bereit, zum Wohle der Allgemeinheit > ein gut Teil ihrer [1] 1 In diesem Sinne habe auch ich eine erotische Mission auf mich genommen. > Ich bin bereit zum Wohle der Allgemeinheit > ein gut Teil | ihrer ie [2] Inferior ität zu tragen, 1 In feriorität. 1 > In diesem Sinne, habe auch ich eine erotische Mission auf mich | genommen, ich bin bereit zum Wohle der Allgemeinheit ein gut Teil ihrer [3] Inferiori tät zu tragen sie zu erleben, zu erfühlen, > vor allem | aber, sie zu schildern und an ihrer | Hand Lehren zu geben. 8 > Ich habe Beziehungen zu einer natur, die ganz Weib ist. >Geschlechtliches schwebt > über den Wassern > und Blutgesänge T mische ich | in einen | or. > [1] 2 Ich habe Beziehungen zu einer { [2] > Ich habe Beziehungen | zu[r] einer natur, die ganz Weib ist. > Geschlechtliches schwebt über den Wassern > und Blutgesänge | mische ich > in einen Chor. > Der Wald ist das große Herz, und das braune Wasser ch des Stromes > ist mein heili es, heiligstes

>Der Wald ist das große Herz, und das braune Wasser des Stromes > ist mein heiligstes Herzblut. > Liebe[r] entsteht, wenn es fließt, > eine Liebe[r], an der ich beteiligt bin. 4 > neunundzwanzig 2 > Das große Geschlecht der ursprünglichen ü natur, Mutter und Hure zugleich, | fordert meine Mannbarkeit heraus: ich ent hülle mich, | zeuge und s rei se . 5 > In dieser | Geschichte handelt es sich, wie bei allen richtigen Geschichten, um ein Weib. 3 Ich denke an den Wald, den Urwald, an die Sinnlichü keit dieser | natur, > ihre rohheit, ihren ursprüngie lichen Elan, ihren schrecklichen,>verw rrenden Trieb, ich denke an denTrieb, die Tropen im Gemüt des weißen Mannes. 3 > Gewiß ist es aber auch, daß die weiß—, isch. ü [1] Gewiß ist es aber auch, daß die weibliche natur der Tropen > in jener weiblichen > einer modernen | Groß stadt | wiederkennt { [2] 1 > Gewiß ist es aber auch, daß die weibliche natur der Tropen > in jener wei[n]/blichen [3] 3 > Gewiß ist es aber auch, daß die weibliche natur der Tropen in jener Weiblichkei—, [4] [sorry (flüsternd)] 3 > Gewiß ist es aber auch, dass die weibliche natur der Tropen > in jener | weiblichen > einer modernen Großstadt wiederkehrt , und, daß der Schritt vom europäisch[e]sten > europa mitten in den Djungle > hin/ein | nicht so abenteuer lich ausfällt, als man es sich erwartet hat. > Denn was immer man erlebt, es ist stets dasselbe Abenteuer, es ist gleich gültig, ob man unter einen Panter > oder einen Autobus | gerät. 2 > Es zu bez ch weisen, bin ich gekommen. 4 > Drei[t] ig 2 > Ich war | mit visionärer | Kraft meiner | eigenen Zukunft vor/angeeilt. >Ich fuhr als Schreibtisch einen Strom hinauf und vermengte in der Geschwindigkeit ein wenig die Zeit. Mein Gehirn aber war, [1] 2 > Mein Gehirn aber | war | der Brennpunkt eines Dutzends[t] ehrgeiziger Sonnen, die sich ein/ander eine Schlacht um dieWeltherr schaft ch lieferten. 10 > einunddrei[t]ßig 1 > Schuld | an dem | trug > die unerträgliche | Hitze; der > [1] 2 Schuld an dem | trug unerträgliche Hitze > die Hitze und das Schweigen. 4 >Zweiund[1]

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Gegensatz empfindlich inmitten| soviel überflüssiger ü Natur, die schweren vornehmen | Düfte geben [1] > 1 > Die Kargheit meiner Lage[r] | wird als Gegensatz empfindlich inmitten soviel überflüsch ü si ger > Natur > die schweren, vornehmen Düfte geben mir deutlich ihre nützlich { 2 [2] > Die Kargheit meiner Lage[r] wird als Gegensatz empfindlich inmitten soviel überflüssiger Natur, > die schweren vornehmen Düfte geben > mir | ü deutlich ihre Nutzlosigkeit [3] für mich zu verstehen. > Je wunderbarer | die Nacht sich anläßt, desto ärmer > komme ich | mir vor. > Eigentliche Karten gab es wohl, aber an m den Punkten, > die wir gebraucht hätten, > [1] 7 Eigentliche Karten gab es wohl, aber a an den Punkten, die wir gebraucht h tten ü [2] | waren sie offen. >Wir selbst tr gen einige markante Plätze ein | > so gut es ging. Unser Fluß | wurde [1] [da] > 1 { unser Fluß > wurde ein | finger/slanger [2] 3 > Unser Fluß wurde ein finger/slanger | summarischer Strich. 5 > Achtunddrei[t]ßig 2 Ich begann 1 Ü [1] > Ich begann | eine heftige Unruhe zu verspüren, > einen Hunger | nach Brutalität, > und ich fröhnte mich 1 [2] > Ich begann eine heftige Unruhe zu verspüren, einen Hunger nach Brutalität und ich fröhnte | ihm. > 1 Ich kannte mich nicht mehr aus|vor Aufgeregt> heit, ich verlangte nach einem rohen sinnlichen Glücke, nach einem deutlichen körperlichen Gefühle von Macht, > und es kostete | mich Zurück—, [1] 2 > Ich kannte mich nicht mehr aus vor Aufgeregheit. > Ich verlangte nach einem | rohen, > sinnlichen > [2] 4 Ich kannte mich nicht mehr aus vor Aufgeregtheit. Ich verlangte nach einen rohen, sinnlichen Glücke[r], nach einem > deutlichen körperlichen Gefühle von Macht >und es kostete mich | Zurückhaltung. 2 > Ich wurde [da] stark physisch, eine Brutalität und ein selbstbejahender | Wahnwitz von ungekannter a Art ergriffen mich, > ein man ierierter | Rausch des Sehens, der Betrachtung fleischiger, > sich rhythmisch

