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WOJ 15. Jg. - 1/2009

Januar/Februar/März 2009

ISSN 0947-5273

Lesung

Kinemathek

Reisebericht

Ausstellung

Tagung

Vortrag

Ralph Giordano „Ostpreußen ade“

Der Fall Liebknecht/ Luxemburg

Nein zu Hitler! SPD und Freie Gewerkschaften 1933-1945

Czernowitz Entdeckung eines alten Traums

Heinz Schön über die Katastrophe der „Wilhelm Gustloff“

Flucht und Vertreibung im Spielfilm

Literatur

Arno Surminski liest in Düsseldorf Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus Deutsch-Osteuropäisches Forum www.gerhart-hauptmann-haus.de


Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

Inhalt Arno Surminski liest in Düsseldorf

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„Die Mauer wird auch noch in 50 oder 100 Jahren noch bestehen bleiben …“

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„Und ich sang in den Wind“

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Heilige und Scheinheilige

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„Ostpreußen ade. Reise durch ein melancholisches Land“

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Kaiser Wilhelm II. – Herrscher zwischen Modernität und Nervosität

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Die „Gustloff“-Katastrophe – wie sie wirklich war

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„Steingewordener Glaube“ – Kirchliche Architektur im Banat

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Nein zu Hitler!

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Flucht und Vertreibung im Spielfilm

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Im Dienste des Werkes von Gerhart Hauptmann

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Gerhart-Hauptmann-Tage 2009

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„Kinderzeichnungen aus Tschetschenien“

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Zum 90. Todestag Rosa Luxemburgs

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„Was wird aus den Heimatstuben?“

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Die große Flucht 1944/45 in grafischen Bildzeugnissen

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Die Besiedlung der Großen Wildnis

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Ich war ein Wolfskind aus Königsberg

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Der weite Weg gen Westen

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Altes bewahren – Neues entdecken

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Bibliothek

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Die Entdeckung eines alten Traumes

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Ostpreußen, Schlesien und Sudetenland

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Kritische Auseinandersetzung mit Prof. Detlef Brandes

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Retrospektive und Ausblick

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Dr. Winfrid Halder

Kulturpolitische Studienreise nach Böhmen und Mähren

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Impressum

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das West-Ost-Journal präsentiert sich, das haben Sie gewiss auf den ersten Blick bemerkt, zu Beginn des Jahres 2009 in einem neuen Gewand. Das Team der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus ist – nicht zuletzt dank kompetenter Verstärkung, die wir inzwischen erhalten haben – bestrebt, unsere Programmzeitschrift zu modernisieren. Das betrifft zunächst das äußere Erscheinungsbild; inhaltlich werden Sie wie gewohnt ausführliche Informationen zu allen unseren Veranstaltungen im ersten Quartal des neuen Jahres finden. Darüber hinaus wollen wir das Journal in Zukunft aber auch dadurch attraktiver gestalten, dass wir Gastbeiträge und Leserzuschriften abdrucken und zur Diskussion stellen. Der Erfolg dieses Vorhabens hängt in erster Linie von Ihnen ab: Wir sind dankbar für jede Art von Rückmeldung, jeden Kommentar und jeden konstruktiven Hinweis. Denn keineswegs glauben wir bereits die in jeder Hinsicht ideale Form gefunden zu haben. Helfen Sie uns also – bitte! – das Journal, aber auch unser Programm weiter zu verbessern, indem Sie uns Ihre Wünsche und Anregungen mitteilen. Im Programm des ersten Quartals erscheinen bereits einige inhaltliche Schwerpunkte, die im Laufe des Jahres in unterschiedlicher Form Berücksichtigung finden werden. Das Jahr 2009 birgt eine Vielzahl bedeutender Erinnerungsdaten, die wir würdigen wollen: Vor 90 Jahren wurde der Vertrag von Versailles unterzeichnet, der die europäische Landkarte ebenso radikal wie konfliktträchtig veränderte, vor 70 Jahren brach das NS-Regime den Zweiten Weltkrieg vom Zaun, der für Deutschland zur größten Katastrophe seiner Geschichte geriet, vor 60 Jahren wurde die Bundesrepublik Deutschland gegründet, das bislang erfolgreichste politische Gemeinwesen auf deutschem Boden, allen Schwächen und Fehlschlägen zum Trotz, fest gegründet auf die beste aller deutschen Verfassungen, vor 40 Jahren wurde die erste sozialliberale Koalitionsregierung gebildet, welche mit der „Neuen Ostpolitik“ eine wesentliche außenpolitische Kurskorrektur einleitete, die zu den wichtigen Voraussetzungen des Umbruchs in Europa am Ende der 1980er Jahre zählt, vor 20 Jahren schließlich fiel die Berliner Mauer und der Weg zur Vereinigung Deutschlands wurde frei. Neben diesen „großen“ Themen werden Sie im Programm aber auch eine Vielzahl anderer Dinge antreffen, die unserer Meinung nach Ihr Interesse verdienen. Den historischen Vorträgen und Veranstaltungen gesellen sich wie bisher Lesungen und Ausstellungen hinzu. So freuen wir uns besonders darauf, bereits Ende Januar mit Arno Surminski einen der prominentesten deutschen Schriftsteller der Gegenwart bei uns begrüßen zu dürfen. Unser „Namenspatron“ Gerhart Hauptmann wird durch die Aufführung seines wohl bekanntesten Dramas „Die Weber“ Ende März präsent sein. Vieles mehr erwartet Sie – wir freuen uns auf Ihren nächsten Besuch im Gerhart-Hauptmann-Haus, Ihren Beifall und Ihre Kritik! Herzlich Ihr

PS: Die Jugend gehört auch in unser Haus – bringen Sie sie mit! So wie wir unsere Tochter Ruth anlässlich des Weihnachtsmarktes 2008.

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Lesungen

Di, 27. 01. | 19 Uhr

Arno Surminski liest in Düsseldorf Arno Surminski ist gegenwärtig zweifellos neben dem einige Jahre älteren Siegfried Lenz der prominenteste deutsche Schriftsteller aus Ostpreußen. Er wurde 1936 in dem kleinen Dorf Jäglack geboren, das heute nur einen Steinwurf weit von der polnisch-russischen Grenze entfernt liegt. Als 1944/45 die Rote Armee Ostpreußen eroberte, erlebte auch der damals 9-jährige Surminski das ganze Grauen des Krieges. Er verlor seine Eltern, die in die UdSSR deportiert wurden, und gelangte allein mit viel Glück nach SchleswigHolstein, wo er Aufnahme fand. Seit 1972 lebt er als freier Schriftsteller und Jour- Arno Surminski nalist in Hamburg. Die Erinnerung an Ostpreußen gehört ganz wesentlich zum künstlerischen Schaffen Arno Surminskis. Er hat seiner Heimat in einer ganzen Reihe von Büchern literarische Denkmale gesetzt. Im Jahre 1974 erschien sein erster Roman „Jokehnen oder wie lange fährt man von Ostpreußen nach Deutschland?“, in dem Surminski auch autobiographische Motive verarbeitet hat. Das fiktive ostpreußische Dorf Jokehnen hat zweifellos manche Ähnlichkeit mit dem realen Jäglack – auch dies wird zum Schauplatz der Katastrophe von 1944/45. Das Buch wurde 1986 mit einer prominenten Besetzung (darunter Armin Mueller-Stahl) verfilmt; zu diesem Zeitpunkt hatte der Autor bereits mehrere inhaltlich verwandte Bücher veröffentlicht, die zum Teil ihrerseits verfilmt wurden (darunter „Kudenow oder an fremden Wassern weinen“, erschienen 1978, verfilmt 1981). Surminskis jüngster Roman „Vaterland ohne Väter“, dessen

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Handlung wiederum teilweise mit Ostpreußen verknüpft ist, erschien 2004. Er hat damit bislang insgesamt neun Romane vorgelegt, daneben mehrere Bände mit Erzählungen und zwei Kinderbücher. Arno Surminski wird aus älteren Arbeiten, aber insbesondere auch aus seinem jüngsten Buch lesen. Die Novelle „Die Vogelwelt von Auschwitz“ (erschienen 2008) beruht zum Teil auf Tatsachen. Die Jüdische Zeitung nannte Surminskis Buch „ein erschreckend hellsichtiges Gleichnis“, die Westfälische Rundschau lobte seinen „vortrefflichen Erzählstil“, die Lausitzer Rundschau seine „immense Sprachkraft“. Die Foto: privat Frankfurter Allgemeine Zeitung sprach von einer „wahrhaft unerhörten Novelle“ und deren „Valeur eines unaufhebbaren und erschütternden Missklangs, der freilich genau kalkuliert ist“. Die Lesung findet keineswegs zufällig am internationalen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus statt. Arno Surminski hat für sein Werk zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhalten, darunter den Kulturpreis der Landsmannschaft Ostpreußen (1982). Zuletzt wurde ihm 2008 der HanneloreGreve-Literaturpreis verliehen, der einer der höchstdotierten Literaturpreise in Deutschland ist. In der Begründung dazu hieß es unter anderem, Surminski sei „einer der profiliertesten Autoren, die sich mit Krieg und Nachkriegszeit und mit dem Schicksal der Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten auseinandergesetzt haben“, er habe „den Kriegsopfern eine Stimme verliehen“. W.H.

Erzählerische Werke von Arno Surminski Jokehnen oder Wie lange fährt man von Ostpreußen nach Deutschland? (1974, 1987 verfilmt) Aus dem Nest gefallen (1976) Kudenow oder An fremden Wassern weinen (1978, wurde 1981 verfilmt) Fremdes Land oder Als die Freiheit noch zu haben war (1980, wurde verfilmt) Wie Königsberg im Winter (1981) Polninken oder Eine deutsche Liebe (1984) Grunowen oder das vergangene Leben (1986) Gewitter im Januar. Erzählungen (1986) Malojawind. Eine Liebesgeschichte (1988) Aus dem Leben eines Buchhändlers (1989) Das dunkle Ende des Regenbogens (1989) Damals in Poggenwalde (1992, Kinderbuch) Kein schöner Land (1993) Besuch aus Stralsund. Erzählungen (1995) Sommer 44 oder Wie lange fährt man von Deutschland nach Ostpreußen? (1997) Die masurischen Könige. Weihnachtsgeschichten (1999) Eine gewisse Karriere. Erzählungen aus der Wirtschaft (2001) Die Kinder von Moorhusen (2001, Kinderbuch) Der Winter der Tiere (2002) Vaterland ohne Väter (2004) Gruschelke und Engelmanke. Geschichten auf Ostpreußisch und Hochdeutsch (2006) Die Vogelwelt von Auschwitz (2008)

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Vorträge

Mo, 19.01. | 19 Uhr

„Die Mauer wird auch noch in 50 oder 100 Jahren noch bestehen bleiben …“ Der Weg zur deutschen Einheit aus der Sicht eines Journalisten Vortrag von Werner Bader, ehem. Deutsche Welle Köln Am 19. Januar 1989 – vor genau 20 Jahren – äußerte der damalige Staatsratsvorsitzende der DDR, Erich Honecker, die Überzeugung, die Berliner Mauer, ja die ganze innerdeutsche Grenze werde noch „in 50 oder 100 Jahren bestehen bleiben.“ Etwa zwei Wochen später starb der 20-jährige Chris Gueffroy, von zehn Geschossen getroffen, die Angehörige der DDR-Grenztruppen auf ihn abgefeuert hatten, auf dem Grenzstreifen zwischen Treptow und Neukölln beim Versuch, von Ost- nach West-Berlin zu gelangen. Noch ahnte wohl kaum jemand, dass der junge Mann das letzte Todesopfer war, das das menschenverachtende Grenzregime der DDR fordern sollte. Keine zehn Monate

gegen Tatbeteiligte und politisch Verantwortliche wurden bis 2004 35 Angeklagte freigesprochen, 44 zu Bewährungs- sowie elf Angeklagte zu Haftstrafen verurteilt. Die ökonomisch bereits in den 1980er Jahren taumelnde DDR leistete es sich bis zur Maueröffnung die knapp 170 Kilometer langen, technisch aufwendigen Sperranlagen rund um West-Berlin durch fast 12.000 Mann des militärisch ausgerüsteten, unter anderem mit mehreren Hundert Schützenpanzerwagen ausgestatteten „Grenzkommandos Mitte“ bewachen zu lassen. Die Grenztruppen, die an der innerdeutschen Grenze stationiert waren, umfassten insgesamt rund 47.000 Mann. All das gehört längst der Vergangenheit an, in der die DDR – wie manche meinen – auf längere Sicht nicht mehr sein wird als eine Fußnote. Das wäre indessen falsch – denn über Öffnung des Brandenburger Tores am 22.12.1989 16 Millionen Deutnach Honeckers vollmundiger Ankün- sche haben in ihr einen Teil ihres Lebens digung wurde die Mauer geöffnet und zugebracht. Nicht nur dies, sondern auch die kommunistische Diktatur fiel in sich der Respekt vor den vielen Opfern der zusammen. Chris Gueffroy war der letzte SED-Diktatur – außer den Toten an der Mensch, den der Wunsch von Deutsch- Mauer und der innerdeutschen Grenze land nach Deutschland zu kommen, das – gebietet es, die Erinnerung wach zu Leben kostete. Alles in allem waren es erhalten und vor allem verharmlosenden zwischen 1961 und 1989 rund 200 Per- Legenden entgegenzutreten. Im Jahr 2009 sonen, die auf ähnliche Art und Weise liegt eben nicht allein die Gründung der gewaltsam zu Tode kamen. Die genaue Bundesrepublik Deutschland 60 Jahre Zahl der „Mauertoten“ ist bis heute – dank zurück – was wir eingehend würdigen systematischer Verschleierungsmethoden werden –, sondern auch die der DDR. Der der DDR-Behörden – unklar. In den so- Vortrag von Werner Bader stellt den ersten genannten „Mauerschützenprozessen“ um Teil einer gesamtdeutschen Rückschau auf 86 zweifelsfrei nachgewiesene Todesfälle die letzten sechs Jahrzehnte dar.

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Kaum jemand könnte geeigneter sein als der Vollblutjournalist Bader, den Weg zur deutschen Einheit nachzuzeichnen. Der gebürtige Brandenburger ist seiner Heimat östlich der Elbe immer verbunden geblieben – auch nachdem er die ersten Stationen seiner journalistischen Karriere im Berlin der Hochphase des Kalten Krieges längst hinter sich gelassen hatte und nach Köln zur Deutschen Welle gewechselt hatte. Jahrzehntelang ist Bader verantwortlich gewesen für das gesamte deutschsprachige Programm des einzigen weltweit zu empfangenden deutschen Hörfunksenders. In dieser Funktion ist er in der ganzen Welt herumgekommen – die Entwicklungen in der DDR hat er gleichwohl nie aus den Augen verloren. Hatte er doch ganz zu Beginn seiner journalistischen Tätigkeit als 24-Jähriger vom Gründungsparteitag der SED (April 1946) berichtet, als misstrauisch beäugter Vertreter eines West-Berliner Blattes. Das Misstrauen der DDR-Oberen ist an ihm haften geblieben und hat ihm eine tausend Seiten starke Akte bei der „Staatssicherheit“ Erich Mielkes beschert. Bader konnte seit den 1970er Jahren als Journalist gleichwohl wieder in die DDR reisen. Das hat ihm ungleich mehr Innenansichten des zweiten deutschen Staates verschafft als dies für die Masse der westdeutschen Politiker, die von Ereignissen der Jahre 1989/90 vollkommen überrascht wurden, der Fall war. Werner Bader wird in der unnachahmlich lebendigen Art, die ihm zueigen ist, aus seinen Erfahrungen mit und in der DDR berichten. Er verbindet – das wissen alle, die ihn kennen – den kühlen Blick der journalistischen Distanz mit dem Herzblut des echten Erzählers. Keineswegs von ungefähr ist Bader eng vertraut mit Leben und Werk seines großen brandenburgischen Landsmannes, des Journalisten und Erzählers Theodor Fontane. Er lebt heute wieder in seiner brandenburgischen Heimat, nachdem er sich vor 1990 neben seiner beruflichen Tätigkeit viele Jahre lang auch für die mitteldeutschen Landsleute eingesetzt hat, die wie er nicht bereit waren, sich der kommunistischen Diktatur zu unterwerfen. Bader hat nicht zuletzt lange Zeit im Kuratorium der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus mitgewirkt. Er ist Träger zahlreicher Auszeichnungen, darunter des Großen Verdienstkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. W.H.

