Plus Mal Minus

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Plus Mal Minus Zwischen Punkt und Raster


„Plus Mal Minus“ zwischen Punkt und Raster einmal ganz ohne Mathematik. Eine Leporello zwischen Technik und Experiment.

Schon immer versuchte der Mensch, die

der zu bedruckende Untergrund. Selbst

Natur so gut wie möglich abzubilden. Die

Zeitungen sind bereits so gut gedruckt, dass

ersten Zeichnungen und Drucke be-

das klassische „Zeitungsraster“ der Vergan-

schränkten sich noch auf reine Strichdar-

genheit angehört.1

stellungen ohne die Erzeugung von Plasti-

Seit einigen Jahren hat sich allerdings das

zität oder Grautönen.1

eigentlich technisch bedingte Raster immer

Im Laufe der Geschichte wurden die Men-

mehr als Gestaltungsmittel durchgesetzt

schen immer raffinierter: Erst kolorierte

und etabliert. Man spielt mit groben Rastern

man noch per Hand, dann erfand man die

und Effekten wie Moirés, die eigentlich bis-

Schraffuren, die alle erdenklichen Formen

her ein unbeliebtes Nebenprodukt von min-

annahmen wie sich überkreuzende und sich

derwertigen Drucksachen waren. Neueste,

krümmende Linien. Nach dem Kupferstich

für jeden zugängliche Software ermöglicht

und der Radierung folgte die Lithografie, die

es inzwischen sogar, eigene Rasterstruktu-

es ermöglichte, durch extrem feine, kaum

ren und Rasterelemente zu entwickeln.1

mehr wahrnehmbare Pünktchen Grautöne

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zu simulieren.1

„Plus Mal Minus“ ergibt in der Summe ein

Mit der Erfindung der Fotografie perfektio-

Medium, welches sowohl die technische

nierte man schließlich die Wiedergabe der

Seite von Punktrastern zeigen möchte, als

Natur. Man konnte von nun an alles exakt so

auch experimentelle Einsatzgebiete zeigt.

abbilden, wie es das menschliche Auge sah.

Im ersten Teil dieses Leporellos werden

Im Druck stehen allerdings keine fotogra-

Grundbegriffe von Rastern visuell anschau-

fischen Mittel zur Verfügung, sondern man

lich und begreifbar gemacht. Im zweiten Teil

muss weiterhin auf altbewährte Methoden

wird das Raster experimentell in Verbindung

zurückgreifen: der Darstellung von Farbstu-

mit Typografie eingesetzt, wodurch inte-

fen mit nur einer Farbe. Im Offsetdruck wer-

ressante Phänomene einfach dargestellt

den daher immer komplexere und feinere

werden. „Plus Mal Minus“ steht für drei

Simulationsmethoden entwickelt, denen

essentielle Werkzeuge für die Erstellung

aufwändige Rechenprozesse zugrunde lie-

von Rastergrafiken: Addieren, Multiplizieren

gen. Die Drucksachen sind heutzutage vom

und Subtrahieren. Punkte zu einem Raster

Laien kaum von echten Fotos zu unterschei-

zusammenfügen, Raster überlagern und

den. Der einzige limitierende Faktor ist noch

Punkte in einem Raster reduzieren.


Inhalt Vorderseite 04

Raster

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Punkt als Rasterelement

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Punkte im Raster

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Negatives Punktraster

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Rasterweite

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Rasterwinkel

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Farben

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Moiré Effekt Rückseite

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Zwischen Punkt, Raster und Experiment

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Die runde Form ist optisch asozial

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Ein Punkt ist genau das

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Nah und Fern

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Blickpunkt

Impressum

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Positiv und Negativ

Plus Mal Minus ist eine

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Das kleine a ganz groß

Semesterarbeit von

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Das Komma

den 2008/09 im Atelier

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79 Punkte

Print des Studiengangs

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Aus

Fachhochschule Vorarl-

Simon Wahlers, entstan-

Mediengestaltung an der berg, Österreich. Betreut von Monika Schnell und Lutz Krause. Texte stammen von Simon Wahlers, dem „Rasterblock“ (1, 2008 erschienen im Verlag Hermann Schmidt Mainz) und „Well Done, Bitte!“ (2, 2004 erschienen im Verlag Hermann Schmidt Mainz). Gesetzt in der DIN Regular und Light. Gedruckt und weiter verarbeitet mit Liebe in einer limierten Auflage von zwei Exemplaren.

