SEF.2013 - NZZ-Verlagsbeilage 5. Juni 2013

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SEF.2013 Q&A – Antworten auf brennende Fragen Wir leben in einer Zeit, in der pro Jahr mehr iPhones verkauft werden, als Babys auf die Welt kommen, in der Informationen maximal 140 Zeichen lang sind – jedoch über 400 Millionen Mal pro Tag versendet werden, in der die Finanzplätze komplett umgebaut werden, ohne dass jemand die Blaupause kennt. Die Paradigmen fallen reihum. Und man fragt sich zu Recht: Wohin entwickeln sich die Weltwirtschaft, Europa und die Finanzund Schuldenkrise? Gesucht sind Leader in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, die fundiert und auf Fakten basierend Entscheidungen treffen und Antworten auf brennende Fragen zuverlässig erarbeiten. Als Vorbereitung auf das 15. Swiss Economic Forum haben wir in den vergangenen Wochen und Monaten spannende Persönlichkeiten getroffen, die es gewohnt sind, die richtigen Fragen zu stellen und nicht ruhen, bis sie zufriedenstellende Antworten erhalten. Es freut uns, mit dieser Sonderbeilage Ihr Interesse für das Swiss Economic Forum 2013 wecken zu dürfen und Sie mit spannenden Fragen und Antworten zu inspirieren. Elon Musk wurde mit 31 Jahren Milliardär. Der Gründer von PayPal ist ein absoluter Vollblutunternehmer. Fokussiert und mit Akribie verfolgt er ehrgeizige Projekte: In zwölf Jahren will er mit seiner Firma SpaceX auf den Mars fliegen und mit Tesla mischt er den weltweiten Markt für Elektroautos auf. Lesen Sie auf Seite 11, was den umtriebigen Visionär antreibt. Damit unser Finanzplatz auch in Zukunft ein Paradeplatz bleibt, muss die Schweiz die gemeinsamen Interessen bündeln und mit einer Stimme sprechen, sagt UBS-Chef Sergio Ermotti im Interview. Was die UBS aus der Finanz- und Schuldenkrise gelernt hat, lesen Sie auf Seite 13. Swiss Economic Forum sprach über die brennendsten Fragen für die Schweiz mit dem Verantwortlichen des liberalen Think Tank Avenir Suisse: Es sind nicht nur der harte Schweizer Franken, die Angst vor Arbeitslosigkeit und die starke Zuwanderung, welche die Schweizer Wirtschaft, Politik und Gesellschaft bewegen. Mehr dazu auf Seite 12. Der demografische Wandel wird uns in Zukunft stark beschäftigen. Was ist schief gelaufen, dass in Europa über drei Millionen offene Stellen nicht besetzt werden können, bei gleichzeitiger Jugendarbeitslosigkeit von 40 bis 48 Prozent in den Südländern? Lesen Sie das erhellende Interview mit Patrick De Maeseneire, Chef von Adecco, einem der grössten, globalen Arbeitgeber, auf Seite 6. Wir freuen uns auf spannende Tage in Interlaken und sind überzeugt, viele Antworten auf brennende Fragen zu finden. Nun wünschen wir Ihnen eine anregende Lektüre.

Stefan Linder & Peter Stähli Gründer & CEO Swiss Economic Forum

Über Ihre Rückmeldung zur vorliegenden Verlagsbeilage würden wir uns freuen. Wir sind offen für Lob und Kritik und nehmen auch gerne Anregungen für kommende Ausgaben entgegen: sonderbund@swisseconomic.ch


SEF.PROGRAMM Donnerstag, 6.  Juni 2013 11.30 – 13.20 Uhr

Welcome / Networking-Lunch

13.30 – 13.40 Uhr

Begrüssung Stefan Linder, Peter Stähli und Moderation

13.45 – 14.15 Uhr

Bundesrat Alain Berset Vorsteher EDI

14.15 – 14.45 Uhr

Patrick De Maeseneire CEO Adecco worldwide

14.50 – 15.15 Uhr

Querdenker 1

15.15 – 16.15 Uhr

Networking-Pause

16.15 – 16.35 Uhr

Daniela Spavetti CEO Spavetti AG

16.40 – 17.00 Uhr

Carole Hübscher Vorsitzende VR Caran d’Ache SA

17.00 – 17.15 Uhr

Bernina AG | Hanspeter Ueltschi VRP

BRICS Strategie

17.15 – 17.50 Uhr

Nouriel Roubini US-Starökonom

17.50 – 18.00 Uhr

Take-Away mit Albrecht Kresse

18.15 – 00.30 Uhr

SEF-Networking-Abend

SEF.PROGRAMM Freitag, 7.  Juni 2013 07.30 – 08.20 Uhr

Welcome / Networking-Cafés

08.30 – 08.35 Uhr

Moderation

08.35 – 09.10 Uhr

Kevin Roberts CEO Saatchi & Saatchi

09.15 – 09.30 Uhr

Contrinex AG | Annette Heimlicher CEO Export Strategie

09.30 – 10.00 Uhr

Larry Fink CEO & Chairman BlackRock Inc.

10.00 – 11.00 Uhr

Networking-Pause

11.00 – 11.30 Uhr

George Papandreou Premierminister a.D. von Griechenland

11.45 – 12.45 Uhr

Breakout-Sessions

12.45 – 14.00 Uhr

Networking-Lunch

14.00 – 14.15 Uhr

Querdenker 2

14.15 – 14.40 Uhr

Swiss Economic Award Jungunternehmerpreis

14.45 – 15.00 Uhr

Jakob AG | Peter Jakob CEO Strategie zur Erschliessung neuer Märkte

15.00 – 15.45 Uhr

Networking-Pause

15.45 – 16.20 Uhr

Brennende Fragen an die Politik 5 Parteipräsidenten der Schweiz im Gespräch mit Christine Maier

16.20 – 16.55 Uhr

Marcus Wallenberg Banker und Industrieller

17.00 – 17.10 Uhr

Take-Away mit Albrecht Kresse

Impressum «Swiss Economic Forum 2013» ist eine Verlagsbeilage der Neuen Zürcher Zeitung NZZ Herausgeber Stefan Linder, Peter Stähli, Swiss Economic Forum AG, C.F.L. Lohnerstrasse 24, 3645 Gwatt (Thun), www.swisseconomic.ch Redaktion Stefan Linder (Leitung), Fabian Wassmer, Alex Hämmerli Anzeigen Fabian Wassmer, Ruedi Minger Redaktionelle Mitarbeit Daniel Graf, Daniela Hefti, Fredy Hämmerli, Leo Hug, Bendicht Luginbühl, Marilena Maiullari, Nathalie Maring, Elisabeth Rizzi Produktion Swisscontent AG, Zürich Gestaltung Dino Vacca, Juliane Rungger


NZZ-Verlagsbeilage · Mittwoch, 5. Juni 2013

Wirtschaft | Unternehmertum I Innovation

Keynote-Referenten

CEO-Umfrage

Unternehmertum

Jungunternehmer

BUsiness-Knigge

Bahnverkehr

Die Redner des Swiss Economic Forum.

Die Exportstrategie der Schweizer KMU. Seite 9

Elon Musk über den ersten bemannten Marsflug. Seite 11

Alles zum Swiss Economic Award 2013. Seiten 14/15

Erfolgreich bei internationalen Geschäftsabschlüssen. Seite 18

SBB-CEO Andreas Meyer zur Finanzierungsfrage. Seite 26

Seite 5

246 000

Franken beträgt die Jährliche Wertschöpfung pro Bankangestellten. Deren Produktivität ist damit gut doppelt so hoch wie in der Industrie.

«Q&A» am Swiss Economic Forum 2013 Nutzwertiges Leitmotiv am Schweizer KMU-Networking-Anlass

369

Banken gab es in der Schweiz 2001.

312

Banken gab es in der Schweiz 2011.

206 Milliarden

Franken betragen die Schulden des öffentlichen Haushalts der Schweiz.

11 Billionen

Euro betragen die Staatsschulden der Europäischen Union laut Eurostat.

200 Milliarden Franken betrug der Wert der Schweizer Warenexporte 2012.

2,1 Milliarden

Franken waren die im Jahr 2012 exportierten Schweizer Uhren wert.

Rundum informiert Das Swiss Economic Forum hat eine leistungsfähige Applikation für iPhone und iPad entwickelt. Die Gratis-App iEconomy erlaubt den Zugriff auf die aktuellen Handelsregisterdaten von über 840 000 Unternehmen und 1,6 Millionen Personen. Angaben zu Verwaltungsrat, Geschäftsleitung und Netzwerk können mit wenigen Klicks abgefragt werden. Immer und überall gut informiert sind SEFTeilnehmer sowie Zuschauer und Zuhörer der SRF-Übertragungen zudem via Live-Blog mit Video-Stream: www.swisseconomic.ch Facebook: www.facebook.com/swisseconomic Twitter: www.twitter.com/swisseconomic

Am Puls der Wirtschaft Verfolgen Sie das Swiss Economic Forum live am Fernsehen und am Radio. Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) berichtet in mehreren Sendungen direkt aus Interlaken. In «ECO» auf SRF info und SRF 1 sowie den SEF-Schwerpunkten auf Radio SRF 3 und Radio SRF 4 News berichtet SRF ausführlich vom wichtigsten Treffpunkt der Schweizer Wirtschaft. Liveübertragung: Do. 6. Juni von 13.30 bis 18.30 Uhr auf SRF info Fr. 7. Juni 2013 von 8.30 bis 16.30 Uhr auf SRF 1 Ergänzt wird die Liveübertragung mit zahlreichen Interviews und Hintergrundberichten.

Premium-Partner

Die Keynote-Referenten des Swiss Economic Forum 2013 werden Antworten auf brennende Fragen liefern.

Mit 1300 CEO und Meinungsmachern aus Wissenschaft und Politik ist das Swiss Economic Forum SEF die bedeutendste Wirtschaftskonferenz der Schweiz. Unter dem Leitmotiv «Q&A» fokussiert die 15. SEFAusgabe am 6. und 7. Juni 2013 auf die grossen offenen Fragen der Gegenwart. Bendicht Luginbühl Die drängenden Fragen der Gegenwart debattieren, Lösungen aufzeigen. Diesen Auftrag gibt sich die 15. Ausgabe der Wirtschafts- und Networking-Plattform Swiss Economic Forum SEF. Mit dem Leitmotiv «Q&A» dokumentieren die beiden SEFChefs Stefan Linder und Peter Stähli den Puls der Zeit – Fragestellungen ohne Ende beherrschen die Schlagzeilen. Vor 1300 Unternehmensführern, Meinungsmachern und rund 120 Medienschaffenden diskutieren 60 Referenten die Herausforderungen für Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Das Ziel der diesjährigen Konferenz in Interlaken: Umsetzbare Antworten definieren. Die aktuelle Wahrnehmung vieler Wirtschaftsführer und Europakenner ist geprägt durch ungewohnte Bilder der Armut, des Notstands und der Korruption in Europa. Sie sind Augenzeugen der Zerreissprobe,

der die europäischen Gesellschaftssysteme gegenwärtig unterliegen: Höchstwerte für die Jugendarbeitslosigkeit, gepaart mit generell hoher Arbeitslosigkeit. Sparanstrengungen an der Schmerzgrenze, Ressourcenknappheit und asiatische Konkurrenz, stark nachlassende Kaufkraft, nicht funktionierende politische Systeme und Machtmissbrauch prägen täglich die Schlagzeilen. Wenig erstaunlich, dass der Generalsekretär des Europarats, Thorbjorn Jagland, Klartext spricht: «Die Korruption in Europa bereitet mir grosse Sorgen.»

Strategie-Vakuum beenden In der Schweiz beschäftigen derweil der fundamentale Umbau des Finanzplatzes, die neu zu definierende Immigrationspolitik, die Wettbewerbsfähigkeit sowie die unzureichende Fähigkeit der Regierung, der Wirtschaft und der Gesellschaft mit präzisen Antworten und Lösungen Unterstützung anzubieten und das gegenwärtige Strategie-Vakuum zu beenden. Mit dem Leitmotiv «Q&A» geht die 15. Ausgabe des SEF auf die aktuellen Debatten in der Schweiz ein. Lässt sich der Schweizer Wohlstand sichern – im Kontext europäischer Länder, die zu umfassenden Sparanstrengungen gezwungen werden? Auch die aktuelle Sicherheitspolitik der Schweiz – vor dem Hintergrund des Bostoner Attentats und der zunehmenden Übergriffe auf Privatbesitz in der Schweiz – verunsichert den Bürger. Die tragenden Stützen Sicherheit und Stabilität als umfassende Grundlage unseres Wirt-

schaftssystems scheinen gefährdet – eine teilweise fahrlässig geführt Debatte über Sinn und Zweck der Schweizer Armee zeigt Unentschlossenheit. Auch in den gigantischen Wirtschaftsräumen China und Indien bröckelt der Lack. Das Wachstum, getrieben vom enormen Boost der Globalisierung, zerrt an der Gültigkeit bisheriger sozialer Spielregen. Im MilliardenBevölkerungsmilieu entwickeln Unruhen und Eruptionen immer gewaltigere Ausmasse: Nach Auskunft eines chinesischen Parlamentskomittee-Mitglieds gibt es in China inzwischen jährlich 30 000 bis 50 000 Massenunruhen, von denen die westliche Welt nie etwas erfährt. «Häufigster Auslöser», so der Informant, «sind die enormen Umweltprobleme». Welche Sicherheiten kann es für Schweizer KMU geben, wenn sie in zunehmend instabilen Märkten investieren?

