West-Ost-Journal 3/2012

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WOJ 18. Jg. - 3/2012 Juli/August/September 2012 ISSN 0947-5273

1 KAPITEL/ RUBRIK

THEMA

TITEL

West-Ost-Journal

3 2012

Juli August September

Ein zusammenhängender Kulturraum: Mittelalterliche Backsteingotik an der Ostsee 03 Bericht

09 Vortrag

17 Kinemathek

Nach oben, alles zieht den Blick des Eintretenden nach oben. Ein Mensch mit wachen Sinnen, der eine dieser Kirchen betritt, kann sich dem Sog der lichten Höhe, die sich nach dem Durchschreiten des Portals jenseits der Orgelempore jäh öffnet, gar nicht entziehen. Alles hier strebt himmelwärts, will sich lösen von der Erde. Will Abglanz sein des Paradieses, Verheißung. Nicht alle erreichen die schwindelerregende, ....

Entscheidend geprägt ist das Bild des Ersten Weltkrieges im »kollektiven Gedächtnis» der Deutschen zweifellos durch die Erinnerung an die Westfront. Stichworte wie »Verdun» und »Grabenkrieg» werden mit Sicherheit spontan genannt werden. Die Erinnerung an die Ostfront hingegen – ganz im Unterschied zu ihrem Stellenwert im kollektiven Gedenken an den Zweiten Weltkrieg – ist kaum präsent.

Seite 03

Seite 09

Ein Film über Heimat, Krieg, über das Überleben in der Fremde, darüber wie die große Geschichte in das Dasein der Menschen hineinblitzt und die Lebensbahnen durcheinanderwirbelt. Der Film erzählt sehr privat ein jahrzehntelanges besonderes Kapitel in den deutsch-polnischen Beziehungen. Kommentarlos kommen die Frauen zu Wort und lassen den Betrachter Anteil nehmen an ihrer subjektiven Seite 17 Sicht der Ereignisse.

www.gerhart-hauptmann-haus.de


02 Editorial

Inhalt

Liebe Leserinnen und Leser,

3 Von Lübeck über Stettin und Stolp nach Danzig – und weiter zur Marienburg

es ist Zeit, ein wenig zu verschnaufen. Die Ferienzeit rückt heran und damit auch unsere alljährliche Programmpause im August. Seitdem wir im Januar in das große »Friedrich II.»-Jahr eingestiegen sind, liegen rund 40 Veranstaltungen hinter uns, die freilich längst nicht alle dem großen preußischen König gewidmet waren. Auch an Anderes, nicht minder Wichtiges galt es zu erinnern. Sehr viele von Ihnen haben uns wieder in vorbildlicher Weise die Treue gehalten und unsere Veranstaltungen eifrig besucht. Dafür ein – vorläufiger – Dank! So ganz in die Ferien entlassen können und wollen wir Sie jedoch noch nicht. Zuvor gibt es noch wichtige Programmpunkte, die Sie nicht versäumen sollten. Welche Bedeutung das Internet heute für die Kommunikation im Allgemeinen hat, bedarf keiner Erläuterung. Dass eine modern gestaltete und technisch moderne Präsenz »im Netz» unverzichtbar ist, insbesondere wenn man junge Leute für etwas interessieren und ihnen etwas vermitteln möchte, liegt ebenso auf der Hand. Daher wollen wir Ihnen am 5. Juli 2012 das neue »Kulturportal West-Ost» vorstellen. Es bietet übersichtlich und höchst informativ einen raschen und unkomplizierten Zugang zu vielen Institutionen und deren Internetangeboten, die sich mit Kultur und Geschichte des historischen deutschen Ostens beschäftigen. Etwas Vergleichbares existierte in dieser Form bisher nicht. Falls der Sommer so bleiben sollte, können Sie immer auf diese Seite »surfen» und Sie werden stets Interessantes, oft gewiss Neues erfahren. Und dann können Sie Ihre Kinder und/ oder Enkelkinder dazu anregen, ebenfalls vom neuen Kulturportal West-Ost zu profitieren. Auch Friedrich II. darf noch nicht sofort in den Sommerurlaub, vielmehr folgt zuvor noch ein weiterer Teil der Vortragsreihe anlässlich des 300. Geburtstages des preußischen Königs. Am 17. Juli 2012 wird mit Prof. Dr. FrankLothar Kroll (TU Chemnitz) ein weiterer herausragender Fachmann über

06 »Kulturportal WestOst» - Eine neue Internetpräsentation 07 »Das ist ein Narr! Der Mensch ist verrückt!» König Friedrich II. von PreuSSen in der deutschen und der europäischen Geschichtskultur 08 »Taugt er was, soll er in Berlin eingesetzt werden, taugt er nichts, soll er nach Kleve.» König Friedrich II. und PreuSSens Westen 09 Der Krieg, der nicht vergehen will? Westfront und Ostfront -1914-1918 in der europäischen Erinnerungskultur 12 »Das Feld der Ehre Passchendaele« 12

»Wege zum Ruhm«

13 Einstampfen? Literatur in der nationalsozialistischen Diktatur. Ein Beispiel 15 Friedrich II. ist tot- Es lebe Friedrich der GroSSe 16 »Gerhart Hauptmann zum 150. Geburtstag » 17

»Aber das Leben geht

weiter«

18 Die Stadt Reichstadt/ Zákupy errichtet ein Gedenkkreuz 19 Im Nobel-Museum Stockholm - Gerhart Hauptmann an der »Seilbahn» 20 »´s ist so ein stiller heil´ger Tag.« Auch ein Gerhart-Hauptmann-Abend 21 »Dämonen - Zweisam, Dreisam, Viersam oder Krieg und Frieden am heimischen Herd« 21

4. Pro Rok-Festival

22 »Ihre Eltern kamen aus Masuren» 23 Schon wieder: Backsteingotik (und mehr) – in Berlin

Friedrich II. sprechen. Noch mehr zu dieser umstrittenen historischen Figur folgt dann im letzten Quartal des Jahres. Ähnliches gilt für Gerhart Hauptmann, dessen 150. Geburtstag ebenfalls mit weiteren Veranstaltungen gewürdigt wird. Schließlich wird der Erste Weltkrieg in unterschiedlicher Form beleuchtet werden – dies im Zusammenhang mit der Ausstellung »Tout le monde kaputt», die noch bis Mitte September in unserem Haus zu sehen sein wird. Auch nach der sommerlichen Programmpause bieten wir Ihnen also ab Ende August wieder ein attraktives Programm. Näheres dazu finden Sie wie immer auf den folgenden Seiten. Wir freuen uns darauf, Sie erholt und neugierig wieder in unserem Haus begrüßen zu dürfen. Vielleicht haben Sie ja Lust, unser Journal mit in den Urlaub zu nehmen und den einen oder anderen Artikel ganz entspannt zu lesen. Gleich hier auf den nächsten Seiten finden Sie einige Reflexionen zu unserer Studienreise »Auf den Spuren der Backsteingotik», die im April 2012 stattgefunden hat. Auf dieser Reise habe ich das Foto auf der Umschlagvorderseite aufgenommen – es zeigt im Hintergrund den nach der weitgehenden Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wieder erstandenen St. Marien-Dom zu Kolberg/Kołobrzeg. Es scheint mir als kleines Sinnbild der deutsch-polnischen Gegenwart keines Kommentars zu bedürfen. Mit allen guten Wünschen für einen schönen und erholsamen Sommer Ihr


3 Bericht

Backsteingotik an der Ostsee: Eine Geschichte von Einheit, Trennung und andauernder Zusammengehörigkeit

Von Lübeck über Stettin und Stolp nach Danzig – und weiter zur Marienburg

Fürsten »geschenkt» bekamen). freilich der Abgrund der Moderne, in Nach oben, alles zieht den Blick des EinKeineswegs zufällig waren die Städdem zwar nicht der Glaube als Ganzes, tretenden nach oben. Ein Mensch mit te, die wir im Verlauf unserer Reise wohl aber ein Großteil seiner Bildhafwachen Sinnen, der eine dieser Kirchen »Auf den Spuren der Backsteingotik» tigkeit versunken ist. Daher fehlt uns betritt, kann sich dem Sog der lichten besucht und deren architektonische die Selbstverständlichkeit dieser BauHöhe, die sich nach dem DurchschreiPrunkstücke wir bewundert haben, ten und unserem Blick muß geholfen ten des Portals jenseits der Orgelemnahezu allesamt einstmals Hansestädwerden. pore jäh öffnet, gar te. Angefangen natürlich mit Lübeck, Das beginnt eben nicht entziehen. der zeitweilig wohl mächtigsten aller schon bei den Alles hier strebt Hansestädte, über Rostock, Stralsund, G r ö ß e nv e r h ä l t himmelwärts, will Greifswald, Stettin, Cammin, Kolberg, nissen. Vielleicht sich lösen von der Stolp bis hin nach Danzig, das nach erweist sich uns Erde. Will Abglanz Reichtum, Macht und Pracht hinter Lüda der stolze übersein des Paradieses, beck gewiss nicht zurückstand. Schon kommene Name Verheißung. das Band der Hanse verknüpfte also die der Danziger St. Nicht alle erreichen Städte miteinander, man machte GeMarienkirche die schwindelerreschäfte und auch Politik miteinander – als hilfreich: die gende, von keiner und man ließ Reichtum und Macht in »Krone Danzigs». anderen gotischen ähnlicher Weise nach außen hin sichtVielleicht hilft es, Kirche je übertrofbar werden. diese Kirche zufene Gewölbehöhe Die Errichtung der gewaltigen Backerst aus der Ferne der Lübecker St. stein-Kirchen der Gotik ist in den einzu erblicken: Da Marienkirche von zelnen Städten nicht zufällig in zeitlikrönt sie die Stadt 38,5 Metern, doch cher Nachbarschaft betrieben worden: in der Tat noch viel fehlt da zumeist Der Bau von St. Marien in Lübeck, der immer, da wird nicht. Rund 30 »Mutterkirche der Backsteingotik», ihre überragende Meter lichtdurchwurde um 1250 in Angriff genom(wir nehmen das strömte Luft über St. Marienkirche, Lübeck men und ein Jahrhundert später in der Wort wieder wörtden Häuptern der Hauptsache abgeschlossen. Das war die lich) Bedeutung Besucher erreichen Vorgabe für die nicht minder stolzen deutlich. Oder wir scheuen nicht die sie alle, die Kirchen auf unserem Weg. Bürger Danzigs, mehr als 400 StuWelch ein architektonischer Wagemut, die den Bau ihrer fen und besteigen welch ein entschlossener ästhetischer Marienkirche verden Turm der St. Wille hinter dem Bau dieser gewaltigen anlassten, als in Marienkirche und Bethäuser stand, können wir Heutigen Lübeck die Errichwerden in rund 80 nur schwer ermessen. Denn unser Blick tung von St. MariMetern Höhe von ist verstellt durch die Höhenrelationen en noch nicht ganz einem wahrhaft und technischen Möglichkeiten der vollendet war. Die krönenden Blick modernen Architektur. Wir müssen »Krone Danzigs» über die Stadt beuns erst klarmachen, dass die meisten erreichte nicht die lohnt. profanen Zweck- und Wohnbauten, die Gewölbehöhe des Diese Kirchen zeitlich nah zu diesen Kirchen entstanLübecker Vorbilds waren in den alle den sind, ohne weiteres auch in deren (»nur» 30 Meter), sonstigen Grenzen Innenraum gestellt werden könnten – dafür übertrifft der Baukunst ihrer ohne dass ihre Dachtraufen auch nur in sie ihre Lübecker En t ste h u ng sz e i t die Nähe der Stern- oder KreuzrippenSchwesterk irche sprengenden Digewölbe kämen. mit einer Gesamtmensionen GlauÜberhaupt sind wir Gegenwärtigen, länge von 105 Mebenszeugnisse gewissermaßen, Analphabeten was die tern um etwa 2,5 – und, natürlich, unglaubliche Fülle der Zeichen- und Meter. St. Marien Prestigeprojekte. St. marienkirche, Danzig Bildersprache dieser Kirchen angeht. in Stralsund wiedeVermutlich konnWir müssen sie uns erst erarbeiten, rum, begonnen in ten nicht einmal übersetzen, und wahrscheinlich gelingt den letzten Jahren des 13. Jahrhunderts, die Bauherren selbst beide Motivsträndas nur sehr unvollkommen, wenn man ist »nur» 100 Meter lang, dafür ist ihr ge eindeutig voneinander scheiden. weniger als ein Leben daran setzt. Denn Gewölbe aber etwa 2,5 Meter höher als Klar ist: Diese Kirchen waren Zeichen, sie sind ja Werke von Generationen das der »Krone Danzigs». Aber es ging Zeichen für die Überzeugungsmacht von Menschen, von denen die nächste ihren hauptverantwortlichen (und in des christlichen Glaubens, aber auch selbstverständlich (man muss dieses der Hauptsache bezahlenden) BauherZeichen für die ökonomische Macht Wort beim Wort nehmen) weiterschuf, ren aus der Gilde der Gewandschneider der Städte, die sie sich selbst schenkten was sie von der vorangehenden über(und nicht etwa von einem mächtigen nahm. Zwischen uns und ihnen liegt Fortsetzung auf seite 4


4 Bericht Fortsetzung von seite 3

erste Turm 1382 – vermutlich aufgrund von Konstruktionsmängeln – einstürzte und dabei Teile des bereits fertigen Langhauses zerstörte. Der unverdrossen und unerschrocken sofort danach erfolgende Neubau des Turmes hat in seiner Wucht und Stärke keine Parallele in der Backsteingotik. Der Eindruck, den der Eintretende nach dem Durchschreiten des Portals in der dem eigentlichen Kirchenschiff vorgelagerten Turmhalle erhält, ist wahrhaft atemberaubend. Die heute sichtbare, nach einem Brandschaden 1708 fertiggestellte barocke Turmhaube erreicht allerdings auch nur noch 102 Meter Höhe. Der Bau dieser gigantischen Kirchen war nicht zuletzt eine logistische Meisterleistung: Die »Bauhütten», Gemein-

St. Nikolai, Stralsund St. marien, Kolberg

auch in erster Linie darum, die Dimensionen von St. Nikolai in der eigenen Stadt in den Schatten zu stellen. Denn die sich »vornehmer» dünkenden patrizischen Handelsherren, die St. Nikolai als »Ratskirche» (dementsprechend in unmittelbarer Nähe des Rathauses) seit etwa 1270 errichten ließen (nach dem Vorbild von St. Marien in Lübeck, was sonst?) saßen in ihrem prächtig geschnitzten Gestühl unter einem Gewölbe von »nur» 29 Metern Höhe, mehr als drei Meter niedriger als das der nur wenige Fußminuten entfernten St. Marienkirche der Gewandschneider. Die sorgten auch dafür, dass »ihre» TurmSt. Nikolai, Greifswald

St. Marien, Stralsund

spitze sich mit 151 Metern in für damalige Verhältnisse ungeheuerliche Höhe reckte und dementsprechend den nur etwas mehr als 102 Meter erreichenden Wetterhahn des Südturmes von St. Nikolai klein erscheinen ließ. Die ehrgeizigen Bauherren von St. Marien bezahlten dies allerdings damit, dass der

schaften hochspezialisierter und -qualifizierter Bautechniker und –künstler, welche im Auftrag der Bauherren die Errichtung vornahmen, mussten nicht nur – gut – bezahlt, sondern auch ständig mit ausreichenden Materialmengen versorgt werden. Das Formen und Brennen von vielen Hunderttausenden qualitativ hochwertiger Backsteine, ein technisch durchaus komplizierter Prozess, musste zeitgerecht durchgeführt und koordiniert werden, das notwendige Bauholz (dessen Qualität nicht minder entscheidende Bedeutung für die Beständigkeit der Bauten hatte) musste besorgt werden. Wären da nicht versierte Verwaltungs-, Handels- und Finanzfachleute am Werk gewesen, wären diese Bauten wohl kaum zustande gekommen. Aber gerade hierin lagen ja die Stärken der hansischen Kaufleute. So ließen sie zuweilen die für den Bau der Fundamente erforderlichen (weil im Unterschied zum Backstein gegen die aus dem Boden aufsteigende Feuchtigkeit unempfindlicheren) Natur-

steine als Ballast in den Bäuchen ihrer Handelsschiffe aus Schweden über die Ostsee schaffen, eine praktische und kostengünstige Lösung. Oder sie entwickelten nicht zuletzt für die naturgemäß auch finanziell höchst anspruchsvollen Bauvorhaben kreative Abwicklungsformen. So bezahlten die Stralsunder Gewandschneider den Darlehensgebern für den Bau »ihrer» Marienkirche Leibrenten; manch einer sicherte also sein Alter durch die Unterstützung des frommen Werks in klingender Münze. Und die Trauer der Gewandschneider mag sich insgeheim in Grenzen gehalten haben, als eine Pestepidemie sie unerwartet rasch von einem Teil ihrer Verpflichtungen befreite …