drei[t]ßig { 1 > Plö tzlich | fühlte ich mich | und meine Umgebung | unwahrscheinlich; 1 > ich entäußerte | mich spielend | des Weltmittelpunktes, w > der in mir lag, > ich begriff mit erkälteten Ner ven > die Gleichgültigkeit meiner Person > und ihres ch Aufen[t]haltes. 5 > Vierunddrei[t]ßig 3 >Und ü zwischen dem Spalt | überm Flusse[r] stand der Himmel in weißer | atmender | Glut; 1 > eine[r] Sternschnuppe[r] fiel, | sauste in der Nähe nieder, | links da | brach sie ein, man hält den Atem an — >wird sie im tinten/schwarzen Wasser ver zischen ? [1] 3 > Wird sie { wird sie im tintenschwarzen Wasser verzischen? 2 > Es wird sich her/ausstellen, daß gewisse Geräusche > immer wieder nach denselben Intervallen > auftauchen. > Ein bestimmter Rhythmus | beherrscht > alle Äußerungen dieses wilden milden Lebens. > Ein Raunen hebt sich, schwillt ab. [1] 1 > Ein Raunen hebt sich, schwillt ab. ü > Eine große Brust atmet, ein > geräumiges | Schnarchen rollt > tollt vage[r] in das blaue Fieber | des Sternenraumes hinaus. 7 > Siebenundch drei[t]ßig 2 > Eine Empfindung von Entbehrung, Härte und Einsamkeit wird mir 1 bewußt, [1] 1 > Eine Empfindung von Entbehrung, Härte und Einsamkeit > wird mir bewußt, > plötzlich > wird es { 2 [2] > Eine Empfindung von Entbehrung, Härte und Einsamkeit wird mir bewußt, > plötzlich > wird es drohend klar, | daß ich mich inmitten der Wildnis, | ohne Freund, ohne warme Hand, ohne ein weiches ü lichtes Gesch öpf, > das ich in den Arm nehmen könnte, | befinde, > einen gefährlich | verstopften Weg zwischen mir und der | gut be[f]/dienten Zivilisation. 4 [3] > Eine Empfindung von Entbehrung, Härte ü und Einsamkeit | wird mir bewußt, > plö tzlich > wird es drohend klar,|dass ich mich inmitten der Wildnis | ohne Freund, ohne warme Hand, ohne ein weiches, lichtes Geschöpf, das ich in den Arm nehmen könnte | befinde. Einen gefährlich verstopften | Weg zwischen mir und der gut bedienten Zivilisation. 2 > Die Kargheit meiner Lage[r] wird als 4

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bewegender | Körper durchrieselte mich mit Gesundheit. > Ein ungeheurer aben/teuerlicher Geschmack | am Leben brannte mir [mich] h [1] > Ein ungeheuerer abent euerlicher Geschmack am Leben, > brannte mir auf der Zunge, > in den Lenden, 2 [2] > Ein ungeheuerer abenteuerlicher | Geschmack am Leben brannte mir auf der Zunge, i > in den L enden, in den den Fäusten. 2 > Wir waren hungrig nach | demütigen Leibern, | aufgerieben > von einer > Überproduktion | an Zärtlichkeit, | indifferent inmitten von Tatsachen, > die nichts boten. 2 > Wir waren hungrig [1] | > Wir waren hungrig nach demütigen Leibern, | aufgerieben von einer Überproduktion an Zärtlichkeit, > indifferent inmitten von >Tatsachen, die nichts boten. > Ausgehungert waren wir. 2 > Es war der erste Anfall des schrecklichen Duldens, > das den Mann überfällt, | ganze Karawanen in den Wahnsinn treibt, > wenn mit der | letzten Grenze der Zivilisation auch der weiche Nack/en > des Weibes > da hinten verschwindet! 3 > Einundvierzig 1 > Der Bursche [1] [schmunzelt] Der Bur sche war ein junger Gott. | > Seine Augen waren grün und schwarz und frisch aus der Hand des Juweliers, [1] > Seine Augen waren [2] 3 > Seine Augen waren grün und schwarz e ye und frisch aus der Hand des Juwel i rs > noch vollkommen unberührt, | ungereizt, > ein | unbeeinch ü trächtig tes Oval. > Er war ganz in Rhythmus getaucht, ü ß > mit Rhythmus genährt und aufer ogen, von ü Rhythmus betrieben. 3 > Ich habe feste Anhaltspunkte, daß ich nicht der einzige war, | der in ihm einen jungen Gott sah. | >> Und wir verstanden uns. > 1 Wir waren in der | Wildnis und jedem Sinn war erlaubt, | zu nehmen, was ihm paßte. 2 > Die Sehnsucht machte derb, die | Unterwürfigkeit, die der Trieb > unter günstigen Aussichten > hervor/ü el zurufen pf legt, [1] 1 > Die Se hnsucht | machte derb > die Unterwürfigkeit, die der Trieb > unter günstigen ü Aus/sichten > hervor zur ufen pflegt | grausam. 3 > Dreiundvierzig 3 > Wer in das Wesen von

Urwäldern | und Wilden oder [1] 1 > Wer in das | Wesen von Urwäldern ü und Wilden oder | doch fremd/rassigen Kulturen b > ein dringt, > der erfährt, | eine wieviel größere Bedeutung=dem Begriffe=Rhythmus im Leben dieser Menschen zukommt, > als für uns in ihm zu liegen | pflegt. | Diese Er fahrung kann jeder machen, | der eine längere | und gründliche=Reise unternimmt. | > > Ich aber habe | eine | Entdeckung mehr gemacht, > ich habe den Rhythmus, > und ß was damit zusammenhängt, die Betonung, > den Akzent, > für unsere Kultur fruktifiziert, > ich habe einsehen gelernt, daß wir schon am besten Wege | zu einem Erfolge sind, und daß wir nun | nur m mehr darum zu wissen haben. 2 Fü fünfzig > 3 In den warmen Schatten | geschlossen lag ich unfroh. | Ich stand nicht mehr auf [1] | > Ich stand nicht mehr auf der Landkarte! 2 > Ich war verschollen für die | Geographie. 1 Und doch > war sie auf der Schulbank meine Leidenschaft gewesen. | > Sie war das | Symbol der Reize | aufkeimen— [1] 1 > Sie war das Symbol der Reize aufkeimender | Wissenschaftlichkeit und Forschung, > sie besaß das Prickelnde[n] | der großen raumbez/wingenden | Erfahrung. > [1] 2 Sie besaß das Prickelnde[n] der großen raumbezwingenden Erfahrung. > Ein kleiner runder Kreis { [1] Ein kleiner runder Kreis auf der Landkarte > bedeutete meine Stadt, bedeutete mich. > Ich war eine kleine | zackige | Krone mit soundsoviel tausend Einwohnern > unter einem | Gewimmel von e anderen charakteristischen > Punkten, > ich war eine Haupt stadt, eine Residenz, > ich erwartete nichts weniger, > als daß die Blicke Europas auf mich gerichtet | seien. 4 { > Wer immer die Landkarte in die Hand bekam, hatte es mit mir zu tun. 3 > Meine Existenz war gewährleistet, > sie ü war mit unverl schbaren Zeichen > ins Buch der Wirklichkeit | eingetragen. > Meine Lebenszuversicht > und mein Selbstbewußtsein | wuchsen, > während ich mit schwimmenden Augen vor der Landz karte saß > und mich stet s > von neuem identifizierte. 5

