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WOJ 16. Jg. - 3/2010

Juli/August/September 2010

ISSN 0947-5273

Sommer, Sonne, Sand, Meer und mehr ...


Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

Inhalt Meer, Strand und Himmel als Sehnsuchtsund Zufluchtsorte 3 Karl Trabalski – ein Mann ohne Furcht und Tadel

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„Wie war das eigentlich? Kindheit und Jugend in Düsseldorf 1945-1955“

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Deutsche in Ostpreußen – heute Eine Reisebericht

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Beilage Kontrapunkt: Matthias Buth – Gedichte

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Gespräch mit Horsthardi Semrau

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Lyrik aus Serbien

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Herta Müller: „Mir ist am Wichtigsten das Thema…“

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Dagmar Nick: Wörter als letzte Bastion

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Königin Luise. Liebe und Leid einer Königin (Deutschland 1957)

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Vortrag und Film: 600 Jahre Schlacht bei Tannenberg/ Grunwald 18 Ausstellung: Rudolf Halaczinsky – „Beziehungen“ 19 Konzert: Polnisch-Jüdisch-Masurischer Dreiklang

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Ursula Dorn: Das Wolfskind auf der Flucht

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Neue Impulse für Heimatstubenbetreuer

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Hauptmanns Dramen in der Stiftung 22 Rezension: Günter Grass im Visier

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10. Nacht der Museen im Gerhart-Hauptmann-Haus

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Bibliothek

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im heißen Düsseldorfer Sommer wächst die Sehnsucht nach kühlendem Nass – früher waren die mondänen Ostseebäder an der Samlandküste, zum Beispiel Rauschen oder Cranz, Magneten für die Erfrischung und Erholung suchenden Großstädter nicht nur aus der nahegelegenen Metropole Königsberg. Wir laden Sie mit diesem Heft ein, wenigstens sozusagen virtuell mit uns nach Ostpreußen zu reisen. Die frühere östlichste Provinz Deutschlands spielt als Geschichts- und Kulturlandschaft eine besondere Rolle; so ist etwa die Erinnerung an die Schlacht von Tannenberg/ Grunwald am 15. Juli 1410, also vor 600 Jahren, Pflicht. Denn von der Niederlage, die das Heer des Deutschen Ordens gegen eine polnisch-litauische Streitmacht an jenem Tage erlitt, gingen weitreichende Wirkungen für die Entwicklung der ganzen Region aus. Jenseits der Historie zeigen andere Beiträge, wie lebendig Ostpreußen, so verändert es auch sein mag, noch immer ist. Und Svetlogorsk (Rauschen) oder Selenogradsk (Cranz) sind immer noch oder vielmehr wieder lohnende Ziele für diejenigen, die Erholung suchen und dabei vielleicht auch gerne einmal einen Blick in die Geschichte werfen. Es muss ja nicht immer Noordwijk sein, so schön es dort auch ist … Jenseits von Ostpreußen finden Sie wieder zahlreiche andere Themen in diesem Heft, die uns nicht minder am Herzen liegen. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit in besonderer Weise auf den Bericht über unser jüngstes Schulprojekt lenken, das einmal mehr unter Beweis gestellt hat, wie fruchtbar der Dialog zwischen der Enkel- und der Großelterngeneration sein kann, wenn man ihn nur ein wenig anstößt. Dergleichen Projekte wollen wir in Zukunft verstärkt anbieten – und sind dankbar, wenn Sie uns dabei unterstützen, zum Beispiel durch die Vermittlung von Schulkontakten. Im August sei unserem treuen Publikum eine Verschnaufpause gegönnt, wir schließen das Haus und Sie verpassen nichts. Aber ab Anfang September wartet auf Sie wieder ein vielfältiges und anspruchsvolles Programm, zu dem wir Sie herzlich einladen. Erholen Sie sich gut von den Anstrengungen und Aufregungen des Sommers, ob nun an der Ost- oder der Nordsee oder im Riesengebirge oder in den Alpen oder, oder, oder … Wir freuen uns darauf, Sie wieder hier bei uns im Hause begrüßen zu dürfen, gleichviel ob die deutsche Fußballnationalmannschaft zwischenzeitlich die Weltmeisterschaft gewinnt oder nicht. Es gibt nicht nur ein Leben, sondern auch ein Programm nach dem Fußball. Herzlich Ihr

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Meer, Strand und Himmel als Sehnsuchts- und Zufluchtsorte der Künstler Nidden (Nida) und die Kurische Nehrung Nida (deutsch Nidden) ist ein Dorf auf der Haffseite der Kurischen Nehrung an der Ostsee, heute zu Litauen gehörend. Bis 1919 gehörte Nidden zum Deutschen Reich; mit Abschluss des Vertrages von Versailles 1919 wurde der Ort dem VölkerbundMandat „Memelland“ zugeteilt (mit Grenze gegen Ostpreußen einige Kilometer südlich, etwa an der heutigen Grenze gegen die russische Kaliningradskaja Oblast im Bereich der Hohen Düne, Parnidžio Kopa); ab 1923 bis 1939 gehörte es zum unabhängigen Litauen; 1939-1945 wieder zum Deutschen Reich, und ab 1945 bis 1990 (Potsdamer Vertrag) zur Litauischen Sowjetischen Sozialistischen Republik; ab 1990 zum erneut unabhängigen Litauen. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war Nidden bekannt als Künstlerkolonie. Im Herbst 1809 schrieb Wilhelm von die Dünen bei List auf Sylt? Man muss Humboldt nach einer Reise entlang der sie sich verfünffacht denken, man glaubt, Nehrung mit der Kutsche von Tilsit in der Sahara zu sein. Der Eindruck ist über Memel nach Pillau. „Die Kurische elementar und fast beklemmend…. Die Nehrung ist so merkwürdig, daß man Farbenpracht ist unvergleichlich, wenn sie eigentlich ebensogut als Spanien und der Osthimmel das Feuerwerk des westliItalien gesehen haben muß, wenn einem chen widerspiegelt. Diese Farbenpracht ist nicht ein wunderbares Bild in der Seele unbeschreiblich. Zarteste Pastellfarben in fehlen soll.“ „Ein schmaler Streifen toten Blau und Rosa, und der federnde Boden ist Sandes, an dem das Meer unaufhörlich geschmückt mit den feinen Wellenlinien, auf einer Seite anwütet, und den an der die der Wind hineinzeichnet.“. Seit Mitte anderen eine ruhige Wasserfläche, das des 19. Jahrhunderts fanden sich Künstler Haff, bespült. So fuhr ich fast 24 Stunden und Künstlergruppen an den abgeschiedelang, einen Tag und eine mondhelle Nacht, nen Orten der Küsten Mecklenburgs und immer mit einem Rad im Wasser.“ Pommerns ein auf der Suche nach einer Da lag die Zeit der begeisterten Künstler intakten Umwelt, angezogen von den und Schwärme ländlichen Movon Gästen noch tiven und dem in der Zukunft. Wunsch nach har„Wer war nicht in monischer Einheit den Bann dieses von Mensch und Zaubers geschlaNatur. Auch im gen, der seinen ersten Drittel des Fuß auf dieses 20. Jahrhunderts Eiland setzte?“, blieb für die Maschrieb der beler des deutschen kannte ostpreußiExpressionismus sche Maler Ernst die Ostseeküste Mollenhauer (27. InspirationslandAugust 1892 im schaft, Schauplatz ostpreußischen der Naturelemente Tapiau; † 3. April und Ort der Uto1963 in Düssel- Der Gasthof Blode vom Haff aus gesehen pie. Der Aufbruch dorf) etwa 120 ins Freie war eine Jahre später über Nidden auf der Ku- Reaktion der Moderne auf die Zwänge der rischen Nehrung. Auch Thomas Mann Urbanisierung und Industriegesellschaft, schwärmte zur gleichen Zeit: „Man könnte die Malerei seit 1900 war Teil dieser glauben, in Nordafrika zu sein … Die un- Aufbruchsbewegung. Die in den Künstgeheuren Sandwände der Düne soll man lerkolonien entstandenen Bilder drückten lieber nicht hinauf klettern, denn das Herz diese harmonische Einheit von Natur und wird dabei sehr angestrengt. Kennen Sie Kultur anschaulich aus. Die Küste galt als

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Gustav Boese, Niddener Fischer, ca. 1920. Weitere Arbeiten des „Malers des Memellandes“, Gustav Boese, befinden sich in der Sammlung der Stiftung. harmonisch schön; die Kultur der Bauern und Fischer, ihre Häuser, Kähne, Felder, Deiche gehörten dazu. Zu diesem Zeitpunkt rückte die Ostseeküste in den Blick des Massentourismus. Doch die Maler der Avantgarde suchten überwiegend nicht die vornehmen eleganten Badeorte auf, sondern schwieriger zu erreichende Küsten und einfache kleine Orte wie Ahrenshoop, Hiddensee, Prerow oder Deep und Nidden in Ostpreußen. Manche der einsamen Küstenorte wurden dann in wenigen Jahren vom Badetourismus erobert und zu typischen, beliebten Seebädern. Ahrenshoop, das noch in den 1890er Jahren als außergewöhnlich einsam und unberührt galt „ohne ein öden Nützlichkeitsbau mit Pappdach, nichts, was den Gesamteindruck störte …, kein Drahtzaun, keine Reklametafel“, so der Oldenburger Landschaftsmaler Paul Müller-Kaempff , dieses Künstlerdorf enttäuschte 25 Jahre später den Künstler Max Pechstein, der auf der Suche nach der Ahrenshooper Malerkolonie ein typisches Seebad mit Villen und Pensionen vorfand. Das viel weiter östliche Nidden auf der Kurischen Nehrung war zu dem Zeitpunkt noch anders, urwüchsiger, abwechslungsreicher. Nidden auf der Kurischen Nehrung, heute zu Litauen gehörend, zog durch seine Lage zwischen Ostsee und Haff - vor allem aber durch die großartige Dünenlandschaft schon früh Künstler insbesondere auch der Königsberger Akademie an, Ernst Bischoff-Culm und Ernst Mollenhauer, Fortsetzung auf Seite 4

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Gustav Boese. Die Bezeichnung Künstlerkolonie verdankte Nidden auch dem Gastwirt Herrmann Blode, der in seinem 1867 gegründeten Hotel alle Künstler willkommen hieß. Er richtete ein Atelier ein, das zeitweise Oskar Moll und Max Pechstein gemietet hatten. Die Gaststube sah bald aus wie eine Galerie, da Blode ein eifriger Sammler war und Bilder als Bezahlung für Kost und Logis annahm. Bei Blode wohnte im Jahre 1890 auch Lovis Corinth, der 1893 den Friedhof von Nidden malte. Der Maler Ernst Mollenhauer war ebenfalls bei Herrmann Blode zu Gast und blieb. Mollenhauer hatte 1920 Blodes Tochter Hedwig geheiratet und sie übernahmen 1934, als der „Patriarch“ Herrmann Blode starb, die Leitung des Gasthofes. In vielen Bildern Mollenhauers scheint das besondere Licht der Nehrung, die Farbigkeit der Natur auf. Immer wieder malte er Sonnenaufgänge und Sonnenuntergänge, oft wird die Sonnenscheibe von einem lichtvollen, zumeist überdimensionierten Farbrund umgeben - mal in Goldgelb, ein andermal in Orange, auch in Rot. Aber auch die später berühmt gewordenen Expressionisten Karl Schmidt-Rottluff und Max Pechstein besuchten mehrfach Nidden und schufen hier bedeutende Werke. Die Anwesenheit der beiden BrückeMaler war für alle Künstler wohl recht anregend, wie sich Ernst Mollenhauer erinnerte: „Auf der Blodeschen ‚Künstlerveranda‘ wurden beim Schein kleiner Petroleumlämpchen große Kunstprobleme diskutiert.“ Der stille Platz, den Pechstein bei seinem ersten Besuch 1909 vorfand, war Nidden in den 1930er Jahren nicht mehr. 1930 erwähnt Ernst Mollenhauer beim Einzug

Ernst Mollenhauer (1892-1963), „Hafen in Nidden“, 1962

Thomas Manns in Nidden rückblickend: „Allmählich befürchten die Niddenegoisten die Invasion des ‚Kurfürstendamms‘, kam mit ihm (Thomas Mann) doch auch der erste Strandkorb in das Badeparadies“. Thomas Mann hatte sich dort ein Sommerhaus bauen lassen, das er vor seiner Emigration nur noch wenige Jahre nutzen konnte (heute als kleines Museum umgestaltet). „Man schlug uns vor, die Nehrung zu besuchen. Gut, wir fuhren also für einige Tage nach Nidden auf der Kurischen Nehrung und waren so erfüllt vor der Landschaft, daß wir beschlossen, dort Hütten zu bauen, wie es in der Bibel heißt. Man findet einen erstaunlich südlichen Einschlag. Das Wasser des Haffs ist im Sommer bei blauem Himmel tiefblau. Es wirkt wie das Mittelmeer. Es gibt dort eine Kiefernart, Pinien ähnlich. Die weiße Küste ist schön geschwungen... Im Osten über dem Haff steigt morgens die Sonne auf. Das Haff ist das Hauptarbeitsgebiet der Fischersleute. Im Fischerdorf findet man an den Häusern vielfach ein besonders leuchtendes Blau, das sogenannte Niddener Blau, das für Zäune Das Thomas-Mann-Haus in Nidden. Thomas Mann und Zierrate benützt verbrachte hier die Sommerferien 1930-1932. Ein Teil der wird. Alle Häuser, Roman-Tetralogie „Joseph und seine Brüder“ entstand hier.

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auch das unsere, sind mit Stroh - und Schilfdächern gedeckt und haben am Giebel die heidnischen gekreuzten Pferdeköpfe.“ (Aus: „Mein Sommerhaus“ - Ein Vortrag von Thomas Mann, 1931) Anfang der 1940er Jahre war Nidden dann zunehmend begehrtes Sommerreiseziel, mit hunderten von Hotelbetten und Privatquartieren in den Ortsteilen von Nidden. Als im März 1939 das Memelgebiet ins Deutsche Reich eingegliedert wurde, war das Ende der Künstlerkolonie und die geistige, künstlerische Freiheit auch in Nidden eingeläutet, das Haus Thomas Manns wurde mit Steinen beworfen, Maler wie Ernst Mollenhauer galten unter den Nazis mit ihrem expressionistischen Malstil als „entartet“ und erhielten sofortiges Ausstellungsverbot. Trotz allem blieb Nidden lebhafter Badetourismusort, da bis 1944 dieser Teil des Reiches von direkten Kriegseinwirkungen verschont blieb. Das endgültige Ende der Künstlerkolonie war mit der Zerstörung und Plünderung des Hauses Blode und dessen umfangreicher Gemäldesammlung durch einmarschierende sowjetische Truppen im Februar 1945 besiegelt. Auch Ernst Mollenhauer, der letzte Besitzer des Hauses Blode hat sein geliebtes Nidden und das Memelland nicht wiedergesehen. Nach Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft errichtete er sich auf Sylt Anfang der 1950er Jahre ein Atelier. Auf Sylt malte er immer und immer wieder auch Niddener Motive. Katja Schlenker