St. Johannes, Cammin

Die Kirchen der Backsteingotik waren mithin anspruchsvolle Gemeinschaftsunternehmungen differenzierter und leistungsfähiger, auch in enge Kom-


5 Bericht munikations- und Wirtschaftsbeziepreußen beziehungsweise ins Ermland. nem letzten dröhnenden Klang stürzten hungen mit anderen, ähnlichen KomGeschichte, die deutlich werden läßt, die Glocken, umloht vom Funkenregen munen eingebundener städtischer dass der durchmessene geographische des brechenden Gebälks, herab. Dort Gesellschaften. Sie sind Wahrzeichen Raum durch viele historische Fäden liegen sie, zerschmettert und stumm gehansestädtischen Selbstbewußtseins verbunden ist, Fäden einer geschichtworden, unverändert als Mahnung zum und Bürgerstolzes. Welcher Fürst weit lichen und kulturellen ZusammengeFrieden. Und eine solche Mahnung und breit hatte eine Kirche wie St. Mahörigkeit, die erst das verhältnismäßig stellt auch die letzte Backstein-Kirche rien in Danzig? Sie junge, unglücksedar, die wir auf dieser Reise besuchen: sind Zeugnisse der lige Trugbild des St. Marien in der Marienburg. Anstelle Tatsache, dass der Nationalstaates als der prächtigen, hoch aufragenden und Ostseeraum im vermeintlich geEhrfurcht einflößenden Gewölbe bietet hohen und späten schichtlich allein sich dem in die Höhe gerichteten Blick Mittelalter ein, molegitimierter und hier nur eine glatte Betondecke dar. Die dern gesprochen, idealer Form der ist notwendig, sie schützt den Rest der boomender WirtVergemeinschafKirche, deren Innenraum erhalten, aber schaftsraum war. tung von »Völvon schwerer Verwüstung geprägt ist. Die Entwicklung kern» (schon die Die Gewölbedecke, einst – wie alte Abder Schiffstechnik Fiktion angeblich bildungen zeigen – auch aufwendig be(Erhöhung der nachweisbarer ethmalt, ist verschwunden. Auch hier kam Seetüchtigkeit und nischer Abgrendie Zerstörung von oben, während des Ladekapazität), die zungen und EigenKampfes um Stadt und Burg zwischen Verbreitung der arten konnte der Wehrmacht und Roter Armee seit Ende Schrift (die KaufRealität Europas Januar 1945, durch Bomben und Graleute waren die ersniemals wirklich naten, gleichviel. ten, die ihre Kinder, gerecht werden), Die insgesamt schwer zerstörte Marinein: ihre Söhne erst dieses Trugenburg ist seit 1945 durch die verantLesen und Schreibild schnitt diese wortlichen polnischen Instanzen in St. mariae Himmelfahrt und St. ben lernen ließen, Fäden ab oder vervorbildlicher Weise wiederaufgebaut Andreas , Frauenburg und hatten dabei deckte sie zuminworden. Deutsche Hilfe hat streckenganz und gar nicht dest. Wir wollen sie weise dazu beigetragen. Die vollständie Absicht, sie auswieder aufnehmen dige Wiederherstellung der Marienkirschließlich auf eine geistliche Laufbahn und ihnen folgen, den Fäden der histoche in der Burg steht indessen aus. Wir vorzubereiten), die Durchsetzung barrisch begründeten, den Schrecken und hoffen, dass sie als polnisch-deutsches geldloser Zahlungsmethoden (ungeVerbrechen des 20. Jahrhunderts zum Gemeinschaftsunternehmen vollzogen mein praktisch war es, unbelastet von Trotz noch immer werden wird, damit zentnerschweren Münzgeldmengen vorhandenen hisauch dieses Zeugreisen zu können, darüber hinaus untorischen Zusamnis der Backsteingleich sicherer), die Annäherung der mengehör igkeit. gotik (wie so viele Rechtssysteme (Ausbreitung des lübiUnd staunend steandere zerstörte, schen Rechts beinahe im ganzen südhend im Angesicht aber wiedererstanlichen Ostseeraum), die Verbesserung all der prachtvollen dene Kirchen, die der Sicherheitslage (die Hanse konnte, Kirchen und andewir besuchten) seiwenn sie mußte, auch Krieg führen, rer Zeugnisse der ne alte Form wielästige Störenfriede wie Klaus StörtebeBacksteingotik ist dergewinnen mag. cker wirkungsvoll beseitigen, und sogar das gewiß leichter Joseph von Eichenmächtige Fürsten wie den König von als nur in der Thedorff, der große Dänemark in die Schranken weisen), orie. schlesische Dichdie Herausbildung überterritorial orgaDie Reise hat in ter, hat als preußinisierter (und gerade nicht »nationalLübeck begonnen. scher, zeitweilig in staatlich» begrenzter) GemeinschaftsAuf dem Boden Danzig tätiger Beformen (eben der Hanse und anderer des Südturms lieamter wesentlich Städtebünde) mit Koordinierungs- und gen noch heute die mitgeholfen, die Schlichtungsmechanismen für gleichgeborstenen Reste vom vollständigen gerichtete oder konfliktträchtige Intezweier Glocken Verfall bedrohte ressen: All dies und einiges mehr an des ursprünglichen St. Marien, Marienburg Marienburg zu »modernen», zuvor hinderliche BeGeläuts. Sie hingen retten und deren grenzungen des frühen Mittelalters mehrere Jahrhunerste Wiederhersprengenden Faktoren steht auch hinter derte dort in 60 Meter Höhe und riefen stellung im 19. Jahrhundert in die Wege den imposanten Zeugnissen der Backzum Gottesdienst. Im März 1942 fielen zu leiten. Im Jahre 1844 schrieb er, die steingotik. Bomben auf die Kirche – ausgerechnet Bemühungen um die Rettung dieses Es fährt also jede Menge Geschichvon oben herab kam die Zerstörung, architektonischen Kleinods seien so te mit, politische, Sozial- und Wirtvon oben, wohin die ganze Kirche gewichtig, »damit wir an der großen Verschafts-, Kulturgeschichte zumal, auf richtet war und Segen erflehte seit so gangenheit die Bedeutung erkennen, unserem Weg von Lübeck durch Mecklanger Zeit. Die mächtigen Eichenbalwelche seine Wiederherstellung für die lenburg, Vor- und Hinterpommern und ken, welche die Last der Glocken seit der Gegenwart hat.» Westpreußen nach Danzig und weiter Errichtung der Kirche sicher gehalten Dem ist nichts hinzuzufügen. Winfrid Halder noch ein Stückchen hinein nach Osthatten, vergingen rasch im Feuer. Mit ei-


06 Vortrag

Die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen und die Stiftung Deutsche Kultur im östlichen Europa - OKR

»Kulturportal West-Ost»Eine neue Internetpräsentation

Versteht man die Pflege der Kultur der Kulturportal sowohl mit seinen aktuelbeiden Stiftungen, zu denen man von Deutschen im östlichen Europa als len als auch mit den älteren Ausgaben der Seite des »Kulturportals Westwichtige Zukunftsaufgabe, die dazu abrufbar bzw. nach Themen und PersoOst» aus gelangt, wurden neugestaltet beitragen kann, das gegenseitige Vernen durchsuchbar gemacht wird. bzw. mit gleichartigem, dem Kulturstehen der Nachbarn zu fördern, so gilt Wesentlicher Inhalt des Kulturportals portal angepassten Design versehen. es, zeitgemäße Formen der Vermittist zudem das Angebot an alle Träger Beide Institutionen weisen dort auf ihre lung zu finden. Die Kulturstiftung der der Kulturarbeit gemäß § 96 BVFG, jeweiligen auf Aktivitäten und Projekte deutschen Vertriebenen, Bonn, und die dort ihre anstehenden Veranstaltunhin, bieten Publikationen in einem OnStiftung deutsche Kultur im östlichen gen anzuzeigen, gegebenenfalls line-Shop an und stellen eigene Europa – OKR, Königswinter haben auch auf aktuelle Presseberichte, aktuelle Beiträge in Form von zu diesem Zweck gemeinsam die neue TV- und Radiosendungen und Do, Downloads zur Verfügung. Internet-Plattform »Kulturportal WestBeiträge zu Einzelthemen zu ver- 05.07. Das neue »Kulturportal WestOst» erstellt. weisen. 16.00 Uhr Ost» versteht sich nicht als KonDas »Kulturportal West-Ost» soll Damit das »Kulturportal Westkurrenz, sondern als Ergänzung einen Zugang zu dem in der ÖffentOst» erfolgreich arbeiten kann, zu den Angeboten der anderen lichkeit weitgehend unbekannten oder sind die Betreiber auf die freundliche Einrichtungen mit eigenen Internetaufgar verkannMithilfe der betreftritten. Angestrebt wird, es um weitere ten Reichtum In Zusammenarbeit mit fenden Institutionen »Bausteine» in Form von Datenbander deutscher selbst angewiesen. ken, Downloadmöglichkeiten etc. zu erder Kulturstiftung der Kultur des östSie laden daher herzgänzen. Auch hierfür sind Anregungen lichen Europa deutschen Vertriebenen lich dazu ein, ihnen herzlich willkommen. bieten – einen regelmäßige InforEs soll den Nutzern Freude machen, Zugang, der sich angesichts der unübermationen über anstehende Veranstalmit dem neuen attraktiv gestalteten, sichtlichen Vielfalt der zuständigen Eintungen und über Neuerscheinungen professionell erstellten und betreuten, richtungen oft nur schwerlich finden zukommen zu lassen, die dann gerne »Kulturportal West-Ost» den – für lässt. Es wendet sich an einen breiten anzeigt werden. Besonders wertvoll viele noch fremden – Reichtum, den Kreis von Nutzern – von im Bereich der sind ferner Mitteilungen über Änderundie Kultur der Deutschen im östlichen ostdeutschen Kulturarbeit engagierten gen von Adressen, Vorständen etc. der Europa bietet, zu entdecken. Die FreiPersonen, über Lehrende und LernenInstitutionen. Ebenso sind Hinweise schaltung des neuen Portals wird vor de, Journalisten und Publizisten, polifehlerhafte bzw. zu korrigierende Angadem Sommerfest des Gerhart-Haupttische Entscheidungsträger bis hin zu ben ausdrücklich erwünscht. mann-Hauses am 5. Juli 2012 erfolgen. Ernst Gierlich in der Wissenschaft Tätigen und bietet Die bestehenden Internetauftritte der eine wichtige und effiziente, weil leicht zugängliche Orientierungshilfe. Zentraler Bestandteil des Kulturportals ist eine Datenbank zu den Trägern ostdeutscher Kulturarbeit. Sie bietet die aktuellen Adressen von zurzeit ca. 2.500 Institutionen und Ansprechpartnern, die in einer späteren Ausbaustufe durch detailliertere Angaben ergänzt werden sollen. Die betreffenden Institutionen sind sowohl über Volltext- bzw. Stichwortsuche als auch über interaktive Karten der Standorte auffindbar. Als weitere Datenbank wurde die von der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen seit einigen Jahren betreute »Ostdeutsche Biographie» integriert, die Tausende von Lebensbildern bedeutender im historischen deutschen Osten beheimateter oder dort wirkender Persönlichkeiten bietet. Auch hier erleichtern umfangreiche Suchfunktionen die Benutzung. Eine besondere Rolle ist der von der Stiftung deutsche Kultur im östlichen Europa – OKR herausgegebenen »Kulturpolitische Korrespondenz» als eines überregionalen Presseorgans zuzuweisen, das im


07 Vortrag

Vortrag von Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll (Technische Universität Chemnitz)

»Das ist ein Narr! Der Mensch ist verrückt!» König Friedrich II. von Preußen in der deutschen und der europäischen Geschichtskultur Ludwig XV., König von Frankreich, litärisch vor allem vom russischen Zaschüttelte entschieden den Kopf, als er renreich geschlagen. Friedrich Wilhelm die Nachricht erhielt, dass der frischI. heimste zwar durch den Frieden von gebackene, erst 28 Jahre alte König Stockholm Anfang 1720 bedeutende von Preußen – zwei Jahre jünger als er Territorialgewinne ein (insbesondere selbst – schon wenige Monate das strategisch wichtige Stettin nach seiner Thronbesteigung wurde preußisch), danach blieb einen Krieg mit einer europäder sprichwörtliche »SoldatenDi, ischen Großmacht vom Zaun könig» aber ein entschiedener 17.07. brach. Friedrich II. war im DeFriedensherrscher. Wohl gerade zember 1740, kein halbes Jahr 19.15 Uhr weil er wusste, was Krieg bedeunachdem er die Nachfolge seitete – im September 1709 hatte nes verstorbenen Vaters, König er als 21-jähriger Kronprinz im Friedrich Wilhelms I., angetreten hatte, Rahmen des Spanischen Erbfolgekriein der habsburgischen Provinz Schlesiges an der Schlacht von Malplaquet en einmarschiert – ein nur äußerst vor(nahe dem heute belgischen Mons) dergründig verbrämter Gewaltakt, den teilgenommen. Auf dem Schlachtdie Wiener Mächtigen um die ebenfalls feld, auf dem französische auf noch junge Herrscherin Maria Theresia britische, österreichische und auf gar keinen Fall würden hinnehmen preußische Truppen trafen, können. Schlesien war zu reich, zu beblieben mehrere Zehndeutend und Friedrichs Handlungsweitausend Tote und se war eine allzu dreiste Provokation. Verwundete zuAls Ludwig XV. davon erfuhr, rief er rück. Und weil aus: »Das ist ein Narr! Der Mensch ist er wusste, dass verrückt!» der enorm Ludwig XV. glaubte nicht, dass der nach teure Aufseinen eigenen Worten mit dem Anbau einer griff auf Schlesien zu einem »RendezArmee vous mit dem Ruhm» aufgebrochene durch Preußen-König sich über das Ausmaß deren alldes von ihm herbeigeführten Konflikzu risikofreudigen Einsatz tes im Klaren war. Und demnach auch sehr schnell zum politikeine realistische Vorstellung von dem schen und finanziellen Risiko hatte, das er einging, von der GeDebakel werden konnfahr, in die er sein Land und – schlimte. mer noch – seine Untertanen mutwilDergleichen Vorsicht ging lig stürzte. Die Habsburgerin Maria dem Sohn Friedrich II. 1740 gänzTheresia mochte mit ihren 23 Jahren lich ab – und daher hielt ihn Ludnoch unerfahren sein, zumal sie nach wig XV. für einen Narren, wie wohl dem Tod ihres Vaters, Kaiser Karls VI., nicht wenige andere Zeitgenossen noch keine zwei Monate an der Spitze auch. Wäre es Friedrich II. – wider die des Hauses Habsburg stand, als Friedberechtigten Erwartungen des franzörich II. ihr Land überfiel. Dennoch war sischen Königs und anderer – nicht geHabsburg ein mächtiger Koloss, eine lungen, die selbst ausgelöste Kriegsära Großmacht ganz anderen Gewichts politisch und militärisch zu überstehen als das noch verhältnismäßig kleine (begünstigt von manch unverdientem Preußen. Friedrich Wilhelm I. mochGlücksfall), dann stünde das Urteil te eine beachtliche Armee aufgebaut der Nachwelt über den bedenkenlosen haben – Krieg geführt hatte er damit Hazardeur von 1740 wohl noch heute allerdings so gut wie gar nicht. Den einim Einklang mit dem Ludwigs XV. (der zigen größeren militärischen Konflikt, selbst glücklos agierte, aber ein durchan dem der zweite Preußen-König beaus kluger Mann war). Indes hat wohl teiligt gewesen war, die Beteiligung am kaum ein anderer deutscher Herrscher »Großen Nordischen Krieg», hatte er eine derartige Karriere in der Sicht der gewissermaßen »geerbt», als er seinem Nachlebenden wie Friedrich II. geeigenen Vater Friedrich I. 1713 auf den macht. Lange Zeit blieb er der Heros Thron folgte. Das Königreich SchwePreußens schlechthin – während er im den, der Hauptgegner Preußens in Ausland von vornherein deutlich zwiediesem Konflikt, wurde allerdings mispältiger betrachtet wurde. Im 20. Jahr-

hundert, in dem die Katastrophen deutscher, teilweise (ob nun zu Recht oder zu Unrecht) mit preußischer Tradition identifizierter Großmachtpolitik ihre grauenhaften Tiefpunkte durchmaßen, geriet auch der »große König» wieder verstärkt ins Visier kritischer Betrachter. Heute, 300 Jahre nach seiner Geburt, wird man schwerlich von einer einheitlichen Meinung über Friedrich II. sprechen können. Der Vortrag von Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll richtet sich auf die Konjunkturen des historischen Bildes, das von König Friedrich II. von Preußen, dem »Großen», entworfen wurde. Prof. Kroll, Lehrstuhlinhaber für Europäische Geschichte an der TU Chemnitz, der in unserem Haus schon mehrfach als Referent zu Gast war, zählt zu den derzeit führenden Experten für die Geschichte Preußens. Im Verlauf seines wissenschaftlichen Werdegangs hat er sich intensiv mit den Hohenzollern und ihrer historischen Leistung beschäftigt. Schon in seiner Doktorarbeit (1987) setzte er sich mit König Friedrich Wilhelm IV. auseinander. Seither hat er zahlreiche einschlägige Publikationen vorgelegt, darunter den Band »Die Hohenzollern» beim renommierten Münchner C. H. Beck-Verlag (2008). 2009 erschien in zweiter Auflage ebenfalls bei C. H. Beck der von Kroll herausgegebene Band »Preußens Herrscher». Unlängst veröffentlichte er die Studie »Geschichtswissenschaft in politischer Absicht. Hans-Joachim Schoeps und Preußen» (2010), die sich mit einem der wichtigsten Interpreten der preußischen Geschichte in jüngerer Zeit befasst. Frank-Lothar Kroll nimmt zahlreiche wissenschaftliche Ämter wahr, er ist nicht zuletzt seit 2006 Vorsitzender der Preußischen Historischen Kommission. Außerdem gehört er dem Wissenschaftlichen Beirat der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung in Berlin an. Winfrid Halder