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> Und nun war ich einsam, ich stand nicht mehr auf der Landkarte und war keine | Majori tät mehr! > Ich erschrak | so grundlos aber so heftig, > daß mir das Herz zu klopfen anfing. 1 > Ich erschrak über das verzweifelte Bewußtsein meiner Verlassenheit, > in das ich traumhaft vergrößernd wie in einen unendlichen Schacht > hin/unterglitt. 4 > Zweich und sechzig 1 > Inmitten des Lebens unbekannter und fremder Da seinswerte | mußten wir | auf die [der] Dauer | unsere Haltung verlieren. 5 Siebzig 4 > Über einem abgeschmackten bürgerlichen Turnier > mit Scharen | zu Seelen | verkrüppelter | Weiber habe ich diese Seligkeit keimender | Kindertiefen vergessen, vergewaltigt, verlebt. 2 > Ich will nach dieser Jugend | voll zerbrechenden Kampfes > endlich meiner Sehnsucht ihr Recht geben, > die von mir heischt, > ein zitterndes Weib | bei den Haaren zu zerren > und aus fallenden Blicken | u Gl ückssterne zu klauben! 8 { > Einundsiebzig Unser Ehrgeiz konnte sich in manches nicht einfinden. 2 > Es war ein höchst ungemütliches Gefühl, > in einer Masse zu leben, mit der man in nichts d’accord war. > Das Nieder/trächtige | an dieser Stimmung war der grob empfundene Mangel an Selbständigkeit, das > beschämende Bewußtsein, > daß einem die eigene Rasse — > ein wenig unbequem zu werden begann. 7 Zweiundsiebzig 3 > »Unter einer Million Menschen [1] 1 > Unter einer Million Menschen ist es kein Kunststück, > ein Eigener zu sein. | Das kommt von selbst. > Aber versuchen Sie es mal unter hundert | Wölfen — > Sie werden nicht nur mitheulen, nein, > Sie werden selbst diese Klaviatur | erst vollständig und harmonisch finden, > wenn Sie | mit von der Partie sind. 5 > Können Sie sich | noch an Ihre Schul/bubenzeit erinnern — an die Geographiestunde — > wissen Sie — verstehen Sie das?« 6 > Dreiund/siebzig 2 Mama ! 2 Das hätte ich mir | nicht träumen lassen, [1] > Das hätte ich mir nicht träumen lassen, > daß es einen Platz in der Welt geben könnte, > den ich nicht auszufüllen vermögen | würde. Wo waren meine | Projekte geblieben? 2 > Fünfundsiebzig Wir konnten | sehen, daß der Künstler sein kleines Weib

mit der Faust ins Gesicht | schlug. [1] | > Wie konnten sehen, | daß der Künstler | sein kleines Weib mit der Faust ins Gesicht schlug. > Das bot mäßige Geschöpf > gab keinen Laut von sich. 2 > 1 Merken Sie nicht die Zärtlichkeit der vergewaltigten Leiber auf seinen Bildern ? e > Diese Human ität der Empfindung in den | schiefgelegten Köpfen [und] auf langen Leibern? e [1] 2 > Diese | Human ität der Empfindung > in den schiefgelegeten Köpfen > und langen | Leibern. e [2] > Diese Human ität der Empfindung | in den schiefgelegten Köpfen > auf | langen Leibern. 2 sch > Sechsundsiebzig 1 > 1 [Muskulöse Männer vergingen sich an unter/würfigen > dankbaren Frauenzimmern] > Akte der wildesten Sanft/mut [1] > Akte der wildesten Sanftmut > konnten einem | in dieser künstlerischen Fassung das Herz | k brechen. 2 [2] Akte der wildesten Sanftmut könnten | einem in dieser künstlerischen Fassung das Herz[t] brechen. 1 > Die Weiber bestanden aus schwellenden | Pinselstrichen > und verloschen unter den | u W ürg/händen und Dolch/stößen ihrer | kahlscha—, schädeligen Anbeter. [1] 2 > Die Weiber bestanden { aus schwellenden Pinselstrichen und verloschen unter St den | Würghänden und | olch/stößen | ihre[r] kahlch schädeligen | Anbeter 3 > Fünfündachtzig 2 > Richtig, das heißt gesund. 5 > Einhundertzwanzig 2 > Sie fuhr | in dem breiten Raume wie ein | Wirbelwind hin und her, nä/herte sich | ü dem Feuer, > machte kr umme Beine, > plötz[e]liche Sprünge, > man sah, | hier war eine Katze, | die mit dem Feuer spielte. | > Sie schüttelte sich wie ein Tier, bog sich | in ihrem | Rumpfe, > der lang und biegsam war wie ein Mannesarm, | stieß gellende Schreie | i aus > und stampfte den hartgetr etene n | Erdboden, > der dumpf widerhallte. 12 > Einhunderteinundzwanzig 2 > In diesen | gesunden Leibern war n ch die | Musik noch so | geradli nig | erhalten > wie der u Übergang vom | Bed ürfnis zum Genuß, > er/folgte so wenig 2 [1] > In diesen gesunden Leibern | war die Musik n ch noch so geradli nig erhalten > wie der Übergang

