Sieber Ziitig 01/2013

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SWS

Sieber Ziitig

Sozialwerke Pfarrer Sieber

auffangen – betreuen – weiterhelfen

Nr. 1/2013

Wort und Tat gehören absolut zusammen Diakonie packt heisse Eisen an, auch wenn sie sich dabei die Finger verbrennt. Dies ist eine Erkenntnis aus über 50 Jahren Arbeit für Obdachlose und Not­ leidende. Es geht darum, Menschen ihre Würde zurückzugeben.

Editorial Simon malt. Landschaften – sattgrüne Wälder, tiefblaue Seen, schneebedeckte Berge, einen oszillierenden Himmel, über den leichte Wolke ziehen. Seine Bilder schmücken seit einigen Wochen die Wände im Gemeinschaftsraum in Brothuuse. Sie strahlen einen tiefen Frieden aus, etwas Reines, Verträumtes, ohne kitschig zu wirken. Die Bilder geben einen Einblick in Simons Seele, in seine Sicht der Welt, seine Möglichkeiten und Grenzen. Mit seinen Bildern drückt Simon etwas aus, das ihm kein Therapeut, keine Seelsorgerin, kein Sozialarbeiter so entlocken könnte. Er drückt aus, in welche Richtung er sein Leben bewegen möchte: Dahin, wo er sich der Natur nahe fühlen darf. Dahin, wo er einen Beitrag zu seiner Lebenshaltung leisten kann – einen Garten vielleicht, eine Backstube, ein paar Tiere. Dahin, wo er seine Geschichte, die eine schwierige ist, ablegen und in der Geborgenheit von Gottes guter Schöpfung aufgehen kann. Ein zentraler Teil unseres Dienstes – schon ganz am Anfang des Weges, den wir mit jedem Menschen gehen möchten – besteht darin, genau hinzuschauen und hinzuhören. Wer ist das? Was ist in diesem Menschen angelegt? Wo liegen ihre bzw. seine Stärken? Wo könnte sinnvollerweise angesetzt werden, damit das, was in diesem Menschen schlummert, seiner Heilung dient, seiner Mensch­werdung? Simon teilt sich uns mit, indem er malt. Andere singen, schreiben, reden, schweigen. Sie alle leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Hilfe, die Selbsthilfe werden möchte.

• Christoph Zingg, Gesamtleiter

worden. Sozialämter pflegen heute intensivere Kontakte zu den Leidenden.

Immer mehr Menschen leiden an der Kälte in unserer Gesellschaft. Mitfühlend und gemeinschaftlich sind wir mit ihnen unterwegs auf dem Weg in eine bessere Zukunft.

D

er Seegfröni-Winter 1963/64 trieb Clochards und Penner in Scharen aus ihren Schlupfwinkeln. Der damalige Stadtpräsident Sigmund Widmer überreichte mir damals die Schlüssel zum Bunker am Helvetiaplatz und sagte: «Plein pouvoir» (Du hast Vollmacht). Am 17. Dezember 1963 erfolgt der Einzug von beinahe 100 halb erfrorenen Menschen. Das Schicksal führte sie hier zusammen. Viele waren schwer krank, einsam, verlassen, verzweifelt. Aber was sollte im Bunker geschehen? Eine Theo­ rie darüber gab es nicht. Zuerst sprach das Herz, und das verlangt nach Liebe. Auch Liebe, die durch den Magen geht.

Erfolgreiche Arbeit schafft Selbstwertgefühl In Brothuuse lernen ehemalige Ob­ dachlose wieder zu wohnen und zu arbeiten. Das klingt einfacher, als es ist. Doch sie tun es mit Erfolg. Ein Bewohner von Brot­huuse legt Hand an und gestaltet sein Zuhause.