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Lesungen

Mo, 09.03. | 19 Uhr

„Und ich sang in den Wind“ Lesung aus den Werken von Agnes Miegel mit Dr. Hajo Buch Keine deutschsprachige Dichterin wird in so starkem Maße mit Ostpreußen in Verbindung gebracht wie Agnes Miegel. Von Agnes Miegel zu sprechen heißt zugleich von Ostpreußen zu sprechen und das persönliche Schicksal der Ostpreußin ist eng mit dem Schicksal ihrer Heimat verbunden. Schon als Zwanzigjährige hielt die am 9. März 1879 geborene Königsberger Kaufmannstochter ihre erste Autorenlesung im Königsberger Artushof. 1901 wurden zum ersten Mal ihre Gedichte und Balladen im „Göttinger Musenalmanach“ veröffentlicht. Nachdem sie die Ausbildung zur Lehrerin aus Krankheitsgründen und wegen familiärer Aufgaben abbrechen musste, widmete sie sich schriftstellerischer Arbeit und erhielt 1916 gemeinsam mit dem Arbeiterdichter Heinrich Lerch den Kleistpreis. Seit 1920 bei der „Ostpreußischen Zeitung“ tätig, wurde sie 1924 mit der Ehrendoktorwürde der AlbertusUniversität ausgezeichnet. 1933 folgte die Wartburgrose, 1936 der Herderpreis der Goethestiftung, dann der Königsberger Ehrenbürgerbrief und der Goethepreis. Nach ihrer Flucht vor der Roten Armee und der Internierung in Dänemark fand die Dichterin eine neue Bleibe in Bad Nenndorf. Inzwischen für ihre Landsleute als „Mutter Ostpreußen“ zum Symbol der alten Heimat geworden, erlebte sie noch das Erscheinen der Gesamtausgabe ihrer Werke. Sie verstarb am 26. Oktober 1964. Ihr dichterisches Erbe wird beim Deutschen Literaturarchiv Marbach, bei der Agnes-Miegel-Gesellschaft in Bad Nenndorf und in der Staatsbibliothek zu Berlin aufbewahrt. Im Jahr 2008 beschäftigte sich im Gerhart-Hauptmann-Haus ein Vortrag von Dr. Burkhard Bittrich mit der neuerdings wegen ihrer vor 70 Jahren verfassten peinlichen Hitler-Hymnen und ihrer 1940 eingegangenen NSDAP-

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Mitgliedschaft politisch umstrittenen Dichterin. Der Vortrag „Eine ostpreußische Dichterin im Zwielicht“ ist im West-Ost-Journal (Nr. 3 und 4, 2008) nachzulesen. Am 9. März gedenkt nun die literarisch interessierte Öffentlichkeit des 130. Geburtstages der Dichterin. Der Rezitator und Philologe Dr. Hajo Buch liest an dem Abend lyrischen Gedichte, Balladen, Erzähltexte und Feuilletons von Agnes Miegel. Eintritt frei. M.P.

Jugendbildnis von Agnes Miegel aus dem Jahr 1901 Foto: Archiv Eugen Diederichs Verlag

Do, 05.02. | 19 Uhr

Heilige und Scheinheilige Ganz weltliche Satiren von Jan Cornelius Scheinheilige gibt es in unserer Gesellschaft wie Sand am Meer. Der Satiriker Jan Cornelius hat sich zu diesem Meeresstrand der (Schein)-Heiligen aufgemacht und dort für uns einige wunderbare Perlen aufgestöbert. Diese findet man in seinem Buch über „Heilige und Scheinheilige“, aus dem der Autor kurz vor dem Höhepunkt der fünften Jahreszeit lesen wird. Jan Cornelius ist Rumäniendeutscher und lebt seit über Jan Cornelius 30 Jahren in Düsseldorf. Er hat sich durch seine Satiren, die häufig im WDR gesendet werden, und durch seine humoristischen Bücher einen Namen gemacht. Über „Heilige und Scheinheilige“ schrieb die Rheinische Post: „Trotz des Buchtitels sind freilich weniger die Heiligen als viel mehr ganz Weltliches und vor allem allzu Menschliches das Thema. In kleinen sprachlichen Kabinettstückchen führt Cornelius uns

von einem Lachanfall zum nächsten, trittsicher über Schmunzelstrecken und Grinseabschnitte. So gönnt er uns eine geistige Erholung und intellektuelle Erfrischung, wie sie nur gute Satiriker bewirken können. Die kurzen hoch unterhaltsamen Geschichten aus der abgedrehten Welt des realen Wahnsinns erlauben den Lachmuskeln ein Austesten der Grenzen ihrer Belastbarkeit.“ Foto: Jan Cornelius „Cornelius ist ein Meister des augenzwinkernden Humors, ein Jongleur mit jeder denkbaren Facette der Absurdität, die sich am Alltäglichen festmachen lässt. Er spielt mit Eindrücken und Erlebnissen, seziert sie bis ins Kleinste und reiht die Einzelteile neu auf, dass eine Kette von komischen Kleinoden entsteht, die man sich für triste Tage aufbewahren möchte“, urteilt der WDR. Eintritt frei. M.P.

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Vorträge

Do, 26.02. | 19 Uhr

Kaiser Wilhelm II. – Herrscher zwischen Modernität und Nervosität Vortrag von Prof. Dr. Kurt Düwell, Heinrich-Heine-Universität

Kaiser Wilhelm II. ( 1858-1941)

Am 27. Januar 2009 jährt sich der Geburtstag Wilhelms II., des letzten deutschen Kaisers und Königs von Preußen zum 150. Mal. Wie kaum ein anderer deutscher Monarch ist er heute noch medial präsent – davon zeugt etwa die vielbeachtete Filmdokumentation „Majestät brauchen Sonne“ von Peter Schamoni, die im Jahre 1999 erfolgreich in den deutschen Kinos lief und mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet wurde. Das Titelblatt des Spiegel-Sonderheftes „Preußen“ (Nr. 3/2007) zierte prompt ein Porträt

Mi, 18.03. | 19 Uhr

„Ostpreußen ade. Reise durch ein melancholisches Land“ Lesung mit Ralph Giordano Der in Hamburg geborene Schriftsteller aus Giordanos Ostpreußen-Erfahrung und Journalist Ralph Giordano, inzwi- hervorgegangenen Buch Einzigartigkeit, schen 85 Jahre alt, ist streitbar wie eh und Siegfried Lenz sprach von einer „Lieje, so wie ihn die deutsche Öffentlichkeit beserklärung mit Trauerrand“. Ralph seit Jahrzehnten kennt. Bekannt ist Gi- Giordano beschreibt die Schönheit einer ordano aber nicht nur für seinen Mut zur Region Europas, die von der Geschichte Konfrontation, dort heimgesucht wurde. wo ihm diese nötig Die einst deutsche erscheint, sondern Provinz Ostpreuauch für seine Fäßen wurde durch higkeit zur präzisen die nationalsoziaBeobachtung und listische Aggression brillanten Beschreiverspielt, die Menbung. Als Autor hat schen dort wurden er in ungezählten Opfer einer unverReisen die ganze antwortlichen PoliWelt kennengelernt Der Journalist, Schriftsteller und tik. Der Verlust ist und immer wieder Regisseur Ralph Giordano unwiderruflich, die fesselnde ReportaErinnerung bleibt. gen vorgelegt. Kaum Und die Wiederbeeine Region, die Giordano besucht hat, gegnung ist möglich, nicht nur in Ralph hat ihn jedoch so tief berührt wie Ost- Giordanos Buch, sondern auch in der preußen, wohin er in den 1990er Jahren Gegenwart eines endlich in Freiheit gein anderthalb Jahren vier längere Reisen einten Europa. unternahm. Er erfüllte sich damit selbst Die Veranstaltung findet als gemeinsame einen Traum aus früher Jugend, er folgte Veranstaltung in der Volkshochschule „einer kindlichen Liebe und Faszination, Düsseldorf, Bertha-von Suttner-Platz, die sich nicht besiegen lassen wollte.“ Saal 1 statt. Marion Gräfin Dönhoff bescheinigte dem Eintritt: 10,- EUR W.H.

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Wilhelms II., der auch in der populären Historiographie offenbar neben Otto von Bismarck und Friedrich dem Großen noch immer als bekanntester Repräsentant des einst größten deutschen Einzelstaates und des Kaiserreichs gilt. Der Grad der Bekanntheit korrespondiert im Falle Wilhelms II. mit dem seiner Umstrittenheit. Bereits als er noch als Kaiser und König amtierte, war Wilhelm II. in Anbetracht seines nicht selten provozierenden Auftretens Gegenstand heftiger Kritik zahlreicher Zeitgenossen im In- und Ausland. Seine historische Rolle wurde nach der erzwungenen Abdankung im November 1918 und seiner Flucht ins niederländische Exil noch kontroverser diskutiert. Insbesondere über die Bewertung der persönlichen Mitverantwortung des Kaisers für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges und damit für den daraus folgenden Untergang des (zweiten) deutschen Kaiserreichs wird noch immer gestritten. So unterstellt etwa Wilhelms britischer Biograph John Röhl ihm im jüngst erschienenen dritten Band seiner monumentalen Lebensbeschreibung der schlechthin Hauptschuldige am Kriegsausbruch zu sein. Gegen diese bereits früher vorgetragene These Röhls regte und regt sich Widerstand nicht zuletzt aus der deutschen Geschichtswissenschaft. Eines ist gewiss: Einfach ist die Auseinandersetzung mit Wilhelm II. nach wie vor nicht. Mit Prof. Dr. Kurt Düwell konnten wir einen beschlagenen Referenten für eine differenzierte Auseinandersetzung mit Wilhelm II. gewinnen. Kurt Düwell hat in Köln studiert und sich dort 1974 habilitiert. Im Jahre 1977 wurde er als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an die Universität Trier berufen. 1995 übernahm er den Lehrstuhl für Neuere Geschichte und Landesgeschichte an der HeinrichHeine-Universität in seiner Heimatstadt Düsseldorf. Seit 2002 ist er emeritiert. Prof. Düwell hat eine Vielzahl von Publikationen, insbesondere zur Geschichte der Kulturpolitik im Kaiserreich, zur Weimarer Republik und zum NS-Staat sowie zur Geschichte des rheinischen Raumes vorgelegt. W.H.

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Vorträge

Mi, 11.02. | 19 Uhr

Die „Gustloff“-Katastrophe – wie sie wirklich war Der Überlebende der Tragödie Heinz Schön berichtet Mehr als 8 Millionen zeitgeschichtlich interessierte TV-Zuschauer haben Anfang März 2008 den von der UFA PotsdamBabelsberg für das ZDF produzierten 2-teiligen Spielfilm „Die Gustloff“ und nicht viele weniger die ebenfalls zweiteilige Dokumentation der Redaktion Zeitgeschichte des ZDF gesehen. Wenngleich dieser vom Produzenten Norbert Sauer und dem Drehbuch-Autor Dr. Rainer Berg als Antikriegsfilm konzipierte Film nicht alle Erwartungen, vor allem der Kritiker, erfüllte, verbreitete er das Wissen über den Untergang der „Wilhelm Gustloff“ am 30. Januar 1945 in der Ostsee, der, gemessen an der Zahl von weit mehr als 9000 Todesopfern, als größte Schiffskatastrophe der Geschichte gilt. Der Film folgte damit der 2002 von Grass veröffentlichten Novelle „Im Krebsgang“, in der der Literatur-Nobelpreisträger die letzte Fahrt der „Gustloff“ in den Mittelpunkt seines literarischen Werkes stellte; sie wurde, in 25 Sprachen übersetzt, in 30 Ländern der Erde verbreitet, ein Welterfolg und trug weltweit zum Bekanntwerden der Tragödie des Flüchtlingsschiffes bei. Beide, sowohl der Spielfilm „Die Gustloff“ als auch die Grass-Novelle „Im Krebsgang“ basierten auf dem Wissen eines Überlebenden der „Gustloff“ – Tragödie, der seit mehr als 60 Jahren mit dem Schicksal dieses Schiffes, dessen Untergang er als zur Handelsschiffsbesatzung gehörenden Zahlmeister-Assistent erlebte, beschäftigt: Heinz Schön. Kein anderer Überlebender, Zeitzeuge oder Historiker hat sich mit dem Schicksal der „Gustloff“ so intensiv und kontinuierlich beschäftigt, wie der heute 82-Jährige. 1952 veröffentlichte Heinz Schön sein erstes Buch „Der Untergang der Wilhelm Gustloff“. 1958/59 nutzte es der deutschamerikanische Antikriegsfilm-Regisseur Frank Wisbar für den Spielfilm „Nacht fiel über Gotenhafen“ und nahm Heinz Schön mit ins Boot als Mitarbeiter am Drehbuch und Fachberater zum Film „Die letzte Fahrt der Wilhelm Gustloff“, Autor Heinz Schön. Unermüdlich, neben seinem Hauptberuf als Fremdenverkehrsdirektor der Stadt Herford und Leiter des Herforder Stadttheaters, arbeitete er weiter an seinem Lebenswerk und schuf das größte private Dokumentararchiv über das 1938

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in Dienst gestellte Kreuzfahrtschiff „Wilhelm Gustloff“, das als Arbeiter-Urlaubsund Propaganda-Schiff der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ begann und am 30. Januar 1945 als Flüchtlingsschiff, von drei russischen Torpedos getroffen, auf den Grund der Ostsee sank. Unter den neuneinhalbtausend Toten befanden sich nach Angaben von Heinz Schön etwa 5000 Kinder. 1984, ein Jahr vor dem 40. Jahrestag der Katastrophe, an dem sich zum ersten Male, von Heinz Schön organisiert, überlebende der „Gustloff“ und deren Retter im Ostseebad Damp trafen, erschien im Stuttgarter Verlagshaus Paul Pietsch seine große Dokumentation, das Ergebnis einer mehr als 35jährigen Vorarbeit: „Die Gustloff-Katastrophe – Bericht eines Überlebenden“.

produziert und vom ZDF im März 2008 gesendet, hat ein Millionenpublikum angesprochen und er hat die Menschen bewegt, nicht nur Flüchtlinge die das Glück hatten, über die Ostsee gerettet zu werden. Der Film hat viele Fragen aufgeworfen: Führten Versäumnisse und Fehlentscheidungen der Schiffsleitung in die Katastrophe? Wer trug die Verantwortung dafür, dass die „Gustloff“ mit über zehntausend Menschen an Bord ohne ausreichendes Geleit Gotenhafen verließ? Warum fuhr das Schiff nicht den Küstenweg, der einen U-Boot-Angriff unmöglich machte und den einen Tag später der Flüchtlingsdampfer „Hansa“ wählte und mehr als 7000 Flüchtlinge in einen sicheren westlichen Hafen brachte? Woher kam der mysteriöse Funkspruch der die Schiffsleitung zu der verhängnisvollen Entscheidung zwang, Positionslichter zu setzen, die dem russischen U-Boot-Kommandanten die Torpedierung erleichterte? Warum hatte die „Gustloff“ vier Kapitäne, die

Die „Gustloff“ im Hafen von Funchal vor Madeira Als Norbert Sauer, UFA-Geschäftsführer und Film-Produzent, angeregt durch die Lektüre der Grass-Novelle „Im Krebsgang“, dieses Buch gelesen hatte, fasste er 2002 den Entschluss, über die letzte Fahrt der „Gustloff“ einen Spielfilm zu produzieren und – wie Frank Wisbar es bereits 1958 getan hatte – Heinz Schön für die Mitarbeit am Drehbuch und als Fachberater bei den Dreharbeiten zu engagieren. Der Film von der UFA als Zweiteiler

Foto: Nelk

alle gerettet wurden während tausende Flüchtlinge sterben mussten? Reichten die Rettungsmittel aus und ist alles zur Rettung von Frauen und Kindern getan worden – und nicht zuletzt blieb im Film die Frage offen „War die Versenkung des Flüchtlingsschiffes „Wilhelm Gustloff“ mit mehr als neuntausend Frauen und Kindern an Bord durch das sowjetische U-Boot „S 13“ unter dem Befehl von Alexander Marinesco ein Kriegsverbrechen – oder – warum nicht? D.U.

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Ausstellungen

Vom 27.03. - 30.04.2009

„Steingewordener Glaube“ – Kirchliche Architektur im Banat Das Donauschwäbische Zentralmuseum Ulm zeigt in seiner Ausstellung die Entstehungsgeschichte der sakralen Architektur des Banats im 18. Jh. und die gegenwärtige Situation der Baudenmäler. Grundlage sind moderne Architekturfotos, die mit historischen Aufnahmen sowie Plan- und Kartenmaterial korrespondieren. Nach der Eroberung umfangreicher Gebiete in Südosteuropa ging das Banat 1718 vom Osmanischen Reich in den Besitz der Habsburger über. Die Region war in einem so hohen Maß entvölkert, dass erst die Neubesiedlung den wirtschaftlichen Aufbau und die Einrichtung einer neuzeitlichen Kulturlandschaft ermöglichte. Parallel zur Kolonisation des Landes erfolgte die kirchliche Reorganisation. Zunächst war nur katholischen Siedlern die Einwanderung gestattet. Nach der Auffassung der Monarchie gewährleisteten diese allein, das Land zu einer Vormauer des christlichen Abendlandes auszubau-

en. Die hohe Zahl der Einwanderer und die daraufhin erfolgten Neugründungen bzw. der Wiederaufbau von Städten und Dörfern führten zu einer außergewöhnlich umfangreichen Bauproduktion. Alle Kirchenbaupläne mussten vom Wiener Hofbauamt genehmigt werden. Individuelle Lösungen waren weder möglich noch erwünscht. Spätestens ab dem Zeitpunkt, als auch die Kosten für den Hausbau der Kolonisten durch die öffentliche Hand übernommen wurden, begann der serielle Kirchenbau mit Hilfe von Typisierungsmodellen. Der Banater Typus fand in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch in anderen Regionen des Habsburgerreiches Verwendung. Der Kirchenbau erfolgte im Zeichen der Aufklärung, wobei auf eine aufwändige und prunkvolle Gestaltung verzichtet wurde, weil diese „die Stille der Seele stöhren, die Gedanken zerstreuen und die hochachtungsvolle Aufmerksamkeit auf göttliche

Temeswar/ Timişoara, SanktGeorgsKathedrale, 1736 - 1774

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Innenansicht 1990 Wahrheiten schwächen kann.“ Die Dorfkirche ist ein Phänomen innerhalb der Architektur dieser Region. Sie besticht weder durch besondere Schönheit noch durch innovative Lösungen als Zeichen einer Stilepoche. Ihre Bedeutung ergibt sich aus der Baugeschichte, aus ihrer Funktion innerhalb der Kulturlandschaft und ihrer Rolle im Glaubensleben. Dabei wurde nichts dem Zufall überlassen, sondern alles bis ins Detail geplant. Der Landkirchenbau – und dies gilt für alle christlichen Religionen der Region – war wegweisend für die Architekturgeschichte der Monarchie als Bestandteil der Kolonisationsgeschichte. Hier an der Peripherie der Vielvölkermonarchie wurden Lösungen gefunden, die die Neubesiedlung des Landes zu einem gewinnbringenden Ergebnis brachten und die bis heute das Banat prägen. Dabei beschränkte sich diese Prägung nicht nur auf das immobile Kulturerbe, sondern betraf gleichzeitig auch die Mentalität der Bewohner. D.U. Eröffnung: Freitag, 27.03.2009 – 18 Uhr im Foyer vor dem Eichendorff-Saal. Es sprechen: Konrad Grundmann, Staatsminister a. D., Vorstandsvorsitzender des Gerhart-Hauptmann-Hauses PD Dr. Winfrid Halder Direktor des Gerhart-Hauptmann-Hauses Barbara Gaug Vorsitzende der Landsmannschaft der Banater Schwaben NRW Einführung: Dr. Swantje Volkmann Donauschwäbisches Zentralmuseum, Ulm.