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vom | Bedürfnis zum > Genuß, > erfolgte so wenig | systematisch wie die Lust, > auf die sich | das | ganze Weltgeschehen hin zuspitzte, > die Lust. 5 > Einhundertdreiundvierzig 1 > 1 Aus dem Djungle drangen tier[er]ische | Schreie. 6 > Einhundertsechs/undvierzig 1 > Sehnsucht. g 2 > Ich dachte exa kt, | aber ich erlebte z zweideutig. | Es war die Trance, das große seelische Ereignis | der Tropen. > Ich wußte über meine geistige Anwesenheit Bescheid, > aber ich vermischte ü die körperlichen Gr undlagen, > ich war imstande, > zwei Räume ineinander zu schieben. > Es ist ü ein entsetzlicher Abgrund von Tiefe[r], > der sich hier auftut. 3 > Einhundertsiebenundvierzig > Ich liebe Sie nicht. { 2 { 3 > Einhundert/ neunundvierzig 1 > Mein Kopf | barst >> [1] 2 Mein Kopf | barst | von uralten Empfindungen. 2 > In der langen Straße einer großen Stadt geschah es, daß mich die Sehnsucht nach dem Weibe ankam. > Ich sah das Mädchen wandeln. > Plötzlich | begriff ich | unseren Ur/zustand und erfaßte unser V:verhältnis als eine primitive Frage > erwünschter Gewalt | diesseits von Sitte > und Benehmen. 1 > Etwas Neues und Zusammenhängendes baute sich um mich | auf. 2 ch > Einhundertzwei[ein]undfünfzig 1 > Ich wollte zurü:ck in die große Straße, aber es mißlang. [1] 1 > Ich wollte zurü::ck in die große Straße, aber es mißlang. > Sie schien mir | plötzlich ebenso unwirklich | wie die Landschaft, die ich träumte. 2 > Und nun war mir aller Boden entzogen > und ich fiel in eine blasse, unkörperliche Wei—, Wirklichkeit. [1] > > Und nun war mir aller Boden entzogen und ich fiel in eine blasse, unkörperliche Wirklichkeit. > Alles, was mir da erschienen war, | schien gar nicht | ch vor/handen, und ich stand, während ich doppel/lebig [1] 2 Alles, was mir da erschienen | war, schien gar nicht | vorhanden [2] 1 > Alles, was mir da erschienen war, > schien gar nicht vor/handen > und ich stand, während u doppellebig | träumte, auf einem Gr ünde[r]. 4 Einhundertdreiundfünfzig 3 > Alle meine Sehng sucht war in ihr verkörpert. | Sie war ein E xemplar

mit gut erhaltenen | Instinkten. > Ich gab mir redliche Mühe, vor ihren Augen zu bestehen. > Aber wir | ü machten unsere Sache | gr undschlecht. 3 > Ich horchte [1] { 1 > Ich horchte in meine[m] { [2] > Ich horchte in meine | Kultur hinaus. > Sie war ein weiter Saal, | durch die Menschen raunend ü schritten, > kalt wie in einem Museum. > Da war kein Takt, nur von den Galerien und Gängen, > aus den Saalwinkel[e]n und | von den | Tür/rahmen | hörte ich ein Treten von Sohlen, | Sohlen, | Sohlen. 2 > Der Zehengänger waren nicht viele. { 1 > Nicht viele waren sprungbereit und stra:ff. Sie huschten ü mit ihren Ill usionen an den Seltsam[e]—, ü [1] | > Sie huschten mit ihren Ill usionen > an den Seltsamkeiten und toten Formen hin, > ohne sie zu halten. 2 > Kraft. 2 Körper. 2 > Einhundertvierundfünfzig >Diesem Leben fehlten Grausamkeit und Würde. { 1 > Leidensunfä/hig und eitel, finden wir die | Kelche > des Lebens blaß ch und leer von Honi . 3 > Wir reisen. [1] { Wir reisen. > Wir bezwingen den Wilden, l indem wir | ihn | sehen kommen. > Und nun ho len wir u uns wieder, > was wir f ür unser Gehirn eingetauscht | hatten, > aber wir geben den Tausch nicht auf. > Wir behalten, was wir besitzen. > Denn unser Gehirn a ist unser Mess er. 10 > Einhundertfünf/undfünfzig 2 > 1 Stille war um mich=her und ein weißes Licht. 2 > Ich lag an der Grenzsch[n]eide[r] zwischen Intellekt und | Vegetation, > ich fühlte, > wie hart und lebendig hier alles war, fühlte > diese[s] Formen weißen Lichtes, | die sich willig banden und lösten. 2 > Ich schaute ins leere Sternenlicht. z ch > 4 Zweihundert/neununddrei[t] ig 3 > Alles war ein | gelöstes | Rätsel. | Alles war klar. Ich begriff alles. 7 > Z:zweihundertvierzig { 1 Vergnügen. | Leidenschaft. 3 > Mein Zustand war bekannt. > Das Wort Tropenkoller | fiel mir wie ein | Gnaden/geschenk=zu. [1] > Das Wort | Tropenkoller fiel mir wie ein Gnaden[s]/geschenk zu. | > Damit konnte ich arbeiten, erklären. > Jetzt also wußte ich, | woran ich war. u > Ich w ürde schleunigst | Abhilfe schaffen, > aufstehen, arbeiten, sozusagen ein anständiges Leben 7

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f ühren > und so praktisch wie möglich mich | den gegebenen Verhältnissen anpassen. > Eingerichtet werden mußte | das Leben! [1] | Eingerichtet werden | musste das Leben. > Hatte ich nicht die Möglichkeiten einer unendlichen, natürlichen Praxis vor mir, > das weiße Blatt einer > unbeschriebenen Robinsonade ? > Ich konnte ein[e] ue [1] | Ich konnte ein Kan | bauen und mich den Fluß | hin/abbe geben. 1 [2] > Ich konnte eine | ue [3] Ich konnte ein Kan [r ] | bauen > und mich den Fluß | hin/ab/begeben. [4] 2 Ich konnte ein Kanu | bauen und mich den Fluß | hin/ab/begeben 2 > War ich nicht voll guten vertrauensvollen Willens ? { 6 > Zweihunderteinundvierzig { 1 > Wenn Zana mein Weib ist, | werde ich sie | bei den Haaren ziehen und | auf ihrem Gesichte[r] spazieren gehen. > Ich habe m i fame Pläne mit ihr vor. > Ich nehme | keine ch Rü sichten mehr. 3 > Zweihundert/vierundsechzig 2 > Wir sind irrsinnig, | überlegte ich. > Ein Wohl/gefühl | überkam | mich. > Ich befand mich auf der Höhe | meiner Pflicht. > Ich grinste, [1] > Ich grinste > ich fletschte | die Zähne, > ich | stieß schnalzende Laute aus. >Wir waren irrsinnig! > Wir waren sämtlicher Verantwortlichkeiten los und ledig! > Wenn uns jetzt jemand sehen könnte, > wenn doch ein einziger | dagewesen wäre, uns zu bewundern! 4 > Zweihundertfünfundsechzig > Wer dumm genug ist, | nicht zu wissen, welcher Spaß Irrsinn ist! 2 > Wir können uns zurücknehmen; { aber wir nehmen uns niemals zurück. | > Ihr ü könnt uns | keinen { | ü [1] > Ihr könnt uns keinen Ersatz bieten | für den Rausch unserer spitzfindigen Logi:k und die Schadenfreude unserer krassen Schlüsse. > | Die ü Kom die, mit der wir unsere Lüste fristen, geht nicht in euer Hirn. 2 > Wir denken das, | wozu wir Lust haben. 2 > War es nicht an und für sich schon eine verrückte Idee, Irrsinn zu simulieren! | > Es geht, es geht! > Endlich sind wir vom | Verstande erlöst! >Wir lösen uns in das wildeste Denken auf. > Die Worte tanzen. 5 > Zweihundertsiebenundsiebzig { | > Sehnsucht . 3 > Nicht nur Ameri-

