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WOJ 15. Jg. - 3/2009

Juli/August/September 2009

Von der Varusschlacht bis zur Bundesrepublik Deutschland Die Jugend interessiert sich f端r Geschichte

ISSN 0947-5273


Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

Inhalt Editorial

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Nachruf

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Hermann von Salza Hochmeister vor 800 Jahren 4 Die Varusschlacht Was geschah im Teutoburger Wald?

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Geheime Akten, vertrauliche Gespräche

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Thusnelda, Arminius und die Varusschlacht

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„Czernowitzer Spaziergänge“ Annäherungen an die Bukowina

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„Vuchelbeerbaamland“

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Abend mit Kunst und Poesie

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„Wir waren stumm und entrechtet“ 10 Verborgene Geschichten sichtbar werden lassen

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Einladung zur Verleihung des Andreas- Gryphius-Preises an Arno Surminski

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„Quintili Vare, legiones redde!“

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„Vienna’s Lost Daughters“ -

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„Jokehnen – Oder wie lange fährt man von Ostpreußen nach Deutschland“ 14 Meer der Irrtümer

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Fähigkeiten anerkennen tradiertes Kulturgut wertschätzen 18 Neuerwerbungen der Bibliothek

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Grenzenlose Dialoge

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Gerhart Hauptmann und Max Klinger

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„Karfunkelschein“

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Aufstand im Gerhart-Hauptmann-Haus

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„Vor dem Gesetz sind alle gleich“ 24 Erinnerungskultur und Generationsübergang

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Nach der Urlaubszeit starten wir mit Ihnen wieder in ein vielfältiges Programm. Dabei greifen wir für manchen vielleicht überraschend weit in die Geschichte zurück. Das 2000-Jahr-Gedenken der Varusschlacht findet auch bei uns Berücksichtigung. Es hat nämlich sehr wohl auch mit der Geschichte Deutschlands östlich des heutigen Nordrhein-Westfalen zu tun. Sogar der „Spiegel“ spekulierte darüber, was es bedeutet hätte, wenn Arminius die weitere Ausbreitung der römischen Herrschaft nach Osten im Herbst des Jahres 9 n. Chr. nicht gestoppt hätte. Wenn die Römer bis zur Elbe vorgedrungen wären oder sogar darüber hinaus – gar bis zur Oder? Spekulation natürlich, aber reizvoll. Daneben geht es realer zu, so wenn des 770. Todestages Hermanns von Salza, einst Hochmeister des Deutschen Ordens, gedacht wird. Ferner gibt es wieder Angebote aus Literatur und bildender Kunst, auf die wir Ihr Interesse zu lenken hoffen. Ein Thema von herausragender Bedeutung sei hier an dieser Stelle etwas ausführlicher behandelt, da es uns in besonderer Weise am Herzen liegt – und weil wir gerade in diesem Zusammenhang auf Ihre Mithilfe zählen. Es handelt sich um das Thema Jugend und Geschichte. Viele von uns mögen schon einmal Gelegenheit gehabt haben, eine Schulklasse beim Besuch eines Museums, einer historischen Ausstellung oder eines Vortrags zu beobachten. Mancher mag sich gestört gefühlt haben durch die zumeist damit verbundene Unruhe, mancher mag den Kopf geschüttelt haben über das unverkennbare Desinteresse, sicher nicht bei allen, aber doch vielen der jungen Leute. Das gutgemeinte Engagement der verantwortlichen Lehrerinnen und Lehrer, die allen aus der Fülle des Lehrplans resultierenden Zeitproblemen zum Trotz noch zusätzlich eine Unternehmung organisiert haben, hat nicht selten frustrierende Ergebnisse. Dabei dürfte kein Zweifel daran bestehen, dass es – welcher Vorstellung von Bildung man im einzelnen auch verpflichtet sein mag – in jedem Falle wichtig ist, junge Menschen mit einem historischen Grundwissen auszustatten. Schließlich handelt es sich um die künftigen Wählerinnen und Wähler in einer pluralistisch verfassten Demokratie – und die Fähigkeit eine einigermaßen bewusste Entscheidung in der breiten Vielfalt der parteipolitischen Angebote treffen zu können, setzt neben dem Verständnis des politischen Systems als solchem nicht zuletzt eine auch historisch fundierte Urteilsbildung voraus. Daher ist ja gerade in einer Demokratie die politische und historische Bildung auch eine öffentliche Aufgabe, und zwar nicht bloß als „schöne Beigabe“, die im Falle leerer Kassen auch verzichtbar erscheint. Sondern als existentielle Grundvoraussetzung der Erhaltung der freiheitlichen Verfasstheit, die nur dann wirklich wirksam vor Missbrauch und Selbstzerstörung geschützt ist, wenn alle darin Lebenden sich ihres Wertes und ihrer Nicht-Selbstverständlichkeit bewusst sind. Jenseits der Einsicht in die Unverzichtbarkeit historisch-politischer Bildung stellt sich natürlich die Frage nach ihrer Umsetzung. Diese wird sicherlich stets in der Hauptsache Aufgabe der Schulen sein. Ergänzend hierzu ist es aber ohne Zweifel auch eine wesentliche Herausforderung an eine Einrichtung wie die Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus hieran mitzuwirken. Denn mit dem Schwinden der „Erlebnisgeneration“ wächst – und zwar ganz wörtlich – von Tag zu Tag die Gefahr, dass sehr viel Wissen um den historischen deutschen Osten verloren geht, und zwar unwiederbringlich. Erfahrungsgemäß ist es aber Fortsetzung auf Seite 11

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Nachruf

Vom gelebten Paradoxon der christlichen Politik. In memoriam Konrad Grundmann (1925-2009) Unsere Heimat aber ist im Himmel. Phil 3, 20 Es ist schwer, sich das Haus ohne ihn vorzustellen, scheint gar unmöglich. Konrad Grundmann hat schon an der Entstehung des damaligen Hauses des Deutschen Ostens in Düsseldorf vor einem halben Jahrhundert wesentlich mitgewirkt, er hat Mitverantwortung getragen für die Umbenennung in Gerhart-HauptmannHaus vor inzwischen bald 20 Jahren. Und er hat das Amt des Vorstandsvorsitzenden bis zum Tod behalten. Als letztes in einem an öffentlichen Ämtern und Funktionen wahrhaft reichen Leben. Es ist nicht auf den ersten Blick ersichtlich, was ihn gerade an diese Aufgabe in so besonderer Weise band. Konrad Grundmann wurde in Krefeld geboren und dort ist er gestorben – ein Rheinländer von Geblüt, das war beim ersten Satz, den man von ihm hörte, unverkennbar. Der historische deutsche Osten, Ostmitteleuropa haben ihm als jungem Mann Stunden beschert, die zu den dunkelsten und schwersten seines Lebens gehört haben dürften: Im Sommer 1944 wurde er bei Brest-Litowsk schwer verwundet, als er als blutjunger Offizier in der Wehrmacht kämpfte, die die Rote Armee nicht mehr aufzuhalten vermochte. Lange Lazarettaufenthalte in Bautzen und Dresden folgten, wo er zum ersten Mal um sein Leben rang; die rechte Schulter war zerschmettert und der Arm blieb dem 19-Jährigen nur erhalten, weil die aus dem fernen Rheinland herbeigeeilte Mutter den behandelnden Stabsarzt bestürmte, ihren Jungen nicht zum Krüppel zu machen. Zurück blieb ihm gleichwohl eine lebenslange Beschädigung – und eine tiefe Abneigung gegen jegliche Verherrlichung des Militärischen. Keine gute Erinnerung also für ihn – was band ihn trotzdem an den Osten? Konrad Grundmann hat, als er körperlich gezeichnet aus dem Krieg tief in den Westen heimgekehrt war, nicht resigniert. Er hat vielmehr neben den mühsamen beruflichen Anfängen begonnen, sich politisch zu engagieren, Mitverantwortung zu übernehmen, damit nicht wieder verhängnisvolle Wege eingeschlagen wurden, wie der, welcher die von Grundmann zutiefst

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verabscheuten Nationalsozialisten an die Schalthebel der Macht gespült hatte. Und wo? Bei der Sozialdemokratie? Das konnte er, wie er einmal erzählte, seinen Eltern, im Besonderen seinem Vater nicht antun. Der fest im katholischen Glauben verankerte elterliche Arbeiterhaushalt stand in der Tradition der christlichen Gewerkschaftsbewegung. Also CDU, da das Zentrum, der politische Katholizismus der Zeit vor 1933, sich überlebt hatte. Konrad Grundmann wurde 1946 CDUMitglied, kaum war die christliche Sammlungspartei aus der Taufe gehoben. Zum gewerkschaftlichen Engagement trat bei Grundmann das aktive politische Bestreben – in den nordrhein-westfälischen Landtag zog der noch nicht Dreißigjährige als Angehöriger der christdemokratischen Fraktion im Sommer 1954 ein. Er hat das Landesparlament erst mehr als drei Jahrzehnte später, im Mai 1985, wieder verlassen. Dazwischen lagen zahlreiche Ämter und Funktionen, darunter Grundmanns Zeit als Vorsitzender des Landesverbandes Rheinland der CDU, als Präsidiumsmitglied der CDU NordrheinWestfalen, im Verwaltungsrat des WDR, als Erster Vizepräsident des Landtages und manches mehr. Der rote Faden in Konrad Grundmanns politischer Tätigkeit war sein Einsatz gegen soziale Benachteiligungen: Als Vorsitzender des Sozialausschusses im Landtag und vor allem als nordrheinwestfälischer Minister für Arbeit und Soziales seit Oktober 1959, aber auch als Personalvorstand der Rheinischen Braunkohlewerke AG (seit 1971). Ministerpräsident Franz Meyers (CDU) berief Konrad Grundmann in sein Kabinett, da war er 34 Jahre alt – ein bereits profilierter Sozialpolitiker und zugleich der jüngste Minister in Deutschland. Grundmann leitete das Sozialministerium bis zur Ablösung der Regierung Meyers im Dezember 1966. Aus dieser Zeit im Besonderen datiert auch der unentwegte Einsatz Grundmanns für die Belange der mehr als 2,4 Millionen Flüchtlinge und Vertriebenen aus dem historischen deutschen Osten, die nach Nordrhein-Westfalen gelangten. Und dies nicht allein, weil die 1957 begründete Stiftung Haus des Deutschen Ostens

Staatsminister a.D. Konrad Grundmann schlicht organisatorisch in sein Ressort fiel, – sondern vielmehr weil der in seinem Herkommen verwurzelte Rheinländer Grundmann um die Schmerzen des Heimatverlustes der Betroffenen wusste und weil er wusste, dass eine dauerhafte und sozial ausgeglichene Integration der Millionen Entwurzelter über Wohl und Wehe der zweiten deutschen Republik mitentschied. So hat er an der Förderung und Ausgestaltung der Stiftung festgehalten, nach seiner Zeit als Minister als Mitglied (seit 1971) und später Vorsitzender des Kuratoriums (seit 1976) und schließlich seit 1981 als Vorstandsvorsitzender. Konrad Grundmann war ein stets zupackender Akteur, ein gewiegter Taktiker, nicht zuletzt ausgestattet mit Machtinstinkt und manchmal hart bandagiertem Durchsetzungsvermögen. Der von ihm selbst geprägte Satz: „Der Abteilung Höflichkeit habe ich nie angehört“ war nicht bloß dahin gesagt. Grundmann war nicht immer ein angenehmer Partner, zuweilen schwer erträglich insbesondere für solche Zeitgenossen, die in die Abteilung Höflichkeit hinein erzogen worden sind. Aber die gelegentliche Ruppigkeit war stets gemildert vom Humor, durch die rheinische Verschmitztheit. Und: Da konnte ganz unvermittelt eine Art altväterlicher Charme aufblitzen, die kaum noch existiert und die wohl imstande war, gerade moderne, selbstbewusste Frauen erst einmal zu irritieren – die aber von den mit Herzensklugheit ausgestatteten Zeitgenossinnen wohl als ganz echt erfühlt und daher vielleicht insgeheim belächelt, vorderhand aber respektiert wurde. Jenseits aller Politik und des öffentlichen Lebens war Konrad Grundmann vor Fortsetzung auf Seite 4

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Nachruf/Vortrag Fortsetzung von Seite 3 allem eines: gläubiger Christ und Familienvater. Wenn der über 80-Jährige sich an die lange zurückliegenden Momente erinnerte, als er Hand in Hand mit einer oder mehrerer seiner noch kleinen Töchter spazieren gegangen war, so war zu spüren, dass dies die eigentlichen Momente des Glücks in seinem Leben waren – fern der Erfolge, vielleicht auch Triumphe, die er in seinem politischen Leben gefeiert hatte. Und aus der Beständigkeit einer mehr als ein halbes Jahrhundert andauernden, mit vier Kindern gesegneten Ehe und der Beständigkeit des Glaubens floß auch die Kraft, in den tiefen Tälern des politischen Misserfolgs zu bestehen, die Konrad Grundmann mehr als einmal zu durchschreiten hatte. Familie und christlicher Glaube, das war der eigentliche Wurzelgrund des Politikers Grundmann. Die oftmals aufgeworfene Schwierigkeit aus einem Glauben, der naturgemäß auf eine überweltliche Realität zielt, Maximen für eine innerweltliche, politische Ordnung abzuleiten, theoretisch weiterzudenken, war seine Sache nicht. Er lebte das stets auch vom Irrtum bedrohte Paradoxon des Christseins in der Politik. Konrad Grundmann stand in der Nachfolge des politischen Katholizismus. Dieser hat in seiner langen Geschichte manchen schweren Fehler nach rechts gemacht – sein besserer Teil indessen blieb stets dialog- und anbindungsfähig nach links und zwar in dem Bewusstsein, dass die weltanschaulichen Prämissen verschieden waren und sind, dass aber ein gemeinsames Kernziel existiert: soziale Gerechtigkeit. Dies war die Voraussetzung dafür, dass Zentrum und Sozialdemokratie einige Jahre vor Konrad Grundmanns Geburt gemeinsam die erste deutsche Demokratie begründet haben. Dies war auch die Voraussetzung dafür, dass CDU und SPD nach dem beispiellosen Absturz der deutschen Geschichte gemeinsam die zweite deutsche Demokratie begründet haben, deren unaufgebbares Credo lautet: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Dieser Satz floß auch aus der Tradition der Kolping, Ketteler, Hitze, Wirth, Brauns, Stegerwald und wie sie alle hießen. Konrad Grundmann gehörte zu denen, die ihn mit Leben erfüllt haben. Winfrid Halder

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Di, 25.08. | 19 Uhr

Hermann von Salza Hochmeister vor 800 Jahren Vortrag von Prof. Dr. Udo Arnold Hermann von Salza wurde wohl vor 1179 Politik trat er als Diplomat auf, sei es gein Thüringen (Langensalza?) geboren. genüber Dänemark, der Lombardei oder Dort entwickelte sich seit dem 12. Jh. bei dem problematischen Kreuzzug Friedsowohl das Landgrafentum als auch mit richs II. als Gebannter ins Hl. Land 1229. Er sah sich als ihm in seiner „Mann, der Anfangszeit die Ehre der im 13. Jh. der Kirche und Deutsche Ordes Reiches den zu bedeuliebt und nach tenden politibeider Erhöschen Faktoren hung strebt“, des staufischen wie er selber Reiches. schrieb. Erstmals fassAuf diesem bar wird HerHintergrund mann 1209, ist auch die als HochmeisEntwicklung ter. Er hielt des Deutsich anfangs schen Ordens im Mittelin seinen ersmeerraum auf, ten Jahrzehndoch fällt in ten zu sehen, seine Amtszeit die noch 1237 die territoriadie Eingliele Ausweitung derung des der OrdensakSchwertbrütivitäten von derordens in Spanien bis Livland mit Livland. Der sich bracherste Ansatz te, aber auch erfolgte 1209 den endgülin (Klein-)Ar- Hermann von Salza, Hochmeister des Deutschen tigen Bann menien und Ordens des Kaisers Griechenland, 1211 im ungarischen Burzenland, 1222 zwei Jahre später. Hermann legte den in Spanien. 1230 kam Preußen hinzu, und Grund für die Ausbreitung des Ordens damit eine völlig andere Richtung der im Ostseeraum und damit letztlich für das spätere Herzogtum Preußen und das europäischen Kreuzzugsbewegung. 1215 nahm Hermann wohl am IV. Late- brandenburg-preußische Königreich, mit rankonzil teil und hatte seitdem engen Nachwirkungen bis in die Gegenwart in Kontakt mit der Kurie, 1216 fand die den baltischen Staaten und in der Oblast erste Begegnung mit Kaiser Friedrich II. Kaliningrad. So wurde er auch zum polistatt. Seitdem war er Vertrauter der beiden tisch gebrauchten Mythos des 19. und 20. konkurrierenden Mächte bis zu seinem Jahrhunderts. Prof. Dr. Udo Arnold Tod. An allen Brennpunkten kaiserlicher

