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WOJ 19. Jg. - 3/2013 Juli/August/September ISSN 0947-52731

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West-Ost-Journal

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Juli August September

Sieben Staatsgrenzen keine Passkontrolle – Vom Wunderbaren im (heute) Alltäglichen 8 Buchvorstellung

15 Ausstellung

17 Lesung/Vortrag

Im Jahre 1964 fand der »Historikertag« – seit 1895 die wichtigste wissenschaftliche Großkonferenz des deutschen Historikerverbandes – ausgerechnet in Berlin statt. Die ehemalige Reichshauptstadt war zum ersten Mal überhaupt Tagungsort, und es sollte ein Treffen von besonderer Brisanz werden. Einerseits war die Stadt seit dem Mauerbau vom August 1961 endgültig geteilt – damit auch in zwei Hochschulund Wissenschaftsstandorte zerrissen.

Zwischen der Eröffnung der Nationalversammlung in Weimar am 6. Februar 1919 und der Machtergreifung Adolf Hitlers am 30. Januar 1933 haben zwölf Reichskanzler die Weimarer Republik regiert: Philipp Scheidemann, Gustav Bauer, Hermann Müller, Constantin Fehrenbach, Joseph Wirth, Wilhelm Cuno, Gustav Stresemann, Wilhelm Marx, Hans Luther, Heinrich Brüning, Franz von Papen und Kurt von Schleicher. Mit Ausnahme von ...

Vor dem Urteil Thomas Manns, des Literaturnobelpreisträgers von 1929, bestand so leicht kein Dichterkollege. Das überaus sarkastische, für jeden halbwegs Kundigen leicht zu entschlüsselnde Porträt, das Mann mit der Figur des »Mynheer Peeperkorn« in seinem großen Zeitroman »Der Zauberberg« (1924) von dem Literaturnobelpreisträger von 1912 – Gerhart Hauptmann – zeichnete, hat dieser ihm arg verübelt. So sehr verübelt, ...

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www.gerhart-hauptmann-haus.de


2 Editorial

Inhalt 3 Sieben Staatsgrenzen, keine Passkontrolle: DüsseldorfKiel-Klaipeda-Riga-TallinnHelsinki-Stockholm-KopenhagenDüsseldorf 8 »Hineingeschlittert« oder »vom Zaun gebrochen«? Christopher Clarks neues Buch »Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog« 10 Bromberg-KölnGettysburg-Charleston – Stationen im Leben Alexander Schimmelpfennigs (1824 – 1865): PreuSSischer Offizier, Revolutionär, General im Amerikanischen Bürgerkrieg 12 »Rumänien, das unbekannte Land von Trajan bis Dracula und Ceauşescu« 14 Ausstellung »Brünner deutschsprachige Bürgermeister 1850 – 1918« 15 Ausstellung »Die Reichskanzler der Weimarer Republik. Zwölf Lebensläufe in Bildern« 17 Die romantischen Dichtungen des schlesischen Freiherrn Joseph von Eichendorff 18 »Geschichte vor Ort. StraSSennamen erzählen« 19 Schlesisches Erbe in Berlin - Eine Entdeckungsreise 20 Dirigent der Republik – Zum 40. Todestag Otto Klemperers (1885-1973) 21 Mit Otfried PreuSSler in Rumänien – Ein Reisebericht und Stimmungsbild anlässlich des Todes des beliebten Kinderbuchautors

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Freunde des Gerhart-Hauptmann-Hauses, vor 40 Jahren, am 3. Juli 1973, wurde in Helsinki – nach längeren Vorbereitungen – die erste Runde der »Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa« (KSZE) eröffnet. In der finnischen Hauptstadt – in mehr als nur geographischem Sinne zwischen Ost und West gelegen – trafen die Staats- und Regierungschefs von sieben Staaten des »Warschauer Paktes«, von 15 NATO-Staaten sowie von 13 neutralen Staaten zusammen. Die Konferenz markiert bis heute einen wichtigen Einschnitt in der Geschichte der Entspannungspolitik: Parallel zu den bilateralen Bemühungen der damaligen Bundesregierung unter Willy Brandt im Rahmen der »Neuen Ostpolitik« (wenige Tage nach dem Zusammentritt der Konferenz von Helsinki trat der »Grundlagenvertrag« zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR in Kraft, die Verträge von Moskau und Warschauer galten bereits und der Prager Vertrag folgte im Dezember 1973) gab es nun ein internationales Forum, das »blockübergreifend« arbeitete. So mühselig die folgenden Verhandlungen auch zeitweilig waren, so bedeutete doch die Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte am 1. August 1975 in Helsinki einen gewaltigen Fortschritt: Die sich zuvor unversöhnlich und bis an die Zähne bewaffnet gegenüber stehenden Parteien des Kalten Krieges hatten sich einvernehmlich über allgemeine Grundsätze des künftigen politischen Miteinanders geeinigt. Die Unverletzlichkeit der Grenzen sollte wechselseitig respektiert, Streitfälle sollten friedlich gelöst, die Souveränität anderer Staaten geachtet und die Menschen- und Bürgerrechte sollten gewahrt werden. Dazu kamen Absprachen zur Erleichterung humanitärer Kontakte über die Blockgrenzen hinweg. Für die Dissidenten- und Bürgerrechtsbewegungen in Ost- und Ostmitteleuropa wurden die Vereinbarungen von Helsinki zu wichtigen Bezugspunkten, welche die kommunistischen Diktaturen nicht mehr leugnen oder gar beseitigen konnten – »Helsinki« wurde so zu einem wichtigen Schritt in Richtung auf die friedliche Revolution in Europa Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre. Wenn unser Blick in den nun anbrechenden Urlaubstagen über die geschichtsträchtigen Wasser der Ostsee schweift, mag ein Gedanke an Helsinki mitschwingen. Wie geschichtsträchtig dieses europäische Binnenmeer ist – darüber gibt es einiges mehr zu erfahren in diesem Heft. Es eignet sich vielleicht auch als Strandlektüre – jedenfalls können Sie in aller Ruhe die Termine planen, an denen wir Sie nach der Sommerpause wieder herzlich zu unserem Programm einladen. In diesem Sinne wünscht Ihnen gute Erholung und uns ein baldiges Wiedersehen Ihr


3 Reisebericht

Vom Wunderbaren im (heute) Alltäglichen

Sieben Staatsgrenzen, keine Passkontrolle: Düsseldorf-Kiel-KlaipedaRiga-Tallinn-Helsinki-Stockholm-Kopenhagen-Düsseldorf Wie nur, frage ich mich, wie nur könnte ich den jungen Leuten, die sich in meiner Nähe befinden, verständlich machen, dass sich gerade Wunderbares ereignet? Zugegeben: Das Äußerliche ist unspektakulär. Ein diesiger, grauer Tag ist heraufgezogen, die Stadt, deren Hafen wir verlassen haben, verschwindet rasch hinter einem Dunstschleier. Die kaum bewegte Oberfläche der Ostsee schimmert wie mattgraues Metall, schon in geringer Entfernung wird ununterscheidbar, was noch Wasser und was schon von der Nässe geschwängerte und trübe gemachte Luft ist. Gegen den undeutlichen Horizont hebt sich als einzig starker Farbkontrast die schwedische Flagge ab, die das Schiff führt. Es fährt ruhig, dank des fehlenden Seegangs; mit geschlossenen Augen könnte man genauso gut in einem auf guter Straße über’s Land fahrenden Bus sitzen und würde keinen Unterschied merken. Das stimmt mich, den im Gebirge aufgewachsenen Landmenschen eigentlich froh – der Wasser zwar schnell fließend, aber zumeist mit einem einzigen großen Schritt überquerbar kennengelernt hat. Und der jetzt, umgeben von so viel Wasser, salzigem obendrein, anfangs doch ein wenig beklommen war, den eigenen Magennerven nicht ganz trauend. Doch deren »Seefestigkeit« bleibt ungeprüft, die eigens beschafften einschlägigen Kautabletten im Rucksack verstaut, mir die allfälligen Peinlichkeiten der Landratte mit grünem Gesicht erspart … Es gibt also nichts, das mich davon abhalten würde, meinen Gedanken nachzuhängen. Auch meine Mitreisenden sind wohl froh ob der ruhigen Überfahrt, denn wir sind früh aufgestanden, um das erste Schiff des Tages hinüber zu unserem nächsten Etappenziel zu erreichen. Und wir haben noch ein ambitioniertes Besichtigungsprogramm vor uns, so ist die Atempause willkommen. Ganz unaufregend, »normal« also – und doch wunderbar. Das Wunderbare aber an dieser Normalität ist nicht ganz leicht zu erklären, jedenfalls nicht gegenüber den jungen Mitreisenden – gerade denen aber müsste man’s, müsste ich es erklären. Denn das würde ihnen womöglich helfen, die Welt, in der sie aufwachsen, besser schätzen zu lernen – und man muss etwas für schätzenswert halten, um bereit zu sein, es nötigenfalls zu verteidi-

gen. Aber wie erkläre ich es nur, wie? Genauso einfach oder vielmehr schwierig wäre es, diesen jungen Leute, von denen sich offensichtlich die meisten vorrangig für das riesige Angebot des Duty-free-Shops an Bord interessieren, zu erklären, warum meine Kindheit gewissermaßen medial privilegiert verlaufen ist. Denn wir konnten zuhause vier – ja wirklich! – vier Fernsehprogramme empfangen. Da war ich meinen neidvollen Cousinen und Cousins voraus, denn wir konnten dank der Lage

der Fähre nach Helsinki gegangen und wurde nicht kontrolliert!!!« Niemand natürlich, das ist klar. Darin, dass das eben niemand tut, liegt ja mein Problem begründet, das Wunderbare an dieser Überfahrt zu erklären. Als wir heute in aller Frühe das Abfertigungsgebäude am Fährhafen von Tallinn betraten, machte ich mich sogleich auf zum gläsernen Schalter. Meine Frage, ob unsere Ausweise zum »Einchecken« auf das Schiff benötigt würden, verneint die junge Dame dahinter

Der Tallinner Dom

meines oberbayerischen Heimatortes unweit der österreichischen Grenze auch ORF 1 empfangen, nicht etwa nur die drei bundesrepublikanischen öffentlich-rechtlichen Programme. Sendeschluss – wieder so eine unbekannte Vokabel für die jungen Leute von Heute – machten freilich alle vier Programme, wochentags spätestens kurz nach Mitternacht. Und dieser merkwürdig unangenehme Pfeifton hielt einen davon ab, das folgende, ohnehin öde »Testbild« allzu lange sinnlos anzustarren. Eine ferne Welt heute, da die Smartphones in den Taschen der jungen Leute diese in die Lage versetzen, jederzeit jedes elektronische Medium zu konsumieren und alle ihre facebook-Freunde in der ganzen Welt ständig mit neuen »posts« auf dem Laufenden zu halten. Wer twittert gerade: »Stellt Euch vor: Bin heute morgen in Tallinn an Bord

lächelnd – sie interessiert sich nur für die Anzahl der Personen in unserer Gruppe. Sie spricht mit mir Englisch, was sonst? Ich brauche also für die paar Sätze, die wir wechseln, keinen Dolmetscher, schon gar keinen, der etwa ins Russische übersetzen müsste. Wieder so etwas wunderbar Selbstverständliches, heute in der Hauptstadt Estlands. Seit etwas mehr als zwei Jahrzehnten ist Estland – wie auch die beiden anderen baltischen Staaten Litauen und Lettland – nicht mehr Teil des sowjetischen Imperiums. »Kinder Europas aus dessen geschichtsträchtigem Osten«, wie der Dichter Edzard Schaper (1908-1984) die Länder des Baltikums genannt hat, die zurückgekehrt sind nach Europa. Freilich erst nach einer langen Trennung, die ihnen die Teilung der Welt in zwei einander feindlich gegenüberFortsetzung auf Seite 4


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stehende Machtblöcke im Kalten Krieg und schon zuvor der Totalitarismus auferlegt hatten. Als die Rote Armee die geschlagene deutsche Wehrmacht nach dem Debakel von Stalingrad immer weiter gen Westen zurücktrieb, gerieten auch die baltischen Staaten 1944 wieder in den Machtbereich des sowjetischen Diktators Stalin. Die Menschen der baltischen Länder wussten bereits, was das hieß: Schon 1940 hatte mit der

Balticum« unterschieden sich nicht zuletzt im konfessionellen Sinn vom sonstigen, zumeist durch das orthodoxe Christentum geprägten Zarenreich; hier dominierten die protestantischen Kirchen (Estland, Lettland) und die römisch-katholische Kirche (Litauen). Außerdem gab es (weniger in Litauen) eine zahlenmäßig verhältnismäßig kleine, aber wirtschaftlich, politisch und kulturell außerordentlich einflussreiche baltendeutsche Minderheit, welche die

Auf den Sängerwiesen in Tallinn

Roten Armee auch der sowjetische Geheimdienst Einzug gehalten, nachdem sich Hitler und Stalin kurz zuvor im nach ihnen benannten Pakt (23. August 1939) auf die Aufteilung Ostmitteleuropas in »Interessensphären« verständigt hatten. Natürlich ohne auch nur einen Gedanken an die eigenen Wünsche und Vorstellungen der betroffenen Menschen zu verschwenden. Das Baltikum fiel dabei – wie das östliche Polen – Stalins Reich zu. Damit endete die kurze Phase der Unabhängigkeit, welcher sich die baltischen Staaten erst seit dem Ende des Ersten Weltkrieges 1918 hatten erfreuen können. Die im 19. Jahrhundert erstarkten Unabhängigkeitsbewegungen nutzten dem Zusammenbruch des Zarenreichs 1917/18, um aus dem russischen Staatsverband auszuscheren. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts waren die baltischen Territorien in mehreren Etappen unter die Herrschaft des Zaren gekommen, der die teilweise dänische, schwedische oder polnisch-litauische Landesherrschaft ablöste. Der besondere Charakter der »russischen Ostseeprovinzen« war freilich auch unter der Oberhoheit der Romanows erhalten geblieben, die klug genug gewesen waren, die kulturelle, sprachliche und konfessionelle Eigenart der neuen Territorien weitgehend zu respektieren – jedenfalls bis ins späte 19. Jahrhundert hinein. Die Provinzen am »Mare

Zaren in ihrer herausragenden Stellung im Wesentlichen unangetastet ließen. Zahlreiche Angehörige des baltendeutschen Adels machten sogar im Dienste des Zaren große Karrieren in der Verwaltung und besonders im Militär. Die Baltendeutschen waren zumeist Nachfahren der deutschen Kaufleute und Ritter, die seit dem späten 12. Jahrhundert in den nordöstlichen Ostseeraum gezogen waren und sich dort niedergelassen hatten. Zwischen dem deutschen und dem baltischen Raum bestand also eine besondere historische Beziehung. An der Beseitigung der noch jungen staatlichen Eigenständigkeit mitgewirkt zu haben, nannte Edzard Schaper – in Ostrowo (Posen) geboren, aber von 1932 bis 1940 in Reval lebend – also mit Recht »eine Todsünde der jüngsten totalitären Vergangenheit Deutschlands«. Nur eine von zahlreichen Todsünden, wie man hinzufügen muss. Zahlreiche Deutsche hatten die seit 1918 selbständigen Staaten der Region zwar schon bald nachdem diese die Unabhängigkeit erlangt hatten verlassen, die endgültige Beseitigung ihrer jahrhundertelangen Präsenz erfolgte jedoch ebenfalls im Kontext des HitlerStalin-Paktes, der die Übersiedlung der verbliebenen Deutschen »heim ins Reich« vorsah. Da für die betroffenen Menschen nur die Wahl bestand, in den Machtbereich Stalins oder Hitlers zu

geraten, entschieden sich die meisten für die deutsche Option. Der 1944 zurückgekehrte Unterdrückungs- und Verfolgungsapparat des sowjetischen Staates setzte sogleich das 1940 begonnene Werk fort: Es galt die angeblichen »Klassenfeinde« auszumerzen, was nichts anderes bedeutete als die physische Vernichtung oder im besten Falle noch die Verschleppung der kulturellen und politischen Eliten der baltischen Staaten in sowjetische Zwangsarbeitslager. Die schlichte Gedenktafel, die wir bei unserer Stadtbesichtigung an einem der früheren und heutigen Regierungsgebäude in der Tallinner »Oberstadt« passiert haben, mag der Aufmerksamkeit vieler Besucher der Stadt entgehen. Sie ist auch nicht ganz leicht zu verstehen, verzeichnet sie doch im Grunde nur Namen und Lebensdaten von etwas mehr als 60 Personen. Wer sie jedoch (wie wir) kundig erläutert bekommt oder wer sich ein wenig damit auseinandersetzt, der vermag die Dimension der Verfolgung durch den stalinistischen Terror wenigstens zu erahnen. Die Tafel weist unter anderem die Namen von 10 der 11 Mitglieder des letzten estnischen Kabinetts auf, das am 21. Juni 1940 von den sowjetischen Eindringlingen des Amtes enthoben wurde. Lediglich Ministerpräsident Jüri Uluots gelang die Flucht; er starb 1945 im schwedischen Exil. In Schweden hatte Uluots die erste der estnischen Exilregierungen begründet, die einander bis zur Wiedererlangung der staatlichen Eigenständigkeit Anfang der 1990er Jahre ablösten. Seit 1940 emigrierten etwa 80.000 Esten, 120.000 Letten und 66.000 Litauer, vielfach bis in die USA. Im Falle Lettlands, das 1939 etwa 1,9 Millionen Einwohner hatte, gingen also mehr als 6 Prozent der Gesamtbevölkerung ins Exil. Wie gewaltig dieser Aderlass und wie enorm der Auswanderungsdruck war, wird ersichtlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass zwischen 1933 und 1939 etwa 0,4 Prozent der Gesamtbevölkerung des Deutschen Reiches im Zeichen der NS-Diktatur als politisch oder rassistisch Verfolgte ihr Heimatland verließen. Alle anderen Regierungsmitglieder außer Uluots und darüber hinaus auch der amtierende Staatspräsident Konstantin Päts wurden also 1940 verhaftet. Einige wurden vermutlich sofort ermordet, die anderen in das Lagersystem des »Archipel Gulag« deportiert. Bis auf den ehemaligen Bildungsminister Paul Kogerman hat keiner die Inhaftierung überlebt und konnte in die Heimat zurückkehren. Kogerman durfte bereits