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ka ist jung ; | Europa ist noch viel j ünger; viel j ünger und seltsamer! > Man sollte Forschungsreisen nach | Europa antreten, > nach dem > wirklichen Europa! > >Sehen Sie, wir, die wir die Sehnsucht über/wunden haben, > wir kennen auch die Ferne nicht. > Für ü uns | ist das eine Frage des K urriers. 6 > Dreihundertsechsundzwanzig 2 > Hunger litt=ich, [1] > Hunger litt ich, | aber wir liebten uns wie = Götter > und ich lebte weiter | dank meiner | [2] > Hunger litt ich, aber wir liebten uns wie Götter > und ich lebte weiter dank deiner | herrlichen Geschenke. > Einen Wechsel=noch hatte ich zu bestehen, > ich, der Kranke und Fiebernde | bekam den gesunden Geschmack. 1 > 1 > Ich kü:sste ihre Hände, wenn sie nicht rein waren und ü gab mich | hin vor dem | Pflanzenger uche aus ihrem | Munde. [1] 1 > Ich kü:sste Hände, wenn sie nicht > rein waren und gab mich hin vor dem | Pflanzenü geruche aus ihrem Munde. | > Sie war eine treue y Seele und eine | Be stie, sie rettete mich. 2 > Dreihundertsiebenundzwanzig 2 > Ich bekomme Fahrwasser und alles wird sinnvoll, 1 ich sehe mit Bewegung, wie Tatsachen und Symbole sich ergänzen > und aufs selbe hin/auslaufen. 1 > Ich bin dazu bestimmt, [1] > ich bin dazu bestimmt der neue Mensch zu werden, > und ich habe mir das Weib gesucht, > das zu mir passe, > das Weib mit den gut erhaltenen Urinstinkten > seiner Sinnlichkeit. > Wir sind ein neues Erden/paar, > wir sind Adam und Eva > und gondeln einsam einen verlassenen Fluß hinab. > Nachts wimpeln uns grüne Sterne zu, > wenn wir ein/ander in den Armen liegen > und eine neue Mensch[e]— [1] > { Nachts [2] > Nachts wimpeln uns | grüne Sterne zu > wenn wir einander in den Armen | liegen > und eine neue | Menschheit gründen, [3] Nachts wimpeln uns grüne Sterne zu, > wenn wir ein/ander in der Armen liegen > und eine neue Menschheit gründen | tag/süber | zischt die | Sonne. 2 Erregung.

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_______________________________________ Peggy Buth ist Die Streichelwurst




_______________________________________ Du bist Die Streichelwurst


_______________________________________ Claudia G端lzow ist Die Streichelwurst


Selbstbildnis Fang ich an, ziehe ich einen Strich, ziehe ich mehrere Striche, mehrere erste Striche, ich sitze gerade aufgerichtet, auf meinem Pferd sitze ich gerade aufgerichtet, am oberen linken Bildrand ist die Abendsonne zu sehen, mein Knie halte ich angewinkelt, die frische Luft ist nicht zu sehen, ich bin bezaubernd zu Pferd, angewinkelt halte ich mein Knie über der Mähne meines Pferdes, mit meiner schlanken Taille sitze ich, ich sitze mit meiner schlanken Taille, rechts vor der Abendsonne bin ich zu sehen, ich bin bezaubernd zu Pferd, meine Wangen sind leicht gerötet, eine Mähne ist hinter meinem angewinkeltem Knie zu sehen, nicht zu sehen ist die frische Luft, meine Wangen sind leicht gerötet rechts vor der Abendsonne, mit meiner schlanken Taille sitze ich gerade auf dem Pferd, mein Knie ist zu sehen, über der Mähne des Pferdes ist mein Knie zu sehen, ich bin bezaubernd in der frischen Luft, mit meiner schlanken Taille bin ich leicht gerötet zu sehen, die Mähne hinter meinem Knie, die Mähne neben meiner schlanken Taille ist zu sehen, ich sitze aufgerichtet in der frischen Luft, nicht zu sehen ist die frische Luft, ich bin bezaubernd vor der Abendsonne

_______________________________________ Claudia Gülzow ist Die Streichelwurst


_______________________________________ Gerard ist Die Streichelwurst



_______________________________________ Grit Hachmeister ist Die Streichelwurst



_______________________________________ Grit Hachmeister ist Die Streichelwurst


wir stolperten durch brombeeren und brennesseln, ein heiĂ&#x;luftballon wies uns den weg. am horizont meinten wir hasen zu sehen, sie trugen krause glucken auf dem kopf. und wiegten sich dabei aneinander voll begierde. keiner hatte etwas anderes erwartet. also gaben wir nach und machten feuer. es wurde sehr heiĂ&#x; und ich konnte nicht glauben, dass du schon gehen wolltest. mehr weiĂ&#x; ich nicht.

