Magazin zu den Premieren 2013/14

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No. 1

son Sai  / 14 13 20

Magazin

Premieren

So machen wir’s


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KĂśnige, Ritter und BĂźrger bei Henry Purcell und Richard Strauss

Dreifach vermitteltes Mittelalter Albert Gier

Premieren

Essay


3 Das Mittelalter ist eine Erfindung der Romantik. Bis weit ins 18. Jahrhundert galt die »mittlere Epoche« der europäischen Geschichte als bloße Zwischenzeit ohne Eigenschaften, als Tiefebene zwischen den Gipfelpunkten der klassischen Antike und ihrer »Wiedergeburt«, der Renaissance; erst im Gefolge des jungen Goethe (»Götz von Berlichingen«) entdeckt man den kernigen Reiz des »Altdeutschen«. Somit ist das Mittelalter für Richard Strauss eine Epoche eigenen Rechts, während Henry Purcell und John ­Dryden, der ihm den Text zu »King Arthur« (1691) schrieb, noch nicht daran dachten, Verhältnisse der Zeit, in der ihr Held gelebt haben müsste, zu rekonstruieren. König Artus ist eine Sagengestalt, ein Märchenkönig, sein Weltreich, in dem es von Feen, Riesen, verhexten Burgen und Zauberei aller Art wimmelt, ist schiere Fiktion. Ein Geschichtsschreiber des 12. Jahrhunderts hat sich das ausgedacht, damit die Engländer den Heldentaten Karls des Großen und seiner Ritter, von denen man auf dem Kontinent sang, etwas entgegenzusetzen hätten. Auch in »King Arthur« treten der weise Zauberer Merlin, sein Gegenspieler Osmond, ein Erdgeist und ein Luftgeist auf, aber die Geschichte ist eine durchsichtige politische Allegorie: Der Sachse Oswald steht für den Katholiken James II., der durch die »Glorious Revolution« 1688 vom englischen Thron vertrieben wurde, der Brite Artus für seinen Nachfolger, den Protestanten William von Oranien. Purcell zeigt, wo seine Sympathien liegen, indem er für die Sachsen weniger attraktive, etwas altmodische Musik komponiert. Artus besiegt Oswald nicht nur im Kampf, er sticht ihn auch bei der von beiden geliebten Emmeline aus; aber am Ende steht die Versöhnung von Briten und Sachsen als Aufforderung an die Zeitgenossen, den Konfessions- und Parteienstreit endlich zu begraben. Richard Strauss schrieb sich das Libretto zu seiner ersten Oper »Guntram« (1894) selbst und stellte sich schon dadurch in die Nachfolge Richard Wagners. Wagner freilich hatte die Arbeiten der frühen Mittelalter-Forscher (zum Beispiel Jacob Grimms »Deutsche Mythologie«) zwar genau studiert, die alte Zeit aber immer als Spiegel seiner eigenen Befindlichkeit und politisch-sozialer Probleme der Gegenwart verstanden; in seinen Musikdramen erweckt er nicht die Welt des »Nibelungenlieds« oder Wolframs von Eschenbach zum Leben, sondern er konstruiert aus Elementen der griechischen Tragödie, der mittelalterlichen Epik sowie aktueller politischer Theorie und Philosophie (die Frühsozialisten, Feuerbach, Schopenhauer) seinen persönlichen Mythos. Richard Strauss ging ähnlich vor, allerdings bezog er Figuren und Situationen größtenteils aus dem Kosmos der Opern Wagners: Guntram ist Tannhäuser (als fahrender Sänger) und Lohengrin zugleich (als Mitglied des Ordens der »Streiter der Liebe« und Beschützer Freihilds). Der Orden verlangt von ihm, durch seinen Gesang die Botschaft der christlichen Nächstenliebe zu verkünden, aber die Liebe zu Freihild, der barmherzigen Ehefrau des grausamen, das Volk brutal unterdrückenden Robert, verleitet ihn, ihren Mann – in Notwehr – zu erschlagen. Elisa Stünzner als Diemut Über das Ende der Oper scheint Strauss sich lange unschlüsund Waldemar Staegemann sig gewesen zu sein. Letztlich erkennt sein Guntram, dass er nur als Kunrad in Richard Strauss’ »Feuersnot« 1924 für sich selbst verantwortlich ist; von dem Orden, dessen Premieren


4 Gesetzen er sich unterwerfen soll, sagt er sich los, er trennt sich aber auch von Freihild, um durch Entsagung seine Schuld zu sühnen. Diese von Nietzsche (und Max Stirner) angeregte Lösung ist so unmittelalterlich wie nur möglich: Eine Figur wie der Parzival Wolframs von Eschenbach kann sich zwar gegen Gott empören, aber er kann sich nicht konsequent und unaufgeregt von ihm emanzipieren. Guntrams Individualismus gehört erst dem 19. Jahrhundert an. Strauss hat im »Guntram«-Libretto auf Stabreime und Anklänge an Wagners Stil verzichtet (was sicher eine kluge Entscheidung war), um den Preis, dass sein Text etwas unpoetisch daherkommt. Mit dem Singgedicht »Feuersnot« (am 21. November 1901 in Dresden uraufgeführt) dagegen lieferte ihm Ernst von Wolzogen, der Gründer des literarischen Kabaretts »Überbrettl« in Berlin, passend zum frivolen Stoff eine Kopie von Wagners Schreibart, die (durch Zitate, Dialekteinsprengsel und ähnliches) in eine Parodie umschlägt. Die Geschichte wurde seit dem 13. Jahrhundert oft erzählt. Der lateinische Dichter Vergil wird im Mittelalter erstaunlicherweise (denn er liebte nur Knaben) unter die »Minnesklaven«, die Opfer weiblicher List und Bosheit, gezählt: Eine Königstochter, so heißt es, habe ihm versprochen, ihn nächtens in einem Korb in ihr Turmgemach heraufziehen zu lassen, den armen Kerl dann aber auf halber Höhe hängen lassen und so dem Gespött der ganzen Stadt preisgegeben. Weil man dem Dichter der »Aeneis« aber auch Zauberkräfte zuschrieb, kann er sich rächen: Er sorgt dafür, dass in ganz Rom das Feuer ausgeht und nur am nackten Hintern der Mutwilligen wieder entzündet werden kann – weil man den Brand nicht an andere weitergeben kann, muss sie die beschämende Prozedur endlos lange über sich ergehen lassen. Später wird diese Geschichte von einem namenlosen jungen Mann erzählt; Wolzogen verlegt sie nach München: Sein Kunrad will das Mädchen, das ihn zum Gespött gemacht hat, nicht demütigen, sondern endlich die versprochene Liebesnacht genießen – dass das Feuer nur »aus heißjungfraulichem Leibe« wieder entflammt, erhält so eine völlig andere Bedeutung. Strauss nutzt die Gelegenheit, den Münchner Philistern, die Wagner vertrieben und seinen eigenen »Guntram« ausgebuht haben, gründlich die Meinung zu sagen. Das Mittelalter (dessen Literatur und bildende Kunst durchaus Vorbilder für die unverkrampfte Sinnlichkeit der »Feuersnot« bereitstellen) interessiert ihn und Wolzogen (wie schon Purcell und Dryden) weniger um seiner selbst willen denn als Spiegel, der die gesellschaftlichen Verhältnisse und Probleme der eigenen Zeit, oder auch ganz private Erfahrungen der Autoren, vergrößernd und verdeutlichend reflektiert. Albert Gier ist Professor für Romanische Literaturwissenschaft / Mediävistik an der Universität Bamberg.