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Raster begegnen uns tagtäglich. Sie werden eingesetzt um Ordnung und Übersichtlichkeit zu schaffen.

Ein Raster kann zur Auswahl, Orientierung, Sortierung oder Verteilung dienen oder einfach bei der möglichst optimalen Ausnutzung von Räumen behilflich sein. Oftmals ist uns der Einsatz von Rastern im Alltag gar nicht bewusst. In der Architektur werden Raster genutzt um sinnvolle Raumaufteilungen zu schaffen und effizient zu bauen. In der Buchgestaltung werden Raster erstellt um dem Leser ein möglichst ruhiges und einfaches Navigieren und Lesen zu ermöglichen. Im Druck wurden Ras-

In der Regel haben Ras-

ter ursprünglich verwendet um mit einer

ter, die als Druckraster

einzigen Druckfarbe (Schwarz) abgestufte

feste Rasterbreite. Durch

ver wendet werden eine

Grauwerte darstellen zu können.

Variation der Rasterab-

Auch dieses Leporello basiert auf einem

Rasterlinien, wie auf dieser

stände oder Auslassen von

strengen Raster, auf dem sowohl Grafik als

Seite gezeigt wird können

auch Typografie angeordnet wird.

entstehen.

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spannende, neue Raster


Raster 05


Der Punkt, v. latein. punctus „Einstich“, hat unzählige Bedeutungen und findet in verschiedensten Bereichen seine Anwendung: Punkt als Satzzeichen, Punkt in der Geometrie, Punkt als Maßeinheit in der Typografie, Punkte in einem Bewertungssystem.

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Punkt als Rasterelement

Das gängigste Rasterelement ist der Punkt. Er wurde ursprünglich beim Einsatz von technisch bedingten Rastern für den Druck verwendet. Natürlich kann man jede beliebige Form als Rasterelement verwenden. Man unterscheidet hierbei zwischen der Veränderung der Form (des Rasterelementes) und der Drehung dieses Elementes. Trotz technischer Möglichkeiten ist und bleibt der Punkt im Raster das Element, welches Druckraster charakterisieren. Mit neuartigen Programmen (wie beispielsweise „Vectoraster“) können Raster mit eigenen Formen auf Vektorbasis umgesetzt werden.

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Punkte im Raster Durch die Aneinanderreihung von Punkten

Im gegenüberliegenden

als Rasterelement entstehen Flächen. Je

Beispiel sind die Rasterele-

nach Betrachtungsabstand und Raster-

das Raster, also 1 cm, so-

mente exakt so groß, wie

größe erscheinen diese als aneinander ge-

dass sich die Rasterelemte

reihte Punkte oder verschwimmen zu einer

ren. Wenn dies der Fall ist

auf allen vier Seiten berüh-

grauen Fläche.

beträgt der Grauwert exakt

Die Wahrnehmung dieser grauen Fläche

78,5% der Fläche mit Farbe

spiegelt sich im Grauwert eines Rasters

78,5%, das heißt es ist bedruckt.

wieder. Je größer die Rasterelemente sind desto höher der Grauwert. Wenn kein weißer Fleck mehr sichtbar ist, also die Fläche vollständig mit Farbe bedruckt ist, spricht man von einem Grauwert von 100%.

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Negatives Punktraster

Das negative Punktraster ist im Prinzip das gleiche wie das normale Punktraster, nur mit invertierten Punkten.1 Auch hier gibt es einen Grauwert, der jedoch genau umgekehrt zum normalen (positiven) Punktraster funktioniert. Je größer der Rasterelement, desto kleiner ist der Grauwert der Fläche. Das heißt je größer das Rasterelement, desto größer auch die weiße Fläche und desto weniger Druckfarbe wird auf das Papier aufgetragen. Ist also das Rasterelement so groß, dass man keine schwarze Fläche mehr sieht, erhält man einen Grauwert von 0% (keine Farbe wird gedruckt).

In diesem Beispiel sind die weißen Rasterelemente exakt so groß wie das Raster. Beim negativen Punktraster bedeutet dies, dass der Grauwert exakt 21,5% beträgt.

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0,1 l/cm

Die Rasterweite wird in l/cm gemessen und ist eine Maßeinheit dafür, wie viele Rasterzellen (Rasterelemente) auf ein Zoll passen. Je geringer die Rasterweite, umso größer die Rasterzellen und somit die Rasterpunkte.2 Im Beispiel beträgt die Rasterweite 0,1 l/cm, das heißt pro 10 cm gibt das Raster nur eine Zeile wieder. Auf der Folgeseite sieht man ein Punktraster mit 5 l/cm, das heißt pro Zentimeter werden 5 Linien abgebildet. Für den Einsatz des Druckrasters als Stilmittel wird oftmals eine größere Rasterweite gewählt um den Effekt „sichtbar“ zu machen.