_______________________________________ Das Zettelspiel ist Die Streichelwurst


_______________________________________ Jochen Plogsties ist Die Streichelwurst










Improve your language Die Nymphomanie (von altgriechisch νύμφη nýmphē „Braut“ sowie μανία manía „Wahnsinn“, „Raserei“; siehe auch Nymphen)[1] ist die Bezeichnung für ein übermäßig gesteigertes Verlangen von Frauen nach möglichst viel Geschlechtsverkehr. Von Nymphomanie spricht man in der Regel jedoch nur, wenn der Wunsch nach Sexualität mit Promiskuität, also häufigem Partnerwechsel einhergeht. Bei Männern wird dieses Phänomen als Satyriasis oder „Donjuanismus“ bezeichnet. In der Wissenschaft gilt der Begriff als veraltet. Synonym wird auch der Begriff „Klitoromanie“ verwendet, ein extrem übersteigertes nymphomanes Verhalten auch als „Metromanie“ bezeichnet, während als geschlechtsneutraler Begriff auch „Erotomanie“ Verwendung findet. Begriffsproblem Der Begriff Nymphomanie bzw. Nymphomane oder Nymphomanin wird heute in der Regel als abwertende Fremdzuschreibung gebraucht und ist in hohem Maße von kulturellen Wertvorstellungen und Sitten, insbesondere von historisch sehr wandelbarer Sexualmoral abhängig. Besonders fraglich ist, welches Sexualverhalten als „normal“ und welches als „gesteigert“ angesehen werden soll. Der Begriff der Nymphomanie wird in der Fachliteratur kaum verwendet, wobei auch neutralere Begriffe wie Hypersexualität aufgrund der inhaltlichen Problematik umstritten sind. In der Antike war der Begriff anders belegt. Der älteste Beleg des Begriffs findet sich auf einer Tafel aus der Grotte Melissani auf Kefalonia, einer antiken Kultstätte des Hirtengottes Pan. WIKIPEDIA C: 0 M: 0 Z: 0 Well, you‘re my friend, (that‘s what you told me) And can you see (what‘s inside of me) Many times we‘ve been out drinking And many times we‘ve shared our thoughts But did you ever, ever notice, the kind of thoughts I got Well you know I have a love, a love for everyone I know And you know I have a drive to live I won‘t let go But could you see its opposition comes arising up sometimes That its dreadful antiposition comes blacking in my mind I See A Darkness Lyrics Artist (Band): Bonnie Prince Billy

Die Intelligenz antwortet der Dummheit nicht: sie ist ja der Sieg über die Dummheit, die kategoriale Kunst der Irrtumsvermeidung. Der Gelehrte ist intelligent. Das Denken hingegen sieht der Dummheit ins Auge und der Philosoph betrachtet sie. Lange verweilt er bei ihr und senkt seinen Blick in diesen lichtlosen Schädel. Michel Foucault, Theatrum Philosophicum, in: Gilles Deleuze/Michel Foucault, Der Faden ist gerissen, Berlin 1977

_______________________________________ Jochen Plogsties ist Die Streichelwurst


_______________________________________ Monika Rinck ist Die Streichelwurst



_______________________________________ Katja Stoye-Cetin ist Die Streichelwurst


Monika Rinck ist Die Streichelwurst

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EXPOSÈ - Eine Vorstellung davon. Als Titel stelle ich mir vor:

ZUM FRÖHLICHEN URSTAND

oder: AM FRÖHLICHEN URSTAND.

Ich stelle mir vor: Eine innere Weltausstellung der Idiotie. Man könnte auch sagen: Ein Erlebnispark der eigenen und der fremden Dummheit. Eine stöbernde Begehung für sechs Vollschauspieler. Dazu werde ich Texte liefern, die sowohl einzelnen Personen zugeordnet sein können als auch vom Raum und seinem Mobiliar gesprochen werden (stationär und freiflottierend). Die Texte können im Prozess der Aneignung und Aufführung sowohl einem musikalischen (I‘ll bet you think this song is about you) wie einem semantischen, respektive narrativen Gebrauch zugeführt werden. Das möchte ich der Inszenierung überlassen. Ich stelle mir schwankende Spielfelder vor. Spielfelder für Rückschlagspiele, die vor allem davon handeln, dass die Regeln nicht beherrscht werden können, weil sie a) nicht endgültig kommuniziert worden sind, b) sich ständig ändern und c) alle Mitspieler Amateure sind, die lieben, was sie tun, ohne es zu beherrschen. Und es umsomehr lieben, je weniger sie es beherrschen. Ich stelle mir vor: einen Tisch, genauer: den Prototyp von einem Tisch. Einen Spieltisch, an dem Gesellschaftsspiele, Glücksspiele und Pokerrunden stattfinden. Wo in kleinen überdrehten oder überaus trägen Modellen,

Bevor ich auf Inhalt und Zielsetzung des noch entstehenden Stückes eingehe, möchte ich die Frage nach dem Titel beantworten. Warum „Zum fröhlichen Urstand“? Oder: „Am fröhlichen Urstand“? Wir kennen alle die meist in kritischer Ironie angewandte Formel von den fröhlichen Urständen, beispielshalber: wo Idiotie fröhliche Urstände feiert. Damit wird gerne ein selbstvergessener Zustand kommentiert, oder das Vorherrschen eines einzigen Affektes kritisiert, der sich für weitere, für andere Hinweise taub zeigt. Gehen wir dem Begriff des Urstands vorerst im Singular nach, finden wir in Meyers Großem Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 967 folgenden Eintrag: „Urstand heißt der Anfangszustand des Menschen, sofern er der Kirchenlehre zufolge nicht einfacher Naturstand (s. d.), sondern ein Stand ursprünglicher Vollkommenheit gewesen und in anerschaffener Heiligkeit, Weisheit und Gottesgemeinschaft sowie in tatsächlicher Freiheit vom physischen Übel und vom Todesverhängnis bestanden haben soll, so daß die natürlichen Bedingungen des endlichen Geisteslebens zu einer erst nach dem Sündenfall eintretenden Strafe werden, dagegen als anerschaffen gilt, was doch nur als Ergebnis einer geistigen und sittlichen Entwickelung denkbar wäre.“ Hier kommen Ontogenese und Phylogenese der Idiotie in aller Unschuld zusammen. Zudem, wie mir scheint, in Form eines dekomponierten Lustspiels – deswegen der Titel.