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Nachruf

Karl Trabalski – ein Mann ohne Furcht und Tadel Wohnungswesen. Daneben beim Roten Kreuz und bei der Arbeiterwohlfahrt. 1966 kam Karl Trabalski in den Landtag und gehörte ihm 24 Jahre an. Seine beiden Ausschüsse waren der für Wohnungs- und Städtebau und der Haushalts- und Finanzausschuss. Jahrelang war er Ausschussvorsitzender für den Bereich Wohnungs- und Städtebau. Die Wohnungsbaupolitik hat er in den 70er Jahren, von Jochen Vogel hochgelobt, bundesweit beeinflusst. Er ließ durchaus durchblicken, dass er in der Finanzpolitik Milliarden bewegt hatte, nicht zuletzt im Hochschulbau im Zusammenwirken mit dem legendären Ministerialdirigenten F. Hallauer. Karl Trabalski war in seiner Partei weder „rechts“ noch „links“. Er dachte nicht in solchen Kategorien. Bei aller Gesprächsfähigkeit blitzte bei ihm nicht selten eine ausgeprägte Radikalität auf. Insbesondere, wenn es um Extremisten von rechts und links ging. Nach seinem Ausscheiden aus dem Landtag musste K a r l Tr a balski harte Schicksalsschläge ertragen. Als Pendler ging er nach Leipzig, um die Wohnungsgesellschaft seiner Heimatstadt zu leiten. Bei meinem ersten Besuch dort berichtete er in seiner gelegentIm Gerhart-Hauptmann-Haus: (v.l.n.r.) Karl Trabalski, Minister lich rigoHermann Heinemann, Konrad Grundmann rosen Art, dass er alle zender der SPD Niederrhein geworden, er vorher zur SED gehörenden leitenden Mitarbeiter entlassen habe. Mir scheint, blieb aber stellvertretender Vorsitzender. Der Dipl. –Kaufmann wurde wissen- dass hier ein Schlüssel für die Vorwürfe schaftlicher Mitarbeiter des DGB, er liegt, die man später gegen ihn erhob. Für engagierte sich im genossenschaftlichen Außenstehende war die Anschuldigung, er Nur ein gutes halbes Jahr nach Konrad Grundmann ist am 5.12.09 Karl Trabalski im Alter von 86 Jahren verstorben. Damit sind die beiden Männer kurz nacheinander gegangen, die wie keine anderen die Stiftung und das Gerhart-Hauptmann-Haus über Jahrzehnte auf der Gremienseite geprägt hatten. Mit dieser Aussage tut man sicher den anderen verdienten Akteuren im Umfeld des Hauses keinen Abbruch. Beide waren fast vier Jahrzehnte in den Gremien tätig, Karl Trabalski lange als Kuratoriumsvorsitzender, zuletzt als Ehrenvorsitzender. Da ich seit 1976 in den Gremien mitarbeitete, konnte ich das gute Zusammenwirken beider beobachten, wobei die gemeinsame gewerkschaftliche Vergangenheit wohl eine Hilfe war. Karl Trabalski war bekennender Leipziger und dennoch Düsseldorf eng verbunden, in dem er nach seiner Flucht bald Fuß gefasst hatte. Sein Vater war Bezirksvorsitzender der SPD in Sachsen, darauf war Karl Trabalski schon etwas stolz. Gern wäre er in den 70er Jahren Bezirksvorsit-

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Karl Trabalski

habe als Geschäftsführer seine Kompetenzen überschritten, undurchschaubar. Leider beteiligten sich daran auch „Wessis“. Erst nach einem zermürbenden Jahrzehnt kam es zu einem Abschluss, ohne dass gravierende Vorwürfe aufrecht erhalten wurden. In diese Zeit fiel auch der zu frühe Tod seiner Frau Ursel, der er innig verbunden war. Vor genau 40 Jahren lernte ich Karl Trabalski kennen. Manche persönliche Begegnung bleibt in Erinnerung. Zahlreiche Briefe und Notizen in seiner so markanten Handschrift, die der des von ihm so geschätzten Johannes Rau nicht nachstand, liegen noch in meinen Unterlagen. In der ganzen Zeit habe ich beobachtet, wie er sich, unabhängig von den großen Linien in seinem Leben, ständig und vielstündig mit den Fragen der Vertriebenen, Flüchtlinge und Spätaussiedler beschäftigte. Dies nicht nur in der Stiftung, sondern auch als zuständiger Arbeitskreisvorsitzender in der SPD NRW. Angesichts des Erlebten mit der Nazi- und SED-Diktatur war ihm dies wohl selbstverständlich. Er kämpfte immer für die Würde der Menschen, die Unrecht erlitten hatten. Das Leben, an dem Karl Trabalski in den letzten Jahren kaum noch teilhaben konnte, hatte ihn gelehrt, mutig zu sein. Dieser zutiefst redliche und hochverdiente Mann hat unser dankbares Erinnern verdient. Reinhard Grätz Kuratoriumsvorsitzender

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Schulprojekt

„Wie war das eigentlich? Kindheit und Jugend in Düsseldorf 1945-1955“ Ein Resümée zu einem generationenverbindenden Projekt Zwischen März und Juni 2010 führte der Direktor der Stiftung Gerhart-HauptmannHaus gemeinsam mit Oberstudienrat Otto Bander, der am Schloß-Gymnasium in Düsseldorf-Benrath die Fächer Geschichte und Katholische Religion unterrichtet, ein Schulprojekt durch. Dieses wurde in den regulären Geschichtsunterricht integriert. Die grundlegende Projektidee bestand darin, knapp 40 Schülerinnen und Schüler zweier Geschichtskurse der Jahrgangsstufe 11, die im Schnitt 16 bis 17 Jahre alt sind, ins Gespräch mit Angehörigen der Generation zu bringen, die am Ende des Zweiten Weltkriegs bzw. in der frühen Nachkriegszeit ungefähr gleichaltrig war. „Zum Sprechen gebracht werden“ sollten folglich Personen, die der sogenannten „Erlebnisgeneration“ angehören, die jedoch das Kriegsende und die unmittelbar anschließende Phase aus der Perspektive von Kindern oder Heranwachsenden erlebt haben. Dadurch sollten die Jugendlichen von heute in die Lage versetzt werden, ihre gegenwärtige Lebenswelt in Beziehung zu derjenigen ihrer Altersgenossen von vor mehr als sechs Jahrzehnten zu setzen. In Anbetracht des fortschreitenden demographischen Wandels, der zur Folge hat, dass immer weniger Junge im Rahmen unseres Sozialsystems Lasten für immer mehr Alte zu tragen haben, erscheint ein verbesserter Generationendialog dringend geboten. Dadurch wird das wechselseitige Verständnis für unterschiedlichen Prägungen und Lebensleistungen gefördert. Darüber hinaus sollten zwangsläufig weithin abstrakt und stark politikorientiert vermittelte Inhalte des Geschichtsunterrichts (NS-Diktatur und Gründungsphase der Bundesrepublik Deutschland) lebensgeschichtlich illustriert und konkretisiert werden. Jede Schülerin und jeder Schüler hatte ein Zeitzeugeninterview zu führen und zu dokumentieren. Die Wahl des jeweiligen Interviewpartners wurde bewusst von Seiten der Projektleitung lediglich durch die oben genannte ungefähre Altersgruppenzugehörigkeit der zu Interviewenden vorgegeben. Außerdem sollten die betreffenden Personen nach Möglichkeit bereits damals in Düsseldorf gelebt haben,

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das war aber nicht verbindlich. Viele, aber keineswegs alle Schülerinnen und Schüler fanden ihre Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner im engeren Familienkreis. Daneben wurden aber auch Kontakte zu bislang unbekannten Personen geknüpft. Im ersten Projektabschnitt erhielten die Schülerinnen und Schüler vor allem eine konkrete Anleitung zur systematischen Anlage und Protokollierung von Zeitzeugeninterviews. Dabei wurden ihnen methodische Kenntnisse der „oral history“ vermittelt. Es handelt sich hierbei um

kenswerte Ergebnisse zutage. So erhärten die vorliegenden lebensgeschichtlichen Selbstaussagen der Befragten den in der jüngeren Forschung zum Aussagewert von Zeitzeugenbefragungen bereits formulierten Befund, dass zwischen dem „kulturellen Gedächtnis“ und dem „kommunikativen Gedächtnis“ einer Gesellschaft – konkret der deutschen Gesellschaft – erhebliche Differenzen bestehen. Das kulturelle Gedächtnis meint in der Hauptsache den überindividuell fixierten Bestand an historischem Wissen, verkürzt gesagt das „öffentliche Geschichtsbild“. Das kulturelle Gedächtnis konkretisiert sich insbesondere in (geschichtswissenschaftlichen) Veröffentlichungen, medialen Geschichtsdarstellungen (z. B. Fernsehdokumentationen) oder öffentlichen Gedenkmanifestationen (z. B.

Malika Fachrou bedankte sich im Namen der Schüler für dieses Projekt: „Ich hoffe, dass wir Jugendlichen jetzt vielleicht sogar in der Lage sind, zwar nicht immer, aber doch ab und an, uns auch über Glücksmomente zu freuen, egal wie klein sie auch sein mögen“. einen Forschungsansatz, der in der internationalen Geschichtswissenschaft schon seit mehreren Jahrzehnten Anwendung findet. Eine eingehende Vor- und Nachbereitung von „oral history“-Interviews ist unerlässlich. Die Schülerinnen und Schüler erhielten einen eingehend erläuterten und diskutierten Fragenkatalog, welcher bei den Zeitzeugengesprächen Verwendung finden sollte. Die vergleichende Auswertung aller im Rahmen des Projektes entstandenen Interviewtexte förderte einige bemer-

Denkmäler, staatliche oder kommunale Veranstaltungen zu historischen Gedenkdaten o. ä.). Demgegenüber meint das kommunikative Gedächtnis den Bestand an individuellem, lebensgeschichtlich dominiertem Erfahrungswissen, das im Regelfall wenn überhaupt nur mündlich (zumeist innerfamiliär) tradiert wird. Bedingt durch die Form der „Aufbewahrung“ im Gedächtnis von Einzelpersonen und die Art und Weise der Weitergabe verliert eine Gesellschaft den größten Teil des kommunikativen Gedächtnis im Verlauf

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Schulprojekt von etwa drei Generationen infolge des Todes der Inhaber des individuellen Erfahrungswissens – sofern nicht Teile davon bewusst in das kulturelle, überindividuell fixierte (d. h. im Regelfall verschriftlichte) Gedächtnis überführt werden. Genau dazu hat das vorliegende Projekt einen Beitrag geleistet, da es die mündliche Tradition von Lebensgeschichten in Schriftform „übersetzt“ hat. Am auffälligsten hinsichtlich der Differenz zwischen kulturellem und kommunikativen Gedächtnis ist beim vorliegenden Projekt – wie in früheren Zeitzeugenprojekten auch – die weitgehende Abwesenheit von Politik in der individuellen Erinnerung hinsichtlich der Zeit, in der sich der Untergang der NS-Diktatur und die Gründung der zweiten deutschen Demokratie vollzogen. Im Unterschied zum kulturellen Gedächtnis, in dem die bedingungslose Kapitulation des Deutschen Reiches am 8./9. Mai 1945 und die Gründung der Bundesrepublik Deutschland am 23. Mai 1949 als Zäsuren eine zentrale Rolle spielen, werden diese Daten von den Befragten für ihre persönliche Lebensgeschichte offenbar so gut wie gar nicht als Einschnitte erinnert. Auch Namen von handelndem politischem Personal, gleich welcher weltanschaulichen Zugehörigkeit, werden nur sehr selten genannt. Dieser Befund wiegt umso schwerer als der zugrundegelegte Fragenkatalog die Erinnerung an politische Zusammenhänge und Vorgänge ausdrücklich einschloss. Am ehesten spielt noch der Faktor der Entnazifizierung, wenn auch zumeist indirekt, eine Rolle – vor allem beim wiederholt auftauchenden Hinweis auf den Mangel an Lehrkräften, welcher offenkundig den schulischen Alltag von vielen Befragten mitgeprägt hat. Die positive Kehrseite dieser Entwicklung, die Demokratisierung nämlich, wird dagegen explizit praktisch nicht thematisiert. Bei der Bewertung dieses Ergebnisses ist selbstverständlich das Alter der Befragten damals in Rechnung zu stellen, die zum allergrößten Teil Kinder, allenfalls Heranwachsende waren und demgemäß überwiegend noch keine ausgeprägten politischen Interessen entwickelt haben konnten. Gleichwohl mag die geringe Verankerung von „demokratischen Grunddaten“ im individuellen Gedächtnis skeptisch stimmen hinsichtlich der Tiefenwirkung von geschichtspolitischer Breitenarbeit. Im Vordergrund der entstandenen Erin-

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Projektpräsentation in der Aula des Schloß-Gymnasiums in Benrath, am Rednerpult PD Dr. Winfrid Halder nerungstexte stehen also nicht politische Themen, sondern vielmehr für das Alltagsleben damals bestimmende Komponenten. Herausragenden Stellenwert haben, auch das überrascht nicht, Erinnerungen an die Folgen des strategischen Bombenkrieges gegenüber deutschen Städten. Gerade hinsichtlich der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die tatsächlich bereits als Kinder in Düsseldorf lebten, ist die hohe Präsenz der individuellen Erinnerung an den Bombenkrieg kein Wunder, war doch diese rheinische Großstadt – wie andere auch – fast von Kriegsbeginn im September 1939 an Ziel von Fliegerangriffen. Deren Gesamtzahl summierte sich bis zum 17. April 1945, dem Tag, an dem Düsseldorf von US-Truppen besetzt wurde, auf mehrere Hundert. Rund 6.000 Einwohner Düsseldorfs starben im Bombenhagel, ungezählte wurden verletzt. Das Stadtbild war gekennzeichnet von massivsten Schäden an öffentlichen und Wohngebäuden. Die starke Prägung der individuellen Erinnerung durch den Bombenkrieg stand lange Zeit in Widerspruch zu dessen Stellenwert in der öffentlichen Gedenkkultur. Nicht zuletzt das heftig diskutierte Buch des Publizisten Jörg Friedrich „Der Brand“, das im Jahre 2002 erschien und das gerade das individuelle Erleben der zivilen Opfer erstmals in dieser Breite in den Mittelpunkt stellte, hat hier eine erhebliche Änderung bewirkt. Naheliegend ist in diesem Zusammenhang im Übrigen, dass die „Kinderlandverschickung“ in den vorliegenden Berichten immer wieder auftaucht; mit Hilfe der behördlich organisierten Verlegung zumeist von ganzen Schulklassen in vermeintlich

weniger luftkriegsgefährdete Regionen sollten wenigstens Teile der deutschen Jugend geschützt, zugleich jedoch auch verstärkt ideologisch indoktriniert werden. Die Berichte hier unterstreichen, dass die Zwangstrennung von der Familie vielfach traumatisch erfahren wurde. Darüber hinaus spielt, wiederum naheliegend, die Erinnerung an die Sorge um Militärdienst leistende und/oder in Kriegsgefangenschaft geratene Familienangehörige eine wichtige Rolle. Insgesamt befanden sich fast 11,1 Millionen Deutsche über kürzere oder längere Zeit im militärischen Gewahrsam der Siegerstaaten des Zweiten Weltkrieges. Zum Zeitpunkt der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Frühjahr 1949 waren noch immer über 400.000 Deutsche in Kriegsgefangenschaft, zum allergrößten Teil in der Sowjetunion, während die Westalliierten ihre Gefangenen (bis auf die vergleichsweise sehr geringe Zahl der verurteilten Kriegsverbrecher) bereits bis Mitte 1947 (USA) beziehungsweise Ende 1948 (Großbritannien und Frankreich) vollständig entlassen hatten. Die in den gesammelten Berichten wiederholt fassbare kindliche Negativerfahrung der kriegsbedingten Abwesenheit vor allem von Vätern und anderen männlichen Bezugspersonen und deren langfristige Folgen haben auch erst in jüngerer Zeit in der Geschichtswissenschaft, aber etwa auch der Psychotherapie verstärkt Beachtung gefunden. Weiterhin stehen die eklatanten Mängel in der Nahrungsmittel- und Konsumgüterversorgung in der frühen Nachkriegszeit im Zentrum der individuellen ErinnerunFortsetzung auf Seite 8

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Schulprojekt gen. „Hunger“ dürfte zu den meist genannten Vokabeln quer durch alle Berichte gehören. Die Versorgungskatastrophe der unmittelbaren Nachkriegszeit, die im Winter 1946/47 ihren Tiefpunkt erreichte, hat demnach so prägend gewirkt wie kaum ein anderes Element der Zeit seit 1945. Die vorliegenden Texte illustrieren die verschiedenen „Überlebensstrategien“, die dadurch erzwungen wurden. Dazu passt sehr gut, dass die Währungsreform in den westlichen Besatzungszonen am 20. Juni 1948 wiederholt auch als persönlich bedeutsamer Einschnitt erinnert wird. Die 40 DM „Kopfgeld“, die damals pro Person ausgegeben wurden, haben sich in erstaunlicher Genauigkeit in das Gedächtnis vieler Zeitzeuginnen und Zeitzeugen eingegraben – ebenso wie die der Währungsreform folgende rasche Verbesserung der Versorgungslage. Demgemäß wirkte also nicht die Gründung der Bundesrepublik Deutschland ein knappes Jahr später bestimmend, sondern vielmehr die wirtschaftspolitische Richtungsentscheidung des Jahres 1948 – dies allerdings nicht aufgrund ihrer theoretischen Ausrichtung (Rückkehr zur Marktwirtschaft), sondern aufgrund ihrer materiellen Folgewirkungen. Schließlich ist zu bemerken, dass durch etliche hier versammelte Zeitzeugenberichte den beteiligten Schülerinnen und Schülern gewissermaßen „nebenbei“ Aspekte der deutschen Nachkriegsgeschichte nahegebracht werden, die im schulischen Geschichtsunterricht meist nur wenig behandelt werden können. Dies gilt etwa für das Thema Flucht und Vertreibung aus den historischen deutschen Ostgebieten. Die von der Projektleitung gehegte Erwartung, dass unter den befragten Zeitzeuginnen und Zeitzeugen mit gewissermaßen hoher statistischer Wahrscheinlichkeit solche sein würden, in deren Erinnerung an die Zwangsmigration der ostdeutschen Bevölkerung verankert sein würde, hat sich bestätigt. Im Rahmen des Projektes sind nicht allein eindrückliche Erinnerungstexte entstanden. Als dessen vielleicht größter Gewinn sind die Reaktionen der Schülerinnen und Schüler auf ihre teilweise höchst emotionalen Gesprächserlebnisse zu bewerten. Der intensive Austausch mit Angehörigen der älteren Generation ist zumeist nicht ohne tiefen Eindruck geblieben, der die Reflexion über die eigene Situation heute erheblich verändert hat. Winfrid Halder

