Spree #4 2014

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fernweh

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Herausgeber SD Media Services GbR Florian Diesing, Sebastian Weiß Reuchlinstraße 10-11 10553 Berlin Tel.: (030) 36 28 64 32 Chefredakteur Tobias Hausdorf spree@stadtstudenten.de Chefin vom Dienst Kamila Zych Lektorat Annemarie Diehr, Tobias Hausdorf Autoren Philipp Blanke, Leonie Braam, Katharina Butz, Tobias Hausdorf, Kirsten Jöhlinger, Caroline Leicht, Miriam Nomanni, Alisa Pflug, Kathleen Sinclair, Kathrin Stopp, Hannah Wagner, Kamila Zych Layout, Illustration, Cover Angelika Schaefer Online-Redaktion Tobias Hausdorf stadtstudenten.de Anzeigen Florian Diesing (Leitung), Johannes Kersten Tel.: (030) 36 28 64 30 Druck Westdeutsche Verlags- und Druckerei GmbH Mörfelden-Walldorf Druckauflage 30.000 Vertrieb kostenlose Auslage in Berlin und Potsdam: PickMe, Eigenvertrieb, Dinamix Media GmbH Aktuelle spree Ausgabe #4/2014 Redaktionsschluss: 30. November 2014 Erscheinungsdatum: 10. Dezember 2014 Nächste spree Ausgabe #1/2015 Redaktionsschluss: 25. März 2015 Anzeigenschluss: 27. März 2015 Erscheinungsdatum: 15. April 2015 Nachdruck, auch auszugsweise, nur nach Genehmigung des Verlages. Bei Verlosungen ist der Rechtsweg ausgeschlossen: bei Mehreinsendungen entscheidet das Los. Es gelten die Mediadaten vom 1. Januar 2014.

Inhalt 04 08

Eben kurz die Welt bereisen

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Vom Wienern, Berlinern und etwas dazwischen

Interview mit der Mad Tea Party

Unterwegs studieren

Für und Wider von Onlineuniversitäten Aufräumen mit Vorurteilen

Schwesternschaft und Campusleben Studieren in den USA und Deutschland

Spontan und kantig

Interview mit einer Kanadierin

Lenin friert

Zwei Semester in Sibirien

Grenzenlose Einheit?

Studierende zur Frage über Grenzen

Deutschland: Land von Zähnen und Zukunft Interview mit einem Syrer in Jordanien

Auf und Davon – aber wer zahlt?

Überblick der Finanzierungsmöglichkeiten

Sexgöttin im Bücherwald

Auf der Suche nach Büchertauschprojekten

Mit Sex durchs Studium

Studierende in der Sexindustrie

Sommermärchen 2.0 Die Mannschaft im Kino

Hendrix’ verbindende Hand Ein skurriler, ukrainischer Roman

Editorial Wieso nicht den Jahreswechsel zum Träumen nutzen und vielleicht einen Auslandsaufenthalt planen? Wer gern unterwegs ist, kann mit dieser spree sein Fernweh lindern, wer lieber daheim bleibt, kann im Kopf auf Reisen gehen. Kommt mit auf eine Rally nach Ulan Bator, lernt wie es einem in Los Angeles und Sibirien ergeht und wenn die Reiselust aufkommt, dann soll es am Geld nicht scheitern. Neue Studienformen und Onlinekurse ermöglichen es, Reisen und Studium zu verbinden, doch die Kehrseiten sollten nicht unterschätzt werden. Auch die andere Perspektive lohnt sich. Daher könnt ihr einen Erfahrungsbericht einer Wienerin lesen, die in Berlin ihre Wahlheimat gefunden hat und im Gespräch mit einer Kanadierin die Gegensätze der Kulturen kennen lernen. Dass Deutschland und Berlin Sehnsuchtsorte sind, wird besonders im Interview mit einem Syrer klar, der davon träumt hier zu studieren. 25 Jahre nach dem Mauerfall interessiert uns, wo heutige Studierende Grenzen zwischen Ost und West sehen. Was macht ihr mit ungewollten Büchern? Wir haben eine Antwort, die nicht nur nach Weihnachten relevant ist. Ihr lernt, was Jimi Hendrix’ Hand mit der Ukraine zu tun hat und wie der DFB die Mannschaft inszeniert. Außerdem haben wir Studierende gefunden, die bereit waren über ihren außergewöhnlichen Job zu reden: Porno-Star und Escort-Dame. Schreibt uns, was euch fehlt und gefällt. Wir sind gespannt auf eure Rückmeldung.

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Tobias


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Eben kurz die Welt bereisen Ein Auto, ein Team, ein Ziel: Innerhalb von sechs Wochen, eine Strecke von 14.000 km überqueren und 1.000 £ für wohltätige Zwecke aufbringen. So lautet der Plan des weltweit größten Abenteuers auf vier Rädern, auch bekannt als Mongol Rally. Start ist London, weiter durch 21 Länder, drei Wüsten und fünf Bergketten, bis zum ersehnten Ziel: Ulan Bator, der Hauptstadt der Mongolei. Vier junge Menschen haben sich der Herausforderung gestellt und sich in den Sommersemesterferien auf den Weg gemacht, nebenbei die Welt zu retten. Isabel, Cecilia, Dominik und Titus heißen die Helden der selbsternannten „Mad Tea Party“. Kamila hat zwei von ihnen getroffen und über ihre tollkühne Reise ausgefragt. Text: Kamila Zych Fotos: Dominik Fleischmann www.mysilentkingdom.com Was hat euch den Anreiz dazu gegeben, an der Mongol Rally teilzunehmen? Cecilia: Ich habe vor einigen Jahren ein Video darüber im Internet gesehen und war sofort fasziniert davon. Klar war für mich, dass ich die Rally machen werde, wann und mit wem war nur die Frage. Isabel: Cecilia hat mich dann Anfang des Jahres gefragt, ob ich Lust hätte mitzumachen. Zuerst dachte ich mir „Ok, was ist das?!“, habe mich darüber informiert und da ich sowieso ein unfassbar reiselustiger Mensch bin, der am liebsten alles sehen möchte, war dies der Anreiz, mich ihr anzuschließen. Habt ihr euch besonders vorbereitet oder seid ihr einfach eurem Instinkt gefolgt? Cecilia: Im Vorfeld gab es schon einige organisatorische Sachen, die man erledigen musste, wie z.B. sich um ein Visum kümmern. Ich habe auch Kontakt mit Teams aufgenommen, die die Rally schon gemacht haben, wodurch wir sehr viel Insiderwissen bekommen haben. Klassischerweise hatten wir auch zahlreiche Reiseführer, die wir im Endeffekt aber nicht wirklich benutzt haben. Isabel: Generell, wenn man eine solche Reise plant, muss man sich einfach auch auf Situationen einstellen, die man nicht

voraussehen kann und deswegen wurde vieles einfach spontan geregelt. Wir haben beispielsweise auch unsere ursprünglich geplante Route komplett umgeworfen und sind entlang der Küste gefahren, um noch mehr zu erkunden. Wie kann man sich das vorstellen, musstet ihr im Auto schlafen und habt euch von dem ernährt, was ihr auf dem Weg finden konntet? Isabel: Es war schon ungefähr so. Ich erinnere mich, als wir auf dem Pamir-Highway waren, da gab es unterwegs winzige Kaffs mit gefühlt 50 Einwohnern und nur einem Kiosk, wo du dir höchstens eine Nudelsuppe kaufen und mit einem Gaskocher erwärmen konntest... Cecilia: ...was dann etwas kritisch wurde, denn zum Ende hin hatten wir für unseren Kocher nicht mehr genug Gas und wir hatten noch neun Tage auf den Highway zu verbringen. Unsere Hauptnahrungsmittel waren dann Äpfel und Tomatensalat mit Zwiebeln. Isabel: Eines Tages bekamen wir sogar frisch gebackenes Brot von einer Bäuerin. Wie man merkt, seid ihr auf eurer Reise vielen netten Menschen begegnet! Isabel: Auf jeden Fall! Vor allem im Iran sind wir auf so herzliche Leute getroffen. Ich muss dazu sagen, dass wir vor der Einreise in den Iran alle extrem aufgeregt waren, weil man aus den Medien meist nur dieses Terroristenbild kennt. Aber sobald wir da waren, sind alle Vorurteile verflogen. Leute kamen auch von selbst zu uns, als sie gemerkt haben, dass wir Unterstützung brauchen. Und es kommt eben darauf an sich auf die Hilfe anderer verlassen zu können, weil du in diesem Moment einfach auf dich allein gestellt bist. Cecilia: Ich glaube wie haben alle auf der Reise gemerkt, dass die meisten Sachen vor denen man Angst oder Sorge hatte völlig unberechtigt waren. Ich habe noch nie so viele nette, hilfsbereite und interessante Menschen in so kurzer Zeit kennengelernt. Natürlich ist man am Anfang verunsichert, weil man das alles ja gar nicht kennt, aber ich fände es einfach schön, wenn wir lernen würden, mehr aufgeregt, als nervös zu sein und ein anderes Interesse an der Welt aufzubauen. Im Endeffekt kann überall


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Schlimmes passieren und dass man nicht gleich in ein Kriegsgebiet fährt ist auch klar, aber ich denke es ist wichtig, auf sein Bauchgefühl zu hören. Das sind wir aber leider nicht gewohnt. Habt ihr während der Rally auch andere Teams getroffen? Cecilia: Wir haben zwei Briten, George und Hugo, kennengelernt, die uns auch 5 Wochen begleitet haben. Das Witzige war – und das ist ein guter Tipp für Nachahmer –, dass George im Auto immer einen Aktenkoffer parat hatte. Sobald wir auf Polizeibeamte gestoßen sind, die uns nicht durchlassen wollten, weil sie offensichtlich Geld von uns wollten, zückte George seinen Koffer. Er holte einen Block heraus, um die Namen der Beamten aufzuschreiben. Spätestens wenn er den Satz „I will call the Embassy“ gesagt hat, durften wir passieren, ohne einen einzigen Cent gezahlt zu haben. Was war die lustigste Geschichte, die ihr erlebt habt? Cecilia: Uns ist eigentlich ständig etwas Lustiges passiert, aber da muss man selbst dabei gewesen sein, um es zu verstehen. Allerdings erinnere ich mich an eine witzige Situation, die Dominik passiert ist, als er 100$ in Kirgistan wechseln wollte: Der Wechselkurs lag bei 54 Som pro Dollar aber der Mann in der Wechselstube hat ihm statt 5.400 Som, gleich 54.000 gegeben. Dominik hat uns völlig verwirrt das Geld gezeigt und ist noch einmal mit Titus zurückgegangen, um das Missverständnis aufzuklären. Der Mann dachte aber wahrscheinlich, dass sie das Geld wieder in Dollar wechseln wollten, sodass er selbst nach dem dritten Anlauf nicht mit sich reden ließ. Dann sind wir einfach weitergefahren. So schnell kann man sein Geld verzehnfacht. Aber bestimmt lief nicht immer alles so, wie ihr euch das vorgestellt habt? Isabel: (lacht) Es lief gar nichts nach Plan! Aber ich habe auch schon von Anfang an gesagt: „So eine Reise kann man nicht planen, die passiert einfach“. Cecilia: Durch die ständige Wetterumstellung waren wir öfter krank, Isabel hat sich die Nase gebrochen und einmal wurde uns das Autoradio geklaut. Was die Diebe aber nicht wussten war, dass in unserem Handschuhfach noch zwei iPods, eine GoPro und paar hundert Dollar lagen.