5 Reisebericht 1945 – nach »nur« knapp fünf Jahren Haft – wieder nach Tallinn. Wahrscheinlich erschien er Stalin und seinen Helfern dort nützlicher als in einem Lager, war Kogerman doch ein hochqualifizierter Chemiker, der sich auf die Energiegewinnung aus dem in Estland vorkommenden Ölschiefer spezialisiert hatte. Ölschiefer ist die einzige in größerem Umfang in Estland selbst abbaubare Energieressource. Die restlichen Namen auf der Tallinner Gedenktafel gehören zu Regierungsmitarbeiterinnen und –mitarbeitern unterschiedlicher Hierarchieebenen, die ihrerseits verhaftet und deportiert wurden – die meisten waren schon bis 1942 tot, überlebten also im Schnitt keine zwei Jahre im Lager. Tatsächlich kamen die seit Mitte 1940 Deportierten aus den baltischen Ländern zu einem – wenn man das mit Blick auf die stets grauenvollen Haftbedingungen überhaupt sagen kann – besonders schlechten Zeitpunkt in die riesigen Komplexe der Zwangsarbeitslager in Stalin Reichs. Im Zuge des »Großen Terrors«, das heißt der gewaltigen Welle von Inhaftierungen und vielfach auch Hinrichtungen jeglicher tatsächlicher oder vermeintlicher politischer Gegner Stalins seit etwa Mitte der 1930er Jahre, waren die Zahlen der Häftlinge und der Lagerkomplexe bereits nach oben geschnellt. 1939 gab es mehr als 60 Lagerkomplexe auf dem Gebiet der ganzen Sowjetunion, in denen etwa 1,3 Millionen Häftlinge gefangen gehalten wurden. Infolge der »Gebietsgewinne« der Sowjetunion durch den Hitler-Stalin-Pakt und der sich anschließenden Verhaftungswellen im östlichen Polen und im Baltikum wuchs die Zahl der Lagerkomplexe rapide bis 1941 auf über 100, die Anzahl der Häftlinge stieg auf rund 1,5 Millionen, den bisherigen Höchststand. Als Hitler im Juni 1941 der Wehrmacht den Befehl gab, die Sowjetunion anzugreifen, befanden sich demnach mehr politische Häftlinge denn je zuvor in Stalins Lagern. Angesichts des kriegsbedingten Teilzusammenbruchs der Nahrungsmittelversorgung in der militärisch zunächst schwer bedrängten Sowjetunion, die dazu führte, dass auch große Teile der Zivilbevölkerung in den nicht besetzten Gebieten der UdSSR Hunger litten, verschlechterten sich die Haftbedingungen in den Lagern weiter drastisch. Dort ging es ja »nur« um das Leben von »Klassenfeinden«. Die Sterblichkeit in den Lagern war je nach geographischer Lage sehr unterschiedlich, stieg aber seit 1941 insgesamt sprunghaft an. 1942/43 starben im ganzen »Gulag-System« schätzungsweise

250.000 Menschen – zumeist durch Hunger und Krankheit, zahlreiche Häftlinge wurden aber auch nachträglich zum Tode verurteilt und ermordet. Die Todesdaten der estnischen Regierungsmitglieder und –mitarbeiter auf der unscheinbaren Tafel in Tallinn verwundern folglich nicht. Als die Rote Armee 1944 ins Baltikum zurückkehrte – Tallinn fiel am 22. September 1944 wieder in ihre Hände – folgte, wie schon erwähnt, eine erneute Verhaftungswelle. Alexander Solschenizyn (19182008), der selbst als Offizier der Roten Armee wegen stalinkritischer Äußerungen Mitte Februar 1945 in Ostpreußen in die Mühlen des Geheimdienstes geriet und der später der große literarische Chronist des Lagersystems wurde, hat auch die »nationalen Konjunkturen« beschrieben, die sich in der Zusammensetzung seiner Mithäftlinge abbildeten. Im dritten Band seines monumentalen Werkes »Archipel Gulag« schrieb Solschenizyn in dem Kapitel »Die Völkerverschickung«, das die diversen brutalen Vertreibungs- und »Umsied lungsaktionen« behandelt, welche auf Geheiß Stalins nicht allein die Russlanddeutschen, sondern auch eine ganze Reihe anderer Ethnien in der Sowjetunion trafen: »Das Jahr 1940 brachte dem Baltikum noch nicht die Verschickung, sondern die Lager und für manch einen – die Erschießung in steinernen Gefängnishöfen. Und 1941, beim Rückzug, wurde, soweit die Kräfte reichten, alles geschnappt, was begütert, bedeutend, nam- Jugendstil in Riga haft war, als wertvolle Beute mitgeschleppt und dann als Dünger auf die froststarre Erde des Archipel geworfen. (Abholen kam man sie immer nur nachts. Hundert Kilo Gepäck stand der ganzen Familie zu, das Familienoberhaupt wurde schon bei der Verhaftung für den Kerker und die Vernichtung abgesondert.) Während des ganzen späteren Krieges drohte man den Balten (über den Leningrader Rundfunk) mit der eiser-

nen Faust der Rache. 1944, nach der Rückkehr unserer Truppen, wurden die Drohungen wahrgemacht, die Verhaftungen hielten reiche Ernte. […] Die wirkliche Verschickung der Balten wurde 1948 vom Stapel gelassen (da kamen die unbotmäßigen Litauer dran), dann 1949 (alle drei Nationen) und 1951 (nochmals die Litauer). […]« Der Strom der Balten – vor allem Männer –, der sich in die einzelnen Lager des Gulag ergoss, hat die »Lagergesellschaften« verändert. An vielen einzelnen Haftorten bildeten die Litauer, Esten und Letten fest formierte Gruppen, die sich gegen andere Häftlinge abgrenzten. Insbesondere setzten sie sich

des öfteren zur Wehr gegen die brutale informelle Herrschaft der kriminellen Lagerinsassen, die vielfach bestrebt waren, die »Politischen« auszunutzen, zu berauben und für sich arbeiten zu lassen. Auch am wohl größten Aufstandsversuch in einem Gulag-Lager waren baltische Häftlinge wesentlich beteiligt: Im Juli 1953 kam es im besonders beFortsetzung auf Seite 6


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rüchtigten Lagerkomplex von Workuta im Nordural unweit des Polarkreises angesichts der katastrophalen Arbeitsbedingungen der Häftlinge (zumeist im Steinkohlebergbau) und der unzureichenden Nahrungsmittelversorgung zunächst zu einzelnen Arbeitsniederlegungen, dann zu einem Massenstreik mit Tausenden Beteiligten. Am 01. August 1953 wurde der Streik unter rücksichtslosem Schusswaffengebrauch gegenüber den unbewaffneten Teilnehmern durch Einsatzkräfte des Geheimdienstes brutal beendet. Belegt sind 53 Todesopfer, darunter 15 Litauer, Esten und Letten. Nur ein einziger Russe war unter den Toten, die meisten stammten aus der Ukraine (30). Die Balten waren jedoch deutlich überrepräsentiert. Der aus Oberschlesien stammende Schriftsteller Horst Bienek befand sich zu dieser Zeit ebenfalls im riesigen Lagerkomplex von Workuta, ohne allerdings unmittelbar am Streik beteiligt zu sein. Der damals erst 21-jährige Bienek war 1951 in Ost-Berlin verhaftet,

Kloster Vadstena

nach Moskau transportiert und dort wegen angeblicher »antisowjetischer Hetze« zu 20 Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden. Bienek hat in seinem erst jüngst erschienenen, zu seinen Lebzeiten unveröffentlichten Erinnerungen an die Lagerhaft nicht zuletzt

einem litauischen Mithäftling namens Brauskas ein Denkmal gesetzt. Dieser hat den körperlich nicht sehr kräftigen jungen Mann in seine »Brigade« zur Untertagearbeit mitgenommen – obwohl Bienek in Anbetracht seiner geringen physischen Leistungsfähigkeit eigentlich eine zusätzliche Belastung darstellte. Bienek war überzeugt davon, dass Brauskas so dazu beigetragen hat sein Leben zu retten, denn viele andere »Brigadiere« kannten dergleichen Rücksichten nicht. Zeitweilig ist Bienek im Lager im Übrigen auch zum katholischen Glauben seiner Kindheit zurückgekehrt – und hatte so ein wichtiges verbindendes Band vor allem zu zahlreichen litauischen und polnischen Mithäftlingen. Die Balten blieben – trotz aller verschärften Repression – ein besonders unruhiges Element im sowjetischen Imperium. Im August 1940 waren die drei bisherigen Staaten Estland, Lettland und Litauen förmlich als »Sowjetrepubliken« in die UdSSR aufgenommen worden, nachdem kommunistische Marionettenregierungen darum »gebeten« hatten. Neben der erwähnten Dezimierung und Verschleppung der Eliten begann rasch die Umwandlung auch der Wirtschaft nach sowjetischem Modell, also die Beseitigung des Privateigentums zunächst im industriellen, dann auch im gewerblichen und landwirtschaftlichen Bereich. Zugleich aber begann auch ein langandauernder Widerstandskampf, der über weite Strecken den Charakter eines Partisanenkrieges hatte. Daneben gab es auch andere Widerstandsformen: Alexander Solschenizyn hat berichtet, dass ihm die Abfassung des »Archipel Gulag« und nicht zuletzt die Rettung von dessen umfangreichen Manuskript vor dem Zugriff des Geheimdienstes in den 1960er Jahren auch dank der Unterstützung baltischer Helfer gelungen ist. Der Este Georgi Tenno, den Solschenizyn während seiner eigenen Lagerhaft (1945-1953) kennengelernt hatte, verschaffte ihm wichtige Kontakte. So kam Solschenizyn zu einem Un-

terschlupf in einem estnischen Dorf, wo er verhältnismäßig sicher arbeiten und schreiben konnte. Tatsächlich tappte der vermeintlich allmächtige Geheimdienst KGB dank der zuverlässigen Solidarität der Esten zeitweilig im Dunkeln, wo sich der als Regimegegner bekannte Solschenizyn überhaupt aufhielt. Gegen Ende der 1960er Jahre – auch vor dem Hintergrund des »Prager Frühlings von 1968 – begann sich auch in den baltischen Staaten eine Dissidentenbewegung zu formieren. Diese wehrte sich auch gegen die fortschreitende Zurückdrängung der Landessprachen zugunsten des Russischen. Diese wurde allerdings auch durch den seitens des sowjetischen Regimes systematisch geförderten Zuzug von russischsprachigen Zuwanderern in die baltischen Republiken gefördert. So stieg der Anteil der Russen, Weißrussen und Ukrainer etwa in Estland von 8,2 % im Jahre 1934 auf 35,2 % im Jahre 1989. In Lettland stieg deren Bevölkerungsanteil im gleichen Zeitraum gar von 12,1 % auf 42,3 %, in Litauen allerdings lediglich von 2,5 % auf 12,3 %. Der Widerstand gegen die Moskauer Politik richtete sich zunehmend auch gegen die ohne jede Rücksicht auf Umweltschäden vorangetriebene Industrialisierungspolitik der kommunistischen Machthaber. Kaum verwunderlich ist, dass sich in der 1985 angebrochenen Ära Gorbatschow die Absetzbewegung von der Sowjetunion in den baltischen Republiken rasch verstärkte. Und ebenso wenig verwunderlich ist, dass der 23. August – der Jahrestag des Abschlusses des Hitler-Stalin-Paktes – besondere symbolische Bedeutung hatte. Am 23. August 1987 kam es erstmals zu größeren politischen Demonstrationen – und zwar zeitgleich im estnischen Tallinn, im lettischen Riga und im litauischen Vilnius. In der Weltöffentlichkeit viel beachtet, wurden sie zu Vorboten des Auseinanderbrechens der Sowjetunion. Am 50. Jahrestag der Unterzeichnung des Paktes am 23. August 1989 kam es zu regelrechten Massendemonstrationen – darunter eine 600 Kilometer lange Menschenkette von Vilnius über Riga nach Tallinn. Wenig später räumte die sowjetische Führung unter Michail Gorbatschow erstmals die Existenz des geheimen Zusatzprotokolls zum HitlerStalin-Pakt mit der darin festgehaltenen Aufteilung der jeweiligen »Interessensphären« förmlich ein und der erst kurz zuvor gewählte »Volksdeputiertenkongress« der UdSSR erklärte den Vertrag am 24. Dezember 1989 ex tunc für nichtig. Dies schürte dies die baltischen Unabhängigkeitsbestrebungen massiv, so dass Litauen mit seiner Unabhän-


7 Reisebericht gigkeitserklärung schon am 11. März 1990 vorpreschte. Die Moskauer Führung versuchte den Ablösungsprozeß der baltischen Länder zu verhindern, erreichte aber lediglich dessen Verzögerung. Da die Organisatoren der Unabhängigkeitsbewegung und die Masse der Demonstrierenden konsequent auf Gewaltlosigkeit setzten, blieb der Prozeß weithin unblutig. Wie explosiv die Lage jedoch tatsächlich war, zeigte das brutale Vorgehen der sowjetischen Sicherheitskräfte beim Versuch, Litauen an der Umsetzung seiner Unabhängigkeitserklärung zu hindern und am 13. Januar 1991 das Fernseh- und das Parlamentsgebäude in Vilnius zu besetzen. 14 unbewaffnete Demonstranten kamen dabei ums Leben. Unmittelbar nach dem rasch zusammengebrochenen Moskauer Putschversuch gegen Gorbatschow am 19. August 1991 erklärten auch Lettland und Estland ihre Unabhängigkeit und erlangten sehr schnell danach die diplomatische Anerkennung durch zahlreiche westeuropäische Staaten und die USA. Am 6. September 1991 beugte sich dem auch die Sowjetunion, deren förmliche Auflösung rund drei Monate später folgte. Die Aufnahme Litauens, Estlands, und Lettlands in die Vereinten Nationen am 17. und 18. September 1991 setzte den Schlusspunkt unter die Wiedererlangung von deren nationaler Unabhängigkeit – mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Besetzung durch die Rote Armee im Juni 1940. Wieder ganz »Kinder Europas aus dessen geschichtsträchtigem Osten« wurden die drei baltischen Staaten mit ihrer Aufnahme in die Europäische Union in der ersten Runde von deren »Osterweiterung« im Mai 2004. Sie erfüllten nunmehr die von der EU zugrunde gelegten, bereits 1993 gegenüber beitrittswilligen Staaten formulierten »Kopenhagener Kriterien«: Stabile, konkurrenzfähige Marktwirtschaft, Einverständnis mit den politischen Zielen der Union und den Regeln der Wirtschafts- und Währungsunion, stabile Institutionen zum Schutz von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, insbesondere Minderheitenschutz. Letzterer Punkt war nicht leicht einzulösen, da es zwischen den überwiegend in sowjetischer Zeit Zugewanderten und der baltischstämmigen Mehrheitsbevölkerung zeitweilig erhebliche Spannungen vor allem im Bereich der Sprachen- und Schulpolitik gab. In jüngerer Zeit haben sich die Verhältnisse jedoch beruhigt. Mit dem Beitritt zu den Schengener Abkommen sind auch bei allen drei baltischen Staaten ab dem 21. Dezember 2007 die Grenzkontrollen zu den

anderen Ländern des Schengen-Raumes weggefallen – bis hierhin müßte ich gelangen, um unseren jungen Mitreisenden auf der weiterhin ruhig auf Helsinki zugleitenden »Viking XPRS« zu erklären, dass sich gerade Wunderbares vollzieht. Wir überqueren die Ostsee an einer Stelle, an der sich noch vor etwas mehr als zwei Jahrzehnten die Machtblöcke des Kalten Krieges bis an die Zähne bewaffnet gegenüberstanden. Wir machen eine Überfahrt, die für die allermeisten Menschen in der Stadt, in der wir uns so selbstverständlich ohne Ausweiskontrolle eingeschifft haben, vor 20 Jahren noch ein unerreichbarer Traum war. Niemand hat sich heute Morgen für die Nationalität der Passagiere interessiert; wir sind gewiss nicht die einzigen Deutschen an Bord, und die jungen Leute, sind das nun Finnen, Esten, Schweden? Ich weiß es nicht. Es tut ja auch nichts zur Sache – Bewohner Sc h e ng e n -Eu ro pa s eben. Als Edzard Schaper 1952 seinen leiden- Kopenhagen schaftlichen Appell an die von der Geschichte begünstigten Westeuropäer formulierte, die baltischen Länder, die damals hinter dem »Eisernen Vorhang« des totalitären kommunistischen Regimes der Sowjetunion verschwunden waren, nicht zu vergessen, schrieb er auch: »Nirgends auf der Welt ist Glanz, Größe und Tragik Europas von so wenigen Menschen in der Menschheitsgeschichte auf so kleinem Raum vorgelebt und vorgelitten worden wie in den baltischen Landen.« Wie recht er hatte und hat: Das Zusammenleben der Angehörigen verschiedener Völker im vormodernen Ostseeraum, der noch nicht im nationalstaatlichen Sinne organisiert war, als die hansischen Kaufleute aus Westfalen, aus Lübeck, Stralsund oder Danzig nach Riga oder Reval segelten, dort ihre Verwandten oder Geschäftspartner aus Turku, Stockholm oder Kopenhagen (wohin unsere Reise weitergehen sollte) trafen, die Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen Kulturraum, den die Dome in Lübeck, Frauenburg/

Frombork, Königsberg/Kaliningrad, Riga, Tallinn/Reval, Turku und Stockholm noch heute versinnbildlichen, die Zerstörung jahrhundertealter Verbindungen im Zeichen nationalistischer Verengungen, der blutige Horror des Totalitarismus, schließlich aber auch der Ruhm einer nahezu völlig gewalt-

freien Freiheitsrevolution – all das findet sich brennglasartig in der Geschichte der baltischen Staaten. Sie gehören zu uns, den Kindern Europas. Ach herrje, da müsste ich den jungen Leuten hier um mich herum aber eine lange Vorlesung halten, um all das zu erklären, das Wunderbare an der europäischen Gegenwart, das wunderbar bleibt, Euro-Krise hin, Euro-Krise her. Ob sie Lust und Interesse hätten, die anzuhören? Hoffentlich. Vielleicht fragen sie sich ja auch eines Tages, warum eigentlich auf den Euro-Scheinen, die sie jetzt zücken, um ihren Einkauf im Duty free-Shop zu bezahlen, Baustile abgebildet sind – etwa weil sie die gotischen Spitzbögen auf dem 20-Euro-Schein nicht nur in den eben genannten Domkirchen in Deutschland, Polen, Lettland, Estland, Finnland und Schweden wiederfinden können, sondern auch im Wiener Stephansdom, im Kölner Dom, in Notre Dame de Paris, im VeitsFortsetzung auf Seite 8