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Alexandra Lüer übergibt ihrer Oma, Beate Molkenthin, ein Exemplar der gesammelten Zeitzeugeninterviews Die Erinnerungstexte wurden in einem Reader gebunden und den Jugendlichen und anwesenden Zeitzeugen am Abend der Präsentation im SchloßGymnasium-Benrath übergeben. Einige Schülerinnen und Schüler berichteten eindrucksvoll über Erfahrungen und Empfindungen mit ihren Zeitzeugen während des Oral-History-Projekts, so z.B. Alexandra Lüer: Mein Zeitzeuge ist meine Oma, Beate Molkenthin, geborene Müller. Man denkt immer, man weiß alles über die eigene Familiengeschichte. Deswegen habe ich mich auch entschlossen meine Oma zu interviewen, denn ich dachte, ich würde schon alles wissen, was sie zu erzählen hat. Wie verschieden können Kindheiten schon verlaufen, es sind ja nur wenige Generationen Unterschied. Nun, da hatte ich mich wohl wieder sehr getäuscht. Meinen Erwartungen zwar zufolge hatte meine Oma, meine Zeitzeugin, kein so unbeschwertes Leben wie die Kinder im 21. Jahrhundert. Doch vieles war damals auch besser! Heutzutage denken viele Kinder schon, sie wären die unglücklichsten Kinder der Welt, wenn sie nicht die neuste Spielkonsole besitzen und deswegen nicht mitreden können. Sie haben keine Probleme mehr, die über Leben und Tod entscheiden, sondern nur noch die Probleme, die unsere Gesellschaft erzeugt. In dem Punkt hatte meine Oma es besser. Die Gesellschaft war nicht dieselbe und man kannte vor allem eins, was sehr stark ausgeprägt war: Der Familien-Zusammenhalt. Die Familie hielt zusammen, in guten wie in schlechten Zeiten, und damals gab es für unsere heutigen Verhältnisse

praktisch nur schlechte Zeiten. Nur dass die Menschen es damals nicht unbedingt als schlechte Zeit sahen. Es konnte kommen, was da wollte, die Familie blieb zusammen, das war die Hauptsache. Das hat mich tief beeindruckt, und in dem Punkt könnte ich meine Oma schon fast beneiden. Aber natürlich hatte sie es in meinem Alter nicht leicht, nein. Ich kann heutzutage einfach den Kühlschrank aufmachen oder mir unterwegs schnell was kaufen, was ich haben möchte, denn es gibt alles im Überfluss. Mehr Nahrung als es Abnehmer dafür gibt. Alles ist völlig unbeschwert, man kann mit dem Essen prassen, sich importierte Luxus-Delikatessen kaufen und auch vom Geld hat man vergleichsweise viel, auch wenn sich heute jeder beschwert, dass der und der mehr verdient als man selbst und man sich nichts im Leben leisten könne. Dann soll man doch einfach mal einen Blick auf die Vergangenheit der eigenen Familie werfen. Die Vorfahren, in meinem Fall meine Oma, hatten es schwer, es gab nicht genug zu essen, kein Geld für Kleidung und der Zweite Weltkrieg ist sicher auch eine Erfahrung, die ich nicht gerne machen würde. Eine Kindheit, geprägt von Grausamkeit und Hunger – und trotzdem viele schöne Momente, die einen das ganze Leben lang begleiten werden. Ich glaube nicht, dass ich meine Kindheit mit der von meiner Oma eintauschen würde, aber es gibt viele kleine Glücksrezepte, die wir uns von unseren Vorfahren abschauen könnten. Mein Name ist Alexandra Lüer, ich bin 17 Jahre alt und habe bei der Zeitzeugenbefragung mitgewirkt.

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Reisebericht

Deutsche in Ostpreußen – heute Eine Reise mit Mitgliedern des Landesvertriebenenbeirats unter Führung des Vorsitzenden Thomas Kufen Deutsche in Ostpreußen, gar im nördlichen, heute russischen Teil des Landes? Das ist Geschichte, das war einmal, damals, vor der großen Katastrophe, welche die einst östlichste Provinz Preußens gegen Ende des Zweiten Weltkrieges zuerst und daher mit gänzlich ungeminderter Wucht traf. Vor der Katastrophe, die im Oktober 1944 als angsterfüllte Flucht vor der Rache der Roten Armee begann und die im Sommer 1947 mit den letzten Richtung Westen abgehenden Deportationszügen endete, angefüllt mit ausgemergelten Vertriebenen. Das war der traurige Schlussstrich unter mehr als 700 Jahre deutscher Geschichte zwischen Nogat und Memel, 700 Jahre, die in den Strudel von Gewalt, Gegengewalt und Untergang gerissen wurden, welche jene unsäglichen 12 Jahre über Deutschland und fast den ganzen Rest Europas brachten. Deutsche im nördlichen Ostpreußen heute also? Als Touristen gibt es sie, si-

alten Ostpreußen verbunden ist. Denn die Russlanddeutschen sind ihrerseits Opfer Hitlers und Stalins und ihrer Helfer geworden, nur begann ihre Katastrophe dreieinhalb Jahre vor dem Untergang der damaligen deutschen Ostprovinzen, nämlich schon im Sommer 1941. Wir haben einige von ihnen getroffen, einige Russlanddeutsche, die in der heutigen Oblast Kaliningrad leben, haben wir gesprochen – und wir haben dazu gelernt. Schon die Anreise nach Königsberg/ Kaliningrad war eindrucksvoll. Für den Abstecher in die Innenstadt von Danzig/ Gdańsk blieb wenig Zeit – was zu bedauern war, denn selbst der kurze Spaziergang vorbei am Krantor mit Stippvisite in der Marienkirche und zurück, zeigte wie prachtvoll auch hier die vorzüglichen polnischen Restaurateure gearbeitet haben. Auf der eiligen Fahrt in Richtung auf den polnisch-russischen Grenzübergang bei Braunsberg/Braniewo fanden wir die Tore des Frauenburger Doms bereits geschlossen. So wird nichts aus unserer Reverenz an Kopernikus in seiner erst vor wenigen Wochen eingeweihten neuen Grabstätte, in der er – wie uns die moderne Gentechnik unlängst bestätigte – auch wirklich ruht. Der Grenzübergang bei Heiligenbeil/Mamonowo belehrt uns verwöhnte SchengenEuropäer einmal mehr darüber, dass Polen ein westliches Land ist und dass jenseits von dessen Vor dem Deutsch-Russischen Haus in Königsberg Grenze zur Oblast Kaliningrad der Osten beginnt – zumindest cherlich, wenngleich diejenigen, die sich in der subjektiven Wahrnehmung. Vom beim Grenzübertritt Touristen nennen, Geruch der Passkontrollstelle angefangen doch recht besehen Heimkehrer ohne bis hin zum Auftreten der Kontrolleure, Bleiberecht sind, immer seltener werden. alles ruft Erinnerungen wach an ähnliche Und auch diese Deutschen sind ja in ge- Erlebnisse in früherer, scheinbar schon so wissem Sinne Teil der Geschichte, einer ferner Zeit. Die konnten allerdings auch Geschichte, die unumkehrbar ist wie im „Tränenpalast“ an der Berliner Friedjedwede Historie. richstrasse stattfinden. Vorbei, gottlob. Und dennoch gibt es sie, die Deutschen Das unvermeidliche Hotel Kaliningrad in der Gegenwart Ostpreußens heute. bietet zum Straßenlärm immerhin auch Freilich sind es Andere, sie sind anders das Panorama dessen was früher einmal als diejenigen, die hier vor der Katas- die Königsberger Altstadt war. Es bedarf trophe von 1944/47 lebten. Sie haben allerdings einiger Vorstellungskraft, um allerdings ihre eigene Katastrophe hinter sich den Dom in der Umgebung vorzustelsich, die untrennbar mit derjenigen des len, die ihm einmal angemessen war. Den

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Thomas Kufen mit Mitgliedern des Beirates vor dem Königsberger Dom Auftakt des dicht gedrängten Programms am Folgetag bildet ein pflichtschuldiger Besuch am Denkmal für Immanuel Kant vor der Universität, der früheren Albertina, die heute den Namen des Königsberger Philosophen trägt – zumal hier Gelegenheit ist, auch der großen ostpreußischen Publizistin Marion Gräfin Dönhoff zu gedenken, ohne die der erzene Kant wohl im Jahre 1992 nicht wieder seinen Platz hier gefunden haben würde. An einigen der folgenden Stationen wird der Hauch einer Ahnung spürbar, wie das alte Königsberg ausgesehen haben könnte. Dem SchillerDenkmal vis-à-vis steht jedoch heute ein stolzer Zar Peter der Große, einer, der 1697 als jugendlicher und lernwilliger Gast kam und der jetzt gleichwohl mehr wie ein Stadtherr wirkt. Das mag damit zu tun haben, dass ihm dieses Monument erst in den 1990er Jahren gesetzt wurde. Höhepunkt der Stadterkundung war naturgemäß der Besuch im Dom. Dombaumeister Odinzow lässt sich kurzfristig vertreten, nun gut. Auch sein Mitarbeiter Alexander Bliss weiss über die Wiederaufbaugeschichte zu berichten. Es gibt, auch wenn die monumentale dreischiffige Kathedrale nun schon seit einigen Jahren wieder erstanden ist, noch immer viel zu tun. Ein Hauptaltar fehlt, an seiner Stelle erhebt sich eine Tribüne für Chor und Orchester. Das unterstreicht, was unser Domführer schon zuvor verdeutlicht hat: Dies ist keine Kirche mehr, sondern ein Konzertsaal. Nun gut. Vom Dom geht es, eilig wie immer, zum Fortsetzung auf Seite 10

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Reisebericht Gesprächstermin mit dem deutschen Generalkonsul Dr. Fenster in dessen Dienstsitz. Auf dem Weg dorthin machen wir kurz Halt am ehemaligen Wohnhaus der Dichterin Agnes Miegel. Dort wurde vor einigen Jahren ein Bronzerelief angebracht, in deutscher und russischer Sprache. Darunter hängt ein noch kaum verwelktes Blumengebinde, das nach Ausweis des darum gewundenen Bandes von einer österreichischen Burschenschaft stammt. Das Band ist in den Farben Schwarz, Weiß und Rot gehalten. Oh je, nichts wie weg, sonst glaubt noch jemand, wir waren das … Im Generalkonsulat hören wir die „offizielle“ diplomatische Sicht zur Situation in der Oblast Kaliningrad. Gekennzeichnet ist die Arbeit des Generalkonsulats nicht zuletzt von der hohen Zahl der Visaanträge – schließlich liegt es an einer Außengrenze der Europäischen Union, deren Anziehungskraft, Schuldenkrise hin, Schuldenkrise her, aus osteuropäischer Sicht offenbar noch immer ungebrochen ist. Ein weiter wichtiger Arbeitsbereich des Generalkonsulats besteht in der Förderung von Wirtschaftskontakten zwischen Unternehmen im Kaliningrader Gebiet und solchen in der Bundesrepublik Deutschland. Der Generalkonsul weist darauf hin, und hier sind wir wieder beim Thema Deutsche im heutigen Ostpreußen, dass russlanddeutsche Unternehmer in diesem Zusammenhang eine herausragende Rolle spielen, da sie mit ihren sprachlichen und sonstigen Kompetenzen zur Herstellung und Pflege der wechselseitigen ökonomischen Beziehungen besonders prädestiniert sind. Nach der Politik ist Luftholen angesagt: Die Kurische Nehrung, auf die wir immerhin einen kurzen Abstecher unternehmen können, bietet dazu Gelegenheit. Und der Besuch in der traditionsreichen Vogelwarte Rossitten/Rybatschi belehrt uns über eines: Die Internationale der Zugvögel kümmert sich seit jeher nicht darum, wer zwischen Afrika und Ural die Herren des Landes sind und wo Grenzen verlaufen. Glückliche Flugkünstler. Der nächste Tag beginnt früh, denn wir haben uns einiges vorgenommen. Aus der Metropole Königsberg hinaus geht es ins offene ostpreußische Land, da wir zuerst in Gumbinnen/Gussew mit einem Vertreter der Salzburger Kirche dort verabredet sind. Zunächst reisen wir auf einer komfortabel ausgebauten, offenbar noch nicht

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sehr alten Autobahn. Deren Beschilderung weist den Weg nach St. Petersburg und Moskau, so weit wollen wir heute nicht. Frappierend beim Blick aus dem Bus ist die Weite des Landes. Bis zum Horizont nur Wiese und Wald, nichts woran das Auge sich festhalten kann, kein Dorf, kein Kirchturm, schon gar kein Gutshaus. Das ist ganz ungewohnt für uns Ballungsraumbewohner. Und es zeugt zugleich von der Verwüstung und Entvölkerung des Landes. Der Oblast Kaliningrad hat heute rund 937.000 Einwohner; davon leben fast 422.000 in der Gebietshauptstadt. Die Bevölkerungsdichte des ganzen Gebietes liegt bei 62 Menschen pro Quadratkilometer – Nordrhein-Westfalen bringt es auf rechnerisch 526 Menschen auf der gleichen Fläche. Unsere russische Reiseleiterin Tamara bestätigt uns, dass die Landwirtschaft in der einstigen Kornkammer Preußens heute nur noch eine geringe Rolle spielt. Zu viele, vor allem junge Menschen haben den Dörfern und Kleinstädten längst den Rücken gekehrt. So freuen wir uns über den seltenen Anblick von ein paar neben der Straße weidenden Kühen. Die müssen gewiss keinen Mangel an frischem Grün leiden. Das Salzburger Kirchlein in Gumbinnen/ Gussew lädt von außen mit freundlichem Gelb ein und strahlt innen weiß und golden. Einige Fotos zeigen freilich, dass der Bau aus dem 19. Jahrhundert zu sowjetischen Zeiten traurigen Lagerhauscharakter hatte. Mit Hilfe der infolge der Vertreibung nach 1945 in Bielefeld wieder gegründeten Gemeinde der Salzburger Protestanten, die im 18. Jahrhundert als religiös Verfolgte in Ostpreußen eine neue Heimstatt gefunden hatten, konnte die Kirche in den 1990er Jahren von dem benachbarten Straßenbauunternehmen zurückerworben, restauriert und ihrem ursprünglichen Zweck wiedergegeben werden. Alexander Michel, auch er ein vor mehr als zwei Jahrzehnten in das Kaliningrader

Gebiet zugewanderter Russlanddeutscher, erzählt lebhaft von der Wiedergründung der kleinen protestantischen Gemeinde, die heute rund 80 Mitglieder zählt. Als Direktor des angeschlossenen Diakoniezentrums weiß er nur zu gut Bescheid über die Nöte der hier lebenden Menschen, vor allem der Alten. Von den Spendenmitteln aus Deutschland profitieren freilich auch die ganz jungen Menschen, für die verschiedentlich Schulspeisungen finanziert werden konnten. Und da spielt die Nationalität, ob nun russisch, russlanddeutsch oder sonst eine keine Rolle, ebenso wenig wie die Gemeindemitgliedschaft. „Ein feste Burg ist unser Gott“ prangt im bunten Fenster über dem Altar der Salzburger Kirche. Weiter in Richtung Tilsit/Sowjetsk. Jetzt fahren wir auf einer „richtigen“ Landstraße, schmal und gesäumt von alten Bäumen, ostpreußisch eben. Um die Mittagszeit ist eine Pause angebracht. Das nächste Dorf mit seinem pittoresken kleinen Laden direkt an der Straße lädt dazu ein. Sprachprobleme gibt es ja keine, gäbe

Die Überreste der Kirche in Kraupischken, ein chorloser verputzter Saalbau von 1772. Der Turm stammt aus dem Jahr 1893. Links die Kirche vor 1945. Das Kirchspiel Kraupischken gehört zu den ältesten der evangelischen Kirche in Ostpreußen. Es wurde im Jahre 1554 von Insterburg aus gegründet.