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1 Der bei Einheimischen als „Door to Hell“ oder „Gates of Hell“ bezeichnete Krater in Turkmenistan, entstand 1971 während einer Bohrung von sowjetischen Geologen. Um zu vermeiden, dass das sich darin befindende Erdgas austritt, wurde es angezündet und brennt bis jetzt noch immer. 2 Tadschikistan     3 Iran     4 Usbekistan     5 Türkei

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6 Tadschikistan      7 Kirgistan      8 Turkmenistan   9 Kirgistan 10 Logo der „Mad Tea Party“ created by Kimiya Justus http://kjpur.blogspot.de

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Also noch Glück im Unglück gehabt. Aber gab es mal eine brenzlige Situation, in der ihr dachtet „Jetzt ist es vorbei“? Isabel: Ja, das war eines Nachts im Iran. Ich bin gefahren, alle anderen waren schon richtig fertig und haben geschlafen. Irgendwann konnte ich meine Augen aber nicht mehr offen halten, deshalb habe ich an einer Raststätte gehalten und dachte mir „Ich schlaf‘ jetzt mal ‚ne Stunde“. Ungefähr drei Stunden später hat die Polizei ans Fenster geklopft und sofort waren wir alle hellwach. Ich habe kein Wort von dem verstanden, was der Polizist zu mir gesagt hat und das Einzige was er dann auf Englisch meinte, war: „You! Follow me or ‚Boom, boom, boom‘!“ Und in dem Moment ist mir praktisch das Herz in die Hose gerutscht. Ich war mega angespannt, die andere meinten nur die ganze Zeit „Chill, ganz ruhig, chill einfach. Fahr‘ ihm hinterher!“ Dann hat mich der Beamte an eine Polizeistation gelotst, an der ich parken sollte, aber ich war so unter Strom, dass ich nicht mal mehr richtig einparken konnte. „Scheiße, die denken bestimmt, dass ich betrunken bin“, dachte ich mir. Im Endeffekt haben sie uns einfach vor der Polizeistation schlafen lassen, was unfassbar nett war. Ich denke, dass der Polizist uns sagen wollte: „Wenn ihr hier bleibt, dann werdet ihr wahrscheinlich erschossen“. Das ist ja auch völlig bescheuert, im Iran, mitten im Nirgendwo, als Touris auf einer Raststätte zu schlafen. Inwiefern hat euch diese Reise geprägt? Isabel: Wir haben auf jeden Fall viele Erinnerungen an Menschen mitgenommen, die uns einfach durch ihre Gesten gezeigt haben, wie nobel sie sind und uns viel auf unseren Weg mitgegeben haben. Zum Beispiel waren wir einmal in einem Hostel, das von einem Professor aus London geführt wurde und abends saßen wir zusammen und haben uns unterhalten. Seine Frau hat währenddessen Kartoffeln für die ganze Belegschaft, fast 20 Leute geschält. Die alte Frau wurde allmählich müde, kam plötzlich zu mir, knallte ein Messer hin und meinte „Ok, du machst jetzt weiter!“. Sie war in dem Moment wie so eine Mama, das fand ich süß. Cecilia: Für mich hat sich durch die Reise sehr viel verändert. Ich fühle mich besser als davor, zufriedener. Außerdem habe ich während der Rally beschlossen, die Uni abzubrechen und mich neu zu bewerben. Ich bin so unglaublich froh darüber. Die Reise hat mir erneut gezeigt, was für ein Glück wir haben. Den wenigsten Menschen geht es so gut wie uns und ich finde, dass wir gerade weil wir dieses Glück haben, es nutzen sollten, um das absolut Beste draus zu machen. Und das fängt damit an, eine Karriere zu wählen, die uns Spaß macht, denn viele haben nicht die Wahl. Man wird durch den Umgang mit so vielen unterschiedlichen Leuten nicht nur viel neugieriger, verständnisvoller und weltoffener, sondern man lernt wirklich sein eigenes Leben noch viel mehr zu schätzen.

Die bislang weiteste Reise mit dem Auto unternahm Kamila nach Italien. Andere, interessante Länder möchte sie auf jeden Fall noch erkunden. Aber das vorerst vielleicht doch lieber mit dem Flugzeug. Und in einem Hotel.

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Die „Mad Tea Party“ hat es leider nicht bis in die Mongolei geschafft, aber unsere Helden haben trotz dessen das bekommen, was sie wollten: Ein Abenteuer, voller Hürden, Eindrücke und Menschen, welches sie ein Leben lang im Herzen tragen werden. 68 Tage waren sie unterwegs, 16.194 km haben sie zurückgelegt, 752 € eingesammelt. Die Summe kam Cool Earth, einer Organisation, die sich für die Erhaltung des Regenwaldes einsetzt sowie der Spendenplattform betterplace.org zugute. Cecilia ist fest entschlossen, die Mongol Rally nächstes Jahr zu beenden. Ob die anderen sich ihr anschließen werden, ist noch unklar. Ihr treuer Gefährte, der Kia Rio, wartet jedenfalls schon in Kasachstan auf sie. So spannend sich dieses Abenteuer auch anhört, man darf die Gefahren und Risiken der Mongol Rally nicht unterschätzen. Wer sich trotz dessen dem Wagnis stellen möchte, kann sich über http://www.theadventurists.com/mongol-rally/ schlau machen. Für diejenigen, denen das Ganze nicht so geheuer ist, kann über den Blog der „Mad Tea Party“ oder die Facebookseite, noch mehr Fotos bewundern und das Abenteuer digital verfolgen.

http://madteaparty2014.tumblr.com https://www.facebook.com/madteapartymongolia


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Unterwegs studieren Durch die Welt reisen und nebenbei einen Abschluss machen? Was wie der Traum der meisten Studierenden klingt, wird durch Onlinekurse Realität. Doch kann universitäre Bildung auf diese Weise revolutioniert werden? Text: Tobias Hausdorf

Das Internet ist für die wenigsten Neuland. Erst recht nicht für Studierende. Das dachte sich wohl auch Sebastian Thrun, als er im Februar 2012 mit Udacity eine Onlineuniversität gründete. Im Mai folgte edX, gegründet von den Eliteuniversitäten Harvard und Massachusetts Institute of Technology (MIT). Apple startete schon 2007 mit iTunes U eine Online-Bildungsplattform auf der Vorlesungsreihen, Sprachkurse und Campus-Touren zum Download angeboten werden. Bei Bildung scheinen alle auf online geschalten zu haben. „MOOC“ ist das Wort der Stunde. Es steht für „massive open online course“ und leitet laut Anant Agarwal, IT-Experte am MIT, eine Bildungsrevolution ein. Professoren zeichnen ihre Vorlesungen auf, stellen sie online und jeder, der interessiert ist und über Computer und Internetzugang verfügt, kann diese aufrufen – umsonst. Der Zugang zu Bildung wird radikal vereinfacht und ein Professor erreicht schnell so viele Studierende, wie sonst in seiner gesamten Karriere. Der Seminarraum wird zur Weltbühne. Die Onlinekurse taugen auch für das Ego der Dozenten. Bei Agarwals ersten Kurs meldeten sich 155.000 Online-Studierende aus aller Welt an. „Das sind fast so viele, wie das MIT in seiner 150-jährigen Geschichte Absolventen hat“, sagte Agarwal dem Spiegel. Ein gutes Beispiel ist auch der US-Philosoph Michael Sandel, eine Koryphäe der politischen Philosophie, der seinen Grundkurs über Gerechtigkeit seit 25 Jahren lehrt. „Justice“ ist der erste Kurs der Harvard-Universität, der kostenlos im Internet angeboten wird und hat Sandel zu weltweiter Berühmtheit verholfen. Wie in der analogen Uni stellt sich jedoch die Frage der Qualität. Denn eine Vorlesung zu filmen und ins Netz zu stellen, reicht nicht aus. Die Angebote leben vom Mehrwert, der durch Interaktivität gegeben wird. Kritiker befürchten außerdem, dass kleine Hochschulen mit geringeren Budgets ihre Grundkurse durch MOOCs ersetzen, um Geld zu sparen. Die großen Universitäten profitieren doppelt, denn sie können sich die Koryphäen leisten und zusätzlich werden deren Kurse von den kleineren Hochschulen eingekauft. Bildung für alle und umsonst ist ein erstrebenswertes Ziel, doch wer zahlt dafür? Die meisten Hochschulen hierzulande sind staatlich finanziert. Onlineangebote werden aber bisher vorrangig von privaten Unternehmen angeboten. Und die haben Ideen, wie sie Gewinn machen: zum Beispiel in dem sie die Daten der Nutzer zu Geld machen oder Firmen professionelle Mitarbeiterschulungen verkaufen. Die Minerva-Universität, eine private Hochschule in San Francisco, versucht die Vorteile der Onlinekurse für ein eigenes Studienkonzept zu nutzen, das in Sachen Freiheit leicht die Erasmus-Programme in den Schatten stellt. Nach ihrem ersten Jahr können sich die Studierenden entscheiden, ob sie ihr zweites entweder in Buenos Aires oder Berlin verbringen. Danach werden Mumbai, Hong Kong, London und New York vorgeschlagen. Eine Onlineplattform ersetzt den Campus. So können die Weltreisenden problemlos andere Kulturen erkunden und nebenbei studieren. Größtes Manko ist aber der Preis. Knapp 10.000 Dollar im Jahr kostet das Studium an der Minerva – ohne Reisekosten und bleibt so exklusiv. Kostenlose MOOCs dagegen sind für Massen und Ärmere gedacht, doch bis die Anrechnung geklärt ist, sind sie vor allem eines: ein Studium Generale, perfekt um über den Tellerrand zu schauen. Seinen Abschluss macht man aber noch an der klassischen Universität. Vorerst.