8 Reisebericht / Buchvorstellung Fortsetzung von Seite 7

dom auf dem Prager Hradschin, in der Westminster Abbey in London oder im Wallfahrtskirchlein im vorpommernschen Bodstedt oder im Kirchlein auf dem Streichen, das aus meinem heimatlichen Chiemgau hinüberlugt ins Tirolische, das nur einen Steinwurf entfernt beginnt, oder in sonst weiß Gott wievielen (Dorf-)Kirchen und Domen eben in ganz Europa … Das muss doch irgendwie zusammengehören, oder? Mögen sie nur irgendwann danach fragen, die jungen Leute. Dann nämlich machen sie sich auf nach Europa und fahren nicht nur herum im grenzenlosen Schengen-Raum. Meinen Mitreisenden brauche ich vieles nicht zu

erklären, sie haben ja diese zuweilen auch ein wenig strapaziöse Reise auf sich genommen, weil ihnen an Europa und den Tiefen und Höhen seiner gemeinsamen Geschichte liegt. Das wird spätestens in dem Moment deutlich, da wir in Tallinn auf der berühmten »Sängerwiese« stehen, wo die massenhaft besuchten estnischen Sängerfeste stattgefunden haben (und noch stattfinden), die besondere Bedeutung im Rahmen der »Singenden Revolution« hatten, die zur weitgehend friedlichen Ablösung von der Sowjetunion führte. Unsere litauische Reiseleiterin fordert uns auf, doch auch etwas zu singen. Und die Gruppe entscheidet sich spontan für die Melodie, die seit 1972 beziehungsweise 1985 als Europahym-

ne dient. Sie »repräsentiert nicht nur die Europäische Union, sondern auch Europa im weiteren Sinne«, sie bringt »die europäischen Werte Frieden, Freiheit und Solidarität zum Ausdruck«, wie es auf der Internetseite der Europäischen Union heißt. Dies wenn auch ohne den deutschen Text. Wir aber verzichten nicht auf Friedrich Schiller: Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium, Wir betreten feuertrunken, Himmlische, dein Heiligtum! Deine Zauber binden wieder, Was die Mode streng geteilt. Alle Menschen werden Brüder, Wo dein sanfter Flügel weilt. Winfrid Halder

Buchvorstellung mit Prof. Dr. Christopher Clark (Cambrigde)

»Hineingeschlittert« oder »vom Zaun gebrochen«? Christopher Clarks neues Buch »Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog« Im Jahre 1964 fand der »Historikertag« lins lag, sondern in der Freien Univerhatte der Hamburger Ordinarius für – seit 1895 die wichtigste wissenschaftsität, im westlichen Stadtteil Dahlem Neuere und Neueste Geschichte Fritz liche Großkonferenz des deutschen gelegen und ihrerseits ein Kind der Fischer im Düsseldorfer Droste-Verlag Historikerverbandes – ausgerechnet in Teilung der Stadt. Der an der Universisein Buch »Griff nach der Weltmacht. tät Kiel lehrende Karl Dietrich Erdmann Berlin statt. Die ehemalige ReichshauptDie Kriegszielpolitik des kaiserlichen hatte bei dieser Konferenz ein besonstadt war zum ersten Mal überhaupt TaDeutschland 1914/18« veröffentlicht. deres Problem: Einerseits war er als gungsort, und es sollte ein Treffen von Die darin entwickelten Thesen Fischers seit 1962 amtierender VHDbesonderer Brisanz werden. Einerseits wurden zur Verantwortlichkeit Vorsitzender gewissermaßen war die Stadt seit dem Mauerbau vom für den Kriegsausbruch wurden Mi, Gastgeber, andererseits war er August 1961 endgültig geteilt – damit sogleich kritisch aufgenommen, 11.09. selbst engagierter Teilnehmer auch in zwei Hochschul- und Wissenauf dem Berliner Historikertag der wohl wichtigsten und unschaftsstandorte zerrissen. Genauer 19.00 Uhr von 1964 wurde die Diskussigewöhnlich öffentlichkeitswirkmuss man also sagen, dass der weston darüber mit größter Schärfe samen Kontroverse, die auf diedeutsche Historikertag in West-Berlin fortgeführt. sem Historikertag ausgetragen wurde. stattfand. Denn auch der 1948 wieSpätestens seit der Niederlage von Als die Historiker-Versammlung Anderbegründete Verband der Historiker 1918, mehr noch nach dem erzwungefang Oktober in der Freien Universität Deutschlands (VHD) war inzwischen nen Friedensvertrag von Versailles im zusammenkam, lag der 50. Jahrestag des gespalten: Bereits im Frühjahr 1958 Juni 1919 war die »Kriegsschuldfrage« Ausbruchs des Ersten Weltkriegs erst hatten sich die Historiker in der DDR ein zentraler Gegenstand der deutschen einige Wochen in einem eigenen Geschichtswissenschaft – und nicht zurück. Wäre Verband organur der deutschen – geworden. Der In Zusammenarbeit mit dieses runde Ernisiert, auf dem Versailler Vertrag enthielt den schon der Volkshochschule innerungsdatum wenige Monate vor Vertragsabschluß heftig umstritteDüsseldorf, dem schon Anlaß später folgenden nen Artikel 231, der lautete: »Die alH i s t o r i k e r t a g Bildungswerk Düsseldorf, genug gewesen, liierten und assoziierten Regierungen der Konrad-Adenaueran den für ganz in Trier kam es erklären und Deutschland erkennt an, Europa ruinösen zum Eklat über dass Deutschland und seine VerbündeStiftung e. V. und militärischen die Erteilung des ten als Urheber aller Verluste und Schäder Evangelischen Rederechts und Stadtakademie Düsseldorf Schlagabtausch den verantwortlich sind, welche die von 1914 bis zur vorzeitigen alliierten und assoziierten Regierungen 1918 zu erinnern, so gab es darüber hiAbreise der DDR-Delegation. Die deutund ihre Angehörigen infolge des ihnen naus einen wichtigen Grund, der vor alsche Teilung war bei den Historikern durch den Angriff Deutschlands und lem die Entstehung der »Urkatastrophe angekommen. seiner Verbündeten aufgezwungenen des 20. Jahrhunderts« (so der amerikaGetagt wurde 1964 also nicht in der Krieges erlitten haben.« nische Diplomat und Historiker George traditionsreichen Friedrich Wilhelms-, Von deutscher Seite wurde diese einseiF. Kennan), die Vorgeschichte des gro1949 in Humboldt-Universität umbetige Zuschreibung der Verantwortung ßen Krieges also in den Mittelpunkt nannten Hochschule, da diese jenseits für den Kriegsausbruch entschieden des Interesses rückte. Schon 1961 der Mauer im sowjetischen Sektor Berbestritten – wenn auch die amtierende


9 Buchvorstellung Reichsregierung unter dem aus Ostpreußen stammenden Sozialdemokraten Gustav Bauer angesichts massiver Drohungen vor allem seitens Frankreichs keine Möglichkeit sah, die Unterzeichnung und die Ratifizierung des

Vertrages zu verweigern. Seither waren – teilweise mit erheblicher finanzieller Unterstützung der folgenden Reichsregierungen – Teile der deutschen Zeitgeschichtsforschung damit befasst, den Artikel 231 als falsch zu erweisen. Seit 1922 erschien etwa »Die große Politik der europäischen Kabinette 1871-1914«, welche bis 1927 auf 40 Bände anwuchs und Tausende von Akten aus dem Archiv des Auswärtigen Amtes der Öffentlichkeit zugänglich machte. Mit dieser gewaltigen Edition – bis heute einer der größten Sammlungen staatlicher Akten zur deutschen Geschichte in gedruckter Form überhaupt – und mit zahlreichen Forschungsarbeiten wurde gegen Artikel 231 argumentiert, der den Siegermächten zugleich zur in nahezu jeder Beziehung kontraproduktiven Eintreibung von Reparationsleistungen aus Deutschland diente. Der fast einhelligen Ablehnung von Artikel 231 in Deutschland kam eine Äußerung des früheren britischen Premierministers David Lloyd George von 1920 entgegen, wonach alle beteiligten Mächte gewissermaßen in den Krieg »hineingeschlittert« seien. Der weitreichende Konsens unter den deutschen Fachhistorikern über das »Hineinschlittern« – das zugleich Deutschland von der alleinigen oder auch nur hauptsächlichen Kriegsschuld für den Ersten Weltkrieg entlastete – hielt auch nach 1945 zunächst an. Erst die seit Ende der 1950er Jahre vorgelegten Veröffentlichungen von Fritz Fischer und dann auch seiner Schüler und Unterstützer schienen mehr oder weniger offen dem Artikel 231 des Ver-

sailler Vertrages recht zu geben. Fischer formulierte seine Sichtweise etwa ein Jahr nach den heftigen Auseinandersetzungen auf dem (West-)Berliner Historikertag in einem Artikel für die Wochenzeitung »Die Zeit« unter der programmatischen Überschrift »Vom Zaun gebrochen – nicht hineingeschlittert« (Die Zeit Nr. 36 v. 03. 09. 1965). Der Streit über die wissenschaftliche Tragfähigkeit der Thesen des Hamburger Professors hat die deutsche Geschichtswissenschaft seither stark beschäftigt, nicht immer in der gleichen Intensität, aber doch so beständig, dass bis heute von einem völlig eindeutigen, allseits akzeptierten »Ergebnis« keine Rede sein kann – auch wenn es nur noch wenige Wissenschaftler gibt, die Fischer uneingeschränkt zustimmen. Heute – rund ein Jahr vor dem 100. Jahrestag des Kriegsausbruches von 1914 – verstärkt sich das Interesse an der Vorgeschichte und den Ursachen des Ersten Weltkrieges erneut. Und wieder macht ein Buch Furore – aber auf andere Art als seinerzeit Fritz Fischers »Griff nach der Weltmacht«. Im Herbst 2012 erschien in London Christopher Clarks neues Buch »The Sleepwalkers. How Europe Went to War in 1914”. Mit Clark meldet sich ein Brite zu Wort – genauer gesagt ein an einer der renommiertesten britischen Universitäten in Cambrigde lehrender Australier –, der sich in

be) folgt nun im Herbst 2013 die deutsche Ausgabe der »Sleepwalkers«. Die bisherigen Besprechungen von Christophers Clarks neuem großen Wurf sind im Tenor geradezu enthusiastisch: Der frühere Lehrstuhlinhaber für Neuere und Neueste Geschichte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Prof. Dr. Gerd Krumeich – zweifelsohne einer der besten und international renommiertesten deutschen Kenner der Geschichte des Kaiserreichs und des Ersten Weltkriegs –, nannte das Werk in der »Süddeutschen Zeitung« vom 30. November 2012 »insgesamt eine Wucht« und das »vielleicht wichtigste Buch zum 100-jährigen ‚Geburtstag‘ des Ersten Weltkriegs«. Der Rezensent der »New York Times« resümierte am 13. Mai 2013: »In conception, steely scholarship and piercing insights, his [Clarks] book is a masterpiece.” Selbst wenn diese Urteile nicht schon vorlägen: Alle diejenigen, die Christopher Clark schon bei seinen bisher zwei Gastauftritten im Rahmen unseres Programms erlebt haben, wissen, dass erneut ein herausragender Abend bevorsteht. Sein brillantes Deutsch, seine stupende, ruhige Sachkenntnis und nicht zuletzt sein britischer Humor werden das Publikum wieder in seinen Bann schlagen. Winfrid Halder

Prof. Dr. Christopher Clark und PD dr. Winfrid halder im Jahr 2012 bei einer Veranstaltung zum 300. Geburtstag Friedrich des Grossen

den vergangenen Jahren bereits als einer der international bekanntesten und angesehensten Experten für die moderne deutsche Geschichte profiliert hat. Nach einer wohltuend differenzierten und unaufgeregt sachlichen Biographie über den letzten deutschen Kaiser Wilhelm II. (2000, dt. 2008) und einer allseits hochgelobten Geschichte Preußens zwischen 1600 und 1947 (zuerst 2007, binnen eines Jahres acht weitere Auflagen und eine Taschenbuchausga-

Veranstaltungsort: Volkshochschule Düsseldorf, Berthavon-Suttner-Platz, Saal 1 Eintritt: 6 Euro (Ermäßigung möglich) Bitte beachten: Aufgrund der zu erwartenden hohen Besucherzahl empfiehlt sich eine rechtzeitige Anmeldung. Diese erfolgt ausschließlich über die Volkshochschule Düsseldorf!


10 Vortrag

Vortrag von PD Dr. Winfrid Halder

Bromberg-Köln-Gettysburg-Charleston – Stationen im Leben Alexander Schimmelpfennigs (1824 – 1865): Preußischer Offizier, Revolutionär, General im Amerikanischen Bürgerkrieg Im Jahre 2009 wurde die Bevölkerung der Vereinigten Staaten von Amerika im Rahmen einer Volkszählung auch aufgefordert, Angaben zur Herkunft ihrer Vorfahren zu machen. Von den damals rund 307 Millionen US-Bürgern gaben mehr als 50 Millionen an, deutscher Abstammung zu sein. Das waren rund 16 Prozent aller US-Amerikaner – und damit die weitaus größte durch ihre Herkunft definierte Gruppe innerhalb der Gesamtbevölkerung. Die Amerikaner, die sich auf deutsche Vorfahren zurückführen, sind weit zahlreicher als die hinsichtlich der Größe folgenden Gruppen: Annähernd 37 Millionen beriefen sich auf irische, 27,6 Millionen auf englische, knapp über 18 Millionen auf italienische Vorfahren. Die heutigen Zahlen sind naturgemäß eine Spätfolge der Einwanderungskonjunkturen nach Nordamerika seit dem 16. Jahrhundert beziehungsweise in die Vereinigten Staaten von Amerika seit deren Begründung im Jahre 1776. Zahlenmäßig spielten dabei Deutsche anfangs nur eine untergeordnete Rolle, Anziehungskraft besaßen die weiten Gebiete Nordamerikas aber schon sehr frühzeitig auch für diese. Ein früher deutscher Zuwanderer war etwa im Jahre 1607 der aus Breslau stammende lutherische Theologe Johannes Fleischer, der sich in Jamestown in Virginia niederließ. Eine erste größere und eindeutig dokumentierte Gruppe stellten im Jahre 1683 13 Familien aus dem niederrheinischen Krefeld dar, die überwiegend zu den Religionsgemeinschaften der Quäker und Mennoniten gehörten und die sich dem konfessionellen Anpassungsdruck vor Ort entziehen wollten. Sie ließen sich in Pennsylvania nieder und gründeten Germantown (heute ein Stadtteil von Philadelphia). Ihre Leitfigur, der aus Franken stammende Jurist Franz Daniel Pastorius (1651-1719), war einer der ersten prominenten Sklavereigegner – freilich vorläufig ohne Erfolg. Später allerdings sollten gerade aus den Reihen der Deutschamerikaner immer wieder wichtige Fürsprecher einer Abschaffung der Sklavenhaltung hervorgehen. Fassbar wurde dies insbesondere als das Sklavereiproblem, das man bei der Verfassungsgebung in den jungen Vereinigten Staaten zwar nicht ignoriert, in Anbetracht seiner Konfliktträchtigkeit aber im Grunde umgangen hatte, um

die Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem die menschliche Grausamkeit der Sklazentralen innenpolitischen Streitpunkt venhaltung vor Augen geführt. Die Bewurde. wegung des »Abolitionismus« – auf Inzwischen war auch die Einwanderung die kompromisslose Abschaffung der von Deutschen zu einem MassenphäSklaverei gerichtet – erhielt dadurch nomen geworden. Einen ersten Höheungemein wirkungsvollen publizistipunkt erreichte sie seit 1815/16 – nach schen Auftrieb. dem Ende der »Befreiungskriege« Als bei der Präsidentschaftswahl vom gegen das napoleonische Frankreich November 1860 Abraham Lincoln waren viele Menschen enttäuscht ange(1809-1865) als Kandidat der noch sichts der reaktionären politischen Entjungen, gegen die Sklaverei eingestellwicklung im 1815 gegründeten ten Republikanischen Partei Deutschen Bund, der eben den Sieg errang, eskalierte der Mo, nicht der erhoffte deutsche NaKonflikt. Obwohl Lincoln, 23.09. tionalstaat war. Zudem blieben wenngleich selbst entschiededie wirtschaftlichen Verhältnis19.00 Uhr ner Sklavereigegner, immer wiese in ganz Europa für längere der betont hatte, dass er bestrebt Zeit schwierig, während parallel sein würde, eine Konsenslösung dazu ein starkes Bevölkerungswachszu finden und dass eine solche nicht tum zu verzeichnen war. Um 1800 rasch zu erreichen sein würde, erklärten lebten auf dem Gebiet des späteren noch vor Lincolns Amtsantritt am 4. Deutschen Reiches circa 23 Millionen März 1861 sieben südliche BundesstaaMenschen – um 1850 waren es rund 35 ten ihren Austritt aus der Union (South Millionen. In den 1820er Jahren kam es Carolina, Mississippi, Florida, Alabama, so zu mehreren witterungsbedingten Georgia, Louisiana, Texas). Nachdem Hungersnöten. Viele Menschen hoffder neue Präsident seine Amtsgeschäften auf ein besseres und freieres Leben te aufgenommen hatte und obwohl jenseits des Atlantiks und nahmen alle Lincoln in seiner Antrittsrede noch Risiken und Unwägbarkeiten der Auseinmal deutlich gemacht hatte, dass wanderung in Kauf. Die USA blieben ihm an einer gütlichen Einigung und während des gesamten 19. JahrhunDeeskalation gelegen war, folgten weiderts das mit Abstand wichtigste Zieltere vier Staaten, die sich den neu konland der deutschen Auswanderer. stituierten »Konföderierten Staaten Ein mächtiger zusätzlicher Antrieb zur von Amerika« anschlossen (Virginia, Emigration in die USA stellte das ScheiTennessee, Arkansas, North Carolina). tern der Revolution von 1848/49 und Am 12./13. April 1861 griffen Truppen damit weitreichender Freiheits- und der Konföderierten das von UnionsReformhoffnungen vieler Menschen in soldaten gehaltene Fort Sumter an, das Deutschland dar – allein in den 1850er im wichtigen Hafen von Charleston Jahren kamen schätzungsweise eine lag. Charleston aber war die wichtigste Million Deutsche in die Vereinigten Stadt South Carolinas – des Staates, der Staaten. als überhaupt erster seinen Austritt aus Darunter befand sich eine Reihe von der Union erklärt hatte, nämlich schon Personen, die zum Teil während der am 20. Dezember 1860. Mit der AttaRevolution herausragende Rollen gecke auf das Fort schlug der Streit um spielt hatten, und die jetzt – insbesondie Sklaverei und den Erhalt der Union dere in Preußen – politisch verfolgt endgültig in einen Bürgerkrieg um. wurden. Auch in den USA blieben viele Vor Beginn des »Sezessionskrieges« politisch aktiv – und das nicht selten hatte die US-Armee nur etwa 16.000 als vehemente Sklavereigegner. 1852 Mann umfasst. Das war eine für einen war Harriet Beecher Stowes (1811Bundesstaat von der Größe der USA 1896) Roman »Uncle Tom’s Cabin« (mit damals rund 30 Millionen Ein(Onkel Toms Hütte) erschienen, eines wohnern) sehr kleine Armee. Es hander politisch wirksamsten Bücher in delte sich um eine reine Berufsarmee. der Geschichte der USA. Einem breiBei beiden Konfliktparteien herrschte ten Publikum – aus dem Buch entdementsprechend zu Beginn des Kriestand sehr schnell auch eine überaus ges ein ausgeprägter Mangel an auserfolgreiche Bühnenfassung – wurde gebildeten Soldaten und vor allem an mit dem Schicksal des tief gläubigen qualifizierten Offizieren. Da es nur sehr Christen und Sklaven »Onkel« Tom wenige Berufsoffiziere mit Generalstab-


