Semper Magazin No.6 12/13

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Semper!

Junge Szene

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Josefine Kleber, Autorin Jan-Bart De Clercq, Fotograf

Von Gesang, Hüten und Inszenierungsbausteinen Wie K i nde r ler n e n , M usikt h e at e r z u gestalten

»Ich will einen roten Hut, keinen lilafarbenen!« Es herrscht Chaos in der 2. Klasse der Grundschule Preusen aus Brandenburg: Damenhüte in rot, lila und pink werden mit Tüchern in allen erdenklichen Farbvariationen hin- und her getauscht, alles verschwindet in einem gackernden, bunten Wirrwarr. Solange, bis jedes Kind mit seiner ganz persönlichen, perfekten Hut-Tuch-Kombination ausgestattet ist. Hier wird nichts dem Zufall überlassen! Denn nachdem die Schüler zwei Stunden intensiv überlegt und eine Szene aus »Prinz Bussel« inszeniert haben, muss natürlich auch für alle das Kostüm stimmen. Die zweite Klasse besucht einen Workshop, um sich auf den Besuch der Uraufführung »Prinz Bussel« vorzubereiten. Durch eigene Erfahrungen und Entscheidungen lernen sie, das Musiktheater zu begreifen. Das beginnt zunächst mit Musik und Gesang. Erst, wenn das »Ja-Lied« aus Johannes Wulff-Woestens Oper eingeübt ist, kann die Probe für die erste Szene beginnen. Mit dem Team der Jungen Szene nutzen die Schüler für die szenische Arbeit Inszenierungsbausteine: verschiedenfarbige Karten nach ästhetischen Kategorien sortiert, die im Spiel miteinander unterschiedlich kombiniert werden. Auf diese Weise kreieren die Schüler unterschiedliche Situationen und jeder darf einmal von außen zuschauen, den Regisseur spielen und seinen Mitspielern szenische Aufgaben stellen. Abschließend entscheidet die Klasse, welche Situationen am besten zur Szene passen. Sind die Situation und der Ablauf der Szene geklärt, wird das Ganze mit Text und Gesang kombiniert – und fertig ist die selbstgemachte Szene: Max stellt »Prinz Bussel« dar. Damit könnte er Steine erweichen, so kläglich wiederholt er unermüdlich »Darf ich mitsingen?« Seine Schwestern interessiert das nicht, sie bereiten sich auf

Szene aus dem »Prinz Bussel«-Workshop

den Auftritt vor und halten möglichst viel Abstand zu dem kleinen Bruder. Und schreien ihm jedes Mal aufs Neue unisono ein herzloses »Nein!« entgegen. Ihr anfänglich stolzes Benehmen verwandelt sich in rasende Wut. Prinz Bussels Gestik spricht Bände, mit immer tiefer hängenden Schultern schlurft er traurig über die Bühne und verlässt sie schließlich tief enttäuscht, während seine Schwestern das »Ja-Lied« anstimmen. Der Vorhang fällt. Pünktlich zum Mittagessen heißt es dann leider Abschied nehmen für die Brandenburger, denn ihr Zug wartet am Hauptbahnhof. Ob sich die Fahrt nach Dresden gelohnt hat? Auf die Frage, ob sie sich auf den Besuch der Vorstellung »Prinz Bussel« freuen, hört man ein einhelliges »Jaaaa!«. Das klingt nicht einstudiert, das klingt echt.


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