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Rasterweite in l/cm Im deutschsprachigen Raum wird die Raster weite 端blicher weise in Linien pro Zentimeter (l/cm) angegeben. Im englischsprachigen Raum wird diese Einheit in Linien pro Inch (lpi) angegeben. F端r die Umrechnung gilt: 1 Inch = 2,54 cm.

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5 l/cm

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Rasterwinkel Eine mögliche Änderung des Rasters ist

zu, den das Gehirn am wenigsten regist-

der Winkel. Dabei wird das gesamte Raster

riert, also 45 Grad. Gelb hat die schwächs-

in einem bestimmten Winkel gedreht. Da-

te Kontrastwirkung und erhält daher den

durch entstehen ganz neue Muster.

störendsten Winkel, also 0 Grad. Zyan und

Beim Vierfarbendruck müssen die einzelnen

Magenta werden in Winkeln angeordnet, die

Farbraster in unterschiedlichen Winkeln zu-

möglichst weit voneinander entfernt liegen.

einander stehen, damit keine unerwünsch-

Für den Offsetdruck empfiehlt man 45 Grad

ten Interferenzmuster entstehen (Moiré,

für Schwarz, 15 Grad für Zyan, 75 Grad für

siehe Seite 20).

Magenta und 0 Grad für Gelb. So erhält man

2

Das Gehirn nimmt Winkel um 0 und 90 Grad

eine gleichmäßige Verschiebung um 30 Grad

leicht wahr. Damit ein Raster so unauffäl-

zwischen den drei auffallendsten Farben.2

lig wie möglich ist, dreht man es in einen

Für die Verwendung des Rasters als Gestal-

45-Grad-Winkel. Da Schwarz auf Papier die

tungselement können diese Werte bewusst

größte Kontrastwirkung hat, wird es vom

eingesetzt werden um Störungen oder eine

Auge am stärksten wahrgenommen. Des-

zurückhaltende Wirkung zu erzeugen.

halb ordnet man dem Schwarz den Winkel

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Magenta 75째

Schwarz 45째 Cyan 15째 Gelb 0째

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Moiré Effekt Überlagert man zwei Raster, können verschiedene Effekte entstehen. Diese nennt man Moirés. In normalen Druckverfahren unerwünscht, können sie wie die Raster selbst gut als Gestaltungsmittel eingesetzt werden. Moirés lassen sich am einfachsten über unterschiedliche Rasterwinkelungen erzeugen.1 Eine andere Möglichkeit, die oftmals eingesetzt wird ist durch die Überlagerung unterschiedlicher Rasterweiten wie im Beispiel rechts. Auf der nächsten Doppelseite wird ein Moiré durch die Überlagerung in verschiedenen Winkeln erzeugt. Durch die Änderung des Grauwertes kann man ebenfalls den Moiré Effekt beeinflussen. Diese Attribute können beliebig übereinander angewendet werden, wodurch man unendlich viele Gestaltungsmöglichkeiten für Moirés erhält.

In diesem Beispiel werden zwei Raster mit unterschiedlicher Raster weite jedoch gleichem Winkel (0°) übereinander gelegt. Die Raster weite des Grundrasters beträgt 5 mm. Auf der folgenden Doppelseite wird ein Moiré Effekt durch verschiedene Raster winkel erzeugt.

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Zwischen Punkt und Raster


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Titel: Bei dieser Rastergrafik wurden zwei gleichmäßige Flächenraster als Grundlage ver wendet. Das Raster mit dem geringeren Grauwert bildet den Hintergrund. Die Typografie wurde mit dem dunkleren Raster ausgefüllt. Dadurch entstehen diese geraden Kanten der Schrift, welche durch die Punkte dennoch mit dem Hintergrund verfließen. Programme: Vectoraster für die Erstellung der Flächen, InDesign für die Komposition.