Die digitale Revolution frisst ihre eigenen Kinder Gesellschaftliche Verhaltensnormen und Spielregeln werden ausgehebelt – in einer bisher nie wahrgenommenen Geschwindigkeit. Das chinesische IT-Unternehmen Huawei wird der Spionage bezichtigt und aus den USA vertrieben. Gemäss «Financial Times Online» verzichtet Huawei-Vize Eric Xu «auf eine exakte Begründung». In der Schweiz betreut Huawei gleichzeitig den Ausbau, Betrieb und Unterhalt des Mobilfunk- und Glasfasernetzes für nam-

Bild: Swiss Economic Forum

hafte Anbieter. Facebook, Youtube und Co. kommen in ihrem Umgang mit individuellen User-Daten immer stärker auf den Radar einer wachsenden Bevölkerungsgruppe, die unerwünschte Dauerbeobachtung ablehnt. Die Schweizerische Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (KOBIK) vermeldet derweil fürs Jahr 2012 8241 Meldungen aus der Bevölkerung und damit «markant mehr Cybercrime-Verdachtsfälle» – 80 Prozent der Fälle mit strafrechtlicher Relevanz. Hier stellt das Swiss Economic Forum 2013 die entscheidenden Fragen zu Big Data, zu sensiblen, angreifbaren MegaInfrastrukturen und zu den Phänomenen und fatalen Auswirkungen des Missbrauchs und der Überversorgung mit Daten in Wirtschaft und Gesellschaft. In seiner nunmehr 15-jährigen Tradition setzt sich das SEF mit den Errungenschaften und Erkenntnissen der Schweizer KMU auseinander. Die Impuls- und Networking-Plattform gibt den Schweizer KMU das Gewicht, das ihnen zusteht – als Bollwerke der wirtschaftlichen Unabhängigkeit, der Innovationskraft und als Gatekeeper der typischen Schweizer Werte wie Prosperität, Qualität und Kontinuität. Mit dem konfrontativen Frage- und AntwortAnsatz «Q&A» dokumentieren die beiden SEF-Gründer Stefan Linder und Peter Stähli ihren Willen, die intellektuelle Wertschöpfung des Swiss Economic Forum 2013 weiter voranzutreiben und den direkten Nutzwert für Unternehmer hochzuhalten.


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Wir werden nicht ruhen


Keynote-Referenten

Mittwoch, 5. Juni 2013

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Hochkarätige Redner am SEF 2013 Die Keynote-Referenten des Swiss Economic Forum Das diesjährige Swiss Economic Forum trumpft mit herausragenden Rednern aus Politik und Wirtschaft auf. Diese Keynote-Referenten sollten Sie nicht verpassen.

Alain Berset, Bundesrat und Vorsteher des EDI

Laurence «Larry» D. Fink, Chairman & CEO BlackRock Inc.

Donnerstag, 13.45 – 14.15 Uhr 1972 in Freiburg geboren, studierte Alain Berset an der Universität Neuenburg Politik- und Wirtschaftswissenschaften, die er mit dem Doktortitel abschloss. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter war er am Forschungsinstitut für regionale Wirtschaftsentwicklung der Universität Neuenburg und später als Gastforscher am Institut für Wirtschaftsforschung in Hamburg tätig. Später arbeitete er als strategischer Berater für das Volkswirtschaftsdepartement des Kantons Freiburg und machte sich 2006 als unabhängiger Strategie- und Kommunikationsberater selbstständig. 2003 wurde Alain Berset in den Ständerat gewählt und präsidierte diesen 2008/09. Während sechs Jahren war er Vizepräsident der Sozialdemokratischen Fraktion. Seit 2011 leitet Alain Berset als Vorsteher die Geschicke des Departements des Innern (EDI) und ist unter anderem verantwortlich für die Zukunft der Schweizer Sozialwerke.

Freitag, 09.30 – 10.00 Uhr Larry Fink wurde 1952 in Kalifornien geboren. Er wuchs in einer jüdischen Familie auf. Seine Mutter war Englischlehrerin und sein Vater führte einen Schuhladen. An der Universität von Kalifornien UCLA schloss er ein Bachelorstudium in Politikwissenschaften ab und erlangte danach ein MBA an der Anderson School of Management. Fink startete seine Karriere bei der Investmentbank First Boston. Im Jahr 1988 gründete er BlackRock. Heute ist die Firma der grösste Vermögensverwalter der Welt. Larry Fink gehört ohne Zweifel zu den einflussreichsten Persönlichkeiten der internationalen Finanzwelt. 10 100 Mitarbeiter kontrollieren und verwalten bei BlackRock rund um den Globus Werte in der Höhe von 3700 Milliarden Dollar.

Patrick De Maeseneire, CEO Adecco

George Papandreou, Premierminister von Griechenland a. D.

Donnerstag, 14.15 – 14.45 Uhr Patrick De Maeseneire wurde 1957 in Belgien geboren. Der ausgebildete Wirtschaftsingenieur studierte in Brüssel, in Ghent sowie in London und am INSEAD. Von 1980 bis 1997 war er in verschiedenen Executive-Positionen für Sun International und Apple Computer tätig. 1998 wechselte De Maeseneire zu Adecco, zunächst als Country Manager für die Beneluxstaaten, dann als Leiter des globalen Professional-Staffing-Geschäfts. Von 2002 bis 2009 war De Maeseneire CEO von Barry Callebaut, und im Juni 2009 wurde er zum CEO der Adecco Gruppe ernannt. Mit weltweit über 700 000 Zeitarbeitern, 33 000 festen Mitarbeitenden und einem Umsatz von 20,5 Milliarden Euro (2011) ist Adecco einer der grössten globalen Arbeitgeber. Das Unternehmen ist mit über 5500 Filialen in mehr als 60 Ländern präsent und bedient täglich rund 100 000 Kunden.

Freitag, 11.00 – 11.30 Uhr George Papandreou wurde 1952 in Saint Paul im US-Staat Minnesota geboren. Sein Vater, der eine Amerikanerin geheiratet hatte, war dort als Wirtschaftsprofessor tätig. 1959 kehrte die Familie nach Griechenland zurück. Mit nur 29 Jahren wurde der ambitionierte Jungpolitiker ins griechische Parlament gewählt. Vier Jahre später wurde er stellvertretender Kulturminister, dann Bildungsminister und 1999 zum Aussenminister von Griechenland gewählt. In den Jahren 2009 bis 2011 stand George Papandreou als Premierminister von Griechenland an der Spitze der europäischen Finanzkrise. Er ist Präsident der Sozialistischen Internationalen, Vizepräsident der «International Olympic Truce Foundation» und zählt zu den «100 Global Thinkers». Seit Herbst 2012 arbeitet er als Visiting Fellow an der Harvard Kennedy School of Government in Boston.

Nouriel Roubini, US-Starökonom

Marcus Wallenberg, Banker und Industrieller

Donnerstag, 17.15 – 17.50 Uhr Nouriel Roubini wurde 1958 als Sohn iranischer Juden in Istanbul geboren. Als er zwei Jahre alt war, siedelte seine Familie zunächst nach Teheran über, später nach Tel Aviv, Italien und schliesslich in die USA. Er spricht neben Englisch auch noch Persisch, Hebräisch und Italienisch und bezeichnet sich als «globalen Nomaden». Heute ist er Professor an der Stern School of Business in New York und Gründer und Vorsitzender von Roubini Global Economics LLC, einem Anbieter für Kapitalmarkt- und Wirtschaftsinformationen. Roubini war Berater des Finanzministeriums der Vereinigten Staaten. Risiko gilt als die Kernkompetenz von Roubini, dem der Beiname «Dr. Doom» anhaftet. Als einziger Ökonom weltweit hat er das Zusammenbrechen der Finanzmärkte im Jahr 2008 vorhergesagt. Er gilt als einer der profiliertesten Ökonomen der Welt.

Freitag, 16.20 – 16.55 Uhr Marcus Wallenberg wurde 1956 in Stockholm geboren. Die Familie Wallenberg ist die wohlhabendste und einflussreichste Familiendynastie Schwedens und herrscht über ein gewaltiges Imperium mit 140 Firmenbeteiligungen auf der ganzen Welt. Seit 157 Jahren sind die Wallenbergs zentraler Teil der schwedischen Wirtschaftsgeschichte. Sie haben viel dazu beigetragen, dass sich Schweden von einem armen Agrarstaat zu einem leistungsfähigen Industrie- und Wohlfahrtsstaat entwickeln konnte. Die Wallenbergs sind Hauptaktionäre von ABB und Saab. Zum Imperium gehören Firmen wie Atlas Copco, Ericsson, Electrolux, Husquarna, SAS Skandinavien Airlines, Astra Zeneca und Scania. «Esse, non videri» heisst das lateinische Sprichwort der Familie: sein, nicht scheinen. Nach diesem Grundsatz investiert die Industriefamilie langfristig in Unternehmen.

Kevin Roberts, CEO Worldwide, Saatchi & Saatchi Freitag, 08.35 – 09.15 Uhr Kevin Roberts wurde 1949 in Lancaster (UK) geboren. Seine Karriere startete er bei Gillette und wechselte später zu Procter & Gamble. 1982 übernahm Roberts die Verantwortung für den Mittleren Osten für Pepsi Cola, fünf Jahre später wurde er CEO von Pepsi Cola Kanada. 1989 übersiedelte Kevin Roberts gemeinsam mit seiner Familie nach Neuseeland und übernahm den CEO-Posten bei Lion Nathan. Seit 1997 ist Kevin Roberts CEO von Saatchi & Saatchi. Die global tätige Werbeagentur beschäftigt in 134 Niederlassungen über 7000 Personen in 84 Ländern und zählt zu den kreativsten Firmen der Welt. Über 50 Prozent der globalen Marken gehören zu den Kunden von Saatchi & Saatchi. Kevin Roberts wurde mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet. Er ist zudem Honorarprofessor für Innovation und Kreativität an der Universität von Auckland.

Das Swiss Economic Forum steht für hervorragende Redner und Podiumsdiskussionen.

Bild: Swiss Economic Forum


Arbeitsmarkt

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Mittwoch, 5. Juni 2013

«Jetzt ist die Zeit zum Handeln» Interview mit Patrick De Maeseneire, CEO der Zeitarbeitsfirma Adecco Der demografische Wandel überrollt die Wirtschaft. Adecco-CEO Patrick De Maeseneire fordert Politiker und Unternehmer dazu auf, die Herausforderung beherzt anzugehen – und zeigt mögliche Lösungen auf. Interview: Alex Hämmerli Herr de Maeseneire, sind die Schweizer Unternehmen ausreichend auf den demografischen Wandel und die damit einhergehenden Veränderungen in der Altersstruktur ihrer Belegschaften vorbereitet? Patrick De Maeseneire: Nein, die allermeisten Unternehmen in der Schweiz, in Europa und darüber hinaus sind nicht vorbereitet. In der Schweiz und Deutschland ist heute bereits jeder fünfte Mensch 65 Jahre alt oder älter, bis 2040 wird es fast jeder dritte sein. Der Fachkräftemangel und die ungenügende Anzahl technisch-mathematisch ausgebildeter Schulabgänger sind Vorzeichen einer dramatischen Verknappung an Talenten. Dabei sind in Europa fast drei Millionen Stellen nicht besetzt und dies bei einer rekordhohen Jugendarbeitslosigkeit. Hier läuft etwas schief. Welche Schritte müssen die Schweizer Unternehmen besser heute als morgen einleiten, um diesem strukturellen Wandel erfolgreich zu begegnen?

Unternehmen müssen durch die Flexibilisierung ihrer Beschäftigungsmodelle auf die Ansprüche und Bedürfnisse aller kritischen Mitarbeitergruppen eingehen: seien dies Berufseinsteiger, die nach der Ausbildung Berufserfahrung sammeln müssen, erfahrene Professionals, die sich auf ihrem Fachgebiet weiter spezialisieren möchten oder ältere Mitarbeiter, die auch mit 65 Jahren noch mit einem Bein im Berufsleben bleiben möchten. Entscheidend ist, dass ein Unternehmen Zugang zu den richtigen Talenten und Skills erhält und sich diesen auf lange Sicht sichert, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Lebenssituation der Mitarbeitenden.

«Den Unternehmen erweist man einen Bärendienst, wenn man ihnen den Zugang zu Talent durch eine Altersguilloutine verwehrt.» Inwiefern ist die Politik gefordert? Wie müssen die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen an die künftigen arbeitsmarktlichen Herausforderungen angepasst werden? Die Herausforderungen liegen nicht in der Zukunft – jetzt ist für die Politik die Zeit zu handeln. Der demografische Wandel ist bedrohlich und in vielen europäischen Ländern ist die Arbeitsmarktsituation für junge Menschen dramatisch. Wirtschafts-

nicht. Der Rückzug aus dem Berufsleben sollte schrittweise erfolgen. Den Unternehmen erweist man einen Bärendienst, wenn man ihnen den Zugang zu Talent und Know-how der über 65-Jährigen durch eine Altersguillotine verwehrt. Nötig ist dazu die Verbreitung und Akzeptanz von flexiblen Arbeitsmodellen für Menschen mit viel Erfahrung, zum Beispiel ab 60 Jahren. Ich bin überzeugt, dass damit sowohl den Menschen, die länger leben und aktiv bleiben möchten, als auch den Unternehmen und der Gesellschaft gedient wird.

politisch müssen besonders in Europa die Rahmenbedingungen dahingehend verändert werden, damit die Aus- und Weiterbildung im Technischen und Gesundheitsbereich stark gefördert, die internationale Mobilität für Arbeitnehmer attraktiver wird und sich vermehrt flexible Arbeitsmodelle als vollwertige Alternativen zu den bisherigen, starren Lebensstellen etablieren. Das steigende Alter ist eine unumkehrbare Tatsache. Muss folglich das Rentenalter nach oben angepasst werden? Was wäre heute das «richtige» Rentenalter? Wir leben länger und müssen auch länger arbeiten. Das «richtige» Rentenalter gibt es

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Welche Implikationen hätte ein höheres Rentenalter für die Schweizer Unternehmen? Sollten sich in den kommenden Jahren flexible Arbeitsmodelle auch für ältere Arbeitnehmer nicht durchsetzen können, wird dies höhere Produktionskosten und somit einen Verlust der globalen Wettbewerbsfähigkeit zur Folge haben. Und was würde ein höheres Rentenalter für die Jugendlichen bedeuten? Käme es zu mehr Jugendarbeitslosigkeit? Ältere Arbeitnehmer nehmen den jüngeren die Arbeit nicht weg. Unternehmen haben ein klar definiertes Bedürfnis nach Talenten, die die effiziente Herstellung bzw. innovative Weiterentwicklung eines Produkts oder einer Dienstleistung gewährleisten. Können diese Talente lokal rekrutiert werden, sinkt die Jugendarbeitslosigkeit. Ist dies nicht der Fall, werden die Leute aus anderen Erdteilen geholt oder Standorte ausgelagert. Um

Jugendarbeitslosigkeit effektiv zu bekämpfen, müssen wir die Ausbildungen den Bedürfnissen der Wirtschaft anpassen, nicht umgekehrt. Inwiefern bewahrt das duale Bildungssystem die Schweiz vor mehr Jugendarbeitslosigkeit? Die dualen Bildungssysteme, wie wir sie aus der Schweiz, Deutschland oder Dänemark kennen, sind eines der effektivsten Mittel gegen die grassierende Jugendarbeitslosigkeit. Sie sind Musterbeispiele für eine effektive Berufsausbildung, die sich auf die Bedürfnisse der Realwirtschaft ausrichtet. Aber natürlich gibt es auch hier Verbesserungspotenzial – etwa bei der formalen Ausbildung für Berufsbilder aus dem Dienstleistungsbereich oder den neuen Technologien.