Letztlich aber ging es darum, die Würde jener Menschen wiederherzustellen. Ganz im Sinne Jesu, der keine Massstäbe an Menschen gelegt, sondern das Menschliche zum Massstab gemacht hatte. Seit jener Zeit im Bunker sind an die 50 Jahre vergangen. Ich blicke zurück und freue mich, weil vieles besser geworden ist. Der sozialmedizinische Dienst der Stadt ist lebendig geworden. Die Aufmerksamkeit der Bevölkerung für die Menschen der «untersten Schicht» ist da. Die Fragen im Zusammenhang mit Suchtproblemen sind aufgegriffen

Brothuuse ist noch nicht gebaut. Zwar wurden die Wohnhäuser der Siedlung in Zürich-Affoltern im Frühsommer 2012 aufgestellt und bezogen. Die Umgebung hat allerdings noch Gestaltungspotenzial. Sie wird von den Bewohnern allmählich geformt und genutzt. Etwa als Gemüsegarten. Um das Gartenwerkzeug wegsperren zu können, wollen sie im Frühling ein Gartenhäuschen aufstellen. Unter Anleitung von Betreuer Joseph Keutgens haben Bewohner unlängst die Holzteile des Häuschens lasiert. Weil in der Wohnsiedlung selbst kein genügend grosser Werkraum vorhanden ist, wurden die Arbeiten zunächst unter freiem Himmel in Angriff genommen (Bild). Doch dann zog Regen

Allerdings scheint mir das ausgebaute Sozialwesen auch verantwortlich dafür zu sein, dass je länger je mehr «Sozialfälle» durch Entmündigung entstehen. Bedenklich scheint mir die Tendenz der Kirchen, die Verkündigung von der Diakonie zu trennen, obwohl Wort und Tat absolut zusammen gehören. Diakonie ist nicht neben der Verkündigung, sondern in der Verkündigung, weil diese von den Taten Gottes und Jesu Christi Zeugnis ablegt. Ohne Diakonie ist die Verkündigung nicht der Rede wert. Diakonie packt heisse Eisen an, auch wenn sie sich die Finger verbrennt. Sie setzt sich für Randgruppen ein, deren Glieder als hoffnungslose Fälle betrachtet werden. Diakonie zeigt, dass Würdenträger Bürdenträger sein müssen. Und vergessen wir im Eifer der Arbeit im sozialdiakonischen Bereich niemals, dass die Spur für die Zukunft die Botschaft des Reichs Gottes ist.

• Dr. h.c. Ernst Sieber, Pfarrer

auf. Da bot der Besitzer der benachbarten Metallbaufirma Meili den wackeren Handwerkern kurzerhand die Werkhalle seiner Firma an. «Diese Grosszügigkeit und das Vertrauen haben uns riesig gefreut», sagt Joseph Keutgens. Auch die malenden Bewohner waren beeindruckt. Sie, denen man oft mit Skepsis begegnet, wurden ausgerechnet von den Nachbarn ohne Wenn und Aber akzeptiert. Beim Streichen achteten sie sorgsam darauf, keine Farbflecken zu hinterlassen. Nach getaner Arbeit waren sie stolz, gemeinsam etwas erreicht zu haben. «Es tut gut zu sehen, dass wir nicht unnütz sind, sondern etwas zustande bringen», fasst Egon* in Worte, was alle empfinden. (arb)


Etienne, wie bist du mit unserer Arbeit erstmals in Kontakt ge­ kommen? Ich war Farmer in Australien. 1992 kehrte ich in die Schweiz zurück. Meine Zukunft sah ich hier aber nicht als Bauer. Schon länger hatte ich mich mit Psychologie befasst und suchte darum eine Arbeit im sozialen Bereich, die es mit erlaubte, nebenbei Psychologie an der Uni Zürich zu studieren. Ich fand zunächst eine Anstellung als Betreuer im Rückführungszentrum für Drogenkranke in Hegibach. Weil ich in meiner Arbeit oft mit dem Sune-Egge zu tun hatte, wechselte ich 1996 in den dortigen Sozialdienst. Seit 2006 bin ich Sozialdiakon.

der immer mehr Menschen überfordert sind. Trotz ausgebautem Hilfsangebot nimmt die Verarmung von immer mehr Menschen rasant zu. Ist das nicht ein Widerspruch? Nur scheinbar. Immer mehr Menschen schaffen es nicht bis zu den Sozialämtern, weil sie psychisch angeschlagen und blockiert sind oder weil sie die Minimalanforderungen wie z.B. das Vorlegen gewisser Papiere nicht erfüllen. Bei uns stranden oft Leute, die viele Probleme aufs Mal haben: finanzielle, psychische, gesundheitliche, berufliche und soziale. Viele vereinsamen und verlieren den Überblick. Für solche Menschen sind wir da. Wir nehmen uns Zeit für sie, helfen ihnen bei der Auslegeordnung all ihrer Probleme und beim Finden der für sie richtigen Unterstützung.