Premieren


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Szenenbild aus Richard Strauss’ »Feuersnot« 1924

Premieren


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King Arthur

King Arthur

Tilmann Köhler

Felice Venanzoni

Inszenierung

Musikalische Leitung

Tilmann Köhler ist seit Beginn meiner Dresdner Intendanz 2009/10 Hausregisseur am Staatsschauspiel und prägt es entscheidend mit: Da waren seine Eröffnungs-Inszenierung von Brechts »Die heilige Johanna der Schlachthöfe«, seine Auseinandersetzung mit Sophokles’ »König Oedipus«, sein »Kaufmann von Venedig« von Shakespeare und seine Adaption von Christa Wolfs »Der geteilte Himmel« sowie Arbeiten im Kleinen Haus, von denen »Das halbe Meer« von Thomas Freyer herausgehoben sei. Köhlers Arbeiten sind oft von Genauigkeit, Ernsthaftigkeit und Vertrauen in den Text, in die Vorlage geprägt. Ob er mit Brecht die Mechanismen von Wirtschaftssystemen untersucht, mit Sophokles den Zusammenhang von Schuld und Verbrechen oder mit Thomas Freyer und Christa Wolf Utopien in der Gesellschaft, Tilmann Köhler hat ein Anliegen und sucht mit seinem Ensemble nach theatralen und körperlichen Übersetzungen dafür. »Jagd nach Schmetterlingen«, so heißt ein Text, den Köhler 2012 schrieb und der vielleicht seine Arbeit überhaupt beschreibt. Als starke, poetisch-politische Abende werden seine Inszenierungen von der Kritik oft wahrgenommen – eine Richtung, die man sich für »King Arthur« gut vorstellen kann. Im Genre Oper probiert sich Köhler erstmals in Frankfurt am Main mit »Teseo« aus. Wir freuen uns auf seine Spielzeiteröffnung in Dresden.

2002 lernte ich Felice kennen, und wir sollten lange zusammen an der Oper Frankfurt arbeiten. Als ich im Fußballspiel-Alter war und höchstens »Für Elise« konnte, hatte Felice seinen ersten Bühnenauftritt in »Madama Butterfly«. Er spielte Japanische Glocken. Obwohl ich ein erfahrener Orchestermusiker war, dachte ich während seiner Erzählung: »Hier ist ein Musiker, von dem ich was lernen werde!« Wenn nur jeder mitlauschen dürfte – wie Felice Mozarts Rezitative mit Sängern gestaltet, wie er Atmungen in »Don Carlo« findet (basierend auf dem original französischen statt italienischen Text), wie er eine Phrase, die Intonation oder den Klang eines Sängers »biologisch« korrigiert: mit Stütze, mit Atem, mit Fokus. Wenn nur mehrere Gesangslehrer erreichen würden, was er in 15 Minuten schafft! Felices Continuo-Spiel ist ein Maßstab. Ob Monteverdi oder Mozart, ob Rossini oder Händel, Felice arbeitet auf einem Niveau, auf dem Sprache, Stilkenntnis, Drama und die einfachen Akkorde eines Rezitativs keine Grenzen kennen. Neulich arbeiteten wir an »Giulio Cesare« zusammen, und viele seiner Anmerkungen und Regeln fanden ihren Weg in meine Partitur. Alternierend spielen wir beide Cembalo, und ich muss sagen, es ist nicht einfach, weil ich ihm lieber zuhören würde, als seinen Erfindungsgeist durch meine Einsätze zu unterbrechen.

Wilfried Schulz, Intendant des Staatsschauspiels Dresden

Erik Nielsen, Dirigent Felice Venanzoni dirigiert in der Spielzeit 2013 / 14 auch »L’impresario delle Canarie«.

Premiere

13. September 2013 Vorstellungen

22., 29. September, 14., 17., 30. Oktober, 1., 7. November & 3. Dezember 2013

Premieren


Feuersnot

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Feuersnot

Stefan Klingele Musikalische Leitung Wenn ich den Kritiker Jürgen Kesting anrief und ihn zu einem Besuch nach Bremen verführen wollte, fragte er stets: »Dirigiert bei Ihnen immer noch Stefan Klingele?« Klingele war für den Opernexperten aus Hamburg eine Garantie für außergewöhnliche musikalische Qualität. Stefan Klingele war ein wichtiger Bestandteil meines Dirigenten-Glücks – einer exzellenten Kapellmeister-Riege. Ich konnte ihn leider erst in meiner letzten Spielzeit 2006 / 7 mit der Funktion des Chefdirigenten betrauen – da wurde unsere Oper von der Jury der Fachzeitschrift »Opernwelt« zur »Oper des Jahres« ausgerufen. Daran hatte Klingele beträchtliche Anteile. Der Entwicklungsgedanke in der Zusammenarbeit mit dem Orchester, Sängern, dem Chor und dem Regisseur war entscheidend für Klingele. Oft erst in der Premiere wurde die Aufführung bei Klingele zu einem finalen Kulminationspunkt; bis dahin arbeitete er auf unprätentiöse Weise. Er ist darauf angewiesen, dass die Mitwirkenden seine künstlerischen Intentionen nachvollziehen, so wie er es umgekehrt meisterhaft versteht, die künstlerischen Absichten der Musiker aufzuspüren und weiterzutreiben. Prof. Dr. Klaus Pierwoß, 1994 – 2007 Generalintendant des Bremer Theaters

Premiere

7. Juni 2014 Vorstellungen

9., 10. Juni 2014

Premieren


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Essay

zwei furchtlose Frauen – Carmen und Elektra Renate Matuschka

Premieren


9 Kann man zwei Frauengestalten, die fürs Erste gar nichts miteinander verbindet, außer Namensgeberin für eine Oper zu sein, vergleichen? Die musikalische Entstehungszeit der beiden Opern liegt etwas mehr als dreißig Jahre auseinander, die Inhalte trennen etliche tausend Jahre. Die eine Oper fußt auf einer Novelle eines bekannten französischen Schriftstellers des 19. Jahrhunderts, Prosper Mérimée, die andere geht tief zurück in die griechische Mythologie, die schaurig-grässliche Geschichte der Atriden, einst schon in Verse gesetzt von drei griechischen Dichtern und am Beginn des 20. Jahrhunderts von einem berühmt werdenden österreichischen Dich Szenenbild der Uraufführung ter, Hugo von Hofmannsthal. Wie die beiden Frauen in ein Bild »Elektra« 1909 bringen – zwei so gegensätzliche Gestalten der Opernliteratur? Geht das, gibt es Verbindungen? Zunächst einmal obenhin betrachtet: Die eine ist leichtfertig, promisk, spielt mit den Männern und mit der Liebe, nimmt sich, was und wie es ihr gefällt, beutet aus, entspricht scheinbar allen Klischees der männermordenden Femme fatale. Die andere ist: beschwert, durchglüht von einem einzigen Gefühl, der Rache. Sie trägt schwer an ihrer elenden Familiengeschichte, durch die sich ein endlos giftiger Strom aus Mord und Vernichtung zieht, in Elektras Fall auch von Hoffnungslosigkeit und tiefstem Hass auf die Mutter. Nicht auf den Vater, der allerdings doch auch gemordet hatte? Und Elektra weiß, dass sie für immer, sozusagen in höherem Auftrag, verzichten muss auf die geschlechtliche Liebe zum Mann. Sie lässt nur Treue zu sich selbst gelten – und zur Tat. Da aber finden wir schon die ersten erstaunlichen Gemeinsamkeiten der beiden Frauengestalten. Beide machen sich ihre eigenen Gesetze, akzeptieren keine Grenzziehungen, weder moralisch noch dem weltlichen Gesetz nach. Sie nehmen, was sie brauchen und bestimmen ganz alleine über sich selbst. Beide nehmen sich ihre Freiheit – jede auf ihre Weise. Carmen in scheinbar schrankenloser Gesetzlosigkeit zu ihrem Vergnügen, Elektra in ihrer Freiheit zu handeln, wie es ihr das Schicksal gleichsam auferlegt. Dabei besteht charakterlich wohl schon ein elementarer Unterschied zwischen den Frauen: Carmen gönnt sich in kurzen Augenblicken ein weiches Herz, lässt für kleine Momente Mitleid zu und mag dabei spottend liebevoll dem Gegenüber zugetan sein. Annie Krull als Elektra und Ernestine Schumann-Heinck als Ob mehr aus Berechnung als aus tiefsKlytämnestra, Zeichnung von Wilhelm Gause zur Uraufführung tem Gefühl, mag dahingestellt sein. »Elektra« 1909 Elektra dagegen verbietet sich und Premieren