Zur Person Patrick De Maeseneire wurde 1957 in Belgien geboren. Der ausgebildete Wirtschaftsingenieur war von 2002 bis 2009 CEO des Schweizer Schokoladeproduzenten Barry Callebaut. Im Juni 2009 wurde er zum CEO der Adecco Gruppe ernannt. Mit weltweit über 700 000 Zeitarbeitern, 33 000 festen Mitarbeitenden und einem Umsatz von 20,5 Milliarden Euro (2012) ist Adecco einer der grössten globalen Arbeitgeber. Das Unternehmen ist mit über 5500 Filialen in mehr als 60 Ländern präsent.


Weltwirtschaft

Mittwoch, 5. Juni 2013

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China: hartes Pflaster für Schweizer KMU Kluge Personalpolitik für den Erfolg im Chinageschäft Die Schweiz war eines der ersten Länder, die vor über 60 Jahren China anerkannten. Obwohl das heute den 400 schweizerischen Unternehmen und ihren 900 Filialen auf dem chinesischen Festland zugute kommt, bleibt China eine Knacknuss für hiesige KMU. Leo Hug Swissness hat im Land der Mitte auch auf der Produkteebene eine ausgezeichnete Reputation. Das hilft den Schweizer KMU nicht nur bei der Durchsetzung höherer Preise, sondern öffnet auch die Türen zu besseren Qualitätspartnern. Trotz aller Sympathie für unser Land bleibt China aber ein hartes Pflaster für die Schweizer KMU und die rund 2200 registrierten Schweizer auf dem chinesischen Festland. Wer den Schritt in diesen Markt wagt, muss sich zuallererst dessen bewusst werden, dass China kein

Unternehmen mit Chinaplänen sind auf kompetente Partner angewiesen.

einheitlicher Markt ist. Das Land besteht aus 22 Provinzen, vier regierungsunmittelbaren Städten (Peking, Tianjin, Schanghai und Chongqing), fünf autonomen Regionen, zwei Sonderwirtschaftszonen (Hongkong und Macau) sowie nach chinesischer Leseart

Bild: Shutterstock

Taiwan. Geografische Schwerpunkte der Schweizer KMU sind Städte wie Schanghai und Peking sowie die nordostchinesische Provinz Shandong. In der Provinz Yunnan an der Grenze zu Laos und Kambodscha hilft den Schweizern zudem der Umstand, dass Zürich

eine Städtepartnerschaft mit der Provinzhauptstadt Kunming pflegt. Dasselbe gilt für Chonqging, das kürzlich eine Partnerschaft mit dem Kanton Zürich eingegangen ist. Unternehmen mit Chinaplänen sind von Anfang an auf kompetente Partner angewiesen. Das können internationale Konzerne sein, die bereits im Land aktiv sind, oder der Swiss Business Hub der Schweizer Botschaft. Vor Ort vertreten ist auch die Schweizerische Handelskammer. Seit 15 Jahren mit China verbunden und mit einer Chinesin verheiratet ist der PwC-Partner Felix Sutter. Mit Kunden, die Chinapläne haben, erarbeitet er jeweils als Erstes eine Standort-, Produkte- und Partnerstrategie. «Wer ohne Strategie in China losfährt, hat sein Budget aufgebraucht, bevor er auch nur eine Geschäftslizenz hat», meint er. Nach seiner Erfahrung braucht es rund neun anspruchsvolle Monate, bis ein Unternehmen eine Geschäftslizenz erhält.

Beschränkte Personalauswahl Hat man einmal in China Fuss gefasst, wird die Personalpolitik zu einem entscheiden-

den Erfolgsfaktor. Als Leiter der chinesischen Geschäftsaktivitäten empfiehlt Sutter einen China-Experten oder einen Chinesen, der lange im Ausland und möglichst auch in der Schweiz gearbeitet hat. «Eine Person aus dem bestehenden Schweizer Management mit der Führung des Unternehmens in China zu beauftragen, ist langfristig nicht zielführend», erklärt Sutter. Unnötige Kosten können in China entstehen, wenn der Personalpolitik zu wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. Dann stellt sich die für China typische sehr hohe Fluktuationsrate ein. «Diese Rate kann unter 10 Prozent gesenkt werden, wenn den Mitarbeitern ein Commitment zu China und eine klare und verlässliche Strategie kommuniziert werden», erklärt Sutter. Chinesische Mitarbeiter würden es zudem sehr schätzen, wenn in der Firma ein familiärer Geist besteht: Grosse Treue zum Arbeitgeber zeigen die Chinesen insbesondere für Unternehmen, die sie auch bei persönlichen Problemen unterstützen, etwa bei der Vermittlung von Schulplätzen für die Kinder oder bei Krankenkassenfragen und der Altersvorsorge.

Der Renminbi als neue Leitwährung Wann stellt China den Dollar ins Abseits? Der Exportweltmeister China will den Handel vermehrt in seiner eigenen Währung abwickeln – und damit den Dollar als Handelswährung verdrängen. Noch ist der Yuan aber weit davon entfernt, eine Weltwährung zu sein.

schlossene Ausdehnung der zugelassenen Schwankungsbreite von 0,5 auf 1 Prozent nach oben und nach unten belegt indes den Willen zu einer schrittweisen Öffnung zu einer voll konvertierbaren Währung. Zuvor fand die letzte Retouche im Wechselkursregime 2007 statt, als der Handelsspielraum von 0,3 auf 0,5 Prozent erweitert wurde.

Kupfer gegen Renminbi

Leo Hug Obwohl China nach den USA die zweitgrösste Wirtschaftsmacht ist, rangiert der Yuan in der Statistik der meistgenutzten Währungen erst auf Platz 16. Die Erklärung dafür liegt darin, dass der Yuan, auch als Renminbi oder kurz RMB bekannt, nicht frei handelbar ist: Noch lässt China den Wechselkurs künstlich in einer engen Bandbreite um den Dollar schwanken. Die vor einem Jahr be-

Ein weiterer Schritt zur Internationalisierung der Währung ist die Etablierung des Yuan als Reservewährung. Im vergangenen Jahr hat China das Kontingent, das ausländische Vermögensverwalter in Yuan halten dürfen, von 30 auf 80 Milliarden Dollar aufgestockt. In diesem Jahr ist zudem die frühere Obergrenze von 1 Milliarde Dollar für grosse ausländische Staatsfonds und Zentralbanken gefallen. Institute, die hohe Fremdwäh-

rungsüberschüsse verwalten, dürfen heute in grösserem Stil Yuan halten. Zur chinesischen Strategie der schrittweisen Marktöffnung gehört auch die kontrollierte Zulassung des Yuan als Handelswährung mit ausgewählten Partnerländern. Das geht zulasten des Dollars: Nach dem südkoreanischen Won und japanischen Yen ist seit April dieses Jahres auch der australische Dollar direkt mit der chinesischen Währung handelbar. Damit können künftig Rohstoffimporte aus Australien günstiger finanziert werden, weil es keine Abwicklung über den Dollar durch Banken in Drittländern mehr braucht. Dank Verträgen, in denen der RMB als Währung festgeschrieben wurde, können auch chilenische Minen bereits Kupfer ohne zwischengeschaltete Dollarfinanzierung ins Reich der Mitte liefern. Bis im Jahr 2015 will China, immerhin der weltweit grösste Rohstoffabnehmer, ein Drittel des Aussen-

handels direkt in Yuan begleichen. Dies dürfte zu neuen Geschäftsmodellen im Rohstoffhandel führen: Zurzeit sind noch alle wichtigen Rohstoffe, also Öl, Gas, Kohle, Metalle, Nahrungsmittelrohstoffe in Dollar fakturiert.

China muss erst seine Hausaufgaben machen Kleine Schritte zur Liberalisierung des Handels mit der chinesischen Währung sind also gemacht. Dennoch wird der Yuan weiterhin von der politisch gesteuerten Zentralbank an der kurzen Leine gehalten. Für eine echte Reservewährung fehlen die freie Konvertierbarkeit und damit die Marktgängigkeit. Bevor China seine Währung wirklich liberalisieren kann, sind freilich noch einige Hausaufgaben zu erledigen: Als Erstes müsste China seine inländischen Banken in die Lage versetzen, selbst ihre internationalen Finanzierungen

«clearen» zu können. Derzeit wird das internationale Clearing durch Banken in Hongkong erledigt. Zweitens braucht China eine Bankenreform, um im Finanzierungsgeschäft international mithalten zu können. «Noch fehlt den grossen chinesischen Staatsbanken der Anreiz, bei der Finanzierung der KMU mitzuwirken, was zu einem ausgeprägten ‹Schattenbanking› geführt hat. Die staatlichen Banken haben im jetzigen Umfeld kein Interesse, die Privatwirtschaft mit Krediten zu versorgen», sagt etwa Chinaexperte Felix Sutter, Partner von PwC. Parallel dazu brauche es aber auch Reformen im Rechnungswesen, die brauchbare Credit Ratings ermöglichen. Um aus dem Yuan eine Leitwährung zu machen, müsste schliesslich China selbst auch bereit sein, in internationalen Organisationen wie WTO oder Weltbank nicht nur in den Führungsgremien einzusitzen, sondern auch zu führen.

Wissenswertes zu Chinas Businesskultur Obwohl sich China rasant neu erfindet, bewahrt sich die Bevölkerung viele ihrer kulturellen Eigenheiten Nie ein Schweizer Sackmesser schenken Zu Treffen mit chinesischen Geschäftspartnern taucht man nie ohne Geschenk auf. Dabei ist zu beachten, dass das Geschenk nur so teuer sein darf, dass der Partner bei einer Gegengabe nicht überfordert wäre. Sehr beliebt ist ein XO Cognac («extra old») und von Schweizern nimmt man gerne Schokolade entgegen. Käse hingegen ist in den Augen vieler Chinesen nichts anderes als verdorbene Milch. Definitive Showstopper sind Brieföffner und Sackmesser, denn sie schneiden die Freundschaft entzwei. In China gibt es 160 Millionenstädte Die grösste von ihnen ist die Industriestadt Schanghai, in deren Ballungsraum rund 24 Millionen Einwohner leben. Das Geschäft stufengemäss einfädeln Für das Anknüpfen neuer Geschäftsbeziehungen ist es wichtig, dass die ersten Kontakte nicht auf Vorstandsebene geknüpft

werden. Nur Personen, die sich auf Augenhöhe treffen, sollten miteinander verhandeln. Folglich treten die ultimativen Entscheidungsträger erst beim Abschluss eines Geschäfts persönlich auf. Gute Geschäftsabschlüsse werden übrigens in China bei informellen Geschäftsessen vorbesprochen. Weisse Kleider sind für Geschäftsanlässe unpassend Die Farbe Weiss steht in China nicht wie im Westen für Unschuld und Reinheit, sondern für Trauer und Unglück. Weisse Kleidung trägt man zu Beerdigungen, an festlichen Anlässen sind dagegen rote Kleider beliebt: Die Farbe steht für Glück und Wohlstand. Unverbindliche Vertragsabschlüsse Die Unterzeichnung eines Vertrags ist in China nicht viel mehr als der Beginn einer Geschäftsbeziehung. Um die Geschäftsaktivitäten tatsächlich in Bewegung zu bringen, muss zuerst Vertrauen aufgebaut werden.

Aus diesem Grund sind Verträge in China in der Regel offen und ohne grossartige Quantifizierungen formuliert. Gerade weil die Bedeutung der Verträge in China eine andere ist als in der Schweiz, sollte dringend ein Anwalt für Vertragsabschlüsse beigezogen werden.