11 Vortrag sausbildung gab, führte dies dazu, dass sich die militärischen Führungspersönlichkeiten beider Seiten aus der Zeit vor dem Sezessionskrieg – bevor sie sich 1861 für die Armee der Südstaaten oder die der Nordstaaten entscheiden mussten – zumeist sehr gut kannten. Vor dem Sommer 1863 gab es weder in den Nord- noch in den Südstaaten eine allgemeine Wehrpflicht. Die Rekrutierung militärischer Verbände jenseits der kleinen Berufsarmee erfolgte auf der Basis des Milizsystems, das sich seit der Zeit des Unabhängigkeitskrieges der jungen USA gegen Großbritannien (1776-1783) herausgebildet hatte. Das bedeutete, dass sich in den einzelnen Staaten Männer als Freiwillige den jeweiligen lokalen Milizverbänden anschlossen – und zwar in der Regel für nicht mehr als drei Monate, da jeder einzelne ja dadurch seine zivile Berufstätigkeit ruhen lassen musste. Sehr schnell zeigte sich besonders in den zahlenmäßig eigentlich massiv überlegenen Nordstaaten (diese hatten circa 21 Millionen Einwohner, die Südstaaten demgegenüber nur rund 9 Millionen, von denen obendrein etwa 3,5 Millionen farbige Sklaven waren), dass unter diesen Voraussetzungen ein länger andauernder kriegerischer Konflikt nicht zu führen war. Militärisch geriet der Norden in der ersten Kriegsphase rasch ins Hintertreffen, da der Süden über motiviertere und besser geführte Streitkräfte verfügte. Männer mit militärischem Fachwissen waren in den Streitkräften der Nordstaaten daher mehr als willkommen. Das galt auch für Alexander von Schimmelpfennig, denn dieser hatte eine Offiziersausbildung durchlaufen – und zwar eine preußische. Alexander von Schimmelpfennig wurde im Juli 1824 in Bromberg in der damaligen preußischen Provinz Posen geboren. Als 17-Jähriger trat er 1842 in die preußische Armee ein, 1847 wurde er, inzwischen zum Leutnant befördert, zum in Köln stationierten Infanterieregiment Nr. 16 (3. Westfälisches) versetzt. Das Regiment unterstand der 14. Division, deren Stab in Düsseldorf lag. Die damalige Rheinprovinz gehörte 1848/49 zu den Teilen des Königreichs Preußen, die am stärksten von der revolutionären Bewegung erfaßt wurden. Zum größeren Teil erst seit 1815 zum preußischen Staatsverband gehörig, waren viele Rheinländer, die der Wiener Kongress ungefragt zu Preußen gemacht hatte, mit der in Berlin residierenden Landesherrschaft keineswegs besonders zufrieden. Der junge Offizier Alexander von Schimmelpfennig geriet in Köln in Kontakt mit einigen

Vordenkern der Revolution. Die rheinische Großstadt war ein besonderer Unruheherd, in der sich auch radikale Kräfte sammelten. In Köln hatte etwa Karl Marx 1842 den Barmener Fabrikantensohn Friedrich Engels kennengelernt, als Marx als Redakteur für die von der preußischen Regierung bald darauf verbotene »Rheinische Zeitung für Politik, Handel und Gewerbe« tätig war. Nicht von ungefähr kehrte Marx im Verlauf der Revolution im April 1848 aus dem Londoner Exil nach Köln zurück. Dort gab er mit der »Neuen Rheinischen Zeitung« bis zu seiner erneuten Emigration im Mai 1849 das wichtigste Organ des linken Flügels der revolutionären Bewegung heraus.

Alexander Schimmelpfennig als General der Nordstaaten-Armee

Als die reaktionären Staatsführungen – besonders die preußische und die österreichische – 1849 begannen, die revolutionäre Bewegung zunehmend mit militärischer Gewalt zu unterdrücken, schlug sich Alexander Schimmelpfennig (der auch sein Adelsprädikat ablegte) endgültig auf die Seite der Revolutionäre. Schimmelpfennig kämpfte in der Pfalz als Führer eines FreischärlerBataillons gegen preußische Truppen, die unter dem Kommando des Prinzen Wilhelm – später als König von Preußen und deutscher Kaiser Wilhelm I. – standen. Bei den für die Revolutionäre im Grunde von vornherein aussichtslosen Kämpfen gegen das reguläre preußische Militär in der Pfalz und in Baden lernte Schimmelpfennig auch den gerade 20-jährigen Carl Schurz (18291906) kennen. Schurz, in der Nähe von Köln geboren, Bonner Student der Geschichte und Philologie, spielte trotz seiner Jugend eine wichtige Rolle in der

revolutionären Bewegung. Von Schimmelpfennig lernte der Zivilist Schurz die elementaren Grundlagen des Militärischen – wofür er ihm zeitlebens dankbar blieb. Nachdem er im Juni 1849 bei einem Gefecht nahe des pfälzischen Rinnthal verwundet worden war und angesichts der Tatsache, dass die Revolution vor ihrem Zusammenbruch stand, floh Schimmelpfennig in die Schweiz. In Abwesenheit wurde er aufgrund seiner politischen Aktivitäten unehrenhaft aus der preußischen Armee entlassen und zum Tode verurteilt. An eine Rückkehr nach Deutschland war dementsprechend nicht zu denken. Wie viele andere deutsche Emigranten wandte er sich zunächst nach London – wo er Carl Schurz wiedertraf. Ähnlich wie Schurz war Schimmelpfennig aber nicht bereit sich dem linksradikalen Flügel der deutschen Emigration anzuschließen, der sich um den nach London zurückgekehrten Karl Marx und um Friedrich Engels (der bei Rinnthal mitgekämpft hatte) versammelte. 1854 entschloß sich Schimmelpfennig – inzwischen verheiratet und Familienvater – in die Vereinigten Staaten von Amerika zu emigrieren. Dort traf er neuerlich auf Carl Schurz, der zwei Jahre zuvor den Sprung über den Atlantik gewagt hatte. Neben Schurz waren aber auch eine ganze Reihe anderer deutscher Revolutionäre in die USA gegangen – eine politische aktive und bedeutsame, meist durch enge persönliche Bekannt- und Freundschaften verbundene Gruppe, die nicht von ungefähr in den USA noch heute unter der Bezeichnung »Fourty-Eighters« (48er) bekannt ist. Darunter war etwa der aus dem ostpreußischen Braunsberg stammende August (von) Willich (18101878) – der ebenfalls als Offizier in der preußischen Armee gedient hatte und der mit Schimmelpfennig die Revolutionäre bei Rinnthal geführt hatte (mit Engels als Adjutant). Alexander Schimmelpfennig fand eine Anstellung im US-Kriegsministerium, kehrte also zum Militär zurück. Schon im April 1861 begann er (zeitweilig gemeinsam mit Schurz) mit Bemühungen, ein aus deutschen Einwanderern bestehendes Freiwilligen-Regiment für die Nordstaaten-Armee aufzustellen. Hauptrekrutierungsorte waren Pittsburgh und Philadelphia, beide im Staat Pennsylvania gelegen, wo es besonders viele deutschstämmige Amerikaner gab. Bei der Aufstellung und Ausbildung des Regiments, das später die Bezeichnung »74th Pennsylvania Volunteer Infantry Regiment (1st German

Fortsetzung auf Seite 12


12 Vortrag Fortsetzung von seite 11

Regiment)« erhielt, halfen dem zum Oberst beförderten Schimmelpfennig andere ehemalige preußische Offiziere. Im Herbst 1863 hatte das Regiment 32 Offiziere, von denen 30 in Europa geboren waren, 25 in Deutschland, vier in der Schweiz, einer im Elsaß. Sieben der 25 Deutschen waren Untertanen des Königs von Preußen gewesen. Von den 1.072 Mann, die als Unteroffiziere oder einfache Soldaten zwischen September 1861 und September 1864 in dem Regiment kämpften, waren nur 206 in den USA geboren – meist als Kinder deutscher Einwanderer. Alle andere waren wiederum Immigranten aus Europa, zuallermeist Deutsche. Vor 150 Jahren – zwischen dem 01. und dem 03. Juli 1863, kämpfte auch das »deutsche Regiment« der 74er in der Schlacht bei Gettysburg (Pennsylvania). Auch andere zu großen Teilen aus Deutschen bestehende Verbände der Nordstaaten-Armee waren dabei – unter Führung nicht zuletzt von Schurz als Divisions- und Schimmelpfennig als Brigadekommandeur, beide mittlerweile im Generalsrang (wie etliche andere »Fourty-Eighters« auch, darunter Willich). Das Treffen von Gettysburg zählt zu den blutigsten Schlachten des amerikanischen Bürgerkriegs überhaupt – rund 83.000 Soldaten der Nordstaaten trafen auf etwa 75.000 Konföderierte unter dem Kommando des wohl fähigsten Generals dieses Krieges überhaupt, Robert E. Lee. Trotz der überlegenen Führungskunst Lees geriet die Schlacht

zu einer schweren Niederlage für die Südstaaten-Armee, die fast 2.600 Gefallene, weit über 12.000 Verwundete und über 5.000 Gefangene verlor. Obwohl die Verluste der Nordstaaten-Armee sogar noch deutlich höher ausfielen, konnte diese das Schlachtfeld behaupten, während sich Lee mit seiner geschwächten Armee zum Rückzug gezwungen sah. Gettysburg gilt als wesentliche Etappe auf dem Weg zur endgültigen militärischen Niederlage der Südstaaten. Alexander Schimmelpfennig behielt auch in den folgenden annähernd zwei Jahren, die dieser bis heute verlustreichste Krieg in der Geschichte der USA noch andauern sollte, hohe Kommandoposten. Am 18. Februar 1865 nahm er als ranghöchster anwesender Offizier der Nordstaaten die Kapitulation von Charleston entgegen – der Stadt, von der der Sezessionskrieg ausgegangen war. Im April 1865 endete Denkmal des 74th Pennsylvania Regiment der Krieg, nachdem General Lee bei Gettysburg (errichtet 1888) mit den ihm verbliebenen Truppen kapituliert hatte. Alexander Schimmelpfennig hatte An American in death; nicht mehr viel Zeit, sich des mit erHe wrote his name on fochtenen Sieges zu erfreuen. Er starb The hearts of his countrymen. am 5. September 1865 an einer aggressiven Form der Tuberkulose, mit der Der Vortrag nimmt neben Alexander er sich während der Belagerung von Schimmelpfennig die »Fourty-EighCharleston infiziert hatte. Sein Grabters« in den Blick, die in der deutschstein trägt die Inschrift: amerikanischen Geschichte besondeA German by birth ren Stellenwert haben. Winfrid Halder

LichtbilderVortrag von Peter von Kapri im Gerhart-Hauptmann-Haus

»Rumänien, das unbekannte Land von Trajan bis Dracula und Ceauşescu« Wird der Name Rumänien in Deutschzu sehen ist. Rumänien wird durch die land erwähnt, kommen Bilder von jurauen Karpaten, die das Land durchgendlichen Sinti und Roma hoch, die queren, geprägt. Im Süden bildet die zu Einbrüchen und Taschendiebstählen Donau die Grenze zu Bulgarien und trainiert werden. Vielleicht denkt der mündet in einem einzigartigen Delta eine oder andere noch an den blutrünsins Schwarze Meer. Die Landschaft ist tigen Grafen Dracula. vielseitig durch Berge, Hügel Wenige wissen, dass Rumänien und ausgedehnte Tiefebenen ein multi-ethnisches Land ist, geprägt. Besonders hervorzuMi, in dem auch bedeutende deutheben ist das Weltkulturerbe, 18.09. sche Minderheiten seit Jahrdie außen bemalten Klöster der hunderten gesiedelt haben. In 19.00 Uhr Bukowina. Siebenbürgen, im Banat und der Reisen nach Rumänien werden Bukowina wurden zahlreiche noch relativ wenig angeboten. Städte und Ortschaften von Deutschen Das Land ist von Touristen nicht übergegründet, die über die Jahrhunderte laufen. An vielen Orten scheint die ihr Aussehen bewahrt haben und vielZeit stehen geblieben zu sein. Wie in leicht deutscher aussehen als das, was der ehemaligen DDR nach der Wenin Deutschland nach den Kriegszerstöde, gibt es noch die Gelegenheit einen rungen und dem Wiederaufbau noch Blick in die Vergangenheit, besonders

auf das traditionelle Dorfleben zu werfen. Dieses Fenster wird sich aber bald schließen. Dann wird auch Rumänien in der uniformen Konsumlandschaft Europas aufgehen. Auch die Geschichte Rumäniens ist spannend: Ein kleines romanisches Volk, das von mächtigen Nachbarn umgeben ist. Zuerst wurde das heutige Gebiet Rumäniens von den Römern erobert. Dann zogen während der Zeit der Völkerwanderung die unterschiedlichsten Völkerschaften von Germanen bis zu den Hunnen durch das Land. Peter von Kapri ist mit zwanzig Jahren aus Rumänien nach Deutschland übergesiedelt. Er ist Mitglied des Literaturkreises ERA und wird zum Abschluss die Erzählung seiner abenteuerlichen Rückkehr nach Rumänien Peter von Kapri vortragen.


13 Ausstellung

Retrospektive gibt Einblick in ein vielschichtiges Werk

Kunstausstellung im Gerhart-Hauptmann-Haus präsentiert »Adina Caloenescu und Schüler« Mehr als 30 Jahre nachdem Adina Caloenescu ihre rumänische Heimat verlassen hat und zwei Jahre nach ihrem Tod zeigt die Stiftung Gerhart- Hauptmann-Haus eine Retrospektive ihres Werkes in Verbindung mit Arbeiten ihrer Schüler. Geboren 1934 in Buzau (Rumänien) studierte sie Anfang der 1960er Jahre Kunst und Philosophie an der Fakultät der Bildenden Künste in Bukarest. Während dieser Zeit beschäftigte sich Adina Caloenescu auch umfassend mit Mathematik und Philosophie. Über lange Zeit bestimmten gerade diese fundamentalen philosophisch-mathematischen Kenntnisse ihre Arbeit, sei

Adina Caloenescu

es in räumlichen Acryl-Glas Objekten, ihren Lithographien oder in den Arbeiten, die sich mit dem Thema »Fraktale« beschäftigten. In Rumänien nahm sie ab Mitte der 1960er Jahre an allen Landesaustellungen für Malerei und Grafik teil und vertrat ihr Land mit Erfolg auf internationalen Ausstellungen und bei Wettbewerben. Dennoch sah sie sich ständig dem Wohlwollen oder den Repressionen der damaligen Machthaber ausgesetzt; ein Zustand der unerträglich wurde und die Künstlerin schließlich dazu veranlasste, nach Deutschland überzusiedeln. Als sie 1982 , eine Gasthörerschaft an der Kunstakademie Düsseldorf erhielt ,

konnte sie dort an ihre Arbeiten aus Ruin Rumänien war sie als gymnasiale mänen anknüpfen. Sie arbeitete weiter Kunsterzieherin tätig und da sie selbst im druckgraphischen Bereich und präihr Handwerk von der Picke auf gelernt sentierte ihre Lithographien auf hatte, gab es in ihrem Unterricht Biennalen im In- und Ausland . keine Technik und keinen AsDi, Während dieser Zeit kam es zu pekt der Kunst, den sie nicht zu 09.07. Begegnungen mit den Profesvermitteln wusste. Sie liebte die 18.00 Uhr Gesellschaft von kunstinteressoren Rolf Sachenheim, Erwin Heerich,Walter Biemel und Paul sierten Menschen. Besonders Good. viel Freude hatte sie an ihren Adina Caloenescus Lithographien und jungen Schülern, von denen viele später Litho-Objekte, die damals entstanden an Kunst- und Designhochschulen stusind, sind allesamt Unikate und wurden dierten. Mit Stolz verfolgte sie deren Erextrem aufwendig in bis zu 12 Druckfolge, immer den Anspruch erhebend, vorgängen hergestellt. dass ihr Unterricht maßgeblich dazu Wie schon bei den Lithographien bebeigetragen hatte. Die Arbeiten von Adina Caloenescus herrschte in den späten 1990er Jahren Schülern, die in dieser Ausstellung zu die Idee des »Fraktals« weiter ihr sehen sind, reflektieren in besonderer Schaffen. Inzwischen dominierte Weise ihren Einfluss, auch wenn dies aber die Arbeit mit reinen Farbpigauf den ersten Blick nicht so erscheimenten ihre Kunst, und doch kann nen mag. Sie zeigen zum Teil eine Weiman bei den Werken kaum von Materentwicklung bei Arbeiten aus den lerei sprechen. Die Bilder, dessen Unterrichtsstunden selbst und auch Herstellungsprozess sich dem Bebei Arbeiten, die lange nach dem Untrachter nicht direkt erschließt, sind terricht entstanden sind. Das klassische wie ein Teil der Natur und doch keiZeichenprogramm, welches alle ihre ne Kopie derer. Wie Roland Held Schüler zunächst durchliefen, schulte erkennt, wirken sie «... nicht so sehr das Sehen und grundsätzliche handgemacht wie von selbst entstanwerkliche Fähigkeiten. Danach änderte den«. In ihnen spiegelt sich wider, sich das Programm jedoch schnell in wie sehr ihr Denken einerseits von ein individuell zugeschrittenes Arbeinaturwissenschaftlichen Aspekten ten und konnte sich mit Bereichen der und andererseits von philosophisch Malerei, Farbenlehre und Freskotechund mystischen Ideen geprägt war. niken beschäftigen , das Erstellen von Gerade diese Ideen werden bestimObjekten sowie Konzeptstudien beinmend für das Spätwerk, welches halten. beeinflusst war durch ihren budDie in der Ausstellung gezeigten Exdhistischen Glauben und ihrer Verponate von Adina Caloenescu geben bindung zum Shinnyo-en. einen kleinen Einblick in ihr vielschichDie Hintergründe für diese Bilder tiges Werk. bilden Begriffe wie: Unendlichkeit, Es wurde versucht, aus allen noch erhaldie Zahl »Null«, das Universum, tenen Objekten die typischen Vertreter Mantren, etc. Die Arbeiten sind pareiner bestimmten Schaffensperiode allel zu den intensiven Studien ihrer auszuwählen. Auch für Kenner ihrer ArShinnyo-en Priesterausbildung entstanbeiten sollte die eine oder andere Überden. Auch hier findet keine Malerei im raschung dabei sein. eigentlichen Sinne statt. Die Bilder sind Günter Schnug Papierreliefs, manche fast schon ObEröffnung: jekte, bei denen das bearbeitete Papier Dienstag, 09. Juli 2013- 18.00 Uhr durch Farbauftrag verformt wird und die aufgetragenen Sanskritschriften Es sprechen: hervortreten lässt. Bei manchen ArbeiPD Dr. Winfrid Halder, ten wird sogar mehr der Eindruck von Direktor des Gerhart- Hauptmann- Hauses Bildhauerei als der von Malerei hervorDr. Roland Held, Kunsthistoriker gerufen. Musikalische Umrahmung: Adina Caloenescu war mehr als eine Harri Dyck, Viola einzigartige Künstlerin, sie war auch Maryana Brodska, Klavier eine außergewöhnliche Lehrerin, die es verstand, ihre Schüler von der einDie Ausstellung ist bis zum 25.08.2013 fachen Zeichnung über die Malerei geöffnet. Im August bitten wir um Vorbis hin zum Objekt zu führen. Bereits anmeldung des Ausstellungsbesuchs.