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Ausstellungen

Vom 06.02. - 07.03.2009

Nein zu Hitler! Sozialdemokratie und Freie Gewerkschaften in Verfolgung, Widerstand und Exil 1933 - 1945 Für die deutsche Sozialdemokratie und Strukturen im Inland, wo durch die Terdie Freien Gewerkschaften stellt das Jahr roraktionen im Frühjahr 1933 zunächst 1933, die Errichtung der nationalsozia- eine ganze Schicht von Mandats- oder listischen Diktatur in Deutschland und Funktionsträgern ausgeschaltet wurde, die die Zerschlagung der Organisationen der eigentlich als Basis des Widerstandes in Arbeiterbewegung, die tiefste Zäsur in Frage kam. Um die realen Bedingungen ihrer Geschichte dar. Dass es SPD und für die Widerstandsarbeit im Frühjahr Gewerkschaften dennoch gelang, in der Il- 1933 zu verdeutlichen, wird im ersten Teil legalität Widerstandsstrukturen aufzubau- der Ausstellung dem Verfolgungsaspekt en und vom Exil aus breiter Raum einihre politische Arbeit geräumt, aber auch fortzusetzen, ist das an das mutige Nein Verdienst Tausender SPD-Fraktion der Mitglieder, die im Reichstag gegen bereit waren, dafür das Ermächtigungsihre Freiheit und ihr gesetz am 23. März Leben zu riskieren. 1933 erinnert. Ihr mutiges Handeln Bei der Entstehung steht im Mittelpunkt des Inlandswiderder Ausstellung, mit standes werden tyder das Archiv des pische Situationen Historischen Forumrissen, die zum schungszentrums der Aufbau von WiderFriedrich-Ebert-Stifstandskreisen und tung an Verfolgung, -netzen führten. DaWiderstand und Exil bei wird sichtbar, von Sozialdemokradass Resignation tinnen und Sozialund Rückzug vieler demokraten sowie Mitglieder der ArDer Vorsitzende der SPD, Otto Wels, Gewerkschaftsmitbeitsorganisationen begründet die Ablehnung des Ermächgliedern erinnert. ins Privatleben nicht tigungsgesetzes bei einer Veranstaltung Die Ausstellung gleichbedeutend mit des Reichsbanners präsentiert auf 40 einem dauerhaften Tafeln mehr als 250 Sich-Abfinden mit Exponate, von denen ein großer Teil aus der neuen Situation waren. Oft fand der den Beständen des Archivs der sozialen „Wartestand“ ein Ende, sobald sich für Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung den Einzelnen neue Optionen, etwa durch stammt. Wiederbelebung alter Kontakte, ergaben. Der erste Abschnitt zeigt, wie die im Früh- Bei den vorgestellten Aktivitäten handelte jahr 1933 in Gang gesetzte Terrorwelle ge- es sich häufig um das Engagement von gen Sozialdemokraten und Gewerkschaf- Funktionsträgern aus der „zweiten Reihe“, ter zu kontroversen Diskussionen über vor allem auch von jüngeren Mitgliedern, die einzuschlagenden Abwehrstrategien die sich mit der Situation im „Dritten führte – Auseinandersetzungen, die jedoch Reich“ auf keinen Fall abfinden wollten. durch die rasche Zerschlagung der Partei- Am Beispiel einiger Inlandsgruppen werund Gewerkschaftsorganisationen beendet den typische Formen des sich entwickelnwurden. Die Ausstellung dokumentiert die den und in Netzwerken verfestigenden Entscheidung der Führungsgremien der sozialdemokratischen und gewerkschaftSPD für Exil und Illegalität, die relativ lichen Widerstandes dargestellt. rasch den Aufbau eines Widerstandsnetzes Thematisiert wird auch die Rolle der vom Ausland aus ermöglichte. Schwie- sozialistischen Zwischengruppen (Neu riger war die Schaffung entsprechender Beginnen, SAP, ISK) im Widerstand, die –

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entstanden in der Weimarer Republik teils im Konflikt mit der SPD – ihre Positionen in die Diskussion über Ursachen und Folgen der politischen Niederlage der Arbeitsbewegung im Frühjahr 1933 kritisch einbrachten, mit SPD und Gewerkschaften zeitweise eng zusammenarbeiteten und im Vergleich zur Zahl ihrer Mitglieder eine herausragende Rolle im Widerstand spielten. Der Widerstand von Sozialdemokraten, Gewerkschaftern oder Angehörigen linkssozialistischer Gruppen war fast immer gewaltfrei; das entsprach dem Selbstverständnis der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung. Die Situation im Zweiten Weltkrieg mit seinen Millionen Toten und die Deportation und Ermordung der Juden weckten auch in konservativen Kreisen Widerstand; um Beck und Goerdeler sowie im Kreisauer Kreis wurden Staatsstreichpläne entwickelt, an denen sich einzelne Sozialdemokraten und Gewerkschafter beteiligten. Mehrere Ausstellungstafeln beleuchten die Mitwirkung von Sozialdemokraten und Gewerkschaftern am Widerstand im Umfeld des 20. Juli 1944 und zeigen, dass einigen von ihnen, z. B. Wilhelm Leuschner, eine tragende Rolle in einer neuen Regierung nach dem Umsturz zugedacht war. Als durchgängiges Gestaltungselement der Ausstellung wurde das „Herunterbrechen“ der Geschichte des Widerstandes auf die Lebenswege einzelner Personen gewählt. Zwölf biographische Porträts spiegeln die Komplexität der Widerstands- und Verfolgungssituationen wider. Die mit ihren Biographien vorgestellten Personen stehen für viele andere, die ebenso mutig waren. Die meisten von ihnen waren nicht „prominent“, sondern politisch engagierte Frauen und Männer, die sich verpflichtet fühlten, dem verbrecherischen Regime entgegenzutreten. Ihr Schicksal steht stellvertretend für das von vielen Ungenannten. D.U. Eröffnung: Freitag, 6. Februar 2009 - 18 Uhr Es sprechen: Konrad Grundmann Staatsminister a. D., Vorstandsvorsitzender des Gerhart-Hauptmann-Hauses PD Dr. Winfrid Halder Direktor des Gerhart-Hauptmann-Hauses Einführung: Prof. Dr. Klaus Hänsch, MdEP Eine gemeinsame Veranstaltung mit der VHS Düsseldorf.

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Tagungen

Fr, 23. 01. | 10 Uhr

Flucht und Vertreibung – Das Thema und seine Verarbeitung im Spielfilm Tagesseminar mit Dr. Michaela S. Ast, Datteln Der aufwendig produzierte Zweiteiler „Die Flucht“ mit Maria Furtwängler in der Hauptrolle hat der ARD im Frühjahr 2007 einen der größten Einschaltquoten-Erfolge ihrer Geschichte beschert. Beide Teile wurden jeweils von rund 20 Millionen Zuschauern verfolgt – ein Traumergebnis für die Fernsehmacher. Die dramatische Spielhandlung um die fiktive ostpreußische Gräfin, die den Untergang ihrer Heimat 1944/45 miterlebt und miterleidet, hat so viele Menschen an den Bildschirm gebannt wie es keine historische Dokumentation zuvor je zuvor vermocht hat. Die Verantwortlichen für die Produktion haben die erstaunliche Konjunktur des Sujets Flucht und Vertreibung, die in der

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deutschen Öffentlichkeit nunmehr schon seit einigen Jahren erkennbar ist, offenbar erfolgreich genutzt. Allerdings stellt „Die Flucht“ keineswegs die erste filmische Verarbeitung des Themas dar. Vielmehr kam mit „Grün ist die Heide“ bereits 1951 (!) ein thematisch verwandter Film in die Kinos der jungen Bundesrepublik Deutschland, der sich rasch als der Kassenschlager des Jahres erwies. Dies hatte gewiss auch damit zu tun, dass das Publikum hier das neue „Traumpaar“ Sonja Ziemann und Rudolf Prack nach dem Riesenerfolg von „Schwarzwaldmädel“ im Jahr zuvor erneut zu sehen bekam und dass einige vertraute Gesichter aus UFA-Produktionen der vorangegangenen Jahre ebenfalls wieder auftraten – d a r u nt e r Stars wie Maria Holst, Willy Fritsch und Otto Gebühr. Beide Filme – „Die Flucht“ und „Grün ist die Heide“ – gehe n , d e r vordergründigen thematischen Nähe z u m Trotz, inhaltlich ganz andere We g e . D i e unterschiedliche Art und We i s e d e r Verarbeitung i s t je we i l s nicht zu trennen von den zeitgeschichtlichen Rahmenbedingungen der Entstehungszeit, insbesondere dem in ständiger

Wandlung befindlichen öffentlichen Geschichtsbewusstsein. Das Tagesseminar richtet sich auf die Erörterung der Entstehungsgeschichte und der inhaltlichen Gestaltung beider Filme, um so auch die Wahrnehmungsunterschiede des Themas Flucht und Vertreibung in der deutschen Öffentlichkeit sichtbar werden zu lassen. Wir zeigen beide Filme (im Falle von „Die Flucht“ aus Zeitgründen lediglich Teil 2), in die die Referentin jeweils vorab kurz einführt. Nach der zweiten Filmvorführung folgt ein zusammenfassender Vortrag, in dem auch auf andere einschlägige Filmproduktionen eingegangen wird. Anschließend besteht die Möglichkeit zur Diskussion. Die Referentin, Frau Dr. Michaela S. Ast, hat an der Ruhr-Universität Bochum Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften sowie Kunstgeschichte und Pädagogik studiert. Im Jahre 2007 wurde sie mit einer filmwissenschaftlichen Arbeit promoviert. Sie war an der Ruhr-Universität als Mentorin tätig und hat darüber hinaus zahlreiche Erfahrungen im Medienbereich gesammelt. In Anbetracht der Länge der Veranstaltung (10 bis ca. 15 Uhr) bietet die Stiftung allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern in der Mittagspause einen kostenlosen Imbiß an. Dazu erbitten wir eine formlose Anmeldung unter info@g-h-h.de oder telefonisch unter 0211/1699114. W. H.

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Das Interview

Im Dienste des Werkes von Gerhart Hauptmann Dr. Walter Engel im Gespräch mit Prof. Dr. Sigfrid Hoefert Beim Erscheinen des dritten Bandes der „Internationalen Bibliographie zum Werk Gerhart Hauptmanns“ (2003) von Sigfrid Hoefert schrieb der bekannte Literaturhistoriker und Hauptmann-Biograph Eberhard Hilscher: „Kann man ein Buch mit lauter Literaturangaben, Daten und Fakten zur unterhaltsamen Lektüre empfehlen? Man kann es. Sigfrid Hoeferts Bibliographie zum Werk Gerhart Hauptmanns dokumentiert vor allem die erstaunliche Überlebensfähigkeit und Fortwirkung des Dichters.“ Impulse zur „Fortwirkung“ des schlesischen Dichters und zur weiteren internationalen Forschungsarbeit an seinem Werk gingen desgleichen von anderen Publikationen Sigfrid Hoeferts aus, darunter von seinen Büchern „Das Drama des Naturalismus“ (in der Reihe Metzler, 4. Aufl. 1993) und „Gerhart Hauptmann und der Film“ (1996). Auch Jahre nach seiner Emeritierung setzt Prof. Hoefert seine Forschungen im Dienste des Werkes von Gerhart Hauptmann fort und hält engen und regen Kontakt zur Gerhart-Hauptmann-Gesellschaft in Deutschland und Polen. Das folgende Gespräch fand an seiner alten Wirkungsstätte, dem Department of German and Slavic Studies der University of Waterloo, statt. Es hat Sie nach dem Zweiten Weltkrieg als junger Mensch, Sie waren kaum zwanzig, aus dem inzwischen historischen Ostdeutschland nach Kanada verschlagen. Wo und wie hat Ihre Karriere als Germanist begonnen? Prof. Hoefert: Nach den üblichen, aus heutiger Sicht aber auch unüblichen Schuljahren im Deutschland der Kriegsjahre studierte ich Germanistik in Toronto, wo ich über Max Halbe promovierte. Mein Doktorvater war Prof. Böschenstein, der aus der Schweiz stammte und während des Zweiten Weltkriegs hier tätig war. Er versorgte, nebenbei bemerkt, die deutschen Kriegsgefangenenlager in Kanada mit deutscher Literatur. Er gab nach dem Krieg ein Buch heraus über die deutsche Literatur während der Nazizeit. Das Buch ist heute vergessen. Es würde sich lohnen, es noch mal anzusehen. Ich wollte eigentlich über Gryphius schreiben, also die Literatur des 17. Jh. weil mich die Verbindung zwischen der deutschen und niederländischen Literatur zu faszinierte. Ich habe einige Zeit in den Niederlanden zugebracht, beherrsche auch das Niederländische, das ich vorübergehend in Amsterdam studiert habe. Nach meiner Promotion kam ich als Lektor an die Universität Waterloo, die gerade ihren humanwissenschaftlichen Bereich ausbaute. In der Zeit waren einige Germanistik-Kollegen hier tätig, die meist einen slawistischen Hintergrund hatten, darunter zwei Russlanddeutsche. Mein

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erster Chef war ein Russlanddeutscher, ein ehemaliger Hauptmann der Roten Armee deutscher Abstammung. Wir sind ganz gut miteinander ausgekommen. Meine ostdeutsche Herkunft geht zurück auf Pommern, Danzig, Ostpreußen, wo die Familie herkommt. So war mir das Slawische zugänglicher als manch

Studies Department“, das allerdings, zu meinem Leidwesen, der Linguistik auf Kosten der Literaturwissenschaft den Vorzug gibt. Von Max Halbe bin ich dann auf Gerhart Hauptmann gestoßen. Langsam wurde ich dann zu einem Hauptmann-Spezialisten. Sie sind ja nicht nur ein Hauptmann-Spezialist in der Forschung, sondern der führende Gerhart-Hauptmann-Bibliograph. Was war der Auslöser dafür, dass Sie vor nahezu vier Jahrzehnten die Internationale Hauptmann-Bibliographie in Angriff genommen haben? Prof. Hoefert: Ich würde sagen, meine ostdeutsche Herkunft spielte eine Rolle. Hauptmann war ja schließlich ein Ostdeutscher. Hinzu kam meine Kenntnis einiger Fremdsprachen, wodurch ich Zugang hatte zu Publikationen, die den im deutschen Sprachraum tätigen Germanisten nicht in dem Maße erreichbar waren. Ist Ihre Jahrzehnte währende Arbeit an der Bibliographie - eine Art Herkules-Arbeit - auch von Deutschland her gefördert worden? Wie ist es Ihnen gelungen die Kontinuität in der Arbeit durchzustehen?

