Semper!
Zum Verdi-Jahr
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»La traviata«
Oper für die Menschen Zwei h undertster gebu rtstag von GIU Sepp E VER DI
Mit »Verdi – Roman der Oper« gelang Franz Werfel der Durchbruch und gleichzeitg setzte er den beiden Jahrhundertkomponisten Wagner und Verdi ein literarisches Denkmal. In diesem 1924 erschienenen Roman beschreibt er die Schaffenskrise Giuseppe Verdis und dessen Besuch in Venedig, wo sich sein erfolgreicher Konkurrent Richard Wagner aufhält. Als sich Verdi entschließt, sich mit dem bewunderten Kollegen auszutauschen, ist dieser gerade verstorben. Erst nach der Begegnung mit einem jungen Komponisten überwindet
Verdi seine Krise. Die Arbeitsstile und Opernauffassungen Wagners und Verdis, die beide 2013 ihren 200. Geburtstag feiern, beschreibt Werfel in seinem Roman so: Vor dreißig Jahren etwa hatte Giuseppe Verdi mit dem venezianischen Schriftsteller Somma das Libretto des »König Lear« vereinbart. Somma, noch sehr abhängig vom Typus des italienischen Melodramas, wie es sich von Metastasio zu Felice Romani hinüberentwickelt hatte, konzentrierte Shake-
speares Tragödie auf drei Akte, das heißt auf die großen Steigerungsszenen, die durch jene flüchtige, mit wegwerfender Hand gefügte Motivation verbunden wurden, die solchen Texten ebenden Charakter des Opernhaften gab. Das Vorgehen dieser Librettisten war gar nicht so unweise, als die ästhetische Schulmeisterei uns beibringen will, denn das Drama der Musik spielt auf einer ganz anderen Ebene als das Drama der handelnden Leidenschaften, und nimmer können die beiden Sphären sich berühren.