Geschichte des globalen BIP Prozentuale Anteile zu Kaufkraftparität in US-Dollar im Jahr 1919 China

Indien

Japan

USA

Frankreich

Deutschland

Italien

Grossbritannien 80 70

Die Zahl 250 steht in China für «Idiot» oder «grosse Dummheit» In China sind Zahlen mit viel Mystik verbunden. Auto- und Telefonnummern, die die Zahl 250 oder die Unglückszahl 4 enthalten, sind äusserst unbeliebt. Stattdessen reissen sich die Chinesen um die Glückszahlen 6, 8 und 9. Chinas Wirtschaft machte im Jahr 1820 rund ein Drittel des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus Danach nahm der Anteil am globalen BIP bis in die 1970er-Jahre auf weniger als 5 Prozent ab. Heute beträgt der Anteil beinahe wieder 20 Prozent. Alex Hämmerli

60 50 40 30 20 10

1

1000

1500

1600

Quelle: Angus Madison, Universität Groningen

1700 Jahr

1820 1870 1900 1913 1940 1970 2008

0


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Unternehmertum

Mittwoch, 5. Juni 2013

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BRIC-Staaten als Chance für KMU Grosses Wachstumspotenzial in den Emerging Markets Während Europa und die USA mit grossen Problemen zu kämpfen haben, beeindrucken die BRICStaaten Brasilien, Russland, Indien und China mit hohen Wachstumsraten. Für Schweizer Firmen und KMU eröffnen sich interessante Wachstums- und Export-Chancen. Stefan Linder Während die Umsätze und Gewinne in den Südländern Europas purzeln, strahlen die BRIC-Märkte vor unternehmerischem Selbstbewusstsein. Mit der richtigen Strategie können Schweizer KMU die Rückgänge in den Krisenländern kompensieren und gleichzeitig neue Märkte erschliessen. Um die Umsätze und Erträge nachhaltig zu sichern, braucht

es eine konsequente Neuausrichtung der Auslandsstrategie, die weit über die EU hinausreicht. In den vergangenen fünf Jahren hat ein massiver Umbau der Weltwirtschaft stattgefunden: Seit dem Ausbruch der Finanz- und Schuldenkrise hat das Volumen der Weltwirtschaft um rund 25 Prozent zugenommen. Das Wachstum hat sich jedoch sehr unterschiedlich entwickelt. Während die grossen und etablierten Industrieländer rückläufiges oder stagnierendes Wachstum verzeichneten, haben die grossen Schwellenländer die Krise genutzt, um mächtig aufzuholen.

Flughäfen, Staudämme und Stromleitungen haben den Vorzug, dass sie hervorragende Möglichkeiten für zukünftiges Wachstum schaffen.

Wachstumsfaktor Soja Indien hingegen hat viele Erwartungen enttäuscht. Das Land mit den vielen Ingenieuren und der arbeitshungrigen Mittelschicht konnte nicht im selben Mass zulegen wie China. Das grösste Manko in Indien sind die korrupte Politik und die fehlende, flächendeckende Infrastruktur. Brasilien wiederum verdankt sein Wachstum vor allem dem Soja und anderen Rohstoffen, die das Land in grossen Mengen nach China exportiert. Brasilien hofft zudem auf eine Zukunft als wichtige Ölmacht. Russland seinerseits generiert sein Wachstum fast ausschliesslich mit Gas. In die Infrastruktur wird jedoch so wenig investiert, dass es fraglich bleibt, ob

Werkbank der Welt Grosser Gewinner der letzten Jahre ist China. Es hat seinen Status als Werkbank der Welt weitgehend verteidigt und zusätzlich durch massive Infrastrukturprojekte die Konjunktur am Laufen gehalten. Die neuen Autobahnen,

der Export von Rohstoffen mittelfristig gesichert werden kann. Die Wirtschaft des Landes droht ausserdem im Sumpf der repressiven staatlichen Ordnung zu versinken – zumal die Zahl der willkürlichen Behördenaktionen laufend steigt. Firmenchefs von exportorientierten Unternehmen sind gut beraten, einen strategischen Fokus auf die Märkte von morgen zu legen. Nebst den BRIC-Staaten sollte man auch die weniger beachteten aufstrebenden Länder wie Südafrika, Mexiko, Indonesien, Südkorea oder die Türkei genau im Auge behalten. Die sogenannten «growth economies» wachsen wesentlich schneller als die Industrieländer – und ihr Gewicht wird in den kommenden Jahren stark zunehmen. Nach Schätzungen von Goldman Sachs werden diese Länder in zehn Jahren für mehr als 60 Prozent des weltweiten Wirtschaftswachstums verantwortlich sein.

Die Exportstrategien der Schweizer KMU

Bei diesen Organisationen holt man Rat

40

7 12

%

12

2030

12

Bis zu diesem Jahr dürfte China laut Goldman Sachs die Vereinigten Staaten als grösster Aktienmarkt der Welt abgelöst haben.

66

13

China

Türkei

Russland

Südafrika

Brasilien

Indien

Polen

Rest

keine Erfahrung

Erfahrung/Aktivitäten

Prozent der Einwohner Brasiliens sind unter 29 Jahre alt.

Grössten Chancen

%

10

Dollar-Milliardäre lebten laut «Forbes» 2012 in den BRIC-Staaten, 32 mehr als 2011.

16

%

%

25

22

333

12

15 16

40

keine Priorität

55

Wichtige Stolpersteine

12

Prozent der Weltbevölkerung, also insgesamt rund drei Milliarden Menschen, leben in einem BRICSLand, also in Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.

27

23

17

70

32

20

Prozent haben die Aktien in den Schwellenländern seit 2009 an Dollar-Wert zugelegt. Das zeigt der Emerging Markets Index von Morgan Stanley.

30 24

26

Berater aus der Schweiz

Handelskammer

Korruption/Betrug

Lokale Regeln/Gesetze

Osec

Berater vor Ort

gut ausgebildete Mitarbeiter

Bürokratie/Bewilligungen

1980

60

6

%

24

Länder zählt der Internationale Währungsfonds zur Gruppe der Emerging Markets. Mitglieder sind etwa Estland, Chile oder Malaysia.

Prozent der Weltbevölkerung leben in einem Schwellenland.

Erfahrungsstand in BRIC-Staaten

Länder-Prioritäten

5

Der Handel zwischen China und Südafrika ist in den vergangenen 15 Jahren von 1,5 Milliarden US-Dollar auf über 60 Milliarden US-Dollar hochgeschnellt. Hinzu kommen die immensen chinesischen Investitionen in Höhe von 10 Milliarden US-Dollar. Das Handelsvolumen zwischen China und dem afrikanischen Kontinent erreichte 2012 ein Volumen von über 100 Milliarden US-Dollar.

In diesem Jahr hat der von der Weltbank verwendete Begriff «Emerging Economies» das zuvor genutzte Wort «less economically developed countries» abgelöst.

CEO-Umfrage

Das SEF hat eine Umfrage bei führenden Chefs von Schweizer Firmen durchgeführt und diese nach ihrer Exportstrategie befragt. Die Chefs setzen demnach insbesondere auf den chinesischen Markt, gefolgt von Brasilien, der Türkei und Russland. Spannend sind auch die Erkenntnisse bezüglich der unternehmerischen Erfahrungen in den BRIC-Staaten: Rund jeder vierte CEO hat bislang keine unternehmerischen Erfahrungen in Brasilien, Russland, Indien oder China gemacht, obwohl er oder sie dies als wichtig erachtet. Immerhin wissen die Entscheidungsträger, an wen sie sich bezüglich ihrer Strategie wenden können: Vier von zehn setzen zuerst auf Berater vor Ort, während rund ein Viertel bei der Handelskammer und der OSEC Ratschläge einholen.

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Versicherungswesen

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Mittwoch, 5. Juni 2013

Megatrends als Chance begreifen Der Versicherungssektor setzt auf Kunden in Asien, Afrika und Lateinamerika Trotz niedriger Zinsen und europäischer Schuldenkrise: Weltweit hat sich der Versicherungssektor auch unter schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gut behauptet. Denn Nachhaltigkeit, Sicherheit und effektives Risikomanagement sind wesentliche Bestandteile des Geschäftsmodells. Diese Merkmale erlauben es den Versicherern, den Herausforderungen von Megatrends zu begegnen, und sind auch Chancen für ein nachhaltig profitables Wachstum.

heutigen Niveau zu stabilisieren, müssen bis 2030 weltweit 210 Milliarden Dollar investiert werden. Deshalb umfasst die Strategie der Allianz die Unterstützung der Kunden im Hinblick auf klimabezogene Herausforderungen, aber auch die Nutzung von Chancen aus dem Klimawandel. So versichert und investiert die Allianz bereits heute weltweit in die Gewinnung erneuerbarer Energien und bietet ihren Kunden grüne Produkte, Prävention sowie Beratung zur Mitigation klima- und wetterbedingter Risiken.

Demografischer Wandel

Klaus-Peter Röhler* Die Finanzmarktkrise dauert seit über fünf Jahren an – und ein Ende ist angesichts der finanziellen Schieflage vieler europäischer Staaten noch immer nicht in Sicht. Diese Situation hat allerdings auch dazu beigetragen, dass der Wert des nachhaltigen Wirtschaftens wieder stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt ist. Davon profitiert insbesondere die Versicherungswirtschaft, deren Geschäftsmodell in Zeiten boomender Märkte bisweilen als wenig attraktiv galt. Dabei ist Nachhaltigkeit ein wesentlicher Bestandteil von Versicherern und langfristig

Die Zahl der wetterbedingten Schäden nimmt rasant zu.

orientierten Investoren. Weltweit agierende Finanzdienstleister sehen sich mit einer Vielzahl von Ereignissen und Entwicklungen mit langfristig globalen Auswirkungen konfrontiert, die das Geschäft in hohem Mass beeinflussen. Nachhaltiges und profitables Wachstum lässt sich nur erzielen, wenn man diese Themen sorgfältig beobachtet, analysiert und geeignete Lösungen entwickelt.

Bild: Shutterstock

Einer der herausforderndsten globalen Trends ist der Klimawandel. Die möglichen Auswirkungen auf das Versicherungsgeschäft muss man sehr ernst nehmen, denn die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Allein in den letzten 30 Jahren hat sich die Zahl an wetterbedingten Schäden verfünfzehnfacht – und dieser Trend wird sich weiter fortsetzen. Um die Treibhausemissionen auf dem

Ein weiterer globaler Trend ist der demografische Wandel: Bis 2050 werden Prognosen zufolge rund neun Milliarden Menschen die Erde bevölkern. Jeder fünfte wird zu diesem Zeitpunkt über 60 Jahre alt sein. Die alternden Gesellschaften und die schrumpfende Zahl der Erwerbstätigen stellen die Sozialversicherungssysteme in den industrialisierten Ländern vor grosse Herausforderungen, die weltweite Nachfrage nach privater Altersvorsorge wird steigen. Es gilt also, den Kunden massgeschneiderte Produkte für die Altersvorsorge zur Verfügung zu stellen. In den Schwellen- und Entwicklungsländern, die im Gegensatz zu den industrialisierten Ländern mit einem starken Bevölkerungswachstum konfrontiert sein werden, ist es von zentraler Bedeutung, umfassende soziale Sicherungssysteme zu schaffen und eine

private Vorsorge zu ermöglichen, die den limitierten finanziellen Ressourcen Rechnung trägt, wie zum Beispiel Mikroversicherungen. Dies bedingt, dass auch die ärmsten Bevölkerungsteile den Zugang zu einer Absicherung haben, denn beinahe ein Drittel der Weltbevölkerung muss mit einem Einkommen zwischen 1.25 und 4 Dollar am Tag auskommen. Die meisten leben ohne staatliche oder private Versicherungen in Regionen, die als besonders anfällig für Naturkatastrophen gelten, was schnell zu einem Verlust der Lebensgrundlage führen kann. Deshalb bietet die Allianz zum Beispiel über 17 Millionen Kunden in Asien, Afrika und Lateinamerika Schutz über Mikroversicherungen – und ermöglicht so den Aufbau einer sicheren Zukunft. Die Produkte reichen von Lebensversicherungen und Sparplänen bis hin zu Ernteausfallversicherungen. Die Zufriedenheit der Kunden wird sich mittelbis langfristig auszahlen, wenn der soziale Aufstieg einen Umstieg zu konventionellen Versicherungsprodukten ermöglicht. Die globalen Megatrends und die damit verbundenen Risiken stellen zweifelsohne eine grosse Herausforderung dar, bei deren Bewältigung die Versicherer einen erheblichen und wichtigen Beitrag leisten. Zusätzlich bieten uns die Megatrends auch zahlreiche Chancen, die wir als nachhaltig orientiertes Unternehmen entschlossen nutzen müssen. * Klaus-Peter Röhler ist CEO von Allianz Suisse

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Unternehmertum

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«In zwölf Jahren sind wir auf dem Mars» Interview mit Elon Musk, Gründer von PayPal und SpaceX sowie Miteigentümer von Tesla Motors Ihn treibt nicht das Geld an, sondern die Zukunft der Menschheit. Unternehmer Elon Musk über wiederverwendbare Raketen, kopierende Chinesen und coole Elektroautos. Interview: Alex Hämmerli Herr Musk, Ihre Falcon-Raketen und die dazugehörige Dragon-Raumkapsel haben die legendären Space Shuttles abgelöst. Hätten Sie sich jemals erträumen lassen, dass der Verkauf von PayPal Sie derart weit bringen würde? Als ich SpaceX gründete, dachte ich ehrlich gesagt nicht, dass ich damit Erfolg haben würde. Ich war mir nicht einmal sicher, ob wir mit einer Rakete den Orbit erreichen würden – das hatten vor uns erst etwa ein halbes Dutzend Länder hingekriegt. Wieso haben Sie SpaceX gegründet, wo Sie doch nicht an dessen Überleben glaubten? Ich bin der Ansicht, dass, wenn etwas wichtig genug ist, es auch versucht werden sollte. Und deshalb haben Sie all Ihr Geld in einen Kindheitstraum investiert? Zunächst hatte ich nicht vor, meine ganzen Ersparnisse in SpaceX zu stecken. Um das Unternehmen am Laufen zu halten, war ich aber gezwungen, immer mehr zu investieren. Schliesslich habe ich all mein Geld in meine drei Projekte SpaceX, Tesla und Solar City gesteckt. Sowohl SpaceX als auch ihr Elektroauto-Unternehmen Tesla Motors standen einmal kurz vor dem Bankrott. Heute ist allein Ihr Investment in Tesla wieder rund eine Milliarde Dollar wert. Wie haben Sie die Kurve gekriegt? Es war wohl eine Kombination aus Glück und Beharrlichkeit, dass es beide Unternehmen durch die schwierigen Zeiten geschafft haben. Unsere ersten drei Testraketen haben es nicht in den Orbit geschafft. Hätten wir im vierten Anlauf keinen Erfolg gehabt, wäre SpaceX gestorben. Was treibt Sie an? Die Erkundung des Weltraums liegt mir sehr am Herzen. Ich setze mich dafür ein, dass die Dinge, von denen wir in Science-FictionBüchern lesen, real werden. Meine Vision ist es, dass die Menschheit dereinst eine multiplanetare Spezies sein wird – deshalb habe ich SpaceX gegründet. Mit meinem Investment in Tesla Motors wiederum will ich den Erfolg der Elektroautos beschleunigen. Ich bin der Ansicht, dass das derzeit grösste Problem der Menschheit im nicht nachhaltigen Konsum von Energie liegt. Dieses