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Reisebericht es nicht einmal, hätten wir Tamara nicht an Bord. Unsere bilingualen russlanddeutschen Mitreisenden, Mitglieder des Landesbeirats allesamt, übernehmen die Verhandlungen und bald tragen wir Tüten mit frischen, duftenden, noch warmen Piroschki zum Bus und

Blick in den Turm der Kirche von Kraupischken lassen nur wenige Rubel dafür zurück. Der Aufenthalt bietet genug Zeit für einen kurzen Rundgang durch das Dorf. Wo sind wir eigentlich, Tamara? Der Ort hat gleich drei Namen und die spiegeln die Konjunkturen seiner Geschichte: Die längste Zeit hieß er Kraupischken, in ähnlicher Form ist dieser Name bereits seit der Mitte des 14. Jahrhunderts überliefert. Das zeigte an, dass hier über Jahrhunderte Deutsche – zum Teil wiederum Zuwanderer aus Salzburg – und Litauer zusammenlebten. Als es im Jahre 1938 galt, der Fiktion eines „schon immer rein deutschen Ostpreußen“ Vorschub zu leisten, musste Kraupischken dem neuen Namen Breitenstein weichen. Das währte freilich nicht lange, denn schon bald nach der Eroberung durch die Rote Armee erhielt der Ort den heute gültigen Namen Uljanowo. Hier war wohl jemand am Werke, der den Flecken, obgleich er damals nicht mehr als ein paar Hundert Einwohner zählen konnte, aus welchen Gründen auch immer für

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bedeutend hielt. Denn noch gut lesbar auf der Marmorplatte, während die umliegen- unter der sich einst das Portal befand, den Orte und Städte (so durch das man, zunächst das Erdgeschoss auch Gumbinnen) ihre des Turmes durchmessend, in die Kirche neuen Namen nicht schritt. Ein Portal indessen gibt es nicht selten als Erinnerung mehr, den Blick nach oben behindern an dort gefallene Sol- im Turm kein Glockengestühl und kein daten, meist Offizie- Dach. Auf der schmalen Mauerkante des re der Roten Armee Turmobergeschosses hat sich, natürlich, erhielten (gemäß der ein Storchenpaar mit seinem Nest niesowjetischen Form des dergelassen, offenbar unbesorgt ob der Märtyrerkultes, weil Baufälligkeit der Ruine. Geht man weiter auch ausdrückliche durch den Turm, dorthin, wo sich früher Atheisten unbewusst im Kirchenschiff der Blick zum Altar hin nach einem Leben nach öffnete, so verliert er sich heute schon auf dem Tode streben und Armeslänge im undurchdringlichen Grün „Ewigkeit“ wollen), des Gestrüpps. Die Kirche stammte aus musste hier als neuer dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts. Namenspatron gleich der bolschewisti- Die Eroberung des Ortes im Januar 1945 sche Säulenheilige schlechthin herhalten. hat sie, ramponiert zwar, aber leidlich Lenin nämlich, besser Wladimir Iljitsch intakt überstanden. Erst 1953 fiel sie, oder Uljanow, wie er in seinem vorrevo- vielmehr der Lagerschuppen, den man lutionären Leben inzwischen aus als Kind eines „Die Kirche hatte während der ihr gemacht hatte, wohlsituierten einem offenbar Lehrers hieß, der Kampfhandlungen Mitte Januar mutwillig gelegals treuer Beam- 1945 stark gelitten. ... ten Feuer zum ter des Zaren gar 1989 sind noch das Turmskelett und Opfer. Aber: Unin den Adelsstand die Süd- und Nordmauer des Kirweit der traurigen erhoben worden chenschiffes erhalten. Die OstmauÜberreste glänzt war. Der Überdas Dach einer vater der Okto- er mit der Sakristei ist zerstört. Von erst wenige Jahre berrevolution von der Vorhalle im Süden stehen noch alten orthodoxen 1917 und Gründer niedrige Mauerreste. Der Friedhof Kirche. Es gibt der Sowjetunion an der Kirche ist praktisch nicht also noch oder ruht noch immer erhalten. wieder Christen als Ganzkörperhier. Ein feste Reliquie im sei- 1976 wurde das Denkmal für die im Burg ist unser – nem Mausoleum Ersten Weltkrieg gefallenen Soldagemeinsamer – auf dem Roten ten abgerissen. Bei der Demontage Gott. Platz in Moskau des Denkmals wurde eine Kapsel Nachdem wir – gedacht werden mit Dokumenten gefunden. Diese Kraupischkensoll seiner auch Breitenstein-Ulhier im fernen Dokumente werden vom Schuldijanowo – ein ostOstpreußen. Aber rektor aufbewahrt. ...“ preußisches Dorf wer denkt schon Aus: Bachtin, Anatolij und Doliesen, wie, ach, so viele an Lenin, heute in Gerhard: Vergessene Kultur. Kirchen andere – wieder Uljanowo? verlassen haben, in Nordostpreußen, Husum 2000. Wenige Schriterreichen wir bald te jenseits der Tilsit/Sowjetsk. Hauptstraße wecken auf den ersten Blick Das wäre auch eine Pflichtstation, selbst regellos verstreute, aber unverkennbar be- wenn wir 2010 nicht des 200. Todestages hauene Steine die Neugier des Besuchers. der schönen preußischen Königin Luise Inmitten der Reste eines kleinen runden gedenken würden. Hier hat sie 1807 ihren Steinwalls liegt ein kopfloser steinerner – vergeblichen – Bittgang zu Napoleon I., Adler. Natürlich, das war wohl einmal das Kaiser der Franzosen, unternommen, um Kriegerdenkmal des Ortes, im Schatten für ihr geschlagenes Land bessere Frieder Kirche, wo sonst. Und die Kirche? densbedingungen zu erreichen. Die 1907 „Ein feste Burg ist unser Gott“, auch hier, Fortsetzung auf Seite 12

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Reisebericht errichtete Brücke, die heute den Grenzübergang zwischen Russland und Litauen bildet, trug einst den Namen der Königin. Darunter strömt breit die Memel. Da war doch dieses Lied … So weit liegt die Memel vom Rhein entfernt, a h a . Ve rspielt, aus eigener Schuld. Hier in Tilsit begegnet er uns schon wieDer Übervater der Oktoder, Lenin berrevolution von 1917. nämlich, Wladimir Iljitsch Uljanow als Bronzeriese, noch immer inmitten der Stadt. Niemand sah sich bisher veranlasst, ihn abzuräumen, wie anderwärts schon längst geschehen. Ja, ja, meint Tamara, schließlich waren seine, Lenins Ideen, gar nicht so schlecht und der Verbrecher war eben Stalin nach ihm. Sie ist alt genug, um noch in der Sowjetunion ausgebildet worden zu sein. Soll ich mich mit ihr streiten, ich, der im freien Westen geborene, niemals unmittelbar mit den Zwängen und Bedrückungen des Totalitarismus in Berührung gekommene WohlstandsDeutsche? Ich begnüge mich mit der Empfehlung der Lektüre von Band I von Alexander Solschenizyns „Archipel Gulag“, der nicht zuletzt von Lenin und seinem Umgang mit A n d e r s d e n - Gilge kenden handelt. Solschenizyn? Der war auch hier, in Ostpreußen. Als Offizier der Roten Armee im Jahre 1945 – und er hat das Gedicht „Ostpreußische Nächte“ geschaffen, ein Zeugnis eigener Art vom Untergang dieser deutschen Provinz. Gleichermaßen noch immer lesenswert. Weiter auf unserer Tour de force durch das

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ländliche Ostpreußen. Von Tilsit aus wollen wir noch nach Gilge/ Matrosowo. Der Weg dorthin erscheint uns abenteuerlich, denn das schmale Sträßchen mit gottlob nur ganz wenig Gegenverkehr geht bald in eine Art Feldweg über. Das muss das Ende der Welt sein, mutmaßen wir automobilen Westeuropäer. Und dennoch kommt ganz zuletzt, unmittelbar Das stadtwärtige Portal der Luisenbrücke über die bevor wirklich jeder Memel bei Tilsit. Es besteht aus Sandstein und ist befahrbare Untergrund von zwei Türmen flankiert, die in ihrer barocken endet, das Fischerdorf Gestaltung der nicht mehr existierenden benachbarten Gilge, knapp vor der Deutschordenskirche angepasst waren. Mündung des gleichnamigen Flüsschens in das Kurische Haff. dem Programm. Der freundliche Empfang Die unvermeidliche Formel, dass „hier in dem schön eingerichteten Gebäude die Zeit stehengeblieben ist“, drängt sich durch Geschäftsführer Andrej Portnjagin auf, aller Abgegriffenheit zum Trotz. Und und Direktor Victor Hoffmann stimmt dann empfängt uns in ihrem gerade in Re- uns froh. Und das folgende Gespräch novierung begriffenen Cafe Elena Ehrlich, wird, die Müdigkeit ist rasch verflogen, die dem abgelegenen Ort unter deutschen richtiggehend spannend. Denn hier hören Touristen eine beachtliche Berühmtheit wir noch einmal aus erster Hand von der beschert hat mit ihrer Gastfreundlichkeit. Situation der Russlanddeutschen im KaAuch sie ist eine Russlanddeutsche, die liningrader Gebiet, einiges an Positivem, es noch zu sowjetischen Zeiten hierher aber auch von einigen Problemen. Das verschlagen hat, zunächst als einzi- ist genau die richtige Ergänzung zum ge Deutsche Gespräch mit dem diplomatisch zurückund mancher haltenden Generalkonsul. Da hapert es, Anfeindung zum Beispiel, manchmal bei der Famia u s g e s e t z t . lienzusammenführung, da die geltenden Und warum bundesrepublikanischen Zuwanderungsgerade nach bedingungen die sprachliche Messlatte Gilge? Weil für manche einfach zu hoch anlegen. So sie eben nur müssen sie bleiben in der Oblast Kalininhier im gan- grad, die doch eigentlich nur Sprungbrett zen Kalinin- nach Westen sein sollte. Nichtsdestotrotz grader Gebiet sind die Russlanddeutschen hier die geboeine Zuzugs- renen Brückenbauer, sie können das sein genehmigung und sie wollen das auch sein. Gerade die erhalten hat, erfrischend lebhaften jungen Leute, Versie, die Russ- treterinnen und Vertreter der Jugendorgalanddeutsche, nisation vor Ort, geben uns viel Hoffnung damals im Jahre 1989. Das war, wohlge- und Zuversicht mit auf dem Weg. merkt, im Jahre 4 der Ära Gorbatschow, Ostpreußen ist so fern und zugleich so als alles anders wurde in der Sowjetunion. nah. Denken wir daran in diesen Tagen, Alles? Sie war eine Diktatur bis zuletzt, da unsere Fußballnationalmannschaft mal die Sowjetunion, sie hatte ihre Konjunk- wieder die Gemüter bewegt. Sie tritt wie eh und je auf im schwarz-weißen Trikot. In turen, aber sie blieb eine Diktatur. Der lange Tag ist noch nicht zuende. den Farben Ostpreußens, wer denkt schon Zurück in Königsberg steht noch der daran? Wir sollten das tun. Winfrid Halder Besuch im Deutsch-Russischen Haus auf

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kontrapunkt Gedichte

Matthias Buth Timişoara Kopfsteinpflaster tropft In den Regen von Temeswar Erst nach Mitternacht schwimmt Die Pestsäule in ihr Inneres Weiß Der Dom hisst seine Türme Und läuft aus nach Wien Timişoara meine Freundin Über Dein Gesicht Springen Delphine Sie wollen blickaufwärts Immer wieder Ins sanfte Banat Es siedelt hinter den Lidern

Überquerung Das Pflaster auf dem Marktplatz Von Hermannstadt Pauken auf Schritt und Tritt Sie steinigen den Regen während Die katholische Stadtpfarrkirche versinkt In ihr habsburger Gelb Brukenthal wartet mit seiner Mütze Auf Lei-Scheine braun abgegriffen Ohne Ziffern Weichgeknetetes Handlaub Wenn der Abend die Dächer einzieht Geben alle Vierecke auf und Versinken tonlos unter den Sohlen

Die Gedichte sind dem 2009 vom Rumänischen Kulturinstitut herausgegebenen zweisprachigen Band „Rumänien hinter den Lidern“ entnommen. Matthias Buth wurde in Wuppertal-Elberfeld geboren, ist Autor mehrerer Gedichtbände und hat wiederholt Rumänien bereist. Er ist Mitglied der Else-Lasker-SchülerGesellschaft in Wuppertal, die er zusammen mit Hajo Jahn gründete. Für seine Lyrik wurde er mehrfach ausgezeichnet. Redaktion der Beilage: Franz Heinz

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Träumen erlaubt eine befreiende Auszeit Kontrapunkt-Gespräch mit dem Dichter und Maler Horsthardi Semrau „Jeder hat so viel Welt, wie er sprachfähig ist…“gibt der nun bald 82jährige Dichter und Maler Horsthardi Semrau in einem seiner zahlreichen Aphorismen zu bedenken. „Sich kompetent zu artikulieren“ war ihm in seiner erzieherischen wie in der künstlerisch-kreativen Arbeit ständiges Anliegen. Als Lehrer für Kunst, Literatur und Sprachpflege in Duisburg, in seinen Publikationen und Ausstellungen wie als Ehrenmitglied des „Duisburger Kunstvereins Künstlerhaus Weidenweg 10“ und im Rahmen der „Ost-West-Künstlerwerkstatt im Gerhart-HauptmannHaus“ fand und findet Dr. phil. OstR. a.D. Semrau vielfach Gelegenheit, mit seinem Gedankengut in die Öffentlichkeit zu wirken. Geboren wurde er 1928 in Brieg/Ohlau in Niederschlesien. In Kiel und Mainz studierte er Geisteswissenschaften; Mitarbeit im Kunstseminar der PH FlensburgMürwik. Malaufenthalte führten ihn nach Dänemark, Spanien und Südfrankreich. - Das nachfolgende Gespräch hat Franz H e i n z aufgezeichnet. „Der Traumverkäufer hat schon Ladenschluss“ benannten Sie eine Sammlung „poetischer und prosaischer Einfälle“. Verbinden Sie damit eine zu beobachtende Ernüchterung der Gesellschaft als bedauerlichen Vorgang oder doch eher eine persönliche Reflexion? Werden Träume zunehmend entbehrlich? Der so genannte Zeitgeist tut sich in einer Umbruchzeit besonders schwer. Mir stellt er sich sogar zu kopflastig dar. Demgegenüber kommt die Empathie sichernde, soziale Wärme gewährleistende emotionale Intelligenz zu kurz. Mit Unbehagen sehe ich Auffälligkeiten, Besorgnis erregend insofern, als ein zunehmender Verlust an Innerlichkeit, das heißt der Qualitäten Gemüt und Gewissen, ein humanes Miteinander gefährdet, sogar ruiniert. - Als Regulativ gegen eine als ernüchternd wahrgenommene, entzauberte Wirklichkeit sind Träume, ist Träumen wichtig,

weil es, der Selbstentfremdung wehrend, sich eine von Leistungszwängen (von Nützlichkeits- und Profitdenken) befreiende „Auszeit“ erlaubt. Künstler, Dichter sind die Garanten der Sinnhaftigkeit kreativen Träumens. Ihr malerisches Werk vor allem ist zum erheblichen Teil von religiöser Thematik geprägt. Ein 2002 entstandenes Pastell trägt den Titel „Im Zeichen des Kreuzes“, Sie haben künstlerisch aktiv an kirchlichen Veranstaltungen teilgenommen und gehören seit nahezu zwei Jahrzehnten dem Arbeitskreis „Kunst und Kirche“ in Duisburg an. Wie zugänglich für religiöse Botschaften finden Sie unsere heutige Welt? Die Krise der Kirche verunklart die zu verinnerlichende Präsenz des Kreuzes: Konfessionelle Geländer einer für glaubwürdige Botschaften offenen, gelebten Religiosität scheinen zu zermürben oder wegzubrechen. Ein Liberalismus wischiger Beliebigkeit im Werteverständnis bedingt eher die Öffnung für Heilsversprechen selbsternannter Gurus und damit die Öffnung in ein konfessionelles Vakuum. Wenn, wie in Duisburg, wo Deutschlands derzeit größte Moschee errichtet wurde, diese Entwicklung anhält und andererseits evangelische wie katholische Kirchen geschlossen oder umfunktioniert werden, lässt dies die ungern eingestandene Folgerung zu, dass sich Christlichkeit auf dem Rückzug befindet. Als Maler und Buchautor sind Sie viel in Spanien, Südfrankreich und Dänemark unterwegs gewesen. Seltener in Ihrer alten Heimat Niederschlesien. Bei meinen Malaufenthalten im europäischen Süden fesselten mich – wie viele Maler zuvor – die Besonderheiten des Lichtes, genau so das brüchig Dunkle hinter mediterranem Fassadenglanz; im Norden, so in Dänemark und Irland, war