Prof. Dr. Sigfrid Hoefert (r.) bei der internationalen Tagung zum 50. Todestag Gerhart Hauptmanns, die 1996 vom Gerhart-Hauptmann-Haus in Düsseldorf ausgerichtet wurde. Links Prof. Dr. George Guţu. Foto: Archiv Universität Bukarest anderem Kollegen. An der Universität Waterloo etablierte sich ein Fachbereich Germanistik-Slawistik, den ich später auch einige Zeit geleitet habe. Es gibt bei uns immer noch ein „Germanic-Slavic

Prof. Hoefert: Finanziell war es natürlich schwierig. Von der kanadischen Regierung, vom „Canada Council“, habe ich

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Das Interview Fortsetzung von Seite 11 jedoch einige Forschungsgelder erhalten. Die Universität hat hie und da geholfen. Für die Veröffentlichung der Bibliographie gab es dann auch eine Zuwendung von deutscher Seite. Für die Erarbeitung Ihrer Bibliographie dürften besonders in den siebziger und achtziger Jahren, als der Informationsaustausch noch fast ausschließlich in Papierform erfolgte, weite Reisen und persönliche internationale Kontakte erforderlich gewesen sein. Wie gestaltete sich dieser Austausch und das Sammeln bibliographischer Daten? Prof. Hoefert: Zu erwähnen sind in dieser Beziehung einige Forschungsreisen in die Sowjetunion, wo Hauptmanns Werk intensiv rezipiert wurde. Moskau, die berühmte Lomonossow-Universität hielt sich zwar in der Hauptmann-Forschung etwas zurück, dafür war aus meiner Sicht Leningrad, heute wieder Sankt Petersburg, ein Zentrum der russischen Hauptmann-Forschung und einer darauf bezogenen Publikationstätigkeit. Ich erinnere mich, dass ich dort sehr herzlich aufgenommen wurde und gute Fachgespräche führen konnte. Es war kurz nach dem Erscheinen meines Buches „Das Drama des Naturalismus“. Wichtige Publikationsorte lagen im Inneren des großen Landes. Dorthin konnte man nicht so ohne weiteres kommen. Trotzdem hatte ich Verbindung zu Fachkollegen und bekam auf Umwegen relevante Hauptmann-Publikationen zugeschickt. Etwas schwieriger war es unten im Kaukasus, wo sich vor allem georgische Kollegen mit Hauptmanns Dichtung befassten. In Georgien kam es schließlich auch zur Gründung einer Gerhart-Hauptmann-Gesellschaft. In Asien ist Japan, das in diesem geographischen Raum in Sachen Gerhart Hauptmann lange Zeit führend war, hinter Südkorea zurückgefallen. Vor wenigen Jahren habe ich dort einen Vortrag über die Rezeption von Hauptmanns „Die Weber“ gehalten, dabei habe ich auch die

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skandalösen Ereignisse rund um jüngste Dresdner Inszenierung einbezogen, die ja bekanntlich in die Aktualität zielte, mit einer sehr bekannten Fernsehmoderatorin zu tun hatte und ein Aufführungsverbot heraufbeschworen hat, nicht ganz wie zu Kaisers Zeiten. Ich war vom großen Interesse bei den Südkoreanern sehr angetan. Kann man sagen, dass „Die Weber“ weltweit das am intensivsten rezipierte Werk von Hauptmann sind? Prof. Hoefert: Absolut. Dazu kommt „Der Biberpelz“, der heute noch oft gespielt wird, darunter mehrfach in den Vereinigten Staaten, wenngleich es recht schwierig ist, gute Übersetzungen des Stückes zu finden. Wird Hauptmann noch neu übersetzt? Gibt es Werke, die man glaubt, aus heutiger Sicht wieder übersetzen zu müssen? Prof. Hoefert: Nun, Hauptmann ist international durchaus präsent. Im Englischen sind einige neue Hauptmann-Ausgaben erschienen, in Großbritannien und in Nordamerika. In Italien sind in den letzten Jahren mehrere Prosaschriften Hauptmanns übersetzt und veröffentlicht worden. Überrascht hat mich aber die Übersetzung des Romans „Atlantis“ ins Estnische sowie die des heute kaum noch gelesenen HauptmannRomans „Wanda“ in die gleiche Sprache. Auch in Litauen und Kroatien sind neue Hauptmann-Übersetzungen vorgelegt worden, beispielsweise ist „Hanneles Himmelfahrt“ in Zagreb erschienen. „Bahnwärter Thiel“ wiederum ist ins Norwegische neu übersetzt worden. Und dann natürlich die Übersetzungen in Polen: Die erstaunlichste Übersetzerarbeit dort ist wohl die siebenbändige Ausgabe der Werke Gerhart Hauptmanns, die vom Breslauer Germanisten Piotr Knapik betreut wurde. Auch in Russland gibt es neue HauptmannÜbersetzungen, dazu gehören „Atlantis“ und das in Russland hochgeschätzte Stück

„Vor Sonnenuntergang“, das regelmäßig aufgeführt wird bei den jährlichen Siegesfeiern , weil man darin die Darstellung des Niedergangs Deutschlands, des deutschen Intellektuellen, sieht. Ich habe eine solche Aufführung in Leningrad erlebt. Ein Kuriosum scheint mir die Übersetzung des „Bahnwärter Thiel“ ins Lateinische zu sein, erschienen 2005 in Deutschland. Nach der Wende also vorwiegend neue Hauptmann-Übersetzungen in Ostmitteleuropa. Hat dies damit zu tun, dass dort über ein halbes Jahrhundert, ideologiebedingt, fast ausschließlich die frühen, sozialkritischen Werke Hauptmanns übersetzt wurden, so dass nun eine Lücke bestand? Prof. Hoefert: Ja, die bestand und besteht immer noch. Die Anfangswerke Hauptmanns stehen in Ostmitteleuropa weiterhin im Vordergrund. Wie sehen Sie den Umgang mit Gerhart Hauptmann und seinem Werk in Deutschland und in Polen, wo der frühere Wohnsitz des Dichters im schlesischen Agnetendorf als literarisch-künstlerische Begegnungsstätte mit einem Museum eingerichtet wurde? Prof. Hoefert: Zunächst eine kritische Anmerkung. Die Geldgeber, vor allem aus Deutschland, haben das Augenmerk zu sehr auf den Tourismus gerichtet und nicht in nötigem Maße auf die Forschung. Geld wird ausgegeben für ein Museum da, eines dort, für einen Verbund hier, einen Verband dort. Die Forschung kommt dabei zu kurz. Ich finde, dass man die deutsche Gerhart-Hauptmann-Gesellschaft und die polnische in stärkerem Maße unterstützen sollte. An welchen Universitäten oder anderen Instituten in Deutschland gibt es Forschungsprojekte zu Hauptmanns Werk? Prof. Hoefert: An erster Stelle steht die FU Berlin, wo Professor Peter Sprengel, der hervorragendste derzeitige HauptmannForscher, tätig ist und im letzten Jahrzehnt neue Aspekte aus dem Leben und Werk Gerhart Hauptmanns in Buchpublikationen vermittelt hat. Mir fällt im Moment keine andere deutsche Universität ein, die sich dem schlesischen Dichter widmet. Vielen Dank für das Gespräch.

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Bericht

Gerhart-Hauptmann-Tage 2009 Die Stiftung „Gerhart-Hauptmann-Haus“ widmet sich im I. Quartal dem Namenspatron mit unterschiedlichen Veranstaltungen, wie einem einführenden Vortrag, einem Film und Theateraufführungen. Die Veranstaltungsreihe richtet sich als Ergänzung zum Unterricht an Lehrer und Schüler sowie Studenten.

Di, 20.01. | 11 Uhr

Mi, 11.02. | 15 Uhr

Einführung Gerhart Hauptmann – Die Weber - Autor, historischer Hintergrund, Rezeption Vortrag von PD Dr. Winfrid Halder, Konferenzraum

Filmvorführung Die Ratten von Gerhart Hauptmann Eine Inszenierung von Michael Thalheimer

Die historischen Vorgänge, die Hauptmann seiner Dichtung zugrunde legt, spielten sich im Juni 1844 in den schlesischen Orten Kaschbach, Langenbielau und Peterswaldau ab, als ein spontaner Aufstand der von ihren Arbeitgebern ausgebeuteten Weber mit militärischer Gewalt niedergeschlagen wurde. Erzählungen von den menschenunwürdigen Lebensverhältnissen der schlesischen Leinenweber, die im Laufe des 19. Jahrhunderts wiederholt durch Aufstände ihre Lage zu verbessern suchten, wurden in Hauptmanns Familie überliefert, wie der Autor in seiner Widmung des Weber-Dramas an seinen Vater Robert Hauptmann bezeugt. Den Plan zu einer dramatischen Behandlung des Themas fasste Hauptmann 1888 in Zürich. Es folgten detaillierte historische Studien sowie zwei Informationsreisen in das schlesische Webergebiet im Frühjahr 1891, wo Hauptmann das „Elend in seiner klassischen Form“ kennenlernte. Dem Ruf der „Weber“ als Kampfstück, das eines der ungelösten zentralen Probleme der Gesellschaft zur Diskussion stellte, war die Kulturpolitik der Wilhelminischen Zensurbehörde eher förderlich. Diese versuchte, die Aufführung der „Weber“ zu verhindern unter der Begründung, die im Drama enthaltenen Schilderungen seien dazu angetan, Klassenhass zu erzeugen und könnten zu „einem Anziehungspunkt für den zu Demonstrationen geneigten Teil der Bevölkerung Berlins“ werden. Es bedurfte langer gerichtlicher Auseinandersetzungen, ehe das Kgl. Preußische Oberverwaltungsgericht das Verbot der „Weber“ aufhob. (Kindlers Neues Literaturlexikon, Kindler Verlag, München)

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In einem Spalt, einem Rattengang, stets gebückt und im Halbdunkel lässt er die Menschen in ihrem Elend emotional verglühen. Olaf Altmanns geniales Bühnenbild wirkt wie ein Brennglas und intensiviert den Blick, schärft uns Augen und Ohren für das Geschehen an den Rändern der Gesellschaft, einer Gesellschaft, die es riskiert, die Schwächeren und Schwächsten fallen zu lassen, während die Starken das sinkende Schiff abnagen, bis nichts mehr dran ist. Der ehemalige Theaterdirektor Harro Hassenreuter hat auf seinem Dachboden einen Theaterfundus eingerichtet und erteilt privaten Schauspielunterricht. Auf diesem Dachboden wird ein fataler Handel geschlossen: Frau John, deren Neugeborenes gestorben ist, kauft dem schwangeren Dienstmädchen Pauline Piperkarcka das ungewollte Kind ab und gibt es als ihr eigenes aus. Als Pauline den Handel bereut und das Kind wiederhaben will, reagiert Frau John panisch. Sie tauscht das Baby gegen das todkranke Kind ihrer Nachbarin aus und bietet ihrem verbrecherischen Bruder Bruno auf, Pauline Angst einzujagen. Bruno erschlägt Pauline, und die verzweifelte Frau John nimmt sich das Leben. M.L.

Mo, 30.03 | 11 Uhr Theateraufführung „Die Weber“ von Gerhart Hauptmann. Eintritt frei Eichendorff-Saal

Di, 31.03. | 11 Uhr Theateraufführung „Die Weber“ von Gerhart Hauptmann. Eintritt frei Eichendorff-Saal

Veranstaltungsplakat „Die Weber“

Sa, 28.03. | 19 Uhr Theaterpremiere „Die Weber“ von Gerhart Hauptmann Regie: Lars Krückeberg Eine Produktion des Deutschen Zentrums für Schauspiel & Film, Köln Lars Krückeberg debütierte in der Spielzeit 1989/90 als Mendel in der deutschsprachigen Originalinszenierung des Erfolg-Musicals „Anatevka“ von Jerry Block. Bis zur Spielzeit 1996/97 war er Ensemble-Mitglied des Bernhardt-Theaters Zürich. Zudem wirkte er zeitgleich in zahlreichen Tournee-Produktionen mit und bereiste in diesem Rahmen den gesamten deutschsprachigen Raum, sowie Dänemark, Italien, Belgien und Polen. Ebenfalls in diesem Zeitraum fiel seine erste Rolle in einer freien Theaterproduktion, nämlich die männliche Hauptrolle in Thorsten Wisotzkys „Extremities“ – Inszenierung, die 1995 mit großem Erfolg im Theaterhaus Düsseldorf zur Aufführung kam. Dennoch wandte sich Krückeberg von nun an verstärkt der Regietätigkeit zu und übernahm Hospitanzen sowie Assistenzen unter anderem am Düsseldorfer Schauspielhaus und für das Theater Kontra Punkt. Schließlich gab er 1999 mit der Uraufführung von „Tanz, Technik“ (Text: Thomas Böhme) im GROSSEN HAUS des Düsseldorfer Schauspielhauses sein Regiedebüt. Sämtliche Inszenierungen

tragen unverkennbar die Handschrift des Regisseurs. Eine strenge formale Ordnung verbindet sich mit einem hoch-agilen Bewegungstheater, das den Körper des Schauspielers auf weitgehend leer geräumter Bühne ins Zentrum rückt. Dabei nimmt Krückeberg „seine Zuschauer auf eine Achterbahn-Fahrt der Gefühle mit“ und lässt sie schließlich „nachdenklich, schockiert und ergriffen“ (Rheinische Post) zurück. M.L.

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Ausstellungen

Vom 12.2. - 13.3. 2009

„Kinderzeichnungen aus Tschetschenien“ Ausstellung und Fotodokumentation von Elisabeth Petersen Mahnmale gegen alle Kriege und jegliche Zerstörung sind die Zeichnungen tschetschenischer Kinder, die Elisabeth Petersen während ihrer Reisen in den Nordkaukasus in Schulen gesammelt hat. Begleitend dazu hat Petersen eine Fotodokumentation aus dem zerstörten

Zerstörung in Tschetschenien Grosny und den Flüchtlingslagern verfasst. Die ausgestellten Zeichnungen und Fotografien sprechen für sich. In ihrer naiven Darstellung spiegeln sie die brutale Realität, Zerstörung, Hoffnungslosigkeit und die Opfer der Zivilbevölkerung direkt und schonungslos wider. Das mit der Kamera festgehaltene Stillleben eines verlassenen Frühstück- oder Mittagstisches, die zerbombte Häuserkulisse auf einer Kinderzeichnung – Bilder, die ans Herz und unter die Haut gehen und dem alltäglichen Wahnsinn des Krieges ein Gesicht geben. Der Krieg in Tschetschenien hat die Menschen seelisch und körperlich schwer gezeichnet. Morde, Verfolgungen, Säuberungen, Flucht und Vertreibung haben einen unauslöschlichen Eindruck in der Bevölkerung hinterlassen. Die Kinder, die die Bilder gemalt haben, lebten in Grosny oder als Flüchtlinge in Inguschetien in Lagern. Sie haben jahrelang ihre Heimatstädte oder -dörfer nur in Bombenhagel und als Trümmerwüsten kennengelernt. Die Zeichnungen zeigen eine Welt, wie sie erschreckender nicht sein kann. Grosny, Shatoi, Schali, Nasran - Orte

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eines endlosen Krieges. Für die Kinder und Jugendlichen in Tschetschenien und allen anderen Kriegsgebieten der Welt ist Zeichnen, Malen, Dichten und Tanzen von großer Bedeutung. Für sie ist es nicht eine bloße Freizeitbeschäftigung, sondern eine Möglichkeit, Leid und Bedrängnis nach außen zu formulieren: die Bombardierung des eigenen Hauses, die Zerstörung der eigenen Schule, die Verwüstung des Gartens, in dem man spielte, geblieben als Bombentrichter, die Foto: Elisabeth Petersen toten Freunde auf der Straße, die Verschleppung des Vaters und Bruders. Der Kaukasus galt im Altertum als Wiege der Zivilisation. Hier siedeln seit 700.000 Jahren Menschen, gibt es seit der Jugendzeit Ackerbau, schon sehr früh folgten Handelsbeziehungen. Kaum eine Region der Erde ist als historisch gewachsene und in sich geschlossene geographischkulturelle Einheit so reich an Völkern, Sprachen und Kulturen wie der Kaukasus. Der Begriff „Kaukasische Völker“ meint die im Nord- und Südkaukasus beheimateten Ureinwohner des Kaukasus. Es sind mehr als 50 Völker, die den Kaukasus bewohnen und kaukasische, iranische, türkische, mongolische, semitische, slawische, romanische und uralische Sprachen sprechen. Auch wenn jedes dieser Völker eine eigenständige Kultur besitzt, ist ihre durch Jahrhunderte langes Zusammenleben gewachsene kaukasische Verwandtschaft unverkennbar: Sie drückt sich aus in Kleidung, Tänzen, Liedern, Tischsitten. Trotz unterschiedlicher religiöser Zugehörigkeit – Armenier und Georgier hatten seit dem 4. Jahrhundert, eine christliche Staatskirche, der Nordkaukasus wurde

seit dem 16. Jahrhundert von Osten her islamisiert – sind Teile des kaukasischen Ehrenkodex, dem Adat, auch weiterhin lebendig und betonen ihre Zusammengehörigkeit. In Tschetschenien erhebt sich ein jüngerer Mann sofort, wenn ein Älterer den Raum betritt, und redet in Gegenwart Älterer nur, wenn er dazu aufgefordert wird. Begegnet ein Mann einer Frau, muss er seine eigenen Interessen hinten anstellen und ihr seine Hilfe anbieten. Trotz der Veränderung der Kultur durch die Kriege und die starke Ausrichtung auf den Westen, haben diese Riten heute noch Gültigkeit. Innerhalb der Familie und der Sippe bildet die Solidarität die wichtigste Lebensgrundlage. Besonders ausgeprägt ist die Kultur der Gastfreundschaft. Der Gast gilt als von Gott/Allah gesandt und wird verehrt, auch wenn es sich um einen Todfeind handelt. Ein weiteres Lebensprinzip ist das Schenken. Bewundert ein Gast einen Gegenstand des Hauses, ist der Gastgeber verpflichtet, ihm diesen Gegenstand zu schenken, selbst wenn es sich um ein Erbstück handelt. „Was du verschenkst, hast du gewonnen, was du versteckst, hast du verloren“, heißt es in dem aus dem 12. Jahrhundert stammenden georgischen Epos „Recken im Tigerfell“ von Schota Rustaweli. Idee, Konzept und Realisation der Ausstellung stammen von Elisabeth Petersen. Sie ist Juristin und Dozentin in Zürich und Präsidentin des „Forums für Zeitzeugen. Gegen Gleichgültigkeit und Vergessen“. Neben ihrer beruflichen Tätigkeit engagierte sie sich in den letzten Jahren für verschiedene Friedensprojekte sowie humanitäre Einrichtungen in Tschetschenien (Schulen, Bibliotheken, Waisenhäuser, Nähwerkstätten) und Afghanistan. Fünf tschetschenischen Jugendlichen ermöglichte sie eine Schul- bzw. Berufsausbildung in der Schweiz, zwei von ihnen lebten mit ihr. D.U. Eröffnung: Donnerstag, 12. Februar 2009 – 19 Uhr, Eichendorff-Saal Es sprechen: Konrad Grundmann Staatsminister a. D., Vorstandsvorsitzender des Gerhart-Hauptmann-Hauses Dr. Winfrid Halder Direktor des Gerhart-Hauptmann-Hauses Einführung: Elisabeth Petersen