10 ihrer Umgebung jede Form von positiven Gefühlen. Die schlichten Wünsche ihrer Schwester Chrysothemis tut sie ebenso ab, wie sie sich selbst gegenüber unerbittlich und gnadenlos ist. Nur für einen kurzen Augenblick, und da ist die Rettung durch den Bruder schon zu ahnen, lässt sie den Schmerz über ihr unerfülltes Frauenleben zu. »Ich glaube, ich war schön«, seufzt sie und nimmt die Entsagung hin als Schicksal, das ihr einzig den »Hass als Bräutigam« ins Bett gelegt hat. Elektra muss so handeln, sie ist eine Getriebene, wie schon ihre Vorfahren alle: Morden ist angelegt in ihren Genen, ist Teil ihres schrecklichen Erbes, an dem sie schwer trägt. Mord ist immer Gesetzlosigkeit, aber in ihrem Fall auch: Freiheit – die sie sich nimmt. Carmen, das liederliche Wesen, versus Elektra, die schwer an ihrem Schicksal tragende, beide auf ihre Weise Gesetzesbrecherinnen, sonst nichts? Geht das so einfach zu charakterisieren? Geht nicht. Beide Frauen in ihrer Gegensätzlichkeit haben aber auch noch eine Gemeinsamkeit. Sie sind absolut furchtlos. Es ist eine, selbst bis zur Bedrohung durch Tod, tief wurzelnde Furchtlosigkeit, die ihnen Kraft gibt, sie scheinbar unverwundbar macht. Macht – wer immer sie ausübt, kann nicht beeindrucken, wird beide nicht von ihrem Weg abbringen, den sie – jede auf ihre Art – eingeschlagen haben. Carmen, die von Don José mit dem Tod bedroht wird, wenn sie ihn nicht »richtig«, auf seine Weise, lieben will. Elektra, die wie ein Hund im Hinterhof des Palastes vegetieren muss, hat ihren eigenen Tod ständig vor Augen. Nichts macht die beiden Frauen weich, nachgiebig, lässt sie einen rettenden Ausweg nehmen. Den es wohl gäbe, wenn sie wollten. »Carmen« – die französische Philosophin Catherine Clément sagt über diese Oper: »Schon immer hat die Oper unter dauerndem Spott zu leiden gehabt; keine Musik war so sehr Gegenstand lächerlicher Verdrehungen. Torero, Tschingbumm Tätarä und verramschtes Spanien …« Und spricht weiter über Carmen, die Gesetzlose, »Hure nennt die Welt sie. Aber was tut sie denn? Sie benimmt sich wie ein Mann, das ist alles«. Und da sind wir schon wieder bei der nächsten Gemeinsamkeit der beiden so unterschiedlichen Frauengestalten. Was anderes denn tut auch diese Elektra, als sich einfach »wie ein Mann« zu benehmen? Sie, die vom Geliebten der Mutter als »jenes andere Weib, die Memme« spricht, ihn damit quasi verbal entmannt, will und muss selbst handeln wie ein Mann. Denn er fehlt ihr, der »handelnde« Mann, wenn auch nicht im Annie Krull als Elektra mit Carl Perron als Orest, Zeichnung von Wilhelm Gause zur Uraufführung »Elektra« 1909 sexuellen Sinn. Elektras Hass, ihr Premieren


11 einziges Ziel, den gemeuchelten Vater Agamemnon zu rächen, ist eine sublimierte Form ekstatischer Liebe. Dass aber auch Carmen sich durchaus den »handelnden« Mann wünscht, ist überraschend. Denn trotz ihrer Selbständigkeit, ihrer unvermittelt sich wandelnden Zuneigung zu dem Einen oder dem Nächsten – wie es gerade kommt – träumt sie von einem, der sie querfeldein auf seinem Pferd davon trägt. Irgendwo hin. Wo sie nicht entscheiden muss, wie es weitergeht. Es passt, Nietzsche hier zu zitieren, der sich in »Der Fall Wagner« 1888 in seiner radikalen Abkehr von Wagner als glühender Verehrer von Bizets Oper »Carmen« zu erkennen gibt und in seiner Begeisterung für diese Musik – sie, so schreibt er, »scheint mir vollkommen« – auch die Figur der Carmen euphorisch begrüßt. »Endlich die Liebe, die in die Natur zurückübersetzte Liebe! … Die Liebe als Fatum, als Fatalität, zynisch, unschuldig, grausam – und eben darin Natur!« Und dann fügt er dazu, was für unsere beiden Frauen gleichermaßen gelten mag: »Die Liebe, die in ihren Mitteln der Krieg, in ihrem Grunde der Todhaß der Geschlechter ist!« Passt das wirklich auf die Geschichte der beiden Frauen, Carmen und Elektra, diesem jeweils tödlich endenden Drama eines Frauenlebens? Es scheint durchaus so … Carmen, die keinen und jeden liebt – Catherine Clément vergleicht sie mit Don Giovanni – und Elektra, die Liebe nur im Hass lebendig werden lassen kann. Wie missverstanden doch Carmen und Elektra noch interpretiert und verstanden werden können. In einem bekannten Opernlexikon der jüngeren Zeit ist zu lesen, dass der große Erfolg der Oper »Carmen« möglicherweise daher rühre, dass sie für den »kleinen Büroangestellten« die »Freiheit unter südlicher Sonne und unter blauem Himmel« darstelle – ein Traum, den schon Nietzsche geträumt hätte. Da war Adorno sehr viel klarer und deutlicher, als er schrieb, dass in »Carmen« die »Menschen … als bloße Naturwesen vorgeführt (werden)« und weiter: »nichts anderes als bloßes Dasein, sind sie sich selber ganz und gar fremd und unbegreiflich«. Das trifft für die von Mordfurien gehetzte Elektra sicher genauso zu. Zum Schluss ein furchterregendes Zitat des griechischen Epigrammatikers Palladas, das Prosper Mérimée als Motto über seine Novelle »Carmen« gesetzt hat: »Die Frau ist bitter wie Galle. Sie bietet nur zwei angenehme Augenblicke: im Bett und tot.« Wenn das Männermeinung ist – obwohl aus der Spätantike –, wie sollte man sich da als Frau nicht tatsächlich radikal nur noch alleine auf sich selbst verlassen? Renate Matuschka ist Publizistin und Autorin.