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kontrapunkt es der hohe, oft dramatisch bewegte Himmel, auf einer Nordlandreise (2008) die Struktur der Fjorde und die Polarnachtssonne. Dazu beeindruckten die jeweiligen Landschaftsformationen, die städtischen Charaktere, zumal die „Temperatur“ der Farben. Die menschlichen Eigentümlichkeiten bildeten auch lyrisch eine nachhaltige Inspirationsquelle.- Das Wiedersehen mit meiner niederschlesischen Heimat war für mich zwiespältig. In Ohlau, meiner Vaterstadt, fand ich gelöscht, was ich am meisten liebte. Viele Jahre schon sind Sie in das Duisburger Kulturleben eingebunden. Wie beurteilen Sie die kulturelle Situation der Stadt Duisburg sowie deren Beitrag und Gewinn als Teil der europäischen Kulturhauptstadt Ruhrgebiet? Die kulturelle Situation in Duisburg ist, entsprechend den Lebensverhältnissen, stark geprägt von Menschen mit Migrationshintergrund. Das bedeutet einen Zugewinn an Vitalisierung des ermüdet Hergebrachten, eine bewegtere Farbigkeit im Erscheinungsbild. Es setzt auch künstlerisch neue Impulse. Allerdings bleiben gewisse Irritationen nicht aus. Allein mit einem fröhlich-naiven Multikulti-Optimismus ist es nicht getan; die Integrationspolitik bedarf der schrittweisen Klärung der Verträglichkeit unterschiedlicher mentaler Positionen, Wertvorstellungen

Horsthardi Semrau, Pastell mit einer Edelstahlplastik von Manfred Schäfer, Postkarte Kulturkreis Dinslaken.

und des Rechtsempfindens.- Gleichviel, Duisburgs Beitrag zur „Kulturhauptstadt Ruhr 2010“ wird es an selbstbewusster Originalität nicht fehlen. Die Fülle der Events birgt indessen auch die Gefahr der Überreizung.

Auch wer seiner Zeit voraus ist, könnte von seiner Vergangenheit eingeholt werden.

Aphorismen

Der Geist zwar willig, doch das Fleisch sei schwach? Falls ungekehrt, doch ein noch größ’res Ach.

Wer weiter sieht als andere, sollte sich mit denen zusammentun, die tiefer sehen.

Lyrik aus Serbien Der Magnus Verlag Essen hat bereits vor einem Jahr unter dem Ti t e l „ D e r Schlangenbräutigam“ Gedichte von Desanka Maksimović Zeichnung: Linde Bischof herausgebracht. Die serbische Dichterin (1898-1993) führt in ihrem Werk ein lyrisches Gespräch mit sich und der Welt, einen Dialog über die Grundfragen der menschlichen Existenz. Mit der Sensibilität einer Frau verkündet

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Man sollte zu keiner Zeit von anderen allzu viel erwarten, sich selbst aber heute etwas mehr als gestern abverlangen.

Der Täufer sie „Humanität, Wahrheit und Schönheit“. Manfred Jähnichen schreibt in seinem Nachwort zum Buch: „So weit sich der Bogen dieser Poesie auch spannt,… eines wird aus jedem ihrer vielen Gedichte deutlich: die Verbundenheit Desenka Maksimovićs mit der Volkssprache, wie sie in der mittelserbischen Landschaft Sumadija – ihrer Heimat – gesprochen wird und in der Volkspoesie ihres Landes lebendig ist.“ Der vorliegende Band präsentiert eine Auswahl aus den zwischen 1924 und 1979 erschienenen Gedichtbänden und gibt nicht allein einen Überblick über das gesamte lyrische Werk der Dichterin, sondern auch einen Einblick in die bei uns noch wenig bekannte serbische Literatur des 20. Jahrhunderts.

Komm, dass ich dich in den Strom eines Kinderglaubens tauche, hat er sanft mich gerufen; komm, dass ich dir einen Brunnen im Herzen grabe, wo die Sterne hineinfallen werden, hat er sanft mich gerufen; komm, dass ich dich mit einem Himmelszeichen bekränze. Ich aber lief den Dorfbach entlang hinter tieffliegenden Schwalben her und sah mich verstohlen um wie ein Missetäter. Nachdichtung aus dem Serbischen Annemarie Bostroem

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kontrapunkt Herta Müller: „Mir ist am Wichtigsten das Thema…“ Die aus dem rumänischen Banat stammende und in Berlin ansässige Schriftstellerin Herta Müller wurde 2009 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Er wurde ihr am 10. Dezember im Stockholmer Konzerthaus von König Carl XVI. Gustav überreicht. Der Sprecher der Jury, Anders Olsson, hob die Konsequenz heraus, mit der sich die Autorin gegen die kommunistische Diktatur in Rumänien zur Wehr gesetzt hat. In einem dpa-Interview sagte sie: „Mir ist am Wichtigsten, dass ein Thema diesen Preis bekommen hat, und das Thema ist die Diktatur und die systematische und planmäßige Zerstörung von Menschen darin.“- Ihre ersten Bücher veröffentlichte Herta Müller im Bukarester Verlag Kriterion. Ihr neuer Roman „Atemschaukel“, dem wir das Nachwort entnehmen, ist bei Carl Hanser, München erschienen. Die literarische Skizze „Die Straßenkehrer“ gehört zum Frühwerk der Schriftstellerin und ist im Heft 5/1979 der Bukarester Zeitschrift „Neue Literatur“ erschienen.

Die Strassenkehrer Zwölf Uhr nachts. Die Stadt ist mit Leere getränkt. Ein Auto überfährt mir die Augen mit seinen Lichtern. Der Lenker flucht, weil man mich nicht sieht in der Dunkelheit. Die Straßenkehrer haben Dienst. Sie kehren die Glühbirnen weg, kehren die Straßen aus der Stadt, kehren das Wohnen aus Dorfstraße im Banat den Häusern, kehren mir die Gedanken aus dem Kopf, kehren mich von einem Bein aufs andere, kehren mir die Schritte aus dem Gehen. Straßenkehrer schicken mir ihre Besen nach, ihre hüpfenden mageren Besen. Die Schuhe klappern mir vom Leib. Ich gehe hinter mir her, ich falle aus mir heraus, über den Rand meiner Vorstellungen. Neben mir bellt der Park. Die Eulen fressen die Küsse auf, die auf den Bänken geblieben sind. Die Eulen übersehen mich. Im Gebüsch kauern die müden, strapazierten Träume. Die Besen kehren die Sterne auf einen Haufen, kehren sie auf die Schaufel, leeren sie in den Kanal. Ein Straßenkehrer ruft einem anderen Straßenkehrer etwas zu, der andere dem anderen, und der wieder einem anderen. Jetzt reden alle Straßenkehrer aller Straßen durcheinander. Ich gehe durch ihre Schreie, durch den Schaum ihrer Zurufe,

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ich zerbreche, ich falle in die Tiefe der Bedeutungen. Ich mache große Schritte. Ich reiß mir beim Gehen die Beine aus. Der Weg ist weggekehrt. Die Besen fallen über mich her. Alles überschlägt sich. Die Stadt irrt quer übers Feld, irgendwohin.

Nachwort Atemschaukel Als im Sommer 1944 die Rote Armee schon tief nach Rumänien vorgerückt war, wurde der faschistische Diktator Antonescu verhaftet und hingerichtet. Rumänien kapitulierte und erklärte dem bis dahin verbündeten Nazideutschland völlig überraschend den Krieg. Im Januar 1945 forderte der sowjetische General Vinogradov im Namen Stalins von der rumänischen Regierung alle in Rumänien lebenden Deutschen für den „Wiederaufbau“ der im Krieg zerstörten Sowjetunion. Alle Männer und Frauen im Alter zwischen 17 und 45 Jahren wurden zur Zwangsarbeit in sowjetische Arbeitslager deportiert. Auch meine Mutter war 5 Jahre im Arbeitslager. Weil es an die faschistische Vergangenheit Rumäniens erinnerte, war das Thema Deportation tabu. Nur in der Familie und mit engen Vertrauten, die selbst deportiert waren, wurde über die Lagerjahre gesprochen. Und auch dann nur in Andeutungen. Diese verstohlenen Gespräche haben meine Kindheit begleitet. Ihre Inhalte habe ich nicht verstanden, die Angst aber gespürt. 2001 begann ich, Gespräche mit ehemals Deportierten aus meinem Dorf aufzuzeichnen. Ich wusste, dass auch Oskar Pastior (siebenbürgischer Dichter. Anmerkung der Redaktion) deportiert war, und erzählte ihm, dass ich darüber schreiben möchte. Er wollte mir helfen mit seinen Erinnerungen. Wir trafen uns regelmäßig, er erzählte, und ich schrieb es auf. Doch bald ergab sich der Wunsch, das Buch gemeinsam zu schreiben. Als Oskar Pastior so plötzlich starb, hatte ich vier Hefte voller handschriftlicher Notizen, dazu Textentwürfe für einige Kapitel. Nach seinem Tod war ich wie erstarrt. Die persönliche Nähe aus den Notizen machte den Verlust noch größer. Erst nach einem Jahr konnte ich mich durchringen, das Wir zu verabschieden und allein einen Roman zu schreiben. Doch ohne Oskar Pastiors Details aus dem Lageralltag hätte ich es nicht gekonnt. Herta Müller März 2009

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kontrapunkt Wörter als letzte Bastion Dagmar Nick von der Bayerischen Akademie ausgezeichnet Am 15. Dezember 2009 wurde Dagmar stürzten aus den Öfen, / mit den Flammen Nick von der Bayerischen Akademie in die Nacht, / und die Tode in den Höfen, der Schönen Künste in München mit / diesen namenlosen Höfen, / wurden noch dem Horst-Bienek-Preis für Lyrik 2009 vertausendfacht.“ ausgezeichnet. Die Dichterin, die seit über sechzig Jahren dem Geist der Humanität in der Kunst des Gedichts, aber auch der Prosa verpflichtet ist, war immer bemüht, wie sie selbst einmal bekannte, „etwas loszuwerden, das mich bedrückte – eben damals die traumatischen Erfahrungen von Krieg, Flucht und Nachkriegszeit – oder später das Erschrecken darüber, was Menschen der Welt antun. Für mich haben Gedichte eine therapeutische – oder genauer: eine selbsttherapeutische Funktion.“ Für die aus Breslau stammende Dagmar Nick, 1926 als Tochter des Komponisten Edmund Nick und der halbjüdischen Sängerin Keate Jaenicke geboren, wurde das Verlassen ihrer Heimatstadt zu einer grund- und ziellos-sinnlosen Existenz und fand einen erschütternden Ausdruck in dem Gedicht „Flucht“. In seiner Laudatio ist Professor Wulf Segebrecht (Bamberg) nä- Dagmar Nick her auf diesen ungewöhnlichen lyrischen Prolog der damals kaum Achtzehnjährigen, mit dem der FeuilleFlucht tonchef Erich Kästner die erste Nummer der „Neuen Zeitung“ in München herausWeiter. Weiter. Drüben schreit ein brachte, eingegangen: „Es ist ein Gedicht Kind. der Stunde Null. Und die letzte Strophe Laß es liegen, es ist halb zerrissen. kann der größte Dichter nicht besser Häuser schwanken müde wie schreiben“, wie Kästner zu Dagmar Nicks Kulissen durch den Wind. Vater sagte, der ihm die Gedichte seiner Tochter vorgelegt hatte. Irgendjemand legt mir seine Hand In der inzwischen erschienenen legendäin die meine, zieht mich fort und ren Anthologie „De Profundis“ – mit der zittert. Gunter Goll 1946 Gedichte aus der Zeit Sein Gesicht ist wie Papier des Hitler-Regimes präsentierte, von nicht zerknittert, emigrierten Autoren wie Bergengruen, unbekannt. Georg Britting, Ricarda Huch, Rudolf Alexander Schröder u. a. – ist Dagmar Ob du auch so um dein Leben Nick die jüngste der hier versammelten bangst? 65 Autoren. Zu ihren Texten gehören auch Alles andere ist schon fortgegangen. vier „Märtyrer“–Gedichte, die auch dann Ach, ich habe nichts mehr, kaum ihrem ersten Gedichtband den Titel geben ein Leben, sollten. Diese Märtyrer sind die in den nur noch Angst. Lagern der Nazis Ermordeten: „Schreie

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Dagmar Nick hat solche Verse noch vor dem Kriegsende geschrieben. Gäbe es nur diese frühen lyrischen Bekenntnisse über diese Schrecken und Verbrechen – „wir hätten allen Anlass, uns an sie zu erinnern“, wie Professor Segebrecht bekennt. Dagmar Nick ließ jedoch weitere Gedichtbände folgen: „Das Buch Holofernes“, „In den Ellipsen des Mondes“, „Gezählte Tage“, „Im Stillstand der Stunden“, „Gewendete Masken“. Die jüngste Gedichtsammlung: „Schattengespräche“. In einer Rezension zur letzten lyrischen Standortbestimmung hat Hartmut von Hentig konstatiert, „dass alle Themen des letzten Bandes schon immer vorgekommen sind – Verlust und Verstummen, Überleben und Todesnähe, die Anker und der Spiegel, die andere Seite und die falsche Seite, die alten Griechen und die alten Juden, der Geliebte als Schatten und der Geliebte, der sie nicht mehr hört“. Das trifft wohl zu – und wäre noch zu ergänzen: Denn zu den wiederkehrenden Themen in den Gedichten von Dagmar Nick gehört vor allem auch das Problem der Sprache, die Wörter. Sie sind – wenn alles andere längst unglaubwürdig, fremd, verloren ist, die letzte verbliebene Bastion der Dichterin. Im Gedichtband „Gewendete Masken“ steht das Gedicht „Reisebereit“. Die zur letzten Reise Bereite besitzt noch die volle Verfügungsgewalt über das „Besitztum“. Nur – was ist es noch wert? In den „Schattengesprächen“ gibt es einen Text, „Aphasie“ überschrieben – , der die ganze Sprachnot der Dichterin zeigt: „Die Fliehkraft der Worte, / die ich für meine Besitztümer hielt./ Von meinem Ansitz aus schaue ich ihnen nach, / wie sie davonzwergeln/ in verschüttete Bodensätze, / wo kein Schuss sie mehr aufscheucht…“ Illusionsloser ist die Sprachnot des Dichters kaum je beschrieben worden. „Dagmar Nicks Gedichte zeigen, dass Trostlosigkeit und Schönheit vielleicht nicht im Leben, aber doch in der Poesie miteinander vereinbar sind, ja mehr noch: dass sie recht eigentlich in der Poesie beheimatet sind. Darum brauchen wir ihre Gedichte und darum preisen wir sie und ihre Verfasserin heute“, wie Professor Segebrecht es sagt. Günter Gerstmann