Tobias hat zwei Semester seines Englisch- und Geschichtsstudiums in den Niederlanden verbracht und war froh auch das Studiensystem dort kennen zu lernen und nicht nur online zu studieren.


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Vom Wienern, Berlinern und etwas dazwischen

Vor einem Jahr kam ich nach Berlin, um hier ein Auslandssemester zu absolvieren. Aus dem Semester wurde ein Jahr und aus dem Jahr wurde ein voraussichtliches „Für Immer.“ Denn ich habe Wien ganz hinter mir gelassen, um in Berlin zu studieren, zu arbeiten, zu leben. Text: Katharina Butz Diese Stadt hat mich vom ersten Tag an fasziniert. Irgendwie konnte ich mir mein Leben nach diesem Auslandsjahr nicht mehr ohne Spree, Spätis und Pfeffi vorstellen. Es ist dieses Gefühl, jeden Tag etwas Neues entdecken zu können, das mich hier hält. Jeder Kiez versprüht seinen eigenen Charme. Ich fühle mich auch nach einem Jahr in Berlin wie auf einer nicht endenden Erlebnistour. Natürlich hatte ich zu Beginn meines Aufenthalts mit den üblichen Startschwierigkeiten zu kämpfen: Stundenlang musste ich beim Bürgeramt warten, mich an einer neuen Universität und in einer fremden Stadt zurechtfinden und mir einen Berliner Freundeskreis aufbauen. Doch diese Hürden waren ein Kinderspiel im Vergleich zu einem markanteren Problem. Der größte Unterschied zwischen Deutschland und Österreich ist nämlich weder die berühmt-berüchtigte deutsche Gründlichkeit noch der österreichische „Schmäh“, es ist die gemeinsame Sprache. Als ich meinen Erasmus-Aufenthalt in Berlin zu planen begann, schüttelten einige meiner Wiener Bekannten und Studienkollegen den Kopf. Erasmus sei doch dazu da, eine Fremdsprache zu erlernen. Das würde sich in Berlin wohl erübrigen. In diesem Punkt waren die Berliner allerdings anderer Meinung: Unzählige Studien- und Arbeitskollegen fragten immer wieder, ob es schwer für mich gewesen sei, hier Hochdeutsch zu lernen. Wenn ich daraufhin erwiderte: „Nein, das ist ja schließlich meine Muttersprache“, sahen sie mich verständnislos an. Dabei habe ich mich von Anfang an bemüht, die üblichen Fehler zu vermeiden: Das heimische „Sackerl“ ist hier die Tüte, der geliebte „Weiße Spritzer“ wird hier zur Weißweinschorle und möchte ich ein „Weckerl“ haben, frage ich nach einem Brötchen. Diese Worte habe ich in meinen täglichen Sprachgebrauch aufgenommen, auch wenn mir das anfangs befremdlich erschien. Trotz meiner Bemühungen, mich sprachlich anzupassen, erntete ich immer wieder Kopfschütteln über für mich ganz selbstverständliche Floskeln, wie beispielsweise „Das geht sich aus“ (Um dieses Missverständnis ein für alle Mal aus der Welt zu räumen: Dieser Satz bedeutet soviel wie „Das klappt“ oder „Das haut hin“ und ist aus dem österreichischen Sprachgebrauch nicht wegzudenken. Punkt.). Ich drohte, in eine sprachliche Identitätskrise abzurutschen. Denn einerseits nahm ich mit der Zeit einige deutsche Ausdrücke und Redewendungen an („Ja ne, is’

klar“), die meine österreichischen Freunde zur Weißglut trieben, andererseits wurde ich hier gern als der typische „Ösi“ abgestempelt. Mittlerweile habe ich gelernt, die ganze Sache mit Humor zu betrachten. Ich bin ziemlich stolz darauf, beide Seiten zu verstehen. Wenn ich in Österreich bin, ist sprachlich betrachtet „alles leiwand“ – und in Berlin läuft es auch. Die Klischees über Österreicher halten sich weiterhin. Wenn ich auf neue Leute treffe, bekomme ich als Reaktion auf meine Herkunft immer wieder ein „Küss’ die Hand“ zu hören (Eine Redewendung, die weder ich noch mein österreichischer Freundeskreis verwenden). Aber mittlerweile kann ich darüber lachen, denn im Grunde ist der österreichische Dialekt in Berlin sehr beliebt: Viele meiner Freunde hier hören mich gerne „wienern“. Erst letztens lernte ich auf einer Party einen gebürtigen Mexikaner kennen, der mir am Ende des Abends begeistert sagte: „Dich verstehe ich hier am allerbesten“. In diesem Sinne: Küss’ die Hand.

Katharina studiert Theaterwissenschaft in ihrer Wahlheimat Berlin und ist sehr zufrieden damit. Nur ein deftiges Wiener Schnitzel vermisst sie ab und zu.

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Schwesternschaft und Campusleben

– Studieren in den USA und Deutschland Kaum das Abitur in der Tasche und schon naht die Entscheidung, was man studieren und mit dem Rest seines Lebens anfangen möchte. Doch dass dies nicht so schwer fallen muss, zeigt ein Exkurs in die USA. Bevor ich in diesem Semester mein Studium an der Freien Universität Berlin (FU) aufgenommen habe, war ich für drei Monate an der University of California, Los Angeles (UCLA). Und was ich an der Westküste erlebt habe, ist mit dem deutschen Universitätssystem kaum zu vergleichen. Text und Foto: Caroline Leicht Campus und Studium Während ich an der FU auch schon mal die U-Bahn zwischen Vorlesungen nehmen muss, ist der Campus der UCLA zentralisiert. Alles ist fußläufig erreichbar. Viel praktischer also, wenn man mal unter Zeitdruck steht. In den USA gibt es in der Phase nach dem Schulabschluss kaum Druck. Bereits vor den Abschlussprüfungen in der High School steht fest, an welcher Universität man nach dem Sommer studiert. So lassen sich die Prüfungen gleich entspannter angehen. An der Uni muss man den Major, also das Hauptfach, erst im dritten Semester festlegen. Das erste Jahr dient der Orientierung; man darf Kurse aus allen Bereichen ausprobieren. Ein solches Studium Generale würden viele Studenten auch hierzulande gerne nutzen können. Auch nach dem Orientierungsjahr ist es einfacher Kurse aus anderen Fachbereichen zu belegen und für diese Credits zu bekommen. Nicht nur die Struktur und Bürokratie ist lockerer, sondern auch die Atmosphäre in den Kursen. Der größte Unterschied im Bereich des Studiums sind wohl die Vorlesungen. An der UCLA waren meine Vorlesungen wissenschaftliche Diskussionen auf hohem Niveau zwischen Studenten und Professor. Gut möglich, dass da auch mal der Professor die Argumente der Studenten einleuchtender findet als die eigenen. Die Deutschen hingegen nehmen eine Vorlesung wörtlich. Der Professor kommt herein, liest sein Script vor, dann geht er wieder. So jedenfalls meine bisherigen Erfahrungen. Deutschland ist seit kurzer Zeit das erste Land, das keine Studiengebühren erhebt. Anders sieht es dagegen in den USA aus. Dort kostet ein Studium pro Semester zwischen 15.000 und 60.000 US-Dollar. Wer studieren will, muss es sich leisten können – oder einen Kredit aufnehmen.

Caroline ist 18 Jahre alt und studiert seit diesem Semester im Bachelor Nordamerikastudien an der FU. Vor Beginn des Studiums war sie drei Monate an der UCLA. Die Begeisterung für die USA war schon früh da und so ist es kein Wunder, dass bereits der nächste Auslandsaufenthalt geplant wird.

Leben und Zusammenhalt Das erste Jahr an der neuen Universität dient in den Staaten auch zur Gewöhnung ans College Life. Jede Universität bietet verschiedene Sportangebote an, die allerdings mit dem deutschen Hochschulsport nicht zu vergleichen sind. So gibt es für jede Sportart eine Liga, die bekannteste ist wohl die nationale College Football League. Bei diesen sportlichen Veranstaltungen wird der School Spirit stark geprägt. An der UCLA ist mir dies vor allem beim Football aufgefallen. In Los Angeles gibt es zwei konkurrierende Universitäten in der Liga: die UCLA und die USC (University of Southern California). Und diese Rivalität wird absolut ernst genommen. Es gibt Beat-SC-Events (also: Besiegt die USC) vorm Saisonspiel und die Rivalität bleibt während des restlichen Jahres präsent. Die Studenten unterstützen ihr Team bei den sportlichen Ereignissen und so entsteht ein Zusammenhalt, der auch darüber hinaus zu spüren ist. Auf dem Campus der UCLA habe ich mich wie in einer großen Familie gefühlt. In Deutschland bleibt dieser School Spirit aus. Wahrscheinlich nicht zuletzt dadurch, dass es keine regelmäßigen Veranstaltungen gibt, wie es in den USA durch die School Teams in den verschiedensten Sportarten möglich wird. Zum typischen College Life gehört natürlich Greek Life, also Fraternities und Sororities, die gern in Filmen überspitzt dargestellt werden. In den Studentenvereinigungen entstehen der Campus-Familie untergeordnete kleinere Familien. So wird es beschrieben und so habe ich es auch selbst empfunden, als meine Freundin mich zu ihrer Vereinigung mitgenommen hat. „Ich habe zwanzig Schwestern und ich liebe es,“ sagt meine Freundin Bridget dazu. Zwischen amerikanischen und deutschen Universitäten bestehen große Unterschiede. Während es in den USA lockerer zugeht, ist es in Deutschland strukturierter. Denn hier sind die Unis nur zum Studieren da. Sport und Studentenleben finden außerhalb statt. Mit den College Sports und Greek Life wird in USA das College Life wirklich ausgelebt, der School Spirit wird geprägt. Und eine Vorlesung wird nicht so wörtlich genommen – zur Freude der Studenten. Doch dafür müssen sie auch ordentlich Studiengebühren bezahlen, die es hier in Deutschland zum Glück nicht gibt.