Problem könnten wir alleine mit der Energie von Sonne, Wasser und Wind in Kombination mit modernen Batterien lösen. Beim Bau der Falcon-Raketen setzen sie fast ausschliesslich auf eigene Technologie. Wieso haben Sie nicht – wie die meisten anderen im Raumfahrtgeschäft – auf die altbewährten Raketenantriebe Russlands gesetzt? Ich bin zum Schluss gekommen, dass es genau die alte Technik ist, die der Menschheit bei ihrem Streben ins All im Weg steht. Hätten wir einfach 60 Jahre alte russische Atomraketen gekauft, hätten wir die Technik nicht weitergebracht. Mittlerweile sind Sie in der Lage, Versorgungsflüge für die Internationale Raumstation ISS durchzuführen. Was kommt als Nächstes? Wir arbeiten an einer vollständig wiederverwendbaren Rakete, die nach Gebrauch eigenständig zum Startplatz zurückfliegt. Diese Technologie wäre ein entscheidender Durchbruch, weil sie die Kosten massiv reduzieren würde. Heutige Raketen kosten um die 60 Millionen Dollar. Die Kosten des Treibstoffs und des Sauerstoffs betragen dabei lediglich rund 200 000 Dollar. Stellen Sie sich vor, man müsste nach jedem Flug ein neues Flugzeug bauen. Die Kosten würden explodieren! Und was kommt nach der wiederverwendbaren Rakete? Als Nächstes brauchen wir viel grössere Raketen. Ich spreche von einer Grössenordnung von 5000 bis 7000 Tonnen. Zum Vergleich: Unser aktuelles Modell, die Falcon 9, ist etwa 333 Tonnen schwer und 53 Meter hoch. Grössere Raketen wären in der Lage, als Transportmittel zu einer künftigen Marskolonie zu dienen. Werden Sie dereinst zum Mars fliegen? Ja, das würde ich sehr gerne. Wann wird der erste Mensch seinen Fuss auf den Mars setzen? Ich schätze, es dürfte etwa in zwölf Jahren so weit sein.

Unternehmer Elon Musk will der Menschheit den Weg zur multiplanetaren Speziels ebnen.

enorm erleichtern. Die Chinesen machen grosse Fortschritte in der Raumfahrt, ich glaube aber, dass wir den Innovationsvorteil auf unserer Seite haben. Wie meinen Sie das? Was beispielsweise die Elektronik, das Triebund Flugwerk oder das Steuerungssystem anbelangt, sind wir bei SpaceX derzeit weltweit am weitesten. Und wir stehen vor weiteren grossen technologischen Durchbrüchen. Solange wir an unserem geistigen Eigentum festhalten können, können wir auch im Wettbewerb standhalten. Wie schützen Sie ihre Erfindungen? Indem wir praktisch nichts patentieren. Patente würden den Chinesen lediglich als Bauanleitung für ihre neuen Raketenmodelle dienen (lacht). Tesla ist bekannt für seine schnittigen Elektro-Sportautos – Spielzeuge für die Reichen in Hollywood. Nun lancieren Sie

mit dem Tesla S einen Viertürer. Wird das neue Modell die Massen erreichen? Das Modell S, das in der Schweiz ab Juli verfügbar ist, ist rund ein Drittel günstiger als unser Roadster. Vom Preis her ist der Tesla S vergleichbar mit einem 7er-BMW oder einem Audi A8. Damit erreicht man aber keinen Durchschnittshaushalt. Stimmt. Deshalb werden wir in drei bis vier Jahren ein Elektroauto präsentieren, das noch so viel kostet, wie ein 3er-BMW oder ein Audi A4. Die Zielgruppe würde ich als Premium-Massenmarkt definieren. Der Verkauf von Elektroautos harzt. Worauf warten die Konsumenten? Die Kosten sind enorm wichtig für den Durchbruch des Elektroautos. Die Leute wollen ein bezahlbares Auto, das auch cool ist. Wenn Elektroautos weiterhin so aussehen wie der Nissan Leaf, dann wird der Markt für Elektroautos nie abheben.

Die aussergewöhnliche Karriere des Elon Musk Der 41-jährige Unternehmer Elon Musk hat eine beeindruckende Karriere vorzuweisen. Ein Überblick über die bisherigen Erfolge. 1983: Im Alter von zwölf Jahren entwickelt Musk ein Videogame namens Blast Star und verkauft es an ein PC-Magazin für 500 Dollar. 1995: Der studierte Ökonom und Physiker bricht sein Ph.D.-Programm in Physik an der Stanford University nach zwei Tagen ab, um das Internetunternehmen Zip2 zu gründen. 1999: Musk verkauft Zip2 für 307 Millionen Dollar an Compaq. 2000: Musk gründet das Online-Bezahlsystem PayPal. 2002: Beim Börsengang von PayPal steigt der Aktienwert am ersten Handelstag um 54 Prozent. Acht Monate später verkauft Musk PayPal an eBay – für 1,5 Milliarden Dollar. Mit dem Startkapital gründet Musk das Raumfahrtunternehmen SpaceX.

Wie kommen Sie auf diese Prognose? Die Schätzung basiert auf dem Design der Kolonialrakete, die ich im Sinn habe. Es wird rund sechs Jahre dauern, bis wir diese gebaut haben. Die Vorbereitungen und der Flug dürften dann weitere sechs Jahre in Anspruch nehmen. Wird Ihnen keine staatliche Raumfahrtagentur zuvorkommen? Ehrlich gesagt wäre es mir am liebsten, wenn wir zum Beispiel mit der NASA zusammenarbeiten würden, um den Mars zu erreichen. Das würde insbesondere die Finanzierung

Bild: Tesla Motors

2004: Musk investiert in das ElektroautoUnternehmen Tesla Motors. 2008: Die US-Weltraumbehörde NASA wählt die SpaceX-Rakete Falcon 9 als Nachfolger der mittlerweile ausgemusterten Space Shuttles.

Der neue Tesla S vor dem Zürcher Puls5.

Bild: Tesla Motors

2012: Die Dragon-Kapsel von SpaceX ist das erste kommerzielle Raumschiff, das an die Internationale Raumstation ISS ankoppelt.

Dem Elektroauto geht der Saft aus In der Autoindustrie wächst die Skepsis Hersteller von Elektroautos werfen reihenweise das Handtuch. Die Vision des Bundes – 720 000 Elektroautos in der Schweiz bis 2020 – ist in weite Ferne gerückt. Nach dem Elektrorausch setzt der Kater ein. Mehrere Chefs von Autoherstellern bremsten in den vergangenen Monaten die Erwartung, dass in absehbarer Zeit ein bedeutender Anteil der Autos mit Strom aus der Steckdose laufen wird. «Es wird kein Übergang von wenigen Jahren sein», sagte etwa Daimler-Chef

Dieter Zetsche am Genfer Autosalon 2012. Und auch Wolfgang Schneider, Vizepräsident von Ford in Europa, äusserte Bedenken: «In dieser Dekade sehen wir keine nennenswerte Zahl von Elektroautos», prophezeit er. Haben die Autohersteller mit der Entwicklung ihrer Elektroautos also Milliarden in den Sand gesetzt? «Es sieht so aus, als würde die Autoindustrie auch diesmal den Übergang zum Elektroauto nicht schaffen», stellt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg fest. Dasselbe sei schon Anfang der 1990er-Jahre passiert: Bereits damals seien BMW, VW, Mercedes, Opel, Ford, Renault, Fiat

und Peugeot mit Hybriden und Elektroautos am Start gewesen. «Leider ist dann alles im Sand verlaufen», so Dudenhöffer. Bewahrheiten sich die Befürchtungen der Branche, ist die gemeinsame Vision des Bundesamts für Strassen ASTRA und des Touring Clubs Schweiz TCS kaum realistisch: Der von ihnen geführte Verein Forum Elektromobilität Schweiz prophezeit in seiner «Road Map», dass bis zum Jahr 2020 rund 720 000 Elektrofahrzeuge auf den Schweizer Strassen unterwegs sein werden. Mit Beständen von knapp 32 000 Hybrid- und 1700 reinen Elektrofahrzeugen ist das Ziel aber noch in

weiter Ferne (siehe Tabelle). Bekannte Probleme der Elektroautos sind die begrenzte Reichweite der Akkus und insbesondere der immer noch deutlich höhere Kaufpreis gegenüber Autos mit Verbrennungsmotor, der auch durch die tieferen Betriebskosten innert normaler Amortisationszeit nicht wettgemacht werden kann. Dudenhöffer nimmt aber auch die Politik in die Pflicht: «Nur mit Regulierungsmassnahmen können wir das Elektroauto und die Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge nach vorne bringen.» Alex Hämmerli

Fahrzeugbestand in der Schweiz nach Treibstoffart Treibstoff

Anzahl

Anteil in %

Benzin

3 364 054

75,8989

Diesel

1 015 173

22,9041

Hybrid

31 892

0,7195

Gas

7 897

0,1782

E85

4 073

0,0919

Elektrisch

1 686

0,0380

Übrige nicht definiert

7 510

0,1694

Total Personenwagen

4 432 285

100,0000

Quelle: auto-i / ASTRA-mofis 2013, Stand 7. 3. 2013


Fragen und Antworten

12

Mittwoch, 5. Juni 2013

Zukunftswille statt Zukunftsangst Brennende Fragen für die Schweiz Die Schweiz befindet sich verglichen mit ihren Nachbarn in einer komfortablen Situation. Dadurch steigt die Gefahr der Selbstzufriedenheit. Sie ist Gift für Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft. Kommentar von Andreas Müller und Gerhard Schwarz* Welche Fragen beschäftigen die Schweiz? In einer direkten Demokratie liegt es nahe, die Antwort nicht bei Intellektuellen oder Politikern zu suchen, sondern in der Bevölkerung. Gemäss dem jährlich publizierten Sorgenbarometer wird seit 2003 die Arbeitslosigkeit als Hauptsorge wahrgenommen. Zudem werden die Themen «Ausländer/Personenfreizügigkeit» und «Flüchtlinge/Asylfragen» zunehmend sorgenvoller beurteilt. Fragte man die Politiker, stünden vielleicht das Bankkundengeheimnis, der Knatsch mit den USA oder die Beziehungen zur Europäischen Union auf der Liste. Unternehmer wiederum würden wohl den starken Franken, den Fachkräftemangel oder die zunehmende Regulierung – nicht zuletzt des Arbeitsmarktes – nennen. All diesen Themen ist gemeinsam, dass es sich um Sorgen handelt und dass der Schuh sehr unmittelbar drückt. Verdrängt werden dadurch zum einen die längerfristigen Pro-

bleme, die nicht etwa weniger wichtig sind, nur weil sie nicht unmittelbar unter den Nägeln brennen, im Gegenteil, und die oft auch schwer erkennbar sind, weil sich die Schweiz in einer weniger schwierigen Situation befindet als ihre Nachbarn. Die Gefahr der Selbstzufriedenheit ist da gross – und sie ist Gift. Vergessen gehen zum anderen die Chancen, die zwar oft schlecht sichtbar – aber nicht minder real – sind, die zu erkennen und zu ergreifen sehr anspruchsvoll sein kann und deren Nutzung eine entsprechende Politik voraussetzt.

Zukunft als Chance In der Publikation «Ideen für die Schweiz. 44 Chancen, die Zukunft zu gewinnen» hat Avenir Suisse versucht, diese beiden Perspektiven im Visier zu behalten, die lange Frist ebenso wie das Verständnis der Zukunft als Chance. Zu den zwar oft erst schwelenden, aber langfristig vielfach brandgefährlichen Herausforderungen zählen unter anderem die Finanzierung der Sozialwerke, die Alterung der Gesellschaft, die 9- oder gar 10-Millionen-Schweiz mit Zersiedelung und Verkehrsinfarkt, die allgemeine Kurzfristigkeit des Denkens in Politik und Wirtschaft oder die Erosion einer fein austarierten und stabilen gesellschaftlichen Kohäsion. Zu diesen und vielen anderen Entwicklungen hat Avenir Suisse Vorschläge entwickelt, die ein Anstoss für eine breite Diskussion über alle Lager hinweg sein wollen. Das Spektrum

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Die Sorgen in der Bevölkerung sind vielschichtig.

der Vorschläge reicht von der freien Wahl der Pensionskasse durch die Mitarbeiter, um den individuellen Präferenzen der Arbeitnehmer Rechnung zu tragen, bis zu einer Abgabe von Unternehmen bei Neueinstellungen aus dem Ausland zur besseren Ausschöpfung des einheimischen Arbeitskräftereservoirs; von einem Energiefonds der Kantone mit Blick auf eine effektivere Privatisierung bis zur «Kumulusaktie», einem Aktientypus, der loyale Anleger belohnt; von einem allgemeinen Bürgerdienst mit dem Wehrdienst als einem wichtigen Pfeiler, um der schwindenden Wehrgerechtigkeit und dem Rückgang des Milizgedankens zu wehren, bis hin zu

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mehr Kostenwahrheit im Verkehr aus ökologischen, siedlungspolitischen und finanziellen Gründen. Hinter allen Vorschlägen steckt die Überzeugung, dass das frühzeitige Anpacken von Problemen diese zu veritablen Chancen werden lässt. Die Schweiz könnte anders und vor allem noch besser sein! Das ist der Grundsatz hinter jeder Idee. Dafür braucht es eine gute Debattenkultur, den Willen, zu reüssieren, die innere Kraft, nicht mit dem grossen Strom zu schwimmen, sowie Kreativität, Mut und Offenheit für Unkonventionelles – kein Leichtes in einem konsensorientierten Land wie der Schweiz.