08 Vortrag

Vortrag von Prof. Dr. Horst Carl (Justus-Liebig-Universität GieSSen)

»Taugt er was, soll er in Berlin eingesetzt werden, taugt er nichts, soll er nach Kleve.» König Friedrich II. und Preußens Westen Nein, angenehm waren die ErinnerunFriedrich in die weitaus näher an der ReSchon 1609 war das Herzogtum Kleve gen wahrhaft nicht, die Friedrich II. mit sidenz Berlin gelegene Festung Küstrin – nach Auffassung des damaligen brander Festung Wesel verband, dem wichbringen, wo er bis auf weiteres in Haft denburgischen Kurfürsten Johann Sitigsten militärischen Stützpunkt im gehalten wurde. gismund jedenfalls – auf dem Erbweg damaligen Herzogtum Kleve. Es hatte War die gewiss peinigende Erinnerung an Brandenburg gefallen. Tatsächlich nicht viel gefehlt, und Wesel wäre die an jenen düsteren Tag von Wesel mitdem Herrschaftsgebiet der Hohenletzte Station im damals erst 18 Jahre verantwortlich dafür, dass Friedrich II. zollern einverleibt wurde das niederandauernden Leben Friedrichs eine entschiedene Abneigung rheinische Herzogtum jedoch erst seit gewesen. Denn am 12. August gegen das Herzogtum Kleve und 1666 durch Friedrich Wilhelm, den 1730 traf der preußische Kron- Mo, seine Bewohner hegte? Ob dies »Großen Kurfürsten» und Urgroßprinz dort mit seinem Vater, 03.09. so war, darüber könnte man invater Friedrichs II., nach langwierigen König Friedrich Wilhelm I., zu- 19.00 Uhr des allenfalls spekulieren. Sein und zum Teil kriegerischen Auseinansammen. Eine Woche zuvor war abschätziges Wort über minder dersetzungen. Kleve hatte immerhin im kurpfälzischen Steinsfurt der befähigte Staatsdiener, die nach den Rang einer Residenz der Landesunglückselige Fluchtversuch Friedrichs Kleve versetzt werden sollten, zeugt alherrn – geriet jedoch mit dem ganzen gescheitert, anschließend war der Prinz lerdings deutlich genug vom geringen Herzogtum in den Windschatten der als Gefangener in die sichere preußiStellenwert, den der preußische Besitz ostwärts orientierten Territorialpolitik sche Festung Wesel verbracht worden. im Westen des damaligen Alten Reiches Friedrichs. Friedrich Wilhelm I., der »Soldatenköaus der Sicht des Monarchen scheinbar War »Preußens Westen» also gänzlich nig», längst über das Gebaren und die hatte. Dass sich die Aufmerksamkeit unwichtig aus der Sicht Friedrichs II.? weltanschaulichen und künstlerischen des preußischen Königs seit 1740 auf Oder hat er sich doch der westlichen Neigungen seines ältesten Sohnes und Schlesien und nicht auf die hohenzolTerritorien angenommen? Welche voraussichtlichen Nachfolgers höchst lernschen BesitzunFolgen hatte die aufgebracht, betrachtete diesen nun als gen im Westen kon- In Zusammenarbeit mit Schlesien-Politi k »ehrlosen Deserteur». Außer sich vor zentrierte, liegt auf dem Düsseldorfer Ge- Friedrichs am und schichtsverein e. V. Zorn gegen den ungehorsamen Sohn, der Hand. Die Oder für den Niederder nun auch noch beim Verhör in also und nicht der rhein? Mit diesen Wesel versuchte sein Tun zu rechtferRhein stand im Mittelpunkt des Interesund damit verknüpften Fragen betigen, zog der König den Degen gegen ses Friedrichs II. – freilich konnten die schäftigt sich der Vortrag von Prof. Friedrich. Nur das energische Dazwiwestlichen Herrschaftsgebiete der HoDr. Horst Carl. Prof. Carl ist seit 2001 schentreten des Festungskommandanhenzollern nicht unberührt bleiben von Lehrstuhlinhaber für Geschichte der ten, General Konrad Heinrichs von der gewalttätigen Expansionspolitik des Frühen Neuzeit an der Justus-Liebigder Mosel, soll dem Kronprinzen das dritten preußischen Königs. Universität Gießen. Bereits in seiner Leben gerettet haben. Bald darauf ließ Dabei waren diese weitaus länger in Tübinger Dissertation (1989) beschäfder noch immer wutentbrannte König Händen der Landesherrn in Berlin. tigte er sich mit der Entwicklung der preußischen Westprovinzen während des Siebenjährigen Krieges (1756-1763). Neben zahlreichen anderen Veröffentlichungen legte er 2011 in dem Sammelband »Rheinland, Westfalen und Preußen» (hg. von Georg Mölich, Veit Veltzke und Bernd Walter, erhältlich bei der Landeszentrale für politische Bildung NRW; www. politische-bi ldung .nr w. de) einen längeren Aufsatz zur Geschichte der preußischen Besitzungen im Westen im 18. Jahrhundert vor. Horst Carl ist Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gremien. Vom Herbst 2011 bis zum Juli 2012 ist Prof. Carl Forschungsstipendiat am Freiburg Institute for Advanced Studies. PreuSSen 1763

Winfrid Halder


09 Vortrag

Der erste Weltkrieg Ein Thema, zwei Aspekte

Der Krieg, der nicht vergehen will? Westfront und Ostfront 1914-1918 in der europäischen Erinnerungskultur Entscheidend geprägt ist das Bild des Ersten Weltkrieges im »kollektiven Gedächtnis» der Deutschen zweifellos durch die Erinnerung an die Westfront. Stichworte wie »Verdun» und »Grabenkrieg» werden mit Sicherheit spontan genannt werden, wenn man nach dem Krieg von 1914 bis 1918 fragt – und nicht von ungefähr handelt es sich in beiden Fällen um Bezüge zum Geschehen auf dem westlichen Kriegsschauplatz. Die Erinnerung an die Ostfront hingegen – ganz im Unterschied zu ihrem Stellenwert im kollektiven Gedenken an den Zweiten Weltkrieg – ist kaum oder doch allenfalls sehr bruchstückhaft präsent. Das ist sicherlich auch ein Ergebnis des medialen Umgangs mit dem Ersten Weltkrieg. Schon in den 1920er Jahren ist eine Reihe von Büchern erschienen, die nicht nur großes Aufsehen unter den Zeitgenossen erregten, sondern die auch langfristige Wirkungen entfalteten. Da ist etwa Ernst Jüngers »In Stahlgewittern» (die erste Ausgabe erschien bereits 1920) oder – schon unmittelbar nach dem Erscheinen noch weitaus heftiger und kontroverser diskutiert – Erich Maria Remarques »Im Westen nichts Neues». Remarques Werk ist Ende Januar 1929 erstmals in Buchform publiziert worden; bis zum Jahresende waren in Deutschland schon weit mehr als 900.000 Exemplare verkauft, ferner waren bereits Übersetzungen in alle europäischen Hauptsprachen erschienen. Die englische Version war in Großbritannien und den USA ebenfalls bereits in mehreren Hunderttausend Exemplaren über die Ladentische der Buchhandlungen gegangen. Bis Ende 1930 waren weltweit rund 3,5 Millionen Stück abgesetzt. Der bis dahin gänzlich unbekannte Remarque, gerade 30 Jahre alt und zuvor als Lehrer, Werbetexter und (Sport-)Journalist tätig, war schlagartig der international bekannteste und erfolgreichste deutsche Autor. Selbst Thomas Mann, der im gleichen Jahr 1929 den Literaturnobelpreis erhielt, erreichte bei weitem nicht die Auflagenzahlen Remarques. Im Falle der »Bud-

denbrooks» (1901) hatte es mehr als anderthalb Jahrzehnte gedauert, bis die ersten 100.000 Exemplare verkauft waren. Manns 1924 publizierter Roman »Der Zauberberg» hatte erst kurz vor dem Erscheinen von »Im Westen nichts Neues» die 100.000er Marke überschritten. Remarques Buch war mithin ein gigantischer Erfolg. Zum Weltstar wurde der junge Autor vollends, als sein Buch bereits 1930 verfilmt wurde. Carl Laemmle, Gründer und Chef der Universal Pictures, der Mann, der als einer der ersten ein Filmstudio im kalifornischen Hollywood errichtet hatte, erwarb schon im Sommer 1929 die Filmrechte. Der 1867 im oberschwäbischen Laupheim geborene Laemmle war 1884 als 17-Jähriger in die USA ausgewandert, hatte schon vor dem Ersten Weltkrieg das geschäftliche Potential des neuen Mediums Film erkannt und stieg seither rasch zu einem der bedeutendsten Filmunternehmer weltweit auf. Laemmle kam – bis das aufgrund seiner jüdischen Abstammung im Zeichen der NS-Diktatur unmöglich wurde – häufig nach Deutschland. Er förderte diverse caritative Projekte in seiner Heimatstadt, zugleich sah er sich nach geeigneten Filmstoffen um. Dass es sich bei Remarques Buch um einen solchen handelte, erkannte er sofort. Schon am 30. April 1930 hatte der Film »Im Westen nichts Neues» Premiere in Los Angeles, am 4. Dezember 1930 fand die deutsche Erstaufführung in Berlin statt. Das Medienecho war gewaltig, nicht nur weil es sich um die bis dahin aufwendigste, filmtechnisch spektakulärste Produktion in der brandneuen Tonfilmtechnik handelte. Die Nationalsozialisten, angesichts der grassierenden Weltwirtschaftskrise erst in jüngster Zeit zur Massenpartei aufgestiegen, machten Film und Autor zu bevorzugten Hassobjekten, da sie angeblich die »Ehre» der »Frontsoldaten» beleidigten. Das hatte der eigentlich bis dahin eher unpolitische Remarque, der bald schon emigrierte, weder getan noch beabsichtigt, gleichwohl wurde sein Werk zum paradigmatischen Fall im Streit um

Erich Maria Remarque 1929

die »richtige» Erinnerung an den Ersten Weltkrieg. Unnötig zu sagen, dass Buch und Film in Deutschland 1933 sofort verboten wurden. Im Anschluss an Erich Maria Remarques Bestseller ist noch eine Vielzahl weiterer Bücher über den Ersten Weltkrieg erschienen, literarische wie auch wissenschaftliche. Bei aller Unterschiedlichkeit im Einzelnen haben sie eines gemein: Die große Mehrheit beschäftigt sich mit dem Geschehen an der Westfront. Auch das Kino ist den Spuren der sogleich Oscar-prämierten Spielfilmproduktion von »Im Westen nichts Neues» treu geblieben – eine Auswahl einschlägiger Filme (darunter Stanley Kubricks grandioser Streifen »Wege zum Ruhm» von 1957 am 13. September 2012, 18 Uhr) zeigen wir in unserem Programm. Dass die Darstellung des Grauens an der Westfront noch immer geeignet ist, ein Massenpublikum ins Kino zu ziehen, hat unlängst der Film »Gefährten» gezeigt, der im Dezember 2011 Premiere hatte. Regie führte mit Steven Spielberg einer der erfolgreichsten Hollywood-Regisseure aller Zeiten. Wie erfolgsträchtig der Erste Weltkrieg an den Kinokassen noch immer ist, zeigt der Umstand, dass »Gefährten» seine Entstehungskosten in Höhe von beachtlichen 66 Millionen Dollar rasch wieder eingespielt hatte. Bezeichnenderweise war schon Erich Fortsetzung auf seite 10


10 Vortrag Do, 17.11. 19.15 Uhr

Fortsetzung von seite 9

Maria Remarques Buch ein riesiger Erfolg nicht nur in Deutschland, sondern vor allem auch im westeuropäischen Ausland, zumal den Ländern der früheren Kriegsgegner des Deutschen Reiches seit 1914. Und zuletzt reüssierte Steven Spielbergs »Gefährten» nicht zufällig eben auch in Großbritannien und Frankreich. In der Erinnerung an den Ersten Weltkrieg gibt es natürlich nicht von ungefähr Parallelen zwischen den nationalen kollektiven Gedächtnissen. Mit diesen, aber auch mit Unterschieden setzt sich der Vortrag von Privatdozent Dr. Christoph Jahr auseinander. Er hat sich bereits in seiner an der Berliner Humboldt-Universität entstandenen Dissertation (1997) mit dem Schicksal von deutschen und britischen Soldaten im Ersten Weltkrieg beschäftigt. Seither hat sich Christoph Jahr zu einem der führenden jüngeren Experten für die Geschichte des Krieges zwischen 1914 und 1918 entwickelt. Derzeit vertritt er an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität die Professur für Neuere und Neueste Geschichte, an der von den früheren Lehrstuhlinhabern Wolfgang J. Mommsen und Gerd Krumeich der bedeutendste Forschungsschwerpunkt zur Geschichte des Ersten Weltkrieges in Deutschland geschaffen wurde. Die verwüstete Kraterlandschaft des Stellungskrieges im Westen ist also

Di 11.09. 19.15 Uhr

Mi, 12.09. 19.15 Uhr

Nahe Verdun 1916

scheinenden deutschen Sieg über die in die damalige preußische Provinz Ostpreußen eingedrungenen, zahlenmäßig weit überlegenen russischen Truppen, war der Krieg im Osten in der landläufigen Erinnerungskultur gewissermaßen »zuende». Die fortdauernde, merkwürdig vereinzelt in einem ansonsten weithin leeren Erinnerungsraum stehende Präsenz von »Tannenberg» hat auch damit zu tun, dass das öffentliche Gedenken ge-

Vortrag von PD Dr. Winfrid Halder

Tannenberg, und dann? Die Ostfront im Ersten Weltkrieg 1914-1918: Ein anderer Krieg? Vortrag von PD Dr. Christoph Jahr