14 Ausstellung

Präsentation zur Geschichte einer Stadt in Biografien

»Brünner deutschsprachige Bürgermeister 1850 – 1918« Brünn (tschechisch: Brno) ist heute die zweitgrößte Stadt Tschechiens mit rund 400.000 Einwohnern. In der österreichischen Monarchie war Brünn Landeshauptstadt des Kronlandes Mähren mit eigenem Parlament und einer mehrheitlich deutschen Bevölkerung. Der deutsche Beitrag zur Stadtentwicklung ist beachtlich. In einer Gründungsurkunde des Jahres 1048 wird Brünn erstmals erwähnt. 1061 erhält der přemyslidische Herzogssohn Konrad das Teilfürstentum Brünn » weil er der deutschen Sprache mächtig ist.« 1243 verlieh Wenzel I. das Stadtrecht, dem von Nürnberg und Wien verwandt. 1182 erhebt Kaiser Barbarossa Mähren zur reichsunmittelbaren Markgrafschaft. Brünn wird Residenz. 1511 schafft Steinmetz Anton Pilgram das Rathausportal. Später gestaltet er Teile des Stephansdoms in Wien. Im 17. und 18. Jahrhundert entstehen prächtige Barockbauten(z.B. die Minoritenkirche, Loretto-Kapelle geschaffen von Mauritz Grimm). Als im 19. Jahrhundert der Nationalis-

will die Ausstellung skizzieren. wird auf 300.000 geschätzt. EinschließDie Ausstellung besteht aus Tafeln, die lich der südlichen Vororte (Sprachindas Wirken und die Leistungen der seln) dürfte die Anzahl der Deutschen deutschen Bürgermeister veran80.000 betragen haben. schaulichen. Am 31.5.1945 erfolgte die VerMo, Bilder besonderer Zeitumstände treibung der deutschen Bevöl09.09. lockern die jeweiligen Tafeln auf. kerung, der »Brünner Todes17.00 Uhr Sie sind zweisprachig – in deutmarsch«, zu Fuß bis hin zur scher und in tschechischer Spraösterreichischen Grenze. Die che – gehalten. Gesamtzahl der hierbei infolge Intensive Recherche-Arbeit war für die der unmenschlichen Behandlung ums Erarbeitung der Texte erforderlich. In Leben gekommenen Deutschen wird Archiven, Büchereien, in Sammlungen auf rund 5200 geschätzt. alter Zeitungen musste die Arbeit und Bereits im 18. Jahrhundert wurden in die Erfolge der Brünner Bürgermeister Brünn erste Feintuchfabriken errichtet. erhoben und zusammengestellt werDaraus entwickelte sich eine Tuch- und den. Wollindustrie. Die Bedeutung im BeDas, was Brünner Deutsche für die reich der Textilindustrie wuchs rasant, Stadt und damit für deren tschechische so dass man Brünn bald als »Österreiund deutsche Brünner geleistet haben, chisches Manchester« bezeichnete. Ein wurde in der Wanderausstellung in zweiter großer Erwerbszweig der Stadt Brünn, Wien, Prag, St. Pölten, Nürnwar die sich ab Mitte des 19. Jahrhunberg und Augsburg gezeigt. Es gelang, derts entwickelnde Maschinenbauin,die positiven Errungenschaften des dustrie. Eine ihrer Sternstunden erlebte deutschen Brünn für die Stadt vielen sie bei der industriellen Umsetzung der Tausend Menschen vorzustellen. Dies Ideen Kaplans hinsichtlich einer neuhat Bedeutung gerade auch in Hinblick en Wasserturbine. Der Unternehmer auf die Erzielung eines Klimawandels in den leider noch immer stark unterkühlten deutsch-tschechischen Beziehungen. Rudolf Landrock

Eröffnung: Montag, 09. September 2013 17.00 Uhr Es sprechen: PD Dr. Winfrid Halder, Direktor des Gerhart- Hauptmann- Hauses Das moderne brünn

mus immer mehr um sich griff, versuchte man in Brünn zu einer friedlichen Lösung der Nationalitätengegensätze zu kommen. Ergebnis war der sogenannte »Mährische Ausgleich« von 1905 . Er konnte sich indes gegenüber dem Wahn des Nationalismus nicht mehr durchsetzen. Gemäß der Volkszählung von 1900 gab es 69.981 Deutsche und 39.364 Tschechen in der Stadt. Nach Gründung der Tschechoslowakei 1918 erfolgte die Herstellung einer tschechischen Einwohnermehrheit durch Eingemeindung tschechischer Vororte (die deutschen blieben außen vor). Die Einwohnerzahl von Brünn des Jahres 1938

Storek richtete für den Erfinder Kaplan an der Technischen Hochschule Brünn ein eigenes Labor ein, in dem Kaplan seine später weltberühmte Wasserturbine erprobte. Nicht nur das rasche Wachstum von Textil- und Maschinenbauindustrie, auch der frühzeitige Anschluss ans entstehende Eisenbahnnetz Mitteleuropas sowie die Nähe zur Hauptstadt Wien waren markante Rahmenbedingungen für die stürmische Entwicklung von der ummauerten mittelalterlichen Kleinstadt zur modernen Industriemetropole des beginnenden 20. Jahrhunderts. Wirken und Leistungen der deutschen Bürgermeister Brünns in dieser Zeit

Rüdiger Goldmann Stellv. Landesvorsitzender der Sudetendeutschen Landsmannschaft NRW Dr. Rudolf Landrock Bundesvorsitzender des Heimatverbandes der Brünner in der Bundesrepublik Deutschland e.V. Musikalische Umrahmung: Radostina Hristova, Klavier Die Ausstellung ist bis zum 09. Oktober 2013 geöffnet.


15 Ausstellung

Dokumentation über weitgehend vergessene regierungschefs

»Die Reichskanzler der Weimarer Republik. Zwölf Lebensläufe in Bildern«

Nach der Weimarer Reichsverfassung Zwischen der Eröffnung der Nationalwar der Kanzler vom Vertrauen des versammlung in Weimar am 6. Februar Reichspräsidenten und vom Vertrau1919 und der Machtergreifung Adolf en des Reichstages abhängig. Nach Hitlers am 30. Januar 1933 haben zwölf dem frühen Tod von Reichspräsident Reichskanzler die Weimarer Republik Friedrich Ebert 1925 wurde mit Paul regiert: Philipp Scheidemann, Gustav von Hindenburg ein Antidemokrat und Bauer, Hermann Müller, Constantin Antirepublikaner an die Spitze des StaaFehrenbach, Joseph Wirth, Wilhelm tes gewählt. Seit der ReichstagsCuno, Gustav Stresemann, Wilwahl 1920 erhielten die Parteihelm Marx, Hans Luther, HeinDo, en der »Weimarer Koalition«, rich Brüning, Franz von Papen 05.09. die Sozialdemokratische Partei und Kurt von Schleicher. Mit 18.00 Uhr Deutschlands (SPD), die kaAusnahme von Gustav Stresemann sind sie heute weitgehend in tholische Zentrumspartei und Vergessenheit geraten. Dies liegt die linksliberale Deutsche Dein erster Linie an ihren kurzen Amtszeimokratische Partei (DDP), bei Wahlen ten. Zum Vergleich: Das Kaiserreich keine Mehrheit mehr im Parlament. hatte in den 47 Jahren seines Bestehens Seit dem Urnengang 1930 auch nicht von 1871 bis 1918 acht Kanzler, in der mehr unter Einschluss der rechtsliberaBundesrepublik Deutschland amtierten len Deutschen Volkspartei (DVP), seit von 1949 bis heute in mehr als sechs 1932 hatten die extremen Parteien, die Jahrzehnten acht Bundeskanzler. DaKommunistische Partei Deutschlands bei sagt die Dauer einer Kanzlerschaft (KPD) und die Nationalsozialistische grundsätzlich nichts über die Qualität Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP), eines Amtsinhabers oder die Leistunzusammen mehr als 50 Prozent der gen während seiner Amtszeit aus. Stimmen. Der politische Spielraum der Die vielen Kanzlerwechsel der ersten Kanzler wurde dadurch immer enger. deutschen Demokratie resultierten aus Das Amt des Reichskanzlers der Weider äußerst schwierigen außen- und marer Republik glich aus diesen Grüninnenpolitischen Lage Deutschlands den einem Schleudersitz. Daraus entwinach 1918. Die erdrückenden wirtckelten sich besondere Merkmale der schaftlichen, sozialen und mentalen politischen Kultur: Folgelasten des verlorenen Ersten Weltkrieges machten den Aufbau einer • Die Weimarer Kanzler traten ihre stabilen Demokratie unmöglich. ZuPosten als vergleichsweise junge dem trauerten viele Deutsche dem unMänner an, ihr Durchschnittsaltergegangenen Kaiserreich nach. Kein ter lag bei rund 50 Jahren, das der Kanzler konnte erwarten, sich im Buch Kanzler des Kaiserreiches wie der der Geschichte mit einem Ruhmesblatt Bundesrepublik Deutschland bei verewigen zu können. Anders als heute rund 60 Jahren. Sieben Weimagab es keine offiziellen »Kanzlerkandirer Regierungschefs waren bei daten«, kein Demokrat drängte in das Amtsantritt jünger als 50, Joseph Amt. Fast alle Kanzler waren sich ihrer Wirth war mit 41 Jahren der bisher großen Verantwortung bewusst. jüngste Kanzler in der deutschen

Geschichte, Heinrich Brüning derjenige, der seine Amtszeit – um 38 Jahre – am längsten überlebte. Acht der Weimarer Kanzler sind jüngeren Geburtsdatums als Konrad Adenauer, der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. •

Die Weimarer Kanzler nahmen in Folge der Belastung ihres Amtes gesundheitlichen Schaden, Gustav Stresemann starb mit 51, Hermann Müller mit 54 und Wilhelm Cuno mit 56 Jahren.

Die Weimarer Kanzler konnten nach mehrjähriger Unterbrechung erneut ins Amt kommen (Hermann Müller und Wilhelm Marx).

Die Weimarer Kanzler amtierten in Kabinetten ihrer Nachfolger als Minister (Gustav Bauer, Joseph Wirth, Gustav Stresemann, Wilhelm Marx) oder übernahmen vergleichsweise weniger bedeutende Ämter wie etwa das des Oberbürgermeisters (Philipp Scheidemann) oder Botschafters (Hans Luther, Franz von Papen).

Die Weimarer Kanzler verfügten zum Teil über keine parteipolitischen oder parlamentarischen Erfahrungen (Wilhelm Cuno, Hans Luther, Kurt von Schleicher).

Einige Weimarer Kanzler wurden Opfer politischer Verfolgung; Kurt von Schleicher wurde von den Nazis ermordet, Gustav Bauer zeitweise inhaftiert, Philipp Scheidemann, Joseph Wirth und Heinrich Brüning mussten ins Exil gehen.

Fortsetzung auf Seite 16


16 Ausstellung Fortsetzung von Seite 15

Der zweite Grund dafür, warum die Weimarer Kanzler heute vergessen sind, liegt darin begründet, dass Erinnerung heutzutage weitgehend über optische Eindrücke, durch visuelle Mittel transportiert wird. Die Kanzler der ersten deutschen Demokratie sind im visuellen Gedächtnis der Nation nicht verankert. Diese Ausstellung hat daher als Ziel, den Weimarer Kanzlern »ein Gesicht« zu geben. Sie beschränkt sich daher nicht auf die Kanzlerschaften, sondern will ihre Gesamtbiographien »ins Bild« setzen. Dabei werden Gemeinsamkeiten, vor allem aber auch die gravierenden Unterschiede zwischen diesen zwölf Lebensläufen deutlich. Die Spannbreite reicht dabei von dem armen Handwerkersohn Philipp Scheidemann, der die Republik ausrief und von den Nazis verfolgt wurde, bis zu dem vermögenden Adligen Franz von Papen, der Hitler den Weg zur Macht erleichterte. Nicht alle Lebensläufe können im Bild komplett sichtbar gemacht werden, zwangsläufig bleiben Lücken. Es gibt nur wenig Fotomaterial über die Weimarer Kanzler. In ihren Geburtsjahren, 0fie noch in den Kinderschuhen. Man besaß keinen eigenen Fotoapparat, sondern suchte das Atelier eines Fotografen auf. Dies war ein soziales Privileg, das sich nicht Jeder zu jeder Zeit leisten konnte. Die Vorlagen der ältesten in der

Reichskanzler Dr. Hans Luther (1925-1926)

Ausstellung gezeigten Aufnahmen sind 130 Jahre alt. Die Fototechnik machte nur mühsam Fortschritte. Schnappschüsse waren noch jahrzehntelang nicht möglich. Fotos wurden gestellt und arrangiert. Trotzdem bemüht sich diese Ausstellung darum, originelle Motive zu zeigen und nicht nur die offiziellen Standfotos. Zahlreiche der hier gezeigten Fotos stammen aus Privatbesitz. Sie waren bisher völlig unbekannt und werden zum ersten Mal in der Öffentlichkeit präsentiert. Viele der vergleichsweise wenigen vorhandenen Kanzlerfotos sind in den Wirren der deutschen Reichskanzler Gustav Bauer (1919-1920), in Darkehmen/ Geschichte verloOstpreuSSen geboren ren gegangen. Die Nazi-Diktatur und Währungsreform 1923/24 und Kanzihre Folgen haben auch hier vieles verler von Locarno, der hier seine letzten nichtet. Die allermeisten in der AusLebensjahre verbrachte und 1962 starb. stellung gezeigten Motive haben einen Sein Grab auf dem Stoffeler Friedhof oder sogar zwei Weltkriege, Jahre der wäre im Jahr 2002 beinahe eingeebnet Verfolgung oder des Exils überstanworden. Nur durch die Reichskanzlerden. GeschichtsbeAusstellung konnte es in letzter Minute wusste Erben haben gerettet werden. sie aufbewahrt oder Bernd Braun Archiven übergeben. Sicher ruhen noch zahlreiche KanzlerEröffnung: fotos an unbekannDonnerstag, 05. September 2013tem Ort, in privater 18.00 Uhr Hand. Die Ausstellung will daher auch Es sprechen: dazu anregen, diese PD Dr. Winfrid Halder Materialien öffentlich Direktor des Gerhart- Hauptmann- Hauses zu machen. Ein ganz besonders herzlicher Dr. Bernd Braun Dank gilt in diesem Stiftung Reichspräsident-FriedrichZusammenhang den Ebert-Gedenkstätte Heidelberg drei Reichskanzlertöchtern Kathleen Die Ausstellung ist bis zum 28. Oktober Buckup-Cuno (†), 2013 geöffnet. Eva Marie Stadler und Lonny von Schleicher, die großzügig Zeugnisse ihrer Väter zur Verfügung gestellt haben. In besonderer Beziehung zur Stadt Düsseldorf steht Reichskanzler Hans Luther (1925/1926), der Finanzminister der


17 Lesung / Vortrag

Lesung und Vortrag mit Frank Schablewski (Köln) und PD Dr. Jürgen Nelles (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn)

Die romantischen Dichtungen des schlesischen Freiherrn Joseph von Eichendorff Vor dem Urteil Thomas Manns, des Lidurchdrungene Thomas Mann demgeteraturnobelpreisträgers von 1929, begenüber einem anderen Schreibenden stand so leicht kein Dichterkollege. Das hohen Respekt zollte, so ist dies umso überaus sarkastische, für jeden halbbemerkenswerter. Über Joseph von wegs Kundigen leicht zu entEichendorffs (1788-1857) beschlüsselnde Porträt, das Mann rühmte Novelle »Aus dem LeMi, mit der Figur des »Mynheer ben eines Taugenichts« – fast 25.09. Peeperkorn« in seinem großen genau 100 Jahre vor dem »ZauZeitroman »Der Zauberberg« 19.30 Uhr berberg« erschienen, nämlich (1924) von dem Literaturno1826 – schrieb Mann, diese sei belpreisträger von 1912 – Ger»nichts als Traum, Musik […] hart Hauptmann – zeichnete, törichte Seligkeit, sodass einem hat dieser ihm arg verübelt. So sehr die Ohren klingen und der Kopf summt verübelt, dass er einen Beschwerdebrief vor poetischer Verzauberung und Veran den gemeinsamen Verleger Samuel wirrung.« Fischer sandte. Zwar vermittelte FiEichendorffs »Taugenichts« gilt noch scher eine Art Versöhnungsschreiben heute als die romantische Erzählung Manns an Hauptmann, ein Rest von schlechthin, und einige seiner NovelDistanz freilich blieb. Wenn der von len (»Das Marmorbild« [1819], »Das eigener dichterischen Bedeutung tief Schloß Dürande« [1837]) sowie sein

autobiografischer Roman »Ahnung und Gegenwart« (1815) erfüllen ihrerseits die landläufigen Vorstellungen, die sich die Nachwelt von der Romantik gemacht hat und noch immer macht. Und natürlich tragen auch Eichendorffs volkstümliche Gedichte und Lieder (»Wem Gott will rechte Gunst erweisen«, »In einem kühlen Grunde« u. v. a.), die noch heute – nicht zuletzt dank zahlreicher Vertonungen (von Johannes Brahms, Robert Schumann, Richard Strauss und etlichen anderen) – in vieler Menschen Munde sind, zum zeitlosen Ruf des »großen Romantikers« bei. Im März 2013 jährte sich der Geburtstag Joseph von Eichendorffs zum 225. Mal – nebenbei bemerkt: Vor 200 Jahren zog der damals 25-Jährige, wie so viele Andere als Freiwilliger in die »Befreiungskriege« gegen das napoleonische Frankreich. Anlässe genug, um den Blick wieder einmal auf Werke des großen Oberschlesiers zu richten. An diesem Abend sollen in Worten und Bildern die Lebensstationen des Dichters vor Augen geführt und einige seiner schönsten Texte zu Gehör gebracht werden. Er wird gestaltet von Frank Schablewski, selbst Autor, Übersetzer und versierter Rezitator, der unserem Publikum bestens bekannt ist, und von PD Dr. Jürgen Nelles, der an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn Literaturwissenschaft lehrt. Winfrid Halder