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Kinemathek

Mi, 07. 07. | 15 Uhr

Königin Luise. Liebe und Leid einer Königin (Deutschland 1957) Fortsetzung der Preußen-Filmreihe Am 19. Juli 1810 starb Preußens beliebteste Königin im Alter von 34 Jahren. Kaum ein Jahr vergeht, in dem nicht wenigstens am 10. März, ihrem Geburtstag, das Kenotaph im Mausoleum des Charlottenburger Schloßparks mit Blumen geschmückt ist. Wie schlafend liegt sie dort von Christian Daniel Rauch in Marmor gehauen auf ihrem Grab. Noch heute gehört sie zu den populärsten Frauengestalten der deutschen Geschichte. Als die schönste Frau ihrer Zeit hatte sie gegolten, Einfachheit und Herzlichkeit wurden ihr nachsagt. Zehn Schwangerschaften, ihre vermeintliche Moral, ihre Häuslichkeit und ihre Bescheidenheit verkörperten bürgerliche Tugenden, die von bedeutende Dichtern und Schriftstellern ihrer Zeit – Novalis, Kleist, Jeann Paul, August Wilhelm Schlegel – besungen wurden. Ihre Feindschaft zu Napoleon und ihr Bittgang in Tilsit, der den schmählichen Frieden mit dem mächtigsten Mann Europas verhindern sollte, machten sie zur Märtyrerin. n. Bei ihrer Flucht nach Memel erfuhr sie die Härte des Krieges am eigenen Leibe. Schließlich starb sie am 19. Juli 1810 an gebrochenem Herzen, wie man sagte, mit 34 Jahren im Schloß ihres Vaters in Hohenzieritz. Was liegt näher, als im Gedenkjahr an Königin Luise, kurz vor ihrem Todestag die Preußen-Filmreihe der Stiftung GerhartHauptmann-Haus mit einem Film über die „preußische Madonna“ fortzusetzen. Sieben Filme gibt es über Preußens populärste Königin, die Kinemathek zeigt davon den Bekanntesten aus dem Jahr 1957, in dem Ruth Leuwerick die Königin spielt. Der Film zeigt das Leben der Königin Luise in der Zeit von etwa 1804 bis zu ihrem Tode 1810. Themenschwerpunkte sind die Darstellung ihrer Rolle als Ehefrau und

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Mutter sowie ihr Einfluß auf die Politik gegenüber Rußland und Frankreich und auf ihren Mann, König Friedrich Wilhelm III. (Dieter Borsche). Die preußische Königin Luise feiert 1806 auf Gut Paretz ihren 30. Geburtstag im Kreis der Familie. Unter den vielen Geschenken befindet sich auch eine kostbare Robe, die Napoleon übersandt hat. Obwohl Luise sich darüber freut, sieht sie in Napoleon nur einen Emporkömmling, der Preußen als Verbündeten gegen Russland zu gewinnen versucht. König Friedrich Wilhelm III. will sich aber weder auf Frankreich noch auf Russland festlegen. Als sich Friedrich Wilhelm gegen Napoleon entscheidet, lässt dieserr seine Armeen gegen Preußen aufmarschieren. Preu Der D preußische König zeigt sich wankelmüz tig; erst Luise bringt ihn dazu, den Kampf aufzunehmen. Nach dem Sieg Napoleons in der Schlacht von Jena und Auerstedt (1806) flieht die Königin mit ihren Kindern nach Ostpreußen und sucht in Tilsit Napoleon (René Deltgen) auf, und bittet um mildere Friedensbedingungen. Napoleon geht nur scheinbar darauf ein, Preußen muss sich ihm beugen. Drei Jahre später stirbt Luise. Karena Niehoff stellte im Berliner Tagesspiegel am 07.04.1957 fest: „Der Film, nach langer Pause wieder einer, der sich mit unserer Geschichte befasst, spart den knarrenden Protz der preußischen Legende aus. Aber er hat in seiner Gutartigkeit gegen jedermann nichts anderes dafür zu bieten.“ Einen besonderen Platz innerhalb der Luisenverehrung nahm stets ihr Aufenthalt in Ostpreußen ein: Ihre Flucht vor der siegreichen französischen Armee in den äußersten Winkel des Reichs machte sie zur Märtyrerin. Ihr Zusammentreffen

mit Napoleon galt als Höhepunkt ihrer Leidensgeschichte. Der 1905 in Liebau in Schlesien geborene Regisseur Wolfgang Liebeneiner wollte 1957 noch einmal an diesen Mythos anknüpfen. Er spart dabei nicht mit Parallelen zur damals aktuellen politischen Situation. Etwa wenn er Hardenberg (Hans Nielsen) zu Luise sagen läßt: „Es ist der Zar, der unsere Ostgebiete erhalten soll!“ Oder wenn König Friedrich Wilhelm III. als maßvoller Außenpolitiker gezeichnet wird, der sein Land aus den Auseinandersetzungen zwischen Ost (Rußland) und West (Frankreich) möglichst heraushalten wollte. Ganz anders dagegen seine impulsive und emotionale Gattin Luise: Sie hasst Napoleon und bringt ihren Mann dazu, gegen diesen den Krieg zu beginnen. Dafür wird sie bitter bestraft. Im Gespräch mit dem Erzfeind muss sie wiedergutmachen, was sie mitverschuldet hat. Das gelingt ihr nicht. Also muss sie sterben. Bezeichnenderweise äußerte Ruth Leuwerick schon 1957 über die Wirkung auf das Publikum „Sie sollen nicht weinen, sie sollen lernen!“ Der Film ist ganz anders, als das, was die Kinemathek in der Preußenreihe bisher gezeigt hat. Auch dieser Film wollte Einfluß nehmen und über die populäre Gestalt der Königin Luise auf das Publikum wirken. Wirklich gelungen ist das nicht. Der Film wurde im Kino ein Flop. Sehenswert ist er trotzdem, gerade weil er andere Klischees bedient, als die bisher in dieser Reihe gezeigten Preußen-Filme. Markus Patzke

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Vortrag/Kinemathek

Mi, 08.09. | 19.15 Uhr Do, 09.09. | 18 Uhr

600 Jahre Schlacht bei Tannenberg / Grunwald 1410: Ereignis - Deutung - Mythos Vortrag und kommentierte Filmvorführung „Die Kreuzritter“ (Polen 1960) mit Prof. Dr. Dr. h. c. Udo Arnold (Universität Bonn) Am 15. Juli 1410, vor 600 Jahren, unterlag das Heer des Deutschen Ordens in der Schlacht bei Tannenberg/Grunwald einem polnisch-litauischen Koalitionsheer. Hochmeister Ulrich von Jungingen war mit zahlreichen anderen Ordensrittern unter den Gefallenen, während der polnische König Wladislaw II. Jagiello und der litauische Großfürst Vytautas das Treffen als Sieger verließen. Für gewöhnlich wird von der Niederlage an der Abstieg des Deutschen Ordens in der Machtkonkurrenz mit Polen und Litauen um die Vorherrschaft im Ostseeraum datiert.

Neben der herausragenden Bedeutung für die weitere Entwicklung in dieser Region Europas kam der Erinnerung an den 15. Juli 1410 sowohl von polnischer als auch von deutscher Seite vor allem im 19. und 20. Jahrhundert ein hoher geschichtspolitischer Rang zu. Tannenberg/Grunwald wurde jeweils zum Bezugspunkt national orientierter Geschichtsinterpretationen, die außerordentlich unterschiedlich ausfielen. Prof. Dr. Dr. h. c. Udo Arnold (Universität Bonn) wird in seinem Vortrag unter dem Titel „Tannenberg/Grunwald als politisches Symbol im 19. und 20. Jahrhundert“ (8. 9., 19 Uhr 15) beide Sichtweisen aufzeigen und aus der Sicht der heutigen geschichtswissenschaftlichen Forschung kritisch bewerten. Prof. Arnold ist einer der international besten und renommiertesten Kenner der Geschichte des Deutschen Ordens. Neben seiner langjährigen Lehr- und Forschungstätigkeit an der Universität Bonn sowie anderen Hochschulen hat er in zahlreichen wissenschaftlichen Kommissionen und Einrichtungen im Inund Ausland gewirkt. Prof. Arnold ist Präsident der Internationalen Historischen Kommission zur ErDarstellung des Todes Ulrichs von Jungingen in der Schlacht forschung des Deutbei Tannenberg, Historiengemälde von Jan Matejko, schen Ordens. Er ist Nationalmuseum Warschau 2008 aufgrund seiner

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Darstellung der Schlacht bei Tannenberg in der Berner Chronik von Diebold Schilling dem Älteren um 1483

Verdienste um die deutsch-polnische Verständigung mit dem Kavalierskreuz des Verdienstordens der Republik Polen ausgezeichnet worden. Im Juni 2010 erhielt er das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Im Jahre 1960 wurde mit enormem Aufwand in der damaligen Volksrepublik Polen der monumentale Spielfilm „Die Kreuzritter“ (9. 9., 18 Uhr) gedreht, in dessen Zentrum die Schlacht der Ritterheere steht. Der Film beruht auf dem überaus erfolgreichen gleichnamigen Roman des polnischen Schriftstellers Henryk Sienkiewicz, der 1900 veröffentlicht wurde. Regie führte Aleksander Ford, der einer der einflussreichsten polnischen Regisseure war und unter anderem Andrzej Wajda und Roman Polanski unterrichtete. Der Film hat als Teil der polnischen Interpretation jahrzehntelang große Wirkung entfaltet; schon kurz nach seiner Fertigstellung wurde er auch vom DDR-Filmproduktions- und -verleihunternehmen DEFA übernommen. Vor der Vorführung führt Prof. Arnold in die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des Films ein und erläutert dessen Handlung. Winfrid Halder Bitte beachten: Doppelveranstaltung am 8. und 9. September 2010, 19 Uhr 15 bzw. 18 Uhr: Aufgrund der Länge des Films beginnt die Veranstaltung am 9. 9. bereits um 18 Uhr! In Kooperation mit dem Polnischen Institut Düsseldorf.

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Ausstellung

Vom 10.09. bis 08.10.2010

„Beziehungen“ – Rudolf Halaczinsky Bild und Klang – Dem Wesen des Schöpferischen auf der Spur Der vielseitige Künstler Rudolf Halaczinsky, Komponist und Maler, wurde am 31. Juli 1920 in Radlin - Emmagrube / Oberschlesien geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums in der Kreisstadt Rybnik sowie in Oppeln begann er Anfang 1940 sein Studium an der Staatlichen Hochschule für Musik in Graz in den Fächern Klavier, Komposition und Dirigieren. Schon wenige Monate später zum Wehrdienst einberufen, kehrte Rudolf Halaczinsky 1946 aus der Kriegs-

folgte von 1971 bis 1984 einer Berufung als Dozent für Musiktheorie an die Universität Köln. Sein kompositorisches Schaffen umfasst ca. 100 Werke der Orchester-, Klavier-, Kammer-, Chor- und Kirchenmusik und wurde vielfach – auch international – ausgezeichnet. Der Musiker Rudolf Halaczinsky fand seit 1955 in einer Umbruchzeit des Suchens und Reifens in der Malerei zu einer „anderen Dimension künstlerischen Gestaltungsbereichs“, die ihm eine zweite Ausdrucksebene eröffnete. Die Vorstellung von der Landschaft als „musikerfülltem Raum“, von der Welt, „die aus dem Klang entsteht“, die Verschmelzung von Musik und Malerei wurde zu einer Leitidee seines Schaffens. Für den Künstler, der die vielfältigen Phänomene menschlicher Existenz, ihre Konflikte, Divergenzen, Brüche, Hoffnungen, Momente des Glücks sowie ihre Spiritualität, in die Sphäre des künstlerischen Ausdrucks zu formen trachtete, stand nicht die Kontinuität äußerlicher Erscheinungsform von Kunst im Sinne stilistischer Gradlinigkeit im Zentrum seines Schaffens. Vielmehr galt es für den „Synästhetiker“ Halaczinsky ein Thema mit den Mitteln der Malerei und Musik darzustellen, zu ergründen und damit eine tiefere Rudolf Halaczinsky, „Weiden am Bachlauf“, Wahrnehmungsmöglichkeit und Aquarell Erkenntnis zu gewinnen. Seine Bilder und Kompositionen lasgefangenschaft zurück. Als Korrepetitor, sen die scheinbar klaren Grenzen zwiKapellmeister und Hauskomponist war er schen Musik und Malerei verschwimmen. bis 1952 am Stadttheater Augsburg tätig, Die Weite des Kosmos, der Ursprung betreute als Organist und Chorleiter die des Lebens, die Faszination des Lichtes dortigen Kirchengemeinden St. Wolfgang bestimmten thematisch das Werk von und Heilig Geist. Rudolf Halaczinsky. Kurz vor seinem Nach einem weiteren Studium an der Aka- Tod formulierte er die essentiellen Fragen demie der Tonkunst München wirkte er als seines künstlerischen Schaffens: „Von Kantor der Herz-Jesu- Kirche Rheydt, als allem, was ich in meinem Leben, in der Musikerzieher in Mönchengladbach und Musik, der Malerei und auch in meinen

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Rudolf Halaczinsky schriftstellerischen Arbeiten versucht habe zu leisten oder versuche noch zu schaffen, was wird davon Bestand haben, was wird nicht umsonst gewesen sein, was habe ich schöpferisch zustande gebracht, was werde ich in meiner mir noch verbleibenden Zeit von dem, was in mir vorhanden ist zu Wege bringen? Ist es überhaupt wichtig, dass es geschaffen wurde, noch geschaffen wird, in der Schöpfung, in der bereits schon alles vorhanden ist bzw. bereits alles geschaffen wurde.“ Auf der Leinwand mit ausdrucksvollen Farben und Motiven experimentierend, auch der Zartheit eines Aquarells folgend, beherrschte der Künstler in seinen Kompositionen auch die musikalische Bandbreite von der Spätromantik bis zur 12-Ton-Musik. Als Maler gehörte Rudolf Halaczinsky zu den weltweit einmaligen Künstlern, deren Werke auf ultraleichtem Spezialpapier im Original verewigt, im Raumschiff „Mir“ um die Erde kreisten. Er starb am 28.07.1999 in Bensberg. Dirk Urland Eröffnung: 10.09.2010 | 19.15 Uhr Begrüßung: PD Dr. Winfrid Halder Direktor der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus Einführung: Nicolai Halaczinsky Musikalische Umrahmung: Carmen Daniela, Klavier Einführung in die Musik: Lothar Halaczinsky

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Konzert

So, 12.09. | 17 Uhr

Polnisch-Jüdisch-Masurischer Dreiklang Benefizkonzert zugunsten Bet Tahara in der Stephanuskirche in Düsseldorf-Wersten, Wiesdorfer Str. 21 Erich/Eric Mendelsohn (1887 - 1953), bedeutender Architekt des 20. Jahrhunderts, erbaute 1913 in seiner Heimatstadt Allenstein das Haus der Reinigung (Bet Tahara) auf dem Friedhof der jüdischen Gemeinde. Es blieb das einzige Werk in seiner Heimatstadt und ist heute eines der letzten Zeugnisse jüdischen Lebens in Allenstein/Olsztyn. Das Haus war dem Verfall preisgegeben, bis die Kulturgemeinschaft Borussia sich seiner annahm. 2005 pachtete die Borussia das vom Verfall bedrohte Gebäude von der Warschauer Stiftung für die Erhaltung des jüdischen Erbes. Die Borussia restauriert derzeit das Haus zu einem Zentrum des interkulturellen Dialogs. Borussia setzt sich nicht nur dafür ein, den Ort zu erhalten, sondern ihn auch zu einem lebendigen Zentrum der Begegnung, der Er-

lung des Hauses werden unter dem Namen Mendelsohn Salon Veranstaltungen organisiert, durch die das Mendelsohn-Haus in das kulturelle Bewusstsein der Stadt Allenstein/Olsztyn gerückt ist. Die „Kulturgemeinschaft Borussia“ ist 1990 in Allenstein/Olsztyn von jungen polnischen Humanisten gegründet worden. Dem Gründungskomitee gehörten 18 Personen an. Das Programm und die Ziele der Borussia sind getragen von der Grundidee und dem Willen, über politische Auseinandersetzungen und nationale Konflikte hinweg konstruktiv aktiv zu werden. Borussia betrachtet alle in dieser Region vorgefundenen Kulturgüter als gemeinsames Erbe, als Elemente einer historischen Landschaft, die die heutigen Bewohner dieser Region bereichert. Der Dialog und die Zusammenarbeit zwischen den jetzt in dieser Region lebenden und den früheren Bewohnern sowie den jetzt hier lebenden nationalen Minderheiten werden als zielführend betrachtet. Auf kulturellem Gebiet ist Borussia heute die wichtigste Nichtregierungsorganisation im Nordosten PoBet Tahara Haus auf dem jüdischen Friedhof in Allenstein lens, sie erinnerung und der Auseinandersetzung mit forscht und vermittelt die jahrhundertealte aktuellen regionalen Themen auszubauen. Kultur Ermlands und Masurens. Durch Um diese Idee Wirklichkeit werden zu Mitgestaltung und Stärkung der Toleranz lassen, sind enorme Anstrengungen und und Dialog zwischen Menschen unterGeldmittel nötig. schiedlicher Kulturen und Religionen. Nachdem es im Jahr 2006 gelungen ist, Neben vielen anderen Preisen wurde das Dach des Hauses zu sichern, wurde Borussia 2004 in Köln mit dem Lewim Jahr 2007 die Kuppel des Hauptsaales Kopelev-Preis für Frieden und Menschenkonserviert. Parallel zur Wiederherstelrechte ausgezeichnet.