«Trotz ausgebautem Hilfsangebot nimmt die Verarmung rasant zu.»

Wir helfen, wo sonst niemand hilft Etienne Conod arbeitet seit bald 17 Jahren als Sozialdiakon bei den SWS. Er kennt die Arbeit mit Menschen in Not wie kaum ein zweiter. Im Gespräch erinnert er sich an seine Anfänge bei uns und zieht Bilanz.

Sind die Bedürfnisse Notleidender heute die gleichen wie damals, als du angefangen hast? Gleich geblieben ist das Grundbedürfnis nach Menschlichkeit. Geändert hat sich aber die Komplexität des Lebens, mit

Das tönt gut. Aber im Ernst: Braucht es die SWS noch, wo der Staat doch ein engmaschiges Auffangnetz bietet? Unbedingt. Wir helfen, wo sonst niemand hilft. Wer staatliche Unterstützung will, muss korrekterweise gewisse Anforderungen erfüllen. Weil das für immer mehr Menschen nicht möglich ist, sind wir als niederschwellige Partner unverzichtbar. Für Notleidende – und für den Staat. Es gibt Menschen, die passen trotz der grossen Hilfspalette nirgends hinein. Davon zeugen die wiederholten Anfragen von Ärzten, psychiatrischen Kliniken und Sozialämtern, die bei uns Leute platzieren wollen , weil diese in kein Schema passen.. Am wichtigsten aber ist: der Staat kann nicht lieben. Und den meisten Notleidenden fehlt Zuwendung. Mit unserer Arbeitsweise, die sich stark nach den Bedürfnissen der Betroffenen richtet, können wir dem eher entsprechen. (arb)

«Es gibt Menschen, die passen trotz der grossen Hilfspalette nirgends hinein.»

Auf der Suche nach Wärme Im Winterhalbjahr sind unsere niederschwelligen Ange­ bote noch stärker gefragt als sonst. Der aktuelle Winter macht da keine Ausnahme. Die aufsuchende Gassenar­ beit, Kältepatrouillen, Pfuusbus und Sunestube – überall stellen wir ein enormes Bedürfnis nach Gemeinschaft und Zuwendung fest.

Neben einfachen Leuten treffen wir auf Menschen, die man nicht erwarten würde: Künstler, Unternehmer und Angestellte, die auf die eine oder andere Weise gescheitert sind. Die Menschen drängen an die Wärme und wollen etwas Essen. Und sie suchen jemanden, der ihnen zuhört, wollen der Einsamkeit entkommen.

So ist der Pfuusbus praktisch jede Nacht seit Inbetriebnahme Mitte November voll belegt. In anderen Jahren dauerte es jeweils bis in den Advent hinein, bis jeweils alle Plätze belegt waren. Überall begegnen wir Menschen mit unterschiedlichsten Problemen. Alkohol und Drogen sind bei vielen ein Thema. Fast alle haben psychische und körperliche Leiden, sind einsam und entmutigt.

Für unsere Mitarbeitenden und freiwilligen Helfer ist das eine grosse Herausforderung – und zugleich Motivation. In den Gesprächen in unseren Einrichtungen und auf den nächtlichen Patrouillen arbeiten wir hart daran, das Vertrauen der Notleidenden zu gewinnen. Ist das Eis einmal gebrochen, versuchen wir sie zu motivieren, ihre Probleme anzugehen und Schritte in eine bessere Zukunft zu wagen.

Nach dem Burnout wieder Fuss gefasst Anna* (25) war am Ende ihrer Kräfte. Ein Diakon der SWS half ihr, ihren Lebensmut wieder zu finden. Sie berichtet:

Der Ratgeber – für Fragen rund ums Testament Vielen Menschen fragen sich, wie sie ihre persönlichen Ange­legenheiten ordnen können.