soziale Miniaturen des Gegebenen und des noch nicht Gegebenen gebaut werden. Der Tisch ist der ontologische Gegenstand per so. Er verbürgt die Gegenwart der Dinge und, in Grenzen, auch ihre Verlässlichkeit. „Die Welt ist da, zum Beispiel dieser Tisch.“ Darauf: Das Tuch. Der grüne Filz. Etwas, das zwischen den Parteien ausgebreitet wird: to spread abroad. Hier wird Möglichkeit in Wirklichkeit übersetzt. Lewis & Short belehren uns, dass ‚interpretari‘ wohl einer anderen Wurzel angehört als ‚pretium‘. Dort steht zu ‚interpres‘: „(inter, and Sanscrit root prath-, to spread abroad; cf. Greek platós, Latin latus). An agent between two parties, a broker, factor, negotiator (class.); &c.“ Vermittlung setzt einen Gegenstand voraus, ein Tuch, einen Tisch. Tiefe Dunkelheit umgibt den Lampenschein. An diesem Tisch, wo Licht und Dunkel aufeinander treffen, reflektiert die Idiotie das Geschehen oder auch mal umgekehrt. Handlung ist so gesehen übersetzte Idiotie. Der Tisch ist zudem die Station für irre Spiele, dumme Witze, infantiles Gehabe, für blödsinnigen Überschuss in jeder Verkleidung, selbst für Diffamierungen, sowie für das Loblied der Torheit – kurz für vielfältige populäre Urstände des Idiotischen. Denn wir können nicht so tun, als habe das Idiotische keine unterkontrollierte Produktivität. Andersgesagt: Der Tisch ist eine Schleuse. Oder: das Gegenteil von Verdrängung. Das führt uns nun mitten hinein in die Frage der praktischen Begriffsdefinition. Wir haben es mit einem Aufgebot unscharfer Begriffe zu tun, die ihre Triftigkeit erst im Kontext, im Kontrast offenbaren. Akteure des Idiotischen sind uns: der Laie, der Nichtpriester, der Analphabet, der Amateur, der Bettelmönch, die Frau, der User (im Gegensatz zum Superuser), die Verwandten, ich selbst, dein Galerist, die Sau!, der Esel, der Schrat, der aus der Großstadt kam – und wieder aus ihr heraus, der Schwamm und viele andere mehr. Über dieser illustren Runde kreisen unterschiedliche Haltungen oder Zustände und wollen landen: Die Idiotie. Die Torheit. Die Dummheit. Die Blödheit. Das Irresein. Bis auf die letzte Fügung begleitet all diese Qualitäten der weiblichen Artikel. Interessant. Geht man den Etymologien dieser Begriffe nach, kommt man auf unterschiedliche Formen beeinträchtigter Wahrnehmung. Man setzt an unterschiedlichen Sinnen an und trübt sie, benebelt sie. Stäuben und stieben werden mehrfach genannt. Dein Galerist, die Sau! Da beißt er auf Granit. Da beißt er auf Schaum. Einmal wird ein jeder in den Schwamm beißen müssen.

a latin dictionary, founded on Andrews‘ Edition of Freund‘s Latin Dictionary revised, enlarged and in great part rewritten by Charlton T. Lewis, PH.D. and Charles Short, LL.D., Professor of Latin in Columbia College, New York, Oxford at the Clarendon Press, 1879. (perseus.tufts.edu)


Ich stelle mir vor: Die erhitzte Behandlung der Frage, mit welchem Subset von Idiotie man es jeweils zu tun habe. Eine Debatte darüber, ob selbstidentische Idiotie eine denkbare Kategorie sei. Gib mir bitte ein Beispiel für idiotisches Verhalten, an dem niemand anderes als Du beteiligt ist. Gibt es Idiotie ohne ihre phänomenale Kontrastdimension – kann ich, nachdem mir klar geworden, dass ich idiotisch agiere, von meinem Verhalten mit Fug und Recht noch behaupten, es sei idiotisch? Da wir keine selbstidentische Einheit voraussetzen, kann uns auch die Entzweiung nicht beunruhigen. Aber kann der Entzweite Anspruch auf das Attribut der reinen Idiotie erheben? Idiotisch im emphatischen Sinn, mit der ganzen Unschuld, in die das innere Geschehen sich hüllt, im Licht der Unschuld, das vom Idioten ausstrahlt? Hach, das ist der Skandal der Vernunft. (Ich habe alles mit Troddeln verziert, der Wein ist aus Quitten gemacht, er kommt außerdem aus Armenien.) (The wider clinical context will be discussed.) Zudem wird es den Personen dieser Aufführung um die Auslotung der Gegenworte zu tun sein. Das bedeutet weitaus mehr als eine quasi philologische Arbeit an der Schärfung des Begriffs. Diese Mühen der Bestimmung nehmen in den Blick, dass begriffliche Feineinstellung immerzu geboten ist – denn schließlich geht es um eine Haltung, die wissen muss, wo ihr Gegenteil ist – gerade angesichts der Tatsache, dass Idiotie ein Wurfgeschoss sein kann, das hart trifft und Spuren hinterlässt. Ist Intelligenz wirklich der Gegenpol von Idiotie? In welcher Schnittmenge befindet sich die Dummheit? Wie ändert sich die Sachlage, wenn der Akt der Selbstbezichtigung von anderen übernommen wird und sich unter der Hand ins Beschimpftwerden kehrt? Die Idiotie ist gegeben ist, wenn sie auch jederzeit zur Verhandlung steht. Diese Verhandlungen übernehmen die Personen auf der Bühne. Idiotie ist eine nur bedingt harmlose Zuschreibung, selbst im Zuge ihrer Neudefinition. Sie ist ein argumentatives Machtmittel, das den so Bezeichneten Handlungsfähigkeit und das Recht sich einzumischen abspricht. Sie dient der Unterdrückung, das heißt, der Installierung eines Diskurses, der sich als vernünftig versteht und etwaige Irritationen mit dem Ettikett des Idiotischen versieht, um sich mit ihnen nicht auseinandersetzen zu müssen. Das möchte ich nicht unterschlagen. Und warum sollte man sich die Mühe machen, etwas neu zu definieren, dessen originäre Wirkmacht nicht mehr als ein Witz ist? Am entgegengesetzten Pol finden wir den Trostort Idiotie. Ich stelle mir vor zu zeigen, dass Idiotie, angesiedelt in der Nähe von Regression, auch etwas wie ein Kurort innerhalb der informationsverarbeitenden Sprache und ihren Befehlen sein kann. Hier besteht eine Verbindung zur Lautpoesie, oder weiter gefasst, zu den Eigenheiten poetischen Sprechens. Hier tränke ich meine Kamele. So dass sich im Verlauf der Aufführung ein flüchtiges Idiotikon erstellt, ein peripheres Wörterbuch von einiger Plötzlichkeit und reduzierter Haltbarkeit. Norxippporxi, prprprlllkthm, das heißt: nimm dein Schwert hinweg und bring mir Träubchen. Lass den Rechner aus und bring