Der Krieg, der nicht vergehen will? Die Westfront 1914-1918 in der europäischen Erinnerungskultur

auch heute noch vielen Menschen optisch gegenwärtig, sei es auch in Form mehr oder weniger überwältigender Leinwandeindrücke. Aber der Krieg an der Ostfront? Spontan fällt dazu dem deutschen Publikum – wenn überhaupt etwas – dann allenfalls das Stichwort »Tannenberg» ein. Der Name dieser Schlacht, die schon Ende August 1914, nicht einmal vier Wochen nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs stattfand, hat sich festgesetzt. Danach, nach dem unerwarteten, geradezu wundersam er-

rade daran gezielt gepflegt wurde. Der Sieg von 1914 wurde schon in der Zeit der Weimarer Republik instrumentalisiert, um die Niederlage von 1918 ein Stück weit zu verdecken – oder schlimmer noch, um die Legende vom »im Felde unbesiegten» deutschen Heer zu untermauern. Zur Erinnerung an die Schlacht in den letzten Augusttagen des Jahres 1914 wurde unweit des Schauplatzes seit 1924 das größte Kriegsdenkmal Deutschlands errichtet – finanziert mit Spendengeldern aus

weiten Bevölkerungskreisen, und dies in einer Zeit, in der sich nach der soeben mit knapper Not überwundenen Hochinflation die meisten »kleinen Leute» damit konfrontiert sahen, dass ihre mühselig zusammengetragenen Spargroschen vernichtet waren. Als das Denkmal dann am 18. September 1927 eingeweiht wurde, geschah dies durch Paul von Hindenburg. Hindenburg, als Sproß einer preußischen Offiziersfamilie in Posen geboren, war nach Ansicht der meisten Deutschen der »Held von Tannenberg»; unter seinem Kommando hatten seinerzeit die deutschen Truppen den russischen Eindringlingen jene verheerende Niederlage zugefügt. Hindenburgs Siegernimbus, seine daraus resultierende anhaltende Popularität hatten ihm etwas mehr als zwei Jahre zuvor das Amt des Reichspräsidenten eingebracht. Er war im April 1925 als parteiloser Kandidat von den rechtsnationalen Kräften erst für den zweiten Wahlgang nominiert worden, nachdem im ersten Wahlgang keiner der Kandidaten die erforderliche absolute Mehrheit erreicht hatte. Für die Sozialdemokraten war der amtierende preußische Ministerpräsident Otto Braun angetreten, der beachtliche 29 Prozent der abgegebenen Stimmen erhielt. Gereicht hat dies freilich nicht, damit Braun die Nachfolge seines Ende Februar 1925 verstorbenen Parteifreundes Friedrich Ebert antreten konnte, der 1919 zum ersten Staatsoberhaupt der Weimarer Republik gewählt worden war. Hindenburg nun erreichte im zweiten Wahlgang aus dem Stand – obwohl sich der inzwischen 77-jährige pensionierte General weigerte, in Wahlkampfveranstaltungen aufzutreten – 48,3 Prozent der abgegebenen Stimmen und schlug


11 Vortrag damit den gemeinsamen Kandidaten der demokratischen Kräfte, den Zentrumspolitiker Wilhelm Marx, zu dessen Gunsten Otto Braun darauf verzichtet hatte, in der zweiten Wahlrunde noch einmal anzutreten.

nein wirkungsmächtig, zumal der immer noch von seinem Feldherrnruhm zehrende Hindenburg im April 1932 erneut in das Amt des Reichspräsidenten gewählt wurde. Seinen schärfsten Konkurrenten bei dieser Wahl, den

Tannenberg-denkmal

So kam es, dass an jenem 18. September 1927 Paul von Hindenburg, gekleidet in die ordensbedeckte Uniform eines kaiserlichen Generalfeldmarschalls, als höchster Repräsentant der ersten deutschen Demokratie das Tannenberg-Denkmal einweihte. Neben dem Oberhaupt der demokratischen Republik stand bei dieser Gelegenheit General a. D. Erich Ludendorff, einst Hindenburgs Stabschef während der Schlacht von Tannenberg und auch danach. Ludendorff bewegte sich ganz offen im völkisch-antisemitischen, antidemokratischen Milieu; nicht einmal vier Jahre zuvor hatte er sich von dem damaligen Münchner Lokalpolitiker Hitler für dessen gegen die demokratische Republik gerichteten Putschversuch einspannen lassen. Zehntausende zelebrierten mit den kaiserlichen ExGeneralen die Erinnerung an Tannenberg, den scheinbar unvergänglichen Sieg – obwohl gerade Hindenburg und Ludendorff, welche 1916 die militärische Führung des Deutschen Reiches insgesamt übernommen hatten, entscheidende Mitverantwortung für die Niederlage im Ersten Weltkrieg insgesamt trugen. Der Nimbus der »Rettung des Vaterlandes» vor den »russischen Horden» im August 1914 überstrahlte indessen das desaströse Scheitern beider, die sich nicht zufällig hinter die böse Saat der »Dolchstoß-Legende» stellten, welche die Niederlage von 1918 angeblichem Verrat »in der Heimat» zuschrieb. »Tannenberg» blieb also bis in die Geschichte der Weimarer Republik hi-

einstigen Münchner Putschisten Hitler, dessen Partei inzwischen stärkste Kraft im Reichstag war, berief Hindenburg wenig später in das Amt des Reichskanzlers. Hitler inszenierte sich fortan als der Weltkriegs-Gefreite, der nun Seite an Seite mit dem Weltkriegs-Feldmarschall angeblich für Deutschlands

Beginn des Ersten Weltkriegs wurde er reaktiviert und am 22. August 1914 zum Oberbefehlshaber der in Ostpreußen stehenden 8. Armee ernannt. Ausgesucht worden war Hindenburg für diesen Posten, weil die militärische Führung des Deutschen Reiches davon ausging, dass der allgemein als nicht eben herausragender Kopf bekannte Hindenburg seinen zugleich berufenen Stabschef Ludendorff am wenigsten stören werde. Ludendorff selbst konnte nicht zum Armeeoberbefehlshaber ernannt werden, da er nach dem im preußisch-deutschen Militär geltenden »Anciennitäts»-Prinzip weder das erforderliche Alter noch die entsprechende Dienstzeit hatte. So wurde der dynamische und innovativ denkende Ludendorff formal Hindenburg untergeordnet, der seinem selbstbewußten Stabschef dann auch erwartungsgemäß weitgehend freie Hand ließ – insbesondere auch bei der Führung der Schlacht gegen die zwei in Ostpreußen eingedrungenen russischen Armeen, die nur vier Tage nach dem Führungswechsel an der Spitze der 8. Armee begann. General Max Hoffmann, unter Hindenburg und Ludendorff Erster Generalstabsoffizier der 8. Armee, schrieb später mit Blick auf Hindenburg: »Der Kerl ist ein zu trauriger Genosse, dieser große Feldherr und Abgott des Volkes

Tannenberg-Denkmal

Wiederaufstieg stritt. Hindenburg hatte ihm mit zur Macht verholfen; als der mittlerweile 86-jährige Reichspräsident im August 1934 starb, ließ Hitler ihn – gegen Hindenburgs ausdrücklichen testamentarischen Willen – im Tannenberg-Denkmal beisetzen. Dabei hatte Hindenburg selbst bei jener Schlacht im August 1914 gar keine entscheidende Rolle gespielt. Er war bereits 1911 als 65-jähriger General der Kaiserlichen Armee in den Ruhestand verabschiedet worden. Nach dem

[…]. Mit so wenig eigener geistiger und körperlicher Anstrengung ist noch nie ein Mann berühmt geworden.» Und: Schon der Name der Schlacht war eine bewußte geschichtspolitische Fiktion. Denn der historische Schlachtort von 1410, auf den die Bezeichnung »Schlacht bei Tannenberg» anspielte, lag anfangs geographisch am Rande, im weiteren Verlauf außerhalb des Operationsbereiches der beteiligten Streitkräfte. Bezeichnenderweise sprach Kaiser Fortsetzung auf seite 12


12 Vortrag Wilhelm II. in seinem Glückwunschtelegramm an Hindenburg unmittelbar nach dem Ende der Kampfhandlungen von der Schlacht bei Allenstein. Dass Hindenburg den Namen »Schlacht bei Tannenberg» anregte, war wohl sein nachhaltigster Beitrag dazu. Die – freilich reichlich verzerrte – Erinnerung an Tannenberg also blieb, das weitere Geschehen an und mehr noch die politische Bedeutung der Ostfront seit dem Herbst 1914 wurde weitestgehend ausgeblendet. Es gab nicht nur kein literarisches Werk, das sich mit dem östlichen Kriegsschauplatz befasste und das sich auch nur entfernt mit der Wirkung von Remarques »Im Westen nichts Neues» vergleichen ließe, von anderen Medien ganz zu schweigen. Auch die Geschichtswissenschaft hat die Ostfront lange Zeit sträflich vernachlässigt, so dass ein 2006 erschienener, einschlägiger Sammelband den bezeichnenden Titel »Die vergessene Front – der Krieg im Osten 1914/18» erhielt. Seither tritt in deutlicheren Konturen hervor, dass der Krieg auf dem östlichen Schauplatz nicht nur nach Tannenberg nicht »zuende» war, sondern dass ihm vielmehr anhaltend enorme strategische Bedeutung zukam. Während etwa vor Verdun im Verlauf des Jahres 1916 Zehntausende deutsche Soldaten fielen, Hunderttausende durch Verwundung oder Gefangenschaft ausfielen und Ersatz fehlte, um die blutige »Operation Gericht» vielleicht doch noch zum militärischen Erfolg zu führen, kämpften ebenfalls Hunderttausende deutsche Soldaten in neu aufgestellten Armeen im südlichen Teil der Ostfront, um einen vollständigen Zusammenbruch des Bündnispartners Österreich-Ungarn zu verhindern. Denn die k. u. k.-Armee hatte im Kampf gegen Russland und Serbien bis zum Jahresende 1914 bereits rund eine Million Mann an Gefallenen, Verwundeten und Gefangenen verloren. Ein Aderlass, von dem sie sich nie mehr erholte, der nur durch immer stärker ausgeweitete deutsche Hilfe vorerst ausgeglichen werden konnte. Die damit verbundene Überdehnung der Kräfte des kaiserlichen Heeres wird selten in Rechnung gestellt – Hindenburg und Ludendorff wussten jedoch sehr gut darum, als sie die Operationsplanung auch an der Westfront übernahmen. Die »vergessene Front» verdient es, stärker als bisher in Erinnerung gerufen zu werden. Winfrid Halder

Hindenburg und Ludendorff bei der Einweihung des Tannenberg-Denkmals 1916

Begleitfilme in der Kinemathek Do, 12.07. 18.00 Uhr

Do, 13.09. 18.00 Uhr

»Das Feld der Ehre Passchendaele« Mit »Das Feld der Ehre – Passchendaele« ist Regisseur Paul Gross ein wahres LeinwandMeisterwerk gelungen. Gespickt mit viel Realismus, großen Gefühlen und starken Bildern wird die packende Geschichte eines kanadischen Infanteristen in den Wirren des Ersten Weltkriegs geschildert. Der preisgekrönte Kriegsfilm »Das Feld der Ehre – Passchendaele« ist die bisher teuerste kanadische Filmproduktion und ein Tribut an die Soldaten, die bei der Schlacht von Passchendaele an vorderster Front kämpften und starben. Die Erlebnisse des eigenen Großvaters dienten Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller Paul Gross als historische Vorlage.

»Wege zum Ruhm« In »Wege zum« Ruhm prangert Stanley Kubrick auf eindrucksvolle Weise die Absurdität des Krieges an. Er kritisiert darin vor allem die Rolle der militärischen Führung. Sie wird durch General Mireau repräsentiert, der seine Untergebenen in der Hoffnung auf eine Beförderung sinnlos in den Tod schickt, und General Broulard, der Mireau wider besseres Wissen zu dem Angriff überredet, sowie durch den Prozess gegen die drei Soldaten, der ohne Beweismaterial, Zeugen oder einen unabhängigen Richter stattfindet und an dessen Ende die ausgewählten Soldaten vor dem angetretenen Regiment wegen angeblicher Feigheit vor dem Feind standrechtlich erschossen werden.


13 Literatur im Foyer

Lesung der Erzählung »Mohrenlegende» (1937) und Gespräch Mit Dr. Hajo Buch und PD Dr. Winfrid Halder

Einstampfen? Literatur in der nationalsozialistischen Diktatur. Ein Beispiel »Es mag Aberglaube sein, aber in meiseinerseits einen Offenen Brief. Darin nen Augen sind Bücher, die von 1933 stellte er die Erfahrungen der »Inneren bis 1945 in Deutschland überhaupt Emigration» – also der künstlerisch gedruckt werden konnten, weniger Schaffenden, die auch nach 1933 in als wertlos und nicht gut in die Hand Deutschland geblieben waren, obwohl zu nehmen. Ein Geruch von Blut und sie nach Thiess‘ Lesart Gegner des NSSchande haftet ihnen an. Sie sollten alle Regimes waren – über diejenigen derer, eingestampft werden. Es war die emigriert waren. So hieß es nicht erlaubt, es war unmöglich bei Thiess, er habe den GedanDo, ‚Kultur’ zu machen in Deutschken selbst zu emigrieren, sehr 30.08. land während rings um einen wohl erwogen, jedoch stets verherum das geschah, wovon wir 19.00 Uhr worfen. Und zwar aus der Überwissen: es hieß die Verkomzeugung heraus, dass er durch menheit beschönigen, das Versein Bleiben »reicher an Wisbrechen schmücken. Zu den Qualen, sen und Erleben daraus hervorginge, als die wir litten, gehörte der Anblick, dass wenn ich aus den Logen und Parterredeutscher Geist, deutsche Kunst sich plätzen des Auslandes der deutschen beständig zum Schild und Vorspann Tragödie zuschaute.» Er, Thiess, sei imdes absolut Scheusäligen hergaben.» mer überzeugt gewesen, »dass wir als Thomas Mann schrieb diese unverdeutsche Schriftsteller nach Deutschkennbar zornigen Zeilen im Herbst land gehörten, und was auch käme, auf 1945. Der Literaturnobelpreisträger unserem Posten ausharren sollten.» Er von 1929, der kurz zuvor seinen 70. sei der Meinung, es sei schwerer geweGeburtstag gefeiert hatte, Autor der sen, »sich hier eine Persönlichkeit zu »Buddenbrooks» (1901), des »Zaubewahren, als von drüben Botschaften berbergs» (1924) und etlicher anderer an das deutsche Volk zu senden, welche Schlüsselwerke der deutschen Literatur die Tauben im Volke ohnedies nicht in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunvernahmen, während wir Wissenden derts, hatte im Februar 1933, wenige uns ihnen immer um einige Längen voTage nach der Berufung Hitlers zum raus fühlten.» Reichskanzler, Deutschland verlasKeineswegs zufällig richtete sich hier sen. Ende 1936 das Ressentiment wurde ihm vom Zum 100. Geburtstag von eines im Land NS-Regime die verbliebenen Gertrud Fussenegger deutsche Staatsdeutschen Autors bürgerschaft aberkannt, nach Stationen gegen Thomas Mann, den prominenin Frankreich und der Schweiz emigtesten unter den Emigranten. Dessen rierte Mann Anfang 1938 in die Vereiinternationale Reputation war zweinigten Staaten von Amerika. Seit 1944 fellos seit 1933 noch gewachsen. Und war er amerikanischer Staatsbürger. Thomas Mann war auch einem großen Die erregten obigen Worte stellten deutschen Publikum ständig präsent indes eine Reaktion auf Angriffe des geblieben: Seit dem Herbst 1940 bis Schriftsteller-Kollegen Frank Thiess kurz nach der Kapitulation der Wehrdar. Thiess, geboren 1890 und damit macht am 8. Mai 1945 war Mann über eine Generation jünger als Thomas den britischen Sender BBC regelmäMann, hatte zuvor in eine Debatte einßig zu hören gewesen, wenn er sich in gegriffen, die Walter von Molo (1880seinen berühmten monatlichen Rund1958), ebenfalls ein bekannter deutfunkansprachen »Deutsche Hörer!» scher Schriftsteller, schon kurz nach an die unter Hitlers Herrschaft stehendem Kriegsende in Europa im Sommer den Landsleute wandte. Das Hören von 1945 ausgelöst hatte. Von Molo hat»Feindsendern« war den Deutschen te Thomas Mann in einem Offenen zwar bei Androhung (und auch AnwenBrief aufgefordert, möglichst rasch aus dung) bis hin zur Todesstrafe reichender Emigration nach Deutschland zuder Sanktionen als »Rundfunkverbrerückzukehren, um am unverzichtbaren chen» verboten, dennoch erreichten geistigen Neuaufbau seines Heimatdie Botschaften Thomas Manns zweilandes teilzunehmen. Noch bevor der fellos insgeheim viele Deutsche. Denn im fernen Kalifornien lebende Mann der »Deutsche Dienst» der BBC war auf von Molos Schreiben reagieren nachweislich der am häufigsten empkonnte, veröffentlichte Frank Thiess fangene Auslandssender. Es lag also auf