Die kostenlose Broschüre senden wir Ihnen gerne zu. Bitte bestellen Sie diese unter:

Wie kann ich auch in Zukunft helfen und Sinn stiften? Und wie kann ich Streit vermeiden? Diese und weitere Fragen werden in unserem übersicht­lichen Ratgeber beantwortet. Er enthält auch einen kleinen Leitfaden, wie man ein rechtsgültiges Testament erstellen kann.

Sozialwerke Pfarrer Sieber Christoph Zingg Hohlstrasse 192, 8004 Zürich Telefon 043 336 50 80 info@swsieber.ch

Ja, was wäre, wenn ich die Unterstützung durch die Sozialwerke Pfarrer Sieber nicht erhalten hätte? Ich wage die Frage nicht zu beantworten. Während Jahren war ich neben meinem Beruf als Krankenpflegerin nur für meine Familie da, steckte eigene Bedürfnisse hintan. Ich betreute meine beiden behinderten Brüder, ich half meiner Mutter, ich unterstützte meinen Vater. Trotz meiner Anstrengungen brach die Familie auseinander. Und für mich die

Welt zusammen. Ich wurde völlig apathisch, zahlte keine Rechnungen mehr, häufte Schulden an. Eine Nachbarin empfahl mir die SWS. Mein Glück. Der Diakon hörte mir zu, ermutigte mich und half mir, mich neu zu orientieren. Er brachte Ordnung in mein Papier­chaos, half mir bei der Steuer­erklärung, suchte mit mir eine günstigere Krankenkasse und ein billigeres Telefonabo. Einmal im Monat erledigen wir gemeinsam meine Zahlungen, bis ich wieder in der Lage bin, es selbst zu tun. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Heute geht es mir besser. Ich arbeite wieder. Erstmals in meinem Leben bin ich nicht nur für andere da. An Wochenenden unternehme ich gelegentlich etwas mit Freunden – mein Lebensmut ist zurückgekehrt. *Name geändert


«Ich helfe, weil es mir gut geht.» Für etliche SWS-Mitarbeiter und Freiwillige geht der Arbeitstag erst abends los. Etwa, wenn sie in ihrer Freizeit auf Nachtpatrouille gehen. Transportunternehmen. Zweimal pro Monat ist sie zudem nachts unterwegs für die Sozialwerke Pfarrer Sieber auf Patrouille. Freiwillig und unentgeltlich. Zusammen mit einem SWS-Mitarbeiter sucht sie Obdachlose in Pärken, öffentlichen WCs, Kellereingängen, Hinterhöfen und unter Brücken aber auch auf Strassen, Plätzen und an den Stadträndern auf. Die Patrouilleure kennen viele Rückzugsorte jener, die keine permanente Bleibe haben. Dort fahren sie hin, schenken warme Getränke aus und verteilen Sandwiches, Kleider und Schlafsäcke. Und sprechen mit den Entmutigten, Enttäuschten, Vereinsamten und Verstörten, versuchen sie für ein Beratungsgespräch in einer der SWS-Anlaufstellen zu motivieren. Um gemeinsam einen Weg aus der Misere zu finden.

Nächtliche Gespräche bei Tee und Kaffee schaffen Vertrauen für weitere Beratungen.

E

s ist eine kalte Nacht. Vor den Zürcher Szeneklubs drängen sich die Partygänger. Auf den Strassen und Trottoirs in der Innenstadt herrscht auch nach Mitternacht reger Betrieb. Vielen Nachtschwärmern fallen die vier Gestalten in ihren abgewetzten Windjacken nicht auf, die vor dem Coop beim Hauptbahnhof zusammenstehen. Unter dem Vordach, dicht an die Mauer gedrängt, finden sie Schutz vor dem böigen Wind, der die Kälte in alle Ritzen bläst. Sie haben es nicht eilig. Wozu auch. Sie haben kein Ziel. Und unendlich viel Zeit.