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Stephanuskirche in Düsseldorf Wersten Seit Januar 2006 besteht eine förmliche Partnerschaft zwischen der Kirchengemeinde Düsseldorf-Wersten und den evangelischen Kirchengemeinden Passenheim/Pasy und Ortelsburg/Szczytno in Polen. Kontakte der Kantorei Wersten zu Chören und Kirchengemeinden in Polen und besonders in Masuren reichen zurück bis ins Jahr 1979. In zahlreichen Konzertreisen nach Polen auch und gerade in den politisch kritischen Jahren wurden vielfältige Kontakte und Freundschaften geknüpft. Die Partnerschaft ist sehr lebendig. Begegnungen (Konzertreisen und Jugendbegegnungen usw.) finden mindestens einmal jährlich statt. Zahlreiche konkrete Projekte und Unterstützungsmaßnahmen konnten realisiert werden. Auch der Dom in Allenstein/Olsztyn ist inzwischen zu einem regelmäßigen Konzertort für Musik aus Wersten geworden. Zur Borussia bestehen enge Kontakte. Das Presbyterium und der Ausschuss Masurische Kirchenpartnerschaften der Kirchengemeinde Wersten sind dankbar und freuen sich sehr, dass das Benefizkonzert zugunsten des Bet Tahara-MendelsohnHaus – Projektes der Kulturgemeinschaft Borussia in Allenstein/Olsztyn als Kooperationsprojekt der Borussia und ihren deutschen Freunden in Leipzig sowie dem Polnischen Institut, der Jüdischen Gemeinde, der Gesellschaft für christlichjüdische Zusammenarbeit und der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus stattfinden kann. Mattias Lask

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Rezension

Das Wolfskind auf der Flucht – Ursula Dorns zweites Buch Die 1935 in Königsberg geborene Ursula Dorn musste erst ihr siebtes Lebensjahrzehnt erreichen, bevor sie sich in der Lage sah, ihre Erinnerungen an den Untergang ihrer Heimatstadt 1944/45 und die Zeit unmittelbar danach zu Papier zu bringen. Daraus wurde der Band „Ich war ein Wolfskind aus Königsberg“, der Ende 2008 erschien und der im Frühjahr 2009 im Rahmen unseres Programms vorgestellt wurde. Wohl niemand, der das Buch zur Hand nimmt, wird unberührt bleiben von den Schrecken, welche die Zehnjährige durchleiden musste, als die Rote Armee Königsberg eroberte und als sie später, getrieben von der drohenden Nähe des Hungertodes, nach Litauen ging. Ursula Dorn wagte den verzweifelten Schritt der Flucht aus den Trümmern Königsbergs in der Hoffnung, jenseits der litauischen Grenze bessere Überlebenschancen vorzufinden. Damit begann für die Autorin – die zeitweilig gemeinsam mit ihrer Mutter unterwegs war – eine mehr als zweijährige Odyssee, die erst endete, als sie schließlich doch von den sowjetischen Verfolgungsorganen ergriffen und in einen der letzten Züge gesteckt wurde, mit denen im Herbst 1948 die wenigen bis dahin überlebenden Deutschen aus dem nördlichen Ostpreußen Richtung Westen abtransportiert wurden. Die Erinnerung an das durchlittene Grauen hatte Ursula Dorn lange verdrängt. Erst mit der Niederschrift ihres Buches fühlte sie sich in der Lage, sich selbst und anderen über ihre Erlebisse Rechenschaft abzulegen. Der einmal errungene und umgesetzte Entschluss zum Schreiben hat offenbar die Erinnerungsblockade gelöst, ja das gedruckte Buch hat Ursula Dorn wohl Mut gemacht, mehr über ihr Leben zu erzählen. So liegt nun schon der zweite Band aus Ursula Dorns Feder vor. Und das ist gut so – zwar fehlt dem Fortgang ihrer

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persönlichen Geschichte die Dramatik, die das Toben der Kriegsfurie und die ständig bedrohte „Wolfskind“-Existenz dem ersten Band verliehen haben. Das Bemerkenswerte nun ist jedoch gerade, wie nüchtern ein im Grunde „ganz normales“ Flüchtlings- beziehungsweise Vertriebenenleben bis gegen Ende der 1950er Jahre geschildert wird. Wahrscheinlich werden sogar mehr Menschen der sogenannten „Erlebnisgeneration“ in Ursula Dorns Schilderungen aus der Nachkriegszeit Parallelen zum eigenen Schicksal finden als dies bei der in mancher Beziehung durchaus ungewöhnlichen „Wolfskind“Geschichte der Fall sein dürfte. Da ist etwa die Feindseligkeit von großen Teilen der Dorfgesellschaft, in die die unfreiwilligen Neuankömmlinge kraft behördlicher Weisung einfach hineingezwungen werden. Da ist der peinigende Mangel an allem, was man zur nackten täglichen Existenz nötig hat. Da ist die nicht selten schamlose Ausbeutung des einziges Gutes, das die Vertriebenen noch einsetzen können, nämlich ihre Arbeitskraft. Da ist die erbitternde Selbstverständlichkeit, mit der die örtlichen Behörden vielfach die herrschenden Schieflagen zwischen alten und neuen Bewohnern hinnehmen, und mit der sie individuelle Wünsche einfach ignorieren – in Ursula Dorns Fall etwa das Bestreben, die Schule weiter besuchen zu dürfen und nicht eine Lehre in einem Beruf antreten zu müssen, den sie sich nicht ausgesucht hat. Da ist die mühselige Suche nach Familienangehörigen, von denen man durch das Chaos des Kriegsendes getrennt wurde, mit ihrem ständigen Hin- und Hergeworfensein zwischen Hoffen und Bangen. Da ist die Flucht aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland, wo man wieder gezwungen ist am materiellen Nullpunkt zu beginnen. Und wo die

gesetzlich gebotenen Hilfsmaßnahmen teilweise auf endlos erscheinenden Behördenwegen zu versanden drohen. Da ist die gewaltige Gerechtigkeitslücke zwischen denen, die durch den Krieg wenig oder nichts verloren haben und denen, deren Existenz vollständig vernichtet wurde und die nun auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sind. Da ist der Umstand, dass die Neuankömmlinge hier im Westen willkommen sind – so weit sie als schlecht bezahlte, aber überaus leistungsbereite Arbeitskräfte zu gebrauchen sind – und wehe, wenn sie weitergehende Ansprüche erheben! Ursula Dorns zweites Buch ist, wie schon das erste, lesenswert und wichtig. Und zwar zum einen für diejenigen, die bei der Lektüre sagen können, so ähnlich war es auch bei mir. Die Lektüre lohnt aber noch mehr für die Nachgeborenen, welche die Erfahrungswelt der „Erlebnisgeneration“ nicht unmittelbar kennen können. Denn das Buch zeigt, wie schwer errungen das „Wirtschaftswunder“ der Bundesrepublik war, wie hart ungezählte Menschen wie Ursula Dorn arbeiten mussten, um die Nachkriegsmisere zu überwinden. Das kann dazu beitragen, die Lebensleistung der Wiederaufbaugeneration differenzierter einzuschätzen – und in Zeiten des demographischen Wandels das Verständnis zwischen den Generationen fördern. Winfrid Halder

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Ich war ein Wolfskind aus Königsberg Biographischer Roman von Ursula Dorn Über sechs Jahrzehnte sind vergangen, bis die 1935 in Königsberg (Ostpreußen) geborene Ursula Dorn den Mut fasste, das zu erzählen, was sie als 10jähriges Kind erfahren musste. Sie lebt heute mit ihrer Familie in der Nähe von Göttingen. In ländlicher Abgeschiedenheit hat sie die Ruhe gefunden, ihre Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg zu bewältigen. Die Erinnerungen an ihr Dasein als Wolfskind hat sie in einer pakkenden Geschichte verarbeitet. Edition riedenburg, ISBN 9783902647092

€19,90

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Heimatstuben/Theater

Neue Impulse für Heimatstubenbetreuer Zeitzeugen gesucht Die Ostdeutsche Heimatstube in Neuss, die ihr Domizil auf der Kulturmeile der Stadt hat, war im Mai dieses Jahres Veranstaltungsort für die Frühjahrstagung der Arbeitsgemeinschaft Ostdeutscher Museen, Heimatstuben und Sammlungen in Nordrhein-Westfalen. An der Fachtagung mit dem Titel „Vergangenheit dokumentieren – Zukunft gestalten“ nahmen neben den ehrenamtlichen Betreuern von Heimatstuben Studenten der Heinrich-Heine-Universität teil, um sich Fragen der Dokumentation der Kultur und Geschichte der Deutschen aus dem östlichen Europa zeitgemäß zu widmen. Der Leiter der Ostdeutschen Heimatstube, Peter Pott, sowie der Geschäftsführer der AG Heimatstuben, Mattias Lask M. A., eröffneten die Sitzung und gaben einen Überblick zum Programm des Tages. „Geschichte hautnah – Alltagserfahrung und Zeitzeugenberichte im Museum – Oral history“ lautete der Titel des Referates des stellvertretenden Direktors des Clemens-Sels-Museums in Neuss, Dr. Thomas Ludewig, der für die Bereiche Stadtgeschichte, Volkskunde und Museumspädagogik in Museen zuständig ist. Dr. Thomas Ludwig referierte über die Schwierigkeiten sowie aber auch über die Vorteile und Möglichkeiten mündlicher Geschichtsüberlieferung, die als „Oral History“ bezeichnet wird. So sind die Vorteile unter Anderem das Erschließen neuer Informationsquellen. Es ist möglich durch eine persönliche Zeugenbefragung gezielter Fragen zu Themen stellen, die für einen selbst relevant sind und nicht über Geschichtsbücher vermittelt werden können und so direktere und aufgeschlossene Informationen erhalten. Das Problem bei einer rein mündlichen Überlieferung zeithistorischen Geschehens ist jedoch die Vergänglichkeit der Zeitzeugen. So ist die jetzt lebende jüngere Generation wohl die letzte, die noch Personen befragen kann, die den Zweiten Weltkrieg miterlebten. Hier liegt die Chance heute noch lebende Vertriebene aus den historischen deutschen Ostgebieten über ihre Erfahrungen zu befragen. Dabei gewinnt die Erlebnisgeneration an besondere Bedeutung. Danach folgte eine lebhafte Fragediskussion im Podium, wo Anregungen und zukunftsweisende Fragen gestellt worden

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sind. Dem Erhalt des Kulturgutes der Heimatsammlungen widmete sich das Referat der Leiterin des Museums für schlesische Landeskunde im Haus Schlesien in Königswinter-Heisterbacherrott, Nicola Remig. Das „Haus Schlesien“ – so die Referentin – ist eine Beratungs- und Auffangstätte für das schlesische Kulturgut, von der konkrete Beratung vor Ort zur Erfassung, Bewahrung, Konservierung und Präsentation des Kulturgutes erfolgt. Als Lösung der anstehenden Problematik, dass mit dem Ausscheiden der Erlebnisgeneration aus der Heimatstubenbetreuung die Weiterführung der Arbeit nicht gewährleistet ist, wurde empfohlen, die Bestände in regionale Museen oder in ostdeutsche Landesmuseen zu überführen. In der museumspädagogischen Arbeit

für Kinder und Jugendliche des Hauses Schlesien gewinnen die Berichte von Zeitzeugen einen enormen Stellenwert. Die speziellen Angebote mit Vertretern der Erlebnisgeneration an Schulen sind fester Bestandteil der Aktivitäten der schlesischen Einrichtung. Ein umfassendes Bild einer dokumentierten Stadtgeschichte vermittelte der Besuch des Clemens-Sels-Museums, das ein Heimatkunde- und Kunstmuseum ist. Besonderes Interesse weckte bei der Führung die Abteilung Archäologie und Kulturgeschichte, welche Einblick in die Ur- und Frühgeschichte, die historische und wirtschaftliche Entwicklung der Stadt seit der römischen Zeit vermittelt. Zum Abschluss der Tagung versammelten sich die Teilnehmer am Ostdeutschen Glockenspiel in der Nähe der Heimatstuben, wo die Lieder der Ostpreußen, Schlesier und Sudetendeutschen erklangen. Die erklungenen Lieder stimmten die Zuhörer betroffen und nachdenklich. Mattias Lask

Fr, 02.07. | 12.30 Uhr

Hauptmanns Dramen in der Stiftung Theater für Schüler und Senioren „Die Weber“ und „Die Ratten“ bevölkerten im Februar und März den EichendorffSaal des Gerhart-Hauptmann-Hauses. Schüler des Deutschen Zentrums für Schauspiel und Film aus Köln spielten mit großem Engagement diese bekannten Stücke von Gerhart Hauptmann auf moderne und für die Jugend aufbereitete Weise. Insbesondere Schulklassen aus Ratingen und Köln nutzten mit ihren Deutsch- und Religionslehrern dieses Angebot, um sich mit Gerhart Hauptmanns sozialkritischen Dramen auseinanderzusetzen. In anschließenden Gesprächen zwischen Schauspielern und Schülern zeigte sich, wie aktuell auch heute noch die Themen Gerhart Hauptmanns sind. Eine Lehrerin aus Köln formulierte zum Abschluss der Aufführung: „Die Schüler/innen waren und sind immer noch begeistert von der Inszenierung - für sie war die moderne und humorvolle Umsetzung der Dramenvorlage ein schöner Zugang zu dem Text, der ihnen zunächst schwierig und lebensfern erschien. Im Unterricht zeigt sich, dass immer wieder Erinnerungen an

die Inszenierung helfen, mit den Schülern am Text zu arbeiten - das übertrifft bei weitem meine persönlichen Hoffnungen.“ Insgesamt haben bereits 450 Zuschauer die Theateraufführungen in der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus gesehen. „Die Ratten“ werden noch einmal am Freitag, den 2. Juli 2010 im Eichendorff-Saal zu sehen sein und im Oktober in Ratingen (Hösel). Weitere Termine auf Anfrage. Für den Herbst (Freitag, 22. Oktober 2010, 19:15) dürfen sich Freunde der sozialkritischen Dramen Hauptmanns auf eine Aufführung der Diebeskomödie „Der Biberpelz“ freuen. Ehemalige und aktive Schüler der langjährigen Theater AG des Georg-Büchner-Gymnasiums unter der Leitung von Wilhelm Schiefer zeigen dann ihr schauspielerisches Können auf der Bühne des Eichendorff-Saales. Katja Schlenker Termin: Freitag, 2. Juli 2010, 12:30 Uhr: „Die Ratten“ von Gerhart Hauptmann, eine moderne Inszenierung von Schülern des Deutschen Zentrums für Schauspiel und Film Köln, Eintritt frei.