»Der Wanderer über dem Nebelmeer« von Caspar David Friedrich


18 Schulprojekt

Schüler beschäftigen sich mit StraSSennamen in Düsseldorf

»Geschichte vor Ort. Straßennamen erzählen«

Mit einer Projektpräsentation im GHH des Projektes war die Befragung von endet am 15. Juli 2013 eines der SchulBewohnern auf der Breslauer, Schleprojekte, die die Stiftung im Schuljahr sischen, Memeler, Königsberger und 2012/13 durchgeführt hat. »GeschichPosener Straße. Während einer Stadtte vor Ort. Straßennamen erteilbegehung interviewten die zählen« war der Titel, unter Schüler in Gruppen mit einem denen die Jugendlichen der digitalen Aufnahmegerät einen Mo, Berufsqualifizierungsklassen 5 Apotheker, einen Büdchenbe15.07. u. 6 der Albrecht-Dürer-Schule sitzer oder ältere Bürger auf der 10.30 Uhr Straße. Aus dem gesammeldie Bedeutung und Herkunft von Straßennamen in Düsselten Material erarbeiten dorf-Lierenfeld erforschten. Im sie im Tonstudio Stadtteil Düsseldorf-Lierenfeld, der an des Medienzentrums der die Stadtteile Eller, Flingern und OberStadt Düsseldorf mit der bilk grenzt, sind Straßen verortet, defreien Rundfunkredakteurin ren Namen an Städte im historischen Jessica Stratmann einen Radeutschen Osten erinnern, wie z.B. die diobeitrag und waren mit großem Schlesische Straße, die Breslauer Straße, Engagement dabei, Texte einzudie Königsberger Straße oder die Mesprechen und musikalische Beilagen meler Straße. auszusuchen. Während des Projekts Den Schülern waren diese Orte und kam Erstaunliches und Nachdenkliches Gebiete überwiegend völlig unbekannt. zu Tage, z.B. dass kaum eine der interIn Projekttagen im GHH und in vielen viewten Personen sich zu den FragestelUnterrichtseinheiten an der Schule in lungen der Jugendlichen äußern konnder Pestalozzistraße in Heerdt erarbeite oder wollte. Das Schulprojekt, das teten sich die Jugendlichen gemeinsam vom Kulturamt der Landeshauptstadt

Düsseldorf im Rahmen von »Kulturinstitution und Schule« unterstützt wurde, brachte nicht zuletzt ungeahnte Fähigkeiten der Jugendlichen zum Vorschein. Sie alle waren am Ende stolz auf das Ergebnis, einen eigenen Radiobeitrag auf dem Sender von »Antenne Düsseldorf« zu Katja Schlenker hören. Die Ausstrahlung des Radiobeitrages vom 23.06.2013 auf »Antenne Düsseldorf« wiederholen wir in der Stiftung Gerhart-HauptmannHaus in Anwesenheit von Lehrern und Schülern des Albrecht-DürerBerufskollegs am 15.07.2013 um 10:30 Uhr

mit ihren Lehrern Herr Kersting und Frau Feemers, der Sozialpädagogin Frau Taprogge unter Anleitung der Mitarbeiterin der Stiftung Frau Dr. Schlenker die Geschichte dieser Orte, die territorialen Veränderungen nach Ende des Zweiten Weltkrieges und die Bedeutung in unserer heutigen Zeit. Dieses Wissen erwarben sie sich Internetrecherchen und in der Erstellung eigener PPPs, über Videofilme und das Recherchieren zu bekannten Personen aus den betreffenden historischen deutschen Ostgebieten. Spannendster und aktivster Bestandteil

Die Schüler im Studio von Antenne Düsseldorf


19 Schulprojekt

Schlesisches Erbe in berlin eine Entdeckungsreise

»Grenzgänger, Spurensucher«

Für ein Schulprojekt der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus unter dem Titel »Grenzgänger, Spurensucher« begaben sich vom 19. bis 22. Juni 30 Schülerinnen und Schüler der Realschule Herne-Crange mit ihren Lehrern Susanne Beinke und Marc Bethke auf Entdeckungsreise durch Berlin. Im Mittelpunkt standen die Erkundung von schlesischem Erbe in der Stadt Berlin und die Spurensuche nach politischen und territorialen Veränderungen in Deutschland am Ende des Zweiten Weltkrieges. Fast alle 30 Schüler waren das erste Mal in der Hauptstadt Berlin und auch die Region Schlesien und ihre Verbindung zum heutigen Deutschland war zu Beginn des Schulprojekts völliges Neuland für die Jugendlichen. Über eine historische Einführung am Projekttag im Gerhart-Hauptmann-Haus und bei der Erstellung von Steckbriefen erarbeiteten die Schüler Grundlagen zur Geschichte Schlesiens und die Herkunft schlesischer Persönlichkeiten, die in Berlin wirkten. Die Schüler aus Herne, von denen sich viele für Borussia Dortmund begeistern, waren beispielsweise erstaunt, dass sich über den »Borsigplatz« in Dortmund – dem Geburtsort des Fußballvereins - eine enge Verbindung nach Schlesien aufweisen lässt. Namensge-

Die Schriftstellerin Roswitha Schieb bei der Stadtralley auf schlesischen Spuren in Berlin-Mitte mit den Schülern vor der St. Hedwig - Kathedrale

legene Maschinenfabrik Deutschland gründete. Er war Sohn des 1804 in Breslau geborenen Johann Friedrich August Borsig, dem Begründer der Borsigwerke in Berlin. Das Tor der ehemaligen Borsigwerke ist heute noch eines der Wahrzeichen von Berlin-Tegel. In Berlin rückte durch eine Stadtralley

Die Realschüler beim Steckbrieferstellen in der Bibliothek des Gerhart-Hauptmann-Hauses

ber des Borsigplatzes war August Julius Albert Borsig (1829–1878), der u.a. die in der Dortmunder Borsigstraße ge-

Kulturforum östliches Europa vorbereitet und durchgeführt hat, eine Region ins Bewusstsein, die nur 150 km entfernt von Berlin beginnt und deren Geschichte, Architekturen und Persönlichkeiten das heutige Deutschland prägen. Nicht umsonst nennt Roswitha Schieb ihr 2012 herausgegebenes Buch über diesen prägenden Abschnitt Berliner und deutscher Geschichte »Jeder zweite ein Berliner«. Der Berliner Dom ( Julius Raschdorff ) und das Brandenburger Tor (Carl Ferdinand Langhans), die mit einem Panther kämpfenden Amazonen (August Kiss) auf der Treppe vor dem Alten Museum, die St. Hedwigs -Kathedrale, die Reliefszene am Denkmal Friedrichs II. mit den schlesischen Weberinnen und selbst die breiten Granitplatten weisen auf Schlesien und dessen reiche wirtschaftliche und kulturelle Verknüpfungen mit Berlin bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges hin. Trotz großer Hitze und vielen Kilometern »Stadtwanderung« gab es am Ende die richtigen Ergebnisse zu den Ralley-Fragen und einen Preis für die drei schnellsten Schülerinnen und Schüler. Katja Schlenker

durch Berlin - Mitte, die übrigens die Schriftstellerin Frau Roswitha Schieb in Zusammenarbeit mit dem Deutschen


20 Vortrag

Vortrag mit Bildern und Tonbeispielen von Dr. Eva Weissweiler (Köln)

Dirigent der Republik – zum 40. Todestag Otto Klemperers (1885-1973)

Am Ende einer Live-Aufnahme von Franz Schuberts 8. Sinfonie (»Unvollendete«), faltete, so umstritten blieb die Krolloper. welche aus einem Konzert der Wiener Philharmoniker am 25. Mai 1968 stammt, hört Nach langen Auseinandersetzungen, man deutlich, wie der Dirigent, in dem Moment, in dem der letzte Ton verklingt, und zum Teil auch im Preußischen Landtag, unmittelbar bevor der stürmische Applaus des Publikums einsetzt, »Schön!« ins Orwurde das Haus – gegen den erbitterten chester sagt. Widerstand Klemperers – im Juli 1931 geschlossen, offiziell begründet mit Die Musiker durften sich dergleichen Lob hoch anrechnen, selbst ein WeltklasseGeldmangel. Klangkörper wie die Wiener Philharmoniker. Denn der Mann mit dem Taktstock war dafür bekannt, dass er äußerst hohe Qualitätsmaßstäbe anlegte und Otto Klemperers Ruf als großer schwer zufriedenzustellen war. Ja, er war auch bekannt für seine Wutausbrüche Dirigent und Förderer der zeitgeMo, während der Proben, wenn er glaubte, dass seine interpretatorischen Vorgaben nössischen Musik tat dies keinen 30.09. nur ungenügend umgesetzt wurden. Leicht war also die Arbeit für die OrchesAbbruch. Er war eine Leitfigur in termusiker mit ihm nicht – allerdings entstanden unter der Leitung des Diri19.00 Uhr der so ungemein vielfältigen und genten, der vor 40 Jahren starb, Aufnahmen, die Freunde der klassischen Musik fruchtbaren deutschen Kulturnoch heute begeistern – so wie jene »Achte« von Schubert, bei der man das szene der Weimarer Jahre – sein unvermeidliche Hüsteln aus dem Publikum gerne in Kauf nimmt. britischer Biograph Peter Heyworth nannte Klemperer nicht von unDas Leben Otto Klemperers, der am 6. Juli 1973 im Alter von 88 Jahren in Zürich starb, gefähr »Dirigent der Republik«. hatte am 14. Mai 1885 in Breslau begonnen. Klemperers Vater Nathan, der aus dem jüdischen Ghetto in Prag stammte, betrieb in der schlesischen Metropole eine bescheiInsofern überrascht es nicht, dass Otto dene Spielwaren- und Textilienhandlung. Schon bald nach der Geburt des einzigen Klemperer nach der Installierung der Sohnes zog das Ehepaar Klemperer in die Heimatstadt der Mutter – Ida Klemperer Regierung Hitler im Januar 1933 sehr stammte aus Hamburg. Otto Klemperer wuchs also an der Alster auf – und hier hatschnell ins Visier der neuen Machthaber te er als Neunjähriger ein schicksalhafte Begegnung: Auf der Straße kam ihm Gustav geriet. Nach seiner Herkunft und seiner Mahler (1860-1911) entgegen. Der aus dem böhmischen Kalischt (unweit von Iglau) (kultur-)politischen Ausrichtung war stammende Mahler war damals Kapellmeister am Hamburger Stadt-Theater und hatte Klemperer für sie einfach ein »Kultursich längst als Dirigent auch international einen Namen gemacht. Der musikbegeisterbolschewist«, dem ein Auftrittsverbot te Junge aus der Nachbarschaft traute sich nicht Mahler anzusprechen – sein Wunsch, erteilt wurde. Noch 1933 emigrierte selbst Dirigent zu werden, war aber von der ersten und später folgenden, näheren BeOtto Klemperer in die Vereinigten Staagegnungen mit Mahler nicht zu trennen. Allerdings hatte dieser Hamburg 1897 in ten von Amerika – als einer der ersten Richtung Wien verlassen, um die Leitung der dortigen Hofoper zu übernehmen – wo großen Künstler, welche von der natioer endgültig einer der ersten »Pultstars« des 20. Jahrhunderts wurde. In Wien dirigierte nalsozialistischen Diktatur aus DeutschMahler häufig auch Wagner-Opern – und sicher gehörte zu seinen Zuhörern auch ein land vertrieben wurden. junger Herumtreiber, der an der Kunstakademie abgelehnt worden war, und der nun Dauerhaft nach Deutschland zurückgeeinigermaßen ziellos dahinlebte, oft in die Oper ging und sich an den von Mahler entkehrt ist Otto Klemperer – wie so viele fachten Klangorkanen Wagners berauschte – Adolf Hitler. Ungeachtet der jüdischen andere – nie. Freilich war er häufiger Herkunft des Dirigenten, die Gustav Mahler auch mit Otto Klemperer verband. Gast als Dirigent von Weltrang, der Otto Klemperer absolvierte seine musikalische Ausbildung an den Konservatorien in immerhin auch in Deutschland wieder Frankfurt am Main und in Berlin. Mahler, mit dem er inzwischen persönlich bekannt auftrat. Insbesondere mit dem Kölner war, verhalf dem 22-Jährigen zu seiner ersten Stelle als Chorleiter und später KapellRundfunk-Sinfonie-Orchester (heute meister am Deutschen Theater in Prag. Klemperer erwarb sich bald einen glänzenden WDR Sinfonieorchester Köln) hat er Ruf als strenger Orchesterleiter, der (ganz wie Mahler) keinerlei musikalische Nachseit Mitte der 1950er Jahre zahlreiche lässigkeiten duldete. Weitere Stationen als Kapellmeister folgten in Hamburg (1910noch heute beeindruckende Einspie1912), Barmen (1912/13) und Straßburg (1914-1917). Als Otto Klemperer 1917 lungen klassischer Werke erarbeitet. zum Generalmusikdirektor der Kölner Oper berufen wurde, achteten (und fürchteten) Die Referentin des Abends, Frau Dr. ihn längst die Musiker. Die Spitznamen, die sie ihm gaben, spiegeln dies wider: »Otto der Große« (auch wegen seines hünenhaften Wuchses, Klemperer überragte die meisEva Weissweiler, ist selbst auch austen seiner Mitmenschen im ganz wörtlichen Sinn) oder »Kl’Empereur« (ein Wortspiel übende Musikerin. Sie hat Musikwismit seinem Namen und dem französischen Wort für Kaiser). senschaft und Germanistik an der BonIn Köln blieb Klemperer bis 1924 und wirkte dann bis 1927 als Generalmusikdirektor ner Universität studiert. Als Autorin hat in Wiesbaden. Dann folgte der bisherige Höhepunkt seiner Karriere: Er wurde an die sie für viele Periodika gearbeitet, darBerliner Krolloper berufen. Diese war ein Musiktheater der besonderen Art: Im 19. unter die Frankfurter Allgemeine und Jahrhundert ursprünglich als private Bühne begründet, zentral in der Nähe des Brandie Süddeutsche Zeitung; außerdem denburger Tores gelegen, gehörte der große Theaterbau seit 1896 zu den Preußischen hat sie Dokumentarfilme für den WDR Staatstheatern. Nach der Gründung der Weimarer Republik und der Schaffung des produziert. Eva Weissweiler hat ferner Freistaates Preußen wurde die Krolloper zu einem kulturpolitischen Prestigeprojekt eine Fülle von Büchern publiziert, des der preußischen Regierung unter dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten öfteren über Persönlichkeiten aus dem Otto Braun. Durch Um- und Erweiterungsbauten sollte – in Absetzung vom viel älteren Musikleben, etwa über Clara und Round kleineren »Königlichen Opernhaus« Unter den Linden – eine Art »Volksoper« bert Schumann. 2010 erschien ihr Buch entstehen. Die Idee einer »sozialen« Oper war von Beginn an nicht unumstritten, die »Otto Klemperer. Ein deutsch-jüdiFinanzierung des Unternehmens stand auf unsicheren Füßen. Als Otto Klemperer zum sches Künstlerleben« – seit den älteren musikalischen Leiter der Krolloper berufen wurde, erhielt er große Freiheiten hinsichtlich der künstlerischen Ausrichtung des Hauses. Der neue Chef machte aus dem Haus Arbeiten von Peter Heyworth die erste in den folgenden Jahren eine der wichtigsten Aufführungsstätten des zeitgenössischen umfassende Würdigung des berühmten Musiktheaters. Er leitete (Ur-)Aufführungen von Werken Arnold Schönbergs, Paul Winfrid Halder Musikers. Hindemiths, Igor Strawinskis und anderer. So sehr sich Klemperers Ruhm als einer der bedeutendsten Dirigenten seiner Zeit ent-