Tamara Jost und Roy Gerber fallen die vier sofort auf. Die beiden SWS-Patrouilleure haben den Blick für Menschen in Not in unzähligen Nachtpatrouillen geschärft. Roy Gerber als Leiter der Sunestube kennt die Not auch von seiner alltäglichen Arbeit her bestens. Er und sein Sunestube-Team beraten tagsüber Menschen, die vom Leben nichts mehr erwarten. «Nicht immer sieht man es den Menschen an», sagt er, «aber das Leid ist weiter verbreitet als uns allen lieb sein kann.» Tamara Jost arbeitet tagsüber als Sachbearbeiterin in einem

Roman ist Akademiker. Er arbeitet bei einer Grossbank und lebt mit seiner Lebenspartnerin zusammen. Eines Tages bricht das Unglück über ihn herein. Seine Partnerin verlässt ihn wegen eines anderen. Emotional gerät er aus der Balance. Das schlägt sich beruflich nieder. Er verliert seine Stelle. Er wird depressiv, verliert jeden Halt, verfällt dem Alkohol, wird krank und will sich schliesslich auf einem Bahngleis das Leben nehmen.

Themenbild

Vom Bahngleis weggeholt Die SWS sind nicht nur für Obdachlose und Süchtige da. Auch Vereinsamten und Menschen mit psychischen und finanziellen Problemen helfen wir. Wie im Fall von Roman*.

Ein letzter Hilfeschrei erreicht SWS-Mitarbeiter Etienne Conod. Sie treffen sich. Etienne Conod lässt den Lebensmüden erzählen, hört ihm zu. Er begleitet ihn in seine kleine Wohnung und ist erschüttert. Die Wohnung ist eine Müllhalde. Vollgestopft mit ungewaschenen Kleidern, Gerätschaften aller Art, Unrat und Bergen ungeöffneter Briefe. Es riecht nach Fäkalien. In seiner Enttäuschung

Die Arbeit ist anstrengend, nicht nur, weil Obdachlose oft gleichgültig, misstrauisch und psychisch angeschlagen sind. Sie ist es auch, weil Patrouilleusen wie Tamara Jost nach einer Nachtschicht, die um 20 Uhr beginnt und bis in die frühen Morgenstunden dauern kann, morgens jeweils wieder an ihren Arbeitsstellen Leistung erbringen müssen. «Solche Einsätze sind hart», räumt die junge Frau ein. «Aber weil es ja nur jede zweite Woche so ist, habe ich keine Probleme damit.» Zu ihrer Motivation, sich das freiwillig anzutun, meint sie: «Ich mache das, weil es mir gut geht und ich jenen, denen es schlecht geht, etwas von meinem Glück weitergeben will.» Roy Gerber sagt: «Mir geht es darum, nicht nur von der biblischen Nächs-

hat Roman sich und seiner Umgebung keine Sorge mehr getragen. Er ist zum Messie geworden. Etienne Conod ist gefordert. «Ich habe gelernt, aus einer Vielzahl von Pro­ blemen heraus zu spüren, welches das dringendste ist», erklärt er. So auch bei Roman. Er gewinnt das Vertrauen von Roman. Dieser lässt von seinen Suizidgedanken ab. Der erfahrene SWS-Sozialarbeiter sorgt dafür, dass der Mann in ärztliche Betreuung kommt. Gemeinsam mit dem Arzt können sie Roman zu einer psychiatrischen Behandlung motivieren. Gleichzeitig willigt Roman ein, dass seine chaotische Wohnung geräumt werden darf. Etienne Conod sorgt dafür, dass Roman vorübergehend in einer SWS-Notwohnung unterkommt und vermittelt ihn ans Sozialamt. Heute hat Roman wieder eine Stelle, ist abstinent, sauber gekleidet