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Rezension

Deutsch-deutsches Lesebuch Die Stasi-Akten von Günter Grass Am 14. August 1961, einen Tag nach Errichtung der Berliner Mauer, schrieb der Westberliner Schriftsteller Günter Grass (1927) einen „Offenen Brief“ an die Ostberliner Schriftstellerin Anna Seghers (1900-1983), die zugleich Vorsitzende des DDR-Schriftstellerverbands war, und erhob scharfen Protest gegen die Verriegelung der innerdeutschen Grenze durch die DDR-Regierung. Da er den Widerstandsroman „Das siebte Kreuz“ (1942) gelesen hatte, verglich er den eingemauerten SED-Staat mit einem Konzentrationslager und schrieb: „Die Angst Ihres Georg Heisler hat sich mir unverkäuflich mitgeteilt: nur heißt der Kommandant des Konzentrationslagers heute nicht mehr Fahrenberg, er heißt Walter Ulbricht und steht Ihrem Staat vor.“ Dieser Brief, der Anna Seghers nicht erreicht hat, weil sie am 1. Juli nach Brasilien gefahren und erst im Spätsommer zurückgekehrt war, hatte zur Folge, dass das „Ministerium für Staatssicherheit“ in Ostberlin bereits vier Tage später, am 18. August, mit einem „Suchzettel“, auf dem handschriftlich vermerkt war „eilt“, nach Günter Grass fahndete, als Grund war angegeben „angefallen wegen Provokation“. Von diesem Zeitpunkt an bis zum 4. Juli 1989, also knapp 28 Jahre, wurde der am 16. Oktober 1927 im westpreußischen Danzig geborene Schriftsteller, der 1959 mit seinem Roman „Die Blechtrommel“ berühmt geworden war, unter dem Decknamen „Bolzen“ ununterbrochen überwacht, sowohl in Westberlin, wohin er 1960 von Paris gezogen war, als auch bei DDR-Reisen. Die ihn überwachten, ihre Gespräche mit ihm aufzeichneten und ihre Berichte der „Staatssicherheit“ ablieferten, waren bekannte DDRSchriftsteller wie Hermann Kant (1926), Erwin Strittmatter (1912 - 1994) und Paul Wiens (1922 - 1982) oder Kulturpolitiker wie Hans Marquardt (1920 - 2004), der Leiter des Leipziger Reclam-Verlages 1961/87, und Jürgen Gruner (1930), Mitarbeiter 1963/68 des DDR-Ministeriums für Kultur. Die hier abgedruckten und von Kai Schlüter (1956), einem studierten Germanisten und Hörfunkredakteur, bearbeiteten Dokumente sind freilich nur ein Teil

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dessen, was die „Staatssicherheit“ in 28 Jahren über Günter Grass ermittelt hat. Aber auch diese Auswahl von rund 300 Druckseiten ist erschreckend genug, der in Ostberlin und anderswo aufgefundene Aktenberg ist ungleich höher. Wer sich aber der Mühe unterzieht, sich einzulesen in diese „Literaturgeschichte“, die in fremdartigem „Stasi-Deutsch“ verfasst ist, erfährt eine Fülle von Einzelheiten über den DDR-Literaturbetrieb in 28 Mauerjahren (zum Beispiel, dass Paul Wiens nach einer Diskussion 1964 in Weimar Günter Grass verprügeln wollte!) und über die Ängste der „Literaturinterpreten“ aus Erich Mielkes Ministerium, die, ungebildet und schwach in Orthografie, dennoch fähig waren, die Existenz von Autoren nach Gutdünken zu vernichten. Kai Schlüter hat diese grauenhafte Textsammlung, die er nicht als „wissenschaftliche Edition“, sondern als „Lesebuch“ verstanden wissen will, in fünf Kapitel aufgeteilt, die chronologisch aneinander gereiht sind. Sie folgen nach den Äußerungen zum Mauerbau (1961/66) die konspirativen Lesungen in Ostberliner Wohnungen (1974/80), nach den friedenspolitischen Aktivitäten (1981/86) sind erste Lesereisen (1987/88) möglich, das letzte Kapitel schließlich ist einer Reise (1989) von Günter Grass auf die Inseln Rügen und Hiddensee gewidmet, der Heimat seiner zweiten Frau Ute Grunert. Alles, was der Autor in diesen Jahrzehnten privat erzählt oder öffentlich geäußert hat, ist, unter Weglassungen und Einfügungen, aufgezeichnet, bewertet und oft auch verzerrt dem Führungsoffizier übermittelt worden. So entstand eine doppelt und dreifache „gefilterte Sicht der Wirklichkeit“ (Kai Schlüter), die weit mehr über die Überwacher aussagt als über den Überwachten. Um diese „spröde Behördenprosa“ (Andreas Platthaus) für den Leser verdaulich zu machen, hat Kai Schlüter den unaufhörlichen Fluss der konspirativen Berichte an

die Führungsoffiziere aufgelockert durch nachträgliche Interviews mit Betroffenen und sonstige Zeugenaussagen. So wurde das letzte Interview, so zeitnah arbeitete der Herausgeber, mit der oppositionellen Liedermacherin Bettina Wegner (1947) am 14. Januar 2010 geführt. Erst nach der Aufhellung der Umstände, unter denen die Überwachungsberichte entstanden, kann der Leser beurteilen, was tatsächlich geschehen ist und wie es dann von Erich Mielkes Mitarbeitern verwertet wurde. Erst im letzten Abschnitt des Buches, wo zu lesen steht, wie Günter Grass überwacht wurde, als er im Sommer 1989 auf die Insel Rügen und nach Hiddensee reiste, um die Heimat seiner Frau kennenzulernen, taucht ein hauptamtlicher Mitarbeiter jenes berüchtigten Ministeriums auf, das seit Wolf Biermanns Ausbürgerung am 16. November 1976 für Kulturpolitik zuständig war: Major Paul Kienberg (1926)! Obwohl Günter Grass auf Rügen von Hans Marquardt beschattet wurde, der dort seinen Lebensabend verbrachte, reichte das dem Ministerium, das Zwischenfälle befürchtete, offenbar nicht aus, weshalb noch ein erfahrener Abwehroffizier auf die Inseln entsandt wurde. Ein herrliches Bild tut sich auf: Günter Grass sitzt zeichnend auf einer Klippe, hinter ihm lauert im Unterholz der Major mit Fernrohr und Funkgerät! Obwohl die Romane „Das Treffen von Teltge“, „Katz und Maus“ und „Die Blechtrommel“ 1984/86 in DDR-Verlagen erschienen waren, war ihr Verfasser damals mit Einreiseverbot belegt, das kurzfristig aufgehoben werden musste. Diese Textsammlung ist ein unglaubliches Buch, für dessen Veröffentlichung man dankbar sein muss. Es ist ein unfreiwilliger Beitrag zur Geschichte der DDRLiteratur, insbesondere zu ihrer Kriminalgeschichte, und es zeigt die tiefen Ängste der Staatsmacht vor einem Schriftsteller, der eine „feindliche Ideologie“ vertrat, den „Sozialdemokratismus“! Jörg Bernhard Bilke Kai Schlüter (Herausgeber): „Günter Grass im Visier. Die Stasi-Akte“, Christoph-Links-Verlag, Berlin 2010, 384 Seiten, 24,90 Euro

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Rückblick

10. Nacht der Museen im Gerhart-Hauptmann-Haus Mehr als 600 Besucher versammelten sich am 8. Mai für die „10. Nacht der Museen“ in der Bismarckstraße im Gerhart-Hauptmann-Haus. In den ersten Abendstunden sorgte der Kölner Kabarettist Didi Jünemann, vielen bekannt aus der WDR-Comedy-Show „Die Frühstückspause mit Jürgen Becker“ mit seinem Programm „Best Of Jünemann“ regelrecht für einen Besucheransturm. Zur späteren Stunde brachte die junge deutsch-russische Hausband der Stiftung – The Spiderpigs – mit experimentellem Rock´n Roll die Bühne zum beben und strömten die jugendlichen Fans von „Red Desert“ und „Cherry Goldfish“ aus Düsseldorf und Mettmann in den Eichendorffsaal. Viel Beachtung fand die geöffnete Ausstellung „Karl Leo Herbert Guttmann“. Gefeiert wurde bis weit nach Mitternacht.

oben: The Spiderpigs links: Cherry Goldfish

rechts: Besucher des Kabaretts

links: Didi Jünemann

Werke von Karl Leo Herbert Guttmann und der Präsentationstisch des Oberschlesischen Landesmuseums

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Bibliothek

„Lexikon der Vertreibungen“ Deportation, Zwangsaussiedlung und ethnische Säuberung im Europa des 20. Jahrhunderts Die moderne Geschichte Europas ist zu wesentlichen Teilen eine Geschichte ethnopolitisch motivierter und zumeist staatlich induzierter Zwangsmigration. Dies gilt vor allem für das 20. Jahrhundert, in dem bis zu 80 Millionen Europäer im Zuge von Bevölkerungsaustausch gegen ihren Willen umgesiedelt wurden, binnenstaatlicher Deportation unterlagen sowie Opfer von Vertreibung wurden. Das „Lexikon der Vertreibungen“ ist das erste Nachschlagewerk zu diesem Thema. Es hat zum Ziel, den derzeitigen Stand der Forschung zur Geschichte der Deportationen, Zwangsaussiedlungen und ethnischen Säuberungen in Europa zwischen 1912 und 1999 zu bilanzieren. Als Ergebnis einer internationalen wissenschaftlichen Kooperation umfasst das Lexikon mehr als 300 Artikel von über 100 Experten aus verschiedenen Ländern Europas. Die betroffenen ethnischen Gruppen und Akteure, die wichtigsten Vertreibungs- und Aufnahmegebiete werden im Lexikon ebenso systematisch erschlossen wie zentrale Begriffe aus Wissenschaft und Recht sowie historische Ereignisse, Erinnerungskulturen und Geschichtspolitiken. Zur Erleichterung weiterer Recherchen sind jedem Lexikontext Literaturhinweise beigegeben. Das Werk ist zudem mit einem Personen-, Ortsund Sachregister ausgestattet. Lexikon der Vertreibungen. Deportation, Zwangsaussiedlung und ethnische Säuberung im Europa des 20. Jahrhunderts. Hrsg.: Detlef Brandes u.a., Böhlau, 2010.

„Städte im südlichen Siebenbürgen“

Zehn kunsthistorische Rundgänge von Arne Franke Der Kulturreiseführer führt den Leser in die historischen Kerne von zehn Städten Südsiebenbürgens. Hermannstadt/Sibiu weist einen reichen Bestand an Baudenkmälern auf. Kronstadt/Brasov bietet mit seiner berühmten Schwarzen Kirche eines der bedeutendsten Gotteshäuser Südosteuropas. Das mittelalterliche Stadtbild von Schäßburg/Sighisoara wurde in den Rang des Weltkulturerbes erhoben, in Mediasch/ Medias hat sich die einzige Stadtkirchenburg des Landes erhalten. Berühmt sind auch die Pfarrkirche in Mühlbach/ Sebes und die römisch-katholische Kathedrale von Karlsburg/Alba Iulia, der alten „Hauptstadt“ Siebenbürgens. Der detailreiche Reiseführer wird ergänzt durch zahlreiche historische und zeitgenössische Fotografien, Postkarten, Malereien und Stiche. Arne Franke: Städte im südlichen Siebenbürgen: Zehn kunsthistorische Rundgänge. Deutsches Kulturforum Östliches Europa, 2010.

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„Nur uns gibt es nicht wieder“ Erinnerungen von Peter Spiro

Am 16. Mai 1918 erblickte Peter Spiro als Sohn des bekannten, aus Breslau stammenden Portät- und Landschaftsmalers Eugen Spiro in Berlin das Licht der Welt. Es war ein glänzendes Milieu. Man gehörte zum Großbürgertum, hatte namhafte Künstler, reiche Industrielle und erfolgreiche Politiker zu Freunden, war mit Gerhart Hauptmann, Rainer Maria Rilke, Thomas Mann und Leo von König bekannt. Im Sommer fuhr die Familie auf die Prominenteninsel Hiddensee, Reisen nach Frankreich, Italien und in die Schweiz gehörten zum Jahresprogramm. Im Alter von 91 Jahren schreibt Peter Spiro seine Erinnerungen an diese Zeit nieder und schafft damit als einer der letzten Zeitzeugen ein berührendes Dokument dieser Welt. Er beschreibt die Goldenen Zwanziger Jahre, in denen die Familien in Berlins Künstlerkreisen lebte, die Flucht über Marseille, Spanien und Lissabon im Jahre 1940 und das bittere Exil in New York. Einen großen Platz nehmen die Erinnerungen an den Vater und an dessen Malerkollegen ein, an die beiden Großväter, den Breslauer Rabbiner Abraham Baer Spiro und den Diplomaten und Lektor Samuel Saenger sowie die Cousins Balthus und Pierre Klossowski, die später selbst angesehene Künstler wurden. Peter Spiro: Nur uns gibt es nicht wieder. Erinnerungen. Edition Memoria, 2010.

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Chronologie Mi jeweils 18.10 bis 20.30 Uhr Probe der Düsseldorfer Chorgemeinschaft Ostpreußen-WestpreußenSudetenland Leitung: Iskra Ognyanova Mi 07.07. | 15 Uhr Kinemathek „Königin Luise. Liebe und Leid einer Königin“ (Deutschland 1957) Konferenzraum (Siehe S. 17)

Do 09.09. Ι 18 Uhr Kinemathek „Die Kreuzritter“ (Polen 1960) Konferenzraum (Siehe S. 18) Fr 10.09. | 19.15 Uhr Ausstellungseröffnung „Beziehungen“ – Rudolf Halaczinsky Bild und Klang. Dem Wesen des Schöpferischen auf der Spur Eichendorff-Saal (Siehe S.19)

Do 15.07, 02.09., 30.09. | jeweils 19.30 Uhr Offenes Singen mit Barbara Schoch Raum 412

So 12.09. Ι 17 Uhr Polnisch-Jüdisch-Masurischer Dreiklang Benefizkonzert mit Oskar Gottlieb Blarr, Ulrich Rasche u. a. Für das Projekt der Kulturgemeinschaft BORUSSIA, Allenstein/Olsztyn BET TAHARA Veranstaltungsort: Stephansuskirche, Wiesdorfer Str. 21, Düsseldorf – Wersten (Siehe S. 20)

Mi 08.09. Ι 19.15 Uhr „Tannenberg/Grunwald als politisches Symbol im 19. und 20. Jahrhundert“ Vortrag von Prof. Dr. Dr. h. c. Udo Arnold Konferenzraum (Siehe S. 18)

Do 16.09. | 19.30 Uhr „Hilfe bei Schwierigkeiten in oberschlesischen Kirchenbüchern“ Vortrag von Hans Fuhrig, Köln Gemeinsame Veranstaltung mit dem Düsseldorfer Verein für Familienkunde e. V., Raum 312

Mi 07.07., 01.09. | jeweils 15 Uhr Ostdeutsche Stickerei mit Helga Lehmann und Christel Knackstädt Raum 311

Der weite Weg gen Westen

Geflohen - vertrieben - angekommen an Rhein und Ruhr Hrsg. Winfrid Halder, Michael Serrer Die Autorinnen und Autoren des vorliegenden Bandes berichten von ihren eigenen Erfahrungen. Ihre damalige Perspektive war die von Kindern und Jugendlichen, daher richten sich ihre Zeugnisse insbesondere auch an die junge Generation von heute, die dafür sensibilisiert werden soll. Das Buch ist im Buchhandel erhältlich oder für Multiplikatoren bei der Landeszentrale für politische Bildung NRW zu beziehen.

€18,90

Neu erschienen auf CD: Oskar Gottlieb Blarr spielt historische Orgeln in Ostpreußen und im Ermland Prof. Oskar Gottlieb Blarr, Organist, Kantor, Dirigent und Komponist (1934 in Bartenstein / Ostpreußen geboren), hat sich um die Erhaltung zahlreicher Orgeln in den Kirchen seiner Heimat mit unermüdlichem Einsatz große Verdienste erworben.Manches Instrument von unschätzbarem Wert würde ohne ihn nicht mehr existieren. Auf den vom Gerhart-Hauptmann-Haus herausgegebenen CD’s erklingt die „Orgellandschaft Ostpreußen“ (20 €) und die Orgel der St. Anna-Kirche zu Barczewo/Wartenburg (15 €, davon 2 € für die Restaurierung des Instruments). Erhältlich im Gerhart-Hauptmann-Haus.

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ereits zum zweiten Mal zu Gast im GerhartHauptmann-Haus war Prof. Dr. Hans Mommsen, der über den Widerstandskämpfer Carl Friedrich Goerdeler referierte. Goerdeler ist dem Publikum vor allem als Oberbürgermeister von Leipzig bekannt, nur Wenigen ist seine westpreußische Herkunft und sein langer Aufenthalt in Ostpreußen bewusst. Prof. Mommsen ist einer der profiliertesten deutschen Zeithistoriker und zugleich einer der führenden Experten für die Erforschung des Widerstandes gegen das NS-Regime. Eine Fülle einschlägiger Publikationen zeugt davon. Im Jahr 2003 wirkte Prof. Mommsen als Mitherausgeber der politischen Schriften und Briefe Carl Goerdelers. Engagiert äußerte sich Hans Mommsen im vollbesetzten Konferenzraum zu zahlreichen, weitgehend unbekannten, Aspekten des deutschen Widerstands. In der anschließenden Diskussion ging es dann auch um tagesaktuelle Themen, zu denen Prof. Mommsen sich häufig pointiert äußerte.

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Datum und 28Unterschrift

Blick auf die Hohe Düne auf der Kurischen Nehrung in Nidden. Die Bilder darunter zeigen Arbeiten aus der Niddener Künstlerkolonie von Ernst Mollenhauer, Max Pechstein und Karl Schmidt-Rottluff.

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