Gertrud Fussenegger ( Pilsen 1912 Linz 2009)

der Hand, wen Thiess meinte, wenn er die Botschaften »von drüben» erwähnte. Die gegen ihn, den Emigranten und seine Schicksalsgenossen gerichtete Attacke von Frank Thiess empörte Thomas Mann. Seine Reaktion bestand in den eingangs zitierten Worten von »Blut und Schande», bestand in der Generalverdammung all dessen, was seit 1933 in Deutschland veröffentlicht worden war. Kaum verwunderlich ist, dass im Gegenzug die Erregung über Manns pauschales Verdikt bei denen, die sich zur »Inneren Emigration» gehörig fühlten, nicht minder groß war. Dementsprechend entspann sich erst nach dem Bekanntwerden von Thomas Manns Äußerungen die »große Kontroverse» zwischen »inneren» und »äußeren» Emigranten. Walter von Molo, Frank Thiess und andere Autoren, deren schriftstellerische Karriere erkennbar schon vor 1933 begonnen hatte, mussten dabei immerhin nicht ihr ganzes Schaffen diskreditiert sehen. Um wie viel mehr allerdings mussten sich diejenigen getroffen fühlen, die erst nach der Errichtung der NS-Diktatur als Autorinnen und Autoren hervorgetreten waren – und die sich gleichwohl zur »Inneren Emigration» rechneten oder wenigstens eine bereits vor 1945 distanzierte Haltung zu Hitlers Regime für sich in Anspruch nahmen? Da ist etwa Gertrud Fussenegger. Sie Fortsetzung auf seite 14


14 Literatur im Foyer Fortsetzung von seite 13

wurde als Tochter eines k.u.k.-Offiziers am 8. Mai 1912 im böhmischen Pilsen geboren. Fussenegger war mithin zum Zeitpunkt der deutschen Kapitulation 1945 auf den Tag genau 33 Jahre alt. Acht Jahre zuvor, 1937, war das erste Buch der damals erst 25-Jährigen erschienen, und zwar der historische Roman »Geschlecht im Advent». Der Potsdamer Verlag Ruetten & Loening hatte das Manuskript angenommen und publiziert – damit gehörte die junge, vorerst noch bei ihrem Vater in Hall in Tirol lebende Österreicherin zum Autorenkreis eines renommierten Literaturverlages, so wie zuvor etwa Romain Rolland oder die Norwegerin Sigrid Undset, Literaturnobelpreisträgerin von 1928. Der langjährige Verlagsinhaber Wilhelm Oswalt hatte allerdings sein Unternehmen 1936 verkaufen müssen, da er aufgrund seiner jüdischen Herkunft in Deutschland nicht mehr verlegerisch tätig sein durfte. Gertrud Fussenegger hatte jedoch nach eigenen Aussagen den Eigentümerwechsel des Verlages gar nicht wahrgenommen, da ihr Manuskript ohne ihr direktes Zutun zu Ruetten & Loening gelangt war. Max Tau, seinerseits jüdischer Herkunft und Lektor beim Cassirer-Verlag, an den sich Fussenegger zunächst gewandt hatte, hatte das Manuskript unmittelbar vor der eigenen Emigration mit einer Empfehlung an die Kollegen in Potsdam weitergegeben. Entscheidend aus Fusseneggers Sicht war allerdings, dass sie mit dem ersten Buch, wie sie später schrieb, ihr »erstes und dauerhaftes Lebensziel erreicht» hatte, nämlich Schriftstellerin zu werden. Gertrud Fussenegger, deren frühe Kindheit von zahlreichen Versetzungen ihres Vaters innerhalb der Habsburger-Monarchie geprägt worden war, bevor sie nach dem Tod ihrer Mutter bei Verwandten in Pilsen aufwuchs und zur Schule ging (inzwischen als tschechoslowakische Staatsbürgerin), war auf historische Stoffe spezialisiert. Das überrascht nicht, denn sie hatte nach dem noch in Pilsen abgelegten Abitur in Innsbruck

Gertrud Fussenegger im Alter

und München Geschichte, Philosophie und Kunstgeschichte studiert. 1934 wurde sie von dem Innsbrucker Historiker Harold Steinacker promoviert. Nachdem sie ihr »Lebensziel» in jungen Jahren erreicht hatte, wie verhielt sich Gertrud Fussenegger seit 1937 weiter? Zu einem Zeitpunkt, da, anders als viele Deutsche noch 1933 angenommen hatten, ein rasches Ende der mittlerweile fest eingerichteten Herrschaft Hitlers und seiner Helfer keineswegs absehbar war? Noch im gleichen Jahr 1937 erschien – wiederum bei Ruetten & Loening – die Erzählung »Mohrenlegende» als zweite Buchveröffentlichung Fusseneggers. Zweifellos mußte es das Bestreben der jungen Autorin sein, sich im Literaturbetrieb weiter zu etablieren – Erfolg oder Misserfolg des »zweiten Buches» gelten ja nicht zufällig noch heute als wichtige Etappe für Autorinnen oder Autoren zwischen »Eintagsfliege» und »fester Größe» im Literaturbetrieb. Hätte das schmale Bändchen »Mohrenlegende» – Thomas Manns Sichtweise folgend – eingestampft werden müssen? Oder handelt es sich um ein noch heute lesbares – und lesenswertes – literarisches Zeugnis? Diesen Fragen widmet sich die Veranstaltung: In ihr liest zunächst der bekannte Rezitator Dr. Hajo Buch die »Mohrenlegende». Dazu gibt es einige weitere Informationen zu Biographie und Schaffen Gertrud Fusseneggers, die im Mai 2012 100 Jahre alt geworden wäre. Auch das Publikum ist aufgefordert, seine Wahrnehmung und Sichtweise des Textes beizusteuern. Wir begründen damit das neue Veranstaltungsformat »Literatur im Foyer: Literarischer Abend im Dialog mit dem Publikum». Im neu gestalteten Bereich zwischen Eingang und Ausstellungsraum laden wir das Publikum dazu ein, bei einem Glas Rotwein (oder einem anderen Getränk) in bequemer Atmosphäre Literatur zu hören, aber auch über Literatur zu sprechen. »Literatur im Foyer» soll keine »Einbahnstraße» sein, sondern offen für Meinungen und Anregungen. Wir laden herzlich ein! Winfrid Halder


15 Vortrag

Vortrag von Dr. Tilmann Bendikowski (Hamburg)

Friedrich II. ist tot - Es lebe Friedrich der Große Zum Nachleben des Preußenkönigs Auch dreihundert Jahre nach seiner früh von seinem Vater, dem »SoldatenGeburt polarisiert Friedrich der Große könig», distanzierte; ein schillernder (1712–1786). Der legendäre PreußenIntellektueller, der die besten Köpfe könig wird bewundert und verachtet, seiner Zeit umwarb; und ein ambitiogeliebt und gehasst. Auch die Film- und nierter Liebhaber der Künste. Vortragsreihe der Stiftung GerhartIm Hauptteil der Biografie des PreuHauptmann-Haus in diesem ßenkönigs stellt Bendikowski die Jahr hat das deutlich gemacht. Rezeption und die InstrumentaZum Abschluss dieser Reihe Mi, lisierung Friedrichs im Lauf der widmet sich die Stiftung vor 19.09. deutschen Geschichte eingeallem der Rezeption des Preu- 19.15 Uhr hend dar. ßenkönigs. Tillmann BendiJede Generation und jedes Syskowski folgt in seiner in diesem tem hat sich den Friedrich geJahr vorgelegten Biographie den Spuschaffen, der ihr am nützlichsten war. ren des »Alten Fritz». Er entfaltet die Vom Wegbereiter der deutschen Einifesselnde Biografie eines Multitalents: gung in der Zeit des Kaiserreiches, zum ein absolutistischer Herrscher, der die Nationalsozialisten in der Zeit des DritFolter abschaffte, Frömmelei verachteten Reiches, bis hin zur DDR, die ihn te, als brillanter Analytiker Strukturen für die sozialistische Geschichtsschreiund Menschen durchschaute; ein risibung vereinnahmte. kofreudiger Kriegsherr, der sich doch Bendikowski geht in seinem Werk deutlich über die reine und bekannte Lebensbeschreibung hinaus und stellt die unterschiedlichen historischen Interpretation Friedrichs im Laufe der letzten 250 Jahre ausführlich dar und erläutert ihre Bedeutung. Dies wird er in einem unterhaltsamen und spannenden Vortrag im Gerhart-Hauptmann-

Haus wiederholen. Der Vortrag ist damit ein logischer und sinnvoller Abschluss der Vortragsreihe zum 300. Geburtstag Friedrichs des Großen. Markus Patzke

Aus den Medien »In der wohl besten Veröffentlichung zum Friedrich-Jahr unternimmt Tillmann Bendikowski den unterhaltsamen Versuch, Friedrichs Leben und den Folgen gerecht zu werden.» Abendzeitung (07.01.2012)

Dr. Tillmann Bendikowski ist Gründer und Leiter der Hamburger Medienagentur Geschichte. Historiker und Journalist. Nach einem journalistischen Volontariat, Studium der Geschichtswissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum. 1999 Promotion mit einer Arbeit über die kirchliche Ostsiedlung in der Weimarer Republik und im »Dritten Reich». Die Medienagentur Geschichte bildet ein Bindeglied zwischen wissenschaftlicher Forschung und der Vermittlung historischen Wissens. Dabei produziert sie selbst historisches Wissen: Sei es durch Recherche in Archiven oder durch das interviewen von Zeitzeugen. Neues entdecken und vermeintlich Bekanntes spannend zu präsentieren ist ihr Ziel. Ihre Überzeugung: Es gibt keine langweilige Geschichte – es gibt nur eine langweilige Vermittlung.

Ob der König heute »weithin Geschichtsfolklore» ist, wie der Autor mutmaßt, möchte man lieber erst am Ende des kommenden Friedrich-Jahres entscheiden. Aber es trifft einen Punkt, wenn Bendikowski die doppelte Optik der Überlieferung , die hier den mythischen Alten Fritz, dort den realen Friedrich anvisiert, ohne beide in einer Figur vereinen zu können, in ein Sprachbild fasst: »Friedrich. Der Große.» Sollten wir ihn fortan nicht immer so schreiben? Frankfurter Allgemeine Zeitung (05.10.2011)

Auch der Historiker und Journalist Tillman Bendikowski versteht es, sein Publikum zu packen. Wir erleben den Autor bei der Präsentation seiner Biographie »Friedrich der Große» im Hause Bertelsmann und könnten ihm stundenlang zuhören. So präsentiert, ist Geschichte einfach wohltuend entstaubt. Schnell wird klar, das die Beschäftigung mit dem 46 Jahre lang regierenden König sehr spannend ist. »Bei Friedrich dem Großen langweilt man sich nie» so Tillman Bendikowski. ... Bendikowski legt vielmehr den Schwerpunkt seines Buches vor allem auf die Zeit nach Friedrichs Tod. Schildert, wie die Nachwelt mit ihm umgegangen ist und wie Friedrich bis in unsere Zeit nachwirkte. Wie Nationalsozialisten ihn zum »ersten Nationalsozialisten» ernannten und auch die DDR ihn für sich passend machte. Zum Schluss erklärt Bendikowski Friedrich den Großen mit dem Begräbnis in Potsdam im Jahr 1991 auch politisch für tot. Er sei seitdem keine identitätsstiftende Figur mehr. Eine saubere Historisierung sei dadurch möglich. http://www.berlin-audiovisuell.de


16 Ausstellung

Ausstellung mit Werken aus der privaten »Ostdeutschen Studiensammlung«

»Gerhart Hauptmann zum 150. Geburtstag und Schlesien in der Kunst der Gerhart-Hauptmann-Zeit« Das Jahr 2012 ist zweifellos ein bedeudie Radierung Ivo Hauptmanns mit der tender Anlass an Gerhart Hauptmann, Signatur von Vater und Sohn aus den den Namenspatron des Düsseldorfer 1920er Jahren, die Lithografie Emil Hauses an der Bismarckstraße, zu erinOrliks zu den »Gerhart – Hauptmann nern. Der heute weltbekannte Schrift– Festspielen in Breslau» oder die ersteller und Dramatiker wurde am 15. schütternde Zeichnung von Charlotte November 1862 – vor 150 Jahren – im Pauly, die »Gerhart Hauptmann auf schlesischen Ober Salzbrunn geboren. dem Totenbett» zeigt. Am 10. Dezember 1912 – vor Autographe, Werkausgaben, Ka100 Jahren – erhielt er in der taloge und Literatur über GerStockholmer Akademie aus den Fr, hart Hauptmann unterstreichen Händen des schwedischen Kö- 21.09. die Bedeutung des Werkes und nigs den Nobelpreis für Literaseiner Persönlichkeit. 18.00 Uhr Darüber hinaus wird Schlesien, tur. Die Ausstellung der privaten die Heimat des Dichters, im ein»Ostdeutschen Studiensammdrucksvollen Kunstschaffen der lung» von Kammermusiker Helmut Gerhart-Hauptmann-Zeit dokumenScheunchen präsentiert eine umfangtiert. reiche Auswahl künstlerischer DarSo zeigt etwa die Arbeit von Karl Lüstellungen Gerhart Hauptmanns, der decke, zur Studienzeit Hauptmanns zu den meist porträtierten PersönlichDirektor der Breslauer Kunst- und keiten seiner Zeit gehört. Zahlreiche Gewerbeschule, den dramatischen prominente Künstler verewigten ihn »Thurmabsturz der Michaeliskirche in in Büsten, Ölgemälden, in DruckgraBreslau». Vertreten ist zudem Theodor fiken und künstlerischer Fotografie. Blätterbauer, der durch eine Vielzahl Hauptmann unterhielt einen weitaus von Zeichnungen schlesischer Städte größeren Freundeskreis unter bildenund Landschaften große Bekanntheit den Künstlern als unter Schriftstellern. erlangte. So zeugen u. a. die Radierungen »GruAnsichten des Riesengebirges vermitnewaldsee» von Walter Leistikow und teln Werke von Richard Nitsch, Georg »Löwenbrücke im Tiergarten in BerTrautmann und Georg Wichmann, der lin» von Lovis Corinth, Willy Jäckels in unmittelbarer Nachbarschaft HauptLithografie »Kreidefelsen auf Rügen im Gewittersturm» sowie Hans Baluscheks »Das Tänzchen im Freien» von den engen Beziehungen des Dichters zu ostdeutschen Künstlern in der Hauptstadt Berlin. Weitere werkbezogene Exponate finden sich auch mit den Radierung von Ferdinand Staeger zu »Rautendelein» »Gabriel Schilling» und »Parsifal». Staeger illustrierte Hauptmanns Bücher »Lohengrin» und Parsifal», dem Sohn Benvenuto gewidmet, die 1913 / 14 in der Jugendbuchreihe des Berliner Ullstein-Verlages erschienen. Die wohl bekannteste Illustrationsfolge schuf jedoch Käthe Kollwitz mit ihrem Zyklus »Weberaufstand», aus dem zwei Blätter präsentiert werden. Ivo Hauptmann hielt die für seinen Vater bedeutenden Orte »Haus Wiesenstein» im Riesengebirge, den »Zweitwohnsitz» auf der Insel Hiddensee und den bevorzugten Ferienort Rapallo in Lithografien fest. Darüber hinaus zeigt die Ausstellung natürlich auch Gerhart Hauptmann im künstlerischen Portrait. Beeindruckend

manns in Schreiberhau lebte. Weitere schlesische Künstler wie Leonhard Sandrock, Hermann Völkering, Adolf Glatte, Paul Plontke, Friedrich Iwan, Ludwig Meidner und Heinrich Tischler beschrieben ihre Heimat in verschiedenen Techniken und Sichtweisen. Die schlesische Hauptstadt ist u. a. mit der großformatigen Pinselzeichnung des »Breslauer Rathauses» von Hugo Ulbrich und durch Gerhard Neumanns verschneite »Oderkähne in Breslau» aus dem Jahre 1932 vertreten, die zu den wenigen erhaltenen Vorkriegsarbeiten des Künstlers gehört. Dirk Urland