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Spontan und kantig Heather Dunbar, 21, kommt aus Burnaby, einem Vorort von Vancouver. Sie studiert Englisch an der Simon Fraser University und nun für ein Jahr an der Humboldt Universität. Ein Gespräch über unterschiedliche Welten, Berlins Vorzüge und Pilze. Text und Foto:: Kathleen Sinclair

Warum wolltest du ausgerechnet nach Deutschland? Heather: Als ich 16 war, musste mein Papa für seine Arbeit nach Karlsruhe reisen und nahm die ganze Familie mit. Ich hatte Spaß daran, mir kleine Dinge, wie auf Deutsch Essen zu bestellen, beizubringen. Später an der Uni hatte ich Lust, weiterzumachen. Für einen Auslandsaufenthalt bot sich zwar auch Österreich an, aber da ich einen kleinen Teil bereits kannte, wollte ich Deutschland lieber mehr erkunden. Es wurde Berlin, weil es naja, Berlin ist. Hast du dich an deiner Heimatuniversität gut vorbereitet und an der HU willkommen gefühlt? Heather: Ja, beides. Ich fühle mich hier wohl. Auch wenn ich im International Office oftmals unfreundlich empfangen wurde. Ich vermute, es liegt an der internen Kommunikation, denn ich bekam häufig widersprüchliche Informationen, besonders bei der Belegung und Anrechnung von Kursen. Dir wird auch vermittelt, dass du dich nur als allerletzten Ausweg ans International Office wenden sollst, wenn du überhaupt nicht weiter weißt und schon überall sonst gefragt hast. Ganz anders die Leute beim Orbis, die waren sehr hilfsbereit! Fairerweise muss man dazu sagen, dass die Leute, die im Orbis arbeiten, die deut-

lich angenehmeren Aufgaben erledigen als die, die im International Office arbeiten. Wie nimmst du die Atmosphäre in den Lehrveranstaltungen wahr? Heather: Sehr freundlich und offen. Ab und zu gibt es beim Inhalt Probleme. Wenn ein Prof etwas sagt wie „ihr habt ja alle in eurem ersten Semester den Text von Soundso gelesen…“, fühle ich mich nicht berechtigt, meinen Senf dazuzugeben, weil ich diesen Grundlagentext nicht kenne. Andererseits fällt mir dann im Gespräch mit meinen Kommilitonen auf, dass viele den Text selbst nicht kennen, oder vergessen haben. Der Anteil an improvisierten Beiträgen ist hier bedeutend höher als bei uns. Was wundert dich an Berlin? Heather: Pilze stehen nicht im Kühlregal. Als ich zum ersten Mal Pilze gekauft habe, dachte ich, vielleicht sind das besondere deutsche Pilze, die man nicht kaltstellen muss. Nach zwei Tagen: ih. Berlin ist eine Stadt voller Widersprüche. Es gibt strenge Regeln, an die sich aber kaum jemand zu halten scheint. Wenn du in Vancouver laute Musik in der Bahn hörst, wirst du sofort zurecht gewiesen. Was die Uni angeht: Manche Leute lassen ja noch in der fünften Woche Kurse fallen! Das ist seltsam für mich. An der Simon Fraser

Kathleen kompensiert ihr Fernweh indem sie sich von anderer Leute Reisen erzählen lässt. Funktioniert super.

müssen wir für jeden Kurs extra bezahlen. Wenn wir einen Kurs ersatzlos fallen lassen, gibt’s eine Gebühr von 50 Dollar. Noch mehr Sachen, die dich wundern? Heather: Billiger Alkohol, jederzeit verfügbar. In Vancouver darfst du nicht öffentlich trinken. Alkohol kauft man dort in einem Spirituosenladen. Hier kriegst du alles im Supermarkt, was spontane Picknicks möglich macht. Ach, und Handyverträge sind hier so billig! Ich zahle 9,95€ monatlich. Das ist der Wahnsinn. In Kanada zahlt man zwischen 60 und 70 Dollar. Was vermisst du in Berlin? Heather: Unsere Berge, irgendwie. Und die Leute grüßen sich hier nicht. Wenn dir in Vancouver auf der Straße jemand entgegenkommt, ist es gängig sich Guten Tag zu sagen. Es bedeutet nicht unbedingt was – vermutlich sieht man die Person nie wieder – aber ich finde das schöner als so zu tun, als würde man sich nicht sehen. Berlin in drei Adjektiven? Heather: Zugänglich, spontan und kantig-eigensinnig. Mit zugänglich meine ich sowohl das jederzeit Verfügbare, als auch die günstigen Eintrittspreise für Theater, Kino, Club. Es gefällt mir so gut hier, was für eine lebhafte Stadt!

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Lenin friert In Sibirien wird es nie Sommer. Es gibt keine großen Städte, nur endlose, verschneite Weiten und die Einheimischen schützen sich mit Unmengen Wodka vor der Kälte. Über kaum eine andere Region existieren so viele Klischees wie über Sibirien – doch wie sieht es wirklich aus, im Osten Russlands? Während die meisten ihrer Slawistik-Kommilitonen ihr Auslandsstudium in Moskau oder Sankt Petersburg verbringen, hat sich Hannah hinter dem Ural auf Spurensuche begeben. Zwei Semester hat sie in der sibirischen Hauptstadt Novosibirsk studiert und auf ihrem Blog regelmäßig über ihre Erfahrungen berichtet. Die Highlights hat sie hier für euch zusammengestellt. Text: Hannah Wagner Fotos: Hannah Wagner und Jan Lindenau

August 2013 Samstagmorgen, mein Sibirien-Abenteuer beginnt. Pünktlich um sieben Uhr stehe ich am Check-In des Berliner Flughafens, dank meiner Flugangst in der festen Überzeugung, diesen Tag nicht zu überleben. Dann läuft aber doch alles gut: Die freundliche Dame am Air BerlinSchalter ignoriert gnädig die drei Kilo Übergepäck und auch mein Handgepäck, das statt der erlaubten sieben stolze zehneinhalb Kilo auf die Waage bringt, fällt nicht weiter auf. Fröhlich stiefele ich mit meinen kanadischen Winterboots, die ich aufgrund ihres enormen Eigengewichts nicht mehr im Koffer unterbringen konnte, durch die Körperkontrolle, alle Beamten sprechen mir ihr Mitleid aus.

September 2013 Wenige Tage nach meiner Ankunft in Novosibirsk empfängt mich meine Institutsleiterin Galina Mihajlovna in ihrem Büro mit den Worten, ich solle mir nichts daraus machen, wenn mir Novosibirsk nicht besonders gefalle, diese sowjetischen Städte seien eben ein bisschen anders. Ich weiß nicht genau, ob sie damit die Tatsache meint, dass man sich immer entweder in der Engelsstraße, der Karl Marx- oder auf der Roten Allee befindet, die, dass man beim Verlassen der zentralen Metrostation einem gigantischen Lenin direkt in die Arme läuft oder die, dass alle schönen Plätze grundsätzlich von irgendwelchen Plattenbauten verdeckt werden. Im russischen Studentenwohnheim verliert das Wort Privatsphäre schnell jede Bedeutung. Ich gewöhne mich daran, dass meine kasachische Zimmernachbarin Lera keinerlei Schlafbedürfnis zu haben scheint, ihre Mutter uns jeden Tag mindestens eine Stunde lang über die Webcam Gesellschaft leistet und daran, dass neben mir schlecht synchronisierte amerikanische Fernsehserien laufen, während ich mich durch meine Russischhausaufgaben kämpfe. Dezember 2013 Meine erste Prüfung steht an. Mündlich soll ich gleich die Höhepunkte des literarischen Russlands im 19. Jahrhundert wiedergeben. Und das in der Sprache, in der ich bisher immer gut damit gefahren bin, mich entweder auf die Grammatik oder den Inhalt zu konzentrieren. Nun soll also beides gleichzeitig klappen. Ein paar Minuten später erzähle ich irgendetwas über die Tragik der Liebesgeschichten von Turgenevs Helden und über die Frauengestalten in Gontscharovs Roman „Oblomov“, den ich leider nicht einmal gelesen habe. Ich versuche, mich in den russischen Meister hineinzuversetzen und stelle ein paar steile Thesen auf. Nach der Prüfung geht meine Dozentin Elena Aleksandrovna zum Smalltalk über – da kann ich wieder punkten. Ja, Novosibirsk gefällt mir wahnsinnig gut. Selbstverständlich bin ich mit dem Unterricht an der Uni zufrieden. Und klar könnte ich mir vorstellen, für immer in Sibirien zu bleiben. Am Ende gibt’s die Bestnote. Danke, Elena Aleksandrovna!


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Februar 2014 Es gibt diesen Mythos, der besagt, dass man im russischen Winter aufgrund der besonders trockenen Luft die Kälte gar nicht richtig spürt. Das ist totaler Quatsch. Bei minus 30 Grad ist es schweinekalt. Es ist so kalt, dass so ziemlich alles einfriert, was einfrieren kann: Flüsse, Hände, Wimpern – und leider auch mein Smartphone. Die verschneiten Gehwege auf dem Unigelände müssen von Baggern freigeschaufelt werden und die Novosibirsker Stadtreinigung ist zurzeit vorwiegend damit beschäftigt, die Häuserdächer von gigantischen Eiszapfen zu befreien, bevor die reihenweise vorübergehende Passanten erschlagen könnten. Die Neujahrsferien sind vorüber, mein zweites Semester beginnt. Im Philosophieunterricht hält Professor Viktor Vasiljewitsch eine Lobrede auf die Sowjetunion, Stalin und die Völkerfreundschaft, würdigt aber pflichttreu auch den „hellen, strahlenden Kapitalismus“ Putins. Er empfiehlt uns, keine Waren aus dem Westen zu kaufen und ich beschließe, meine Nationalität in diesem Kurs lieber für mich zu behalten.

