sisterMAG Ausgabe 2

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Werkstatt

von VICTORIA KAU l

zu schauen. Rosemarie Trockel l ist wohl die bekannteste deutsche Strickkünstlerin. Seit Mitte der 80er Jahre stellt sie Bilder und Skulpturen aus Wolle her und hinterfragt mit diesem ‚minderwertigen’ und dem ‚Weiblichen’ zugeordneten Material klassische Geschlechtsbilder. Gegenübergestellt werden in ihren Werken so eingängige Symbole wie plus und minus oder das Wollsiegel und der Playboyhase. Noch doppeldeutiger wird ihr Werk durch die maschinelle Strickherstellung, mit welcher die Künstlerin arbeitet. Die Strickbilder aus dem Computer bzw. der Maschine passen so gar nicht zum Fleiß und Gehorsam der biedermeierlichen Strickerin, und Maschinen werden meistens auch nur von Männern bedient. En vogue war Strickkunst jedoch in den 70ern noch nicht. Zwischenzeitlich wurde das Stricken wieder pragmatisch gesehen: Studenten fingen im Vorlesungssaal an, und die Grünen strickten im Bundestag. Erst in den 90ern kam eine neue Welle mit Strickkünstlern auf, die bis heute nicht abgenommen hat. Die Stricktechnik stellte einen krassen Gegensatz zu den technischen Fortschritten dar, die das Ende

des 20. Jahrhunderts prägten und auch viele Künstler inspirierten. In den 90ern fühlten sich viele Künstler, Designer und Architekten von der Welt der Computer und Software inspiriert und schufen Werke, die in ihrer Ästhetik an die Perfektion der Technik heranreichten. Jonathan Ive zum Beispiel. Der entwickelte 1997 für Apple das iMacDesign aus buntem Kunststoff. Oder der Videokünstler Bill Viola, der eine Generation von Künstlern prägte, die Elektro-, Sound- und Bildtechnik zum Ausdrucksmittel ihrer Kunst machten. Nicht zuletzt Ryan MgGinness’ hypersymmetrische, auf dem Computer entstehende Vektorkunst. Diese digitalen Technologien, die anfangs noch undurchsichtig und aufregend erschienen, wurden jedoch rasch zum Alltagsgegenstand. Bald besaß jeder einen eigenen Computer und konnte sich dank simpler Baukastenprinzipien eigene digitale Welten erschaffen. Der Mensch bewegte sich längt in einem globalen Dorf, dessen Bewohner auf dem besten Wege zur kulturellen Homogenität waren. Doch die Kunst – sie blieb kritisch. Und brachte wieder ihre eigenen Widersacher hervor. Zur Jahrtausendwende wehrten sich im-

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