Die Ausstellung ist bis zum 30. Oktober 2012 geöffnet. Eröffnung: Fr, 21. 09. 2012 – 18.00 Uhr Ausstellungsraum Es sprechen: PD Dr. Winfrid Halder Direktor des Gerhart-HauptmannHauses Helmut Scheunchen Kammermusiker, »Ostdeutsche Studiensammlung»


17 Kinemathek

Filmvorführung und anschlieSSendes gespräch mit der Autorin Karin Kaper

»Aber das Leben geht weiter« Ein Dokumentarfilm von Karin Kaper und Dirk Szuszies Ein Film über Heimat, Krieg, über das von großer Bedeutung ist! Ein Film, Überleben in der Fremde, darüber wie der rein aus dem Blick der betroffenen die große Geschichte in das Dasein Frauen Machtmissbrauch und Verder Menschen hineinblitzt und die letzung elementarer Menschenrechte Lebensbahnen durcheinanderwirbelt. bewegend veranschaulicht. Die WeltpDer Film erzählt sehr privat remieren des Films fanden am ein jahrzehntelanges beson6. und 7. Mai 2011 auf dem deres Kapitel in den deutsch8. Neißefilmfestival in Zittau Do, polnischen Beziehungen. und Görlitz statt. Die beiden 27.09. Kommentarlos kommen die Vorführungen waren die meist18.30 Uhr Frauen zu Wort und lassen den besuchten des Festivals. Der Betrachter Anteil nehmen an Film wurde von Publikum und ihrer subjektiven Sicht der ErPresse mit überaus großer Zueignisse. Der Film berücksichtigt nicht stimmung aufgenommen. Für die im nur die erschütternden Vorkommnisse Film mitwirkenden deutschen Frauen, in den Kriegswirren bis zur endgültiRegisseurin Karin Kaper, ihre Mutgen Vertreibung der deutschen Famiter Ilse Kaper und ihre Tante Hertha lie aus ihrem niederschlesischen Dorf Christ, war es eine besondere Freude, Niederlinde im Sommer 1946. Er wirft auf dem Festival die ebenfalls am Film auch ein Licht auf die Entwicklungen beteiligten polnischen Frauen, Edwarda

Vereinen sowie bei allen Menschen, die sich für die Folgen des Zweiten Weltkrieges interessieren und die das Thema Flucht/Vertreibung/ Migration auch in der gegenwärtigen Weltsituation bewegt. Karin Kaper und Dirk Szuszies haben den Film selbst produziert, gefördert wurde die Dokumentation mit Mitteln der Stiftung für DeutschPolnische Zusammenarbeit. Für den Eigenverleih des Films erhielten die Regisseure eine Zuwendung vom BKM. Inzwischen wird der Film ausdrücklich darüber hinaus empfohlen von der Bundeszentrale für Politische Bildung, dem Bundesverband der DeutschPolnischen Gesellschaften und dem Deutsch-Polnischen Jugendwerk.

Bauernfamilie Queisser in den 1920er Jahren auf dem Feld

der Nachkriegszeit sowie spätere Jahrzehnte bis heute. Dem Schicksal der Deutschen, die später in Bremen und Umgebung eine zweite Heimat fanden, wird das der polnischen Familie gegenübergestellt, die ihrerseits 1940 von der sowjetischen Armee aus Ostgebieten Polens nach Sibirien verschleppt wurde. Nach einer unglaublichen sogar bis Kirgistan führenden Odyssee bekam sie schließlich im Sommer 1945 den Hof der Deutschen zugesprochen. Das ehemalige Niederlinde heißt heute Platerówka und liegt nur 25 km von Görlitz entfernt. Ein Film, der auch für die Debatte über aktuelle Flüchtlingsströme und Migrationsbewegungen

Zukowska, Maria Wojewoda und Gabriela Matniszewska, wiederzusehen und gemeinsam die Geburtsstunde des Films zu erleben. Am 17. und 19. Mai 2011 folgten dann die Kinopremieren in Bremen und Berlin sowie eine erste bundesweite Tour, die oft auch in Zusammenarbeit mit Deutsch-Polnischen Gesellschaften organisiert war. Stets ergaben sich äußerst warmherzige und anregende Gesprächsrunden mit dem Publikum. Der Film regt sehr zum offenen Meinungsaustausch an. Der Film stößt auf großes Echo nicht nur bei betroffenen Vertriebenen und deren Kindern und Enkelkindern, sondern auch bei allen polnischen Verbänden und

Edwarda Zukowska heute allein auf dem ehemaligen Hof der Familie Queisser


18 Studienfahrt

Studienfahrt der Sudetendeutschen landsmannschaft in die Tschechische Republik

Die Stadt Reichstadt/Zákupy errichtet ein »Kreuz der Versöhnung» Die gewählten Vertreter der Stadt Zákupy haben am 16. April 2012 einstimmig beschlossen, ein »Kreuz der Versöhnung» auf der Brücke bei der Kapelle der hl. Anna »zur Erinnerung an das Zusammenleben von Tschechen und Deutschen in Reichstadt» zu errichten. Das Kreuz der Versöhnung wird im Rahmen des Reichstädter Stadtfestes am 9. September 2012 von dem Generalvikar der Diözese Leitmeritz Stanislav Přibyl eingeweiht werden. Zu diesem Ereignis sind alle ehemaligen deutschen Bürger von Reichstadt sowie deren Verwandte und Freunde eingeladen. In Abstimmung mit ehemaligen deutschen Bürgern wird das Kreuz der Versöhnung folgende Form erhalten, die aus drei Entwürfen des Kunstschmieds Ondřej Mikulecký, Pardubitz, ausgewählt wurde; auf den Querbalken des 1,5 Meter hohen Doppelkreuzes sollen folgende Inschriften eingraviert werden: GOTT VERBINDET UNS BŮH NÁS SPOJUJE Die Idee für dieses Vorhaben stammt von dem Vorsitzenden der Kommission für Denkmalpflege des Rates der Stadt, Herrn Ing. Zdeněk Rydygr, der die nach 1945 verstaatlichte Papierwarenfabrik Eduard Held nach der politischen Wende erworben hat und sie als »PVO Zákupy » in alter Tradition weiterführt. Er hat auch in den Fabrikräumen am Marktplatz ein EDUARD HELD MUSEUM eingerichtet. Die Kosten für das Kreuz betragen ca. 2.000 Euro. Dazu werden von deutscher Seite 1.000 Euro beigesteuert, und zwar 500 Euro vom Sozialwerk der Ackermann-Gemeinde München und 500 Euro von einer Spendenaktion der Sudetendeutschen Landsmannschaft Düsseldorf. Sowohl der deutsche Name Reichstadt als auch der tschechische Name Zákupy sind seit der Gründung unseres Heimatortes zu Beginn des 14. Jahrhunderts urkundlich belegt. Der Name Reichstadt ist aber vom 19. Jahrhundert an durch Napoleon II., den »König von Rom und Herzog von Reichstadt»,

in der ganzen Welt bekannt geworden. Bis zur Vertreibung der deutschen Bevölkerung in den Jahren 1945 und 1946 lebten in der Gemeinde über 600 Jahre lang eine deutsche Mehrheit und eine tschechische Minderheit friedlich zusammen. Im Jahre 1990 öffnete sich die Gemeinde Zákupy ihren ehemaligen deutschen Bürgern. Durch Vermittlung des in der Heimat verbliebenen deutschstämmigen Tierarztes D r . Otto Daníček ließ die neue, demokratisch gewählte Gemeindevertretung zu, dass wir »deutschen Landsleute» uns alljährlich in unserer Heimatstadt trafen. Im Jahre 2006 gelang es uns, mit großer Unterstützung des Sozialwerks der AckermannGemeinde und in enger Zusammenarbeit mit der Bürgermeisterin von Zákupy die Finanzmittel für die Kosten der Restaurierung der vom Verfall bedrohten Dreifaltigkeitssäule in Höhe von

fast 100.000 Euro zu beschaffen. An der Finanzierung waren die Bundesrepublik Deutschland mit 50.000 Euro, der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds mit 26.000 Euro und die Stadt Zákupy mit 10.000 Euro beteiligt. Weitere Mittel wurden aus Spenden tschechischer und deutscher Bürger und in Reichstadt ansässiger Firmen aufgebracht. Die bis ins letzte Detail gehende Sanierung führte der Restaurator Radomil Šolc jun. aus Dauba aus. Am 10. September 2007 wurde das wieder hergestellte Denkmal von europäischem Rang von dem Leitmeritzer Altbischof Dr. Josef Koukl kirchlich gesegnet und von der Bürgermeisterin Miloslava Hudaková gemeinsam mit dem Sprecher der deutschen Landsleute und dem Geschäftsführer des Sozialwerks der Ackermann-Gemeinde der Öffentlichkeit übergeben. Zu diesem feierlichen Akt hatte die Stadt Zákupy alle ehemaligen deutschen Bürger von Reichstadt eingeladen, und viele von uns waren der Einladung gefolgt. Mit dem »Kreuz der Versöhnung » will die Stadt an das einst friedliche Zusammenleben von Deutschen und Tschechen über viele Jahrhunderte erinnern und auch ein Zeichen des Dankes für die Unterstützung von deutscher Seite setzen. Bernhard Kirschner

Die Sudetendeutsche Landsmannschaft Düsseldorf führt eine Begegnungsveranstaltung in Reichstadt/Zákupy in der Tschechischen Republik durch. Anlass ist die Errichtung eines Versöhnungskreuzes in Reichstadt aufgrund einer Initiative von Dr. Zdeněk Rydygr unter Beteiligung der sudetendeutschen Ackermann-Gemeinde und der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Kreisgruppe Düsseldorf. Das Kreuz soll die Aufschrift tragen: »Gott verbindet uns» auf Tschechisch und Deutsch. Die Aufstellung erfolgt im Rahmen eines Stadtfestes am 9. September 2012. Im Rahmen des Besuches wollen sich die Teilnehmer über die kulturelle Arbeit in Reichstadt, Haida, Aussig und Gablonz unterrichten, den Denkmalschutz bei weltlichen und kirchlichen Bauten, die Minderheitenpolitik der tschechischen Gemeinden und die Umweltmaßnahmen informieren. Ein weiterer Schwerpunkt soll die Glasherstellung und deren Bedeutung für das nördliche Sudetenland darstellen. Dazu sind Besuche in Haida und Gablonz sowie einer Glashütte vorgesehen.

Programm und weitere Informationen unter: Telefon: 0211/7005150 oder 02159/7375 Termin: 4. September bis 10. September 2012 Voraussichtliche Kosten ca. 450,00 Euro (abhängig von der Teilnehmerzahl und der beantragten Förderung)


19 Bericht

Vor 100 Jahren: Verleihung des Nobelpreises an Gerhart Hauptmann

Im Nobel-Museum Stockholm Gerhart Hauptmann an der »Seilbahn»

Am 10. Dezember 2012 sind einhundert Jahre seit der Verleihung des Nobelpreises für Literatur an Gerhart Hauptmann vergangen – Anlass, an dieses Ereignis zu erinnern! Besucht man heute das Nobelmuseum, das in einem der schönsten Stockholmer Bauwerke des 18. Jahrhunderts untergebracht ist, so erfährt man mehr und bisher Unbekanntes über den Nobelpreis, die Nobelpreisträger und natürlich Alfred Nobel! Man »b e g e g n e t » auch Gerhart Hauptmann und über 800(!) anderen Nobelpreisträgern, deren Portrait und die Preisbegründung auf großen Tafeln mit Hilfe einer an der Decke befestigten, einzigartigen »Seilbahn» über die Köpfe der Besucher transportiert werden! In diesem Beitrag soll besonders auf die »Verleihungsrede» für Gerhart Hauptmann und seine Dankesworte eingegangen werden. Dabei erscheint es dem Verfasser angebracht, zuvor an die Dankesrede des zu Lebzeiten von Ost und West hofierten, aber auch beschimpften Literatur-Nobelpreisträgers 1972, Heinrich Böll, zu erinnern. Böll sagte damals: »(…) Mit Bangen denke ich an meine deutschen Vorgänger hier, die innerhalb dieser verfluchten Dimension Eigentlichkeit keine Deutschen mehr sein sollten. Nelly Sachs, von Selma Lagerlöf gerettet, nur knapp dem Tod entronnen. Thomas Mann, vertrieben und ausgebürgert, Hermann Hesse, aus der Eigentlichkeit ausgewandert, schon lange kein deutscher Staatsbürger mehr, als er hier geehrt wurde. Fünf Jahre vor meiner Geburt, vor sechzig Jahren, stand hier der letzte deutsche Preisträger für Literatur, der in Deutschland starb, Gerhart Hauptmann. Er hatte seine letzten Lebensjahre in einer Version Deutschland verlebt, in die er wohl trotz einiger Missverständlichkeiten nicht hineingehörte.» Seine Verleihungsrede für Hauptmann, auf die hier nur auszugsweise, in wich-

tigen Teilen, eingegangen werden kann, dem Nobel-Komitee der Schwedischen begann der Laudator Hans Hildebrand Akademie zur Verfügung stand, war in mit den Worten: »Ein altes Sprichwort der 60. Auflage erschienen. sagt: Die Zeiten ändern sich und mit »Sie haben durch eine gewissenhafihnen die Menschen.» Die Ereigniste, aber niemals pedantische Arbeit an se der Vergangenheit bestätigen das Ihren Werken, durch die Logik Ihrer durchaus. »… Soweit wir auch in der Gefühle, Gedanken und Taten, durch Geschichte zurückgehen, immer die strenge Konstruktion Ihrer Stücke, sehen wir, wie Neues entdie höchste künstlerische Meisterschaft steht… mit der dramaerlangt. Die Schwedische Akademie hat tischen Dichtung den großen Künstler Gerhart Hauptverhält es sich mann für würdig befunden, in diesem nicht anders.» Jahr den Nobelpreis zu empfangen, den Er erinnerte an Seine Majestät der König ihm jetzt zu Ha u p t m a n n s übereichen geruhen wird.» erstes BühnenUnter »Der Sinn des Nobelpreises» werk, das er stand die Dankesrede Hauptmanns bei mit 27 Jahren dem Nobelpreis-Bankett am gleichen vorgelegt hatTag. Dabei sprach er die Hoffnung aus, te und seine »…dass das der Stiftung zugrunde liemit 30 Jahren gende Ideal seiner Verwirklichung imentstandenen mer näher geführt werde: ich meine das »Weber». In den Ideal des Weltfriedens, das ja die letzten meisten seiner Werke Ideale der Wissenschaft und der Kunst behandelt er die Lebensin sich schließt.» Er hoffte »… auf den bedingungen »… des kleinen großen, letzten und rein ideellen NoMannes, die er an vielen Orten, aber belpreis, den die Menschheit sich dann besonders in seiner schlesischen Heizusprechen wird, wenn die rohe Gewalt mat studieren konnte.» Hildebrandt unter den Völkern eine verfemte Sache weiter wörtlich: »Wenn man von der geworden sein wird…» Aufführung oder der Lektüre solcher Worte des Dichters, eineinhalb Jahre Dramen gefesselt ist und sich ganz und vor Beginn des 1. Weltkrieges – mit gar in die so gut beschriebenen Lebensüber 10 Millionen Toten – gesprochen! Konrad Hüther bedingungen hineinversetzen kann, fühlt man sich gezwungen, wieder Atem zu schöpfen und auf Mittel zur Abschaffung eines solchen Elends für die Zukunft zu sinnen. Der Realismus seiner Beschreibungen zwingt uns, neue und bessere Lebensbedingungen anzustreben und deren Verwirklichung zu wünschen.» Dieser Wunsch gilt auch noch heute, hundert Jahre nachdem er ausgesprochen wurde! An anderer Stelle schreibt er: »Das Leben hat seine dunklen Seiten; auch sie müssen in literarischen Werken in Erscheinung treten, um die Lebenden zur Weisheit zu führen… Ihre vielseitige literarische Tätigkeit hat uns auch noch andere wundervolle Dichtungen geschenkt: ‚Hanneles Himmelfahrt‘ und ‚Die versunkene Glocke‘, die sich in ihrem Vaterland der größten Beliebtheit erfreut;» das Textbuch, das Literatur-Seilbahn in Stockholm