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Vortrag

Mi, 16.09. | 19 Uhr

Die Varusschlacht Was geschah im Teutoburger Wald? Vortrag von Dr. Christian Pantle Sie war einer der großen Wendepunk- Germanen im Kampf gegen die Römer te der europäischen Geschichte: Die vereint habe. Dem Streben nach Einheit Schlacht im Teutoburger Wald im Jahr 9 und Freiheit gab Arminius eine passende n. Chr. Ein Cheruskerfürst, als Offizier Vorlage. Nicht zuletzt das 53 m hohe in römischen Diensten von den Römern Hermannnsdenkmal bei Detmold mit dem Arminius genannt, vernichtete drei römi- nach Westen, und damit vor allem gegen sche Legionen und erbeutete die als heilig Frankreich, gerichteten Schwert des Herverehrten drei Legionsadler. Ihr Feldherr mann legen davon Zeugnis ab. Varus stürzte sich nach römischem Brauch Was aber vor 2000 Jahren wirklich in sein Schwert. Die Legionsnummern geschah, wissen wir nur aus wenigen XVII, XVIII und XIX wurden nie wieder römischen Quellen (Cassius Dio, Tacitus, vergeben. Velleius Paterculus) und archäologischen Das Imperium, das seit hundert Jahren Befunden. Was hatten die Römer im Teukeine entscheidende Schlacht mehr ver- toburger Wald zu suchen? Wer war Armiloren hatte, erlitt durch die germanischen nius, wofür kämpfte er, wie besiegte er die „Barbaren“ eine Niederlage, von der es römischen Legionen? Warum geriet Varus, sich nicht mehr erholen ein erfahrener Mann, im sollte. Die Pläne, eine übrigen Vorgänger von römische Provinz „GerPontius Pilatus als Stattmania magna“ rechts halter von Syrien, in den des Rheins zu errichten, Hinterhalt germanischer wurden im Verlauf von Stammeskrieger? Wo drei Tagen unerwartet genau fand die Schlacht durchkreuzt. statt, wie lange dauerte Mit dem großen Ausstelsie, wie viele Kämpfer lungsprojekt „Imperium waren beteiligt, welche - Konflikt - Mythos“ unWaffen kamen zum Einter der Schirmherrschaft satz? Und was geschah von Bundeskanzlerin danach? Welche Folgen Dr. Angela Merkel wird hatte die Niederlage für in diesen Tagen an den das römische Reich, aber Originalschauplätzen das Dr. Christian Pantle wie ging es auch mit den historische Geschehen germanischen Stämmen vor 2000 Jahren in Detmold, Kalkriese weiter? Und war die Schlacht im Teutound Haltern am See unter verschiedenen burger Wald tatsächlich die „GeburtsstunAspekten beleuchtet. Eine Fülle von wis- de der Deutschen“? senschaftlicher, populärwissenschaftlicher Darüber wird „Focus“-Redakteur Dr. und belletristischer Literatur ist bereits Christian Pantle kenntnisreich und unjetzt zur Varusschlacht erschienen. „Der terhaltsam referieren. In seinem im Spiegel“ titelte schon Ende des vergan- Frühjahr diesen Jahres erschienen Buch genen Jahres „Die Geburt der Deutschen „Die Varusschlacht - Der germanische - Als die Germanen das römische Reich Freiheitskrieg“ führt er den Leser im bezwangen“. Stil einer Reportage an die Geschehnisse Vor allem im 19. Jahrhundert wurde vor 2000 Jahren heran. Pantle versteht es die Schlacht im Teutoburger Wald zur dabei glänzend, das dramatische SchlachtGeburtsstunde der deutschen Nation sti- getümmel plastisch zu schildern und die lisiert, weil Arminius, dessen Name von Protagonisten lebendig werden zu lassen. Martin Luther („wenn ich ein Poet wer, Dabei stellt er den aktuellen Stand der Forso wolt ich den celebriren. Ich hab in von schung und die jüngsten archäologischen hertzen lib“) zu Hermann eingedeutscht Funde dar. Außerdem bietet er vielfach wurde, die rechtsrheinischen Stämme der eine erfrischend neue Perspektive, etwa

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wenn er den „Völkermord Caesars an den germanischen Usipetern und Tenkterern“ thematisiert. An Aktualität ist Pantle dabei nicht zu überbieten. Er ist der erste Autor, der auf den archäologischen Schlachtenfund bei Kalefeld in der Nähe von Göttingen aus dem Dezember 2008 hinweist, der eine Reihe weiterer Fragen aufwirft. Was etwa sagt es über den Rückzug der Römer aus der „Germania magna“ nach der Varusschlacht aus, wenn sich römische Fundstücke aus dem 3. Jahrhundert 200 km weit östlich des Rheins finden? War Arminius tatsächlich „ohne Zweifel der Befreier Germaniens“ (Tacitus)? Pantles Antwort ist eindeutig. Die Varusschlacht eröffnet viele spannende und interessante Fragen, die an diesem Abend besprochen werden sollen. Dr. Christian Pantle, geboren 1970 in München, ist Wissenschaftsredakteur. Er studierte in München Physik mit Wahlfach Physiologie. Nach dem Diplom forschte er in der Medizin und promovierte 1997 zum Doktor der Humanbiologie. Im selben Jahr begann seine journalistische Tätigkeit, zunächst bei der „Süddeutschen Zeitung“ und der „Augsburger Allgemeinen“, später beim Nachrichtenmagazin „Focus“ und dem „Tagesspiegel“ in Berlin. Seit 2000 ist er Wissenschaftsredakteur im Ressort Forschung und Technik des Magazins „Focus“ tätig, mit den Schwerpunkten Archäologie, Frühgeschichte, Natur und Technik. Markus Patzke

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Vortrag

Do, 27.08. | 19 Uhr

Geheime Akten, vertrauliche Gespräche Die deutsche Einheit aus nächster Nähe Vortrag von Dr. Klaus Oldenhage, ehem. Vizepräsident des Bundesarchivs „Quod non est in actis, non est im mundo!“ - Was nicht in den Akten steht, das gibt’s eigentlich gar nicht. Dieser hier etwas frei übersetzte eherne Grundsatz der Verwaltung und in deren Nachfolge auch der Geschichtswissenschaft galt lange Zeit scheinbar unumschränkt. Immerhin sind gerade die Historiker heute sensibler geworden und wissen, dass meist sehr Wichtiges, wenn nicht das Wichtigste überhaupt im geschichtlichen ProDr. Klaus Oldenhage zess niemals den Weg zwischen zwei Aktendeckel findet. Gleichwohl sind und bleiben die Archive das Dorado der Historikerinnen und Historiker: Die Hinterlassenschaften vor allem der Mächtigen, der Staatenlenkerinnen und –lenker, werden eben immer noch in den großen Archiven – im „Gedächtnis der Nation“ – gesammelt, gepflegt – und früher oder später der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Einer Öffentlichkeit, die keineswegs nur durch

monstration erschossen hat, insgeheim im Dienst des Staatssicherheitsdienstes der DDR stand, hat in neuer Weise die Frage aufgeworfen, wie weit die Radikalisierung der Studentenbewegung 1967/68 möglicherweise auch von östlichen Geheimdiensten mitgesteuert wurde, die an einer Destabilisierung des „Klassenfeides“ interessiert waren. Auch wenn dies bislang noch offen ist, so steht doch fest, dass ohne die entsprechenden Archivalien eine Neubewertung gar nicht möglich wäre.

ein fachwissenschaftliches Interesse in die zumeist von konzentrierter Stille geprägten Benutzerräume getrieben wird, wohin die gewünschten Aktenbündel mit ihrer mehr oder minder dicken Staubschicht aus den tiefen Schächten der Magazine zutage gefördert werden. Nicht wenige versuchen dort auch den eigenen oder zumindest den Spuren der eigenen Familie nachzugehen. Freilich wissen wir alle, dass das mit der öffentlichen Zugänglichkeit der Papierberge, die einst über die Schreibtische der Mächtigen aller hierarchischen Ebenen gegangen sind, so eine Sache ist. Und mit deren vermeintlich unfehlbarer Archivassistenten der Birthler-Behörde setzen in bürokratischer Vollständigkeit. mühevoller Kleinarbeit Papierschnitzel aus der Die deutsche Einheit hat uns Hinterlassenschaft des DDR-Ministeriums zu hier ein Paradebeispiel gelie- kompletten Schriftstücken zusammen. fert, das in mancher Beziehung allemal so spannend ist wie ein Krimi. Denn die Verantwortlichen der Der Referent des Abends, Dr. Klaus SED-Diktatur, die Mächtigen der DDR, Oldenhage, war 1989/90 unter den die 1989 ihre Macht bröckeln sahen, westdeutschen Experten, die dafür Sorhatten durchaus kein Interesse daran, ge tragen sollten, dass nicht Teile des alles was einst über ihre Schreibtische „Gedächtnisses“ des zweiten deutschen gegangen war, gleich welcher Öffentlich- Staates vorsätzlich gelöscht oder wenigskeit auch immer vor Augen kommen zu tens manipuliert werden konnten, bevor lassen. Der Versuch der Aktenvernichtung sie in den Archiven des Rechtsstaates und –selektierung war der letzte Akt Bundesrepublik Deutschland aufgingen. eines Zwangssystems, das glaubte auch So ist damals etwa das ehemalige Zentrale die Geschichte bestimmen zu können. Parteiarchiv der KPD/SED in die Obhut Wie wichtig jedoch die des Bundesarchivs übergangen. Dr. OlBewahrung und Erfor- denhage berichtet aus erster Hand über schung der Hinterlas- die Sicherung der Hinterlassenschaft des senschaft nicht zuletzt SED-Regimes, ohne die die Geschichte der SED-Diktatur ist, der DDR lückenhaft bleiben müsste. hat zuletzt in spek- Der Historiker Dr. phil. Klaus Oldenhage, takulärer Weise der war bis 2007 stellv. Präsident des BunFall Kurras/Ohnesorg desarchivs. Das Bundesarchiv sichert in gezeigt. Die Tatsache, acht Orten und in neun Dienststellen unter dass der West-Berliner anderem die Überlieferung der zentralen Polizist, der im Juni Organe der Bundesrepublik Deutschland 1967 den Studenten (seit 1949) und der Deutschen DemokraBenno Ohnesorg unter tischen Republik (1949-1990). bis heute nicht restlos geklärten Umständen Anmeldung bitte über die ASG Düssel12 km Schriftgut-Lager in den Archiven der BStU am Rande einer De- dorf, Tel. 0211/17 40 0.

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Lesung

Do, 03.09. | 18 Uhr

Thusnelda, Arminius und die Varusschlacht Autorin Gisa Pauly stellt neuen Roman „Die Frau des Germanen“ vor Das Liebesgeschichte zwischen dem Cheruskerfürsten Arminius (Vgl. S. 5) und Thusnelda, die sich 15 n. Chr. abspielte, dürfte das erste Beziehungsdrama sein, das aus dem heutigen Deutschland überliefert ist. In allen Epochen galt Thusnelda, ihrem Mann Arminius und dem gemeinsamen Sohn Thumelicus das besondere Interesse der Literatur und der bildenden Kunst. So soll die Statue „Die trauernde Barbarin“ in der Loggia dei Lanzi in Florenz Thusnelda darstellen. Eine sehr bekannte Darstellung in der Malerei stammt von dem deutschen Historienmaler Carl Theodor von Piloty, dessen monumentales Gemälde Thusnelda und ihren Sohn Thumelicus im Triumphzug des Germanicus von 1873 in der Neuen Pinakothek in München gezeigt wird. Der Romanautor Daniel Capar von Lohenstein schrieb bereits 1683 das Monumentalepos über „Arminius, den tapfferen Beschirmer der deutschen Freyheit, nebst seiner Durchlauchtigen Thußnelda, in einer sinnreichen Staats-, Liebes- und Helden-Geschichte“. Mehrere Hundert Arminiuswerke sind seitdem als Epen, Romane, Gedichte, Lieder, Opern und Dramen erschienen. Die Geschichte selbst, die uns Tacitus überliefert und zu der Strabon uns die entsprechenden Namen mitteilt, ist schnell erzählt. Thusnelda ist die Tochter des mächtigen und romfreundlichen Cheruskerfürsten Segestes, der bereits eine Ehe

für seine Tochter arrangiert hat. Sie aber begegnet Arminius, dem germanischen Heerführer in den Diensten Roms und verliebt sich Hals über Kopf in ihn. Arminius entführt sie mit ihrem Einverständnis und heiratet sie. Ihr Vater Segstes nimmt das nicht hin, sondern bringt seine mittlerweile mit Thumelicus schwangere Tochter wieder in seine Gewalt. Arminius belagert daraufhin seinen Wehrhof. Als Segestes sich nicht mehr gegen Arminius und seine Truppen wehren kann, ruft er die Römer zu Hilfe. Diese helfen ihm zwar, nehmen aber auch seine Tochter Thusnelda, die Frau des Aufrührers Arminius, mit nach Rom. Dort wird sie 17 n. Chr. zusammen mit anderen gefangenen Cheruskern und mit ihrem inzwischen in Gefangenschaft geborenen Sohn Thumelicus im Triumphzug des Germanicus als Besiegte vorgeführt. „ (...) Segestes aber, der Schwiegervater des Arminius, und von Beginn an gegen dessen Entschluss, ergriff zur rechten Zeit die Gelegenheit die Seiten zu wechseln und war, [von den Römern] geachtet, anwesend beim Triumph über seine Liebsten. (...) (Strabon, Geographie 7,1,4) Das weitere Schicksal der Thusnelda ist unbekannt, jedenfalls kehrte sie offenbar nie wieder nach Germanien zurück. Nur wenige Jahre später, 19 oder „Thusnelda im Triumphzug des Germanicus“, Carl Theodor von 21 n. Chr. stirbt auch ihr Mann Piloty, 1873, Neue Pinakothek

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Johannes Gehrts: Armin verabschiedet sich von Thusnelda, 1884 (Lippisches Landesmuseum Detmold) Arminius, vermutlich von Verwandten ermordet. In der belletristischen Gegenwartsliteratur nimmt der im Frühjahr erschienene Roman von Gisa Pauly „Die Frau des Germanen“, in dessen Mittelpunkt eben dieses Beziehungsdrama steht, eine besondere Stellung ein. Pauly orientiert sich - bis auf wenige Ausnahmen - sehr eng an der historischen Überlieferung. Nebenbei führt sie aber noch eine weitere Gegnerin des Arminius ein, die in Rom sitzt und Rachepläne schmiedet: Severina, die Nichte des Kaisers hat sich ebenfalls in Arminius verliebt und fühlt sich durch seine Ehe mit einer Barbarin verraten. Dieser dramaturgische Trick ermöglicht es Pauly, auch das Leben und die Alltagskultur in Rom darzustellen. Mit der Buchvorstellung „Die Frau des Germanen“ will die Stiftung GerhartHauptmann-Haus den wissenschaftlichen Vortrag über die Varusschlacht (Vgl. S. 5) ergänzen und denen, die sich dem historischen Geschehen vor 2000 Jahren auf andere Weise nähern möchten, eine Gelegenheit dazu bieten. Die Autorin dieses Romans, Gisa Pauly, wurde 1947 in Gronau geboren. Sie lebt seit ihrem zweiten Lebensjahr in Münster, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. 20 Jahre arbeitete sie als Berufsschullehrerin, bis sie 1993 aus dem Schuldienst ausstieg. Gisa Pauly ist seitdem als freie Schriftstellerin, Journalistin und Drehbuchautorin erfolgreich tätig. Markus Patzke

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Lesungen

Do, 10.09. | 19 Uhr

„Czernowitzer Spaziergänge“ Annäherungen an die Bukowina Othmar Andrée liest aus seinem neuen Buch Viele Jahre lang besuchte Othmar Andree die Stadt Czernowitz im heute ukrainischen Teil der Bukowina. Er war auf Spurensuche. Was hatte sich herübergerettet aus der Zeit der K.u.K.-Monarchie Österreich-Ungarn, was war noch spürbar von den „Märchen und Mythen, die in der Luft lagen“, als Rose Ausländer dort lebte? „Lebten in dieser Gegend noch Menschen und Bücher“, wie Paul Celan erinnerte. Ließen sich die Orte und Wege der Dichter, Künstler und Wissenschaftler, die unser Bild der Stadt prägen, noch finden? Gab es noch jüdisches Leben in der Stadt, die einst von deutsch-jüdischem Geist erfüllt war? Othmar Andree hat festgehalten was er vorfand, erzählt vom verblichenen Glanz und der betrüblichen Gegenwart und hat doch Hoffnung auf eine bessere Zukunft der Stadt Czernowitz. Sein Vorwort zu den „Czernowitzer Spaziergängen“ fasst all dies trefflich zusammen: „Wenn ich mich entsinne, war zu Beginn der 1990er das Czeremosch im Süden der Stadt das einzige Hotel, das man vom westlichen Ausland aus buchen konnte. Im Frühsommer 1993 hatte ich mich für eine Woche dort einquartiert. Unmittelbar nach meiner Ankunft bat ich am Empfang um eine Leitung nach Deutschland. Die Dame hinter dem Tresen lächelte höflich, schüttelte den Kopf und sagte: „So geht das nicht! Diese Gespräche müssen Sie rechtzeitig anmelden! Es kann einige Tage dauern!“ „Gut, dann möchte ich jetzt ein Gespräch nach Berlin anmelden.“ Daraufhin nickte die Dame und sagte: „Wir werden Sie auf Ihrem Zimmer benachrichtigen.“ Ich begab mich nach oben und wartete. Am nächsten Morgen um sieben klingelte das Zimmertelefon: Berlin war dran. Nirgends gab es einen Plan von Czernowitz. In der ganzen Stadt nicht. Es gab nichts. Viele Jahre bin ich mit dem Plan von Czernowitz unterwegs gewesen, ein Werk des Ingenieurs Ludwig West aus der Zeit der Habsburgermonarchie, der diese Stadt bis zum Ende des Ersten Weltkrieges angehörte und den mir das Österreichi-