Die brennendste Frage wäre aus dieser Sicht: Wie behält die Schweiz das nötige Interesse an ihrer eigenen Zukunft, den Willen, diese Zukunft aktiv zu gestalten, und das Selbstbewusstsein (nicht die Überheblichkeit), dass sie das in einem beträchtlichen Ausmass auch kann? Weder Selbstzufriedenheit noch sorgenvolle Resignation, sondern nur optimistische Entschlossenheit werden es erlauben, die Zukunft zu sichern. Andreas Müller und Gerhard Schwarz sind Vizedirektor bzw. Direktor von Avenir Suisse, dem liberalen Thinktank der Schweizer Wirtschaft.


Finanzplatz

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«Die Schweiz hat alles was es braucht» Interview mit Sergio Ermotti, CEO der Grossbank UBS UBS-CEO Sergio Ermotti ist der Ansicht, die Schweiz habe zu zögerlich auf die anstehenden Probleme im Finanzsektor reagiert. Den Schutz der Privatsphäre will er aber nicht so einfach aufgeben. Interview: Stefan Linder Herr Ermotti, im Jahr 2001 gab es in der Schweiz 369 Banken, heute sind es noch etwa 300. Wie lange muss sich der Finanzplatz noch gesundschrumpfen? Die Rahmenbedingungen sind herausfordernd für die gesamte Finanzbranche. Das unsichere wirtschaftliche Umfeld, die hohe Staatsverschuldung in Europa und den USA, Fragen zum Wachstum in den Schwellenländern, der starke Schweizer Franken, die andauernde Steuerdiskussion sowie tief greifende regulatorische Veränderungen – dies alles verunsichert die Märkte und die Kunden und drückt auf die Profitabilität. Vermutlich haben wir in der Schweiz eher zu zögerlich auf anstehende Probleme reagiert, nun ist das Tempo der Veränderungen sehr hoch. Nicht alle Banken waren und sind gleich gut gerüstet für diese Herausforderungen und den fundamentalen, schnellen Wandel. Wer die Hausaufgaben rechtzeitig gemacht hat und über notwendige Grösse, Spezialisierung und Kompetenz sowie eine starke Kundenbasis verfügt, wird überleben. Liegt die Zukunft der Banken im globalen automatischen Informationsaustausch? Der Schutz der Privatsphäre ist ein fundamentales Prinzip des schweizerischen Rechtsstaats. Ich denke nicht, dass wir dies einfach so aufgeben sollten. Dass die Schweiz sich heute auf die Verwaltung versteuerter Vermögen konzentriert, ist klar. Die Steuerabkommen mit Grossbritannien und Österreich helfen, die Vergangenheit zu bereinigen. Mit Deutschland hat das nun leider nicht geklappt. Es wäre auch im Interesse der europäischen Staaten, dass ihre Bürger ihre unversteuerten Altlasten fair bereinigen können. Darüber hinaus braucht es eine Lösung für die Zukunft. Die Politik und der Finanzplatz müssen die strategische und taktische Umsetzung dieser Ziele gemeinsam diszipliniert angehen. Das Geschäftsmodell mit unversteuerten Geldern ist Geschichte. Wie stellt sich der Finanzplatz neu auf? Unser Bankenplatz hat eine über 150-jährige Geschichte. Die Schweiz bietet Sicherheit, politische Stabilität und vor allem auch grosses Fachwissen in der Beratung und Qualität in der Ausführung, wie dies wenige Finanzplätze bieten können. Darauf müssen wir aufbauen. Und was bedeutet dies für Ihre Bank, die UBS? Wir haben unsere Hausaufgaben bereits 2009 sorgfältig und konsequent gemacht, unser Regelwerk in der Vermögensverwaltung verschärft und uns strategisch auf das ausgerichtet, was wir als absolut zentral erachten: Wir haben in das Fachwissen, die Beratungs- und Anlageprozesse investiert, um die Kundenbedürfnisse noch besser zu erfüllen. Wir haben auch unsere Risiken im gesamten Konzern drastisch reduziert und sind heute die kapitalstärkste Bank in unserer Liga. Dank des Engagements und der Kompetenz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben wir also früh und konsequent die UBS der Zukunft geschaffen. Wir sind der führende Vermögensverwalter weltweit und die stärkste Universalbank in der Schweiz. Ist denn der Heimmarkt Schweiz überhaupt attraktiv für eine Grossbank wie die UBS?

UBS-CEO Sergio Ermotti ist der Meinung, dass der Schweizer Finanzplatz auch in Zukunft überzeugen wird.

Unbedingt – die Schweiz ist wichtig für die UBS. Und die UBS ist auch wichtig für die Schweiz. Das Geschäft hier im Heimmarkt ist für den Konzern entscheidend, sowohl bezüglich Ertrag und Profitabilität wie auch als Plattform für unsere globalen Aktivitäten und als Talentschmiede. Unsere Schweizer Wurzeln und Werte unterstützen unsere globale Marke und das weltweite WealthManagement-Geschäft. Auch ein global tätiges Unternehmen braucht ein Zuhause. Was können die Schweizer Politik und der Finanzplatz Schweiz tun, um unserer Finanzindustrie international gleich lange Spiesse zu sichern? Wir müssen uns wieder auf unsere gemeinsamen Interessen konzentrieren, diese gemeinsam wahren und mit einer Stimme sprechen. Wir brauchen international geltende Spielregeln und Standards. Gerade auch unsere Exportwirtschaft ist darauf angewiesen, dass «ihre Bank» sie in die verschiedenen Märkte begleiten kann und über entsprechenden Marktzugang verfügt.

«Der Schutz der Privatsphäre ist ein fundamentales Prinzip der Schweiz.» Es scheint manchmal, als ob in Vergessenheit geriet, dass ein starker Finanzplatz für eine starke Schweiz wichtig ist. Die Finanzbranche trägt mit über 12 Prozent zu unserem Bruttosozialprodukt bei. Viele Politiker unterschätzen die wirtschaftlichen und politischen Folgen, die der Umbau des Finanzplatzes für unser Land haben wird. Es geht hier um Zehntausende von Arbeitsplätzen in allen Bereichen unserer Volkswirtschaft. Und dazu kommt, dass die Schweiz auch international an politischer Bedeutung und an Einfluss verlieren kann.

Wo sehen Sie zusätzliches Potenzial, wie sich der Finanzplatz Schweiz in Zukunft behaupten und weiterentwickeln kann? Wenn wir dem Finanzplatz Sorge tragen, wird die Schweiz als Vermögensverwaltungsplatz auch in Zukunft überzeugen; dank Kompetenz und Expertise, dank der sehr guten Ausbildung und Arbeitseinstellung der Mitarbeiter und nicht zuletzt auch dank der Stabilität und Rechtssicherheit unseres Landes. Dies übrigens nicht ausschliesslich für Private, sondern auch für institutionelle Kunden wie Grossunternehmen oder Pensionskassen. Die Schweiz hat alles, was es braucht, um sich im internationalen Wettbewerb der Standorte erfolgreich zu behaupten. Im Schweizer Bankenwesen müssen derzeit viele um ihre Stelle fürchten. Die Rede ist von weit über 10 000 Arbeitsplätzen, die über die kommenden Jahre verloren gehen. Sie selber sprachen letztes Jahr von über 20 000. Büsst die Branche dadurch an Attraktivität beim Nachwuchs ein? Die Finanzbranche passt sich den veränderten wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen an – dies führt dazu, dass Geschäftsmodelle angepasst und Kosten reduziert werden müssen. Deshalb werden auch Stellen abgebaut. Ein Teil dieser Stellen geht aber nicht verloren, sondern wird zu Drittfirmen und Dienstleistern verlagert. Zudem sehe ich durchaus Chancen für Wachstum, wenn wir den Wandel als Land und Branche sorgfältig gestalten. Und vergessen wir nicht: Für den Nachwuchs birgt eine Branche, die sich stark und schnell verändert und in der viel Neues passiert, eher attraktive Chancen als Gefahren. Wer die Zukunft gestalten will und anspruchsvolle Aufgaben sucht, findet dies im Bankgeschäft. Wie lässt sich die Attraktivität der Branche für qualifizierte Arbeitskräfte steigern?

Mit welchen Argumenten zieht die UBS ihr Personal an? Die Finanzbranche ist und bleibt ein extrem faszinierender Teil der Wirtschaft. Wer sich für ökonomische Fragen und Zusammenhänge interessiert, sein Wissen und Können in einem beratungsintensiven Geschäft aufbauen und einsetzen will, wird die Bankbranche weiterhin sehr attraktiv finden. Die UBS hat in der Schweiz rund 1800 Ausbildungsstellen, vom Lehrling zum Hochschulabgänger. In Zukunft wird es noch viel wichtiger sein, Top-Dienstleistung und Top-Beratung zu erbringen. Deshalb investieren wir in die Ausbildung unserer Mitarbeiter. So zertifizieren wir zum Beispiel alle unsere Kundenberater – diese haben nach erfolgreichem Abschluss ein staatlich anerkanntes Zertifikat. Wie wichtig ist für Bankangestellte der Lohn? Ein fairer, marktüblicher Lohn für nachhaltige Leistung ist wichtig, klar. Gerade auch, weil ein harter, globaler Wettbewerb um Talente herrscht. Noch wichtiger ist jedoch die Möglichkeit, in einem guten Team einen guten Job für den Kunden machen zu können. Und sich dabei auch persönlich weiterentwickeln zu können. Welchen Einfluss wird die angenommene Abzockerinitiative auf die Schweizer Banken haben? Welche Auswirkungen die neue Verfassungsbestimmung auf die Unternehmen hat, kann erst nach Vorliegen der Ausführungsbestimmungen beurteilt werden. Die UBS ist generell bereits recht weit: So hatte unser Verwaltungsrat zum Beispiel beschlossen, bereits an der Generalversammlung vom Mai auf die Organ- wie auch Depotstimmrechtsvertretung zu verzichten. Die Aktionäre wählen bei uns Verwaltungsräte jedes Jahr und stimmen über den Vergütungsbericht und damit auch indirekt über deren Bezahlung

Bild: Martin Rütschi

ab, wenn auch bisher nur konsultativ. Grundsätzlich finde ich wichtig, auch im Hinblick auf noch anstehende Volksabstimmungen, dass wir der Konkurrenzfähigkeit der Schweiz als Sitz von international tätigen Unternehmen Sorge tragen. Der Druck in der Öffentlichkeit auf die Löhne bleibt hoch. Wie werden sich die Lohnsysteme weiter verändern? Die Vergütungssysteme wurden und werden in der ganzen Industrie stark überarbeitet. Wir haben im Dialog mit unseren Aktionären bereits grosse Schritte in die richtige Richtung gemacht. Das haben sie an der Generalversammlung auch honoriert. Zum Beispiel sind Boni während drei bis fünf Jahren gesperrt und wir können sie während dieser Zeit zurückfordern. Wir werden unser Vergütungssystem auch in Zukunft weiterentwickeln.

Zur Person Sergio Ermotti (53) ist seit September 2011 Group CEO der UBS AG. Von 2007 bis 2010 war er als Group Deputy Chief Executive Officer von UniCredit verantwortlich für die strategischen Geschäftsbereiche Corporate and Investment Banking sowie Private Banking. Sein Einstieg bei UniCredit erfolgte 2005 als Head of Markets & Investment Banking Division. Zwischen 2001 und 2003 war er als Co-Head of Global Equity Markets und als Mitglied des Executive Management Committee von Global Markets & Investment Banking bei Merrill Lynch tätig, wo er seine berufliche Laufbahn 1987 begann. Ermotti verfügt über das eidgenössische Diplom als Bankfachexperte und ist Absolvent des Advanced Management Program der University of Oxford. Er wurde am 11. Mai 1960 geboren und ist Schweizer Bürger.


Jungunternehmer

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Mittwoch, 5. Juni 2013

15 Jahre Swiss Economic Award Erfolgreicher Jungunternehmerpreis Mehr Förderangebote, weiterhin schwierige Finanzierung – manches bleibt, aber viel hat sich getan in der Start-up-Szene. Seit 1999 prämiert das Swiss Economic Forum herausragende Jungunternehmen und beobachtet dabei auch die wichtigsten Veränderungen in ihrem Umfeld.

Kuchendekoration, Turbinenhelikopter, eine private Spitex: Schon drei der neun Finalisten des diesjährigen Swiss Economic Award zeigen, wie breit die Geschäftsideen der Bewerber gestreut sind. Egal in welchem Bereich – die Idee, die hinter dem Jungunternehmen steckt, muss überzeugen, um das Rennen zu machen. «Ein hoher Innovationsgrad und eine starke Differenzierung am Markt sind die Erfolgsgaranten», erklärt Jurymitglied Christine Novakovic von der UBS. Mehr als 2000 Jungunternehmen haben sich in den letzten 15 Jahren für den Swiss Economic Award beworben. In dieser Zeit hat sich die Start-up-Szene in der Schweiz enorm entwickelt. Einen grossen Einfluss hatten dabei insbesondere Internet, Multimedia und mobile Geräte. Einerseits nahmen

die Bewerber aus der IT- und Internetbranche zu. Andererseits wirkte sich die globale Vernetzung auch auf die Geschäftsmodelle aus: Immer mehr Jungunternehmen haben von Beginn weg den internationalen Markt im Fokus. Diese globale Ausrichtung bietet Chancen, ist aber auch sehr anspruchsvoll. Risikoscheu dürfen die Gründer aber so oder so nicht sein, wie Jurymitglied Stefan Gerber von PwC betont: «Risikobereitschaft gehört bei Jungunternehmen zu den strategischen Erfolgsfaktoren.»