Mai 2014 Endlich ist auch in Novosibirsk Frühling und ich nutze die letzten beiden Monate vor der Heimreise, um die Städte zu sehen, die auf meiner Sibirien-Sightseeing-Liste übrig geblieben sind. An diesem Wochenende ist Omsk an der Reihe. Im Hostel bin ich der einzige Gast und so freunde ich mich schnell mit der Besitzerin Tanja an. Sie wohnt selbst im Hostel, um sich das Geld für die Miete zu sparen. Gerade ist auch ihr Kumpel Maksim in der Wohnung, mit dem ich in der Küche Tee trinke, während Tanja mir ein Bett bezieht. Maksim trägt ein T-Shirt mit einem aufgedruckten Panzer, auf dem in großen roten Buchstaben „Nach Berlin!“ geschrieben steht. Glücklicherweise freut sich Maksim dennoch über den unerwarteten deutschen Besuch und lädt Tanja und mich abends ins Kino ein.

Alle Blogbeiträge von Hannah findet ihr hier: www.untermgefrierpunkt.de

Juli 2014 Meine letzte Woche in Novosibirsk bricht an – nach zehn Monaten irgendwie ein komisches Gefühl: Ich habe mich daran gewöhnt, nie alleine in meinem Zimmer zu sein, daran, dass ich als Vegetarierin in Restaurants grundsätzlich nur Beilagen bestelle und die Vorstellung, schon bald wieder alle auf Anhieb zu verstehen und von allen auf Anhieb verstanden zu werden, erscheint mir beinahe unheimlich. Und dann geht alles ganz schnell: ein letzter Strandtag mit Lera, ein letztes Mal verbotenerweise in der Wohnung der Mutter meiner Freundin Marina Wasserpfeife rauchen und ein letztes Mal ins halblegale Nagelstudio im Nachbarwohnheim. Und schon heißt es Abschied nehmen von einer Stadt, die wohl nicht Russlands schönste ist, deren Menschen mir aber innerhalb der letzten zehn Monate sehr ans Herz gewachsen sind. Do swidanija*, Novosibirsk! *Auf Wiedersehen

Hannah studiert Slawistik und Geschichte. In Sibirien hat sie mit dem Vorurteil aufgeräumt, alle Russen wären ständig betrunken. Das ist Blödsinn: Ihre deutschen Freunde trinken mehr als ihre russischen.

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Grenzenlose Einheit Als vor 25 Jahren die Menschen in der DDR auf der Straße demonstrierten, als die Mauer fiel und Deutschland die Wiedervereinigung feierte, da war der Großteil der heutigen Studierenden noch nicht geboren oder zumindest sehr, sehr klein. Diese Generation hat nur noch aus Erinnerungen und Geschichten von einer Teilung Deutschlands, von politischen und freiheitlichen Einschränkungen erfahren. Zum 25. Jahrestag des Mauerfalls mehren sich in Berlin die Feierlichkeiten und eine Lichtinstallation am ehemaligen Grenzverlauf teilt die Stadt noch einmal. Als am Abend des 9. November 2014 die Lichtballons aufsteigen, wird gefeiert. Eine Mauer einzureißen war noch nie so einfach. Doch viele fragen, ob es heute wirklich ein geeintes Deutschland gibt oder ob nicht vielmehr Unterschiede und „Mauern im Kopf“ das Land noch immer teilen. Angela Merkel erklärte in ihrer Rede zum 20. Jahrestag des Mauerfalls, dass man bei den jungen Menschen in dem geeinten Deutschland „nicht mehr unterscheiden kann, ob sie aus dem Osten oder aus dem Westen kommen“. Doch wie erleben die jungen Menschen heute selbst das geeinte Deutschland? Wird die junge Generation in Deutschland noch immer von der Frage nach Ost oder West beeinflusst? Junge Menschen, Studenten und Studentinnen sind heute so international wie noch nie. In der Vorlesung, im Seminar sitzen Studierende aus aller Welt. Aber auch aus allen Teilen Deutschlands: Welche Grenzen bestehen nach Meinung von Berliner Studierenden noch heute zwischen Ost- und West-Deutschland? Text Leonie Braam Fotos: Miriam Nomanni Claudia, 21 Jahre, studiert Theaterwissenschaften in Polen: „ Mir sind natürlich „Ostalgie“ und Filme dazu bekannt. Viele lachen ja auch über den Ost-Dialekt. Ich habe das immer anders bewertet – es gibt mentale Grenzen und Stereotypen, die weiter wirken. Niemand weiß genau warum, aber ich habe den Eindruck, dass sich Osten und Westen in vielem unterscheiden. Aber es gibt auch eine große Distanz zwischen Denken und Wirklichkeit.“ Victor, 18 Jahre, studiert Jura: „Oh, mir fällt nicht viel ein, ich bin als Ost-West-Kind aufgewachsen. Ich denke auch, dass man da nicht zu viele Unterschiede hinein interpretieren sollte, das machen aber viele gerne.“

Mathias, 28 Jahre, promoviert in Wirtschaftsinformatik: „Na ja, ich denke, dass gerade die Bereiche der Lebensorientierung zwischen Ost- und WestDeutschland noch heute anders sind. Ich selbst bin aus Ostdeutschland und ich erlebe es so, dass die Sicherheitsorientierung im Osten stärker ist als im Westen. Und im Osten ist die Familienplanung noch heute viel jünger orientiert.“ Max, 25 Jahre, studiert Sonderschulpädagogik und Deutsch: „Wenn es Grenzen noch gibt, dann sind es die, die jeder persönlich für sich zieht, die Vorstellungen, die jeder selbst von der anderen Seite hat. Ich komme aus dem Osten und bin im Studium zum ersten Mal mit Leuten aus Westdeutschland in Kontakt gekommen – da habe ich dann wirklich erst Vorurteile verloren.“ Maren, 19 Jahre, studiert Geschichte und Bibliotheks- & Informationswissenschaft: „Also für mich gab es noch nie Grenzen zwischen Ost und West, für mich gab es schon immer ein Deutschland. Wenn, dann gibt es schon eher Grenzen zwischen Nord- und Süddeutschland.“

Leonie, 22 Jahre, studiert Kulturwissenschaft und Geschichte an der HU. Sie ist nach dem Mauerfall geboren, doch erst als sie fürs Studium nach Berlin zog, wurde sie bewusst mit der Frage nach Grenzen zwischen Ost und West konfrontiert. Bei der Recherche fiel ihr auf, dass zwar die Frage der Herkunft bedeutend bleibt, doch Grenzen und Vorurteile überwunden werden.


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Dance with me

Kirsten wollte eigentlich eine andere Person interviewen. Diese sagte aber kurzfristig ab, weil ihr das Visum für Deutschland verweigert wurde.

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Hättest du auch nach Deutschland gewollt, wenn es keinen Krieg in Syrien gegeben hätte? Abdulmagid: Ja, aber dann hätte ich vielleicht ein, zwei Jahre gearbeitet und wäre dann nach Deutschland gegangen, um mich zu spezialisieren. Danach wäre ich

Worauf freust du dich? Abdulmagid: Ich freue mich auf die hohe Qualität des Studiums. Ich freue mich auf Professoren, die viel geforscht haben. Von denen kann ich viel lernen.

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Wo sind die anderen Mitglieder deiner Familie? Abdulmagid: Meine Eltern sind zu mir nach Jordanien gekommen. Mein Vater ist seit 2013 in Jordanien, meine Mutter ist schon eher gekommen. Der Rest meiner Familie ist über viele Länder verstreut. Ein Teil ist noch in Syrien. Ein Onkel ist verschwunden. Ich habe keine Ahnung, wo er ist. Es gibt viele schlechte Geschichten aus Syrien. Ich höre sie, aber ich sehe sie nicht mit eigenen Augen. Deshalb will ich nicht urteilen. Ich schaue auch nicht mehr oft Nachrichten. Jeder Sender versucht, dich in eine bestimmte Richtung zu lenken.

Wovor hast du Angst in Deutschland? Abdulmagid: Ich habe Angst wegen der Sprache. Ich habe nur die Basis gelernt und ich weiß nicht, wie die Umgangssprache ist. Es hängt auch viel von den Leuten ab, denen ich begegnen werde: sind sie nett, wird meine Angst vermutlich schnell verfliegen, aber wenn ich unfreundliche Personen treffe, werde ich Angst haben.

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Wie bist du auf die Idee gekommen, nach Deutschland zu gehen? Abdulmagid: Deutschland ist gut in Zahnmedizin. In meinem Bachelor haben wir dauernd mit Material aus Deutschland gearbeitet. Die Qualität des Unterrichts ist in Deutschland auch hoch und ein deutscher Abschluss ist in arabischen Ländern angesehen. Ein französischer auch, aber ich mag die französische Sprache nicht. Außerdem habe ich einen Bruder in Deutschland.

Behandeln die Jordanier Syrer seit dem Krieg in Syrien anders? Abdulmagid: Es gibt jetzt viele Syrer in Jordanien. Viele brauchen Arbeit und Geld und es gibt nur wenig Möglichkeiten für die syrischen Flüchtlinge. Als weniger Syrer in Jordanien lebten, war Syrien bei den Jordaniern beliebt. Es ist ein sehr schönes Land und es kamen auch weniger arbeitslose Syrer nach Jordanien. Ich bin seit 2004 in Jordanien. Am Anfang habe ich mich nie als Ausländer gefühlt, jetzt in manchen Situationen schon.

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Wie kommt man überhaupt nach Deutschland? Abdulmagid: Man muss Deutsch lernen. Danach kann man sich bei einer Uni bewerben. Ich mache Sprachkurse beim Goethe-Institut in Amman. Außerdem muss man natürlich seine Zeugnisse vorlegen. Weil ich in Jordanien studiert habe, ist es nicht so schwer, alle Papiere zu sammeln. Für ein Studentenvisum habe ich mich aber noch nicht beworben. Erstmal möchte ich Deutsch lernen.

zurück nach Syrien gegangen. Jetzt ist die Situation aber anders. Syrien ist zu gefährlich und ein weiteres Studium in Jordanien kann ich mir nicht leisten. Die Studiengebühren sind hier zu hoch. Hoffentlich gibt es in Syrien in ein paar Jahren wieder Frieden. Ich möchte die Zeit bis dahin aber nicht verschwenden. In Jordanien kann ich nicht weiterstudieren und Syrern ist es auch verboten in Jordanien zu arbeiten. Seit zwei Jahren habe ich mein Studium abgeschlossen, aber ich darf nicht arbeiten. Viele Syrer arbeiten schwarz, doch das ist keine Alternative für mich.