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sche Kriegsarchiv in Wien zur Verfügung gestellt hatte. Der Plan feiert jetzt bald seinen Hundertsten, aber seinerzeit hat er mir treue Dienste geleistet. Heute kann man sich aktuelle Pläne von Czernowitz aus dem Internet herunterladen. Dort findet man allerdings keine Wassilkogasse mit dem Geburtshaus Paul Celans, keine Morariugasse mit der Erinnerungstafel für Rose Ausländer und ganz sicher nicht das Wohnhaus des Malers Wladimir von Zagorodnikow in der Neuewelt-Gasse. Da kann man auf diesen Karten lange suchen.Nun, Czernowitz wird sich verändern. Die Stadt wird nicht bleiben, was sie ein halbes Jahrhundert unter den Sowjets war, wie etwa ein weiteres Jahrzehnt unter ukrainischer Mittellosigkeit, gar unter den Rumänen zwischen den beiden großen Kriegen oder

in der Kaiserzeit. Für die Zukunft erhoffe ich mir eine Würdigung ihrer Rolle, die ihr im kulturellen Fundus Europas zukommt und die sie noch immer zu spielen vermag. Dazu zählt die Literatur wie die einzigartige zerklüftete Geschichte dieser Stadt und ihrer Menschen, nicht weniger aber ihre Architektur, die sich wie aus einer utopischen, von der modernen Zivilisation verschonten Traumstadt (Alfred Kubin) in unsere Tage herüber gerettet hat. Diese, die Architektur, das bauliche Gesamtkunstwerk, das Tellurische an sich, das, was wir noch immer und jederzeit besichtigen können, anschauen, begreifen und als Wirklichkeit in seiner Erscheinung wahrnehmen, ist ein sehr sensibles Geschöpf. Es erzählt uns authentisch, was einmal mit der Stadt auf sich hatte und wo es hinauswollte mit ihr. Im Prozess von Bewahren und Wandel darf es keinen Schaden nehmen oder gar untergehen. Wir sollten einen Blick darauf verwenden, dass man sich an der Stadt nicht vergreift oder ihr eine Metamorphose aufzwingt, die sie leichtfertig aus ihrer Zeugenschaft entlässt.“ Helmut Braun

Do, 17.09. | 19 Uhr

„Vuchelbeerbaamland“ Buchpräsentation mit der Autorin Reglindis Rauca 1982 wurde der ehemalige SS-Hauptscharführer Helmut Rauca wegen Mordes an über 10.000 litauischen Juden angeklagt und von Kanada an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert. Zu diesem Zeitpunkt lebte seine Enkelin Reglindis Rauca mit ihrer Familie im sächsischen Plauen und wusste nichts von den Verbrechen ihres Großvaters, obwohl dieser durch Briefe und Fotos in ihrer Kindheit präsent war. In ihrem Debütroman „Vuchelbeerbaamland“ stellt sich Reglindis Rauca der NS-Vergangenheit ihres Großvaters und dem langen SchweiReglindis Rauca gen ihrer Familie und beschreibt gleichzeitig das schwierige Erwachsenwerden zwischen DDR-Ideologie und christlichem Elternhaus. „Vuchelbeerbaamland“ (dialektale Aus-

sprache von „Vogelbeerbaumland“ und Symbol für die Region des Vogtlandes, aber vor allem für „die geistige Enge, Beschränktheit und Provinzialität, die überall sein kann“) erzählt in spielerisch-origineller, die überbordende Vorstellungskraft der Protagonistin reflektierender Sprache und mit oft beißendem Humor nicht nur eine Geschichte vom Erwachsenwerden im deutschen Osten, sondern von der überall schwierigen und konfliktreichen Suche nach einer Identität in der Vielschichtigkeit und Brüchigkeit der Systeme. Für ihren Roman erhielt die 1967 in Plauen geborene Schriftstellerin und Schauspielerin Reglindis Rauca 2008 den Literaturförderpreis der Landeshauptstadt Düsseldorf. Ma.Po.

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Ausstellung

Do, 20.08. | 19 Uhr

Abend mit Kunst und Poesie Die Künstlerwerkstatt präsentiert ihre Jahresveranstaltung Am Abend des 20. August ist es wieder soweit: Die Künstlerwerkstatt im GerhartHauptmann-Haus lädt zu ihrer großen Herbstveranstaltung in den Ausstellungsraum der Düsseldorfer Bismarckstraße ein. Das vergangene Jahr, in dem unsere Präsentation ausfiel, gab Anlass, die Arbeitsstrukturen zu überdenken und effektiver zu gestalten. Neue Kontakte zu Künstlern und Künstlergruppen waren anzubahnen, bestehende galt es zu pflegen, das Grundmuster unserer Tätigkeit war da, wo es notwendig erschien, zu verändern. Der Kerngedanke unserer Arbeit – künstlerische Interferenzen wahrzunehmen und gemeinsame kreative Aktionen anzuregen – blieb indessen erhalten und wurde durch die Erfahrungen aus nun sechs Arbeitsjahren bestätigt. Er verhalf der Künstlerwerkstatt zur Vielfalt der Darstellung und einer Präsentation mit Überraschungseffekten. Beides fand beim Düsseldorfer Publikum Beachtung und förderte nachhaltig den Dialog zwischen Künstlern und Kunstfreunden. Dr. Winfrid Halder, Direktor des Gerhart-HauptmannHauses, schrieb 2007, nach seiner ersten Begegnung mit der Künstlerwerkstatt im West-Ost-Journal: „Die Vielfalt einerseits und der nahe ,Zusammenklang‘ andererseits der hier versammelten und unterschiedlichen Kunstformen machen den besonderen Reiz aus. Es entsteht eine facettenreiche Mischung, die faszinierend wirkt… Es ist die tragende Kreativität der

Mitwirkenden, die das ermöglicht und das künstlerische Engagement natürlich auch.“ Die diesjährige Veranstaltung ist im Wesentlichen ein Ergebnis der Kooperation mit der Künstlervereinigung „Dortmunder Gruppe“, die seit 1956 besteht. Anfangs, so berichtet Ulla Dretzler, Ehrenmitglied des Bundesverbandes Bildender Künstler, hatte die „Gruppe“ die abstrakte Bild- und Formgestaltung als Ziel. Später öffnete sie sich „weiteren künstlerischen Ausdrucksformen, um auch nachfolgenden Künstlergenerationen ein Forum zu bieten und die parallel verlaufende stilistische Mehrgleisigkeit des künstlerischen Schaffens unserer Zeit aufzufangen“. Die Ausstellung im Gerhart-HauptmannHaus präsentiert Werke von Era Freidzon und Reim Kasper und stellt somit zwei unterschiedliche Künstler von Rang einander gegenüber. Jeweils anders in Material, Technik und künstlerischer Eingebung erzeugt diese Gegenüberstellung ein konstruktives Spannungsverhältnis. Era Freidzon erhielt ihre künstlerische Ausbildung in St. Petersburg und war bis zu ihrer Ausreise nach Deutschland in der Republik Moldova tätig. Sie ist heute in Dortmund ansässig und gestaltete dort u. a. die Wandmalerei im Festsaal der Jüdischen Gemeinde. Mit einer Performancereihe war sie in Hagen, Duisburg, Essen, Bochum und Dortmund zu sehen. Ihre „Malerei des Erzählens“ (Ulla Dretzler) ist Ausdruck erinnerter Wirklichkeiten, visionärer Kraft und symbolischer Zuordnung. Die Ausstellung der Künstlerwerkstatt zeigt eine Auswahl von Bildern mit hoher Sensibilität und eigenwilliger Ästhetik. Reimund Kasper, aus westpreußischer Wurzel und 1947 in Werne geboren, studierte in Karlsruhe, Berlin und Münster, ist Gutachter für moderne Kunst und Dozent für Malerei, Grafik und Gestaltung im urbanen Raum. Zu seinen Hauptwerken gehören das Denkmal „50 Jahre Israel“ in Eilat und eine 18-teilige Serie Reim Kasper: „Strichcode“, Mischtechnik, 2005

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„Menschen“ (bemahlte Stahlplastiken). Reim Kasper hat sich auch als vielseitiger Grafiker und mit Installationen einen Namen gemacht. Im Gerhart-HauptmannHaus zeigt er ein- und mehrteilige Objekte und schafft so „eine Bildsprache voller versteckter Bezüge“ (Ulla Dretzler). Unter dem Titel „Anders rauschen die Brunnen, anders rinnt hier die Zeit“ stimmen Walter Engel, Literaturhistoriker, und Franz Heinz, Publizist, in die dichterische Welt Südosteuropas ein. Sie lesen kurze Texte jiddischer und deutscher Autoren, in denen die Poesie im Zweiten Weltkrieg untergegangener Siedlungsräume von Galizien bis Slawonien herauf klingt. Musikalisch und choreografisch ausgestaltet wird Irina Goubernik der Abend durch die Vortragskunst des Pianisten Roger Dretzler und die Ballett-Einlagen von Irina Goubernik. Zum Vortrag gelangt „Las Cuatro Estaciones Portenas“ von Astor Piazolla (für das Klavier arrangiert von Roger Dretzler). Nach seiner musikalischen Ausbildung in Dortmund und Münster war Roger Dretzler Privatstudent bei Aliza Kezeradze-Pogorelich und Ivo Pogorelich. Er übt eine Lehrtätigkeit an der Musikhochschule Münster und am Institut für „Musik und Didaktik“ an der Universität Dortmund aus. Irina Goubernik erhielt ihre Ausbildung an der Waganowa-Balettakademie in St. Petersburg und am berühmten MariinskijBalletttheater. Später wandte sie sich dem Modern Dance zu und war Solistin in der Sasha Kukin Company. Beim American Dance Festival wurde sie mit dem Grand Prix und dem Special Prix ausgezeichnet. Sie ist heute als Tanzpädagogin für Modern dance und klassisches Ballett in Dortmund und Bochum tätig. Franz Heinz Donnerstag, 20. 08. 09 - 19 Uhr Begrüßung: PD Dr. Winfrid Halder Direktor des Gerhart-Hauptmann-Hauses

Einführung: Ulla Dretzler Ehrenmitglied des Verbandes Bildender Künstler Lesung: Dr. Walter Engel, Franz Heinz Musik, Tanz: Roger Dretzler (Klavier), Irina Goubernik (Tanz)

Die Ausstellung ist bis zum 18.09.2009 geöffnet.

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Ausstellung/Künstlerwerkstatt

Vom 28.09. bis 30.10.2009

„Wir waren stumm und entrechtet“ Ausstellung der russlanddeutschen Künstler Nikolaus Rode und Waldemar Weimann Mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in die Sowjetunion im Juni 1941 begann auch für die Russlanddeutschen ein weiteres grausames Kapitel ihrer wechselvollen Geschichte. Hatte die Ansiedlung in den Weiten Russlands – auf Grundlage des Manifestes der Zarin Katharina II. – seit 1772 hoffnungsvoll begonnen, so wurden ihre Privilegien schon bald eingeschränkt, schließlich aufgehoben. Hungersnöte, Entrechtung, Zwangskollektivierung und Verbannung kennzeichneten das russlanddeutsche Schicksal schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Unter dem Vorwurf der Kollaboration mit Deutschland wurden, durch Erlass des Obersten Sowjets vom August 1941, mehr als eine Million Russlanddeutsche unter unmenschlichen Bedingungen nach Sibirien, Kasachstan und in den Ural deportiert. Ihre Leidenszeit ist bei den wenigen Überlebenden und deren Familien bis heute unvergessen. Die stalinistischen Deportationen, Flucht und Vertreibung sind u. a. auch Thema der Ausstellung mit Werken der russland-

deutschen Künstler Nikolaus Rode und Waldemar Weimann, die das GerhartHauptmann-Haus gemeinsam mit der Vereinigung zur Integration der russlanddeutschen Aussiedler e. V. (VIRA) präsentiert. Nikolaus Rode, 1940 in Eigental / Schwarzmeergebiet geboren, wurde 1945 aus Ostdeutschland nach Sibirien verschleppt, wo er bis 1956 gezwungen war, zu leben. Anschließend studierte er an der Fachkunstschule Taschkent Bühnenmalerei und absolvierte ein Grafik Design - Studium in Moskau. 1980 kehrte Nikolaus Rode nach Deutschland zurück und war als Designer und Bühnenbildner, u. a. am Theater Krefeld, tätig. Seine Bilder sind apokalyptische Visionen, geprägt von dem Kindheitstrauma der Verschleppung. In den Motiven spiegelt sich die Leidensgeschichte der Russlanddeutschen: Viehwagon, Lagerzäune, Hunger, Kälte und Tod in einer menschenfeindlichen Umgebung. „Nemzy“, die „Stummen“, ist das russische Wort für „Deutsche“. „Wir waren die Stummen. Mundtot und stumm gemacht hat man uns. Wir mussten schweigen und waren rechtlos“, sagt Nikolaus Rode. Zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland. Nikolaus Rode wurde mit dem Sabine-Ismer-Voigt Preis ausgezeichnet und erhielt 2006 den Hauptpreis des Russlanddeutschen Kulturpreises des Landes Baden-Württemberg. Waldemar Weimann, dessen Familie ebenfalls das Schicksal der Deportation erlitt, wurde 1957 in Kasachstan geboren. Nach einer Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule in Semipalatinsk studierte er von 1983 bis 1988 dekorative Monumentalkunst an der TheaNikolaus Rode, aus dem Zyklus „Erinnerung“, ter- und Kunsthochschule Radierung

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Waldemar Weimann, „Eine lange Rast“, Guache auf Karton Alma-Ata. Bis zu seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland 1990 war Waldemar Weimann als Kunstlehrer, Maler und Bildhauer tätig. Flucht und Vertreibung als weltweites historisches, aber auch aktuelles Phänomen, ist u. a. ein Leitmotiv seiner Arbeiten, dem sich der Künstler – oft in abstrahierender Form – widmet. Seine Kompositionen, die er unter dem Titel „Erinnerungsfelder“ zeigt, beschreiben Menschen, die trotz dramatischer Ereignisse gezwungen sind, ihren „Alltag“ zu leben. Es sind Momentanaufnahmen, ein Blick auf einen Zwischenstopp während des Leidensweges, eine Rast auf der Reise ins Ungewisse. Flucht und Vertreibung sind für Waldemar Weimann globale Begleiterscheinungen von Kriegen, politischen und ökonomischen Umbrüchen. Aber „selbst wenn die Menschen vertrieben und verbannt werden, stoppt das Leben für keinen einzigen Augenblick. Da ist kein Platz für langes Nachdenken und getrübte Emotionen. Es wird Brot gebacken, es werden Kinder geboren. Es läuft wie immer, nur unter anderen Lebensumständen“. Die verschiedenen Sichtweisen der beiden Künstler, ihre unterschiedlichen Stile und Techniken werden der Ausstellung ein interessantes Spannungsverhältnis verleihen. Dirk Urland Eröffnung: Montag, 28.09.09 - 19 Uhr Es sprechen: PD Dr. Winfrid Halder Direktor des Gerhart-Hauptmann-Hauses Alexander Kühl Vorsitzender der VIRA e. V.