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Kinemathek

Do, 15.01. | 18 Uhr

Zwischen Deutschland und Polen – Zum 90. Todestag Rosa Luxemburgs Kommentierte Filmvorführung und Diskussion Am 15. Januar 1919 wurde Rosa Luxemburg zusammen mit Karl Liebknecht in Berlin von Angehörigen der Gardekavallerieschützen-Division ermordet. Das brutale Ende ihres Lebens setzte den Schlusspunkt unter eine politische Karriere, die sich nicht zuletzt im Spannungsfeld der deutsch-polnischen Beziehungen vollzogen hatte. Rosa Luxemburg wurde am 5. März 1871 in Zamost geboren. Aufgewachsen ist sie in Warschau. Der Vater war ein gut situierter jüdischer Holzhändler, der wie Luxemburgs Mutter sowohl Deutsch wie Polnisch sprach. Daher konnte sie seit 1880 ein Warschauer Mädchengymnasium besuchen, das sie mit herausragenden Noten abschloss. Während ihrer Schulzeit wurde der Keim zu ihrer späteren politischen Tätigkeit gelegt: Im unruhigen Russisch-Polen konkurrierten unterschiedliche politische, meist illegale Gruppierungen miteinander. Luxemburg näherte sich den polnischen Sozialisten an, was dazu geführt haben soll, dass ihr die Verhaftung durch die zaristische Geheimpolizei drohte. Jedenfalls hat sie bereits 1888 ihre Heimat verlassen und ist zunächst in die Schweiz gegangen. Aus der Zeit ihres Studiums in Zürich datieren einige der Bekanntschaften mit führenden Angehörigen der sozialistischen Bewegung, die ihren weiteren Lebensweg mitbestimmen sollten. Im Jahre 1898 verließ Luxemburg Zürich als promovierte Nationalökonomin und konnte, nachdem sie durch die Ehe mit einem Parteigenossen die deutsche Staatsbürgerschaft erworben hatte, ihre politische Tätigkeit in Berlin fortsetzen. Innerhalb der deutschen Sozialdemokratie profilierte sich Luxemburg rasch als führender Kopf des linken Parteiflügels. Dank ihrer polnischen Muttersprache wurde sie wiederholt in die Teile des Deutschen Reiches entsandt, in denen der größte Teil der polnischen Minderheit lebte, etwa nach Oberschlesien oder Posen. Diese Regionen hat sie wiederholt auch auf SPDParteitagen vertreten. Der Eintritt in die sozialdemokratische Reichstagsfraktion blieb ihr allerdings verwehrt, da Frauen

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im deutschen Kaiserreich kein Wahlrecht hatten. Luxemburg war gleichwohl eine glänzende Rednerin, die auch große Versammlungen in den Bann schlagen konnte, die sich allerdings durch ihr energisches, manchmal polemisches Auftreten auch viele Feinde machte – und dies auch innerhalb der eigenen Partei. Im Januar 1904 ist Rosa Luxemburg wegen „Majestätsbeleidigung“ zu einer ersten, Haftstrafe verurteilt worden. Im verbleibenden Rest ihres Lebens sollte sie immer wieder aus politischen Gründen inhaftiert werden. Schon kurz nach Beginn des Ersten Weltkrieges – den die internationale Arbeiterbewegung entgegen der Hoffnung Luxemburgs schon in Anbetracht der Uneinigkeit in den eigenen Reihen nicht verhindern konnte –, ist sie wieder verhaftet worden. Während der Dauer des Krieges befand sie sich beinahe ununterbrochen in Haft, trotzdem konnte sie ihre publizistische Arbeit fortsetzen und hatte wesentlichen Anteil am Auseinanderbrechen der SPD vor dem Hintergrund des Streits um den richtigen politischen Kurs. Nach ihrer Freilassung am 9. November 1918 blieben ihr nur noch wenige Wochen Lebenszeit. Diese allerdings nutzte sie – in scharfer Abgrenzung gegen die faktische Reichsregierung unter dem (Mehrheits-)Sozialdemokraten Friedrich Ebert – zur Propagierung eines radikal revolutionären Kurses. Nach Luxemburgs Auffassung musste dem politischen Umsturz mit der Beseitigung der Monarchie auch rasch die Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse folgen. In diesem Punkt freilich war mit Ebert keine Einigung möglich – daher betrieb Luxemburg nunmehr konsequent die Gründung einer eigenen Partei mit. So spielte sie auf dem Berliner Gründungsparteitag der KPD am Jahresende 1918 eine führende Rolle. Nur rund zwei Wochen später, am Ende des militärisch schon niedergeschlagenen „Spartakus-Aufstandes“ kam es zu ihrem gewaltsamen Tod. Das Andenken Rosa Luxemburgs war stets umstritten; solange die DDR existierte, wurde sie dort zur heroischen Vorbildfigur stilisiert. Auch heute noch hat

Rosa Luxemburg (r.) und Clara Zetkin (1910) sie für das äußerst linke politische Lager hohen Stellenwert. Die der Linkspartei nahestehende politische Stiftung entleiht ihren Namen nicht zufällig bei der „Märtyrerin der deutschen Novemberrevolution“, wie sie Luxemburg auf ihrer Internetseite apostrophiert. Die Veranstaltung dient der kritischen Auseinandersetzung mit Leben und Tod Rosa Luxemburgs. Nach einer biographischen Einführung zeigen wir eine zweiteilige Fernsehspieldokumentation, die der damalige Süddeutsche Rundfunk 1969 produziert und ausgestrahlt hat. Diese rekonstruiert die Ermordung Luxemburgs und Liebknechts und das folgende Militärgerichtsverfahren gegen die unmittelbar Beteiligten. Im Mittelpunkt steht die Rolle des damaligen Hauptmanns Waldemar Pabst – gespielt von Martin Benrath –, der, ohne aus seiner Mitverantwortung für die Ermordung der beiden je ein Hehl zu machen, seinen Lebensabend von der westdeutschen Justiz unbehelligt als wohlhabender Mann in Düsseldorf verbracht hat. Aufgrund der langen Dauer der Veranstaltung (allein beide Teile des Fernsehspiel beanspruchen mehr als zwei Stunden) bieten wir in einer Pause unseren Gästen einen kostenlosen Imbiss an. Dazu bitten wir um eine formlose Anmeldung per e-mail unter info@g-h-h.de oder telefonisch unter 0211/1699114. W.H.

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Heimatstuben

AG Heimatstuben

„Was wird aus den Heimatstuben?“ Bestände sichern - Kulturgüter erhalten Der Erhalt von gerettetem ostdeutschen Kulturgut in Heimatstuben und Sammlungen war zentrales Thema der Herbsttagung der Arbeitsgemeinschaft ostdeutscher Museen, Heimatstuben und Sammlungen in Nordrhein-Westfalen, die im Oktober vergangenen Jahres tra-

Prof. Dr. Matthias Weber ditionell im Gerhart-Hauptmann-Haus stattfand. An der neunzehnten Fachtagung mit dem Titel „Bestandsicherung von ostdeutschem Kulturgut. Aussichten, Vorschläge, Verwirklichungen“ nahmen mehr als 50 Betreuer von Heimatstuben aus Nordrhein-Westfalen teil, um sich über aktuelle Entwicklungen im Bereich der ostdeutschen Kulturpflege zu informieren und Lösungsansätze für die Fortführung ihrer Arbeit über die Erlebnisgenerationen hinaus zu erörtern. Wissenschaftliche Projekte Prof. Dr. Matthias Weber, Direktor des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, der eigens auf Einladung der AG Heimatstuben aus Oldenburg angereist war, hielt ein grundsätzliches Referat mit dem Titel „Was wird aus den Heimatstuben?“ Sein Institut führt Forschungsprojekte in den historischen deutschen Ostgebieten durch, wie beispielsweise „Breslauer Architektur 1900 - 1933“ oder „Adel in Schlesien“, die in entsprechenden Publi-

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kationen dokumentiert werden. Die Erhaltung des Kulturgutes der Deutschen aus dem östlichen Europa zählt ebenso zu den Aufgaben der Bundeseinrichtung. In diesem Kontext steht auch das Projekt „Dokumentation der Heimatsammlungen in Deutschland, das bei dem Bundesinstitut eingerichtet ist. Vor dem Hintergrund, dass die Bedeutung der Heimatsammlungen und die in ihnen enthaltenen Kulturgüter bisher noch nicht umfassend dokumentiert w urde und ih re Existenz gefährdet ist, erscheint die Erfassung und Präsentation zu diesem Zeitpunkt dringend erforderlich. Das Thema Heimat, damit war auch die der Ver t riebenen Foto: ML gemeint, so Prof. Weber, r ückt allgemein stärker ins Bewusstsein der Bevölkerung als Gegenbewegung zur europäischen Globalisierung. Er empfahl als Existenzsicherung der Heimatstuben die Übernahme der Bestände durch die Kommunen, zumal so der historische Zusammenhang gewährt bleibt. Sammlungen dokumentieren Die für die Dokumentation der Heimatsammlungen in Deutschland zuständige Projektmitarbeiterin, Cornelia Eisler M. A., berichtete über die Organisation des Vorhabens, das im Juli 2008 begann und eine Laufzeit bis Ende 2011 hat. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt, das am Seminar für Europäische Ethnologie/Volkskunde der ChristianAlbrechts-Universität zu Kiel angesiedelt ist, von Prof. Dr. Silke Göttsch-Ellen sowie von Prof. Dr. Matthias Weber. Die Kulturwissenschaftlerin Eisler stellte die ersten Projektsergebnisse vor, die in Form einer Datenbank unter http:// www.bkje.de/heimatsammlungen im Internet der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.

Im zweiten Teil der Fachtagung fand eine Podiumsdiskussion statt, an der Johannes Lierenfeld von der Staatskanzlei in Nordrhein-Westfalen, der Vorsitzende des Landesverbandes des Bundes der Vertriebenen in NRW, Hans-Günther Parplies, der ehemalige Direktor des Westpreußischen Landesmuseums in Münster Wolbeck, Hans-Jürgen Schuch, stellvertretender Vorsitzender der AG Heimatstuben, und Prof. Weber vom BKGE teilnahmen. Die Podiumsdiskussion moderierte der Vorstandsvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft, PD Dr. Winfrid Halder, Direktor der Stiftung GerhartHauptmann-Haus. Netzwerke fördern Als Vertreter des Landes rief Lierenfeld zu einer Vernetzung der Mitglieder der AG Heimatstuben auf und empfahl weiter die Kontaktaufnahme mit dem Oberschlesischen Landesmuseum in RatingenHösel, das museumsdidaktische Beratung aus den Heimatstuben anbietet. Der BdV-Landesvorsitzende Parplies sprach sich für eine Verortung der Heimatstuben aus und rief zur Aktivierung der Kommunen auf, sich mehr als bisher dem Kulturgut in den Heimatstuben zu widmen. Der ehemalige Museumsdirektor Schuch wies auf die drohende Gefahr der Vernichtung von ostdeutschem Kulturgut in Heimatstuben hin, wenn nicht rechtzeitig Lösungen für die Zukunft angestrebt werden. In der anschließend lebhaft geführten Diskussion wurden Beispiele der Beteiligung von Schülern an der Arbeit in Heimatstuben exemplarisch vorgestellt. Sigismund Freiherr V. Zedlitz, stellvertretender Vorsitzende der Stiftung Schlesische Heimatstuben mit Sitz in Görlitz, stellte zum Abschluss der Aussprachen das Modell zur Rettung von schlesischen Beständen durch die Aufnahme in eine zentrale Einrichtung in Görlitz vor. Der Vorstandsvorsitzende und Tagungsleiter PD Dr. Winfrid Halder resümierte zum Abschluss der erfolgreich verlaufenen Tagung, dass es möglich ist, heute anhand von Projekten an Schulen sich der Thematik Flucht und Vertreibung der Deutschen aus dem Osten zu nähern. Der Einsatz von neuen Medien, wie beispielsweise des Internets, ist dabei notwendig, um auch die junge Generation zu erreichen. Im Hinblick auf das Oldenburger Projekt wies er darauf hin, dass die AG Heimatstuben bereit ist, Beiträge zur Dokumentation aus Nordrhein-Westfalen zu liefern. M.L.

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Ausstellungen

Vom 17.03. - 28.04.2009

Die große Flucht 1944/45 in grafischen Bildzeugnissen Die Katastrophe der Flucht der Zivilbevölkerung am Ende des vom nationalsozialistischen Deutschland begonnenen Zweiten Weltkriegs hat in sehr vielen Biografien der Überlebenden tiefe, oft von Schmerz gezogene Spuren hinterlassen. Zur Verarbeitung des erfahrenen Leids wählten viele Betroffene – oft nach langen Jahren des hilflosen Schweigens – eine ihnen gemäße Form der Verarbeitung der Erlebnisse. Auch viele bildende Künstler aus dem Osten waren von diesen Erlebnissen der Flucht, Zerstörung ihrer angestammten Heimat u. a. m. betroffen. Doch haben

getreu wiedergebender Weise. Hierbei ist jedoch die Möglichkeit, Gefühle und Gedanken des Künstlers selbst mit ins Bild zu bringen, recht begrenzt. daher haben viele Grafiker und Maler einen anderen Weg, oft zusätzlich gewählt. Dies war zeittypisch der Ausdruck in Symbolen, gegenständlicher und kompositorischer Art, oder auch mit abstrakten Formen in etwas späterer Zeit. Manche Künstler zeichneten schon unmittelbar auf der eigenen Flucht Skizzen. Alle aber, die sich in ihrer künstlerischen Ausdrucksweise diesen schweren Erlebnissen zur Verarbeitung stellten, haben auch erst nach einer Phase der inneren Auseinandersetzung Bildfindungen gestaltet. So schuf der aus Königsberg stammende Maler und Grafiker Eduard Bischoff (1890-1974), der Professor der Königsberger Kunstakademie gewesen war, in den 1950er Jahren eine umfangreiche Folge großformatiger, teils farbiger Holzschnitte unter Eduard Bischoff, „Treck 1945“, Holzschnitt dem umfassenden Titel „Ostpreußen“. Neben nicht so sehr viele diese Thematik dann der Schilderung des – vor allem ländlichen auch einmal in ihren Werken ausgedrückt. – Lebens in diesem Gebiet gibt es zwei Umso interessanter ist es zu sehen, in wel- Blätter zum Thema Flucht – einmal den cher Art es schließlich doch durch einige Treck, einmal erschöpft auf einem Ufer Malerinnen und Maler, Grafikerinnen und kauernde Flüchtlingsfrauen (FischerfrauGrafiker geschehen ist. Am Beispiel von en), dieses Blatt mit dem allegorischen Arbeiten aus Ostpreußen stammender Titel „An fremden Ufern“. Künstler, die die Schrecken der Flucht als Gertrud Lerbs-Bernecker (1902-1968) Erwachsene oder noch als Kind erlebten, gilt als eine der bedeutendsten Grafikerin soll diese Ausstellung des Ostpreußischen Ostpreußens in der Zwischenkriegszeit. Landesmuseums Lüneburg das tragische Ihre künstlerische Ausdrucksweise und Thema beleuchten, das leider bis heute –kraft wurde nicht selten mit der einer auf der Welt, aber auch in Europa noch Käthe Kollwitz verglichen. Sie schuf in für viele Menschen schmerzlich aktuell den ersten Nachkriegsjahren eine Reihe geblieben ist. von Bildern zur Flucht, die in ihrer ganz Die Art und Weise der Schilderungen ist eigenen visionären Kunstsprache das dabei unterschiedlich, auch abgesehen Elend schildern. Auch hier geben die Titel vom jeweiligen Stil des Künstlers. Zum weitere Anhaltspunkte zum nachdenken, einen gibt es die Situationsschilderungen: wie: „Der Weg ist noch nicht zu Ende“. Zerstörung, verstörte Menschen, der Treck Alfred Partikel (1888-1945), Maler und usw. werden dargestellt in beteiligter, aber seit 1929 Lehrer und Professor an der das vor Augen Stehende in gegenstands- Königsberger Kunstakademie, hat aus

