Semper Magazin No. 4 12/13

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Semper!

Staatskapelle

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Antipoden? – Na und! Christ i an Th i elemann und maur i z i o pollini mit brahms

Gegensätze ziehen sich an. Gemeinsam haben sich Maurizio Pollini, Christian Thielemann und die Staatskapelle bereits Johannes Brahms’ erstes Klavierkonzert vorgenommen und das Werk auf CD eingespielt. Nun wenden sie sich dem zweiten Klavierkonzert zu. Wie kann das funktionieren? Auf der einen Seite der große Musik-Logiker, der ExKommunist und Avantgardist Maurizio Pollini. Auf der anderen der SinnlichkeitsMagier, der Kritiker der 68er-Mentalität und zukunftsoffene Traditionalist Christian Thielemann mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Die Antwort haben die Musiker letztes Jahr selbst gegeben. Das Konzert mit Johannes Brahms’ erstem Klavierkonzert wurde von der Spannung zwischen schwelgerischem Orchesterklang und nuanciertem Klavierpart getragen. Der CD-Mitschnitt der Deutschen Grammophon ist inzwischen mit dem »ECHO Klassik« ausgezeichnet worden. Gegensätze ziehen sich in der Musik also nicht nur an, sondern bereichern einander. Oder, wie Christian Thielemann sagt: »Am Ende zählt nicht die Ideologie, sondern die Qualität – sie ist die Basis für alles.« Nach ihrer ersten Begegnung sind die vermeintlichen Antipoden Thielemann und Pollini längst Musikerfreunde geworden. Im Oktober 2012, nach einem Konzert der Staatskapelle in der Suntory Hall in Tokio, trafen sich die beiden erneut und plauderten heiter vergnügt über die anstehenden Aufgaben. Während Christian Thielemann und die Staatskapelle mit ihrem Brahms-Zyklus gemeinsames Neuland betreten, hat Maurizio Pollini das Klavierkonzert Nr. 2 bereits

zweimal aufgenommen – einmal mit den Wiener und einmal mit den Berliner Philharmonikern. Stets stand sein Freund Claudio Abbado am Pult. Nun unternimmt Pollini eine Neubefragung des Werkes mit der Staatskapelle. Und das hat einen guten Grund. Der Pianist war einer der wenigen Künstler aus dem Westen, die auch in Zeiten der DDR mit der Kapelle spielen durften. Allerdings dauerte es 25 Jahre, bis er 2012 wieder nach Dresden zurückkehrte. Johannes Brahms’ B-Dur-Konzert ist mit 50 Minuten Spieldauer eines der längsten Stücke dieses Genres. Darüber hat der Komponist gern gescherzt. An seine Freundin Elisabeth von Herzogenberg berichtete er: »Ich habe ein ganz ein kleines Klavierkonzert geschrieben, mit einem ganz einem kleinen zarten Scherzo.« Ironisch kommentierte Brahms auch das andere Werk, das im 6. Symphoniekonzert auf dem Programm steht: seine zweite Symphonie. Sie wird von natürlicher Schönheit getragen und gern mit Beethovens »Pastorale« verglichen. Dennoch nannte Brahms sie »traurig und mollig« und forderte: »Die Partitur muss mit Trauerrand erscheinen!« Derartige Witze machte der Komponist besonders gern, wenn er zufrieden mit seinen Werken war. Und das war er in beiden Fällen. Nachdem er über 15 Jahre lang mit seiner ersten Symphonie kämpfte, vollendete er die Zweite in nur zwei Monaten. Ähnlich beschwingt war er bei seinem zweiten Klavierkonzert: 22 Jahre lang hatte Brahms diese Gattung ruhen lassen, bis er 1881 den viersätzigen Nachfolger zu Ende schrieb. Beide Werke nehmen im Brahms-Zyklus der Staatskapelle eine zentrale Rolle ein – belebt sicherlich durch den Dialog der musikalischen Gegensätze. An den Anfang des Programms stellt Christian Thielemann die Lustspiel-Ouvertüre von Ferruccio Busoni, die sich mit ihrem heiteren Charakter als ideale Ergänzung zu den beiden Brahms-Werken erweisen dürfte.

6. Symphoniekonzert Freitag, 25. Januar 2013, 20 Uhr Samstag, 26. Januar 2013, 19 Uhr Sonntag, 27. Januar 2013, 11 Uhr Semperoper Dresden Christian Thielemann Dirigent Maurizio Pollini Klavier Brahms-Zyklus II Ferruccio Busoni Lustspiel-Ouvertüre op. 38 Johannes Brahms Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur op. 83 Symphonie Nr. 2 D-Dur op. 73 Kostenlose Einführungen jeweils 45 Minuten vor Konzertbeginn im Opernkeller der Semperoper

Johannes Brahms Klavierkonzert Nr. 1 op. 15 d-Moll Christian Thielemann Dirigent Maurizio Pollini Klavier Sächsische Staatskapelle Dresden Deutsche Grammophon CD 4919338


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