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Editorial Von der Varusschlacht zur Bundesrepublik Deutschland

fend vermittelt hat. Dabei sollte deutlich werden, dass es Wanderungsbewegungen von Menschengruppen immer schon gegeben hat, dass sich freilich die in den Herkunftsregionen liegenden Gründe für solche Bewegungen oft ganz wesentlich voneinander unterscheiden. Und deutlich sollte auch werden, dass es schon immer die Aufnahme von „Fremden“ in den Zielregionen gegeben hat – zu unterschiedlichen Zeiten, in unterschiedlichem Ausmaß

Fortsetzung von Seite 2 sehr schwierig, bei jüngeren Menschen, die durch ihr Alter und die Umwelt, in der sie aufwachsen, wenig oder nichts unmittelbar mit dem historischen deutschen Osten verbindet, das Interesse daran zu wecken. Ein abstraktes „Das gehört aber auch wesentlich zur deutschen Geschichte“ verfängt da kaum. Indessen hat die inzwischen wiederholte Durchführung eines familiengeschichtlichen Projektes in Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Schulen gezeigt, dass es sehr wohl möglich ist, junge Menschen dazu zu bringen, sich auch mit den Gebieten jenseits von Oder und Neiße auseinanderzusetzen. Entscheidend ist dabei, dass von vornherein deutlich wird, dass die „große“ Geschichte immer auch ihren Niederschlag in der vermeintlich „kleinen“ Geschichte jedes Jugendliche bei einem Vortrag der Stiftung einzelnen Menschen findet. Gerhart-Hauptmann-Haus Unter dem Titel „Wege nach Düsseldorf“ sind zuletzt Schülerinnen und Schüler einer 10. Klasse und unter variierenden politischen und des Schloß-Gymnasiums in Düsseldorf- wirtschaftlichen Bedingungen, aber doch Benrath dazu angeregt worden, den „We- als kontinuierliche Erscheinung in der gen“ ihrer eigenen Familie nachzuspüren. Geschichte. Der Rhein-Ruhr-Raum ist Ausgangspunkt war dabei zunächst die ein geradezu ideales Feld, um dergleichen schlichte Frage nach der Herkunft der bis weit zurück in die Vergangenheit zu Großeltern. Das Ergebnis bestand zual- demonstrieren. Man kann da etwa schon lererst darin, dass lediglich im Falle von bei der Zeit der römischen Eroberung und drei Schülerinnen bzw. Schülern die Groß- Herrschaft in der Spätantike einsetzen eltern von beiden elterlichen Seiten schon und zeigen, dass der kulturelle Raum in Düsseldorf gelebt haben. Die anderen der heute Nordrhein-Westfalen umfasst, 23 waren in gewissem Sinne allesamt spätestens seit dieser Zeit durch Ganz „Migranten“-Kinder oder –enkelkinder. unterschiedliche Einflüsse geprägt wurde Vielfach bestand dann Unklarheit darüber, – von dem, was „da“ war und von dem, wann, warum und woher genau die Groß- was „mitgebracht“ wurde. Derzeit gibt eltern oder Eltern zugewandert sind. Die es in der Medienöffentlichkeit gerade Schülerinnen und Schüler hatten im wei- durch das 2000-Jahr-Gedenken an die teren Verlauf des Projektes den Auftrag, Arminius-Schlacht eine Fülle von Anmöglichst exakt nachzufragen, Material zu knüpfungspunkten. sammeln um schließlich jede einzelne und Das entscheidende Ziel des Projektes war, jeder einzelne den je eigenen familiären bei den jungen Leuten die Einsicht zu „Weg nach Düsseldorf“ in einer abschlie- erreichen „Ich bin hier, weil meine Vorßenden Präsentation darzustellen. fahren aus bestimmten Gründen hierherEingebettet war diese familiengeschicht- gekommen sind – freiwillig oder unfreiliche Recherche in einen Rahmenunter- willig. Wären sie aber nicht gekommen, richt, der das Thema „Migration“ bzw. wäre ich gar nicht da! Also geht es mich „Zwangsmigration“ in der deutschen und an, warum sie gekommen sind.“ Dieses europäischen Geschichte zeitlich übergrei- „Betroffensein“ hat dazu geführt, dass

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eine Motivation weiter nachzuforschen, eigentlich gar nicht mehr nötig war. Von der Projektleitung wurden lediglich noch praktische Anleitungen gegeben – zum Beispiel dazu, wie man ein Interview mit eigenen Angehörigen zielgerichtet führt, was auf den ersten Blick einfacher erscheinen mag, als es in der Realität ist. Die abschließende Präsentation – zu der die jungen Leute ihre Verwandten und andere Gäste einladen konnten und sollten – hat gezeigt, wie intensiv sich die Schülerinnen und Schüler mit ihren familiären Wegen auseinandergesetzt und wie ideenreich sie deren Darstellung umgesetzt haben. Wichtig war gewiss auch, dass dabei der individuellen Kreativität möglichst großer Spielraum gelassen wurde. Deutlich wurde, dass die meisten erst durch das Projekt ein Bewusstsein für das Herkommen der eigen Familie entwickelt haben – ob die Wurzeln nun in Schlesien, Ostpreußen, Pommern oder in einer ganz anderen Weltregion gelegen haben. Von zentraler Bedeutung erscheint es also in der historischpolitischen Bildung persönliche Anknüpfungspunkte zu schaffen – dann erwacht auch das Interesse. Wenn dies erst einmal gelungen ist, können über das unmittelbar Persönliche hinaus auch größere und abstraktere Zusammenhänge vermittelt werden, weil deutlich wird, das „große“ und „kleine“ Geschichte immer untrennbar ineinander verwoben sind. Das „Wege“-Projekt kann an jeder höheren Schule in ganz Nordrhein-Westfalen durchgeführt werden. Erforderlich ist es in erster Linie, Lehrerinnen und Lehrer (im Regelfall im Fach Geschichte) zu finden, die bereit sind, das Projekt in ihren Unterricht zu integrieren. Die zeitliche Durchführung kann dabei auf die jeweiligen Erfordernisse des Lehr- und Stundenplans abgestimmt werden. Die Stiftung ist für jeden Hinweis auf infrage kommende Lehrerinnen und Lehrer dankbar. Helfen Sie uns, die notwendigen Kontakte herzustellen! Ansprechpartner für weitere Informationen: PD Dr. Winfrid Halder

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Schreibwerkstatt/Preisverleihung

Verborgene Geschichten sichtbar werden lassen Einladung zum Schreibwettbewerb

Liebe Leserinnen und Leser, unter dem Motto „Verborgene Geschichten sichtbar werden lassen“ haben wir in letzter Zeit wiederholt dazu eingeladen, eigenes Erleben aufzuschreiben, um es nicht dem Vergessen anheim fallen zu lassen – und um andere daran teilhaben zu lassen, zur Bereicherung, zur Mahnung und als Anregung zum – generationenübergreifenden – Dialog. Wir möchten Sie jetzt noch einmal in anderer Form dazu ermuntern: Die Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus lädt ein zur Teilnahme an einem Schreibwettbewerb: Wir erbitten von Ihnen Texte über eigenes Erleben im Zeitraum 1944/45 bis 1955. Sie sollen darstellen, wie Sie das Ende des Zweiten Weltkrieges erlebt haben, gleichviel ob dies nun im Zeichen von

Flucht und Vertreibung aus dem historischen deutschen Osten oder unter anderen Umständen der Fall war. Und Sie sollen davon erzählen, wie und wo sie den Neubeginn im ersten Nachkriegsjahrzehnt erlebt haben. Die Texte sollten einen Umfang von höchstens 12 maschinenschriftlichen Seiten nicht überschreiten. Im Idealfall übersenden Sie uns eine entsprechende Datei. Wenn dies nicht möglich ist, werden auch Schreibmaschinen- und – sofern gut leserlich! – handschriftliche Texte entgegengenommen. Einsendeschluß ist der 30. September 2009. Eine kompetente Jury, bestehend aus Dr. Michael Zeller (Literaturwissenschaftler und Schriftsteller, Wuppertal), Michael Serrer (Leiter Literaturbüro NRW Düsseldorf) und Dr. Karin Füllner (HeinrichHeine-Institut Düsseldorf), wird den besten Text prämieren. Der Rechtsweg ist

Fr, 11. 09. | 18 Uhr

Einladung zur Verleihung des AndreasGryphius-Preises an Arno Surminski Der Andreas Gryphius-Preis wird seit ontek, August Scholtis, Johannes Urzidil, 1957 durch die 1948 in Esslingen ge- Horst Bienek, Manfred Bieler, Wolfgang gründete KünstlerGilde e. V. verliehen. Koeppen, Rose Ausländer, Peter Huchel, Sein Name erinnert an den Frank Thiess, Reiner Kungroßen schlesischen Dramaze, Saul Friedländer, Hans tiker und Dichter Andreas Sahl, Hans Werner RichGryphius (1616-1664). Bei ter, Siegfried Lenz, Otfried der KünstlerGilde handelt Preußler, Peter Härtling, Ota es sich ursprünglich um eine Filip, Andrzej Szczypiorski, Selbsthilfeorganisation von Janosch, Jiri Grusa, Karl Künstlern aller Sparten, die Dedecius, Stefan Chwin zumeist aus dem ehemals und die kürzlich verstorbene deutschen Osten hatten flieGertrud Fussenegger. hen müssen oder vertrieben Hier reiht sich Arno Surwurden. Bis heute ist sie um minski als Geehrter des die Bewahrung und Förde- Arno Surminski Jahres 2009 würdig ein. rung des kulturellen Erbes Der 1934 im ostpreußischen der historischen deutschen Jäglack geborene Surminski Kulturlandschaften in Ostmittel- und hat in mittlerweile rund einem Dutzend Südosteuropa und den Brückenschlag zu Romanen und Novellen sowie zahlreiheute dort lebenden Künstlerinnen und chen Erzählungen das Schicksal seiner Künstlern bemüht. Heimat wie kaum ein Zweiter literarisch Der Andreas Gryphius-Preis ist seit vergegenwärtigt. Für sein Werk erhielt er Jahrzehnten eine renommierte Auszeich- bereits früher verschiedene hochrangige nung für herausragende Autorinnen und Auszeichnungen, zuletzt im Jahr 2008 den Autoren. Unter den früheren Trägerinnen Hannelore-Greve-Literaturpreis in seiner und Träger befinden sich u. a. Heinz Pi- Wahlheimat Hamburg.

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ausgeschlossen. Der prämierte Text wird dann – vorbehaltlich der Zustimmung der Autorin bzw. des Autors – im West-Ost-Journal veröffentlicht. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden anlässlich der Verkündung des Ergebnisses einen Abend lang Gäste der Stiftung sein und ein kleines Buchgeschenk erhalten. Wir hoffen auf eine zahlreiche Teilnahme und interessante Texte!

Ihr

Einladung zur Verleihung des Andreas Gryphius-Preises durch Die KünstlerGilde e. V. an Arno Surminski Freitag, 11. 09. 2009, 18 Uhr Eichendorff-Saal Eröffnung und Begrüßung PD Dr. Winfrid Halder, Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus Dr. Wolfgang Schulz, Die KünstlerGilde e. V. Laudatio Michael Serrer, Literaturbüro Nordrhein-Westfalen Lesung Arno Surminski Musikalische Umrahmung Anja Gier, Violine, Marina Stricker, Klavier Anschließend Empfang Anmeldung erbeten bis spätestens 07. 09. 2009 unter 0211/1699114 (Fr. Bittenbinder) oder unter bittenbinder@g-h-h.de

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Exkursion

Mo, 07.09. | 08 Uhr

„Quintili Vare, legiones redde!“ Exkursion an den Originalschauplatz der Varusschlacht Seit 1987 werden in der Kalkrieser- n. Chr., die gelegentlich vorgenommen Niewedder Senke am Nordrand des wird, kaum plausibel. Es ist eine der Wiehengebirges archäologische Unter- spannendsten Fragen der Archäologie, wie suchungen zur Erforschung eines antiken sich diese Debatte vor dem Hintergrund Schlachtfeldes durchgeführt. Bis heute ist neuer Funde und Erkenntnisse weiterentKalkriese der erste antike Kampfplatz Eu- wickeln wird. ropas, der archäologisch untersucht wird. Die Zahl der von Mitte 1987 bis heute bei (Das Schlachtfeld bei Kalefeld wurde erst Prospektionen, Sondage- und Flächengra2008 entdeckt und harrt noch der nähe- bungen gefundenen Artefakte beläuft sich ren wissenschaftlichen Untersuchung.) derzeit auf mehrere Tausend Objekte, darZur Information über die Ausgrabungen unter etwa 4000 Militaria und 1700 römiin Kalkriese entstand 2000 auf dem sche Fundmünzen. Diese sind in einer für Fundplatz Oberesch der Museumspark das Jubiläumsjahr 2009 neu konzipierten „Varusschlacht“, der im Jahr 2001 durch Dauerausstellung zu besichtigen. Der neue ein Museum und Park Kalkriese ergänzt Rundgang durch diese Schau ist in sechs wurde. Kapitel gegliedert und beginnt mit den unDie „Varusschlacht im Osnabrücker Land terschiedlichen Lebenswelten der Römer GmbH - Museum und Germanen sowie und Park Kalkriese“ dem Ablauf der röist eine von der Eumischen Machtporopäischen Union als litik in Germanien. Kulturerbe Europas Im Mittelpunkt der ausgezeichnete wisAusstellung stehen senschaftliche und nun die Forschungen museale Einrichtung zum Hinterhalt der an jenem Ort, der Germanen am Kalknach gegenwärtiger rieser Berg. Die arwissenschaftlicher chäologischen Funde Mehrheitsmeinung eröffnen detaillierte Schauplatz eines Blicke auf die römiKampfes zwischen schen Truppen, ihre römischen und gerAusstattung und Zumanischen Trupsammensetzung. An pen in der Zeit um mehreren Stationen Christi Geburt war. legen die beteiligten Alles deutet darauf wissenschaftlichen hin, daß es sich dabei Disziplinen ihre Inum die sogenannte dizien auf den Tisch. „Varusschlacht“ aus Dabei wird deutlich: dem Jahr 9 n. Chr. Varusschlacht-Museum Kalkriese mit Forschung zur Varushandelt. Die enorm Aussichtsturm schlacht ist spannend großräumige Fundwie ein Krimi. streuung (etwa 30 km²), die vorwiegend Zusätzlich wird die durch Bundeskanzlegefundenen Münzen und Militaria und vor rin Angela Merkel am 15. Mai eröffnete allem der auch der literarischen Überlie- Sonderausstellung „Konflikt“ gezeigt. Sie ferung entsprechende Rasensodenwall, ist ein Teil des Ausstellungsprojekts „Imder den germanischen Truppenteilen perium - Konflikt - Mythos“ an den drei als Angriffsstellung in die Flanke des Standorten Haltern, Kalkriese und Detrömischen Marschzuges diente, weisen mold. Dieser Teil der Austellung geht vor auf die Schlacht des Arminius gegen allem der Frage nach, welche Rolle Krieg Varus hin. Terminius ante quem des und Konflikt in der germanischen Welt Schlachtfeldes ist nach der Datierung nach der Varusschlacht spielten. Anhand der gefundenen Münzen 9 n. Chr. Das außergewöhnlicher Exponate präsentiert macht eine Zuordnung des Schauplatzes sie ein facettenreiches Bild der Germanen in die Rachefeldzüge der Germanicus 15 und zeichnet den Weg vom germanischen

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Maske eines römischen Gesichtshelms, in Kalkriese gefunden Krieger der Zeitenwende zu den germanischen Herrschern des 5. Jahrhunderts nach. Krieg und Konflikte spielten bei diesem Werdegang eine entscheidende Rolle. Vor allem durch sie kam es in den fünf Jahrhunderten nach der Varusschlacht zu tiefgreifenden Veränderungen. Das Imperium Romanum verlor zusehends an Einfluss. In Germanien hingegen bildeten sich allmählich gesellschaftliche Kräfte, die die Führung beanspruchten und wenig später auch die politischen Geschicke der römischen Welt bestimmen sollten. Die Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus bietet am Montag, 07.09.2009 zum Gesamtpreis von 15,- Euro eine Exkursion zu diesem Originalschauplatz deutscher und europäischer Geschichte an. Die Teilnehmer fahren mit dem Bus nach Kalkriese. Treffpunkt ist das GerhartHauptmann-Haus, Bismarckstr. 90, 40210 Düsseldorf. Die Abfahrt erfolgt um 08 Uhr. In Kalkriese wird eine umfassende 90-minütige Führung durch die Dauerausstellung und eine 75-minütige Führung durch die Sonderausstelllung „Konflikt“ angeboten. Die Kosten für die Führung sind im Reisepreis enthalten. Für eigene Erkundungen und Besichtigungen des antiken Schlachtfeldes ist ebenfalls Zeit eingeplant. Das Mittagessen kann im „Gasthaus und Biergarten Varusschlacht“ am Ausstellungsgelände eingenommen werden. Gegen 19.30 Uhr wird der Bus Düsseldorf wieder erreicht haben. Ihre Anmeldung ist bis zum 31. August 2009 bei der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus, Tel. 0211/16 99 10, E-Mail bergmann@g-h-h.de unbedingt erforderlich. Markus Patzke

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Kinemathek

Mi, 23.09.2009 | 15 Uhr

„Vienna’s Lost Daughters“ Ein Film von Mirjam Unger Ein Film über die Vertreibung, vor der Vertreibung Anita, Dorit, Eva, Hennie, Lizzy, Susanne, Susy und Rosalie leben in New York, wo sie ihre Familien gegründet und ihre Existenzen aufgebaut haben. „Vienna’s Lost Daughters“ sind als jüdische Mädchen in Wien groß geworden und wurden 1938/39 aus ihrer Stadt vertrieben. Mit beeindruckender Offenheit und Emotionalität begegnen sie Regisseurin Mirjam Unger und gewähren dabei Einblicke und Rückblicke in die äußerst privaten Bereiche ihres Lebens. Jetzt haben sie sich entschlossen, die Türen zu ihrer Geschichte in Wien – einem Wien das in New York weiter lebt – zu öffnen. Die Protagonistinnen sind in ständiger Bewegung, sie lassen die ZuschauerInnen an ihrem abwechslungsreichen Alltag teilnehmen. Rosalie unterhält sich in leichtem Wiener Akzent mit ihrem südamerikanischen Friseur darüber, was es heißt, Immigrantin in New York zu sein. Beide leben seit Jahrzehnten in dieser Stadt, die beiden zur Heimat wurde, weil die alte keine mehr sein wollte. Eva hat ihren Lebensmittelpunkt in der Bronx gefunden, sie fährt regelmäßig mit der U-Bahn zum Yogakurs nach Manhattan. Hennie steht in ihrem Schlafzimmer und kramt in einer Kartonschachtel nach Wiener Erinnerungstücken, sie denkt laut darüber nach, was ihre beiden Söhne wohl damit machen werden, wenn sie einmal nicht mehr da sein wird. Lizzy diskutiert mit ihren Töchtern und ihrer Enkelin über Neurosen und die Auswirkungen von Vertreibung und Vernichtung. Beim anschließenden Besuch ihrer guten Wiener Freundin wechselt das Thema schnell zur Liebe im Alter und heiteren Tratschgeschichten aus ihrem Bekanntenkreis. Der Film hält den sprühenden Funken in den Augen der Frauen fest, das Lachen in ihren Mundwinkeln, den offenen Ausdruck ihrer Gesichter, das Weinen über das Unvergessliche und zeigt, wie man mit Bridge, den Wiener Liedern und der Zubereitung der besten Sachertorte in New

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York seine Erinnerung leben kann. Der Film interessiert sich für die feinen, bis ins Somatische gehenden Auswirkungen des Schicksals dieser Frauen über Erdteile und Generationen hinweg. Aufgrund der Beobachtungen ihres amerikanischen Alltags und ihrer gebräuchlichen Redewendungen wird sowohl die Verbundenheit mit Öster-

reich, als auch der Bruch mit der Kultur der österreichischen Täter spürbar. Die Erinnerungen an das Unrecht, die Flucht, den Verlust fast aller Verwandten und Freunde sind nicht ein- und ausschaltbar. Sie sind Teil ihres Lebens, Teil ihrer Gegenwart. Manchmal brechen sie überraschend heftig hervor, an einem anderen Tag sind sie überdeckt von Gedanken an eine schöne Kindheit „davor“, an einen Geburtstag, ein Kinderspiel. Mirjam Unger sucht Antworten auf ihre Fragen über die Generationen dieser Frauen, aber auch über ihre eigene Generation, die der Enkelkinder. Wie reflektieren diese – inzwischen Vollamerikaner – Wien als Teil ihrer Familiengeschichte? W.H.