Premieren


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Carmen

Carmen

Axel Köhler

Josep Caballé-Domenech

Inszenierung

Musikalische Leitung

Sein heiteres, sonniges und charmantes Wesen sowie seine Feinheit und Sensibilität im Umgang mit Sängerkollegen und Mitmenschen zeichnen den aus dem Erzgebirge stam­menden Allroundkünstler aus. Schon während seiner Gesangskarriere, bei der man immer eine mitklingende Lust und Freude am Singen durchhören konnte, gab es einen gleitenden, harmonischen Übergang hin zum Regisseur: sein Regie-Debüt mit Monteverdis »Poppea« in Halle. Ausgerechnet in der »Poppea«, diesmal an der Staatsoper Hamburg, standen wir beide erstmals gemeinsam als (Altus-)Sänger auf einer Bühne, er als Arnalta, ich als Ottone. Dort fragte er mich auch, ob ich bei seiner nächsten Inszenierung bei den Händelfestspielen in Halle die Hauptpartie in Händels »Admeto« singen wolle. Die Produktion wurde ein großer Erfolg, auf CD und DVD aufgezeichnet sowie für den »Faust« nominiert. Ihr folgte ein paar Jahre später dann die Titelpartie in Händels »Ottone«. Seitdem ist seine Anrede für mich augenzwinkernd »Mein König«. Wir pflegen eine freundschaftliche Verbundenheit, und ich weiß es sehr zu schätzen, wenn ich ihn nach seinen vielfältigen Erfahr­ungen fragen kann. Ich freue mich sehr auf unsere gemein­same Arbeit an der Semperoper Dresden bei dem Intermezzo »L’impresario delle Canarie«.

Das erste Mal in meinem Leben tauchte der Name Josep Caballé-Domenech im Herbst 2011 auf, als mir Eytan Pessen, Operndirektor der Semperoper, die Regie für die Produktion »Carmen« von Georges Bizet anbot und Josep als der musikalische Leiter benannt wurde. Sofort begann ich zu recherchieren. Wer ist der Mann und wo kommt er her? Josep Caballé-Domenech ist Musikdirektor des Colorado Springs Philharmonic und studierte zunächst Klavier, Schlagwerk, Gesang und Geige. Er erhielt ein dreimonatiges Stipendium für das Aspen Music Festival und belegte dort Kurse bei David Zinman und Jorma Panula. Zudem studierte er Dirigieren bei Sergiu Comissiona und an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Wien. Sein Operndebüt gab er am Liceu in Barcelona mit »Così fan tutte«. Er besuchte mich im Januar 2012 in Halle, wir begannen an der »Carmen« zu arbeiten und verstanden uns sofort. Kurz darauf suchten die Oper und die Staatskapelle Halle einen neuen Generalmusikdirektor. Josep CaballéDomenech gehörte zu meinen Favoriten … Ab August 2013 wird er in Halle das Amt des GMD ausüben, und wir werden Partner sein für mehrere Jahre. Aber unsere erste gemeinsame Arbeit ist »Carmen« an der Semperoper. Besser kann es eigentlich nicht beginnen …

Matthias Rexroth, Altus

Axel Köhler, Künstlerischer Direktor der Oper Halle, Axel Köhler inszeniert in der Spielzeit 2013 / 14 auch »L’impresario delle Canarie«.

Sänger und Regisseur

Premiere

28. September 2013 Vorstellungen

2., 5., 12., 26. Oktober, 22., 25. November 2013, 22. Februar, 1., 23., 29. März & 23., 25. April 2014

Premieren


Elektra

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Elektra

Barbara Frey

Christian Thielemann

Inszenierung

Musikalische Leitung

Ganz egoistisch forderte ich vor Jahren eine Begegnung mit dir. Ich wollte die Cary-Grant-Rolle in »Arsen und Spitzenhäubchen« spielen. Und so schenkte mir das Schicksal die für mich wichtigste und erfreulichste künstlerische Begegnung der letzten zehn Jahre. »Arsen« wurde ein großer Erfolg, und die Arbeit mit dir war ein Genuss. Mit Malvolio, Richard III., Platonov, Robert Chiltern und schließlich mit Alceste sind wir gemeinsam die absurdesten, abenteuerlichsten und vergnüglichsten Wege gegangen, die man sich vorstellen kann. Alle Reisen waren so unglaublich musikalisch, und das mit mir, der nicht eine Note lesen kann. Aber mir reichte ein »schlonk« von dir und schon wusste ich, welcher Takt gefordert war. Selbstverständlich ruft dich, die musikalischste aller Regisseurinnen, die Oper. Dresden kann sich freuen. Wir sind gleich alt, nehmen unsere Arbeit gleich ernst, du bist ein sehr selbstkritischer und zweifelnder Künstler, und dennoch ist das erste, woran ich denke, wenn du mir im Kopf rumschwirrst, dein Lachen. Ich muss oft lachen, wenn ich bei dir bin. Lachstaffetten. Ein Wort, das du mir beigebracht hast. Ach ja, ich hab dich furchtbar gern. Komm’ bald wieder zurück zu uns ans Theater, ich vermisse dich. Schlonk. Michi

Für viele Musikfreunde verschmelzen die Bayreuther Festspiele und die Persönlichkeit Christian Thielemanns zu einer festen Einheit, und tatsächlich ist er seit seinem Debüt im Jahr 2000 kaum mehr vom Pult des Festspielorchesters wegzudenken. Ich sehe in ihm nicht den Typus des »Maestro«, vielmehr den des klassischen Kapellmeisters, wobei die Betonung auf dem zweiten Teil des Begriffs liegt. Ohne Zweifel prägt sein musikalischer Gestus in unverwechselbarer Weise die Festspiele mit. Ich bewundere an ihm seine kompromisslose Geradlinigkeit, die sich durch nichts verbiegen lässt, er ist dadurch rundum authentisch, als Künstler wie als Mensch. Sein Kunstanspruch ist hoch, aber stets geht es ihm um Wahrheit, er ist von erstaunlicher Redlichkeit. Ich schätze seine scharfsinnige Sensibilität ungemein, aber ich mag ihn eben auch einfach als vertrauten Freund und klugen Berater. Und ich freue mich, dass er im Wagnerjahr unser Geburtstagskonzert und außerdem bei der Aufführung von Wagners Frühwerken den »Rienzi« dirigieren wird. Für sein Dresdner Amt in der Nachfolge Webers und Richard Wagners wünsche ich ihm alles Glück und besten Erfolg.

Michael Maertens, Schauspieler

Katharina Wagner, Intendantin der Bayreuther Festspiele und Regisseurin Christian Thielemann dirigiert in der Spielzeit 2013 / 14 auch »Simon Boccanegra«.

Premiere

19. Januar 2014 Vorstellungen

22., 25., 31. Januar & 22., 29. Juni 2014

Premieren


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Nordic Lights Margareta Sรถrenson Premieren

Essay


15 Das moderne Leben wurde in Schweden um die vorletzte Jahrhundertwende mit Begeisterung aufgenommen. Telefon, Elektrizität, Emanzipation und das Wahlrecht wurden zumindest in den Städten schnell zum Allgemeingut. Der Modernismus dagegen, Aufruhr der Kunstformen gegen klassische Ideale, war nicht im gleichen Maße willkommen. Die Künstler gingen nach Paris und atmeten die Luft der neuen Zeit, während ihnen daheim in Schweden oft Gleichgültigkeit entgegengebracht wurde. Der Tanz hatte es etwas leichter. Isadora Duncans Gastspielen 1906 in Stockholm und Göteborg wurde große Aufmerksamkeit geschenkt, und sie hinterließen tiefe Spuren, die selbst heute noch in der Tanzpädagogik erkennbar sind. Michel Fokines Gastspiel an der Stockholmer Oper 1913 öffnete die Türen gen Europa. Fokine war für seine Arbeit mit den Ballets Russes in Paris und für eine neue Denkweise im Tanz bekannt, die mit dem akademischen Stil des klassischen Balletts brach. Ein geschmeidiger Rumpf und eine Bewegungssprache, die mit der natürlichen Art des Körpers, sich zu beugen, harmoniert, wurden durch Kostüme passend zum Bühnenbild und der Musik ergänzt. In Stockholms Opernhaus herrschte die Tradition, was bei einigen Tänzern die Lust weckte, neue Abenteuer auszuprobieren