die Decken in das große Zimmer. Wie sage ich das, in deiner Sprache, in dieser Sprache, in der Sprache deiner Müdigkeit, der Sprache deiner Devianz? Denn mein Amateur will sich ein weiches Lager richten. Oder müsste ich es singen? Tschieb das Tschembalo auf meine Seite! (I‘ll bet you think this song is about you.) Ich stelle mir vor: Der Quell idiotischer Rede. Wohin ich gehe, um mich vielleicht zu erfrischen? Mich zu imprägnieren? Mich zu bilden an formloser Rede? Zu lallen, aber doch, in tiefer Süße. Wenn Regression auf Zustimmung stößt, dann ist die Zustimmung in etwa identisch mit: creme brulée. Der Atlantik gelierte und er war sehr, sehr süß. Die Schwimmer versagten, sie sanken. Sehr langsam durch das Gelee auf den Grund. Süß wars, süß und auf unerhörte Weise gemächlich. Das führt uns zum lieben Umgang im Allgemeinen, man könnte auch sagen: zum Idiot Plot of Love. In der amerikanischen Filmkritik bezeichnet der Begriff des Idiot Plots eine Filmhandlung, die sofort zum Erliegen käme, wenn alle Beteiligten keine Idioten wären. Da dies offenbar nicht der Fall ist, zieht sich das Geschehen immens in die Länge. An dieser Stelle möchte ich nicht weiter ins Détail gehen, da ich annehmen kann, dass jeder Leser und jede Leserin der vorliegenden Vorstellung bereits über eigene Erfahrungen verfügt, zu welchen Leistungen der Idiotie der verliebte Mensch imstande ist. Ein weiterer Aspekt der Idiotie, der, wie ich mir vorstelle, nicht übergangen werden kann, ist die Scham. Wie verhält es sich damit? Ich schäme mich meiner Dummheit. Ich schäme mich deiner Dummheit. Du bist und bleibst eben bäurisch. Diese Art der Verfeinerung werden Idioten wie du nie erreichen. Und ich gebe den Vorwurf zurück, der gleichermaßen Selbstvorwurf ist. Doch übersehen wir nicht das Quälerische daran.

Etwa so wie es von Daniel Paul Schreber vorgeführt wird, den ich hier einmal nicht als exemplarischen Irren vorführen möchte, sondern als einen Leidenden, der die Selbstbezichtigungen ein für alle Mal mit großem Scharfsinn auf den Punkt gebracht hat: „Thatsächlich weiß man (die Strahlen sind gemeint, MR) aber nun schon seit Jahren in Ermangelung eigener Gedanken im Wesentlichen nichts weiter zu sprechen, als von den eigenen Wundern, bezüglich deren dann meine(n) Nerven die entsprechenden Befürchtungsgedanken fälschlicherweise unterlegt werden (z.B. … „wenn nur meine Kniescheibe nicht verwundert (!) würde“) und ferner jeweilig diejenige Beschäftigung, die ich gerade vornehmen will, zu verfluchen, (z.B. ... „wenn nur das verfluchte Klavierspielen aufhörte“) sobald ich mich an das Klavier setze … Dazu hat man die maßlose Unverschämtheit – ich kann keinen anderen Ausdruck dafür gebrauchen – mir zuzumuthen, dass ich diesem gefälschten Blödsinn gewissermaßen als meine eigenen Gedanken lauten Ausdruck geben soll, also in der Weise, dass sich an die Phrase „wenn nur das verfluchte Klavierspielen aufhörte“ die Frage anschließt: „Warum sagen Sie‘s nicht (laut)? und darauf wieder die gefälschte Antwort erfolgt: „Weil ich dumm bin, so etwa“, oder auch „weil ich Furcht habe vor Herrn M.“


Gegen Ende dieser Vorstellung möchte ich noch auf eine weitere Dimension des Idiotischen eingehen: auf die Frage der Prophylaxe. Wie geht vorbereiten – und ist Vorbereitung überhaupt möglich? Welche Formen der Vorsorge kann ich treffen, damit etwas nicht passiert, oder zumindest weniger drastisch ausfällt? Vorsorge und Idiotie. Nachsorge und Idiotie. In diesem Zusammenhang stelle ich mir vor, dass Masken und Helme zum Einsatz kommen. Ich stelle mir vor, dass die dramatischen Personen sich einige Zeit mit dieser Frage auseinandersetzen werden. Hier werden auch Körperpraktiken und Rituale zum Einsatz, oder zumindest zum Experiment kommen, die allesamt dem Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens entnommen sind. Und zu allerletzt stelle ich mir vor, dass sich die Werte dessen, was um jeden Preis befördert und was um jeden Preis vermieden werden muss, im Zuge der Aufführung ändern. Und selbst wenn sie schließlich doch am gleichen Ort zum Stillstand kämen, wäre es doch nicht: der gleiche Ort.

REFERENZTEXTE Nikolaus von Kues: Der Laie über die Weisheit. Idiota de sapientia Nikolaus von Kues: Der Laie über Versuche mit der Waage. Idiota de staticis experimentis Nikolaus von Kues: Der Laie über den Geist. Idiota de mente Erasmus von Rotterdam: Lob der Torheit Gustave Flaubert: Bouvard und Pecuchet Fjodor Dostojevski: Der Idiot Oskar Pastior: Der krimgotische Fächer Oskar Pastior: Gimpelschneise in die Winterreise Jean Paul: Von der Dummheit Avital Ronell: Stupidity Avital Ronell: The Test Drive Walter Benjamin: Zwei Gedichte von Hölderlin, Dichtermut und Blödigkeit Walter Benjamin: Ursprung des deutschen Trauerspiels Roland Barthes: Neutrum Roland Barthes: Der entgegenkommende und der stumpfe Sinn Robert Musil: Über die Dummheit John Kennedy Toole: Ignaz oder Die Verschwörung der Idioten Martin Kippenberger: Wie es wirklich war Jean-Yves Jouannais: L‘Idiotie Deleuze / Foucault: Der Faden ist gerissen Donna J. Haraway: When Species meet Mary Gaitskill: Because they wanted to Das Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens Grimms Wörterbuch und Grimms Märchen Ernst Herbeck: Gedichte


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