Di, 08.09.2009 | 15 Uhr

„Jokehnen – Oder wie lange fährt man von Ostpreußen nach Deutschland“ Fernsehfilm nach dem Roman von Arno Surminski Aus Anlass der Verleihung des Andreas Gryphius-Preises an Arno Surminski (vgl. S. 12) zeigen wir die Verfilmung seines ersten, im Jahre 1974 erschienenen Romans unter dem gleichen Titel. Die eng an die Romanhandlung angelehnte Filmfassung spielt in dem fiktiven ostpreußischen Dorf Jokehnen, das aber in mancher Beziehung Surminskis realem Heimatort Jäglack ähnelt – so wie die auftretenden Personen Züge von Menschen aus der Kindheit und Jugend des Autors tragen. Der im Mittelpunkt des Geschehens stehende junge Hermann Stepputat teilt mit Arno Surminski nicht zufällig das Geburtsjahr 1934. Hermann Stepputat allerdings erblickt das Licht der Welt just am 2. August 1934, dem Tag, an dem der greise Reichspräsident und ehemalige kaiserliche Feldmarschall Paul von Hindenburg verstirbt, um bald darauf in einem pompösen Trauerakt beim Denkmal der Schlacht von Tannenberg, ebenfalls in Ostpreußen, beigesetzt zu werden. Fast genau 20 Jahre zuvor hatte Hindenburg hier den unerwarteten Sieg über die russischen Invasionstruppen davongetragen und war seither mit dem Nimbus des nationalen Retters ausgestattet gewesen. Nach dem Tod des Reichspräsidenten vereinigte Hitler alle höchsten Staatsämter in seiner Person und der Weg zur totalitären Diktatur war endgültig beschritten. Der Film zeigt, wie die Kindheit Hermann

Stepputats in der beschaulichen ostpreußischen Provinz lange Zeit vermeintlich fast unberührt bleibt vom unheilvollen Geschehen auf der politischen Ebene. Zugleich zeigt er aber eindringlich, wie brüchig die trügerische Idylle war, und dass die 1944/45 hereinbrechende Katastrophe alles andere als von ungefähr kam. In einer der Hauptrollen – als Hermanns Vater Karl Stepputat – ist Armin MuellerStahl zu sehen. Dieser ist wohl der einzige deutsche Schauspieler, der in der DDR (in der er bis 1980 lebte), in der Bundesrepublik Deutschland und im US-amerikanischen Hollywood-Kino gleichermaßen zum Star wurde. Unter den zahlreichen Auszeichnungen Mueller-Stahls sind die Oscar-Nominierung für seine Rolle in „Shine“ (1997), der Adolf-Grimme-Preis (2003) und das 2008 verliehene Große Bundesverdienstkreuz mit Stern hervorzuheben. Eine besondere Note erhält seine Rolle in „Jokehnen“ dadurch, dass Armin Mueller-Stahl selbst 1930 in Tilsit geboren wurde, den Untergangs Ostpreußens als Heranwachsender also hautnah miterlebte, der auch für seine eigene Familie katastrophale Folgen hatte. Wir zeigen den dritten Teil der ZDF-Fernsehproduktion von 1987, die insgesamt mehr als vier Stunden dauert. Vor Beginn findet eine Einführung in die Handlung statt. Buch und die gesamte Filmproduktion sind in unserer Bibliothek entleihbar.

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Würdigung

Meer der Irrtümer

hervorgegangenen Tschechoslowakei. Als Deutsche waren Fusseneggers Verwandte Gertrud Fussenegger (1912-2009) – ein Jahrhundertleben und deren Landsleute unversehens in Am 19. März 2009 ist Gertrud Fusseneg- längere Zeit der feste Ankerpunkt, trotz die Rolle einer Minderheit in einem von ger im österreichischen Linz verstorben, der zahlreichen Versetzungen ihres Vaters. Tschechen und Slowaken dominierten der Stadt, in deren Nähe mehr als 40 Jahre Dies gilt erst recht für die Zeit nach dem Staatswesen geworden. Die Spannungen, lang ihre Wahlheimat gewesen war. Mit frühen Tod ihrer Mutter (1926), als Ger- die schon seit ihrer Gründung die ethnisch der fast 97-jährigen Schriftstellerin ist trud Fussenegger als Mädchen und junge heterogene Tschechoslowakei erfüllten, ein Mensch abberufen worden, der wohl Frau im großelterlichen Haushalt in Pilsen sind an Fusseneggers Jugend nicht spurlos zu den letzten gehört hat, die noch im lebte, zur Schule ging und 1930 Abitur vorübergegangen. Im Jahre 1979 hat sie Zeichen der alten habsburgischen Doppel- machte. Aus der prägenden Erfahrung erstmals einen Erinnerungsband unter dem monarchie geboren wurden und die durch der Pilsener Jahre sind nicht zuletzt zwei Titel „Spiegelbild mit Feuersäule“ veröfdie österreichisch-ungarische Tradition der wichtigsten literarischen Werke der fentlicht. Eine – allerdings nur leicht – mitgeprägt worden sind. Sie gehören noch Autorin hervorgegangen, in denen sie dem veränderte und erweiterte Fassung hat der Verlag Langen Müller ein Stück weit „der Welt von Gestern“ 2007 herausgebracht, an, wie einst Stefan Zweig, seinerseits nunmehr betitelt „So Österreicher, seine Erinnerungen betitelte. gut ich es konnte“. Gertrud Fusseneggers langes Leben ist Dort beschreibt sie auch ein Stück Geschichte Österreichs und ihre Pilsener SchulDeutschlands. Da es fast das gesamte 20. zeit – für den Vater, Jahrhundert umfasst hat, ist ihr Verhalten dessen Karriere als k. im politischen Sinne wiederholt Gegenu. k.-Offizier mit dem stand von kontroversen Bewertungen Zusammenbruch der gewesen. Zwiespältig fiel etwa auch der Monarchie natürlich Nachruf von Harry Nutt in der Frankbeendet war, kam ein furter Rundschau aus, das öffentlichLeben in der Tscherechtliche Fernsehen in Österreich, der choslowakei nicht in ORF, erwähnte ebenfalls die Kritik, die Frage. Mit begrenzan Fussenegger nach 1945, bedingt durch tem Erfolg versuchte ihr Verhalten während der NS-Diktatur, er sich in ebenfalls immer wieder geübt wurde. 1918 aus der Taufe Leicht ist es jedenfalls nicht, Gertrud gehobenen Republik Fussenegger gerecht zu werden. Ihr Leben Österreich eine neue mag paradigmatisch dastehen für eine Existenz aufzubauen. künstlerische und menschliche Existenz, Das Ressentiment gederen Schwerpunkt – naturgemäß keinesgen den neuen Staat, Dieses Porträt von Gertrud Fussenegger unter dem wegs kraft eigener Wahl – ins „Zeitalter das ungeliebte, von Titel „Erzählte Geschichte Gertrud Fussenegger“ des der Extreme“ (Eric Hobsbawm) fiel. inneren Zwistigkeiten Fotografen Volker Weihbold hat beim Fotowettbewerb Gertrud Fussenegger wurde am 8. Mai zerrissene Fragment Objektiv 08 der Österreichischen Pressegentur APA den 1912 im böhmischen Pilsen geboren. Sie des einst mächtigen ersten Preis in der Kategorie Porträt gewonnen. stammte damit aus einer der wichtigsten Habsburgerreiches, die Industriemetropolen der HabsburgermoBitterkeit über den Unnarchie, die zum Zeitpunkt ihrer Geburt tergang der alten, bald mit lückenhaftem seit 64 Jahren von Kaiser Franz Joseph großelterlichen Haushalt und seiner UmGedächtnis verklärten „Welt von Gestern“ (1830-1916) regiert wurde. Ihr Vater Emil welt ein Denkmal gesetzt hat: Der Roman hat er nie verhehlt und damit sicher auch Fussenegger diente als Berufsoffizier in „Das Haus der dunklen Krüge“ (1951), die heranwachsende Tochter beeinfl usst. der k. u. k. Armee. Selbst beheimatet im der von Kritikern wiederholt mit Thomas In Pilsen konnte Fussenegger eine deutvorarlbergischen Dornbirn, heiratete er Manns „Buddenbrooks“ verglichen wurGertrud Fusseneggers Mutter Karolina de, und dessen späte Fortsetzung „Bourda- sche Schule besuchen, aufgrund ihres Anna Maria Häßler im Jahre 1910. Müt- nins Kinder“ (2001), der die Handlung Alters musste sie keinen tschechischen terlicherseits liegen ihre Wurzeln damit um die Geschicke der offenkundig von Sprachunterricht besuchen. Sie hat sich in im deutsch-böhmischen Bürgertum – und Fusseneggers eigener Verwandtschaft der Atmosphäre des großelterlichen Haudiese verwandtschaftliche Beziehung hat inspirierten Pilsener Familie Bourdanin ses einer Annäherung an die tschechischen Gertrud Fussenegger wohl nachhaltiger aus dem 19. in die Katastrophen des 20. Nachbarn verschlossen – man sprach und dachte deutsch, wohl viel bewusster als geprägt als die väterliche Herkunft. Ihr Jahrhunderts hinein fortsetzt. Vater hat, berufsbedingt, vor 1914 in Als die junge Gertrud Fussenegger in die zuvor. Fussenegger hat rückschauend ganz verschiedenen Teilen der Monarchie Stadt ihrer Geburt zurückkehrte, gehörte beschrieben, wie ihre Jugend von den gedient. Das Pilsener Haus der Großeltern diese schon zur 1918 aus dem Zerfall der Gegensätzen der Zeit beeinflusst wurde, und Tanten blieb für Gertrud Fussenegger

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Habsburgermonarchie im Ersten Weltkrieg

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Würdigung

Meer der Irrtümer Fortsetzung vion Seite 15 wie sie selbst einen Standort suchte – und mehrfach wechselte. Von der religiös liberalen Mutter von einer kirchlichen Bindung eher ferngehalten, vermochte eine charismatische Lehrerin sie für den Katholizismus zu begeistern. Schulfreundinnen wiederum brachten sie mit der radikalen Religionskritik in Berührung, was zu einer Lösung aus den kirchlichen Bezügen führte. In die entstandene Leerstelle drangen bei der jungen Gertrud Fussenegger die Anziehungskräfte von Sozialismus und Nationalismus ein. Ihre jugendliche Begeisterungsfähigkeit suchte den Gegenstand, auf den sie sich werfen konnte. Fussenegger hat in ihren Erinnerungen bildhaft vom „ideologischen Fischfang“ gesprochen, dem sie und ihre Altersgenossinnen unaufhörlich nachgingen und bemerkt, der „Verschleiß der Systeme war dabei nicht gering.“ (S. 159) Auch ihre ersten Schreibversuche fallen in diese Zeit, in der sie Nietzsche, Spengler und andere las. Nach dem Abitur in Pilsen ist Gertrud Fussenegger zunächst in den kargen väterlichen Haushalt, inzwischen in Hall in Tirol angesiedelt, zurückgekehrt. Der Vater billigte ihren Entschluß, sich im Herbst 1930 an der Universität im nahegelegenen Innsbruck für Germanistik, Kunstgeschichte, Geschichte und Philosophie einzuschreiben. Dort kam Fussenegger bald unter den Einfluß ihres späteren Doktorvaters, des Mediävisten Harold Steinacker. Der stellte mit seiner deutschnationalen Gesinnung keineswegs eine Ausnahme unter den österreichischen Historikern dar. Die akademische Beziehung zu Steinacker brach auch nicht ab, als Gertrud Fussenegger sich bereits 1931 entschloss, ihr Studium in München fortzusetzen. Dort hörte sie nicht zuletzt Karl Alexander von Müller, den einflussreichen Lehrstuhlinhaber für Bayerische Geschichte, der ähnliche politische Ansichten hegte wie Steinacker – und sie kam erstmals mit nationalsozialistischen Kommilitonen in Berührung, die sich nicht zufällig in Müllers Seminaren einfanden. In München lernte sie auch ihren späteren ersten Ehemann, den zehn Jahre älteren Bildhauer Elmar Dietz, kennen. In ihrer Autobiographie hat Gertrud Fussenegger den Jahren 1933 bis 1945 ein

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eigenes Kapitel gewidmet. Es fällt mit 205 Seiten beinahe ebenso lang aus, wie das, welches vorangehend die ersten 21 Jahre ihres Lebens beschreibt. Der dritte Teil ihrer Lebensbeschreibung, die über das Jahr 1948 auch in der Neufassung nicht wirklich Am 8. Mai 2008 feierte Prof. Dr. Gertrud Fussenegger ihren hinausgelangt, 96. Geburtstag. Die oberösterreichische Landtagspräsidentin erscheint nur Angela Orthner (l.), Vorsitzende des Kulturvereines HeinrichGleißner-Haus und Alfred Pittertschatscher (r.), Vorsitzender des noch wie ein Künstlerischen Beirats gratulieren. knapper Epilog. Unverkennbar ist also, dass Fussenegger selbst hatte, war für die junge unbekannte sich veranlasst sah, den bezogen auf Schriftstellerin nicht einfach. Dass das ihr ganzes Leben zeitlich relativ kurzen Manuskript schließlich nach mehreren Abschnitt der verhängnisvollen 12 Jahre vergeblichen Anläufen beim Berliner besonders ausführlich zu behandeln. Verlag Rütten & Loening angenommen Schon zu Lebzeiten ist sie wiederholt wurde, versetzte Fussenegger, unschwer angegriffen worden wegen einiger ihrer nachvollziehbar, in Jubelstimmung. Der Handlungen und Äußerungen nach 1933 Umstand, dass der Verlag erst kurz zuvor – so 1993, als ihr der Freistaat Bayern durch einen erzwungenen Verkauf „ariden Jean-Paul-Preis verlieh, gegen einen siert“ worden war, hat für sie keine Rolle Einspruch des Zentralrats der Juden in gespielt – sie habe den Antisemitismus, Deutschland. Und keiner der Nachrufe wie Fussenegger, rückschauend betont, versäumt den kritischen Hinweis auf die lange naiv unterschätzt. Zwar habe sie fraglichen Jahre. einiges gehört über das „neue DeutschGertrud Fussenegger hat mit Nachdruck land“ der Nationalsozialisten: Dachau, versucht zu erklären, wie sie „die Zeit an das erste Konzentrationslager, lag kaum den Wickel kriegte.“ (S. 256) Dass sie einen Steinwurf vom ihr wohlvertrauten in diesem Zusammenhang die deutsche München entfernt, auch von den Morden und die österreichische politische Misere des so genannten „Röhm-Putsches“ im im Zeichen der Weltwirtschaftskrise seit Sommer 1934 hörte sie. Doch sei es ihr 1929 ins Feld führt, versteht sich von nicht gegeben gewesen, die durchaus selbst. Auch die familiäre Prägung hat vorhandenen „Zeichen des kommenden gewiss eine Rolle gespielt. Nach der Inns- Unheils“ zu entziffern. Dies erscheine brucker Promotion vom Sommer 1934 den Nachgeborenen, den Wissenden unter der Anleitung Steinackers musste ex post auch oft viel einfacher als den sich die junge Frau, deren Partner Elmar Zeitgenossen. Ihr Leben sei beherrscht Dietz in armseligen Verhältnissen lebte, gewesen von den Plänen für die weitere naturgemäß Gedanken über ihre Zukunft schriftstellerische Karriere, nachdem der machen. Sie wollte schreiben, das stand erste Roman erschienen, das erste Honorar längst fest. Die Suche nach einem Verlag eingestrichen war – und sie darüber hinaus für ihren ersten Roman, mit dem sie nach dem Erwerb des Doktortitels begonnen Fortsetzung auf Seite 17