20 Musik/Literatur

Ein musikalisch-literarisches Programm Alexandra Lachmann, Elke Jahn, Uli Hoch

»´s ist so ein stiller heil´ger Tag.« Auch ein Gerhart-Hauptmann-Abend Der Abend rückt eine weniger bekannte Seite aus dem Schaffen Gerhart Hauptmanns in den Blick: Im Mittelpunkt stehen hier seine Gedichte. Zeilen aus Hiddensee, kurze Notizen und Verse drücken Liebe zur Natur, zum Wein und zum Reisen aus. Weit entfernt vom gesellschaftskritischen Drama, das sonst meist mit seinem Namen in Verbindung ge- Fr, bracht wird, zeigen 21.09. diese Texte Gerhart 19.00 Uhr Hauptmann als sensiblen Naturbeobachter, der Stimmungen einfängt und mit Gemütszuständen verknüpft, einem romantischen Dichter nicht unähnlich. In diesem Sinne seelenverwandt und ähnliche Themen aufgreifend erscheint die Lyrik Joseph von Eichendorffs – wo also könnten diese Texte Gerhart Hauptmanns besser dargeboten werden als im Eichendorff-Saal? Der musikalische Bogen beginnt bei Liedern der Romantiker Carl Maria von Weber (1786-1826) und Franz Schubert (1797-1828), auch der mit Düsseldorf so besonders eng verbundene Robert Schumann (1810-1856) darf nicht fehlen. Er spannt sich dann weiter bis

zu Komponisten des 20. Jahrhunderts wie John Duarte (19192004) und Benjamin Britten (1913-1976). Eine besondere Entdeckung sind Vertonungen einiger Gedichte Hauptmanns durch Robert Kahn (18651951), der diese Lieder schon kurze Zeit nach dem Erscheinen der Verse komponierte. Kahn gehörte zum persönlichen Freundeskreis Hauptmanns, sein Bruder Paul Kahn fungierte eine Zeitlang als Privatsekretär des Dichters. Robert Kahn war seit 1894 Dozent an der Berliner Musikhochschule. Neben seinem eigenen kompositorischen Schaffen unterrichtete er dort so bedeutende Musiker wie Wilhelm Kempff, Ferdinand Leitner oder Arthur

Alexandra Lachmann, Elke Jahn,

Rubinstein. Seit 1916 war Robert Kahn Mitglied der Preußischen Akademie der Künste. Die beiden Künstlerinnen und der Künstler des Abends, Alexandra Lachmann (Sopran), Elke Jahn (Gitarre) und Uli Hoch (Rezitation) sind unserem Publikum schön durch mehrere stimmungsvolle und hochkarätige Programme bekannt. Auch diesmal erwartet Sie wieder ein außergewöhnlicher Abend! Winfrid Halder


21 Theater /Musik

»theaterconsortköln» präsentiert zum Thema »Krieg und Frieden» im Gerhart-Hauptmann-Haus:

»Dämonen - Zweisam, Dreisam, Viersam oder Krieg und Frieden am heimischen Herd«

tarina sind in den ehelichen Totalkrieg kombiniert, erscheint die provokati»theaterconsortköln» präsentiert gezogen, über jede Hemmschwelle hinonssüchtige Katerina ständig im neuzum Thema »Krieg und Frieden» im aus. Angetrunken verraten sie peinliche en Outfits. Das kurze Rote wird vom Gerhart-Hauptmann-Haus Düsseldorf Intimitäten. Romina Bursy überzeugt kürzeren Schwarzen abgelöst und nach »DÄMONEN – ZWEISAM, DREIvor allem in den fragilen Zwieinem Dessousauftritt folgt einer ganz SAM, VIERSAM oder KRIEG schentönen ihrer sonst so staroben ohne. Theaterconsort Köln lässt UND FRIEDEN AM HEIMIken Katarina. Wenn die bitterböglaubhaft zwei Lebensentwürfe gegenSCHEN HERD» nach Textvor- Fr, sen Angriffe ihres Mannes, kühl einander antreten. Man vermag kaum lagen von Norén, Artaud, Dosto- 28.09. psychopatisch dargestellt von zu sagen, welche der Ehehöllen schlimjewski und anderen Autoren. 18.00 Uhr Benjamin Holland, doch ein wemer ist. Durch Umverteilen der Figuren Romy Weimann nig schmerzen, wird geschluckt, und Hinzufügen eigener Texte, das Glas Gin gefüllt, die arrogant verdramatischer, belletristischer oder auch Darsteller: Romina Bursy, Max Claus, bitterte Miene wieder hergestellt und aktuell politischer Natur, schreiben sich Benjamin Holland, Anna Spicher zum verbalen Gegenschlag ausgeholt. die Darsteller ihr »eigenes Stück». Regie: Uli Hoch Passend sind auch die Kostüme: Wäh»Du musst Bussi sagen, bis wir sterRegieassistenz: Lisa Heck rend die stagnierte Jenna praktische ben.» Zynisch klingt dieser Satz von Technik: Christian Polensky Oversize-Pullis mit grauen Leggings Katarina. Aber der Adressat, ihr ebenso boshafter Mann Frank, lässt die Spitze an sich abprallen. Die verfeindeten Ehepartner halten es kaum allein miteinander aus. Und so laden sie sich kurzerhand das fremde Nachbarpaar, die Gutmenschen-Neo-Hippies Jenna und Tomas, als Schutzschilde voreinander ein. In »Dämonen» (1984) von Lars Norén geht es um zermürbende Zweisamkeit und den unwiederbringlichen Verlust der Liebe. Wobei das Zimmerschlacht-Drama nicht ganz in die Schuhe von Albees »Wer hat Angst vor Virginia Woolf» (1962) passt. Zu plakativ die Charakterhintergründe, zu dick aufgetragen die religiösen Anspielungen und zu banal die erniedrigenden Wortgefechte, hieß es aus Kritikerreihen. Das junge Ensemble von Theaterconsort Köln allerdings bricht dieses Stück geMarkante Szene aus »Krieg und Frieden am heimischen Herd» Foto: privat konnt auf seinen dämonischen Kern herunter. Der ödipale Komplex von Frank wird nicht an die große Glocke gehängt, die Asche der Mutter bleibt in Begegnung der Kulturen der Urne und Franks Kreuzigung durch im Gerhart-Hauptmann-Haus Katarina wird ausgespart, so dass der Schluss von religiöser Bedeutsamkeit entlastet wird. »Dämonen» unter der Regie von Uli Hoch ist eine WerkstattAufstrebende russlanddeutsche Bands Dorn freuen. arbeit von Schauspielschulabsolventen, präsentieren einem breiten Publikum Außerdem mit dabei ist die Band die dem Text Auszüge anderer großer, ihr Können. Mit von der Partie ist »BriZ» aus Frankfurt am Main. Ihre nicht weniger pessimistischer Autoren auch in diesem Jahr wieder die Band Musik beschreiben die vier Musiker wie Artaud oder Dostojewski hinzufüdes Gerhart-Hauptaus Russland, Kirgistan, England und gen. Am Ende entsteht so ein entblömann-Hauses, »The Syrien als rockig, funky, melancholisch ßend abgründiges Psychogramm zweiSa, Spiderpigs». Mit imund melodiös. Ihre musikalischen Einer Ehen: Die vereinsamte Jungmutter 01.09. pulsivem Sound und flüsse und langjährige Erfahrung bringt Jenna, verzweifelt hysterisch gespielt die russischsprachige Band in dynami18.00 Uhr heißer Show werden von Anna Spicher, jammert über ihre die Düsseldorfer schen und kompakten Arrangements soziale Isolation und ihr Mann Tomas, Musiker die Bühne auf den Punkt. bei Max Claus ein halbstarker Waschstürmen – Zuschauer lappen, spricht endlich aus, was ihm und Zuhörer können sich auf experiauf der Seele brennt: »Ich hab dich so mentellen Rock’n’Roll und die außerProRok-Festival satt.» Die kinderlosen Frank und Kagewöhnliche Stimme der Sängerin Lila Eintritt: 6€ zu Gunsten der Musiker

4. Pro Rok-Festival


22 Rückschau

Kulturzentrum OstpreuSSen und Stiftung gerhart-Hauptmann-Haus zeigten Schalke Ausstellung

»Ihre Eltern kamen aus Masuren» FC Schalke 04 an Ausstellung maßgeblich beteiligt Die Verbindungen zwischen Ostpreußen und dem Rheinland sind vielfältig. Einen Brückenschlag zwischen den Regionen bilden die Spieler verschiedener Fußballmannschaften. Welche Rolle der FC Schalke 04 hierbei spielt, konnte man in der Anfang April im Gerhart-Hauptmann-Haus eröffneten Ausstellung »Ihre Eltern kamen aus Masuren – Kuzorra, Szepan und das goldene Jahrzehnt des FC Schalke 04« erfahren. »Was Viele nicht wissen, ist die Tatsache, dass die Eltern der Spieler der Schalke-Meistermannschaft von 1934 allesamt aus den Masuren kamen», erklärt Markus Patzke, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit im GerhartHauptmann-Haus. Er war es, der die Schalke-Ausstellung vom Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen in die Landeshauptstadt Düsseldorf holte. Die Ausstellung leistete einen wichtigen Beitrag zur Hauptaufgabe des GerhartHauptmann-Hauses, die Kultur und Geschichte der Deutschen aus dem östlichen Europa zu pflegen und zu vermitteln.

Gegründet wurde der FC Schalke 04 am 4. Mai 1904 von einer Gruppe 14jähriger Lehrlinge und Jungbergleute, deren Eltern auf Grund des Bergbaus aus dem masurischen Teil Ostpreußens ins Ruhrgebiet gekommen waren und sich auf der Gelsenkirchener Steinkohlezeche »Consolidation« eine neue Existenz aufbauten. Damals noch unter dem Namen Westfalia Schalke war der Verein zunächst nur regional erfolgreich – bis er 1934 erstmals die deutsche Meisterschaft gewann. Das war der Auftakt des »goldenen Jahrzehntes« des FC Schalke 04. Denn die ostpreußischen Wurzeln des Fußballvereins gaben allen Anlass, die Schalkeausstellung im Gerhart-Hauptmann-Haus einer breiten Masse an interessierten Rheinländern zugänglich zu machen. Konzipiert und gezeigt wurde die Ausstellung bereits 2006 von Wolfgang Freyberg, Direktor des Kulturzentrums Ostpreußen im mittelfränkischen Ellingen. Da durfte der bekennende Sc ha l ke -Fan bei der Ausstellungseröffnung am 04. April im Gerhart-Hauptmann-Haus natürlich nicht fehlen und mit Schal ke- Schal um den Hals und informativer Rede sorgte er für einen gelungenen und unterhaltsamen A usste l l u ng s Auftakt. Neben den Worten von Kurator Wolfgang FreyWolfgang Freyberg vom Kulturzentrum ostpreuSSen berg trugen die und Kurator der Ausstellung, Markus Patzke, BegrüßungsreStiftung Gerhart-Hauptmann-Haus und Alexander de von Markus Jobst, S04-MarketingVorstand Alexander Jobst Patzke und die

Ansprache von Schalke-Vorstandsmitglied Alexander Jobst zum runden Start in die Ausstellung bei. Und auch kulinarisch stand der Eröffnungsabend ganz im Zeichen des Fußballs: im Anschluss an den offiziellen Teil konnten die Besucher bei Bratwurst und Bier über Ausstellungsinhalte und Bundesl i g a e rg e b n i s s e diskutieren und fachsimpeln. Zum Mitmachen und aktiven Erleben der Ausstellung regte ein Begleitprogramm an, welches von Praktikantin Lena Sapper (25) entwickelt und gestaltet wurde. So konnten interessierte Gäste ihr neu gewonnenes Ausstellungswissen in dem »Quiz zur Ausstellung« unter Beweis stellen und tolle Preise gewinnen. »Die Fragen sind gar nicht so leicht zu beantworten», lacht eine Besucherin bei der Ausstellungseröffnung. Doch genau darum ging es der Studentin: »Die Leute sollen die Ausstellungstafeln genau lesen und sich mit den Inhalten beschäftigen – und nicht einfach nur die Quizlösungen abschreiben», erklärt Lena Sapper. Von der Quizbegeisterung der Gäste am Eröffnungsabend war die 25jährige mehr als angetan: »Ich freue mich total, dass so viele Besucher mit vollem Eifer den Fragebogen ausfüllen!» Für all diejenigen, die sich schon immer mal wie ein Fußballstar fühlen wollten, bot das Rahmenprogramm der Ausstellung ein besonderes Extra: die eigens angefertigte Foto-Bildwand mit lebensgroßem, gemaltem Fußballspieler lud die Besucher dazu ein, der Fußballfigur ihr Gesicht zu geben und sich fotografieren zu lassen. Das Foto gab es anschließend für den Fotografierfreudigen gratis zum Mitnehmen. Was bei einer Fußballausstellung auf keinen Fall fehlen darf, ist das Ausleben der eigenen Sportlichkeit. Die Möglichkeit hierzu bietet ein Kickertisch in den Schalkefarben, der schon bei der Ausstellungseröffnung den Spieltrieb der Besucher förderte. Und für Liebhaber des sportlichen Kampfes organisierte die Studentin Lena Sapper im Zeitraum der Ausstellung Kicker-Turniere. Lena Sapper


23 Bericht

Momentaufnahmen einer Studienreise nach berlin

Schon wieder: Backsteingotik (und mehr) – in Berlin Ein bisschen abseits liegt sie schon, die Klosterstraße. Abseits jedenfalls der allzu landläufigen Touristenmeilen Unter den Linden, Kurfürstendamm etc. Und

Spree auf dem Sprung zur Millionenstadt war, angetrieben von der gewaltigen Schubkraft der Industrialisierung, die das oft über Jahrhunderte einigermaßen stabile Erscheinungsbild der meisten Städte in Deutschland grundlegend verändert hat (bevor der Bombenkrieg nochmals radierte). Das NikolaiViertel, in das wir dem Roten Rathaus nach links ausweichend eintreten, vermittelt noch einen vagen Eindruck vom Charakter des vormodernen Berlin. Dies freilich zum Teil in gewolltre ko n s t r u i e r te r, daher nur bedingt überzeugender Form. Die Nikolai-Kirche indes musste zwar nach Ruine der Kirche des einstigen Franziskaner-Klosters der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg überhaupt: Wer denkt schon beim auch wieder aufgebaut werden, doch ist Stichwort Berlin an ein Kloster? Und sie noch immer oder wieder ein schöan Gotik? In der preußisch-protestannes Herzstück des alten Berlin, das sich tischen Metropole par excellence?! So hier einst auf den heute nur noch mit darf man also mit Fug und Recht ein wenig überrascht sein, wenn man die U-Bahn-Katakomben an eben jener Haltestelle „Klosterstrasse“ verläßt – und unversehens der Ruine der Kirche des einstigen Franziskaner-Klosters gegenübersteht. Selbst das Fragment des Gotteshauses, das nach 700-jährigem Bestehen im Bombenhagel des 20. Jahrhunderts weitgehend zugrunde ging, beeindruckt noch durch seine schlichte Eleganz. Vielleicht wird dieser Eindruck noch verstärkt, wenn man den Blick vom einstigen Kirchenportal ein wenig nach links wendet, denn dort steht nicht allzu fern der massige Turm des klotzigen Roten Rathauses, dessen Rückseite auch nicht anheimelnder wirkt als der Anblick von vorn – Backstein-Architektur ganz anderer Art. Da machen wir doch gerne den kleinen Schwenk weg vom Verwaltungsbau des 19. Jahrhunderts, den Berlin sich gab Nikolai-Kirche als das einstige Kleinstädtchen an der

Mühe erkennbaren Spreeinseln zusammendrängte. Es lohnt sich also hier vorbeizuschauen, bevor man eintaucht ins Getriebe auf dem Alexanderplatz. Natürlich sehen wir noch viel mehr in diesen drei viel zu kurzen Tagen; Berlin-Pflichtbesuche werden absolviert am Reichstag, dem Brandenburger Tor, dem Holocaust-Denkmal, am Potsdamer Platz, an der Mauergedenkstätte in der Bernauer Strasse etc. Eher ungewöhnlich dagegen unser Termin in der russischen Botschaft: Natürlich kennt man den wuchtigen Bau Unter den Linden vom einst mehr oder weniger befangenen Vorbeischlendern (das am Absperrgitter vor dem Brandenburger Tor sehr schnell beendet war). Aber sie betreten, Stalins feste Burg, gleich nach dem Krieg errichtet in der zerschlagenen Hauptstadt des untergegangenen Reiches? Geht das wirklich? Es geht. Empfangen und geführt von sich zwei sich betont weltoffen gerierenden und smart wirkenden jüngeren Herren, die nebenbei die Bemerkung fallen lassen, dass interessierte Besuchergruppen (die keinerlei Kontrollen unterzogen werden) bei ihnen ja nichts Ungewöhnliches seien – bei den Kollegen von der US-Botschaft wenige Minuten weiter dagegen … Ein wenig irritierend wirkt dann freilich doch der offenbar bislang völlig unangetastet gebliebene Prunk sowjetischer Staatssymbolik, heute, Fortsetzung auf seite 24


24 Bericht

Fortsetzung von seite 23

mehr als zwanzig Jahre nach dem Untergang der UdSSR. Ist das (kunst-)historischer Bewahrungseifer, Nostalgie oder bewusst herausgestellte Kontinuität? Die freundlich lächelnden Nachwuchs-Diplomaten sind wendig genug, derart heikle Fragen ohne eindeutige Antwort zu lassen … Am Ende unseres ambitionierten »Berlin-von-den-Anfängen-bis-heute«-Unterfangens steht wieder, gottlob, eine Oase der Stille. Im Schlosspark von Charlottenburg ruht sie, die Königin von Preußen schlechthin, die schöne und allzu früh verstorbene Luise (1776-1810). Wer ausruhen mag vom Getriebe und Getöse der Hauptstadt, der besuche sie. Mit der Königin Luise liegen hier im Mausoleum ihr Mann, König Friedrich Wilhelm III. (17701840) und ihr jüngerer Sohn, Kaiser Wilhelm I. (1797-1888). Ein trefflicher Ort, um in aller Ruhe über Glanz und Elend Preußens zu räsonieren. Ein Thema, das noch viele weitere Besuche in Berlin rechtfertigt.