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Liselotte Plangger - Popp, „Kranke Flüchtlingsfrau“, Holzschnitt, 1946 einer Zeit, als er im Herbst 1944 zum Arbeitsdienst im nordöstlichen Ostpreußen verpflichtet war, einige Aquarelle als private Aufzeichnungen hinterlassen. Unter diesen ist eines mit dem Titel „Die Mutter von Nemmersdorf“ (Oktober 1944), das den Betrachter in das vom Grauen erstarrte Gesicht einer jungen Frau blicken lässt. Hier gelang unmittelbar eine Schilderung der totalen Verstörung der Menschen durch die Kriegsschrecken. Als Grafikerin und Illustratorin erlangte die in Königsberg ausgebildete Liselotte Plangger - Popp (1913-2002) eine große Bekanntheit nach 1945, gerade in aus Ostpreußen stammenden Kreisen. Auch sie schilderte Flüchtlingselend, Gefangenschaft und schuf Illustrationen zu einschlägigen Dichtungen von Ernst Wiechert, Agnes Miegel u. a. Ihre Schöpfungen beeindrucken durch eine elementare Schlichtheit. Erst spät widmete sich Gerhard Bondzin (geb. 1930 in Mohrungen/Ostpr.) seinen Erlebnissen, die er als 14-Jähriger während der Flucht über das Eis des Frischen Haffs machte. Panik der Menschen und Tiere, Tod, Ausweglosigkeit, Strapazen und Gefahren schildert er oft nur in Schemen und Schatten, dabei umso inhaltstiefer. Zugleich gelingt ihm damit eine eindringliche Mahnung gegen den Krieg als dem Feind des Menschen und des Lebens überhaupt. D.U. Eröffnung: Dienstag, 17.03.2009 – 19 Uhr, Ausstellungsraum Es sprechen: Konrad Grundmann, Staatsminister a. D., Vorstandsvorsitzender des Gerhart-Hauptmann-Hauses PD Dr. Winfrid Halder Direktor des Gerhart-Hauptmann-Hauses Einführung: Dr. Jürgen Barfod, Ostpreußisches Landesmuseum Lüneburg

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Vorträge/Buchvorstellungen

Mi, 25.02. | 19 Uhr

Die Besiedlung der Großen Wildnis in Preußisch Litthauen im 16. Jahrhundert Vortrag von Dr. jur. Wolfgang Rothe Das östliche Drittel Ostpreußens war vor der Eroberung durch den Deutschen Orden nur dünn besiedelt. In ihrem Lebensraum gab es aber keine festen Siedlungen. Sie lebten wie Nomaden als Viehzüchter, Jäger, Fischer, Beuthner. Die Völkerwanderungen im ersten Jahrtausend nach der Zeitenwende ließen das Prußenland unberührt. Nach der Besetzung durch den Deutschen Orden bis 1283 ließen der Orden und das verfeindete Großfürstentum Litthauen die Region verwildern als Pufferzone zwischen den Gegnern – etwa 300 Jahre lang vom 13. bis 16. Jahrhundert: die „Große Wildnis“. Nach Beendigung der Feindseligkeiten mit Litthauen begannen im Ordensland Prußen vom Westrand der Wildnis die menschenleere Region durch ungeordnete und unkontrollierte Landnahme zu besiedeln und erstmals auch zu kultivieren. Der Orden ebenso wie nach der Säkularisierung das junge Herzogtum Preußen waren nach den erfolglosen Befreiungsfeldzügen gegen den polnischen König von der Schlacht bei Tannenberg 1410 bis 1521 wirtschaftlich ruiniert. Der Herzog musste zur Sanierung versuchen, seine Steuerbasis zu verbreitern. Er betrieb deshalb die Besiedlung gezielt und systematisch. Die Siedlungsbewegung trugen anfangs ausschließlich Prußen, keine Litauer oder Deutsche, und erst recht nicht Slawen, also Polen oder Russen – entgegen der politisch korrekten Auffassung in der litauischen und slawischen Historiographie. Erst später verstärkte der Herzog die Besiedlung auch durch Szameiten, die aus ihrem Lebensraum nördlich der Memel einwanderten. Im Vortrag wird anhand von Karten und Dokumenten diese Entwicklung für ein begrenztes Areal im späteren Kirchspiel Tollmingkehmen, im Siedlungsraum der preußischen Nadrauer, belegt und erläutert – vom Beginn der unkontrollierten Landnahme vor 1500 bis zur flächendeckenden organisierten Besiedlung gegen Ende des 16. Jahrhunderts. Der Referent Dr. Wolfgang Rothe, 1934 in Samonienen bei Tollmingkehmen geboren,

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befasst sich nach einem Seniorenstudium der Neuen Geschichte seit 20 Jahren mit der Siedlungsgeschichte von Preußisch Litthauen, wie diese Landschaft als Teil des Ordensstaates und des Herzogtums später bis zum Ende des 19. Jahrhunderts genannt wurde. In seinen Publikationen hat er die Siedlungsgeschichte der Region für jedes Kirchspiel des Kreises Goldap akribisch dokumentiert. Der Vortrag ist eine Zusammenfassung seiner siedlungsgeschichtlichen ForD. U. schung.

Mo, 02.03. | 19 Uhr

Ich war ein Wolfskind aus Königsberg Buchvorstellung mit Ursula Dorn Ursula Dorn, geboren 1936 in Königsberg, hat jahrzehntelang geschwiegen – wie so viele andere Menschen, die ihrer Generation angehören und die ihrerseits das Grauen des Krieges, Flucht und Vertreibung erlitten haben. Nun, in ihrem achten Lebensjahrzehnt, hat sie doch den Mut und die Energie aufgebracht, ihre ganz persönliche Geschichte nicht nur zu erzählen, sondern auch aufzuschreiben. Das Buch richtet sich – auch hier ist es wohl exemplarisch – nach Ausweis der Widmung zunächst an den Sohn und die Enkeltochter der Autorin, denen sie sich besser verständlich machen wollte. Darüber hinaus aber wollte Ursula Dorn, wie sie sagt, dem Vergessen entgegentreten. Das Ergebnis ist ein tief beeindruckendes, ja streckenweise beklemmendes Dokument von Not und Leid, aber auch vom Überlebenswillen eines jungen Mädchens, das zwischen die Mühlsteine der Weltgeschichte geraten ist. Ursula Dorn erzählt die Geschichte ihrer Familie vor allem seit dem Sommer 1944, als der Krieg das bis dahin vermeintlich sichere Königsberg zunächst aus der Luft erreichte. Sie war Zeugin der verheerenden Luftangriffe im August 1944, die bereits den größten Teil der unvergleichlichen historischen Altstadt in Schutt und Asche legten. Doch das noch weitaus

größere Grauen stand der ostpreußischen Metropole noch bevor, als sich im Frühjahr 1945 erst der Belagerungsring der Roten Armee um sie schloss und die Stadt dann Haus um Haus zerschossen und erobert wurde. Ursula Dorn erlebte den Einmarsch der sowjetischen Soldaten, die ziellose erste Austreibung der verbliebenen Zivilbevölkerung gleich danach und den Beginn der schrecklichen Hungersnot im Zeichen der Besatzungsherrschaft. Sie hat überlebt, weil sie mit ihrer Mutter die Stadt verlassen und in Litauen Hilfe gefunden hat. Fast zwei Jahre lang zogen sie durch das Nachbarland, hier unterstützt und dort verjagt, immer in Angst vor den Soldaten der Roten Armee, die auch hier das Regiment übernommen hatten und die litauischen Unabhängigkeitsbestrebungen brutal unterdrückten. Im Herbst 1947 ist sie, nachdem ihre Mutter und sie schließlich doch von sowjetischen Soldaten aufgegriffen worden waren, mit einem Vertriebenentransport in die damalige SBZ gelangt. Ursula Dorn liest aus ihrem Buch und steht zum Gespräch zur Verfügung. W.H. Gemeinsame Veranstaltung mit der Landmannschaft Ostpreußen und der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Bonn

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Buchvorstellungen

Do, 29. 01. | 19 Uhr

Der weite Weg gen Westen. Geflohen – vertrieben – angekommen Buchvorstellung mit Dr. Joachim Sobotta Die Geschichte Nordrhein-Westfalens ist wesentlich durch über zwei Millionen Flüchtlinge und Vertriebene mitgeprägt worden, die das junge, aus der Auflösung Preußens hervorgegangene Land seit 1945/46 aufgenommen hat. Das „Wirtschaftswunder“ im industriellen Herz der Bundesrepublik wurde auch durch den Fleiß und den Aufbauwillen der „Heimatlosen aus dem Osten“ ermöglicht. Wir haben – ausgehend von einer Initiative der Landeszentrale für politische Bildung – Betroffene gebeten, ihre persönlichen Erfahrungen mit Flucht und Vertreibung einerseits und mit der Aufnahme und Etablierung „an Rhein und Ruhr“ andererseits aufzuschreiben, um dieses wichtige Erinnerungsgut für die Zukunft zu sichern. Insbesondere viele junge Menschen von heute wissen allenfalls vage etwas über das Herkommen ihrer (Groß-)Elterngeneration, deren Angehörige vielfach aus Schlesien, Pommern, Ostpreußen oder anderen Regionen östlich von Oder und Lausitzer Neiße kamen. Ihnen und allen anderen Interessierten bietet der Band die Möglichkeit, vergleichbare Schicksale

und Erfahrungen nachzuvollziehen – nicht in der zwangsläufig abstrakten Form der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung, sondern als ganz persönliche Berichte von selbst Erlebtem und Erlittenem. Die 16 Autorinnen und Autoren sind dabei allesamt keine Neulinge beim Schreiben, sondern sie waren oder sind journalistisch und/oder schriftstellerisch tätig. Herausgekommen ist eine vielfältige Palette von Erinnerungen, mit denen die Beteiligten in ganz unterschiedlicher Art und Weise umgehen. Gerade dies macht den Band so interessant und spannend. Das Buch ist ab Jahresbeginn 2009 im Publikationsprogramm für alle interessierten Bürgerinnen und Bürger unseres Landes verfügbar. Wir präsentieren es ausführlich in unserem Hause. Die beiden Herausgeber werden die Entstehungsgeschichte erläutern. Stellvertretend für die anderen Mitwirkenden wird Dr. Joachim Sobotta seinen Beitrag vorstellen. Joachim Sobotta ist sicherlich vielen noch aus seiner langjährigen Tätigkeit als Chefredakteur der Rheinischen Post bekannt. Er wurde 1932 in Glatz (Schlesien) geboren und lebt seit

Sa, 30.01. | 16 Uhr

Altes bewahren – Neues entdecken Projektpräsentation des IKZ aus Mettmann Die Förderung der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund ist fester Bestandteil der Politik in der Stadt Mettmann. Mit vielfältigen Aktivitäten leisten die evangelische und katholische Kirche, die Wohlfahrtsverbände, die Volkshochschule und Vereine wertvolle Beiträge zur Integration der Menschen aus unterschiedlichen Ländern mit einer anderen Sprache und Kultur. Ebenso trägt der Integrationsrat der Stadt zur gesellschaftlichen gleichberechtigten Teilhabe von Migranten am Leben in der Stadt bei. In den vergangenen Jahren fand in Mettmann ein verstärkter Zuzug von Deutschen aus der ehemaligen Sow¬jetunion statt, die bestrebt waren, sich in der neuen Heimat eine Existenz aufzubauen, ihre

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kulturelle Eigenheit wahren und sie der einheimischen Bevölkerung gleichzeitig vermitteln wollten. Eine Gruppe Deutscher aus Russland, die als Spätaussiedler in der Kreisstadt aufgenommen wurden, in der heute rund 2000 Aussiedler leben, gaben 2005 den Impuls für eine Initiative zur Förderung der sozialen und kulturellen Integration ihrer Landsleute. Diese Bestrebungen führten zur Gründung eines Vereins, der den Namen „IntegrationsKulturzentrum Mettmann“ trägt und über ein Veranstaltungshaus verfügt. Die Dokumentation und Pflege des bewahrten deutschen Kulturgutes und Brauchtums der Deutschen aus der ehemaligen Sowjetunion, deren Vorfahren vor 250 Jahren nach Russland auswan-

1951 in Nordrhein-Westfalen, wo er das journalistische Handwerk „von der Pike auf“ gelernt hat. Als studierter Jurist hat er seine Karriere bei der Presse fortgesetzt, seit 1963 bei der Rheinischen Post, deren Chefredaktion er 1969 übernahm. Der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus ist er seit vielen Jahren als Mitglied des Kuratoriums verbunden.

In Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung NRW W.H. derten und deren Nachkommen heute als Spätaussiedler zurücksiedeln, ist ein besonderes Anliegen des Vereins. Die kulturelle Integration der Russlanddeutschen, eine Begegnung „auf Augenhöhe“ mit den Mettmanner Bürgern, ist Wunsch des Vereins. Aufgrund einer Förderung durch das Land Nordrhein-Westfalen war es möglich ein Projekt durchzuführen, bei dem mündlich überliefertes Kulturgut wie Lieder und Geschichten der Deutschen aus Russland dokumentiert wird. Innerhalb des Projektes „Dokumentation und Pflege des alten deutschen Liedgutes“ bildete sich eine Folkloregruppe, die das traditionelle Liedgut in ihrem Repertoire pflegt. Ein Programm mit traditionellem Liedgut aus kirchlichen und volkstümlichen Liedern der Folkloregruppe des IKZ Mettmann und Auftritte von Kindern und Jugendlichen, präsentiert das IntegrationsKulturzentrum aus Mettmann im GerhartHauptmann-Haus. M.L.

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Bibliothek

Helden der Hoffnung

Siegfried Lenz

Die anderen Deutschen aus den Sudeten

Eine biographische Annäherung von Erich Maletzke

In dem von Alena Wagnerová herausgegebenen Werk kommen fünfzehn Sudentendeutschen zu Wort, die seit 1935 mit den Tschechen um den Erhalt der Tschechoslowakischen Republik gekämpft haben. Für ihre Zivilcourage und ihre Treue zum tschechoslowakischen Staat mussten diese in Böhmen und Mähren lebenden Deutschen einen hohen Preis bezahlen: Diskriminierung durch die eigenen Volksgenossen, Emigration, Haftstrafen oder Konzentrationslager. Nach dem Krieg konnten aber auch sie nicht in der Heimat bleiben, obwohl sie an der Befreiung der tschechoslowakischen Republik mitgewirkt und unter der nationalsozialistischen Diktatur gelitten hatten. Erst im Sommer 2005 hat die tschechische Regierung ihnen für ihre Treue Anerkennung ausgesprochen und sich bei ihnen für die lange Missachtung entschuldigt. Die von Alena Wagnerová geführten Gespräche sind Bestandteil der Dokumentation der tschechischen Regierung über deutsche Nazigegner aus den Sudeten. HELDEN DER HOFFNUNG. Die anderen Deutschen aus den Sudeten 1935-1989. Alena Wagnerová (Hg.), AufbauVerlag, 2008. M.P.

Vor bald drei Jahren wurde Siegfried Lenz 80 Jahre alt. Seine Bücher sind weltweit in einer Auflage von mehr als 25 Millionen Exemplaren erschienen. Dennoch gab es bisher noch keine Biographie dieses Autors. Über sein Privatleben spricht Siegfried Lenz nicht gerne, und obwohl er einige autobiographische Skizzen veröffentlicht hat, liegen seine Kindheit, die Jugendjahre und die Kriegszeit weitgehend im Dunkeln. Nach umfangreichen Recherchen im In- und Ausland hat Erich Maletzke erstmals den Lebensweg des in Masuren geborenen Literaten nachgezeichnet. Dabei zeigt sich, dass fast alle über Siegfried Lenz veröffentlichten Lebensläufe zumindest teilweise umgeschrieben werden müssen. Erich Maletzkes mit Distanz und zugleich Einfühlungsvermögen geschriebene Biographie führt durch das Werk dieses Autors und lässt den Leser die Höhen und Tiefen seiner Entwicklung nacherleben. ERICH MALETZKE: Siegfried Lenz. Eine biographischen Annäherung, zuKlampen, 2006. M.P.

Zeit-Reisen Historische Schlesien-Ansichten aus der Sammlung Haselbach Im alten Schlesien hatte der Name Haselbach einen guten Klang, denn so hieß eines der besten heimischen Biere. Es kam aus Namslau, aus der Brauerei Albrecht Haselbachs. Aber auch Freunden der Kunst und Kulturgeschichte Schlesiens war der Name des Brauereibesitzers ein Begriff. Haselbach (1892-1979) – ein leidenschaftlicher Sammler – baute seit Anfang der 1940er Jahre die bedeutendste Sammlung topographischer Ansichten auf, die es für Schlesien je gegeben hat. Sie umfasst über 4.000 Kupferstiche, Radierungen, Lithografien, Zeichnungen und Aquarelle. Die im Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg und im Schlesischen Museum zu Görlitz aufbewahrten Sammlungsbestände wurden jetzt erstmals im Rahmen einer deutsch-polnischen Kooperation mit dem Herder-Institut in Marburg und dem Architekturmuseum in Breslau vollständig dokumentiert und digital zusammengeführt. Die reich bebilderte Publikation stellt die schönsten und interessantesten Blätter aus der Sammlung Haselbach vor. Der Gesamtbestand der Graphiksammlung ist im Internet-Bildkatalog des Herder-Instituts Marburg unter www.herder-institut.de recherchierbar. ZEIT-REISEN. Historische Schlesien-Ansichten aus der Graphiksammlung Haselbach, Herder Institut, Marburg 2007. M.P.

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Buchausstellungen 09.01. - 12.02. 2009 Die Ungarndeutschen Im Verlauf von 1000 Jahren ließen sich deutsche Siedler im südlichen Donauraum nieder. Zu dieser Bevölkerungsgruppe – den so genannten Donauschwaben – gehören auch die Ungarndeutschen. Die Geschichte und Kultur dieser deutschen Minderheit in Ungarn werden in der Buchausstellung thematisiert. 13.02.- 02.04.2009 Galizien – eine historische Landschaft Im Osten Europas liegt die historische Landschaft Galizien. Kennzeichnend für diese Region war die enge Nachbarschaft verschiedener Volksgruppen, u. a. Polen, Ukrainer, Juden und Deutsche. Im 18. und 19. Jahrhundert war Galizien zudem ein bedeutendes Zentrum ostjüdischer Kultur. Heute gehört das Gebiet zu Polen und der Ukraine. M.P.