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Würdigung

Meer der Irrtümer Fortsetzung von Seite 16 der Wunsch drängte, endlich eine Familie zu gründen. Auch Elmar Dietz erhielt 1935 einen ersten öffentlichen Auftrag in einem der Münchner Neubauviertel – ging es nicht voran in Deutschland im allgemeinen und für das junge Paar im besonderen? Warum nicht die Möglichkeiten der Zeit nutzen? Willi Winkler, der 1993 in der „Zeit“ die Verleihung des Jean-Paul-Preises an Gertrud Fussenegger alles andere als wohlwollend kommentierte, mag in immerhin einem Punkt zuzustimmen sein: Fusseneggers Biographie sei „für ein langes Leben nicht weiter aufregend, nämlich sehr deutsch verlaufen.“ Eine junge, künstlerisch ambitionierte Frau, die ihre Zukunft zu gestalten hoffte – in einer totalitären Diktatur, die nun einmal ihr Lebensumfeld war, die neben dem Abstoßenden manche Lockung bereithielt. Hat es Alternativen gegeben? Das Exil? Für einen Menschen mit der Prägung Gertrud Fusseneggers lag das wohl außerhalb des ernsthaft in Betracht Gezogenen. Die Heirat mit Elmar Dietz im Jahre 1935 brachte Gertrud Fussenegger die reichsdeutsche Staatsbürgerschaft ein, formal war sie nun keine Österreicherin mehr. Den „Anschluß“ Österreichs im März 1938 nutzte Fussenegger für einen kurzen Besuch bei ihrem Vater in Tirol, wunderte sich nach eigenen Angaben darüber, wie rasch die Eingliederung in das Deutsche Reich vollzogen wurde. Die bald darauf folgende Annexion des Sudetenlandes, die Zerschlagung der Tschechoslowakei infolge des Münchner Abkommens ist für Gertrud Fussenegger, folgt man ihrer Autobiographie, vor dem Privaten

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ihres Lebens zurückgetreten: Einerseits erlebte sie die Verurteilung einer neuen Erzählung („Mohrenlegende“) durch das „Amt Rosenberg“, das im NS-Staat eine der Institutionen war, welche die ideologische Linientreue künstlerischer Arbeiten überwachen sollten, als „elendes katholisches Machwerk“. Die Autorin, die sich zu diesem Zeitpunkt nicht als gläubige Katholikin verstand, fing an, um der Fortsetzung der kaum begonnenen literarischen Karriere willen, Kompromisse zu machen. Das hat sie später bitter bereut. Um diese Zeit ist sie auch der NSDAP beigetreten. Außerdem bekam sie im Januar 1939 ihr lang ersehntes erstes Kind. Der Tochter Ricarda sollten bis 1944 rasch zwei weitere Kinder folgen. Fusseneggers Verhalten changierte zwischen Linientreue – etwa durch die Teilnahme am ersten propagandistisch aufgezogenen „Weimarer Dichtertreffen“ im Herbst 1938 – und ihren Kontakten zum Kreis um die Literaturzeitschrift „Das Innere Reich“, die keineswegs wirklich widerständig war, aber immerhin hier und da versuchte, gegenüber dem NS-Regime eine verschlüsselte Dissidenz aus christlich-konservativer Perspektive zu wahren. In ihrer Autobiographie bringt sie das eigene und das Verhalten vieler anderer auf den Punkt: „Das Kuschen war schuld, an vielem, an allem war das Kuschen schuld.“ (S. 375) In zeitlicher Nähe zum katastrophalen Ende der NS-Diktatur setzte bei Gertrud Fussenegger die Rückbesinnung auf den katholischen Glauben ihrer Kindheit ein. Das Kriegsende 1945 hat sie – inzwischen getrennt lebend von ihrem Ehemann, von dem sie sich 1947 scheiden ließ – in Tirol erlebt. Mit der Wiederannäherung an die Kirche, an der sie dann bis zuletzt festgehalten hat, ist sie, wie Gertrud Fussenegger in einem Interview im Jahre 2002

selbst formuliert hat, „aus dem Meer der Irrtümer aufgetaucht.“ Zugleich begann eine intensive neue Schaffensphase als Schriftstellerin, die bis dahin lediglich einen Roman vorgelegt hatte, Bereits 1948 erschien dann „Die Brüder von Lasawa“, die düstere Geschichte zweier Brüder, die ins Böhmen des 30-jährigen Krieges verlegt ist, deren Gegenwartsbezüge aber mit Händen zu greifen sind. Denn die Themen Versuchbarkeit, Schuld, Sühne und Hoffnung auf Vergebung haben Gertrud Fussenegger seither nicht mehr losgelassen, sie hat sie immer wieder literarisch variiert. Dass das ihre eigentlichen Lebens- und Arbeitsthemen wurden, kam nicht von ungefähr. Gertrud Fusseneggers Werk hält viel Weisheit über die menschliche Natur bereit. Ihr eigenes Leben ist gleichsfalls in gewissem Sinne ein Lehrstück – sie hat es gelebt, so gut sie konnte. Wer sich berechtigt glaubt, den Stab über Gertrud Fussenegger zu brechen, mag dies tun. Ehre ihrem Andenken. Winfrid Halder Anzeige

Der weite Weg gen Westen

Geflohen - vertrieben - angekommen an Rhein und Ruhr Hrsg. Winfrid Halder, Michael Serrer Die Autorinnen und Autoren des vorliegenden Bandes berichten von ihren eigenen Erfahrungen. Ihre damalige Perspektive war die von Kindern und Jugendlichen, daher richten sich ihre Zeugnisse insbesondere auch an die junge Generation von heute, die dafür sensibilisiert werden soll. Das Buch ist im Buchhandel erhältlich oder für Multiplikatoren bei der Landeszentrale für politische Bildung NRW zu beziehen. Schöningh-Verlag, ISBN 9783506766830

€18,90

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Aussiedler

Fähigkeiten anerkennen tradiertes Kulturgut wertschätzen In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind über 700.000 Deutsche aus dem östlichen Europa nach Nordrhein-Westfalen gereist um sich hier eine neue Existenz aufzubau-

Der Integrationsbeauftragte Thomas Kufen en. Die Integration dieser Menschen wird durch ein breites Spektrum von Maßnahmen, die neben Sprachkursen auch soziale Maßnahmen und die berufliche Förderung beinhaltet, gefördert. Die mitgebrachten Fähigkeiten und Kenntnisse aus dem Herkunftsland geraten in der aktuellen Diskussion verstärkt in den Fokus. Die Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus veranstaltete am 12. Mai dieses Jahres, innerhalb der Aktivitäten zur Förderung der kulturellen Integration von Spätaussiedlern, ein Seminar mit dem Titel „Potentiale der Spätaussiedler als Basis für Integrationserfolge nutzen“. Zu dieser breit angelegten Veranstaltung kamen mehr als dreißig Vertreter von Wohlfahrtsverbänden und landsmannschaftlichen Organisationen aus Nordrhein-Westfalen in die Landeshauptstadt Düsseldorf, um sich zu informieren und Lösungsansätze zur Integrationsförderung zu diskutieren. Der Integrationsbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen, Thomas Kufen, stellte die Position der Landesregierung zur Spätaussiedlerthematik vor. Im Bereich der wirtschaftlichen Förderung wies er auf die zu beobachtende Gründung von Wirtschaftsbetrieben durch Russ-

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landdeutsche hin, die den Schritt in die Selbstständigkeit sorgfältig vorbereiten. Hier zeichnen sich Erfolgsgeschichten ab, so der Aussiedlerbeauftragte. Ein weiteres Beispiel für die Vermittlung eines positiven Images ist die von der Landesregierung initiierte Plakataktion „Russlanddeutsche sind anders“, die für Akzeptanz wirbt. Die Ergebnisse der Studie „Ungenutzte Potentiale. Zur Lage der Integration in Deutschland“, die Anfang dieses Jahres vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung veröffentlicht wurde, stellte der Mitarbeiter Steffen Kröhnert vor. In dieser Studie wurde erstmals die Integrationserfolge von acht unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen untersucht und die Ergebnisse mit den Werten der einheimischen Bevölkerung verglichen. In Nordrhein-Westfalen, dem Land mit einer hohen Zuwanderungsrate, stellen die Aussiedler die größte Gruppe dar und sind, so der Referent, diejenige mit den besten Integrationswerten. Sie besitzen gegenüber den andern Gruppen einen hohen Bildungsstand, leben, im Gegen-

Die vorgestellte Broschüre satz zur einheimischen Bevölkerung, mit mehreren Kindern im Familienverband zusammen. Die Studie zeigt jedoch auch

Fr, 28. 08. | 19 Uhr

pro rok

im Gerhart-Hauptmann-Haus Auftritt der Band ONI auf, dass sie trotz eines hohen Bildungsniveaus nicht in Vertrauensberufen tätig sind. Die Ergebnisse eines Projektes, bei dem jugendliche Spätaussiedler ihre Wünsche und Träume schriftlich dokumentiert haben, stellte Dr. Elvira Spötter von der Landesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit Nordrhein-Westfalen vor. Anlässlich des Integrationskongresses im Jahr 2004 diskutierten der damalige Integrationsbeauftragter in NRW, Dr. Klaus Lefringhausen, und die LAG KJS NRW wie die Anliegen junger Russlanddeutscher Politikern und einer breiten Öffentlichkeit vermittelt werden können. Die Umsetzung erfolgte durch Briefe, die von jungen Menschen, die aus der ehemaligen Sowjetunion stammen, verfasst wurden, in denen sie ihre persönlichen Erlebnisse beim Einleben in Deutschland schilderten und Vorschläge für die Verbesserung von Rahmenbedingungen ihrer Integration benannten. Viktoria Sauer, Nadja Ochs und Olga Armbrecht waren Teilnehmerinnen des Projektes, die beim Seminar ihre Erlebnisse und Erfahrungen beim Neuanfang in Nordrhein-Westfalen vorstellten. Deutlich wurde bei den Schilderungen, dass die Auswanderung und der Neuanfang sich nicht ohne Probleme vollzieht und nur bei entsprechender, hauptsächlich sprachlicher Förderung und Anerkennung der erworbenen Abschlüsse im Herkunftsland eine gelungene Integration erfolgen kann. In der abschließenden Diskussion vertraten die Seminarteilnehmer die Ansicht, dass die Integration nur durch einen schnellen und qualifizierten Spracherwerb gefördert werden kann und die Erfolgsgeschichten der Spätaussiedler einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht werden müssten. Ebenso müsse eine stärkere Wertschätzung der kulturellen Prägung durch das Herkunftsland erfolgen. Mattias Lask

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Bibliothek

Iwans Krieg

Die NS-Gaue

Die Rote Armee 1939-1945

Regionale Mittelinstanzen im zentralistischen „Führerstaat“?

Von Stalin brutal mißbraucht und danach fallengelassen, später als Ikonen des „Großen Vaterländischen Krieges“ ausgebeutet: Erstmals werden die persönlichen Geschichten und das meist grauenvolle Schicksal einzelner Soldaten der Roten Armee aus der Perspektive der Beteiligten von dem Hintergrund des 2. Weltkrieges eindrücklich dargestellt. Die englische Historikerin Catherine Merridale stellt die einfachen russischen Infanteristen in den Mittelpunkt ihrer Forschung. Millionen von ihnen starben, wurden in Selbstmordkommandos in den sicheren Tod getrieben oder sie erfroren hinter Stacheldrahtzäunen von Kriegsgefangenenlagern. Merridale hat Briefe, Tagebücher und militärische Berichte studiert, hat in den Archiven von Stalins Geheimpolizei geforscht und außerdem mit Hunderten von Überlebenden gesprochen. Daher kann sie hinter die stalinistische Propaganda schauen, die Helden schmieden wollte und doch die Soldaten mit mangelhafter Ausrüstung gegen deutsche Panzer schickte. MERRIDALE, CATHERINE: Iwans Krieg. Die Rote Armee 1939-1945. Fischer, 2008.

Wenn in der NS-Forschung der letzten Jahrzehnte von Gauen und Gauleitern die Rede war, richtete sich das Interesse vornehmlich auf die Parteistrukturen. Oder sie dienten als Fallbeispiele für regionalhistorische Detailstudien. Es fehlt hingegen bis heute eine systematisch-vergleichende Erforschung der NS-Gaue als konstitutive Elemente „neuer Staatlichkeit“, wie sie sich im nationalsozialistischen „Führerstaat“ seit Mitte der 1930er Jahre herausbildete. Hier setzt der vorliegende Band an. Das Ergebnis bietet erhellende Einblicke nicht nur in die regionalen Strukturen des NS, sondern in das Herrschaftssystem insgesamt. Themenfelder sind: Rassenpolitik und „Euthanasie“; „Arisierung“ und „Gegnerbekämpfung“; Wissenschaft, Bildung, Kultur; Gauverwaltung; Gaue des „Altreichs“; Die „Reichsgaue“. DIE NS-GAUE. Regionale Mittelinstanzen im zentralistischen „Führerstaat“? Jürgen John, Horst Möller, Thomas Schaarschmidt (Hrsg.). München, 2007.

Hans Frank Hitlers Kronjurist und Generalgouverneur Dieter Schenk legt mit seinem Buch die Biographie eines fanatischen wie korrupten NS-Karrieristen vor. In der „Kampfzeit“ vertrat Hans Frank seinen „Führer“ vor Gericht; 1933 wurde er bayerischer Justizminister und Reichskommissar für die Gleichschaltung der Justiz. Gnadenlos „säuberte“ er seinen eigenen Berufsstand und machte als Reichsminister (ab 1934) und Präsident der von ihm gegründeten Akademie für Deutsches Recht das Unrecht zur Geschäftsgrundlage des NS-Staates. 1939 wurde er Generalgouverneur im besetzten Polen. Er war besessen von Prunk und Pomp und zählte zu den korruptesten Führern des Dritten Reichs. Weil er auch am millionenfachen Mord an Juden und anderen »Missliebigen« beteiligt war, wurde er 1946 in Nürnberg als Hauptkriegsverbrecher angeklagt und am 10.6.1946 hingerichtet. SCHENK, DIETER: Hans Frank. Hitlers Kronjurist und Generalgouverneur. Fischer, 2008.

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Buchausstellung 03.08. – 30.09.2009 Künstlerkolonien in Europa Im 19. und 20. Jahrhundert entstanden in ganz Europa Künstlerkolonien – Orte, an denen Malerinnen und Maler zusammenkamen, um im gegenseitigen Austausch intensiv an ihren Kunstwerken zu arbeiten. Die Buchausstellung gibt einen Überblick über Orte, Künstler und ihre Kunstwerke.

Servicezeiten der Bibliothek Mo-Mi 10 - 12.30 Uhr 13.30 - 17 Uhr Do 10 - 12.30 Uhr 13.30 - 18.30 Uhr

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Grenzüberschreitende Projekte

Grenzenlose Dialoge Profilierte Einrichtungen in NRW setzen verstärkt Kooperationsprojekte mit polnischen Partnern um Im Rahmen der langjährigen grenzüberschreitenden Arbeit haben im West-OstDialog engagierte Einrichtungen, wie das Museum für schlesische Landeskunde, das Oberschlesische Landesmuseum und das Westpreußische Landesmuseum ihre Aktivitäten in jüngster Zeit erkennbar intensiviert. Im Haus Schlesien bei KönigswinterHeisterbacherrott wurde kürzlich eine Sonderausstellung unter dem Titel „Zukunft – Stadt – Geschichte“ eröffnet, die als deutsch-polnische Wanderausstellung konzipiert ist und eine Auswahl von 12 Städten im Zeitbogen zwischen Geschichte und Gegenwart vorstellt. Bei der Vorbereitung und Umsetzung dieses Projektes sind die polnischen Partner unmittelbar einbezogen worden. Während das Museum für schlesische Landeskunde die Dokumentation und Präsentation des geschichtlichen Teils bis 1945 erarbeitet hat, lieferten die Fachleute aus den vorgestellten Städten – von Breslau und Bunzlau über Jauer und Liegnitz bis Rybnik und Schweidnitz – Informationen in Wort und Bild zur Entwicklung nach 1945. Zu sehen sind bis zum 16.08.2009 reich illustrierte Infotafeln, historische Grafik, Fotos und Ansichtskarten, Stadtpläne und -grundrisse sowie typische Produkte aus diesen Städten. Das Oberschlesische Landesmuseum in Ratingen-Hösel will seinem Publikum

ab diesem Jahr die Partnereinrichtungen des Hauses in einer Veranstaltungsreihe vorstellen. Den Anfang macht die Mitte Mai eröffnete Ausstellung „Unser Partner Breslau“, in der die schlesische Metropole im Wandel der Zeit präsentiert wird. Die Dokumentarschau wurde gemeinsam mit der Bibliothek und dem Kunsthistorischen Institut der Universität Breslau realisiert. Unter den zahlreichen aussagekräftig e n E x p o n a - Die Ausstellung von Haus Schlesien „Zukunft – Stadt – t e n b e f i n d e n Geschichte“ ist als deutsch-polnische Wanderausstellung sich auch vom konzipiert. (Foto: D. Göllner) Museum für schlesische Landeskunde Königswinter Kulturerbes des Landes am Unterlauf geliehene Druckgrafiken. Die Breslau- der Weichsel auf mehrfachen Gebieten Ausstellung in Ratingen ist bis zum zusammenzuarbeiten. Der Vertrag ermög8.11.2009 zu sehen. In diesem Kontext soll auch ein festlicher licht u.a. dem Westpreußischen LandesMoment in Münster erwähnt werden. museum, regelmäßig seine Ausstellungen Während der Eröffnung einer Ausstellung im Danziger Rathaus zu zeigen. Dieter Göllner zu Berthold Hellingrath wurde von Dr. Lo-