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Was möchtest du in Deutschland machen? Abdulmagid: Ich möchte weiterstudieren. In Jordanien habe ich Zahnmedizin studiert und ich würde gerne einen Master in Oralmedizin in Deutschland machen.

3x in Berlin

Text: Kirsten Jöhlinger

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Abdulmagid Aboulchaer (27) studierte Zahnmedizin in Jordanien. Dann brach die Gewalt in seinem Heimatland Syrien aus. Jetzt möchte er nach Deutschland.

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Auf und Davon – aber wer zahlt? Ein Auslandsaufenthalt ist für die meisten das Highlight des Studiums – und aus Sicht der Universitäten und zukünftiger Arbeitgeber zudem ein erstrebenswertes Ziel. Allein im Jahr 2011 nutzen über 27.000 Studierende deutscher Universitäten das Erasmus-Programm um ins Ausland zu gehen. Doch neben einer Vielzahl von organisatorischen Hürden birgt eine solche Unternehmung ein viel grundlegenderes Problem: Wie soll man das Auslandsstudium bezahlen? Text: Miriam Nomanni Illustration: Angelika Schaefer Reisekosten, Studiengebühren und die manchmal deutlich höheren Lebenshaltungskosten gilt es zu stemmen. Laut Dr. Ursula Hans, Leiterin des Internationalen Büros der Humboldt-Universität zu Berlin (HU), ist es in jedem Fall sinnvoll, sich frühzeitig um die Finanzierung zu kümmern. „Auch in finanziell schwierigen Situationen kann ein Auslandsaufenthalt ermöglicht werden – solange man eine Diskussion frühzeitig beginnt“, erklärt Hans. Die Beratungsstelle des Internationalen Büros zeige den Studierenden die verschiedenen Finanzierungsmöglichkeiten auf und rege auch dazu an, sich für Stipendien zu bewerben. Auch eine Vielzahl von Studierendenvertretungen der Berliner Universitäten bieten solche Beratungen an. Förderungsmöglichkeiten gibt es viele: Das Erasmus-Programm der Europäischen Union ist ein Paradebeispiel. Seit diesem Jahr sind die verschiedenen Projekte zur Förderung allgemeiner und beruflicher Bildung, Jugend und Sport unter Erasmus+ zusammengefasst worden. Es ermöglicht das Studieren an Partneruniversitäten innerhalb der EU oder fördert auch Praktika im Rahmen des Studiums. Vorteile sind dabei das Entfallen der Studiengebühren an der ausländischen Universität und eine finanzielle Unterstützung, die – abhängig von den zu vergebenen Mitteln an der Heimatuniversität – beim Vorgängerprogramm Erasmus bei durchschnittlich 150 Euro pro Monat lag. Eine Teilnahme an diesem Programm erfolgt durch die Bewerbung an der Partneruniversität und wird durch die Heimatuniversität betreut. Allein die HU hat 376 Erasmus-Partner. Allerdings ist Erasmus auf den europäischen Raum beschränkt und es bleibt abzuwarten, wie Erasmus+ im außereuropäischen Raum Anwendung finden wird. Zusätzlich ist Auslands-BAföG eine gute Option, da es nicht zurückgezahlt werden muss. BAföG-Berechtigte erhalten in jedem Fall Auslands-BAföG und auch jene, die sonst unter die Förderungsgrenze fallen, können hoffen. Die erhöhten Kosten eines Auslandsaufenthaltes sorgen für eine unterschiedliche Bewertung der Einkommensverhältnisse. Andere Möglichkeiten bieten Förderungswerke wie die Studienstiftung des Deutschen Volkes oder politische Stiftungen, wie die Friedrich-Ebert- oder Konrad-Adenauer-Stiftung. Diese knüpfen die Förderung eines Auslandsaufenthaltes sehr häufig an eine vorherige Aufnahme und sind demnach nicht automatisch jedem zugänglich. Allerdings gibt es einige Programme – wie das ERP-Stipendienprogramm der Studienstiftung – für die sich jeder bewerben und so eine bisweilen großzügige Unterstützung für das Auslandsvorhaben erhalten kann. Dies umfasst meist Reisekostenzuschüsse, die Übernahme etwaiger Studiengebühren und Lebenshaltungsstipendien. Gebunden sind solche Programme oft an bestimmte Studiengänge, Abschluss- oder Forschungsvorhaben oder auch Länder. So lohnt es sich, die verschiedenen Websites der Förderungswerke näher zu beleuchten. Besonders begehrt sind die Stipendien des Deutschen Akademischen Austausch Dienstes (DAAD), der Studienvorhaben auf der ganzen Welt fördert. Die Bewerbung selbst ist mit einem umfangreichen Auswahlverfahren und zwei


einzureichenden Gutachten von Hochschuldozenten nicht unkompliziert. „Natürlich steht mit einer DAAD-Bewerbung viel Arbeit an, doch wenn man wirklich von einem Auslandsaufenthalt träumt, gibt es meiner Meinung nach keine bessere Adresse für die Förderung“, findet die 23-jährige Jurastudentin Vanessa Kisseler. Sie verbrachte zwei Semester in London und wurde in diesem Zeitraum durch den DAAD gefördert. Habe man die Hürde des Bewerbungsverfahren überwunden, kümmere sich der DAAD sehr um einen guten Programmablauf und neben dieser Unterstützung erhalte man eine ideelle Förderung. Für Vorhaben von bis zu sechs Monaten gibt es zudem das Programm zur Steigerung der Mobilität von deutschen Studierenden (PROMOS), das im Rahmen der Bologna-Reform ins Leben gerufen wurde und dessen Stipendien von den Universitäten in einem Auswahlverfahren vergeben werden. Dieses beschränkt sich nicht nur auf Studienaufenthalte im klassischen Sinne, sondern umfasst auch andere Sprach- oder Praxisaufenthalte. Zuletzt bleiben – unabhängig von Stipendien – Studienkredite oder auch Arbeiten im Zielland, was sich gerade innerhalb der EU anbietet. Allein an finanziellen Aspekten sollte ein Auslandsvorhaben demnach nicht scheitern. So fasst Dr. Hans zusammen: „Neben den fachlichen Erfahrungen bringen Auslandsaufenthalte die Studierenden dazu, sich selbst neu zu betrachten.“ Es gehe darum, sich besser kennenzulernen, und die eigene Identität, das Deutschsein zu hinterfragen. „ Auch dies sind Effekte, die wir uns wünschen.“

Miriam konnte dank Studienstiftung ohne finanzielle Sorgen zwei Semester in London studieren. An der HU studiert sie Jura.

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Sexgöttin im Bücherwald Kein Weihnachten ohne misslungene Geschenke. In der Absicht uns eine Freude zu machen, greifen unsere Lieben hin und wieder ganz schön daneben. Zumindest für ungewollte Bücher gibt es aber eine Lösung: Hannah hat sich für euch in Berlin auf die Suche nach originellen Büchertauschprojekten gemacht. Text: Hannah Wagner Fotos: Jan Lindenau Bücher geschenkt zu bekommen kann eigentlich nur schief gehen. Kennt der andere unseren Geschmack, haben wir das Buch meistens schon. Versucht er es mit einem Schuss ins Blaue, endet unsere Lektüre meist schon nach dem Klappentext. Und selbst im besten Fall gilt: Einmal gelesen verschwindet das Buch für immer in den Tiefen unseres Bücherregals. Wohin also mit all den Platzhaltern? Klar, verkaufen geht immer, doch wer Weihnachtsgeschenke zu Geld macht, kann auch gleich Gold bei der AfD kaufen. Eine nicht kommerzielle Alternative ist der Büchertausch. Das Prinzip ist simpel: Getauscht wird Buch gegen Buch, nicht Buch gegen Geld. Doch wie gut funktioniert das? Stößt man beim Büchertausch tatsächlich auf interessante Bücher oder lagern Menschen hier nur ihre Schundliteratur aus? Wird hier wirklich getauscht oder schnappen sich ein paar Frühaufsteher die Perlen, ohne selbst etwas beizusteuern? Ich beschließe, das herauszufinden und mich auf die Suche nach außergewöhnlichen Tauschprojekten zu begeben. Ein Blick in mein Bücherregal bestätigt, dass ich damit nicht bis nach Weihnachten warten muss: Da ist zum Beispiel Stefan Zweigs „Schachnovelle“ – tolles Buch, habe ich aber zwei Mal. Dann Paulo Coelhos Roman „Veronika beschließt zu sterben“ – nicht schlecht, aber auch nicht gut genug, um es unbedingt aufzuheben. Und schließlich noch ein Mini-Wörterbuch Russisch, das ich nie benutzt habe. Erste Station: das Büchertauschregal im Hauptgebäude der HU. Hier bin ich sowieso fast jeden Tag, wäre also praktisch, wenn ich mich nach einem langen Uni-Tag ab und zu mit einem guten Buch belohnen könnte. Doch zu früh gefreut: Bis auf eine Bedienungsanleitung für Microsoft Works aus dem Jahr 1991 und ein Handbuch zur Personalentwicklung herrscht in dem Regal gähnende Leere. Neben mir steht ein Student, er scheint ebenso wenig überzeugt zu sein wie ich. Ich frage ihn, ob er hier öfter vorbeischaut. Ja, hin und wieder. Ob er schon mal etwas Gutes gefunden habe? Nein, bisher nicht. Na, das fängt ja gut an. Neues Spiel, neues Glück. Ich recherchiere im Internet und stoße auf den Bücherwald im Prenzlauer Berg, der 2008 vom Verein Baufachfrau Berlin gegründet wurde. „Der ‚Bücherwald‘ ist die erste Bibliothek, die den Anspruch öffentlich zu sein, wörtlich nimmt“, schreibt die taz. Ich bin gespannt. Der Wald besteht aus fünf Baumstämmen, die mitten auf dem Bürgersteig stehen. Aus den Bäumen wurden Fächer ausgesägt, in denen etwa hundert