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Reisebericht

Czernowitz

Die Entdeckung eines alten Traumes Von Dr. Joachim Sobotta machte er böse Witze über die Juden und malte zum Spott „Moischis“, Judenkinder mit dicken Nasen, an die Wandtafel. Ein zynischer Antisemit. Frau Schöneich und Studienassessor Kulischir waren, im Nachhinein betrachtet, die ersten Vertriebenen, die der Autor kennen lernte, nicht ahnend, dass wenige Jahre später ihn und seine Familie das gleiche Schicksal treffen sollte. Mehr als drei Jahrzehnte später, der Chronist war längst ein integrierter Das Jüdische Kulturzentrum im Herzen von Czernowitz. Westdeutscher am Rhein, Das Gründerzeit-Gebäude wird zur Zeit umfassend traf er in Düsseldorf eine renoviert. Foto: Ulrike Pütter klein gewachsene große - zunächst äußerlich betrachtet - bald Frau, die Dichterin und vielfach geehrte Lyrikerin Rose Ausländer, ein wenig von dem Glanz der früheren geboren 1901 in Czernowitz. Sie war ein Jahre. Jedenfalls in der Innenstadt, die jüdisches Kind der k.u.k. (kaiserlich und durch Unbill der beiden Weltkriege nur königlichen) österreichischen Kronpro- wenig berührt wurde und deshalb vor vinz Bukowina in den ersten Jahrzehnten den Bausünden der sowjetischen Ferdes 20. Jahrhunderts. Die weltläufige alte tigbeton - Architekten bewahrt werden Frau lebte bis 1988 im Nelly-Sacks-Haus, konnte. Czernowitz ist auch im Jahr 2008 das Altersheim der jüdischen Gemeinde ein bisschen Klein - Wien mit seinen in Düsseldorf und pflegte lange Zeit Wohnquartieren aus der Gründerzeit, dem bettlägerig, virtuos die geliebte deutsche Jugendstil und Art Deco. Und das Flair Sprache. Gelegentlich sprach pflegt augenscheinlich die ukrainische sie von Paul Celan, ihrem Kommune sehr, weil sie in diesem Jahr literarischen Landsmann aus das 600 Jahr-Jubiläum begeht. Ihren Eifer, sich schön zu machen, zeigt Czernowitz. Was ist aus diesem Czerno- die Stadt Czernowitz besonders in der früwitz, von dem man seit Kind- heren Herrengasse, wo prächtig renovierte heitstagen eine gewisse Vor- Fassaden den Architekturfreund beeinstellung hat, das man jedoch drucken. An einem der Häuser steht auf nie sah, heute geworden? einer schwarzen Marmortafel in gotischer Eine spannende Frage an Schrift zu lesen „Deutsches Haus errichtet die eigene Vorstellungswelt. aus Spenden der Bukowiner Deutschen im Wer sich als „Kulturtourist“ Jahr 1910“, Schräg gegenüber das „Dom , zusammen mit ebenfalls am Polski“, das Polnische Haus. Alles Zeialten wie neuen Czernowitz chen jener legendären Multikultur unter In diesem hübsch restaurierten Haus am Türkischen interessierten Zeitgenossen, der Habsburger Monarchie, welche die Platz in Czernowitz wurde die deutschsprachige jü- der heute westukrainischen Bukowina (zu deutsch: Buchenland) von Stadt von Lemberg aus per 1775 bis 1919 prägte. Das größte und am dische Dichterin Rose Ausländer 1901 geboren. Foto: Ulrike Pütter Omnibus nähert, der spürt Fortsetzung auf Seite 22 Der Chronist dieses Berichts sieht sich in der Lage, ziemlich genau zu rekonstruieren, wann und wo er den Namen einer europäischen Stadt zuerst gehört hat, die er aber erst unlängst im Alter kennen lernte. Czernowitz, eine Legende, die - so hieß es - erste multikulturelle Stadt. Es war im Herbst 1940, der Autor besuchte die dritte Volksschulklasse in Glatz in der damals deutschen Reichsprovinz Schlesien, als eine alte Frau namens Elfriede Schöneich regelmäßig die Mutter zum Kaffeetrinken besuchte. Sie war als Czernowitzerin nach Glatz gekommen, wohnte in einem spärlich möblierten Zimmer eines „aufgelassenen“, das heißt nicht mehr bestehenden Klosters der Armen Schulschwestern und schwärmte, oft unter Tränen, von ihrer schönen Heimat Czernowitz in Rumänien. Da Frau Schöneich nicht die einzige „Umsiedlerin“ aus Czernowitz in Glatz war, erklärte der ältliche Lehrer Volkmer, dass diese neuen Bürger „heim ins Reich“ gekommen seien, wir sollten sie gut aufnehmen, sie seien doch Deutsche wie wir auch. Drei Jahre später, der Autor besuchte schon das Gymnasium, damals Deutsche Oberschule genannt, tauchte ein junger Studienassessor auf, der als Schwerverwundeter (mit Beinprothese) den Krieg schon hinter sich hatte. Er stammte aus - Czernowitz! Im Erdkundeunterricht

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Reisebericht

Die Entdeckung eines alten Traumes Fortsetzung von Seite 21 besten im Stadtbild platzierte „Nationenhaus“ ist das Jüdische Haus am Theaterplatz, in dessen kleinem Konzertsaal wir Besucher ein reizvolles Klezmerkonzert einer wacker schwitzenden Blaskapelle hören. Die Häuser sind noch oder wieder (frisch renoviert) da, die dazu gehörigen Menschen aber nicht. Jedes Lexikon meldet zu dem Städtenamen Czernowitz aus der Vergangenheit als Bewohner Russen, Rumänen, Deutsche, Polen, Ungarn und natürlich Juden als Bewohner der Stadt am Pruth. Heute ist Czernowitz, stärker noch als das 350 km entfernt gelegene Lemberg, eine hauptsächlich ukrainische Provinzstadt - freilich mit großer Vergangenheit. „Deutsche leben jetzt kaum noch hier“, belehrt uns der ukrainische Germanist und Übersetzer deutscher Texte, Dr. Petro Rychlo, vor dem bescheidenen, aber äußerlich gut gepflegten Geburtshaus der Rose Ausländer in der Morario-Gasse. Auf Initiative der in Köln ansässigen Rose Ausländer Stiftung unter dem rührigen Verleger Helmut Braun wurde am 100. Geburtstag der Dichterin eine Inschrift mit der schönen Sentenz angebracht: „Aus der Wiege fiel mein Augenaufschlag in den Pruth“. Vielleicht noch sinniger wäre das Wort aus dem reichen Schatz der Rose Ausländer gewesen, das Helmut Braun als Vermächtnisverwalter vorgeschlagen hatte: „ Mein Vaterland ist tot, mein Mutterland ist das Wort.“ Aber das wäre von den meisten Besuchern, die da in der Nähe des Türkischen Platzes am Geburtshaus vorüber gehen, kaum verstanden worden, man hätte es historisch deuten müssen. Rose Ausländer und Paul Celan waren von schätzungsweise 60 000 Juden, die in den Dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts in Czernowitz lebten und arbeiteten; sie bildeten ein Drittel der Bevölkerung und prägten nicht nur - in deutscher Sprache - das kulturelle Leben, sondern waren auch Handwerker und Handelsleute. Zwar hatten die Czernowitzer Juden, die nie geschlossen in einem Ghetto leben (mussten), bereits in rumänischer Zeit nach dem Ersten Weltkrieg den in Ost-

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Die Synagoge von Czernowitz auf einer alten Postkarte der Vorkriegszeit europa latenten Antisemitismus gespürt, aber der entsetzliche Furor kam erst über sie, als das Bündnis zwischen Hitler und Stalin von 1939 zerbrach und die Deutschen 1941 in Czernowitz einmarschierten, zwar nur kurz aus Rücksicht auf den rumänischen Verbündeten, aber mit schrecklicher Symbolik. Die staatliche Synagoge des liberalen Judentums von Czernowitz wurde in Brand gesetzt und der Hauptrabbiner grausam umgebracht. Schon drei Jahre später war die sowjetische Armee wieder zurück und ließ auf den Grundmauern des jüdischen Gotteshauses ein Kino errichten, das heute zum amerikanischen Westernfilm einlädt. Wer bereits eine Eintrittskarte gekauft hat und im Foyer des Kinos wartet, entdeckt eine unscheinbare Wandtafel, die an den großen Sänger Josef Schmidt erinnert. Er war in den 20er und den frühen 30er Jahren ein in Europa gefeierter Bühnenkünstler und bereicherte mit seiner Stimme den jungen deutschen Reichsrundfunk in Berlin. Auch er ein Czernowitzer Jude. Wie das Deutschtum, so ist auch das Judentum weitgehend aus Czernowitz verschwunden, durch Holocaust und Auswanderung. Nur jeder vierte Jude überlebte die barbarische Verfolgung -darunter Rose Ausländer. In Czernowitz existiert heute nur noch eine „aktive“ Synagoge, von einst 60! Sie ist eine private Einrichtung der Familie Schapiro und stammt aus den 30er Jahren. Wenn der polnisch stämmige Rabbi Kowmansky am Freitagabend das Sabbatgebet spricht, sind nur

drei, vier männliche Gläubige bei ihm. Die meisten der relativ wenigen verbliebenen Juden meiden das Gebet. Die Ehefrauen der Anwesenden gehörten eigentlich auf die hölzerne Empore der kleinen, reich mit gemaltem Wandschmuck versehenen Synagoge. Aber diese Empore ist baufällig, so müssen die Frauen mit einem benachbarten Raum vorlieb nehmen, wo sonst Kinder der Thora-Schule unterrichtet werden. Immerhin preist der Rabbiner die Zusammenarbeit der vereinzelten Juden von Czernowitz mit den christlichen Gemeinden der Stadt. Es sind hauptsächlich Orthodoxe, deren prächtige Kirchen in der Innenstadt am Festtag Peter und Paul gefüllt waren, und die griechischkatholischen Christen der Ukraine, die das Papsttum anerkennen. Wer nach Czernowitz reist, hat vom früheren Zentrum des Chassidismus, des besonders strenggläubigen östlichen Judentums, in Sadagora gehört. Ein Flecken außerhalb der 240 000-Stadt Czernowitz. Zum „Wunderrabbi“ strömten einst Tausende. Heute ist der Ort eine bittere Enttäuschung, das große Gebetshaus zerfällt, man stolpert durch Schutt und Asche, und der hohe bukowinische Himmel schaut durch das löchrige Holzdach. US-amerikanische Chassidisten, die sich hier versammelten, wollten das Heiligtum retten, aber bis auf den Tag ist nichts geschehen. Das alte jüdische Czernowitz gibt es eben nicht mehr, Hitlers und Stalins diabolischer Erfolg.

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Landeskulturtagung

Ostpreußen, Schlesien und Sudetenland BdV-Landeskulturtagung in Düsseldorf setzte Akzente in der Aufarbeitung der Vergangenheit Mit einem anspruchsvollen und anre- Langhans eingerichtet. Haus Schlesien genden Programm erinnerte die BdV- würdigte in diesem Jubiläumsjahr übriLandeskulturtagung Mitte Oktober 2008 gens als einziges Museum in Deutschland im Düsseldorfer Gerhart-Hauptmann- das Gesamtwerk des schlesischen ArchiHaus an große Persönlichkeiten und he- tekten in einer Sonderausstellung. rausragende Ereignisse aus dem reichen Der ehemalige stellvertretende Vorsitkulturellen Erbe des deutschen Ostens. zende des BdV-Landesverbandes, RüdiMit Ostpreußen, Schlesien und dem Su- ger Goldmann, hat mit seinem Beitrag detenland standen diesmal die drei größten „Die Vertreibung der Sudetendeutschen Vertreibungsgebiete aus tschechischer im Fokus. Sicht“ eine ProbleAn große Persönlichkeiten und Hans-Günther Parmatik aufgegriffen, herausragende Ereignisse aus dem plies, Vorsitzender die keinesfalls als reichen kulturellen Erbe des des BdV-Landesver„Sonntagsthema“ deutschen Ostens erinnert bandes NRW e.V., gilt und nach wie umriss das breite vor ungelöste Fragen Vortragsspektrum, das sich von der Klas- in Sachen Vertreibung der angestammten sik in der Baukunst über den Barock in der deutschen Bevölkerung aus Böhmen Dichtung bis hin zur politischen Literatur verbirgt. Trotz Vertrag, bilateraler Erkläder Gegenwart erstreckte, und verwies rung und gemeinsamer Mitgliedschaft darauf, dass auch diesmal sowohl über der beiden Staaten in der NATO und aktuelle Ereignisse und Entwicklungen der Europäischen Union werde die Verals auch über die Vergangenheit disku- treibung immer ein Menetekel in den tiert werde: „Wir versuchen bei unseren deutschtschechischen Beziehungen bleiTagungen, möglichst große Zeiträume ben – so Goldmann. abzudecken.“ Höhepunkt der Veranstaltung war der Zu den eingeladenen Referenten gehörte Vortrag des 1955 in Königsberg geborenen Nicola Remig, die Museumsleiterin von Prof. Dr. hab. Wladimir Gilmanov, der Haus Schlesien in Königswinter-Heister- betonte: „Laut dem Gesetz der ‚Gesamtbacherrott, die in einem fachkundigen, einheit des Daseins’ sind die drei Phänomit Bildern unterlegten Vortrag Einblicke mene Weltgeschichte, Königsberg und in die Langhans-Sonderausstellung von Barock aufs Engste mit einem anderen Haus Schlesien bot. Wie Remig mitteil- Phänomen verbunden, das einmalig ist in te, wurde die Präsentation „Meister des seiner dichterischen und biographischen Klassizismus in Deutschland“ zum 200. Eigenheit: Simon Dach.“ Gilmanov ist als Todestag des Baumeisters Carl Gotthard Professor für fremdsprachige Philologie an der Russischen Staatlichen ImmanuelKant-Universität zu Kaliningrad tätig und hat bereits über 50 Forschungsarbeiten in den Bereichen Literaturgeschichte, Philosophie und Kulturgeschichte verfasst. Anlässlich des 350. Todestages des ostpreußischen Barockdichters hat er ein Buch veröffentlicht und war daher der ideale Referent, der bei der BdV-Landeskulturtagung die Thematik besonders kompetent beleuchten konnte. Unter dem metaphorischen Titel „Die letzte Grenze in der Dichtung von Simon Dach“ vermittelte der Gastredner interessante Interpretationen des bekannten Liebesliedes „Ännchen von Tharau“. Blick in den gefüllten Konferenzraum Text und Fotos: Dieter Göllner

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BdV-Landesvorsitzender HansGünther Parplies

Prof. Dr. Wladimir Gilmanov aus Königsberg/Kaliningrad

Museumsdirektorin Nicola Remig, Haus Schlesien

Rüdiger Goldmann, Sudetendeutsche Landsmannschaft

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Debatte

Das Sudetenproblem

Kritische Auseinandersetzung mit Prof. Detlef Brandes Buchvorstellung über die Sudetendeutschen im Jahr 1938 Anlässlich des 70. Jahrestages der Konferenz von München, in der die Modalitäten der schon vorher in einem Notenwechsel zwischen Großbritannien und Frankreich einerseits und der Tschechoslowakei andererseits vereinbarten Abtretung der Sudetengebiete an das Deutsche Reich festgelegt wurden, stellte Prof. Dr. Detlef Brandes sein neues Buch „Die Sudetendeutschen im Krisenjahr 1938“ (R. Oldenbourg Verlag München, ISBN 3486587420, 399 S., 39,80 €) im Düsseldorfer Gerhart-Hauptmann-Haus vor. Dessen Direktor, Privatdozent Dr. Winfrid Halder, konnte – gerade unter dem Eindruck der Fernseh-Dokumentationen „Die Sudetendeutschen und Hitler“ – damit erneut ein aktuelles Diskussionsthema mit prominenten und fachkundigen Gästen präsentieren. Den kürzlich emeritierten Professor an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf bewegte in der Darstellung der wesentlichen Inhalte seines Buches vor allem die Frage, wie es zum Zusammenwirken der nationalsozialistischen Führung mit den Repräsentanten der Sudetendeutschen Partei (SdP) in der damaligen Tschechoslowakischen Republik (ČSR) kommen konnte und welche Haltung die tschechischen Parteien, die übrigen sudetendeutschen Parteien sowie der tschechoslowakische Ministerpräsident Milan Hodža und der Staatspräsident Edvard Beneš zu den politischen Forderungen der Sudetendeutschen Partei einnahmen. Grundlage seiner Arbeit waren die Archivbestände in der Tschechischen Republik, vor allem die Berichte der tschechischen Polizei, die alle Versammlungen der Sudetendeutschen überwachten und im Sinne der tschechoslowakischen Staatsdoktrin, sowie das Archiv der Sudetendeutschen Partei. Brandes versäumte es in seiner Darstellung nicht, die fehlerhafte tschechische Politik gegenüber den Sudetendeutschen seit Gründung der ČSR im Jahr 1918 darzustellen: Keine Selbstverwaltung für die Deutschen, die tschechoslowakische Staatsauffassung und Staatssprache, die hohe Arbeitslosigkeit in den sudetendeutschen Siedlungsgebieten, die staatliche Begünstigung tschechischer