Breslau, die Metropole im Wandel, stellt sich im Oberschlesischen Landesmuseum vor. (Foto: OSLM)

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thar Hyss, Direktor des Westpreußischen Landesmuseums von Münster-Wolbeck, und Magister Adam Koperkiewitz, Direktor des Historischen Museums der Stadt Danzig, ein wegweisender Kooperationsvertrag unterzeichnet. Beide Einrichtungen verpflichten sich damit, bei der Sicherung der Kulturdenkmäler sowie der Darstellung der Geschichte und des

Dr. Lothar Hyss (re) und Magister Adam Koperkiewitz unterzeichnen eine neuen Kooperationsvertrag. (Foto: WPLM)

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Kunst und Literatur

Gerhart Hauptmann und Max Klinger Begegnungen – Gedanken – Briefe

Max Klinger Fotosammlung Stadtmuseum Naumburg Der Dichter Gerhart Hauptmann war zeitlebens mit der bildenden Kunst verbunden! Er hatte den „Bildhauertraum“ nie ganz ausgeträumt, auch nicht nach der bitteren Enttäuschung, als seine überlebensgroße Statue eines germanischen Kriegers im Februar 1884 in Rom – kurz vor dem Besuch seiner späteren Ehefrau Marie – in sich zusammenstürzte! Er suchte – und fand – den erhofften persönlichen Kontakt bei Max Klinger, einem damals schon berühmten Grafiker, Maler und Bildhauer. Seinem Tagebuch vom 17. März 1898 vertraut er über das erste Zusammentreffen bei Max Klinger mit Eugen d’Albert an: „Wir tranken weißen Wein und d’Albert spielte die Appassionata“. Klinger arbeitet an seinem Beethoven. Diesem Besuch vorausgegangen war der nachstehende, kurze handschriftliche Brief aus dem „Hotel Hauffe“ Leipzig: Vier Reisende, von den zwei sich nur bis morgen früh 11 Uhr in Leipzig aufhalten, bitten um die Ehre, Ihr Bildwerk „Chrystus im Olymp“ betrachten zu dürfen. An Herrn Max Klinger mit ergebenen Grüssen Gerhart Hauptmann, Eugen d‘ Albert

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Bedeutende Kunstwerke entstehen – um nur einige der in Deutschland entstandenen zu nennen – eine Büste und die Totenmaske von Friedrich Nietzsche, Bethoven-Plastik 1902 (im Museum der Bildenden Künste Leipzig, im eigens dafür hergerichteten, repräsentativen Saal zu bewundern!), Bronze-Büste „Richard Strauß“ und das Wandgemälde „Arbeit, Wohlstand, Schönheit“ für das Rathaus Chemnitz. Klinger wird zu einem der erfolgreichsten Künstler seiner Zeit; Johannes Brahms widmet ihm „Vier ernste Gesänge“, es gibt zahlreiche Ehrungen zu seinem 50. Geburtstag und 1909 erfolgt die Ernennung zum „Sächsischen Gehei-

In den folgenden Jahren, bis zum Tod von Max Klinger am 4. Juli 1920 entwickelt sich aus den ersten Kontakten ein freundschaftlich-herzliches Verhältnis. Das spiegelt sich besonders in den wechselseitigen Briefen wieder, die dem Verfasser vorliegen. (Dank an das Stadtarchiv Naumburg!) Hier werden Ansichten und Meinungen ausgetauscht, Besuche angemeldet und für erwiesene Gastfreundschaft gedankt. Durch Margarete Hauptmann… „schreibe ich Ihnen auf seine Veranlassung…“, werden Max Klinger und seine Lebensgefährtin, Frau Asenieff, zur Premiere von „Und Pippa tanzt!“ mit Ida Orloff in der Titelrolle am 19. Januar 1906 per Eilbrief ins Lessing-Theater Berlin eingeladen. Auch die Anrede, wie im Brief vom 17. Dezember 1904 aus Agnetendorf, lässt auf die besondere Art ihres Verhältnisses zueinander schließen: Foto: Jäschke „Mein lieber und herzlich Gerhart Hauptmann verehrter Herr Klinger“. men Hofrat“. Im langen Brieftext heißt es dann u. a. wei1898 macht er die Bekanntschaft mit ter: „Sie sagen, Sie hätten mein Schaffen der Schriftstellerin Elsa Asenieff (1867 einigermaßen verfolgt: Nun, ich das Ihre - 1941), die über mehrere Jahre seine Leauch! Davon können Sie überzeugt sein. bensgefährtin und Modell wird, bis 1910 Sie haben mir immer so viel gegeben und die 17jährige Gertrud Bock (1893 - 1932) ich habe hier Schönes von Ihrer Hand in die Bildwelt des alternden Künstlers täglich vor mir, das ein Teil von meinem tritt und im November 1919 seine Gattin besten Wesen geworden ist.“ Damit werwurde. den durch Hauptmann selbst ihre Bezie1903 erwarb Klinger einen Weinberg mit hungen als ein achtungsvolles Geben und zwei Weinberghäusern in Großjena bei Nehmen gekennzeichnet! Naumburg und ließ 1909 das obere zum Max Klinger, über fünf Jahre älter als komfortablen Wohnhaus ausbauen. Hier Gerhart Hauptmann, wird am 18. Februar verbrachte er viele glückliche Tage, hier 1857 als zweiter Sohn des Seifenfabrikanentstanden eine große Anzahl Zeichnunten Heinrich Louis Klinger und dessen gen, Aquarelle und Ölbilder. Von hier aus Ehefrau Eva Emilie in Leipzig geboren. Er schrieb er am 23. Februar 1917: studiert an der Kunstschule Karlsruhe und an der Königlichen Akademie der Künste Lieber und verehrter Hauptmann! zu Berlin. Mit zwanzig Jahren, 1877, Vielen, vielen Dank für Ihren Gruß! erhält er von der Akademie das Zeugnis (Vermutlich als Dank für Geburtstags„außerordentlich“. Er lebt und arbeitet gruß – 17. Februar – der Verfasser) Ich überwiegend in Leipzig und Berlin, aber sitze hier im Schnee bei Naumburg und auch in Brüssel, Karlsbad, München, Paris Fortsetzung auf Seite 22 und Rom.

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Kunst und Literatur

Gerhart Hauptmann und Max Klinger treibe alte Träume vor mir her. Und die Schneeherrlichkeit, die Ruhe ist für solche „Tätigkeit“ wie gemacht. Dazu ein Feuer im Ofen und ein Glas Wein – ja! Aber da ist immer der Gedanke: Draußen! Wollen wir fest hoffen! Vielen Dank. Ihr M. Klinger

zur Grabstätte. Gerhart Hauptmann hatte Max Klinger – als Urbild des „Professor Mäurer, Bildhauer und Radierer“ – in seinem 1906 geschriebenen und 1912 im „GoetheTheater“ in Bad Lauchstädt uraufgeführten Drama „Gabriel Schillings Flucht“ bereits zu dessen Lebzeiten ein Denkmal gesetzt!

Max Klinger ist nach einem Schlaganfall im Oktober 1919 Ende April 1920 endgültig von Leipzig nach Großjena übergesiedelt und hier am 4. Juli verstorben. Die Beisetzung erfolgte auf seinem geliebten Weinberg, in unmittelbarer Nähe des Wohnhauses. Neben Vertretern der Stadt Leipzig hielt Käthe Kollwitz die Trauerrede; sie hatte durch Klingers Radierungen starke Impulse für ihr eigenes Schaffen erhalten. Zwei Jahre später wurde – seinem Wunsch entsprechend – der Bronzeguss seines überlebensgroßen „Athleten“ auf dem Grabhügel aufgestellt. Zwei Marmorstelen mit den Büsten des Künstlers und seiner Frau Gertrud flankieren den Eingang

Nachtrag: Erst nach 75 Jahren wurde das Vermächtnis der Witwe Klingers eingelöst, die beim Verkauf des Geländes an die Stadt Naumburg 1931 den Wunsch äußerte, dass das Wohnhaus ein Museum werden solle, nach zweijähriger Restaurierung im Sommer 2006 erfüllt! Die Ausstellung gibt einen umfassenden Einblick in das Leben und Schaffen des Künstlers; fast alle grafischen Zyklen sind in Einzelblättern vertreten. Einige Ölgemälde, verschieden Plastiken und zwei Kachelöfen, die Klinger als sehr persönliche Kunstwerke – mit Aktdarstellungen – für sich geschaffen hat, bilden die besondere Atmosphäre in den Räumen. Noch wenige

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Ausstellung über Gablonzer Modeschmuck

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Tage vor seinem Tod formte er die letzten Ofenkacheln mir der linken Hand, da die rechte durch den Schlaganfall gelähmt war – wohl die letzte künstlerische Arbeit, die er vollbrachte! Das Max-Klinger-Haus auf dem „Klingerberg“ befindet sich: Im Blütengrund 3, 06618 NaumburgGroßjena Öffnungszeiten: bis 1. November 2009, Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 17.00 Uhr www.Museumnaumburg.de Konrad Hüther Anzeige

„Karfunkelschein“ Magisch funkelnde (Glas-) Schmuckwelten, faszinierend und vollendet komponiert, eröffnen sich dem Betrachter der Ausstellung „Karfunkelschein. Prade - Gablonzer Modeschmuck 1922 - 1995“, die vom 2.8. bis 18.10.2009 im Kreismuseum Zons gezeigt wird. Zu bewundern sind kunstvolle Schmuckstücke der sehr erfolgreichen Marke „Prade“, die jedoch nie als Prade - Schmuck Marke in Erscheinung trat. Die Objekte entstanden nach eigenen Entwürfen und wurden in Kleinstserien sorgfältig und meisterhaft in der Zeit von 1922 bis 1995 handgefertigt. Kennzeichnend für den Prade Schmuck war die ständige Innovation. Der Schmuck entsprach nicht nur immer der neuesten

Max-Klinger-Haus, vor dem 2001 Hauptmanns „Die Jungfern vom Bischofsberg“, im Beisein der Enkelin, Ingeborg Hauptmann, aufgeführt wurde.

Mode, bei Prade wurden auch neue Trends geschaffen. Neben den wandelnden Modetrends spiegelt sich zudem ein Stück Zeitgeschichte in den Objekten wider. So beeindrucken besonders die Schmuckstücke, die der Firmengründer Richard Prade, während des Krieges und nach seiner Ausweisung aus Gablonz mit minimalistischsten Mitteln, wie Aluminiumabfällen oder ausrangierten Leitungsdrähten, herstellte. Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog. Informationen: Kreismuseum Zons Angelika Riemann, Schlossstr. 1, 41541 Dormagen, Tel.: 02133 / 530220

Ich war ein Wolfskind aus Königsberg Biographischer Roman von Ursula Dorn Über sechs Jahrzehnte sind vergangen, bis die 1935 in Königsberg (Ostpreußen) geborene Ursula Dorn den Mut fasste, das zu erzählen, was sie als 10jähriges Kind erfahren musste. Sie lebt heute mit ihrer Familie in der Nähe von Göttingen. In ländlicher Abgeschiedenheit hat sie die Ruhe gefunden, ihre Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg zu bewältigen. Die Erinnerungen an ihr Dasein als Wolfskind hat sie in einer packenden Geschichte verarbeitet. Edition riedenburg, ISBN 9783902647092

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Rückschau: Theateraufführung

Aufstand im Gerhart-Hauptmann-Haus „Die Weber“ auf der Bühne Lehrer und Schüler der Stufe 12 des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums in Dortmund kamen im März dieses Jahres zur Aufführung „Die Weber“ von Gerhart Hauptmann nach Düsseldorf ins GerhartHauptmann-Haus. Das Stück hatte Arved

Der Weberaufstand Birnbaum mit Studenten des 2. Semesters seines Deutschen Zentrums für Schauspiel und Film in Köln eigens für die Landesstiftung inszeniert. Dem Beginn des Stückes war eine sachkundige wie zugängliche Einführung durch Herrn Dr. Halder vorangegangen, die uns die historischen Hintergründe des Werkes vor Augen führte. Rückblickend sehen wir Schüler des DeutschLeistungskurses 1 die Aufführung sowie die Idee, sich als Schulkurs auf diesem Wege dem Werk des berühmten schlesischen Dichters zu nähern, als gelungenes Projekt an. Die von den angehenden Schauspielern unter ihrem Regisseur erbrachte Leistung war anerkennenswert, wenngleich es recht irritierend war, dass Tuchfabrikant Dreißiger offensichtlich eine Parodie auf den TV-Antihelden Stromberg von Pro7 darstellen sollte. Dies konnte jedoch nicht die Authentizität der Aufführung schmälern, die es den Zuschauern ermöglichte, sich in die Lage der leidgeprüften Weber zu versetzen und eine Antipathie gegen Dreißiger & Co zu entwickeln. Besondere

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Glaubwürdigkeit erzeugte das gekonnte Sprechen in gut verständlichem schlesischem Dialekt. Aus der Gesamtheit der Schauspieler stachen insbesondere die Darsteller des alten Hilse (Chris Wartig) sowie des Pastors Kittelhaus (Sven Dju-

Fotos: Mattias Lask rovic) hervor, deren Fähigkeiten in der Nachbesprechung des Stückes von den Mitschülern in auffälligem Maße gewürdigt wurden. Zur auditiven Unterstützung des Theaterspiels wurde mit zusätzlichen Toneinspielungen gearbeitet, die in der Regel eine passende Unterlegung der Handlung boten, mitunter jedoch auf eine eigenwillige Auslegung des Stückes hinwiesen. So ist es problematisch, „Wir sind

das Volk“-Rufe oder Anspielungen auf den südamerikanischen Freiheitskampf in Bezug zu einem Hungeraufstand in Schlesien zu setzen, da faktisch erhebliche Differenzen zwischen den politischen wie zeitgeschichtlichen Kontexten bestehen. Wenngleich die angebrachten Kritikpunkte nicht unerheblich sind, verringern sie nicht den Respekt, der den jungen Schauspielern, ebenso wie Regisseur Arved Birnbaum, der Hauptmanns Meisterwerk kurzweilig und stringent aufgebaut in Szene gesetzt hat, zu zollen ist. Den Darstellern darüber hinaus anzurechnen ist der schauspielerisch gelungen vollzogene Rollenwechsel zwischen den einzelnen Szenen, der dem Zuschauer zwar abverlangte, die wechselnd von verschiedenen Schauspielern dargestellten Figuren wiederzuerkennen, dafür jedoch die facettenreichen Kompetenzen der einzelnen Schauspieler zu Tage treten ließ. Besonders heben wir hervor, dass es dem Gerhart-Hauptmann-Haus gelungen ist, sich mit der Aufführung der „Weber“ auch an ein jüngeres Publikum zu wenden, was im Rahmen des Institutsauftrags, das Kulturgut der Deutschen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten und Osteuropa zu erhalten und weiterzugeben, zunehmend an Bedeutung gewinnt. Gerne werden wir weitere Veranstaltungsangebote des GHHs wahrnehmen und so soll dieser Besuch in Düsseldorf nicht der letzte gewesen sein. Tilman Fischer im Namen der Schüler des Deutsch-Leistungskurses 1 der Jahrgangsstufe 12 am Käthe-Kollwitz-Gymnasium Weitere Aufführungen: Mi, 26.08. | 19.00 Uhr Haus Lörick, Grevenbroicher Weg 70 in Düsseldorf, Theatersaal

Interessierte Schülerinnen und Schüler beim einführenden Vortrag

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Frauengeschichte

„Vor dem Gesetz sind alle gleich“ Über den Status sudetendeutscher Frauen Wenn man die Geschichte der Gleichstellung von Mann und Frau betrachtet, wird einem erst die erprobte Stellung der Frauen in der Sudetendeutschen Landsmannschaft bewusst. Sie war von Anfang an geprägt von selbstständiger Frauenarbeit und dem Mitspracherecht ihrer Vertreterinnen. Schon in den Vorgängerorganisationen wie beim „Hilfs- und Kulturverein der Sudetendeutschen“ in den Jahren nach der Vertreibung, aber auch nach der Konstituierung der Sudetendeutschen Landsmannschaft 1948/1949 auf Bundesebene und in den Gliederungen hatten die Vertreterinnen der Frauen, die Frauenreferentinnen, Sitz und Stimme in den Beschlussgremien – lange bevor die Gleichberechtigung in den Gesetzen Deutschlands und der Tschechoslowakei verankert wurde. Nach dem über 100 Jahre währenden Kampf um die Emanzipation in Europa erreichten die Frauen in den neuen Verfassungen Deutschlands und der Tschechoslowakei 1919 die Gleichstellung von Mann und Frau vor dem Gesetz. Stolz zog 1919 die erste Frau als Abgeordnete in den Reichstag der Weimarer Republik. In der damaligen Tschechoslowakei erhielten zwölf sudetendeutsche Frauen als Abgeordnete im Prager Parlament Sitz und Stimme. Die Freude über diesen Gongschlag in der Geschichte der Frauenbewegung währte in Deutschland nur kurz: In der „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ vom 28. Februar 1933 verschwanden alle Hinweise auf Gleichberechtigung. Die Frauenpolitik spielte sich abseits vom politischen Mitspracherecht nur in Frauenorganisationen ab, die der Führung eines NSDAP-Beauftragten unterstellt waren. Parteifunktionäre beriefen sämtliche Leiterinnen auf der höheren und mittleren Verbandsebene. Erst auf heftigen Protest der Frauen wurde die Führung der „NS-Frauenschaft“ auf Reichsebene Gertrud Scholz-Klink übertragen. Die Mitarbeit von Frauen in öffentlichen Ämtern wurde untersagt. Ausnahmen waren die NS-Frauenschaft, die NSV (Sozialorganisation), der BDM (Bund deutscher Mädel) mit der Gliederung „Kraft durch Freude“ und einige parteinahe Frauengruppen. Die Rolle der Frau wurde auf ihre Aufgaben in Haus und