Der Award

Mitglieder der Hauptjury

Das Swiss Economic Forum zeichnet Jungunternehmen in den drei Kategorien Produktion/Gewerbe, Dienstleistung und Hightech/ Biotech aus. Zugelassen sind Start-ups mit Sitz in der Schweiz und mit maximal sechs Geschäftsjahren. Der Award ist mit einem Preisgeld von 75 000 Franken dotiert. Vor allem steigert er aber den Bekanntheitsgrad der Sieger: Die Preisverleihung findet vor 1250 Entscheidungsträgern der Schweizer Wirtschaft statt, das Schweizer Fernsehen überträgt sie seit drei Jahren live und erreicht damit über 200 000 Zuschauer. Über 2000 Firmen haben sich in 15 Jahren für den Preis beworben.

Carolina Müller-Möhl, Präsidentin, VRP Müller-Möhl Group Dr. Thomas Bähler, Sekretär der Jury, Partner Kellerhals Anwälte Stefan Borgas, President & CEO Israel Chemicals Ldt (ICL) Heliane Canepa, Unternehmerin Stefan Gerber, Partner PwC Morgen Hannesbo, CEO AMAG Christian Keller, Vorsitzender der GL IBM Schweiz Dr. Felix Mayer, CEO Sensirion AG Christine Novakovic, Leiterin Corporate & Institutional Clients UBS AG Andreas Rickenbacher, Regierungsrat, Volkswirtschaftsdirektor Kanton Bern Dr. Klaus-Peter Röhler, CEO und Delegierter des VR Allianz Suisse Kurt Rohrbach, Vizepräsident Verwaltungsrat BKW AG Markus Spillmann, Chefredaktor / GL Publizistik NZZ Prof. Dr. Hans Peter Wehrli, Lehrstuhl für Marketing Universität Zürich Roger Wüthrich-Hasenböhler, Leiter KMU, Mitglied Konzernleitung Swisscom (Schweiz) AG

Finanzierung bleibt schwierig Auch im Bereich der Förderung für Jungunternehmen ist viel passiert: Ein dichtes Netz von Förderorganisationen, Gründungs-

zentren, Inkubatoren und Förderinitiativen unterstützt Start-ups heute und gleichzeitig gibt es weniger administrative Hürden als früher. Weiterhin Kopfzerbrechen bereitet den Jungunternehmen aber die Finanzierung – obwohl in der Schweiz viel Kapital vorhanden ist. Bei Fremdkapitalfinanzierungen stellt das Risikoprofil der Jungunternehmen für Banken eine Herausforderung dar. Denn das Risikokapital ist oft gekoppelt an eine Exitstrategie, die für viele Unternehmer kurz nach dem Start noch kein Thema ist. Viele helfen sich daher in einem ersten Schritt mit den berühmten FFF (Family, Friends and Fools). Dies hat zur Folge, dass sie einen hohen Bestand an Darlehen aufweisen. Die Zurückhaltung der Venture Capitalists nach der Finanzkrise wirkt sich insbeson-

dere auf die Biotech-Unternehmen aus. Die Bewerbungen für den Award aus diesem Bereich sind in den letzten Jahren prozentual zurückgegangen. Die heutigen Geschäftsmodelle funktionieren meist dank UpfrontZahlungen auf der Basis von frühen strategischen Partnerschaften mit der Industrie.

Professionelle Kommunikation Langsam ist über die letzten Jahre der Frauenanteil bei den Bewerbungen für den Swiss Economic Award gestiegen. Ein Blick auf die Statistiken lässt hoffen, dass sich dieser Trend fortsetzt: Innerhalb von zehn Jahren ist der Frauenanteil bei den Gründungen in der Schweiz von 15 auf 27 Prozent gestiegen. Grosse Veränderungen stellt die Jury des Wettbewerbs auch im Bereich der Präsentationstechnik und der Kommunikation fest – eine von vielen Disziplinen, die Jungunternehmer heute beherrschen müssen. «Schnelle Märkte verlangen von den Jungunternehmen einen grossen Teamspirit und interdisziplinäre Kompetenzen», erklärt Roger Wüthrich von Swisscom und Jurymitglied des Awards. Die Fortschritte bei der Kommunikation sind einerseits der intensiveren Ausbildung, andererseits den heutigen technischen Möglichkeiten zu verdanken. Die meisten Jungunternehmen treten sehr professionell und selbstsicher auf. Damit ist allerdings auch der Anspruch an die Jury gestiegen: Sie muss aus den schönen multimedialen Präsentationen die Substanz herausfiltern. Daniela Hefti

«Die Jungunternehmer sind Weltklasse»

«Unternehmergeist ist Trumpf»

Interview mit Thomas Bähler, Sekretär der Jury und Partner bei Kellerhals Anwälte

Interview mit Carolina Müller-Möhl, Präsidentin der Jury, VRP Müller-Möhl Group

Thomas Bähler leitet den Swiss Economic Award seit dessen erstmaliger Ausschreibung vor 15 Jahren. Im Aufstieg der Schwellenländer sieht er für die Schweizer Start-ups keine Bedrohung. Interview: Alex Hämmerli In den 15 Jahren haben nahezu 2000 Jungunternehmen am Swiss Economic Award teilgenommen. Gibt es Regionen, Branchen oder Orte, die mit überdurchschnittlich vielen Firmen vertreten waren? Thomas Bähler: «Enterpreneurial Switzerland» ist überall – wir hatten aus der ganzen Schweiz Bewerbungen, und es gibt keinen Kanton, den wir in den letzten 15 Jahren nicht auf unseren Expertenreisen besucht haben. Der Grossraum Zürich schlägt beim Swiss Economic Award statistisch klar obenaus. Die zweitstärkste Region ist der Arc Lémanique, gefolgt vom Grossraum Bern. Bei den Branchen wird einem dank den Bewerbungen die Riesenvielfalt der Schweiz bewusst. Wir durften die ganze Palette an erfolgreichem unternehmerischem Handeln beim Swiss Economic Award dabei haben. Es ist ein Unternehmerpreis, kein Technologie- oder Innovationspreis – der Anlass für eine Bewerbung ist aber häufig ein Marktvorsprung durch Innovationen und Erfindungen. Wie stark ist die Jungunternehmer-Szene der Schweiz im internationalen Vergleich? Weltklasse. Wir sehen beim Swiss Economic Award die zukünftigen «hidden champions», als Nischen-Player bestens gerüstet für die globale neue Wirtschaftswelt, die durch den Aufstieg Chinas und weiterer Schwellenländer geprägt ist. Die Kleinräumigkeit unseres Landes und die

Carolina Müller-Möhl kennt sich im Schweizer Start-up-Markt aus wie kaum eine andere. Entsprechend weiss sie um Sie haben bis heute 30 Award-Gewinner und 90 Fina- die Stärken der Jungunternehmer – aber listen persönlich und detailliert kennengelernt. Was besonders auch um ihre Schwächen.

Nähe zu hervorragenden Hochschulen führen dazu, dass die Szene bestens vernetzt ist. Schweizer Tugenden und unser Qualitätsdenken kommen gut an.

sind aus Ihrer Sicht die drei wichtigsten Erfolgsfaktoren des Unternehmertums? Begeisterung, Fleiss, Hartnäckigkeit. Das dürfte alle Unternehmerpersönlichkeiten beim Swiss Economic Award auszeichnen, die es in den Final oder aufs Podest geschafft haben. Es sind faszinierende, visionäre Macherinnen und Macher mit starkem Charakter und den richtigen Werten, von denen ich persönlich auch sehr viel lernen durfte. Unsere Award-Alumni bleiben dem Swiss Economic Forum gerne verbunden, da sie über uns häufig erstmals breiter in der Öffentlichkeit bekannt wurden; einige sind durch die enge Zusammenarbeit Freunde von mir und der SEF-Führung geworden. Aus welchem Grund engagieren Sie sich persönlich für die Förderung von Jungunternehmen? Ich bin überzeugt, dass die Schweiz von morgen auf diese Pipeline an guten Jungunternehmen angewiesen ist. Und es gibt nichts Schöneres: Ich habe dank dem Swiss Econmic Award alle Jahre einen tiefen Einblick in Trends, Visionen, innovative Geschäftsmodelle, neuste Technologien und unternehmerische Ansätze. Davon profitiere ich in meiner Arbeit als Verwaltungsrat und Wirtschaftsanwalt sehr stark. Wie könnte man in der Schweiz die Jungunternehmen noch zielgerichteter und wirkungsvoller verbessern? Wir sollten uns zuerst einmal bewusst sein, wie wichtig für uns diejenigen Menschen sind, die etwas wagen und umsetzen. Das sollte möglichst breit gefördert und unterstützt werden. Alle sollten einen Teil ihres Vermögens in Jungunternehmen investieren. Das Swiss Economic Forum ist mit der Wachstumsinitiative SEF4KMU sicher auf dem richtigen Weg, um das Potenzial dieser Unternehmen zu befeuern.

Interview: Alex Hämmerli Sie setzen sich schon seit vielen Jahren für die Förderung des Jungunternehmertums ein – was ist ihre persönliche Motivation dazu? Carolina Müller-Möhl: Ich möchte herausragende unternehmerische Leistungen würdigen. Und ich geniesse den Umgang mit Enterpreneurs. Ihre Visionen, ihr Engagement und ihre Leidenschaft für ihre Firmen sind ansteckend. Die Kontakte mit diesen inspirierenden Jungunternehmerinnen und Jungunternehmern sind für mich persönlich eine grosse Bereicherung. Man spricht immer davon, dass das unternehmerische Scheitern in der Schweiz im Vergleich zu den USA verpönt ist. Stimmt dieser Mythos wirklich? Ja. Niederlagen und Rückschläge bleiben häufig negativ an einer Persönlichkeit haften. Es ist ja nicht nur schlecht, dass wir keine Kultur der Sorglosigkeit haben. Sicher wünschenswert wäre, wenn breiter erkennt würde, wie lehrreich negative Erfahrungen sein können. Erst sie machen die wirklich guten Unternehmerpersönlichkeiten aus. Oft hat man das Gefühl, dass man auch im Bereich der Start-ups von der Huhn-und-Ei-Frage spricht: Investoren behaupten, es gibt zu wenig gute Ideen, Jungunternehmer klagen über mangelnde Finanzierungen. Was stimmt jetzt wirklich? Wir haben hier vorweg ein bedauerliches Matching- und Kommunikationsproblem. Tendenziell fehlt in der Schweiz aber schon der Mut, um auf ein grundsätzlich Erfolg versprechendes Jungunternehmen zu setzen, das noch ein paar Hausaufgaben und Herausforderungen im Markt vor sich hat. Die Jungunternehmerinnen und Jungunter-

nehmer müssen sich aber tendenziell ebenso fehlende Professionalität in einigen Bereichen vorwerfen lassen. Leider sind sie häufig auch nicht bereit, sich professionell begleiten zu lassen. Sie engagieren sich auch stark im Bereich der Bildung. Welche Verbindungen zum Unternehmertum gibt es dabei? Innovative, starke Jungunternehmen und eine gute Bildung sind für mich die Zukunftsgaranten für die Rolle der Schweiz in Globalia. Jungunternehmen basieren auf gut ausgebildeten Menschen. Und zwar wie Pestalozzi, der dachte: mit Hand, Kopf und Herz. Es wäre schön, wenn die erfolgreichen Unternehmen später der Bildung etwas zurückgeben könnten. Die fehlenden Mittel im Bereich der Frühförderung und zunehmend auch der fehlende Mut zu vernünftigen Reformen bereiten mir grosse Sorgen. Wir sollten nicht vergessen, was die Erfolgselemente der Schweiz waren – Wissen und Unternehmergeist. Mehr als 80 Prozent der Neugründungen in der Schweiz erfolgen heute im tertiären Sektor. Wie beurteilen Sie die Zukunft des Produktionsstandortes und Werkplatzes Schweiz? Wir müssen diesem Aspekt Sorge tragen, insbesondere mit den politischen Rahmenbedingungen. Der Standort Schweiz hat im Bereich von anspruchsvollen Technologien und kapitalintensiven Produktionsprozessen nämlich durchaus seine Berechtigung, und smarte Produkte und Qualität werden nie aus der Mode kommen. Ich könnte mir vorstellen, dass ein Revival des «Made in Switzerland» durchaus möglich ist, um damit die wachsende Nachfrage nach sehr hochwertigen Gütern in den Wachstumsmärkten zu bedienen. Ein Reshoring wie in den USA könnte zudem auch in Westeuropa ein Thema sein.


Jungunternehmer

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Die bisherigen Preisträger des Swiss Economic Award Seit 1999 vergibt das Swiss Economic Forum seinen Jungunternehmerpreis Bis dato konnten 30 Unternehmen den begehrten Swiss Economic Award mit nach Hause nehmen. Diese 29 haben sich mit grossem Erfolg am Markt bewährt.