Tanz als pure Ausdrucksform und sich künstlerisch weiterzuentwickeln. Als das Schwedische Ballett 1920 in Paris von dem Mäzen und Kunstsammler Rolf de Maré gegründet wurde, folgten ihm einige der besten Ensemblemitglieder der Stockholmer Oper. Viele Künstler aus Ländern am Rande Europas zog es nach Paris, um zu studieren und zu arbeiten. In der Welt des Tanzes der 1920er und 1930er Jahre gewann ein Studium bei deutschen Modernisten immer stärker an Bedeutung; einige der größten Namen der schwedischen Tanzkunst wurden von deutschen Choreografen ausgebildet. Birgit Cullberg war Elevin und später Mitglied in Kurt Joos’ Kompanie während seiner Zeit im englischen Exil. Birgit Åkesson wurde von einem Eleven von Rudolf Laban inspiriert und ging 1929 zu Mary Wigman nach Dresden. Sie wurde zu einer verehrten Tänzerin der Kompanie, ihr ausgeprägter persönlicher Ausdruck aber passte nicht zu Wigmans Ästhetik, weshalb sie die Gruppe einige Jahre später verließ. »Die beiden Birgits« werden als Mütter des schwedischen Tanzes angesehen. Birgit Cullberg erschuf engagierten Tanz im Sinne des Humanismus auf einer oft klassischen Basis. Birgit Åkesson arbeitete mit radikalem, konkretem Tanz und weigerte sich heftig, diesen als abstrakt zu bezeichnen. Ihre Arbeit war konkret: Tanz als pure Ausdrucksform. Der Durchbruch für den Modernismus im Tanz gelang in Schweden mit »den beiden Birgits« in den 1940er und 1950er Jahren. Eine wirkliche Blütezeit und Vielfalt kam erst mit dem postmodernen Tanz während der 1980er Jahre auf, fast ein Jahrzehnt, nachdem das Sprechtheater eine explosionsartige Entwicklung in freien Gruppen und neuen Experimenten genommen hatte. Mit dem Cullberg Ballett leistete Birgit Cullberg Pionierarbeit: Eine Tanzkompanie auf Tournee, die neuen, zeitgenössischen und »Walking Mad« von relevanten Tanz für alle darbot. Die Kompanie reiste zum einen Johan Inger in kleine schwedische Orte, die noch nie von leibhaftigen Premieren


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Tänzern besucht worden waren, zum anderen trat sie in einer Reihe von Fernsehproduktionen auf, der neuen Art des Volkstheaters. Das Cullberg Ballett erarbeitete sich bald auch außerhalb Schwedens einen Ruf, wurde in Paris gefeiert und ging immer häufiger auf internationale Tourneen. Der internationale Erfolg am Cullberg Ballett für den Cullberg-Sohn Mats Ek folgte deshalb unmittelbar. Er stellte die Hegemonie und Renaissance des klassischen Balletts während der Nachkriegszeit in Frage, sowohl die starren Strukturen der Kompositionen als auch die Sicht auf Frauen und Männer. Seine Inszenierungen von »Giselle« (1982) und »Schwanensee« (1987) für das Cullberg Ballett riefen während der 1980er-Jahre Kontroversen hervor. »Ballettfanatiker« waren empört und verunsichert. Seitdem sind viele Um- und Neudeutungen klassischer Werke getanzt worden. Der eklektische Postmodernismus wurde nicht im Geringsten durch Zitate aus der Populärkultur und das Ausrupfen alter Federn erschüttert – im Gegenteil. Mats Ek gehört zu den bekanntesten Choreografen der Gegenwart und ist im deutschen Tanzbetrieb seit langem höchst präsent. Die Opernhäuser von Hamburg, München, Dresden, Hannover und Düsseldorf-Duisburg luden ihn zur Arbeit mit ihren Tanzensembles ein. »Gräs (Gras)«, »Car»Cacti« von Alexander Ekman men«, »Giselle«, »Apartment« oder »Hon var svart (Sie war schwarz)« sind einige der Werke, die man in Deutschland sehen konnte. An der Staatsoper in Hamburg hatte seine modernisierte Version von »Dornröschen« ihre Uraufführung, in der Aurora anstatt durch Zauberformeln im Drogenrausch einschlummert. Schwedische Choreografen der Gegenwart schließen sich eher Birgit Åkessons Modernismus als der Ausdrucksform von Birgit Cullberg und Mats Ek an. Ebenso kann diskutiert werden, inwieweit Mats Ek, rein stilistisch, Birgit Cullbergs Linie folgt. Es ist einfacher, die Inspiration von Maurice Béjart oder Jiří Kylián zu identifizieren, obwohl Eks Profil mit seiner persönlichen Thematik, seinem szenischen Denken und starker Nähe zum Theater wirklich ganz eigen ist. Es sah lange danach aus, als würden sich jüngere schwedische Choreografen sogar von Eks Werk als allzu theatralisch und allzu episch abwenden. Zum Jahrtausendwechsel aber hellte sich das Bild auf; heute ist deutlich, dass Choreografen wie Johan Inger und Alexander Ekman Züge von Mats Eks Werk weitertragen: die Thematik um die Familie und die Belastungsproben in Beziehungen, den Humor, die Wärme, das Mitgefühl sowie den Tanz nahe am Boden, das tiefe Plié, der schwingende, bewegliche Rumpf und die in flehender, beschwörender Geste erhobenen Arme. Johan Inger, Pontus Lidberg und Alexander Ekman sind alle drei »Kinder« des Königlichen Balletts in Stockholm und wurden von jungen Jahren an in der Königlichen Ballettschule unterrichtet. Sie begannen ihre Karrieren als Gruppentänzer an der Stockholmer Oper; Lidberg sieben Jahre lang, Premieren


17 Inger fünf und Ekman, der noch nicht einmal dreißig ist, nur zwei. Dies spiegelt vielleicht das sich immer schneller drehende Rad des professionellen Tanzbetriebs wider, der mehr als viele andere Berufszweige der Globalisierung ausgesetzt ist. Für viele schwedische Tänzer, die das Land verließen, war das NDT (Nederlands Dans Theater) eine Zwischenstation. Sowohl Johan Inger als auch Alexander Ekman haben dort getanzt und allmählich das Choreografieren aufgenommen. Johan Ingers Durchbruchswerk »Mellantid (Zwischenzeit)« schuf er dort 1995, Alexander Ekmans »Cacti« folgte fünfzehn Jahre später. Pontus Lidbergs Weg aus Schweden wich davon ab und folgte eher den Domänen des modernen Klassizismus’ an die Opernhäuser von Genf, Peking, Hanoi und in die USA, wo er Hauschoreograf für die Tanzausbildung der Harvard Universität war. Im Herbst 2013 kehrt er mit dem Werk »Snow« für die Oper von Norrland in Umeå nach Schweden zurück. Pontus Lidberg, der jetzt ein völlig neues Werk für die Semperoper in Dresden kreiert, bezieht den Film immer stärker in seine Arbeit ein; eine Ausrichtung, die er mit Alexander Ekman teilt. Eine Gemeinsamkeit aller Choreografen sind Werke für Ensembles ohne hervorgehobene Star- oder Solopartien, jedoch für klassisch ausgebildete und geübte Tänzer. Die Leichtigkeit und Präzision der Gruppentänzer der Opernhäuser erlauben schwierige und anspruchsvolle Unisono-Partien, die alle drei Choreografen nutzen. Alexander Ekman geht soweit, die Atmung der Tänzer anzuwenden, die in einigen Werken als Musikbegleitung zum Tanz eine »Luftorgel« mit vielen Pfeifen bilden. Vielleicht ist es ein nördliches Licht, das im Bild vom Menschen als Individuum in der Gruppe – mit Männern und Frauen in gleichberechtigter Balance – durchschimmert. Der Kampf gegen die Entfremdung in fröhlich roten Partyhütchen in Johan Ingers »Walking mad« wird wieder und wieder, für Frauen und Männer gleichermaßen, von der großen Bretterwand behindert, die die Bühne dominiert. Es wird manchmal behauptet, der einzige Glaube der Menschen im Norden sei ihre Liebe zur Natur. In Pontus Lidbergs Werk fallen Regen und Schnee lautlos und malerisch, bedroht ein großer, schwarzer Bär, erleuchtet ein spärliches Licht von innen den Tanz in bleichem Raum. Ob es just ein nordisches Licht ist, wissen diejenigen am besten, die nicht selbst im kalten Dunkel des Winters oder in weißen Sommer»Cacti« von Alexander Ekman nächten leben. Margareta Sörenson ist Tanzkritikerin in Schweden. Premiere