Bücher Platz haben. Als ich ankomme, herrscht reger Betrieb: Passanten bleiben stehen und stöbern, Menschen nehmen Bücher aus den Bäumen oder stellen neue hinein. Im Vergleich zum Uni-Regal ist der Bücherwald gut gefüllt. Man findet hier zwar keine aktuellen Bestseller, doch immerhin ein thematisch breites Angebot. In den kleinen Baumlöchern steht die Bibel neben dem Schwangerschaftsratgeber, es gibt Unterhaltungsliteratur ebenso wie klassische Werke. Ich freue mich, als ich Maupassants „Bel Ami“ entdecke, da stellt gerade eine Frau ein Buch mit dem Titel „So werden Sie zur Sexgöttin“ in den Nachbarbaum. Klingt natürlich auch verlockend. Ich überlege kurz, entscheide mich dann aber doch für meine literarische Bildung und tausche Maupassant gegen mein Wörterbuch ein. Beflügelt von meinem ersten Erfolg geht es gleich weiter zur S-Bahn-Station Grunewald. Dort steht nur wenige Schritte vom Holocaust-Mahnmal Gleis 17 entfernt eine zum begehbaren Bücherregal umgebaute Telefonzelle, in der Bücher getauscht werden können, die einen thematischen Bezug zum Nationalsozialismus aufweisen. Die Telefonzelle gehört zur öffentlichen Straßenbibliothek BücherboXX, die 2008 vom Institut für Nachhaltigkeit in Bildung, Arbeit und Kultur ins Leben gerufen wurde. Insgesamt stehen sieben solcher Telefonzellen in Berlin verteilt, die meisten mit Themenschwerpunkt. Vereinzelt haben sich Bücher wie ein Taschenbuch zur Verhaltensforschung an wilden Schimpansen ans Gleis 17 verirrt, doch im Großen und Ganzen hält die Bücherbox, was sie verspricht: eine große Auswahl an Literatur rund um den Nationalsozialismus. Später erklärt mir Projektleiter Konrad Kutt am Telefon, dass er mit anderen Anwohnern regelmäßig unpassende Bücher aussortiere und neue hineinstelle, die von Verlagen und Stiftungen gespendet wurden. Büchertausch mit Nachhilfe also. Auch hier werde ich fündig: Ein Sachbuch zum deutschen Imperialismus kann ich gut für mein Geschichtsseminar gebrauchen. Ich trenne mich dafür von meiner Schachnovelle. Auf der Innenseite des Buches entdecke ich auf dem Nachhauseweg einen Aufkleber mit dem Logo der BookcrossingCommunity. Bookcrossing ist eine Online-Bibliothek, die 2001 in den USA gegründet wurde und mittlerweile in vielen Ländern auf der Welt existiert. Das Prinzip ist simpel: Jeder kann seine Bücher auf bookcrossing.com registrieren, mit einer Identifikationsnummer versehen und dann „in die Wildnis freilassen“.


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Bücherwald Kollwitzstr./ Ecke Sredzkistr 10435 Berlin Büchertelefonzelle Gleis 17 Am Bahnhof Grunewald 5 14193 Berlin Café Mueslicorn & Candy Oudenarder Str. 24 13347 Berlin

Die Wildnis – das kann ein Büchertauschregal sein, eine Hotellobby oder eine Parkbank. Findet jemand das Buch, hinterlässt er auf bookcrossing.com eine kurze Nachricht – so wie ich jetzt. Auf diese Weise kann der ursprüngliche Besitzer verfolgen, wo sein Buch gerade unterwegs ist. Im Vergleich zu den Bücherboxen sind mit Bookcrossing auch viele aktuelle Werke unterwegs, denn hier gilt: Je bekannter das Buch, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass es viel reist. Wer jedoch nicht darauf warten möchte, zufällig einem ausgesetzten Buch über den Weg zu laufen, der kann „auf die Jagd gehen“: Auf bookcrossing.com kann man nachschauen, wann wo welches Buch freigelassen wurde. Nicht weit von meiner Wohnung entfernt finde ich so ein Café, in dem kürzlich ein Buch mit dem Titel „Am Abend, als ich meine Frau verließ, briet ich ein Huhn„ abgelegt wurde. Wer sich einen solchen Buchtitel ausdenkt, verdient es gelesen zu werden, finde ich und mache mich auf den Weg. Das Buch ist tatsächlich dort und das Café Mueslicorn & Candy entpuppt sich als Geheimtipp: Es gibt leckeren Kaffee, Crêpes, Waffeln und eine nette Café-Besitzerin,

mit der ich mich über Gott und die Welt unterhalte. Noch bevor ich die erste Seite meines neuen Buchs gelesen habe, hat sich der Ausflug schon gelohnt. Wieder zuhause erstelle ich für „Veronika beschließt zu sterben“ einen Identifikationsaufkleber und lasse es im Bücherregal in der HU frei – irgendjemand muss dort schließlich mal für frischen Wind sorgen. Ich bin zufrieden: Innerhalb einer Woche habe ich drei alte Bücher gegen drei neue und ein neues Stammcafé eingetauscht. Nur das HU-Regal enttäuscht mich ein zweites Mal: Paulo Coelhos Roman ist schon nach einem Tag verschwunden – auf eine Findernachricht warte ich bis heute.

Hannah wollte euch mit diesem Artikel auf keinen Fall Angst vorm Bücher verschenken machen. Denn mal im Ernst: Jedes schlechte Buch, das von Herzen kommt, ist immer noch tausendmal schöner als ein Gutschein.

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Mit Sex durchs Studium Die Porno- und Erotik-Industrie in Deutschland kommen ohne Studierende nicht aus. Sie arbeiten als Webcam-Girl, Escort-Dame oder Porno-Darsteller. Aber kaum jemand mag offen darüber reden. Text: Philipp Blanke Fotos: Privat Das Internet hat die Porno- und Erotik-Branche radikal verändert. Jeder kann heute sein eigener Porno-Produzent und Escort-Agent sein. Eine Website oder auch nur ein Profil in einem einschlägigen Netzwerk reichen aus. Während früher schamhaft Videokassetten hinter Büchern im Regal versteckt wurden, genügen heute zwei Klicks und die weite Welt der Pornographie tut sich auf. Obgleich die Sex-Industrie in Deutschland Milliarden-Umsätze macht, fällt es Außenstehenden schwer, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Diskretion ist alles, stelle ich fest, als ich mich an die Recherche mache. Erst nach diversen Anläufen und Zugeständnissen finde ich Menschen, die bereit sind zu reden. Das Pornosternchen Maria (25) aus Hamm in Westfalen gehört dazu. Sie studiert Ernährungswissenschaften und dreht nebenbei Pornos. Als „blonde Hexe“ ist sie mittlerweile ein kleiner Star. Ihr Geschäftsmodell ist denkbar einfach: Sie macht Sextreffen für Geld. 250 Euro pro halbe Stunde. Die Treffen mit den Usern werden gefilmt und über ihre Homepage blondehexe.net weiter verbreitet. Auch damit verdient Maria. Alles hatte mit einem Artikel in der Bild-Zeitung angefangen, über ein Mädchen, das sich seinen Lebensunterhalt mit dem Drehen von Pornos finanziert. „Das kann ich auch, hab’ ich mir gedacht“, erklärt mir Maria. „Ich habe mich dann bei allen möglichen Amateurforen angemeldet und meine Videos hochgeladen.“ Zu diesem Zeitpunkt war sie 18. Die ersten sechs Monate hat sie nie ihr Gesicht gezeigt, aber auch diese Hemmung fiel: „Irgendwann habe ich mich getraut und mein Gesicht kam bei den Usern sehr gut an.“ Mittlerweile hat Maria über 850 Pornos gedreht. An ihren ersten Film kann sie sich noch gut erinnern: „Das war ein total komischer Fuß-Fetisch-Film. Ich habe mir die Füße eingecremt, mehr war nicht zu sehen.“ Mittlerweile hat sie eine eigene Firma mit vier Angestellten und vermarktet auch andere Mädels. Der Laden brummt; nur um Geld ging es Maria aber nie: „Ich bin neugierig und ich bin geil“, gibt sie freimütig zu. Ihre Tage sind straff durchorganisiert. Um sechs steht sie auf, macht Sport, um sich fit zu halten, dann

werden Filme gedreht und geschnitten, Film-Drehs geplant und mit Usern und Fans gechattet. „Ich werde mein Studium fertig machen und mich dann ganz dem Porno widmen. Aber länger als fünf oder sechs Jahre will ich das eigentlich nicht mehr machen“, erklärt mir Maria, als ich sie frage, wie sie sich die Zukunft vorstellt. Langfristig will sie nur noch Mädchen managen und hinter der Kamera produzieren. Die Escort-Dame „Jetzt mehr Geld für die schönen Dinge.“ Mit diesen Worten wirbt Krypton Escort. Nach eigenen Angaben eine High-Class Begleitagentur – und deutschlandweit die einzige, die ausschließlich Studentinnen vermittelt. „Unsere Kunden sind überwiegend Manager und Geschäftsleute, die hohe Ansprüche an das Niveau ihrer Damen stellen“, heißt es auf der Homepage des Unternehmens. Die Agentur ist immer auf der Suche nach „Begleitdamen“. Was das ist, erklärt Krypton auch: „Du hast privat sicherlich schon Dates mit Männern gehabt. Ihr habt Euch auf einen Kaffee oder Cocktail getroffen, geredet, gelacht und wenn Ihr Euch sehr gut vertragen habt, seid Ihr am nächsten Morgen vielleicht zusammen aufgewacht. Eine Escort-Dame tut nichts anderes. Mit dem großen Unterschied, dass sie für diese Dates bezahlt wird.“ Die Anzeige von Krypton Escort habe ich in einer Online-Studenten-Jobbörse gefunden. Ich gehe der Spur nach und lande bei Herrn Ritter. Seinen vollen Namen möchte er nicht gedruckt sehen. Die Damen, die Krypton managt, beschreibt Ritter so: „Die Ladies sind Anfang bis Mitte 20. An Studiengängen ist alles Mögliche vertreten von der Wiwi-Studentin über die Naturwissenschaftlerin bis zur Soziologie-Studentin. Es gibt hier kein eindeutiges Profil. Und das soll auch so sein, denn wir streben Vielfalt an.“ Die Honorare der Ladys sind unterschiedlich und je nach Leistung und Zeitaufwand gestaffelt. Für ein zweistündiges Dinner-Date werden 250 Euro fällig. Wer als Kunde einen Tag mit einem Krypton-Escort-Girl verbringen und auch intim mit ihr werden will, muss dafür rund 2000 Euro auf den Tisch legen. „Sex ist ein üblicher Bestandteil eines Escort Dates, wobei jede Dame ihre Grenzen selbst festlegen kann“, betont Ritter. Ein Sex-Job als Kompromiss Nach einigem hin und her bekomme ich die Möglichkeit, einer der Escort Ladys Fragen zu stellen. Alles läuft per Mail und die Agentur liest mit. Monica heißt in Wirklichkeit anders. Sie ist noch keine 30 und studiert Wirtschaft und Soziologie in Ham-