Zwischen Punkt, Raster und Experiment Im zweiten Teil dieses Leporellos werden nun auf der Vorderseite erklärte Phänomene in Form von Experimenten angewandt. Durch die Experimente, welche alle in Verbindung mit Typografie entstanden sind, soll gezeigt werden, wie mit möglichst wenig Mitteln dennoch effektvoll gearbeitet werden kann. Auch dieser Teil ist auf eine Druckfarbe reduziert und hält sich streng an das vorgegebene Raster, welches sowohl für die gezeigten Raster als auch für Layout konsequent verwendet wird. Die folgenden Arbeiten sollen zum Experiment mit Druckrastern auch in Verbindung mit Typografie animieren und die Vielseitigkeit dieses Gestaltungselementes zeigen. Das Prinzip „Plus Mal Minus“ wird in diesem Teil durch die experimentelle Anwendung noch deutlicher, da hier viel mit den Instrumenten der Addition (Aneinanderreihung), Multiplikation (Überlagerung) und Subtraktion (Abziehen) gearbeitet wird.

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In diesem Experiment geht es um Lesbarkeit und Unlesbarkeit bei der Anwendung von Punktrastern. Erst bei der Betrachtung der Seite von einigen Metern Entfernung kann man erkennen, wie der Text lautet. Bei der Lesbarkeit spielt die Raster weite, der Grauwert sowie der Raster winkel eine wichtige Rolle. Unter diesen Aspekten wurde dieser Text gerastert. Programme: Photoshop zur Erstellung des Rasters, Illustrator/InDesign zur Vektorisierung. Zitat: Kurt Weidemann

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Manuelles Setzen eines Rasters und daraus folgend einer Punktschrift. Vorlage für die Typografie ist die Pixelschrift „Smirnof“. Die Raster weite ist hierbei lediglich 1 mm wodurch die Punkte mit einem Durchmesser von 0,5 mm fast als Einstiche wahrgenommen werden können.

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Oskar Perron, Mathematiker

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Durch die Variation des Grauwertes verändert sich die Lesbarkeit bei kleinerer und größerer Distanz. Das Wort mit dem geringeren Grauwert kann lediglich aus nächster Nähe gelesen werden, das andere erscheint jedoch aus weiterer Entfernung als angenehmer. Programm: Vectoraster zur Rasterung der Wörter.

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Vorige Seite: Moiré Effekt durch die Überlagerung zweier gleich weiter Raster mit unterschiedlichem Raster winkel. Der SchriftEffekt wird durch eine minimale Abweichung der Punktgröße im Bereich der Buchstaben erzielt. Je geringer die Differenz zwischen Hintergrund und Text, desto erschwerter die Lesbarkeit. Programm: Vectoraster zur Erstellung beider Raster in unterschiedlichen Winkeln.

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Dieses Experiment sielt mit der Positiv- und NegativForm eines einfachen Punktrasters, wie es auf der Vorderseite gezeigt wurde. Es wird sowohl das eigentliche Rasterelement, der Kreis, als auch die Negativform, die zwischen den Kreisen entsteht, als Rasterelement genutzt und kombiniert eingesetzt. Durch die Überlagerung beider Worte entstehen neue grafische Formen. Grundlage für die Typografie ist auch hier die Pixelschrift „Smirnof“. Programm: Illustrator für die Erstellung der Elemente und das manuelle Zusammenfügen.

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Durch einen Raster winkel von 0 Grad sowie eines Quadrates, welches als Rasterelement ver wendet wird entsteht ein sehr grafisches und geradliniges Bild des Buchstabens. Es wurde gezielt ein sehr geringer Grauwert gew채hlt um die Leichtigkeit des Schriftschnittes zu unterstreichen. Durch die Negativit채t der Grafik leuchten die Rasterpunkte optisch. Programm: Vectoraster zur Erstellung des Rasters.

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Eine Aussage wird verdeutlicht indem das Rasterelement gleichzeitig Inhalt der Aussage ist. In diesem Fall wurde eine Definition eines Satzzeichens in einem Raster mit einzelnen Kommas als Rasterelement umgesetzt. Programm: Vectoraster zur Erstellung des Rasters.

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Als Grundlage für diese Pixelschrift diente die Schriftart „Smirnof“, welche manuell in ein Raster gesetzt wurde. Sowohl die Aussage als auch die Anzahl der Punkte stimmen in allen drei Fällen überein. Die Aussage wird somit auf zwei völlig verschiedenen Ebenen transportiert.

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Ausgangslage hierf체r sind drei Buchstaben, welche auf ein sehr grobes Raster gesetzt wurden. Daraufhin wurde in jedem Rasterfeld manuell gepr체ft, wie viel Fl채che durch die Buchstaben verdeckt wird. Wenn mehr als 50% verdeckt war, wurde das Rasterfeld mit einem Rasterelement versehen, ansonsten wurde es leer gelassen.

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