25. Oktober 2013 Vorstellungen

27., 30. Oktober & 1., 7. November 2013

Premieren


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Rezept

Der Teufel mit den drei goldenen Haaren Übrigens: Wenn Ihr noch ein richtiges Glückskind treffen möchtet, dann schaut doch mal in Stefan Johannes Hankes »Der Teufel mit den drei goldenen Haaren« vorbei!

Premiere

30. November 2013 Vorstellungen

1., 4., 5., 6., 8., 10., 11., 12. Dezember 2013

Premieren


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Momentaufnahme

Plattenbau in Moskau, Tscherjomuschki und Dresden, Gorbitz

Das Ideal der sozialen Gerechtigkeit? Valeska Stern

Premieren


21 Die immer gleiche Wohnung, fünfmal übereinander gestapelt wie Schuhkartons im Kaufhausregal. Davor ein alter Kinderwagen aus den 1980ern, geschoben von einer Frau in Pelzmantel und Tschapka. Die Szenerie erweckt den Eindruck, einem Moskauer Winter entsprungen zu sein. Stattdessen aber ist sie ein Bild der eigenen Heimat – aufgenommen in den 1980er Jahren zwischen den Sechsstöckern des Dresdner Stadtteils Gorbitz. Es war zu dieser Zeit, als das Wohnungsbauprogramm Erich Honeckers erste Früchte zeigte. Um den akuten Wohnungsmangel der Deutschen Demokratischen Republik mittels forciertem Massenneubau auszugleichen, schossen nicht nur in Gorbitz »Bauten in Großtafelbauweise« aus dem Boden. Auch Halle-Neustadt, Dresden-Prohlis und zahlreiche Gebiete der Sowjetunion addierten die monotone Industriebauweise zu isolierten rechtwinkligen Kleinstädten. »Schau sie dir gut an! Sie ist eine Zweigstelle deines Museums, die Normalwohnung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das frühe Stahlbetonzeitalter. Die Periode der genormten Bestandteile. Alles garantiert echte Ware – berühren verboten!« Mit diesen Worten präsentiert Boris in Schostakowitschs Musikalischer Komödie »Moskau, Tscherjomuschki« der Museumsführerin Lidotschka ihre neue Wohnung. Es ist Nummer 48 der gerade fertiggestellten Siedlung Tscherjomuschki im Süden Moskaus, die wie Dresden-Gorbitz in genormtem Plattenbau errichtet wurde, um tausende Wohnungslose durch eine moderne Bleibe zu erlösen. Während die Innenstadt nur verwahrloste Altstadtgebäude mit Ofenheizung und der Toilette auf halber Treppe des Hausflures zu bieten hatte, erwartete einen im Plattenbau moderner Wohnkomfort schlechthin: durchgehende Warmwasserversorgung, Zentralheizung, WC im Bad, das als »Nasszelle« in die Wohnung eingelassen wurde – und vor allem Licht und Freiraum. Kein Wunder, dass die Glücklichen, denen die zentrale Wohnungsvergabe des Staates eine Neubauwohnung zugeteilt hatte, voller Begeisterung ihre »Platten« bezogen. Erst später entdeckte man die Bauschäden in den schnell aufgezogenen Siedlungen, die Korruption, die entgegen dem Ideal der sozialen Gleichheit das Leben in den Wohnblöcken bestimmte, und die einfache Tatsache, dass industrialisiertes Bauen noch lange keine Glücksgarantie ist. Die Plattenbauweise im Dienst der sozialistischen Ideologie scheiterte. Was bleibt, sind alte Schwarz-Weiß-Bilder mit fröhlichen Kindern, die im Schlamm vor Betonklötzen spielen. Vielleicht haben auch sie eine ähnliche Melodie wie die Bewohner Tscherjomuschkis im Ohr: »In Tscherjomuschki blühen die VogelkirschGorbitz um 1980 bäume. Und die Träume aller Leute, die hier Gorbitz um 1980 wohnen, gehen in Erfüllung.« Premieren


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Moskau, Tscherjomuschki

Moskau, Tscherjomuschki Christine Mielitz

mikhail Agrest

Inszenierung

Musikalische Leitung

Mit perfektem Regiehandwerk ausgestattet, kam Christine Mielitz als Regieassistentin zu Harry Kupfer, dem Meister der Personenführung, ans Staatstheater Dresden. Zu meinem Engagement-Antritt 1975 lernten wir uns kennen und über die Jahre schätzen. Ihr großer Enthusiasmus und eine ungebremste, eigenständige Vitalität der Gedanken, gepaart mit eindrücklicher Musikalität machten Christine Mielitz unnachahmlich. Sänger zum individu­ellen Durchdringen ihrer Partie zu bewegen, sie zu einem körperlich-sängerischen Vorgang zu animieren, woraus die Glaubwürdigkeit des Gestaltens erwächst, war schon damals ihr Kunst-Credo. Liebevoll ironisierend wurde sie in ihrer Anfangszeit »Pippi Langstrumpf« – eine Hochachtung gegenüber ihrem unangepassten Tun und Sein – und »Kupferstift« genannt. Phänomenal vorbereitet war (und ist) Christine Mielitz immer – der Schlüssel dazu, dass sie ihren Weg als zuweilen unbequeme, aber eben mit unnachahmlichem Können ausgestattete Künstlerin international zu gehen vermochte. Drei Inszenierungen von Christine Mielitz sind derzeit noch an der Semper­oper zu erleben, Werkinterpretationen, die wegen ihrer zeitlosen Stimmigkeit auch nach Jahrzehnten ihre Daseinsberechtigung haben.

Von Mikhail Agrest kann man mit gutem Recht sagen, dass er mit Feuer und Flamme bei der Arbeit ist. Das und die volle Selbsthingabe des Dirigenten stecken Sänger und Musiker an. Man kann mit Mikhail nicht mit halber Kraft singen, das ist ausgeschlossen. Und trotzdem empfinde ich die Zusammenarbeit mit ihm immer als leicht, angenehm und ruhig. Ich erinnere mich an seinen ersten Auftritt an der Metropolitan Opera – eine bemerkenswerte Geschichte: Das Orchester beginnt zu spielen, und plötzlich kommt eine andere Sängerin auf die Bühne (die ursprüngliche Besetzung war plötzlich erkrankt). Diese junge Sängerin war ich, und man kann sich vorstellen, was ich fühlte, nachdem ich von dieser Vorstellung wenige Minuten vor Beginn erfahren hatte. Jedoch leitete der junge Dirigent das Orchester und die Solosänger so wunderbar, dass es ihm gelang, die schöpferischen Möglichkeiten jedes Künstlers vollständig zu erschließen! Doch Mikhail gibt sich niemals mit dem Erreichten zufrieden; jede freie Minute nutzt er zur Vervollkommnung. Am Tag nach jener denkwürdigen Vorstellung komme ich von einer Probe zurück und sehe im Fenster einer Wäscherei meinen Diri­genten auf einer Waschmaschine sitzen, mit den Füßen baumeln und eine weitere Partitur studieren …