tenliebe zu sprechen, sondern danach zu handeln. In dieser Nacht begegnen die beiden mehreren Dutzend Obdachlosen. Die meisten freuen sich über ihr Auftauchen, die menschliche Anteilnahme, den warmen Kaffee. Einem älteren Mann kommen gar die Tränen. Womit er das verdient habe, fragt er. Er habe ja weder Geburtstag noch sei Weihnachten … Auch die vier durchfrorenen Gestalten vor dem Coop sind dankbar für die Sandwiches und den Kaffee. Sie tauen auf. Auch menschlich. Beginnen zu erzählen, von ihrem Dasein und ihren täglichen Sorgen. Beim Angebot eines persönlichen Beratungsgesprächs werden sie aber wieder still. Ziehen sich, wie viele an diesem Abend, wieder zurück, werden unsicher, ausweichend. «Das hat viel mit erlebten Enttäuschungen zu tun», erklärt Roy Gerber, der diese Reaktion kennt. «Ein grosser Teil unserer Arbeit ist Beziehungsarbeit.» Es gelte, Vertrauen aufzubauen und das Selbstwertgefühl der Betroffenen zu stärken. «Erst wenn beide Bedingungen erfüllt sind, sind nächste Schritte möglich.» Auf langen, sehr langen Wegen.

• Walter von Arburg, Kommunikations­ beauftragter

und daran, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Etienne Conod hilft ihm jetzt bei der Bewältigung der administrativen Altlasten und dem Einhalten des persönlichen Budgets. «Entscheidend für die positive Wendung in diesem wie in vielen anderen scheinbar heillosen Leben war das erste Gespräch», sagt Etienne Conod. Es gelang ihm, Roman vom totalen Absturz zu bewahren. «Die Stärke unserer Arbeit ist, dass wir unbürokratisch helfen können», erklärt der erfahrene Sozialdiakon. Das ist nötig, denn die meisten Notleidenden haben nicht nur ein Problem, sondern viele Schwierigkeiten gleichzeitig. Und wissen selbst nicht, wo den Hebel ansetzen. Für viele Menschen in Not sind daher die SWS-Sozialarbeiter Türöffner zu einem neuen Leben. *Name geändert


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Im Gespräch mit FCZ-Präsident Ancillo Canepa

Sechstklässler stricken für Obdachlose Die Not auf Zürichs Strassen bewegt immer mehr Menschen. Und viele wollen helfen. Schüler aus Zollikon haben für Obdachlose gestrickt.

O

bdachlosigkeit macht betroffen. Besonders für Kinder ist es kaum fassbar, dass es auch bei uns Menschen gibt, die kein Zuhause, keine Arbeit und kaum Geld haben. Die Zolliker Sechstklässler von Lehrer Lukas Guggisberg haben ihre Betroffenheit zum Anlass genommen, sich konkret für Obdachlose einzusetzen. Im Handarbeitsunterricht bei Lehrerin Tashi Strebel haben die Schülerinnen und Schüler im Herbst Pulswärmer gestrickt. «Es macht mehr Spass zu stricken, wenn man weiss, dass es jemandem hilft, dem es nicht so gut geht», sagt eine Schülerin. Vor Weihnachten waren schliesslich zwölf warme

und flauschige Pulswärmer fertig. Die Schüler haben ihre Kreationen sorgfältig verpackt und den Sozialwerken Pfarrer Sieber zugeschickt mit der Bitte, diese Obdachlosen auszuhändigen. Mitarbeiter der SWS haben diesem Wunsch noch so gerne entsprochen und die Pulswärmer Bedürftigen zu Weihnachten geschenkt. Alle Beschenkten freuten sich riesig. «Auch wenn wir mit Geldspenden am effizientesten helfen können, sind solche Geschenke enorm bedeutungsvoll», sagt SWS-Gesamtleiter Christoph Zingg zur Aktion, «denn sie zeigen die grosse Solidarität, die in unserer Gesellschaft nach wie vor herrscht. Dafür sind wir sehr dankbar.» (arb)

Bestelltalon Bitte ausschneiden und senden an: Sozialwerke Pfarrer Sieber, Hohlstrasse 192, 8004 Zürich, oder mailen an: info@swsieber.ch, Stichwort «Bestellung»

Bitte senden Sie mir __ __ __ __ __

Jahresbericht Jahresrechnung Testamentsratgeber Informationen zu grossen Projekten Exemplare Sieber Ziitig