21 Literatur

»Das dankbarste Publikum der Welt: Kinder«

Mit Otfried Preußler in Rumänien – Ein Reisebericht und Stimmungsbild anlässlich des Todes des beliebten Kinderbuchautors Seine Herkunft und seine Heimatstadt Reichenberg in Böhmen sind vielen seiner Leserinnen und Leser bekannt. Otfried Preußler hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass er aus dem Sudetenland stammt, obwohl er lieber den traditionellen und aus der österreichischen Kronländer-Philosophie stammenden Begriff »Böhmen« wählte, wenn er seine Herkunftsidentität exakt bezeichnen wollte. Er verwandte auch nicht den Begriff »Liberec« für jene Stadt, in der er aufgewachsen und geboren worden war. Denn zu jener Zeit war Reichenberg, das heutige Liberec, aus dem er seine »Geschichten« schöpfte, eine Stadt mit mehrheitlich deutschen Bewohnern. Dies ist zwar vielen, aber nicht allen Verehrern des berühmten Kinderbuchautors bekannt, der am 23. Oktober 1923 das Licht der Welt erblickte. Die enge Beziehung zu Böhmen wird verständlich, wenn man sich Preußlers Familiengeschichte näher zu Gemüte führt. Dazu hat vor nicht allzu langer Zeit die Wissenschaftlerin Rahel Rosa Neubauer in einem Vortrag im Sudetendeutschen Haus in München beigetragen. Sie berichtete: »Zu seinen Vorfahren im Vorland des Iser- und Riesengebirges zählten neben Glasmachern und Kleinbauern auch ländliche Handwerker und ein paar Kupferstecher. Sein Vater Josef … war Volksschullehrer und als Sagensammler und Heimatforscher tätig. Auch seine Mutter Erna Czervenka war Lehrerin und sehr belesen« , betonte Neubauer. Der erste Eindruck vom Kinderbuchautor Dass Otfried Preußler mit den böhmischen Wurzeln aber auch mit dem Südosten Europas verbunden war, darüber soll im Folgenden berichtet werden. Die Rede ist von einer Reise nach Rumänien vom 20. August bis zum 3. September 1986, an der neben Otfried Preußler und Herbert Wessely auch meine Wenigkeit teilnahmen. Veranstalter war die Stiftung Haus des Deutschen Ostens, das heutige Gerhart-Hauptmann-Haus in Düsseldorf unter seinem Direktor Oskar (Ossi) Böse. Es ging bei dieser Studienreise für die bedeutendste Kultureinrichtung der Heimatvertriebenen, Flüchtlinge und Aussiedler in Nordrhein-Westfalen, um die Belebung der Patenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen über die deutsche Minderheit der Siebenbür-

gen Sachsen, die zu diesem Zeitpunkt noch mehrheitlich in Rumänien ansässig war. Des weiteren sollten den zahlreichen mitreisenden Multiplikatoren, darunter mehreren Journalisten, Land und Leute, die gesellschaftliche und politische Situation Rumäniens sowie die Lage der verbliebenen deutschen Minderheiten im Banat und in Siebenbürgen präsentiert werden. Damals war Rumänien ein kommunistisch regierter Staat, mit einem Diktator, der sich als »Conducator« oder »großer Führer« von der Bevölkerung feiern ließ und dem nachgesagt wurde, er sei auf Distanz zur Führung der Sowjetunion gegangen. Nicolae Ceauşescu war daher während dieser Tage allgegenwärtig, im Dorf im Banat, z. B. in Lenauheim oder Guttenbrunn oder in den Städten Kronstadt/Braşov und Bukarest. Darüber soll ebenfalls berichtet werden. Die mir zugedachte Rolle bestand darin, als Korrektiv der »offiziell verlautbarten« Sichtweisen aufzutreten. Das sollte mit den Teilnehmern im persönlichen Gespräch geschehen. Ich hatte zu dieser Zeit gerade meine Doktorarbeit mit dem Thema »Das Schulwesen der Deutschen in Rumänien im Spannungsfeld zwischen Volksgruppe und Staat« beendet und veröffentlicht. Ganz wohl war mir bei dem Gedanken nicht, erneut dieses Land zu besuchen – ich hatte es 1981 bereits mit derselben Institution bereisen können –, weil der Text meines Buches durchaus ideologie- und regimekritisch war. Zudem hatte ich auf einem roten Lesezeichen, das jeder Ausgabe beilag und das Leseempfehlungen von A bis Z aussprach »Herrn Ceauşescu« aufgefordert, »das ganze Buch« zu lesen. Otfried Preußler verhielt sich beim Treffen am Düsseldorfer Flughafen, während des Fluges und später im Reisebus meist unauffällig, um nicht zu sagen »unnahbar«. Die offizielle Version für die Teilnahme des damals schon außerordentlich berühmten Kinderbuchautors lautete: Er plane seinen ersten Roman für Erwachsene, der weitgehend autobiographisch sein werde und von seinen Erlebnissen zum Ende des Krieges erzählen würde. »Bessarabischer Sommer« war als Titel vorgesehen. Preußler erklärte mir im Verlaufe der Reise, er habe dazu schon Recherchen in Moskau in der »Großen Sowjetischen Enzyklopädie«

angestellt. Jedenfalls suchte unser »Literaturstar« in den ersten Tagen nur selten das Gespräch zu den Mitreisenden, hatte es sich im Reisebus, der uns kreuz und quer durch das Banat bis ins Banater Bergland nach Wolfsberg und zum »Drei-Wässer-See« führte, auf der letzten Bank neben seinem Schul- und Jugendfreund aus Reichenberg Ossi Böse bequem gemacht. Von Düsseldorf aus flogen wir nach Temeswar in die Hauptstadt des Banats. Bei diesem Tarom-Flug erlitt unser zweiter Literat, Herbert Wessely, der »Dichter der Südmährer« eine Herzattacke, weil sich sein Herzschrittmacher verstellt hatte, die ihn sofort in ärztliche Krankenhausbehandlung zwang. Wir sollten ihn erst beim Rückflug wiedersehen, nachdem die rumänischen Ärzte den prominenten Patienten aus dem Westen soweit stabilisiert hatten, dass er wieder flugtauglich war. Otfried Preußler, der den erheblich älteren Herbert Wessely als seinen Freund bezeichnete, tat alles in seiner Macht stehende, die ärztliche Versorgung des Erkrankten zu sichern. Und das war eine ganze Menge… Unser Kontakt: Die Kulturredaktion der »Neuen Banater Zeitung« Für die Betreuung unserer Reisegruppe war die Kulturredaktion der »Neuen Banater Zeitung« zuständig. Das hatte Direktor Böse so vereinbart. Luzian Geier führte uns durch die Domstadt Temeswar und löste nahezu alle Probleme für uns. Eduard Schneider begleitete uns aufs Land und brachte uns die Banater Dichter Nikolaus Lenau und Adam Müller-Guttenbrunn nahe. Eine der Spezialaufgaben von Luzian Geier war die Unterstützung von Otfried Preußler bei einer besonders kniffligen Aufgabe. Der Autor hatte zwei seiner Werke – soweit ich mich entsinne den »Räuber Hotzenplotz« und den »Kleinen Wassermann« – im Nationalitäten- bzw. Minderheitenverlag Rumäniens »Kriterion« veröffentlicht. Hierfür standen ihm Tantiemen in rumänischer Währung zu, dem Leu oder in der Mehrzahl Lei, die der Autor laut Vertrag allerdings nur im Inland, also in Rumänien verbrauchen durfte. Luzian Geier kam nun die Aufgabe zu, dieses Geld – für rumänische Verhältnisse eine Unsumme – vom StaatsverFortsetzung auf Seite 22


22 Literatur Fortsetzung von Seite 21

lag in Bukarest an Herrn Preußler nach Temeswar transferieren zu lassen. Das dauerte mehrere Tage, weil in Temeswar kein Bankbeamter es für möglich hielt, dass dieser Betrag an eine Einzelperson ausgezahlt werden könnte. So vollführten die rumänischen Tantiemen zunächst diverse Umwege über rumänische Firmen in der Umgebung von Temeswar, die so einen ähnlichen Namen hatten wie Preußler, bevor sie zum echten und wirklichen Empfänger gelangten. In diesen drei Tagen sollten wir auf Anordnung der Reiseleitung keine D-Mark in Lei tauschen, da wir ja bald »eine erheblich günstigere«, sprich »schwarze« Gelegenheit haben würden. Mit anderen Worten: Wir waren dazu ausersehen, Herrn Otfried Preußlers rumänische Tantiemen zunächst in D-Mark zu tauschen und schließlich in den rumänischen Wirtschaftskreislauf einzuspeisen, denn die Ausfuhr von rumänischer Währung war zu dieser Zeit strengstens verboten. »Rumänien: Seit fünf Jahren Mehl nur auf Lebensmittelmarken« Überhaupt wäre es jetzt an der Zeit, darüber zu berichten, welche wirtschaftliche Gesamtsituation man im Sommer 1986 in Rumänien vorfinden konnte. Kurz nach unserer Rückkehr aus Rumänien hatte ich zwei Sonderseiten über unsere Erfahrungen für die »Augsburger Allgemeine Zeitung« verfasst. Darin berichtete ich zunächst über das Bemühen der staatlichen Begleiter unserer Reisegruppe einen möglichst positiven Eindruck der Situation des Landes zu vermitteln. Dann fügte ich zur oben genannten Fragestellung an: »Auch der interessierte RumänienBesucher, der die Touristenzentren verlässt und sich ins Landesinnere begibt, hat Schwierigkeiten, sich von dem wohlgefälligen Bild zu lösen… Vor allem vor Geschäften, die Brot, Fleisch, Zucker oder Käse abgeben, kann man lange Schlangen beobachten. Das Anstellen hat bereits zu einer Psychose geführt. Oftmals wissen die letzten kaum, welche Produkte überhaupt angeboten werden. Irgend etwas Essbares wird schon zu erwerben sein. Vor allem Butter, Zucker, Speiseöl, Fette, Mehl werden nur über die Zwangsbewirtschaftung abgegeben. Das bedeutet 100 g Butter pro Person und Woche, ein Kilogramm Mehl pro Person und Monat. Seit Oktober 1981 müssen die Bürger Rumäniens mit Lebensmittelrationierungen leben, wie es Staats- und Parteichef Ceauşescu mittels Dekret Nr. 313 verordnet hat, wobei zum Beispiel in Kronstadt die

Zuteilung von Mehl seit mehr als drei Monaten auf sich warten lässt. Grund für diese erschreckende Versorgungslage ist eine völlig verfehlte Wirtschaftspolitik der rumänischen Regierung in den vergangenen zwanzig Jahren. Die landwirtschaftliche Produktion wurde zugunsten einer schnellen und radikalen Industrialisierung des Landes vernachlässigt. Prestigeprojekte sollten den »sozialistischen Fortschritt« dokumentieren. So wurde etwa die Erdölverarbeitungsindustrie um Ploieşti auf eine Kapazität erweitert, die drei- bis viermal so viel Öl verwerten könnte, wie Rumänien überhaupt fördert. Die Anlagen sind wegen des Rohstoffmangels nicht ausgelastet. Rohstoffe fehlen auch bei der Energiegewinnung. Die Kohleförderung konnte nicht gesteigert werden. Vorsorge wurde nicht getroffen. Die Winter der vergangenen drei Jahre mit ungewöhnlich tiefen Temperaturen trafen die rumänische Energiewirtschaft völlig unvorbereitet. Per Dekret wurde die zulässige Wohnungstemperatur auf zwölf Grad Celsius festgesetzt. Selbst im Hochsommer kann man Rumäniens Energienot hautnah erleben. Die Großstädte, ob Temeswar, Kronstadt oder Bukarest, gleichen nach Einbruch der Dunkelheit Geisterstädten. Auch wenn ein Kranz von sieben oder acht Neonröhren einen Platz beleuchten soll, so brennt bestenfalls eine einzige Röhre. Straßenbahnen oder Busse fahren mit Notlichtern, Schaufenster sind grundsätzlich nicht beleuchtet. Die katastrophalen Rahmenbedingungen auf dem Energiesektor haben auch zu einer Verminderung der Arbeitsproduktivität und der Arbeitsmoral geführt.« Von den westlichen Regierungen gelobt, versuchte der Staats- und

Parteichef Ceauşescu in diesem Jahrzehnt die Auslandsschulden Rumäniens zu tilgen. Er tat es auf Kosten des Lebensstandards seiner Bevölkerung. Im Dezember 1989 bei seinem Sturz und seiner Erschießung zusammen mit seiner Frau Elena am Weihnachtstag 1989 während der revolutionären Wirren sollte er dieses ehrgeizige politische Ziel weitestgehend erreicht haben. Jedenfalls reisten wir in diesem politisch-gesellschaftlichen Kontext mit Otfried Preußler durch das Banat, besuchten das Lenau-Museum mit seiner umfassenden Trachtenausstellung in Lenauheim/Csatad, die Stefan-JägerGedenkstätte in Hatzfeld/Jimbolia mit dem berühmten Tryptichon »Der große Schwabenzug«, tranken mit Preußlers Lei Wein in der Weinstube der Bastei in Temeswar, dem Überrest der alten österreichischen Festungsanlage oder in Bakowa im neu eröffneten Kulturhaus. Der Eindruck der »Unnahbarkeit« Otfried Preußlers änderte sich für mich in Guttenbrunn. In der typischen deutschen Banater Gemeinde, in welcher der Dichter und Schriftsteller Adam Müller-Guttenbrunn geboren und aufgewachsen war und für den Erhalt der »schwäbischen Identität« geschrieben und gewirkt hatte, durfte ich folgende Episode miterleben. Eduard Schneider, damals ebenfalls Redaktionsmitglied der »Neuen Banater Zeitung« und heute verantwortlicher Redakteur der »Spiegelungen« in München, brachte seine beiden Kinder und seine Frau mit ins Kulturhaus in Guttenbrunn. Die kleine Tochter näherte sich mit ihrer Mutter dem Kinderbuchschriftsteller, die »Räuber Hotzenplotz«-Ausgabe des Kriterion-Verlags in der Hand. Mit großen Augen sah sie Otfried Preußler


23 Literatur an und fragte mit Gewissheit in der Stimme: »Du bist der Räuber Hotzenplotz?! – Schreibst Du mir etwas in mein Buch?« In diesem Augenblick war Otfried Preußler wie verwandelt. Er wandte sich den Kindern zu, unterhielt sich mit ihnen, ging in die Hocke, um den Größenunterschied zu vermeiden und – man war geneigt, dies zu denken – vergaß die Welt um sich herum. Jetzt waren nur sie wichtig: die Kinder. Mit großer Geduld zückte er seinen Füllfederhalter, prüfte ihn zunächst auf einem Zettel und nahm dann erst das Kriterion-Exemplar zur Hand, um es mit einer Widmung zu versehen. Für die Kinder des Ehepaars Schneider und die umstehenden Beobachter hinterließ dieses Erlebnis einen tiefen Eindruck, der deutlich machte, wie eng Otfried Preußler mit »seinem« Lesepublikum in Beziehung stand. Verstehen sollten wir dies erst mehrere Tage später in Bukarest im Schiller-Kulturhaus… Endzeitstimmung in Siebenbürgen Dazwischen lagen ein Inlandsflug von Temeswar nach Bukarest und eine Busfahrt über den Predealpass nach Kronstadt, das im Rumänischen Braşov heißt. Hier bezogen wir in der Schulerau, die rumänisch Poiana Braşov genannt wird, im Hotel Alpin Quartier. Ich erhielt in dem Hotel, das im Karpatenbaustil errichtet war, das einzige und letzte, sprich oberste Zimmer im 7. Stockwerk, was sich für mich noch sehr »nachhaltig« bemerkbar machen sollte. Die Tage waren geprägt durch Besichtigungen von Kirchenburgen und ausführliche Gespräche mit den Vertretern der deutschen Minderheitenorganisationen in Rumänien. Überschattet wurden diese Diskussionen zwischen Medienvertretern aus der Bundesrepublik Deutschland und den Angehörigen der deutschen Minderheit in Siebenbürgen von der ausgesprochenen und unausgesprochen im Raume stehenden Frage »Bleiben oder gehen?« Ich formulierte damals in dem bereits genannten Zeitungsartikel der »Augsburger Allgemeinen«: »Das ist heute die Kernfrage für jene 275000 Menschen in der Sozialistischen Republik Rumänien, die der ‚mitwohnenden Nationalität der Deutschen‘ angehören, wie es im offiziellen Sprachgebrauch heißt. Was nach den Wirren des Zweiten Weltkrieges in den fünfziger Jahren in bescheidenem Umfang als Familienzusammenführung« begann, entwickelte sich in den letzten zehn Jahren zu einem regelrechten ‚Massenexodus‘. 120520 Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben verließen allein zwischen 1977 und 1985

ihre Heimat im Karpatenbogen und im Banat.« Soweit mir erinnerlich, wollte Otfried Preußler zu den genannten Fragen keine Stellung nehmen. Er hörte zu und bildete sich wohl später seine Meinung. Außerdem wäre er ein politischer »Exponent« gewesen, den das kommunistische Regime hätte in einer ihm genehmen Weise ausschlachten können. Dafür wurde uns die staatliche Sichtweise um so deutlicher nahegebracht: »Ein Besuch beim Vorsitzenden des ‚Rates der deutschen Werktätigen in Rumänien‘, Dr. Eduard Eisenburger, der zugleich Chefredakteur der in Kronstadt erscheinenden Wochenzeitung ‚Karpatenrundschau‘ und Mitglied des Staatsrates ist, soll Aufschluss darüber bringen, warum die Siebenbürger Sachsen, die 800 Jahre auf dem ‚Königsboden‘ um Hermannstadt oder im Burzenland bei Kronstadt ausharrten, nun das Ende ihrer geschichtlichen Aufgabe im Südosten Europas nahen sehen. Eisenburger stellt zunächst einmal fest, dass die Heimat der Siebenbürger Sachsen nur in Siebenbürgen sein könne. Die Aufgabe der Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen bestehe darin, im Rahmen der sozialistischen Gesellschaftsordnung und in enger Zusammenarbeit mit dem rumänischen Volk ‚eine bessere und höhere Lebensqualität für unsere Menschen‘ zu erreichen. Die vom Staat bereitgestellten Mittel und Institutionen, etwa die Schulen mit deutschsprachigen Klassen, die Presseerzeugnisse, die Verlage für die ‚mitwohnenden Nationalitäten‘ hätten die Aufgabe, ‚die 800jährigen Traditionen am Leben zu erhalten und in die Jugend hineinzutragen‘. Für den fortwährenden Substanzverlust der Rumäniendeutschen durch die Aussiedlung hat Dr. Eisenburger zwei Erklärungen parat. Es seien nur materielle Gründe, weshalb der einzelne sich für die Ausreise entscheide, und außerdem würde ein völlig falsches Bild vom Leben in der Bundesrepublik Deutschland verbreitet. Daneben hätten angeblich ‚bestimmte Kräfte in der BRD‘ ein Interesse daran, ‚den Abwanderungsprozess zu beschleunigen beziehungsweise zu verdoppeln‘. Die Rumäniendeutschen würden als privilegierte Bürger in der neuen Heimat behandelt. Auch bei staatlichen Stellen, die er vertritt, habe sich die Meinung durchgesetzt, dass man sich der Entscheidung des einzelnen nicht entgegenstellen könne und wolle.« Ich fügte diesem offiziösen Bericht eine ausführliche Gegendarstellung an, die auf Beobachtung und Analyse basierte. Sie begann mit dem Hinweis:

»Die wahren Gründe für die ‚Endzeitstimmung‘ in den deutschen Siedlungsgebieten in Rumänien sind doch vielschichtiger…« Einer Interviewbitte an Dr. Eisenburger des mitgereisten SWR-Rundfunkjournalisten wurde nach längerer Wartezeit stattgegeben. Dabei kam mir die Aufgabe zu, die »vielschichtigeren Gründe« zu hinterfragen. Das Interview mit Dr. Eisenburger fand statt. Beim Abhören des Bandmitschnittes im Hotelzimmer stellten wir fest, dass kein einziger Satz der Aussagen Eisenburgers erhalten geblieben war. Ein schriller Pfeifton überlagerte die gesamte Aufnahme. Die Securitate hatte ganze Arbeit geleistet… Das Erdbeben in der Nacht vom 31. August auf den 1. September 1986 Bald schon sollte sich herausstellen, dass die politischen Fragen elementaren menschlichen Existenzängsten weichen würden. Am 31. August 1986 stand die »Große Siebenbürgen-Rundfahrt« auf dem Reiseprogramm. Otfried Preußler hatte sich ebenso auf diesen Tag gefreut wie ich selbst, war es doch der letzte »touristische« Tag mit dem Kennenlernen der siebenbürgischen Hauptstadt Hermannstadt/ Sibiu vor den offiziellen Begegnungen und Empfängen in Bukarest, bei denen Otfried Preußler eine besondere Rolle zugedacht war. Er sollte dort in der Deutschen Botschaft einen Vortrag halten… Am Vortag war ich ernsthaft erkrankt. Innerhalb einer Stunde stieg der Fieberpegel auf über 40 Grad Celsius. Noch kurz zuvor hatte ich die rumänischen Cevapcici, Mici genannt, in der »Dakerscheune« auf der Schulerau vertilgt, obwohl mein Magen bereits in den Tagen zuvor nicht gerade der stabilste war. So musste ich auf die Siebenbürgen-Rundfahrt verzichten und bei Tee und geröstetem Weißbrot den Tag im Zimmer des Hotels »Alpin« im 7. Stock verbringen. Das Wetter war an diesem Tag in den Karpaten alles andere als erfreulich. Bereits am Nachmittag wirkte die Natur wie ausgestorben. Ein Gewitter mit anschließendem Platzregen kündigte Ungewöhnliches an. Da es nicht möglich war, den ganzen Tag zu verschlafen, entschloss ich mich abends, das rumänische Fernsehprogramm einzuschalten. Tatsächlich zeigte der Fernseher um 20 Uhr verschwommene Schwarz-weiß-Bilder, vorher wurde wegen der beschriebenen Energiesparmaßnahmen nichts gesendet. Zunächst waren Nachrichten zu sehen, in denen der Parteichef Nicolae Ceauşescu immer nur aus weiter DisFortsetzung auf Seite 24


24 Literatur Fortsetzung von Seite 23

tanz aufgenommen wurde. Er war an diesem »jugendlichen Bild« als Herrscher sehr interessiert. Das wurde in der Folge durch Sprecherinnen in antiken weißen wallenden Gewändern »besungen«. Danach sendete das rumänische Fernsehen den Film »Ein Lied geht um die Welt« über das Leben des berühmten Tenors aus der Bukowina Joseph Schmidt in deutscher Sprache mit rumänischen Untertiteln. Überraschen-

derweise konnte ich diesen Film bis zu Ende sehen. Er wurde nicht – wie angeblich normalerweise üblich – um 22 Uhr einfach »abgebrochen«, sondern etwa bis 22.25 Uhr gezeigt. Über die Rückkehr der Reisegruppe mit Otfried Preußler erfuhr ich nichts… Kurz nach Mitternacht riss mich ein unangenehmes Gefühl aus dem Schlaf. Ich hatte den Eindruck, mein überbreites Bett würde mit mir im Hotelzimmer umherfahren. Eine an einem langen Pendel befestigte Leuchte über mir setzte sich heftig in Bewegung und die daran hängende Glaskugel schlug mit leichtem Klingen oben an der Decke an. Ich meinte, das Geschehen würde nicht enden wollen, obwohl das Erdbeben, wie uns am nächsten Tag bestätigt wurde, nur 51 Sekunden dauerte, die zur Ewigkeit zu werden schienen.

Ich quälte mich aus dem Bett, hatte das Geschehen wegen meines schlechten Gesundheitszustandes mit großem Fatalismus überstanden, wankte durch die Hotelzimmertür auf den Flur, sah, dass im Aufzug noch Licht brannte… und begab mich wieder zu Bett. Nach einer längeren »Pause des Bewusstwerdens« brach im Hotel die Panik aus. Ich hörte Schreie und Gerenne… und schlief, als es ruhiger geworden war, wieder ein. Um 4 Uhr in der Früh weckte mich unser rumänischer Reiseleiter und sagte in deutscher Sprache: »Das war ein Erdbeben!« Ich antwortete: »Das habe ich auch schon bemerkt.« Neun Jahre nach dem verheerenden Erdbeben in Rumänien von 1977, bei dem nach offiziellen Angaben 1.600 Menschen ums Leben kamen, nach inoffiziellen 16.000 Personen, in Bukarest reihenweise die Hochhäuser eingestürzt waren, hatte das Vrancea-Gebirge wieder zugeschlagen, wo sich das Epizentrum befand. Mit einer Stärke von 5,7 auf der Richter-Skala war das 86er Erdbeben nur unmerklich schwächer als das 77er. Der rumänische Reiseleiter kommentierte das nächtliche Erlebnis am nächsten Tag im Bus auf der Fahrt nach Bukarest: »Nun sind die Menschen in Rumänien wieder ein halbes Jahr nett zueinander…« Wie Otfried Preußler die Nacht erlebt hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedenfalls bestand seine Aufgabe am kommenden Tag darin, einen Vortrag in der Deutschen Botschaft in Bukarest zu halten. Da dies wegen umgefallener Regale und sonstiger Verwüstungen durch das Erdbeben nicht möglich war, empfing uns der deutsche Botschafter zunächst in seiner Residenz. Es handelte sich um eine alte Bojaren-Villa aus der »Gründerzeit« Rumäniens, errichtet wohl gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als in Rumänien noch die Hohenzollern als rumänische Könige regierten.

Während die Botschaft doch einige Schäden abbekommen hätte, meinte der Botschafter, sei in der Residenz alles intakt geblieben. Da es keinen größeren Raum im Botschaftergebäude für die gesamte Reisegruppe gab, erörterte der Botschafter in seinem Residenzgarten die politischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Republik Rumänien, das Bemühen um das Überleben der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben in Rumänien und einiges andere mehr. Bei dem Gespräch wurde deutlich, dass die Botschaft die Betreuung seiner deutschen Landsleute den großen außen- und weltpolitischen Zielen in der damals zweigeteilten Welt unterordnete. Während dieser Debatten versuchten die Mitarbeiter der Deutschen Botschaft fieberhaft, einen Ersatzraum für den Vortrag Otfried Preußlers ausfindig zu machen, der am selben Abend stattfinden sollte. Ihre Wahl fiel auf das Schiller-Kulturhaus ganz in der Nähe des Hotels Intercontinental… Otfried PreuSSlers Motive, Kinderbücher zu schreiben und die Reaktionen seiner Leserinnen und Leser Dort im Kulturhaus, dessen Namensgeber mit dem deutschen Dichterfürsten Friedrich Schiller nicht hätte besser ausgewählt werden können, erfuhren wir, die Reisegruppe und zahlreiche Botschaftsangehörige mit ihren Familien viel über den Lebensweg Otfried Preußlers, seine Motive und Motivationen und seinen Umgang mit seinen kleinen Leserinnen und Lesern der »kleinen Hexe«, des »kleinen Gespenstes« oder des »kleinen Wassermanns«. Dass vieles mit seiner Herkunft, mit böhmischen Sagen und Geschichten zu tun hatte, das wussten die meisten von uns. Was ihn aber zu der schriftstellerischen Tätigkeit gebracht hatte und wie ernst er die Zuschriften seiner kleinen Freunde nahm, das erfuhren wir erst an jenem Abend. Otfried Preußler verstand es außerordentlich gut, anschaulich und plastisch zu erzählen, was eher nicht verwunderte und in diesen Vortrag Zitate aus Briefen der Kinder einzustreuen. Er gestand damals, was er später öfter wiederholte, dass er sich das angenehmste Lesepublikum der Welt ausgewählt habe. Otfried Preußler hat in späterer Zeit den damals als Manuskript vorliegenden Vortrag in einen umfassenden Aufsatz verwandelt. Darin heißt es unter anderem: »In meinem Elternhaus hat man sich häufig die Zeit mit Geschichtenerzählen vertrieben. Auch auf den Dörfern


25 Literatur unserer deutschböhmischen Kinderheimat ist das in jenen fernen Jahren üblich gewesen. Damals schon mag es sich entschieden haben, dass ich eines Tages selbst zum Geschichtenerzähler werden sollte. Nach dem Krieg und fünf Jahren hinter sowjetischem Stacheldraht habe ich in aller Eile eine pädagogische Ausbildung zum Volksschullehrer hinter mich gebracht. … Damals gab es noch Klassen von 50 Kindern und mehr. Deshalb hat mir der Herr Pestenhofer (mein Rektor) den Rat gegeben: ‚Wenn Ihnen die Bande durchgeht, mein Lieber – dann bloß nicht laut werden! Bloß nicht den wilden Mann spielen! Nehmen S‘ einfach die Geige zur Hand und spielen S‘ den Kindern was vor. Sie werden staunen, wie rasch man sich damit Ruhe verschaffen kann.‘ Ein trefflicher Rat fürwahr! Er hatte nur leider den kleinen Haken, dass ich des Geigenspiels unkundig war und geblieben bin. Also versuchte ich’s mit Geschichten und hatte Glück damit! So begann meine Laufbahn als Kindergeschichtenerzähler. Ich habe mir mit Hilfe vieler, meist aus dem Stegreif erzählter Geschichten nicht nur von Zeit zu Zeit die ersehnte Ruhe verschafft. Ich habe auch rasch gemerkt, wie gern Kinder Geschichten mögen, wie sehr sie ihrer geistigen und seelischen Entwicklung bedürfen. Und dies vor allem: Dass sie das beste, das dankbarste und aufgeschlossenste, mit einem Wort, dass sie das großartigste Publikum der Welt sind, das man sich als Geschichtenerzähler wünschen kann. In Geschichten erleben Kinder eine erste Begegnung mit der Welt der Literatur. Und sofern es sich um Geschichten handelt, die ihnen in gedruckter Form vermittelt werden, begegnen sie zugleich jener staunenswerten Tatsache, dass es dank eines Codes, bestehend aus 26 stummen Buchstaben und ergänzt um einige wenige Satzzeichen, möglich ist, dem Leser bunte, lebendige und bewegende Anschauung zu vermitteln, vielschichtig, rätselhaft, voller Wunder und Überraschungen wie das Leben selbst. Ich, der gewesene Schulmeister (eine Bezeichnung, auf die ich Wert lege), bin ein erklärter Gegner jeglicher Art von übertriebener Schulmeisterei in der Kinderliteratur. Mein Angebot als Geschichtenerzähler für Kinder sind Spielwiesen für die Phantasie. Es gibt hinreichend viele Schulen in Deutschland; an Spielwiesen für Kinder kann es nie genug geben. Erst recht nicht an Spielwiesen für die Phantasie. Kinder sind ein überaus strenges, ein überaus kritisches Publikum, das gefälligst ernst

genommen zu werden wünscht – selbst dort noch, wo der Erzähler ihm lustige Geschichten, ja reinen Schabernack auftischt.« Damit hatte Otfried Preußler im Schiller-Kulturhaus in Bukarest einem dankbaren Publikum sehr viel »Eigenes« deutlich gemacht. Er hatte erklärt, worin das Geheimnis seines weltweiten Erfolges lag. Kinder lieben Geschichten, in allen Ländern und auf den verschiedensten Kontinenten, weil für Kinder die Weitergabe von Erzähltem zu den Urphänomenen der Menschheit gehört. Das macht Geschichten international. Otfried Preußler war uns allen – damals 1986 – »nahe« gekommen. Die deutsche Presse in Rumänien betrachtet PreuSSlers Besuch als »Begegnung« Wenige Wochen nach dem Besuch in Rumänien berichtete die deutschsprachige Presse Rumäniens aktuell über Otfried Preußler, seinen Besuch und sein Werk. Die »Neue Banater Zei-

tung« begann ihren Artikel nahezu poetisch: »Zuerst war das Buch – dann kam der Besuch«. Neben der Vorstellung der Person des Autors widmete sich der Beitrag vor allem der Internationalität der Preußler-Bücher: »Otfried Preußler wurde bisher in 38 Fremdsprachen – besonders oft ins Spanische – übersetzt. Bücher von ihm sind allein im deutschen Sprachraum, in der BRD und DDR, in der Schweiz und Österreich in rund sieben Millionen Exemplaren verbreitet. Otfried Preußler wird von Kindern in der Sowjetunion, aber auch im fernöstlichen Japan oder in Afrika gelesen. Und viel Freude hat sein »Hotzenplotz« den kleinen Lesern bei uns im Lande bereitet, wo das 1980 im Kriterion-Verlag erschienene Buch alsbald vergriffen war. Das lässt sich auch vom ‚Kleinen Wassermann‘ sagen, der

im selben Band enthalten ist, und der Erzählung, die Christa Richter und Iordan Chimet ins Rumänische übersetzt haben. Dass Bücher von ihm bei uns im Land herausgebracht worden sind, war für Otfried Preußler ein Beweggrund der Rumänienreise, die er auch als willkommene Gelegenheit betrachtete, vor allem Land und Leute im Banat und in Siebenbürgen näher kennenzulernen.« Der Beitrag befasst sich im Folgenden mit dem Besuchsprogramm der Reisegruppe. Dann werden die neueren, nicht in Rumänien erschienen Bücher des Autors vorgestellt, die nun auch ein jugendliches oder erwachsenes Publikum ansprechen sollen, wie etwa »Die Flucht nach Ägypten« oder »Krabat«. Zum Schluss gibt Eduard Schneider die Meinung Otfried Preußlers von seinem Rumänienbesuch preis. »Er fühle sich angeregt, über diese Eindrücke zu schreiben, sagte der Gast.« Wenn er es nicht getan haben sollte, so ist es hiermit geschehen. Ortfried Kotzian


26 Chronologie

Mi jeweils 18.00 bis 20.30 Uhr Probe der Düsseldorfer Chorgemeinschaft OstpreußenWestpreußen- Sudetenland Leitung: Radostina Hristova Di 09.07., 10.09. | jeweils 15 Uhr Frauengruppe der Pommerschen Landsmannschaft Raum 312 Mi 03.07., 18.09. | jeweils 15 Uhr Ostdeutsche Stickerei mit Helga Lehmann und Christel Knackstädt Raum 311 Fr 26.07.,27.09. | jeweils 15 Uhr Monatstreff der Pommerschen Landsmannschaft Raum 312 Do 18.07., 05.09. | jeweils 19.30 Uhr Offenes Singen mit Barbara Schoch Raum 412 Di 09.07. | 18 Uhr Ausstellungseröffnung: «Adina Caloenescu und Schüler« Ausstellungsraum

Mo 15.07. | 10.30 Uhr Projektpräsentation: »Schüler beschäftigen sich mit Straßennamen in Düsseldorf. Geschichte vor Ort. Straßennamen erzählen« Eichendorff-Saal Do 05.09. | 18 Uhr Ausstellungseröffnung: »Die Reichskanzler der Weimarer Republik. Zwölf Lebensläufe in Bildern« Konferenzraum Mo 09.09. | 17 Uhr Ausstellungseröffnung: »Brünner deutschsprachige Bürgermeister 1850 - 1918« Konferenzraum Mi 11.09. | 19 Uhr »Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog« Buchvorstellung mit Prof. Dr. Christopher Clark Veranstaltungsort: Volkshochschule Düsseldorf, Bertha-vonSuttner-Platz, Saal; Eintritt: 6 € Mi 18.09. | 19 Uhr »Rumänien, das unbekannte Land von Trajan bis Dracula und Ceauşescu« Lichtbildervortrag von Peter von Kapri Konferenzraum

Die »Grosse Düne« in Nidden auf der Kurischen Nehrung

Do 19.09. | 19 Uhr »Vorstellung der Arbeitsgemeinschaft ostdeutscher Familienforscher« Vortrag von Dirk Vollmer Raum 312 Mo 23.09. | 19 Uhr »Bromberg-Köln-GettysburgCharleston - Stationen im Leben Alexander Schimmelpfennigs« Vortrag von PD Dr. Winfrid Halder Konferenzraum Mi 25.09. | 19.30 Uhr »Die romantischen Dichtungen des schlesischen Freiherrn Joseph von Eichendorff« Lesung und Vortrag mit Frank Schablewski und PD Dr. Jürgen Nelles Konferenzraum Mo 30.09. | 19 Uhr »Dirigent der Republik - zum 40. Todestag Otto Klemperers (1885-1973)« Vortrag mit Bildern und Tonbeispielen von Dr. Eva Weissweiler Konferenzraum


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Dirk Urland M.A.

WEST-OST-JOURNAL

Satz und Layout:

1 2012 JANUAR FEBRUAR MÄRZ

Markus Patzke

Zum 300. Geburtstag eines großen Königs mit neuer Veranstaltungsreihe

Herstellung: 03 VORTRAG

09 VORTRAG

11 AUSSTELLUNG

Wohl kein anderer König von Preußen erfreut sich heutzutage eines ähnlichen Bekanntheitsgrades in der deutschen Öffentlichkeit, auch und gerade jenseits der fachwissenschaftlichen Kreise wie Friedrich II., dessen Geburtstag sich am 24. Januar 2012 zum dreihundertsten Mal jährt. Das Porträt des »Alten Fritz« hat hohen Wiedererkennungswert, er gilt wohl noch immer Vielen als die Verkörperung Preußens schlechthin.

Als Wilhelm Matull im Jahre 1973 sein umfangreiches Werk »Ostdeutschlands Arbeiteiterbewegung. Abriß ihrer Geschichte, Leistung und Opfer« vorlegte, steuerte der amtierende Bundeskanzler Willy Brandt ein Geleitwort bei. Darin verlieh er der Hoffnung Ausdruck, das Buch möge dazu beitragen, »dass die ostdeutsche Arbeiterbewegung die ihr zukommende historische und politische Würdigung findet.«

Die Dönhoffs, ursprünglich aus Westfalen stammend, stiegen im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts im Dienst der polnisch-litauischen Krone zu einer bedeutenden Magnatenfamilie auf. Ein Zweig des Hauses ließ sich 1640 in Preußen nieder, wo sie sich zu einer der angesehensten Adelsfamilien entwickelten. De Bodt, schuf mit der Schlossanlage ein eindrucksvolles Zeugnis ...

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A

m 22. Juni 2013 beging die Stiftung „Gerhart-Hauptmann-Haus. Deutsch-osteuropäisches Forum“ mit einem großen Festakt ihr 50-jähriges Jubiläum. Vor zahlreichen Gästen sprachen Carina Gödecke MdL, Präsidentin des Landtages von NordrheinWestfalen, Reinhard Grätz, Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung und Hans-Günther Parplies, Landesvorsitzender des Bundes der Vertriebenen (BdV). Im Vordergrund: Helmut Harbich (r.), Vorstandsvorsitzender des Gerhart-Hauptmann-Hauses, begrüßt Staatsminister a.D. Prof. Dr. Friedhelm Farthmann.

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Titelbild Das Titelbild zeigt die Fahnen der Länder, die ohne Passkontrolle durchquert werden konnten und bezieht sich auf die Titelgeschichte »Sieben Staatsgrenzen, keine Passkontrolle: DüsseldorfKiel-Klaipeda-Riga-TallinnHelsinki-Stockholm-KopenhagenDüsseldorf«.


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