Gabriele Auenmüller, Chefsouffleuse an der Semperoper

Ekaterina Semenchuk, Mezzosopranistin und Ensemblemitglied des Mariinsky-Theaters in St. Petersburg

Premiere

21. Februar 2014 Vorstellungen

23., 25., 28. Februar, 2., 6., 28., 30., 31. März & 2. April 2014

Premieren


Così fan tutte

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»Così fan tutte – So machen es alle (Frauen)«, das glaubt zumindest der zynische Don Alfonso und hegt deshalb auch heftige Zweifel an der Treue von Dorabella und Fiordiligi. Also stellen Ferrando und Guglielmo ihre Frauen auf die Probe: Sie geben vor, in den Krieg ziehen zu müssen, und kehren verkleidet wieder, um die Frau des jeweils anderen zu verführen. Natürlich sind die beiden Damen so leicht nicht herumzukriegen, und dann passiert es doch … Rachel Willis-Sørensen und Christoph Pohl singen Fiordiligi und Guglielmo. Ein Interview.

Ohne Töne Wie machen’s denn alle Frauen?

Premieren


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Wirst Du schnell eifersüchtig?

Gibt es ewige Treue?

Stell Dir vor, Du wirst gerade bei etwas ertappt …

Premieren


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Wer hat hier die Hosen an?

Kann man Liebe lernen?

Und wenn’s mal nicht so läuft …?

Das Rezept für eine gute Beziehung?

Premieren


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Così fan tutte

Così fan tutte Andreas Kriegenburg

Omer Meir Wellber

Inszenierung

Musikalische Leitung

Seit 13 Jahren arbeite ich mit Andreas Kriegenburg zusammen. In dieser Zeit haben wir gemeinsam elf Schauspielund elf Musiktheaterproduktionen realisiert. A.K. begreift alle am jeweiligen Projekt Beteiligten als vollwertige Partner und schafft somit eine offene und kreative Atmo­sphäre, innerhalb derer er dann seine innovativen Ideen zu großartigen Inszenierungen materialisieren kann. Diese besondere Arbeitsweise lässt sich sehr gut über sein Verhältnis zu mir als seinem Bühnenbildner illustrieren: So zeigt zum Beispiel sein Statement »Die Inszenierung entsteht durch den Raum«, wie wichtig für ihn ein autonomer Partner ist. Nach wenigen, intensiven Gesprächen, in denen er grundsätzlich nicht über Räume spricht, sondern seine Lese- und Hörerlebnisse schildert oder über die Dynamik des Stücks redet, ermöglicht er es mir, eine eigene visuelle Idee zu entwickeln und ihn dann mit dieser zu konfrontieren. Er liebt es, wenn man Räume erfindet, die für ihn fremd und unerwartet sind und er in den Proben die Geheimnisse des Raums entschlüsseln muss. Für mich ist A.K. nicht nur ein genialer Partner als Regisseur, sondern auch als Mensch, der sein Team und seine Darsteller weniger mit großen Gesten, als mit sorgsamer Zärtlichkeit zu Höchstleistungen verführt. Ein Gefühlsavantgardist, der Theater für Menschen macht.

Ist das der Maestro, der da in Jeans und Turnschuhen lässig sein Fahrrad durch die Dresdner Altstadt schiebt, während einer Probe mal eben behände aus dem alt­ehrwürdigen Orchestergraben der Semperoper klettert und über die Brüstung hüpft, um schnell ein Wort mit dem Regisseur zu wechseln? In der Tat, man täusche sich nicht! Der 31-jährige Omer Meir Wellber besitzt nicht nur ein überragendes Talent, er weiß auch ganz genau, was er kann und wohin er will. In seinen Proben wird hoch professionell, überdurchschnittlich schnell, sehr präzise und auf den Punkt hin gearbeitet. Und seine Aufführungen entwickeln in ihrer Präzision, Dramatik und Frische eine Ausdruckkraft, die einem schier die Sprache verschlägt. Hier versucht einer, die gegensätzlichen Künstlertemperamente eines Leonard Bernstein und eines Jewgenij Mrawinskij – begnadeter emotionaler Hitzkopf der eine, das personifizierte Gewissen der Partituren der andere – als Ideal in sich zu vereinen. Gefragt, wie er das anstelle, antwortet Wellber gelassen: »Dirigiere, was geschrieben steht: Nicht mehr und nicht weniger.« Nun, so begnadet muss man sein! Julia Spinola, Journalistin Omer Meir Wellber dirigiert in der Spielzeit 2013 / 14 auch »Guntram«.

Harald Thor, Bühnenbildner

Premiere

22. März 2014 Vorstellungen

24., 26., 30. März, 3., 5., 6., 8. April, 6., 11., 16., 27. Mai & 2., 12. Juni 2014

Premieren


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Premiere

6. April 2014 Vorstellungen

13., 20. April, 1. Mai & 1. Juni 2014

Premieren


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Simon Boccanegra

Brief Petrarcas an die Dogen von Venedig und Genua in Verdis »Simon Boccanegra«

»vereint eure Herzen« Als sich Verdi 1881 zu einer Revision des 1857 durchgefallenen »Simon Boccanegra« entschloss, stand er vor einem großen Berg Arbeit. Nicht umsonst hatte das Publikum Venedigs die Oper seinerzeit verschmäht. Um die verworrene Geschichte rund um den Genueser Dogen Simon Boccanegra dramatischer zu gestalten, griffen Verdi und sein Librettist Arrigo Boito zu verschiedenen Tricks und Vorlagen – darunter zwei Briefe des italienischen Dichters und Humanisten Francesco Petrarca aus den Jahren 1351 und 1352. So wie Petrarca einst mittels dieser Schreiben den drohenden Krieg zwischen Venedig und Genua zu verhindern versuchte, bemüht sich nun Verdis Simon Boccanegra, die streitsüchtigen Parteien der Guelfen und Ghibellinen zum Frieden zu bewegen.

PETRARCA Auszüge aus dem Brief an Andrea Dandalo, den Dogen von Venedig [18. März 1351] Was mich bewegt, Dir, ruhmreicher Doge zu schreiben, sind mein Glaube, Deine Menschlichkeit, die gegenwärtige Lage der Dinge und die Zeitläufe. Ersterer drängt mich dazu, zu sprechen; zweitere gibt mir die Kühnheit, dies zu tun; letztere verbietet mir, zu schweigen. Schon greifen zu den Waffen die beiden mächtigsten Völker, die blühendsten Städte und – um es kurz zu sagen – die zwei strahlendsten Sterne Italiens, die meines Erachtens Mutter Natur so trefflich hier, an die Schwelle Italiens gesetzt hat: Ihr als Herren des oberen Meeres, die anderen als Herren des unteren Meeres habt den vier Teilen der Welt gezeigt, wie geschwächt, wankend und, fast hätte ich es gesagt, zerstört wäre das ganze Römische Reich, wenn nicht Italien Herrin und Königin darin Premieren