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Unternehmen, die Expansionsaktivitäten der tschechischen „Grenzler“ und deren staatliche Förderung. Dies alles führte im Jahr 1935 zur Entstehung einer quasi Einheitspartei der Deutschen in der ČSR, der Sudetendeutschen Partei unter ihrem Vorsitzenden Konrad Henlein, die bei den Kommunalwahlen 1938 ca. 90 % der deutschen Wähler gewinnen konnte, während die vorher führenden aktivistischen Parteien der sudetendeutschen Sozialdemokraten unter Wenzel Jaksch, der Bund der Landwirte und die Christlich-Sozialen nur den bescheidenen Restteil an Stimmen erhielten oder gar nicht mehr zur Wahl antraten. Die Verhandlungen des Jahres 1938 zwischen der Sudetendeutschen Partei einerseits und Wenzel Jaksch andererseits mit dem Ministerpräsidenten bzw. dem Staatspräsidenten der ČSR über ein Nationalitätenstatut blieben ohne Ergebnis. Während dieses Prozesses verschärfte die SdP ihre Positionen, die sich schließlich von der Forderung nach einer Autonomie in der ČSR zu dem Streben eines Anschlusses an das Deutsche Reich wandelten, nicht zuletzt unter dem Eindruck des Anschlusses Österreichs im Frühjahr 1938 und gestützt durch internationale Beobachter wie des britischen Lords Runciman im Sommer dieses Jahres. Sehr eindringlich schildert Brandes schließlich – aus der Sicht eines Sozialdemokraten, wie er selbst einräumt – die massiven, teilweise ungesetzlichen und auch gewaltsamen Aktionen von Anhängern der Sudetendeutschen Partei gegenüber Landsleuten, die ihr noch nicht beigetreten waren, sowie die Bildung des „Sudetendeutschen Freikorps“ außerhalb der ČSR und dessen Aktivitäten, und zwar mit deutlicher Kritik und Distanzierung. Gerade bei diesen Passagen vermisste der als „Kommentator“ geladene Landesobmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Nordrhein-Westfalen, Dr. Günter Reichert, eine quellenkritische

Reflexion des Autors, auch wenn die im Detail geschilderten und bisher in diesem Umfang nicht bekannten Aktivitäten sowie der Grad der Radikalisierung der Sudetendeutschen Partei zu verurteilen seien. Auch sei die ständige Verbindung der gesamten sudetendeutschen Bevölkerung – man spreche immer nur von „den Sudetendeutschen“ – mit der Politik Hitlers für diese ein Problem, da man die Entwicklungen des Jahres 1938 nicht ohne die Entscheidungen von 1918/19 und die antideutsche und antisudetendeutsche Politik der tschechoslowakischen politisch verantwortlichen Kräfte in den 20 Jahren davor bewerten könne. Zudem hätte der Autor der Frage nachgehen müssen, warum sich die ČSR-Führung nicht bereits in den 20er-Jahren gegenüber den damals führenden und in der Regierung vertretenen sudetendeutschen Parteien zu einem Nationalitätenstatut bereit gefunden habe, was die Integration der Sudetendeutschen in den Staat möglicherweise verbessert hätte. Dazu äußerte Prof. Brandes für alle Teilnehmer überraschend, Minderheiten in Grenzgebieten eines Staates sollten grundsätzlich keine territoriale Autonomie erhalten, da dies stets zu Konflikten und Loslösungsprozessen führe. Ihm wurde darauf von mehreren Diskussionsteilnehmern entgegnet, dass die 1918 vollzogene militärische Besetzung der deutsch besiedelten Gebiete und deren Einverleibung in den neuen Staat zu dem Konflikt zwischen den 3 ½ Millionen Sudetendeutschen und der Tschechoslowakischen Republik geführt habe – mit allen weiteren Folgen aufgrund ungeschickter tschechischer Politik. Reichert bescheinigte dem Autor im Einführungsteil seines Buches eine informative Darstellung und in der Schilderung der Ereignisse des Krisenjahres 1938 spannende detailreiche Ausführungen zu den verschiedenen politischen Entwicklungen. Er kritisierte aber eine Reihe von Verallgemeinerungen im zusammenfassenden Schlusskapitel. So seien Aussagen wie „sudetendeutscher Terror“ wissenschaftlich unsauber und politisch nicht hinnehmbar – ein Vorwurf, der von Brandes unbeantwortet im Raum stehen blieb. Rüdiger Goldmann

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Jubiläen

Jubiläen

Retrospektive und Ausblick Drei Häuser, mehrere Geburtstage und viele Aufgaben lassen. Dr. Stephan Kaiser, Direktor der musealen Einrichtung, blickte gemeinsam mit seinem jungen, hoch motivierten Team bei dieser Gelegenheit auch in die Zukunft und verriet einige der ehrgeizigen Vo r h a b e n und grenzüberschreitenden Projekte. Bei der Feierstunde waren auch die ehemaligen Direktoren der Institution, Dr. Nikolaus Gussone und Dr. Albrecht Oberschlesisches Landesmuseum, Ratingen-Hösel Tyrell anwesend, die biläen – abgehalten. Ratingen-Hösel, einen Rückblick auf herausragende EreigKönigswinter-Heisterbacherrott und nisse ihrer Leitungszeit boten. Rheinbach sind drei Schauplätze, die zu Das 1983 eröffnete Oberschlesische LanFestveranstaltungen und Sonderausstel- desmuseum - übrigens eines der ersten bundesgeförderten ostdeutschen Lanlungen eingeladen haben. Vor 25 Jahren wurde das Oberschlesische desmuseen - erhielt 1998 einen Neubau. Landesmuseum von Ratingen-Hösel eröff- Heute bieten die Museumsräume einen net und vor 10 Jahren der Museumsneubau Überblick über die Kultur und Geschichte eingeweiht. Grund genug für das größte Oberschlesiens mit den drei Hauptthemen schlesische Museum in Westdeutschland, „Oberschlesien vor der Industrialisieim Juni 2008 die Meilensteine seiner rung”, „Oberschlesien und die Industrie” Geschichte im Rahmen der Ausstellung sowie „Oberschlesien in der Politik des „Ein zehnfach interessantes Land“ und 20. Jahrhunderts”. einer Feierlichkeit Revue passieren zu Haus Schlesien in Königswinter-HeisIm Sommer 2008 haben mehrere nordrhein-westfälische Kulturinstitutionen, die sich im West-Ost-Dialog engagieren, Jubiläumsfeiern – ja sogar Doppelju-

Haus Schlesien, Königswinter-Heisterbacherrott

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terbacherrott feierte Mitte August 2008 ebenfalls ein Doppeljubiläum – und zwar das 35jährige Bestehen des gleichnamigen Vereins und das vor 30 Jahren erworbene Domizil. Das Jubiläums-Programm umfasste einen Festakt und das traditionelle Sommerfest. Die Kultur- und Bildungsstätte stellte sich als Ort des Verstehens und der Verständigung vor. Reinhard Blaschke, Präsident von Haus Schlesien, betonte: „Schlesien war und ist eine reiche Kulturlandschaft, die ein kulturelles Erbe hinterlassen hat, das nicht verloren gehen darf.“ Es wurde u.a. daran erinnert, dass der Verein Haus Schlesien den verfallenen, ehemals zisterziensischen Wirtschaftshof 1978 erwarb und in den vergangenen 30 Jahren zu einem „Schmuckstück“ der Region gemacht hat. Heute beherbergt Haus Schlesien ein Kultur- und Bildungszentrum mit einer Tagungs- und Begegnungsstätte, ein Museum für schlesische Landeskunde, eine Präsenzbibliothek, Gastronomie und Gästezimmer. Die „Glasstadt“ Rheinbach hat im September 2008 zu Feierlichkeiten anlässlich des 60jährigen Bestehens der Glasfachschule und des 40. Geburtstags des „Spezialmuseums für nordböhmisches Hohlglas“ eingeladen. Mit der Ansiedlung sudetendeutscher Glasveredler, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus ihrer Heimat vertrieben worden waren, begann sich Rheinbach als „Stadt des Glases“ zu entwickeln. Die Feierlichkeiten wurden mit einem Festakt und einer Sonderausstellung im Glaspavillon „Hans-Schmitz-Haus“ begangen. Das von der gebürtigen Siebenbürgerin Dr. Ruth Fabritius geleitete Museum bietet heute mit seiner wertvollen Sammlung einen Überblick über die Kunst böhmischer Glasherstellung und -veredlung.

Text und Fotos: Dieter Göllner

Spezialmuseum für nordböhmisches Hohlglas, Rheinbach

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Do, 12.02. | 19 Uhr Ausstellungseröffnung Kinderzeichnungen aus Tschetschenien. Eine Ausstellung von Elisabeth Petersen Eichendorff-Saal (Siehe Seite 14)

Di, 27.01. | 19 Uhr Lesung mit Arno Surminski Konferenzraum (Siehe Seite 3)

Di, 17.03. | 19 Uhr Ausstellungseröffnung „Die große Flucht 1944/45 in grafischen Bildzeugnissen“ Ausstellungsraum (Siehe Seite 17 )

Do, 05.02. | 19 Uhr Lesung mit Jan Cornelius „Heilige und Scheinheilige“ Konferenzraum (Siehe Seite 5)

Mo, 19.01. | 19 Uhr „Die Mauer wird … auch noch in 50 oder 100 Jahren noch bestehen bleiben… Vortrag von Werner Bader Konferenzraum (Siehe Seite 4)

Sa, 31.01. | 16 Uhr Altes bewahren – Neues entdecken Projektpräsentation des IKZ Mettmann Eichendorff-Saal (Siehe Seite 19) Mi, 11.02. | 19 Uhr „Die Gustloff“ Film und Vortrag von Heinz Schön Eichendorff-Saal (Siehe Seite 7)

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Sa, 28. 03. | 19.00 Uhr Theaterpremiere „Die Weber“ von Gerhart Hauptmann Eichendorff-Saal (Siehe Seite 13) Mo, 30.03. & Di, 31.03. | 11 Uhr Theateraufführung „Die Weber“ von Gerhart Hauptmann Eintritt frei Eichendorff-Saal (Siehe Seite 13)

BRAUCHTUM GRUPPENANGEBOTE

Do, 26.02. | 19 Uhr Kaiser Wilhelm II. – Herrscher zwischen Modernität und Nervosität Vortrag von Prof. Dr. Kurt Düwell Konferenzraum (Siehe Seite 6)

Mi, 18.03. | 19 Uhr Lesung mit Ralph Giordano „Ostpreussen ade. Reise durch ein melancholisches Land“ VHS Düsseldorf, Bertha-von Suttner-Platz, Saal 1 (Siehe Seite 6)

Fr, 23.01. | 10 Uhr Flucht und Vertreibung – Das Thema und seine Verarbeitung im Spielfilm mit Dr. Michaela Ast Konferenzraum (Siehe Seite 10) Do, 12.03. | 10 Uhr Sammlungen bewahren – Kulturgut erhalten Frühjahrstagung der AG Heimatstuben Luisenschule, Bismarckplatz 10 in Essen Sa, 29.03. | 10.30 Uhr Landesversammlung des BdV Landesverbandes NRW e.V. Anmeldung in der Landesgeschäftsstelle erforderlich. Eichendorff-Saal

Mo, 09.03. | 19 Uhr Lesung mit Dr. Hajo Buch „Und ich sang in den Wind“ Konferenzraum (Siehe Seite 5)

Di, 20.01. | 11 Uhr Gerhart Hauptmann – Die Weber Autor, historischer Hintergrund, Rezeption Vortrag von PD Dr. Winfrid Halder Konferenzraum (Siehe Seite 13)

Do, 15.01. | 18 Uhr Kinemathek Zwischen Deutschland und Polen – Zum 90. Todestag Rosa Luxemburgs Kommentierte Filmvorführung und Diskussion Konferenzraum (Siehe Seite 15) Mi, 11.02. | 15 Uhr Kinemathek „Die Ratten“ von Gerhart-Hauptmann Eichendorff-Saal (Siehe Seite 13)

Mo, 02.03. | 19 Uhr „Ich war ein Wolfskind aus Königsberg“ Buchvorstellung mit Ursula Dorn Konferenzraum (Siehe Seite 18 )

THEATER

VORTRÄGE

Fr, 27.03. | 18 Uhr Ausstellungseröffnung „Steingewordener Glaube“ – Kirchliche Architektur im Banat im 18. Jahrhundert“ Foyer Eichendorff-Saal (Siehe Seite 8)

Do, 29.01. | 19 Uhr Der weite Weg gen Westen. Geflohen – vertrieben – angekommen an Rhein und Ruhr Buchvorstellung mit Dr. Joachim Sobotta, ehem. Chefredakteur der Rheinischen Post Konferenzraum (Siehe Seite 19)

FILM

Mi, 25.02. | 19 Uhr Die Besiedlung der „Großen Wildnis“ in Preussisch-Litthauen im 16. Jahrhundert Vortrag von Dr. Wolfgang Rothe Konferenzraum (Siehe Seite 18)

TAGUNGEN

Fr, 06.02. | 18 Uhr Ausstellungseröffnung „Nein zu Hitler! Sozialdemokratie und freie Gewerkschaften in Verfolgung,. Widerstand und Exil 19331945“ Ausstellungsraum (Siehe Seite 9)

LITERATUR

AUSSTELLUNGEN

Programm

Sa, 14.02.| 15 Uhr „Fröhliche Ostseewellen“ Eine Veranstaltung des Bundes der Vertriebenen, Kreisverband Düsseldorf Eichendorff-Saal Do, 08.01., 05.02., 05.03. | jeweils 19.30 Uhr

Offenes Singen mit Barbara Schoch, Raum 412 Mi, 14.01., 04.02., 04.03. | jeweils 15 Uhr

Ostdeutsche Stickerei mit Helga Lehmann und Christel Knackstädt, Raum 311 Mi | jeweils 19 bis 20.30 Uhr Probe der Düsseldorfer Chorgemeinschaft Ostpreußen, Westpreußen, Sudetenland Leitung: Iskra Ognyanova

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Vom 18.5. – 23.5.2009

Impressum

Kulturpolitische Studienreise nach Böhmen und Mähren

Herausgeber: Stiftung „Gerhart-Hauptmann-Haus. Deutsch-osteurpäisches Forum“

Die Stiftung „Gerhart-Hauptmann-Haus“ veranstaltet vom 18.5. – 23.5.2009 eine kulturpolitische Studienreise nach Böhmen und Mähren. Im Mittelpunkt dieser Reise stehen die Kultur, Geschichte und Traditionen der jeweiligen Regionen sowie deren Sehenswürdigkeiten. Geplant sind Begegnungen mit Vertretern der Deutschen Minderheit in Brünn und Reichenberg. Stationen der Reise sind

Geöffnet

Gablonz, Königgrätz, Olmütz, Brünn, Prag, Theresienstadt, Melnik und weitere. Der Preis für die Reise beträgt 729 € im Doppelzimmer mit Halbpension. Enzelzimmerzuschlag 140,00 €. Information und Anmeldung im Gerhart-Hauptmann-Haus unter Tel.: 02111699118 oder im Internet unter WWW.gh-h.de.

Servicezeiten Mo-Do 8 - 12.30 ● 13 - 17 Uhr Fr 8 - 14 Uhr Servicezeiten der Bibliothek Mo-Mi 10 - 12.30 ● 13.30 - 17 Uhr Do 10 - 12.30 ● 13.30 - 18.30 Uhr

Viele weitere Informationen über das Gerhart-Hauptmann-Haus und zu den im Heft behandelten Themen finden Sie - rund um die Uhr - auch im Internet unter www.g-h-h.de.

Das „West-Ost-Journal“ erscheint vierteljährlich.

Vorsitzender des Kuratoriums: Reinhard Grätz Vorsitzender des Vorstandes: Konrad Grundmann Bismarckstr. 90 40210 Düsseldorf Postanschrift: Postfach 10 48 61 40039 Düseldorf Telefon: (2 11) 16 99 10 Telefax: (02 11) 35 31 18 Mail: bergmann@g-h-h.de Internet:www.g-h-h.de

Redaktion: PD Dr. Winfrid Halder, Chefredakteur, Dirk Urland M.A. Satz und Layout: Markus Patzke Herstellung: Rautenberg Druck, Rautenberg Druck GmbH, Blinke 8, 26789 Leer/Ostfriesland

Absender:

Bitte

Heftpreis: 2,50 € Abo-Bezugsmöglichkeit durch die nebenstehende Bestellkarte zum Jahresbezugspreis von 6,50 € Anzeigenpreise: Es gilt die Anzeigenpreisliste vom 1. Dezember 1997 Anzeigenannahme: „Gerhart-Hauptmann-Haus“

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ausreichend

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Absender: Stiftung „Gerhart-Hauptmann-Haus“ Postfach 10 48 61 40039 Düsseldorf Postvertriebsstück Entgelt bezahlt G 9353 F

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om 12. bis zum 15. November 2008 weilte eine Delegation des schlesischen Marschallamtes in NordrheinWestfalen. Sie wurde vom Marschall Bogusław Śmigielski (r.) angeführt. Höhepunkt des Besuches war die feierliche Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung über die Zusammenarbeit und den Ausbau der freundschaftlichen Beziehungen zwischen Marschall Śmigielski und Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers (l.) am 14. November in der Düsseldorfer Staatskanzlei. Die Gemeinsame Erklärung soll die beiderseitigen Beziehungen zwischen Nordrhein-Westfalen und der Woiwodschaft Schlesien stärken. Sie ersetzt und erweitert die am 1. September 2000 unterzeichnete Gemeinsame Erklärung zwischen den beiden Regionen.

Im nächsten Heft • Zeitenwende Die politische Ereignisse des Frühjahrs 1989 • Ausstellung: Die Sudetendeutschen

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