Ein wenig irritierend: der offenbar bislang völlig unangetastet gebliebene Prunk sowjetischer Staatssymbolik, heute, mehr als zwanzig Jahre nach dem Untergang der UdSSR in der Botschaft der RuSSländischen Föderation

Winfrid Halder

Kaiser Wilhelm I, hinten rechts seine Mutter, Königin Luise


25 Bibliothek

Schwarze Adler, weiSSe Adler Deutsche und polnische FuSSballer im Räderwerk der Politik

Thomas Urban: Schwarze Adler, weiSSe Adler. Deutsche und polnische FuSSballer im Räderwerk der Politik. Göttingen, Verlag Die Werkstatt 2011.

Im Vorfeld der Fußball-Europameisterschaft in Polen und in der Ukraine erschien das Buch »Schwarze Adler, weiße Adler» von Thomas Urban. Darin beschreibt der langjährige Polenkorrespondent der »Süddeutschen Zeitung» die besondere Fußballbeziehung, die Deutschland mit dem polnischen Nachbarland verbindet. An spannenden Einzelfällen schildert der Autor, wie die politische Geschichte beider Länder in den Fußball hineingewirkt hat. Dabei räumt er unter anderem mit dem Klischee des Polackenclubs Schalke 04 auf und berichtet über Ernst Willimowski, der zwischen 1934 und 1942 sowohl in der polnischen als auch deutschen Nationalmannschaft gespielt hat. Auch die heutige Nationalmannschaft drückt diese besondere Fußballverwandtschaft aus: Zwei ihrer Stars, Miroslav Klose und Lukas Podolski, wurden in Polen geboren. Bei der Europameisterschaft werden sie in Polen für Deutschland antreten - eine Rückkehr, der sie auf ganz unterschiedliche Weise entgegensehen.

Friedrich II. zwischen Deutschland und Polen

Hans-Jürgen Bömelburg: Friedrich II. zwischen Deutschland und Polen. Ereignis- und Erinnerungsgeschichte. Stuttgart, Kröner 2011.

Die Zahl der Neuerscheinungen zum 300. Geburtstag von Friedrich II. ist enorm. Mit seinem Buch »Friedrich II. zwischen Deutschland und Polen» liefert Hans-Jürgen Bömelburg erstmals in deutscher Sprache einen Überblick über die Beziehungen Friedrichs II. zu Polen und das Verhältnis der Polen zu ihm. Der Aufstieg Preußens zur europäischen Großmacht, der mit einem erheblichen Gebietszuwachs einherging, fand im Osten insbesondere auf Kosten Polens statt: Ca. 40 % der preußischen Bevölkerung sprach polnisch und nach Berlin war Warschau die zweitgrößte preußische Stadt; heute liegen ca. 70 % des historischen fridericianischen Preußen auf polnischem Territorium. Friedrich selbst war damit maßgeblich am Niedergang Polens beteiligt, wobei die polnische Wahrnehmung Friedrichs erst mit dem sich in Deutschland im 19. Jahrhundert entwickelnden Kult zunehmend kritisch wurde. Der Autor hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Friedrich-Bild von beiden Seiten zu beleuchten, um damit den Blick auf einen von deutscher Seite bisher vernachlässigten Aspekt zu öffnen. Sein um wesentliche Facetten bereichertes Porträt Friedrichs des Großen trägt nicht zuletzt dazu bei, das Verständnis der beiden Völker füreinander zu fördern.

Buchvorstellung: 12. November 2012, 19 Uhr im Gerhart-Hauptmann-Haus

»Paris bezauberte mich...» Käthe Kollwitz und die französische Moderne

»Paris bezauberte mich...». Käthe Kollwitz und die französische Moderne. München, Hirmer, 2010.

1901, im Jahr ihrer Aufnahme in die Secession, fuhr die aus Königsberg stammende Käthe Kollwitz (1867-1945) zum ersten Mal für eine kurze Zeit nach Paris. 1904 folgte eine längere Reise dorthin. Paris um die Jahrhundertwende – Zentrum der Moderne, Ort freien Lebens und der Vervollkommnung eines Künstlers. Käthe Kollwitz war begeistert von der französischen Kunstmetropole. Dort bewegte sie sich in dem anregenden Bohèmekreis, zu dem berühmte Künstler, Kunstkritiker und Schriftsteller wie Ida Gerhardi, Camille Pissarro oder Julius Meier-Graefe gehörten. Kollwitz bewunderte die Impressionisten, besonders Édouard Manet und Edgar Degas, verehrte Auguste Rodin, den sie zweimal persönlich aufsuchte. Auf ihren Streifzügen durch die Privatgalerien erwarb sie einen frühen Pablo Picasso und auf den großen Künstlerausstellungen sah sie Werke der Neoimpressionisten und der Künstlergruppe Nabis, etwa von Georges Seurat oder von Aristide Maillol. Zum 25-jährigen Jubiläum des Käthe Kollwitz Museums, Köln wird dieses bisher unbehandelte Kapitel der Rezeption moderner französischer Kunst im deutschen Kaiserreich grundlegend erarbeitet und in einem umfassenden Katalog dargestellt.


26 Chronologie

Mi jeweils 18.00 bis 20.30 Uhr Probe der Düsseldorfer Chorgemeinschaft Ostpreußen – Westpreußen – Sudetenland Leitung: Radostina Hristova Eichendorff-Saal

Mi 04.07., 12.09. jeweils 15.00 Uhr Ostdeutsche Stickerei Mit Helga Lehmann und Christel Knackstädt Raum

Do 05.07. / 16.00 Uhr »Kulturportal West-Ost« – Eine neue Internetpräsentation EG (Foyer) (Siehe S. 6)

Do 12.07 / 18.00 Uhr Kinemathek »Das Feld der Ehre – Passchendaele« (Kanada, 2008) Konferenzraum (Siehe S. 12)

Di 17.07. / 19.15 Uhr »Das ist ein Narr! Der Mensch ist verrückt« – König Friedrich von Preußen in der deutschen und der europäischen Geschichtskultur Vortrag von Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll, Technische Universität Chemnitz Konferenzraum (Siehe S. 7)

Do 19.07., 06.09. / jeweils 19.30 Uhr Offenes Singen Mit Barbara Schoch Raum 312

Do 30.08. / 19.00 Uhr »Einstampfen? Literatur in der nationalsozialistischen Diktatur. Ein Beispiel« Lesung der Erzählung »Mohrenlegende« und Gespräch mit Dr. Hajo Buch und PD Dr. Winfrid Halder EG (Foyer) (Siehe S. 13)

Sa 01.09 / 18.00 Uhr

Sa 15.09. / 11.00 Uhr

4. pro rok – Festival Eichendorff-Saal (Siehe S. 21)

»Tag der Heimat« Konferenzraum

Mo 03.09./ 19.00 Uhr

Mi 19.09. / 19.15 Uhr

»Taugt er was, soll er in Berlin eingesetzt werden, taugt er nichts, soll er nach Kleve«. – König Friedrich II. und Preußens Westen Vortrag von Prof. Dr. Horst Carl, JustusLiebig-Universität Gießen Konferenzraum (Siehe S. 8)

Vortrag »Friedrich II. ist tot – Es lebe Friedrich der Große. Zum Nachleben des Preußenkönigs« Vortrag von Tillmann Bendikowski Konferenzraum (Siehe S. 15)

Vom 04.-10.0.9.2012 Studienfahrt der Sudetendeutschen Landsmannschaft in die Tschechische Republik (Siehe S. 18)

Di 11.09. / 15.00 Uhr Kinemathek »Friedrich – Ein deutscher König« (Deutschland, 2011) Konferenzraum

Di 11.09. / 19.15 Uhr »Tannenberg und dann? Die Ostfront im Ersten Weltkrieg 1914 – 1918: Ein anderer Krieg?« Vortrag von PD Dr. Winfrid Halder Konferenzraum (Siehe S. 9)

Mi 12.09. / 19.15 Uhr »Der Krieg, der nicht vergehen will? Die Westfront 1914 – 1918 in der europäischen Erinnerungskultur« Vortrag von PD Dr. Christoph Jahr Konferenzraum (Siehe S. 9)

Do 13.09. / 18.00 Uhr Kinemathek »Wege zum Ruhm« (USA, 1957) Konferenzraum (Siehe S. 12)

Fr 21.09. / 18.00 Uhr Ausstellungseröffnung »Gerhart Hauptmann zum 150. Geburtstag und Schlesien in der Kunst der Gerhart-Hauptmann-Zeit“ Ausstellungsraum (Siehe S. 16)

Fr 21.09. / 19.00 Uhr »´s ist so ein stiller heil´ger Tag.« Auch ein Gerhart-Hauptmann-Abend Musikalisch-literarisches Programm mit Alexandra Lachmann, Elke Jahn, Ulli Hoch Eichendorff-Saal (Siehe S. 20)

Do 27.09. / 18.30 Uhr Kinemathek »Aber das Leben geht weiter« Filmvorführung und anschließendes Gespräch mit der Autorin Karin Kaper Konferenzraum (Siehe S. 17)

Fr. 28.09. | 18.00 Uhr Theateraufführung »Dämonen - Zweisam, Dreisam, Viersam oder Krieg und Frieden am heimischen Herd« Eichendorff-Saal (Siehe S. 21)


27

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Mo-Do 8 - 12.30 ● 13 - 17 Uhr Fr 8 - 14 Uhr Servicezeiten der Bibliothek

Stiftung »Gerhart-Hauptmann-Haus. Deutsch-osteurpäisches Forum» Bismarckstr. 90 40210 Düsseldorf

Mo-Mi 10 - 12.30 I 13.30 - 17 Uhr Do 10 - 12.30 I 13.30 - 18.30 Uhr

Vorsitzender des Kuratoriums:

Sie erhalten damit auch weiterhin die aktuelle Programmzeitschrift unseres Hauses zum Versandkostenpreis.

Öffnungszeiten der Ausstellungen

Reinhard Grätz

WOJ 17. JG. - 1/2012 JANUAR/FEBRUAR/MÄRZ 2012 ISSN 0947-5273

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Mo - Do 10 - 17 Uhr Fr 10 - 14 Uhr Sa auf Anfrage Sonn- und feiertags geschlossen Viele weitere Informationen über das Gerhart-Hauptmann-Haus und zu den im Heft behandelten Themen finden Sie rund um die Uhr - auch im Internet unter:

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www.g-h-h.de. Redaktion:

Dirk Urland M.A. Chefredakteur:

PD Dr. Winfrid Halder

WEST-OST-JOURNAL

Satz und Layout:

1 2012 JANUAR FEBRUAR MÄRZ

Markus Patzke

Zum 300. Geburtstag eines großen Königs mit neuer Veranstaltungsreihe

Herstellung: 03 VORTRAG

09 VORTRAG

11 AUSSTELLUNG

Wohl kein anderer König von Preußen erfreut sich heutzutage eines ähnlichen Bekanntheitsgrades in der deutschen Öffentlichkeit, auch und gerade jenseits der fachwissenschaftlichen Kreise wie Friedrich II., dessen Geburtstag sich am 24. Januar 2012 zum dreihundertsten Mal jährt. Das Porträt des »Alten Fritz« hat hohen Wiedererkennungswert, er gilt wohl noch immer Vielen als die Verkörperung Preußens schlechthin.

Als Wilhelm Matull im Jahre 1973 sein umfangreiches Werk »Ostdeutschlands Arbeiteiterbewegung. Abriß ihrer Geschichte, Leistung und Opfer« vorlegte, steuerte der amtierende Bundeskanzler Willy Brandt ein Geleitwort bei. Darin verlieh er der Hoffnung Ausdruck, das Buch möge dazu beitragen, »dass die ostdeutsche Arbeiterbewegung die ihr zukommende historische und politische Würdigung findet.«

Die Dönhoffs, ursprünglich aus Westfalen stammend, stiegen im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts im Dienst der polnisch-litauischen Krone zu einer bedeutenden Magnatenfamilie auf. Ein Zweig des Hauses ließ sich 1640 in Preußen nieder, wo sie sich zu einer der angesehensten Adelsfamilien entwickelten. De Bodt, schuf mit der Schlossanlage ein eindrucksvolles Zeugnis ...

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Kriegsnachwirkungen… Analytische Gesprächsgruppe für Kriegs- und Nachkriegskinder Etwa 16 Millionen Kinder haben in Deutschland den Krieg erlebt. Bomben, Flucht, Vertreibung, Vaterlosigkeit, Hunger und Gewalt haben in ihren Seelen tiefere Spuren und Verletzungen hinterlassen, als man früher vermutete. Meist blieben sie unaufgearbeitet und unausgesprochen. Um weitermachen zu können, hatte man früh gelernt, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zurückzustellen, sich das Weinen abzugewöhnen und die Angst zu vergraben. Der Dialog zwischen den Generationen war schwierig und versagte oft. Heute weiß man, dass die unverarbeiteten, teilweise traumatischen Kriegs- und Gewalterlebnisse weiterwirken, auch noch in die nachfolgenden Generationen hinein. Sie prägen Lebens- und Beziehungsmuster. Im Alter, wenn die Verpflichtungen aufhören, der Körper gebrechlicher und der »sichere Lebensrahmen» brüchiger wird, kommen oft die alten Erinnerungen wieder stärker hoch. Die Gruppe ist ein Angebot für Betroffene aus diesen Generationen, die ihre Gedanken, Erfahrungen und Gefühle mit anderen teilen und austauschen wollen. Sie können die Gruppe nutzen, um Ihre Biographie näher anzuschauen und besser zu verstehen. Es können aber auch aktuelle Fragen und Probleme angesprochen werden, die vielleicht noch eine Nachwirkung Ihrer besonderen Erlebnisse sind. Regelmäßig, einmal in der Woche, immer zur selben Zeit, können Sie im vertraulichen und geschützten Rahmen frei und offen über alles sprechen, was Sie zu diesem Thema beschäftigt und bewegt. Für Rückfragen stehe gerne zur Verfügung. Eine Teilnahme ist nur mit Anmeldung möglich. In diesem Fall werde ich mich wegen eines Vorgesprächs mit Ihnen in Verbindung setzen. Ab 5. September 2012 - Jeden Mittwoch, 10.30 – 12 Uhr - (nur mit Anmeldung !) Gerhart-Hauptmann-Haus, Raum 311 Kosten: 10 Euro pro Gruppentreffen, Leitung: Doris Taschner Anmeldungen können Sie per mail, Fax, Fon oder Post tätigen unter: Bitte dabei Name, Adresse, Kontaktdaten und das Geburtsjahr (!) angeben. doris.taschner@t-online.de, Fon/Fax: 0211 – 68 61 22

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