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wäre. Wenn es aber so kommen sollte (und Gott möge nicht nur verhüten, dass ich das erlebe, sondern dass ich es mir nur vorstelle), dass Ihr die siegreichen Waffen einer gegen den anderen richtet, dann werden wir, verwundet und getroffen durch Eure Hände, sterben und des glänzenden Namens, der Furcht so vieler ruhmreicher Unternehmen, der Jan Philipp Gloger Herrschaft über das Meer durch Euch für immer beraubt sein. Nur das wird davon bleiben, was schon Inszenierung andere Male zum Trost für unser Unglück blieb, dass sich unsere Feinde zwar an unserem Unglück Jan Phillip Gloger lernte ich an der Zürcher Schauspielerfreuen können, es aber nicht ihr Werk war. Lasst schule kennen, mit einem feurigen, ungebärdigen »Fiesco« Euch nicht täuschen, ich bitte euch darum: Stark, von Friedrich Schiller, der etwas im wahrsten Sinne unbesiegbar und – am schwersten fällt dies zu sagen »Raumgreifendes« hatte, das revolutionäre Pathos und den – italienisch ist der Feind, mit dem Ihr es zu tun habt! Untergang seines Titelhelden so plastisch und körperlich Wenn Ihr noch irgendeine Achtung vor unserer dicht erzählte, dass es einem das Herz zerriss. gemeinsamen Tradition habt, dann wisset, es sind In Augsburg inszenierte er bisher drei Sprechstücke und Eure Brüder, die ihr vernichten wollt! eine Oper, »Figaros Hochzeit«. Ihm dieses Werk anzuverSoll ich Dir den ungeheuren Schmerz verschwei- trauen, erschien uns fast zwangsläufig: Das Heraus­ gen, der mich ergriff, als ich von Deinem vor kurzem stechendste an den Fähigkeiten dieses jungen Regisseurs geschlossenen Bündnis zwischen Dir und dem König war seine Musikalität, die in allen seinen Schauspielarbeivon Aragonien erfuhr? Italiener werden also zum ten, insbesondere in seiner »Emilia Galotti« am Augsburger Untergang der Italiener die Hilfe barbarischer Theater zu Tage trat. Es gab darin keine Längen, keine Könige erflehen? Und was für eine Hoffnung kann »Löcher«, keine aus Selbstverliebtheit entstehenden dem unglückseligen Italien bleiben, wenn es nicht Monologe. Alles folgte einem wohlgestimmten Rhythmus, nur seine Kinder gegen sich gewendet sieht, die es den er den Schauspielern nicht aufdrängte, sondern er verehren sollten, sondern auch noch Fremde gerufen überzeugte sie, auf seinen Herzschlag zu lauschen. Wie werden, um Hilfe beim Brudermord zu leisten? ein guter Dirigent hörte er die Interpretation schon Deine Antwort wird lauten: Die Gegner bedienen voraus. Er hatte eine innere Sicherheit über Mittel und sich desselben Hilfsmittels. Und ich antworte Dir: So Wege, seine Visionen umzusetzen, die absolut ungewöhnwie ich zum einen spreche, so spreche ich zum ande- lich für mich war. So einer muss Oper machen, das war ren. Oh! Um wie viel besser wäre es doch, wenn der uns klar. Und wir wurden belohnt. Freiheit des Ausdrucks, Keim dieser Zwistigkeit gelöscht würde, damit man Intelligenz der Deutung, eine sensible Haltung zur sich ihrer nicht mehr rühmen kann und aufrichtigste musikalischen Sprache und dazu diese unglaubliche Freundschaft, Bruderliebe und unaussprechliche Überzeugungskraft gegenüber den Mitwirkenden: Das Liebe zwischen Eltern und Kindern herrschte und zeichnet Jan Philipp Gloger aus. Venezianer und Genueser sich zu einem einzigen Juliane Votteler, Intendantin des Theaters Augsburg Ganzen zusammenschlössen, obwohl doch das Gerücht erzählt, dass die einen die Tyrannen des Westens und die anderen die Tyrannen des Ostens genannt wurden, weil sie Premiere 30. Mai 2014 in ihrer Raserei unbarmherzig die schönen Glieder ihrer gemeinsamen MutVorstellungen ter Italiens in Stücke reißen wollten! 1., 3., 13., 15. Juni 2014 Den höchsten Rang von allen hat die Liebe inne, und sie ist es, die mich zu so einer langen Abhandlung zwingt und Dich zu gütigem Verzeihen zwingen wird. Lasst diese verhängnisvollen Waffen aus Euren Händen fallen, reicht Euch die rechte zur Freundschaft, umarmt Euch zärtlich, vereint Eure Herzen, vereint Eure Heere.

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Brief an Karl May Marcel Beyer

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Karl May

Manfred WeiSS

Erik Nielsen

Inszenierung

Musikalische Leitung

Mein roter Bruder Weiß: 1994 sah ich Manni in der Rolle eines Studentenan­führers in Ferdinand Bruckners »Die Rassen« auf der Bühne in Hannover. 2002 trafen wir uns im Hotel »Moskwa« am Roten Platz wieder. Unser Auftrag: »Moskau, Tscherjomuschki« auf die Stuttgarter Opernbühne zu bringen. »Mario zauberte« und »Die reisende Ceres« führten uns in die Prärie der Schwäbischen Alb. 2005, auf der halsbrecherischen Treppe vor dem Dom in Schwäbisch Hall, inszenierte der rotgebrannte Weiß bei Wind und Wetter Schillers »Don Karlos«. Schatten spendeten nur die Schirme von Frau Großberndt, der Wirtin, die, wie Herr Weiß, aus Kassel stammt und uns Grüne Soße und Rote Grütze servierte. 2009: der »Silbersee« in Augsburg, eine Oper von Kurt Weill. Wir fanden keinen Schatz, aber flüssiges Gold. Dann, die blutrünstige Geschichte des »Ritter Blaubart«, eine Gruseloper von Emil Nikolaus von Reznicek. Des Nachts aßen wir Bärenschinken im Gewölbekeller bei Fackellicht. In Dresden trafen wir den unerschrockenen »Simplicius Simplicissimus«, entdeckten eine kleine grünen Erbse und lösten das Rätsel im »Geheimen Königreich«. Manitu – mein Blutsbruder, mein Freund, nun steht uns ein neues Abenteuer bevor: »Karl May, Raum der Wahrheit«. Timo, das Bleichgesicht

Das Vorspiel, mit dem sich Erik Nielsen an der Oper Frankfurt als Repetitor vorgestellt hat, machte Geschichte: »Was haben Sie mitgebracht?« – »›Tosca‹ und ›Tristan‹« – »Welche Stellen?« – »Alles.« Und dann merkte man, dass der junge Mann aus der Partitur spielte. Als einmal die 1. Harfe direkt vor dem Konzert der Vierten von Mahler krank wurde und die 2. Harfe nicht ohne Proben auftreten wollte, schlug Erik dem Dirigenten schüchtern vor: »… könnte ich einspringen?« – »Gut, dann bringt bitte einen Flügel auf die Bühne.« – »Maestro, ich spiele auch Harfe.« Und dann machte er seine Sache so gut (und augenscheinlich vom Blatt), dass er es beim nächsten Mal wiederholen musste. Wenn Erik »Die Frau ohne Schatten« spielte, tat er das mit einer solchen Lockerheit, dass Strauss auf einmal so einfach wirkte wie Mozart. Ich habe ihn nie »nein« sagen hören. Sei es eine Probe, die man vom Blatt spielen musste, oder ein Stück, das unmenschlich schwer vorzubereiten war, sei es, sehr früh zu arbeiten oder sehr spät, nie habe ich erlebt, dass Erik sich geweigert oder entzogen hätte. Spielen, irigieren, für ihn gibt es da kaum einen Unterschied: Erik kann es einfach, und er macht es mit einer solchen Musikalität und Großzügigkeit, dass du auf die Idee kommen kannst, er sei ein Genie. Und wie alle wahren Genies weiß er nicht, dass er eines ist. Oder vielleicht lässt er es uns einfach nicht spüren.

Timo Dentler, Bühnen- und Kostümbildner

Felice Venanzoni, Dirigent und Cembalist

Uraufführung

20. Juni 2014 Vorstellungen

23., 26., 28., 30. Juni & 4. Juli 2014

Premieren



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