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burg. Auf den Fotos wirkt sie sehr jung. Sie ist hochgewachsen und zierlich – wirkt fast ein wenig zerbrechlich. Doch das täuscht, wie im Gespräch schnell klar wird. Diese Frau steht mitten im Leben und hat mit der Escort-Tätigkeit für sich einen idealen Kompromiss gefunden: „Den Gedanken, als Escort zu arbeiten, brüte ich schon lange aus, den Entschluss habe ich nach dem Scheitern meiner letzten Beziehung als guten Vorsatz für 2014 gefasst. Auch eine Frau hat ‚niedere’ Bedürfnisse. Aber Kneipen, Partys und nach Bier müffelnde Typen sind nicht mein Revier. Escort ist meine Eier legende Wollmilchsau. Ich treffe interessante Männer, sie behandeln mich mit mehr Respekt als so mancher Kerl mit dem ich zusammen war. Ich habe regelmäßig Sex, fühle mich verdammt attraktiv, bin finanziell unabhängig und habe mehr Zeit für meine Familie und Freunde.“ Das klingt sehr ehrlich. Und wie läuft ein Escort-Date ab? „Wenn ich mich entscheide, eine Anfrage anzunehmen, versucht die Agentur vorab so viel wie möglich über den Kunden und seine Wünsche in Erfahrung zu bringen. Ich fahre dann zur verabredeten Zeit ins Hotel und treffe ihn entweder in der Lobby oder auf seinem Zimmer, meistens dauern Dates zwischen zwei und vier Stunden. In dieser Zeit lernt man sich kennen, unterhält sich und wird intim.“ Ihr erster Einsatz im Escort-Gewerbe ist Monica noch in guter Erinnerung: „Das war eine sehr kurzfristige Anfrage. Mein Profil war noch nicht einmal online, ein Sprung ins kalte Wasser. Ich war ein wenig aufgeregt und neugierig. Er war sehr nett, nicht aufdringlich, interessiert an mir und dem, was ich tue. Sex hatten wir aus gesundheitlichen Gründen seinerseits nicht. Ein halbes Jahr später habe ich ihn nochmal getroffen und wir haben das Verpasste nachgeholt.“ In ihrer E-Mail steht an dieser Stelle ein grinsender Smiley. Monica hat zweifellos ihren Spaß als Escort. Ich möchte noch wissen, wer aus Monicas Umfeld von ihrer Tätigkeit weiß. „Ich hatte das im Vorfeld mit meiner besten Freundin besprochen. Sie hat mich darin bestärkt. Meinem Bruder habe ich es auch erzählt. Meinen Eltern nicht, ich wollte nicht, dass sie sich Sorgen machen. Sie haben es dann durch einen unglücklichen Vorfall erfahren und waren erst sehr geschockt. Mein Vater hat sich als erstes gefangen und findet es stark, dass ich das mache, was ich für richtig halte.“ Etwas für den Lebenslauf? Als ich meine Recherche beende hat sich in mir eine Erkenntnis festgesetzt: Mit Sex lässt sich als Student eine Menge Geld verdienen. Obwohl alle Personen, die ich bei meinen Nachforschungen getroffen habe, sehr zufrieden mit ihrem Leben wirkten, muss jeder für sich entscheiden, ob diese Tätigkeit im Lebenslauf auftaucht. Irgendetwas sagt mir aber, dass Personalchefs dafür noch nicht reif sind.

Philipp hat mehrere Monate an dieser Geschichte gearbeitet und viele Studenten kennen gelernt, die sich mit „sexuellen Dienstleistungen“ über Wasser halten. Die Wenigsten wollen jedoch offen darüber reden.

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Sommermärchen 2.0 Das Weltmeisterjahr neigt sich dem Ende und mit ihm verblassen langsam die Bilder von Brasilien, dem Finale am 13. Juni oder von unserer Mannschaft am Brandenburger Tor. Das darf nicht passieren, dachte sich der DFB und so zeigt der Film „Die Mannschaft“ die Weltmeisterschaft 2014 noch einmal auf der ganz großen Leinwand. Text: Alisa Pflug

Alisa kamen beim Gucken des Films zwar nicht wie manch anderem Kinobesucher die Tränen, aber dafür die ein oder andere verloren gegangene Erinnerung an die durchfeierte Nacht nach dem Finalspiel.

Dieses Jahr hat es nun endlich geklappt, dieses wird für immer unser Jahr sein, das Jahr des vierten deutschen Sterns. Lange haben wir darauf gewartet, dass unsere Elf den goldenen Pokal endlich nach Hause bringt. Unsere Jungs wurden bei dieser WM nicht nur auf dem Rasen mit der Kamera verfolgt. Da musste der DFB, der den Film dieses Mal produzierte, einiges an Filmmaterial sichten. Herausgekommen ist eine chronologische Zusammenfassung des Sommermärchens 2.0, beginnend mit den Trainingscamps in Südtirol, natürlich dem legendären 7:1 Spiel gegen den Gastgeber Brasilien, dem Finale in Rio und der Megaparty am Brandenburger Tor. Das Einfangen der unterschiedlichen Stimmungen innerhalb der Mannschaft als auch die Ausgelassenheit, die in Deutschland während der WM herrschte, ist gelungen. Feiernde Menschen auf den Straßen, unsere Kanzlerin beim Selfie schießen in der Kabine und ein sonst eher verhaltener Bundestrainer, der mit dem Pokal auf dem Arm den Tränen nahe ist. Die großen Emotionen dieser WM kommen in „Die Mannschaft“ nicht zu kurz. Mit diesem Film und Blick hinter die Kulissen soll dem Fußballfan Danke gesagt werden. Trainingseinheiten im Campo Bahia, Schweini beim Tanzen mit brasilianischen Kindern oder Thomas Müller als Kellner im Dirndl sind zwar nett, aber wirklich nahe kommt man der Mannschaft und ihren Gedanken und Gefühlen nicht. Auch die Einzelinterviews mit Spielern und Trainern, die immer wieder eingeblendet werden, erhalten die Fassade aufrecht. Die gewünschte Nähe wird aber nicht erreicht, da „Die Mannschaft“ in erster Linie ein Image-Film des DFB ist. Zwischenzeitlich gleicht der Film einer Werbesendung, unterfüttert mit Slow-Motion, Pianoklängen und ständigen Ansprachen des DFB Präsidenten Niersbach. Da sind die Aufnahmen eines betrunkenen Per Mertesackers schon sehr sympathisch ausgelassen. Nichtsdestotrotz, der Kinosaal applaudiert und jubelt als Mario Götze das Siegertor macht, die Euphorie ist noch lange nicht weg und dafür ist der Film da. Mit der Zeit sind unsere Erinnerungen an diesen magischen Sommer verblasst, und der Alltag löst ab. Da macht dieser Mix aus brasilianischem Samba und euphorisierenden Erinnerungen einfach nur happy. Wenn auch nur für 90 Minuten.

Hendrix’ verbindende Hand Text: Kathrin Stopp Jimi Hendrix live in Lemberg von Andrej Kurkow

Andrej Kurkow Jimi Hendrix live in Lemberg Roman · Diogenes

Preis: 22,90 416 Seiten Erschienen: Oktober 2014 im Diogenes Verlag

Kathrin hat bei der Lektüre Lust bekommen, mal wieder Jimi Hendrix zu hören. Wenn sie gerade nicht liest und Musik hört, studiert sie Literaturwissenschaft in Frankfurt/ Oder.

„Jimi Hendrix live in Lemberg“ – ein irreführender Titel, denn der Gitarrenvirtuose ist dort nie aufgetreten. Seine Musik war in der Sowjetunion sogar verboten. Trotzdem wurde der Musiker zur Kultfigur der ukrainischen Hippies. Irgendwie ist der tote Jimi Hendrix auch derjenige, der die Protagonisten in Kurkows Roman im Herbst 2011 zusammenbringt. Zumindest zwei von ihnen: Alt-Hippie Alik und Ex-KGB-Hauptmann Rjabzew. Nach über 20 Jahren treffen sich die beiden auf dem Lemberger Friedhof wieder, wo Hendrix’ Hand begraben sein soll. Rjabzew entschuldigt sich bei Alik, dass er diesen zu Sowjetzeiten bespitzelt hat und dankt ihm ironischerweise dafür, dass er durch dessen Überwachung die wunderbare Musik von Jimi Hendrix kennen lernen durfte. Zwischen dem ungleichen Paar entwickelt sich eine skurrile Freundschaft. Daneben birgt der Roman weitere ungewöhnliche Charaktere, etwa den Chauffeur Taras, der Patienten durch eine Fahrt in seinem alten Opel Vectra von Nierensteinen heilt und sich in Darja verliebt, die in einer Wechselstube arbeitet und an Geldallergie leidet. Seine Figuren zeichnet Kurkow einfühlsam und zugleich mit klugem Humor. Was sie alle verbindet, sind eigenartige Vorkommnisse in der Stadt, in der es plötzlich nach Salzwasser und Fisch riecht, und wo gelegentlich jemand – wie in Hitchcocks Die Vögel – von aggressiven Möwen angegriffen wird. Wer sich darauf einlässt, dass Erzählstränge vom Realen ins Surreale abdriften, dass Traum und Realität der Figuren verschwimmen, wird mit dieser Mischung aus ukrainischem Alltag, düsterem Horrorszenario und romantischer Liebesgeschichte sehr gut unterhalten.


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Mein erstes Konto soll was drauf­ haben.

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