Semper! No.5 13/14

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Semper!

Rezension eines Gastes

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Hannelore Bernhardt, Nachbarschaftshilfeverein e.V., Dresden

Reihe 7, Platz 23 » M O S KAU, TSCHERJ OMUSCHKI«, Feb r u ar 2014

Die Komödie beginnt mit einer Projektion auf dem Bühnenvorhang: einer großen Uhr, Vogelbeerbäumen und einer harmonischen Musik, gespielt vom Orchester der Giuseppe-Sinopoli-Akademie der Sächsischen Staatskapelle Dresden unter der Leitung von Mikhail Agrest. Sie stimmen uns auf die Ereignisse ein. Die Uhr, ein Symbol für die stete Entwicklung des Lebens und den Beginn einer neuen Zeit, für den Plattenbau für die Bürger von Moskau, wo einst Vogelbeerbäume standen. Schostakowitsch möchte mit dieser Komödie Menschen zeigen, die sich nach Veränderung sehnen, Wünsche haben und aus den unterschiedlichsten Schichten der Gesellschaft kommen. Einem alten Mann ist das Hausdach eingestürzt und nun ist er obdachlos. Er und seine Tochter Lidotschka suchen nach einer Bleibe. Das Paar Mascha und Sascha ist bescheiden. Die Sehnsucht nach Zweisamkeit und einer gemeinsamen Wohnung ist groß. Die Hoffnung geben sie nicht auf, und so sind sie in der Suche nach neuen Möglichkeiten der Gemeinsamkeit erfinderisch. Melancholie spürt man in Musik und Gesang der beiden. Sergej und Boris stellen sehr unterschiedliche Charaktere dar. Sergej, pflichtbewusst, möchte Arbeit und Freundin Ljusja in Einklang bringen. Das Gegenteil ist Boris: Burschikos geht er ungeniert Kompromisse ein für die Realisierung seiner Wünsche. Boris gibt sich als Macho. Lidotschka ist unerfahren und konservativ. Sie wird von Boris bedrängt und ihre Gefühle zu ihm sind sehr widersprüchlich.

Hervorragend war die Choreografie im Duett von Boris und Lidotschka. Die Inszenierung, die Musik und die Street Songs unterstreichen ganz deutlich die unterschiedlichen Gefühle und Sehnsüchte der beiden. Bauarbeiterin Ljusja ist eine selbstbewusste und zielstrebige Arbeiterin. Jedoch ihre Beziehung zu Sergej ist getrübt und findet erst spät ein echtes Happy-End. Ihr Gesang, ihre Mimik und Gestik waren sehr ausdrucksstark und vereinten sich mit der Musik hervorragend. Drebednjow, ein reicher Funktionär, und seine vierte Frau Wawa haben die Vorteile auf ihrer Seite. Wawa liebt das Geld, aber nicht ihren Mann. Ein Seitensprung mit Boris kommt da gerade recht. Ein korrupter Hausverwalter, Barabaschkin, nimmt gern die Geschenke der Wohnungssuchenden an. Skrupellos nimmt er seine Macht wahr und verschafft dem reichen Geschäftsmann auf Kosten armer Wohnungssuchenden mehr Räume. »Geld regiert die Welt« – heute mehr denn je. In der Darstellung des Traumes von Lidotschka, begleitet von einem Ballett, fühlte man sich wie im Märchen. Man flüchtet sich in etwas, was nicht realisierbar ist, einen aber wieder Hoffnung schöpfen lässt. Die Inszenierung der Ratten ist gelungen. Am Anfang stellen sie die alte, marode Gesellschaft dar. Im Lauf der Zeit werden es immer mehr. Sie sind Sinnbild für die Korruption in der heutigen Gesellschaft. Schostakowitsch zeigt deutlich, wie Macht und Gier in der Gesellschaft die Menschen

verändern. Der Chor und die Solisten mit ihren exzellenten Tanzeinlagen rücken das Geschehen auf der Bühne und davor ganz nah ans Publikum und geben ihm Flair. Die Musik und die starke Ausdruckskraft der Darsteller lassen deutlich erkennen, welche Position die Personen in der Gesellschaft verkörpern. Aussagekräftig sind Bühnenbild und Kostüme. Zum Schluss sieht man wieder das Video mit der großen Uhr, im Hintergrund jetzt die Plattenbausiedlung. Die Uhr sagt uns, die Zeit bleibt nicht stehen.

Hannelore Bernhardt wurde in Sachsen geboren und wohnt seit 2006 in Dresden. Seit 2010 arbeitet sie als stellv. Vorsitzende im Nachbarschaftshilfeverein e.V. in Dresden-Gorbitz, wo sie kulturelle und andere Veranstaltungen organisiert. Dmitri Schostakowitsch

MOSKAU, TSCHERJOMUSCHKI Vorstellungen

28., 30., 31. März & 2. April 2014 Karten zu 16 Euro (ermäßigt 8 Euro)


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