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Doppel-Kunstkarten à Fr. 15.– (10 Ex.) * zuzügl. Fr. 3.– Porto und Verpackung Einfach-Kunstdrucke à Fr. 5.– (2 x 5 Ex.) * zuzügl. Fr. 3.– Porto und Verpackung

* Ölbilder/Aquarelle von Pfr. Ernst Sieber

Meine Adresse und Telefonnummer

Fussball ist eine Glamour-Welt. Gibt es da Berührungspunkte mit Obdachlosen? Fussball ist weltweit die grösste gemeinsame Plattform, die Menschen aus unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten zusammenbringt. Aus dieser Popularität heraus entsteht gesellschaftliche Verantwortung, die wir beim FC Zürich im Rahmen unserer Möglichkeiten wahrnehmen wollen. So haben wir schon zahlreiche Aktionen für Behinderte, Asylanten und sozial Benachteiligte durchgeführt.

__ Gesamtprospekt «handeln» __ __ __ __ __ __ __ __

Broschüre Brot-Egge «begegnen» Broschüre Gassentierarzt «behandeln» Broschüre Sunedörfli und AWB «eingliedern» Broschüre Aussenwohngruppe «trainieren» Broschüre Sune-Egge «pflegen» Broschüre Sunestube «vermitteln» Broschüre Nemo «schützen» Broschüre Ur-Dörfli «betreuen»

Warum sind Ihnen Arme und Obdach­ lose nicht egal? Das kann doch niemandem egal sein, das muss doch jeden Menschen beschäftigen.

Reden Sie zu Hause über Armut? Selbstverständlich. Besonders dann, wenn wir selber schon Unterstützung leisten konnten. Wie nehmen Sie die Arbeit der Sozialwerke Pfarrer Sieber wahr? Der unermüdliche und pragmatische Einsatz für Obdachlose ist vorbildlich. Ernst Sieber als Gründer nimmt in meinen Augen die Aufgaben eines Pfarrers lebensnah wahr. Ausserdem ist der ehemalige SWS-Stiftungsrat Fritz Autenrieth unser Hausnachbar. Mehrfach habe ich gesehen, wie er mit einem Wohnwagen voller Decken und Kleidern zu Bedürftigen gefahren ist.

• Ancillo Canepa (59) ist Ökonom und seit 2006 Präsident des FC Zürich.

Organisation der Stiftung Sozialwerke Pfarrer Ernst Sieber (SWS)

Impressum

Hauptsitz

Betriebe Anlaufstelle Sunestube und Noteinrichtung für obdachlose Jugendliche Nemo Militärstrasse 118, 8004 Zürich

Sieber Ziitig Nr. 37 Februar 2013 Erscheint 4 x jährlich Jahresabo Fr. 5.–

Auffangeinrichtung Brot-Egge Seebacherstrasse 60, 8052 Zürich

Redaktion Walter von Arburg, Christoph Zingg, Elena Philipp

Hohlstrasse 192, 8004 Zürich 043 336 50 80 info@swsieber.ch kommunikation@swsieber.ch www.swsieber.ch Gesamtleitung Christoph Zingg Stiftungsrat Marlies Petrig, Co-Präsidentin Prof. Dr. theol. Thomas Schlag, Co-Präsident Dr. med. Ulrich Erlinger Stefan Elsener Regina Gabriel Cantieni Claire Häfeli lic. iur. Vanessa Ölz

Ehrenpräsident Dr. h. c. Pfarrer Ernst Sieber Revisionsstelle PricewaterhouseCoopers AG, Zürich

Suchthilfeeinrichtung Ur-Dörfli Bahnhofstrasse 18, 8330 Pfäffikon Fachspital für Abhängigkeitserkrankungen und Sozialmedizin Sune-Egge Konradstrasse 62, 8005 Zürich Rehabilitationszentrum Sunedörfli mit Aussenwohngruppe und ambulanter Wohnbegleitung Postfach 36, 8816 Hirzel Diakonische Dienste Hohlstrasse 192, 8004 Zürich

Gestaltung Claudia Wehrli, Winterthur

Druck Spühler Druck, Rüti Herausgeberin Stiftung Sozialwerke Pfarrer Ernst Sieber PC-Konto: 80-40115-7

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