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Familie beschränkt. Die natürliche Aufgabe der Frau sei, so wurde verlautbart, möglichst viele Kinder zur „Ausbreitung der arischen Rasse“ zur Welt zu bringen und im Sinne des Nationalsozialismus zu erziehen. Wie diese überhöhte Rolle gesehen wurde, kann in der Literatur und in Zeitungen nachgelesen werden und fand ihren makabren Ausdruck im „Lebensborn“, einer SS-Gruppierung zur rassenpolitischen Reinhaltung und Entwicklung. Zwischen 1919 und 1938 konnten die sudetendeutschen Frauen in der ersten ČSR ihrer eigenständigen Arbeit noch nachgehen. Neben der Wahrnehmung ihrer politischen Arbeit in Parteien und Parlamenten hatten sie auch hohes Ansehen in intellektuellen Gruppen, zum Beispiel in Prager Literaturkreisen oder

Politisch wach sein, Kultur erhalten, sich sozial engagieren, das betrachten die sudetendeutschen Frauen als ihr Programm. als Journalistinnen. 1938 wurde das Leben im Sudetenland den Bestimmungen des Deutschen Reiches untergeordnet, 1939 auch im „Protektorat Böhmen und Mähren“. Viele aktive Frauen in Parteien, Literaturkreisen und Zeitungsredaktionen emigrierten oder kamen in ein Konzentrationslager. Abgesehen von diesen politischen Entwicklungen seit 1919 erwarben sich sudetendeutsche Frauen in der Familie, als Mitarbeiterinnen ihrer Ehemänner in vielen Betrieben und vor allem in den sudetendeutschen Heimatschutzverbänden Einfluss und Ansehen. Nach Flucht und Vertreibung mussten sie alle ihre Fähigkeiten und Erfahrungen einsetzen, um für die Familien zu sorgen. Sie mussten oft Hilfsarbeiten annehmen, um den Lebensunterhalt zu verdienen; sie mussten für Kinder, Alte und Kranke an neuen Orten ein Heim bauen, und sie suchten die Mitglieder der zerrissenen und verstreuten Großfamilien und Heimatortsgemeinschaften und stellten die Kontakte wieder her. Der Freistaat Bayern war der erste, der in seiner Verfassung vom 1. Dezember 1946

die Gleichberechtigung von Männern und Frauen wieder einführte. Auch im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vom 22. Mai 1949 wurde in Artikel 3 und in der neuen Verfassung der „Deutschen Demokratischen Republik“ vom 7. Oktober 1949 in Artikel 20 die Gleichstellung wieder verankert. Doch im zivilen Leben in der Bundesrepublik Deutschland galt weiterhin der „Gehorsamsparagraph“ aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900, nach dem Frauen vor und nach der Volljährigkeit mit 21 Jahren die Entscheidungen ihres Vaters und später ihres Ehemannes gehorsam zu befolgen hätten. Verträge und andere rechtsverbindliche Papiere wie Arbeitsverträge mussten auch deren Unterschrift tragen. Nach der Rückkehr der Männer aus der Gefangenschaft kehrten die Frauen aber in großem Umfang „gehorsam“ zu Haus und Kindern zurück. In der „DDR“ wurde die Gleichstellung der Frauen dagegen sehr schnell praktiziert, vor allem bei der Berufstätigkeit. In der Bundesrepublik brachte erst das Gleichstellungsgesetz vom 1. Juli 1958 auch diese Angleichung. Weitgehend durchgesetzt wurde sie wohl erst von den Entwicklungen nach der Studentenbewegung nach 1968, der auch eine Entwicklung zum Feminismus folgte. Schon vor der offiziellen Anerkennung der Sudetendeutschen Landsmannschaft 1948/49 arbeiteten die Frauen in vielen Gruppen mit, ja viele Gruppengründungen sind ihrer Initiative zu danken. Sofort nach der Konstituierung der SL entstanden in vielen Ortsgruppen selbstständige Frauengruppen. Die Vertreterinnen der Frauen schlossen sich in Frauenarbeitskreisen auf Bezirks- und Landesebene und in den Heimatlandschaften zusammen. Für die Leitung dieser Arbeitskreise wurden Frauenreferentinnen gewählt. Sie hatten von Anfang an Sitz und Stimme in den Vorständen. So bestimmt es die Satzung unserer Landsmannschaft. Politisch wach sein, Kultur erhalten, sich sozial engagieren, das betrachten die sudetendeutschen Frauen als ihr Programm. Mit ihrer engagierten Mitarbeit erkennen sie an, dass ihnen eine lange vor dem Staat in der SL und in anderen Gruppierungen der Volksgruppe verwirklichte Eigenständigkeit mit Sitz und Stimme bei Entscheidungen und Zugang zu Ämtern gegeben war. Zum Wohle der Volksgruppe soll das auch so bleiben. Walli Richter (aus: Sudetendeutsche Zeitung, 15. Mai 2009)

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Heimatstuben

Erinnerungskultur und Generationsübergang Frühjahrstagung der AG Heimatstuben in Essen Die Kulturhauptstadt 2010, Essen, war im März dieses Jahres Veranstaltungsort für die Frühjahrstagung der Arbeitsgemeinschaft Ostdeutscher Museen, Heimatstuben und Sammlungen in Nordrhein-Westfalen mit dem Titel „Erinnerungskultur und Generationsübergang“. Im historischen Gebäude der ehemaligen

nen hatte. Im Mittelpunkt seines Referates stand die Bewertung der dinglichen und idealen Inhalte von Heimatstuben. Anhand von neun Wertekategorien erläuterte der Referent, wie sich die Bedeutung von Exponaten bestimmen lässt. Anhand dieser Kriterien, die in Fachkreisen anerkannt sind, lässt sich eine genaue Bestimmung

Michael Zeller in seinem Vortrag „Verborgene Geschichten sichtbar werden lassen“. Er berichtete über Erfahrungen mit einer Schreibwerkstatt, die er im Gerhart-Hauptmann-Haus durchführt. Anhand dieser modellhaften Aktivität wurde deutlich, wie in Heimatstuben die Erlebnisse der Bewohner einer Stadt überliefert werden können. In der anschließenden Diskussion, die der Tagungsleiter und stellvertretende Vorstandsvorsitzende der AG-Heimatstuben, Hans Jürgen Schuch, leitete, wurden unterschiedliche Methoden der Vermittlung des ostdeutschen Kulturerbes diskutiert. Es wurde dabei deutlich, dass zum Erhalt der Heimatstuben auch zeitgemäße Aktivitäten für die junge Bevölkerung erforderlich sind. Die Erlebnisgeneration hat dabei eine wesentliche Aufgabe zu erfüllen. Mattias Lask

Lebhafte Teilnehmer der Arbeitstagung Luisenschule, in der auch die Hindenburger Heimatsammlung die Stadtgeschichte in unterschiedlichen Räumen präsentiert, versammelten sich Leiter und Betreuer von Museen, Heimatstuben und Sammlungen, deren Bestände aus Ost- und Westpreußen, Pommern, Schlesien und anderen östlichen Regionen stammen. In ihrem Grußwort der Stadt Essen wies die Bürgermeisterin Annette Jäger auf die Bedeutung der Heimat hin, in der viele Bürger verwurzelt sind, und hob die besondere Bedeutung der Hindenburger Heimatstube hervor, die für viele Bewohner der Stadt Essen eine Stätte der Heimatfindung und Begegnung darstellt. Prof. Dr. Markus Walz von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig setzte seinen Vortrag „Zukünfte für Vergangenheiten – Der Generationsübergang für ostdeutsche Erinnerungsgüter“ fort, den er bei der Frühjahrstagung im Museum Königsberg in Duisburg begon-

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Arbeitsreiche Tagung

vornehmen und so auch eine sinnvolle Auswahl der Exponate treffen. Für den sich abzeichnenden Generationsübergang empfahl er, Informationen über die Bestände schriftlich zu verfassen. Die Leiterin der Hindenburger Heimatsammlung, Helga Zöllig, informierte die Tagungsteilnehmer über die Entwicklung und Perspektiven der Hindenburger Heimatsammlung. Die Eröffnung der Heimatsammlung am derzeitigen Standort, in der ehemaligen Luisenschule, zeigt Fotografien und Dokumente zur Stadtgeschichte von Hindenburg. Die Dauerausstellung informiert über die Geschichte der Stadt Hindenburg und Oberschlesien sowie über die Stadt Zabrze in einem gesonderten Raum. Bei der Führung durch die Räume der Dauerausstellung vermittelte Frau Zöllig ein lebhaftes Bild der Stadt Hindenburg O/S und des heutigen Zabrze. Impulse, erlebte Geschichte über Generationen hinweg zu erhalten, bot Dr.

Der Leiter der Bolkenhainer Heimatstube, Hans-Jochen Meier (r.), im Gespräch mit Prof. Dr. Dr. Udo Walz

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Chronologie Das Gerhart-Hauptmann-Haus bleibt im Juli geschlossen. Mit unserem Veranstaltungsprogramm sind wir nach den Sommerferien wieder für Sie da.

Mi | jeweils 19 bis 20.30 Uhr Probe der Düsseldorfer Chorgemeinschaft Ostpreußen-Westpreußen-Sudetenland Leitung: Iskra Ognyanova

Mo, 07.09. | 08 Uhr Exkursion zum Museumspark „Varusschlacht“ in Kalkriese (Siehe Seite 13) Di, 08.09. |15 Uhr Kinemathek „Jokehnen - Oder wie lange fährt man von Ostpreußen nach Deutschland“ Konferenzraum (Siehe Seite 14)

Mi, 05.08.,09.09. | jeweils 15 Uhr Ostdeutsche Stickerei mit Helga Lehmann und Christel Knackstädt Raum 311

Do, 10.09. | 19 Uhr „Czernowitzer Spaziergänge“ – Annäherungen an die Bukowina Autorenlesung von Othmar Andrée Konferenzraum (Siehe Seite 8)

Do, 13.08.,10.09. | jeweils 19.30 Uhr Offenes Singen mit Barbara Schoch Raum 412

Fr, 11.09. | 18 Uhr Verleihung des Andreas-GryphiusPreises an Arno Surminski (Siehe Seite 12)

Do, 20.08. | 19 Uhr Jahresveranstaltung der Künstlerwerkstatt Ausstellungsraum (Siehe Seite 9)

Mi, 16.09. | 19 Uhr „Die Varusschlacht – Was geschah im Teutoburger Wald?“ Vortrag von Dr. Christian Pantle Konferenzraum (Siehe Seite 5)

Di, 25.08. | 19.00 Uhr Hermann von Salza Hochmeister vor 800 Jahren Vortrag von Prof. Dr. Udo Arnold Konferenzraum (Siehe Seite 4) Do, 27.08. | 19 Uhr „Geheime Akten, vertrauliche Gespräche. Die deutsche Einheit aus nächster Nähe“ Vortrag von Dr. Klaus Oldenhage Konferenzraum (Siehe Seite 6) Fr, 28.08. | 19 Uhr pro rok Deutsche aus Rußland Eichendorff-Saal (Siehe Seite 18) Do, 03.09. | 18 Uhr „Thusnelda, Arminius und die Varusschlacht“ Buchpräsentation mit Gisa Pauly Konferenzraum (Siehe Seite 7)

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Do, 17.09. | 19 Uhr „Vuchelbeerbaamland“ Buchpräsentation mit Reglindis Rauca Konferenzraum (Siehe Seite 8)

das wir nachstehend in Auszügen vorstellen, sind Sie schon jetzt recht herzlich eingeladen. Mo, 05.10. | 19 Uhr „Heinz lebt!“ Eine kabarettistische Jubiläumsrevue zu Ehren von Heinz Erhardt Di, 06.10. | 19 Uhr „Es stehen höhere deutsche Dinge auf dem Spiel.“ Gerhart Hauptmann und das „Dritte Reich“ Vortrag von Günther Gerstmann Mi, 07.10. | 19 Uhr „Die Gründung der DDR vor 60 Jahren“ Vortrag von Werner Bader Mi, 21.10. | 19 Uhr Festveranstaltung zum 75. Geburtstag von Prof. Oskar Gottlieb Blarr Mo, 26.10. | 19 Uhr „20 Jahre nach dem Umbruch in Deutschland und Europa“ Vortrag von Ministerpräsident a. D. Prof. Dr. Bernhard Vogel Mi, 28.10. | 19 Uhr Willy Brandt – Buchvorstellung mit Prof. Dr. Helga Grebing Mo, 02.11. | 19 Uhr Dr. Michael Zeller zum 65. Geburtstag

Mi, 23.09. | 15 Uhr Kinemathek „Vienna’s Lost Daughters“ (Siehe Seite 14)

Mi, 11.11. | 19 Uhr „Weimarer und Bonner Demokratie“ Vortrag von Prof. Dr. Hans Mommsen

Mo, 28.09. | 19 Uhr Ausstellungseröffnung Nikolaus Rode und Waldemar Weimann Ausstellungsraum (Siehe Seite 10)

Di, 17.11. | 19 Uhr „Gerhart Hauptmann und Heinrich George“ Vortrag von Prof. Sigfrid Hoefert

Für Ihren Terminkalender Oktober / November / Dezember Das Gerhart-Hauptmann-Haus führt auch im letzten Quartal des Jahres zahlreiche Veranstaltungen durch. Zu dem vielfältigen Programm,

Do, 19.11. bis Sa, 21.11. Tagung der Preußischen Historischen Kommisssion Di, 08.12. | 19 Uhr Alice Schwarzer zum 100. Geburtstag von Marion Gräfin Dönhoff Änderungen vorbehalten

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nter dem Titel „Die Sudetendeutschen – Eine Volksgruppe in Europa“ präsentierte der Sudetendeutsche Rat, München, eine umfassende Ausstellung im GerhartHauptmann-Haus. Über einhundert Schautafeln informierten die zahlreichen Besucher über die wechselvolle sudetendeutsche Geschichte von ihren Anfängen bis zur Gegenwart. Bei der Eröffnung der Ausstellung (v. l.):Helmut Harbich, Vorstandsmitglied des Gerhart-Hauptmann-Hauses; Dr. Günter Reichert, Landesobmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Landesgruppe NRW; Dr. Ortfried Kotzian, Direktor des Hauses des Deutschen Ostens, München; PD Dr. Winfrid Halder, Direktor des Gerhart-HauptmannHauses.

Geöffnet

Servicezeiten der Verwaltung Mo-Do 8 - 12.30 ● 13 - 17 Uhr Fr 8 - 14 Uhr Servicezeiten der Bibliothek Mo-Mi 10 - 12.30 ● 13.30 - 17 Uhr Do 10 - 12.30 ● 13.30 - 18.30 Uhr

Viele weitere Informationen über das Gerhart-Hauptmann-Haus und zu den im Heft behandelten Themen finden Sie - rund um die Uhr - auch im Internet unter www.g-h-h.de.

Das „West-Ost-Journal“ erscheint vierteljährlich. Heftpreis: 2,50 € Abo-Bezugsmöglichkeit durch die nebenstehende Bestellkarte zum Jahresbezugspreis von 6,50 €

Herausgeber: Stiftung „Gerhart-Hauptmann-Haus. Deutsch-osteuropäisches Forum“ Vorsitzender des Kuratoriums: Reinhard Grätz Vorsitzender des Vorstandes: Konrad Grundmann † Bismarckstr. 90 40210 Düsseldorf Postanschrift: Postfach 10 48 61 40039 Düseldorf Telefon: (02 11) 16 99 10 Telefax: (02 11) 35 31 18 Mail: bergmann@g-h-h.de Internet:www.g-h-h.de

Redaktion: PD Dr. Winfrid Halder, Chefredakteur, Dirk Urland M.A. Satz und Layout: Markus Patzke Herstellung: Rautenberg Druck, Rautenberg Druck GmbH, Blinke 8, 26789 Leer/Ostfriesland

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er polnische Botschafter, Dr. Marek Prawda (l.), war am 22. April zu Gast im Gerhart-Hauptmann-Haus. In einem interessanten Vortrag stellte er fest, dass es im Hinblick auf die vergangenheitsbezogenen Debatten in beiden Ländern eine „Ungleichzeitigkeit“ gebe, die die Wahrnehmung des Nachbarn verzerre. Er bedauerte, dass der zu Beginn der 1990er Jahre geführte Diskurs nicht ohne Tabus zu Ende geführt worden sei. Polen fühle sich mißverstanden, weil sich „hochgeschraubte Erwartungen“ nicht erfüllt hätten.

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Das diesmalige Titelblatt spannt einen weiten Bogen über Hermann den Cherusker (r.), Hermann von Salza (l.), die Bundesrepublik Deutschland und den Weg zu einem erweiterten und vertieften Europa. Der Europawegweiser in der Mitte steht für ein Projekt „Jugend und Europa“ des Goethe-Instituts. Darunter interessierte jugendliche Zuhörer bei einer Veranstaltung im Gerhart-Hauptmann-Haus.

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