Helvetic Airways AG www.helvetic.com

Dienstleistung

Iglu-Dorf GmbH www.iglu-dorf.com

Dienstleistung

2005

Cytos Biotechnology AG www.cytos.com

Oblamatik GmbH www.oblamatik.ch

2001

2005

Mimotec SA www.mimotec.ch

Echovox SA www.echovox.com

2002

2006

Prionics AG www.prionics.ch

Lorenzini AG www.lorenzini.ch

2003

2006

Dspfactory SA www.dspfactory.com

Thömus Veloshop AG www.thoemus.ch

2004

2006

Sensirion AG www.sensirion.com

Woodwelding SA www.woodwelding.com

Produktion/Gewerbe

Lolox AG www.lilipoponline.ch

Produktion/Gewerbe

Tec-Sem AG www.tec-sem.com

Hightech/Biotech

digitec AG www.digitec.ch

Dienstleistung

Produktion/Gewerbe

G.P.N. GmbH (götti Switzerland) www.gotti.ch

Produktion/Gewerbe

Anteis S.A. www.anteis.com

Produktion/Gewerbe

Hightech/Biotech

Dienstleistung

Gourmet15Box GmbH www.gourmet15box.ch

Produktion/Gewerbe

2011

Spectraseis AG www.spectraseis.com

Hightech/Biotech

Dacuda AG www.dacuda.com

Hightech/Biotech

2012

Arvi SA www.arvi.ch

Dienstleistung

Livesystems AG www.passengertv.ch

Dienstleistung

2012

Swiss Diamond International Sarl www.swissdiamond.com

Produktion/Gewerbe

Jumi AG www.jumi.lu

Produktion/Gewerbe

2012

2010

2008

Hightech/Biotech

Evatec AG www.evatec.ch

2010

2008

Loylogic AG www.loylogic.com 2011

2010

2008

Dienstleistung

Dienstleistung

2009

2007

Hightech/Biotech

3 Plus Group AG www.3plus.tv 2009

2007

1999

2011

2009

2007

2005

Dectris AG www.dectris.com

Hightech/Biotech

Teseq AG www.teseq.com

Hightech/Biotech

Impulse für mehr Wachstum 100 Unternehmen interessieren sich bisher für die Wachstumsinitiative für KMU Mit der Wachstumsinitiative für KMU helfen das Swiss Economic Forum und die UBS KMU und Jungunternehmen, ihr Wachstumspotenzial voll auszuschöpfen. Nach einer erfolgreichen Pilotphase wird das Angebot nun weiter ausgebaut. Daniela Hefti Das Swiss Economic Forum (SEF) verfügt über langjährige Erfahrung in der Förderung von KMU und Jungunternehmen und über ein Netzwerk von ausgewiesenen Experten verschiedenster Branchen. Von beidem profitieren Schweizer Unternehmen mit Expansionsplänen seit einem Jahr: In Zusammenarbeit mit der UBS hat das SEF eine Wachstumsinitiative ins Leben gerufen, um Unternehmen beim Ausbau ihrer Aktivitäten zu unterstützen – und damit einen Beitrag

zur Stärkung der Schweizer Wirtschaft zu leisten. Nach einem Jahr ist die Pilotphase abgeschlossen. Rund 100 KMU und Jungunternehmen haben sich bisher gemeldet um von Beratung in den Bereichen Strategie, Innovation und Finanzierung zu profitieren.

KMU unter der Lupe Einigen Firmen konnte das SEF mit der Vermittlung von spezialisierten Institutionen und Leistungsträgern weiterhelfen. 70 Unternehmen wurden in den mehrstufigen Evaluationsprozess für die Wachstumsinitiative aufgenommen. In einem ersten Schritt führte das SEF eine Potenzialanalyse durch. Diese erlaubte es, das Wachstums- und das Marktpotenzial einzuschätzen sowie die strategischen Erfolgsfaktoren zu beurteilen. 18 Unternehmen qualifizierten sich in diesem Verfahren dafür, in die Wachstumsinitiative aufgenommen – und genauer unter die Lupe genommen zu werden. Bei einem Expertenbesuch klärte ein interdisziplinäres

Team offene Fragen und verlieh bei positiver Beurteilung das SEF-Qualitätslabel, das für zwölf Monate Gültigkeit hat. Das zertifizierte Qualitätslabel des SEF verbessert die Stellung der Unternehmen am Markt: Mit der zusätzlichen Glaubwürdigkeit erhalten Sie unter anderem leichter Zugang zu Kapital, verbessern ihre Reputation bei Kunden und Lieferanten und gewinnen zudem Vorteile bei der Mitarbeitersuche.

Strategische Unterstüzung Daneben stehen den qualifizierten Unternehmen im Rahmen der Wachstumsinitiative verschiedene Module offen, die in den Bereichen Strategie, Innovation und Finanzierung praxisbezogen Hilfe bieten. Mit Experten erarbeiten die Unternehmer konkrete Massnahmenpläne für die jeweiligen Bereiche. In einem neu entwickelten Strategie-Cockpit zum Beispiel kann der CEO oder Verwaltungsrat eines Unternehmens innerhalb einer Stunde eine strategische Standortbestimmung vornehmen. Dabei

erhält er in 14 Feldern einen Überblick über Stärken, Schwächen und Handlungsbedarf. In einem Finanzierungsmodul bekommen Unternehmen in Zusammenarbeit mit der UBS Unterstützung bei der Wachstumsfinanzierung mit Fremdkapital und erhalten zudem erleichterten Zugang zu möglichen Investoren.

Herausforderung Liquidität An der Wachstumsinitiative beteiligen sich über 50 Unternehmer aus dem SEFPowerpreneur-Netzwerk, die ihre persönliche Erfahrung und ihre Kompetenz nach dem Prinzip «Unternehmer für Unternehmer» einbringen. So besteht die Möglichkeit, ein qualitativ hochstehendes Coaching zu absolvieren, das von entsprechendem Praxis- und Branchenwissen geprägt ist. Die Liquidität stellt für KMU und Jungunternehmen in einer Wachstumsphase eine besondere Herausforderung dar. Wird die Firma zum Beispiel mit einem neuen Betriebsge-

bäude und Maschinenpark erweitert, sind die Bankenlimiten oft ausgeschöpft. Verlangt jetzt ein grosser Kunde für eine Anzahlung eine Garantie oder Kaution, wird es für die Unternehmen schwierig. Besonders im Inland, wo die schweizerische Exportrisikoversicherung SERV nicht weiterhelfen kann und der Garantierahmen unter 5 Millionen Franken liegt, gibt es kaum praktikable Lösungen. Auch hier bietet die Wachstumsinitiative Abhilfe. Ein vom SEF zertifiziertes Unternehmen wird kleine Kautionen mit einem Mindestversicherungsbetrag von 500 000 Franken und einem Einzelaval von 50 000 Franken erhalten. Da die Finanz- und Versicherungsinstitute aufgrund des SEF-Labels die Qualität des Unternehmens anerkennen und auf aufwendige eigene Expertisen verzichten können, werden Anzahlungsgarantien in Zukunft auch kleineren Unternehmen zugänglich. Mehr Infos: www.sef4kmu.ch


Balance

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Mittwoch, 5. Juni 2013

Always on – Sklaverei der Moderne? Abgrenzende Arbeitsmethoden haben eine nachhaltig positive Wirkung Ein mobiles und flexibles Leben, verbunden mit einer fast ständigen Erreichbarkeit, kann positive wie negative Effekte haben. Was zählt, ist die persönliche Balance.

Organisieren. Imbacher rät deshalb auf gut Business-Englisch: «Think before you act!» Dieses Credo gelte insbesondere für die Beantwortung von E-Mails: Der studierte Arbeits- und Motivationspsychologe empfiehlt, diese nicht frühmorgens zu beantworten, sondern zuerst die denkintensiven, kreativen, schwierigen Aufgaben zu lösen. «Erst gegen 10 Uhr sollte man sich für die Beantwortung von E-Mails Zeit nehmen», so Imbacher. Ausserdem rät er, den Arbeitsfluss höchstens zwei bis drei Mal am Tag mit der Mailbox zu unterbrechen.

Marilena Maiullari In den Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts glaubte man, dass die Gesellschaft dank Rationalisierung und Technisierung im Jahr 2000 nur noch zwei bis drei Tage pro Woche arbeiten müsse. Diese Prognose hat sich als Utopie herausgestellt. Gerade Manager arbeiten heute nicht selten fast rund um die Uhr. Auch werden immer mehr Menschen stressbedingt aus dem Arbeitsprozess ausgegliedert. Das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco schätzt die volkswirtschaftlichen Kosten durch Stress am Arbeitsplatz auf jährlich mindestens 4 Milliarden Franken. Auch starke Industrie- und Wissensnationen bleiben im globalen Wettbewerb gefordert. Beim Credo «immer schneller, immer besser, immer mehr» ist am Ende des Jahres aber eine Frage ganz wichtig: Was war erfolgskritisch für das geschäftliche Weiterkommen? «Meistens sind es ganz wenige, toll realisierte Einzelinitiativen. Weniger ist finanziell und energetisch per Saldo mehr», weiss Charles Imbacher, Gastdozent an mehreren Hochschulen für Wirtschaft und Gründer der Balanced Performance Agency. Der einzige

Qualitätszeit zulassen

Die Arbeitsbelastung für Kaderleute ist in den vergangenen Jahren massiv angestiegen.

Ausweg aus diesem Teufelskreis sei eine gnadenlose Fokussierung auf einzigartige und emotionale Produkte und Dienstleistungen. Dann gelinge auch ein Tag in der Woche für kreatives Nichtstun à la Google.

Raus aus dem Hamsterrad Gemäss Bundesamt für Statistik ist die Produktivität pro Erwerbstätigen in der Schweiz seit 1920 im Schnitt jährlich um 1,5 Prozent gewachsen. Auch wenn vieles davon

aufs Konto der Automatisierung geht: Die Zahl macht bewusst, dass die Arbeitsbelastung extrem gestiegen ist, insbesondere für Kaderleute. Mit der Belastung geht eine steigende Verantwortung für sich und die eigenen Mitarbeitenden einher. Erfolgreich wird in Zukunft sein, wer eine Vertrauenskultur vorleben kann, sind sich Fachleute einig. Ein moderierender Führungsstil gibt verantwortungsbewussten Mitarbeitern maximalen Spielraum in der Erbringung ihrer Leistungen. Eine Verhaltensänderung ist für viele auch im

Bild: Shutterstock

Umgang mit Telefon und E-Mail angezeigt. Gemäss dem US-Telekomkonzern Cisco nimmt der globale Datenaustausch mit mobilen Geräten bis 2015 gegenüber 2010 um das 26-Fache zu. Daraus folgt unweigerlich: Wer mit digitalen Medien arbeitet, muss sich abgrenzen können. «Der grösste Killerfaktor für die Produktivität, Effektivität und Kreativität ist die Fragmentierung der Arbeit. Zeitdruck verstärkt das um ein Vielfaches», sagt Charles Imbacher. Jede Unterbrechung koste etwa 15 Minuten neues Eindenken und neues

Das Wirtschaftsmagazin «Forbes» hat Menschen nach ihren Versäumnissen befragt und eine Top-25-Liste erstellt. «Zu viel gearbeitet und zu wenig Zeit mit meinen Liebsten genossen», steht auf Platz eins aller Versäumnisse. Ausreichend Qualitätszeit zu haben, ist für eine gesunde Work-Life-Balance von grösster Bedeutung. Ein Beweis, dass dieser zu wenig Wichtigkeit beigemessen wird, ist die Tatsache, dass Kaderleute heute mit Laptop und Handy in die Ferien fahren. Ferienhotels ohne Internetzugang oder Mobilempfang sind für sie ein No-Go. Psychologen sehen darin eine Gefahr: Der Urlaub sei dazu da, sich in Abenteuern zu verlieren, zu entspannen und die Erotik knistern zu lassen. «Wer das befolgt, kommt mit frischer Energie, mehr Lust und einzigartigen Ideen an den Arbeitsplatz zurück», beteuert Charles Imbacher.

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08.04.13 16:07


Balance

Mittwoch, 5. Juni 2013

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«Die Fusion von Arbeit und Freizeit bringt Chancen» Interview mit Urs Schaeppi, Leiter Swisscom Schweiz Die modernen Kommunikationsmittel bringen die Work-LifeBalance vieler in Bewegung. Was bringt die Zukunft?

Erreichbarkeit steuern kann. Bei Swisscom haben wir letztes Jahr die Web-Applikation «Profile Switching» für Geschäftskunden auf den Markt gebracht. Damit können Mitarbeitende steuern, wie und in welcher Art und Weise sie erreichbar sein wollen.

Interview: Alex Hämmerli Für nahezu alle Führungskräfte ist die ständige Verfügbarkeit auch ausserhalb der Arbeitszeit eine Selbstverständlichkeit. Wie sieht es bei Ihnen aus? Urs Schaeppi: Es ist wichtig, dass jeder mal abschalten kann, auch Führungskräfte. Ich persönlich versuche, übers Wochenende nicht zu arbeiten und bin dann hauptsächlich für meine Familie da. Sport ist für mich auch ein guter Ausgleich. Wer von seinen Mitarbeitenden rund um die Uhr Erreichbarkeit verlangt, denkt zu wenig nachhaltig und begeht einen Fehler. Man muss auch mal auftanken können. Wie können moderne Kommunikationsmittel zu einer gesünderen Balance zwischen Arbeit und Freizeit beitragen? Mobile Kommunikation ermöglicht es, den Arbeitsalltag flexibler zu gestalten. Ich beispielsweise profitiere von Zugfahrten, um Mails zu beantworten. So kann ich den Arbeitsweg produktiv nutzen. Eine weitere Option ist Home Office. Natürlich bietet diese Flexibilität nicht nur Vorteile und es ist wichtig, dass man sich auch schützen kann. Es gibt digitale Helfer, mit denen man beispielsweise die eigene

Bietet die Swisscom diesbezüglich speziell auf KMU zugeschnittene Dienstleistungen? Die Kommunikationsbedürfnisse von KMU unterscheiden sich im Grossen und Ganzen nicht von grösseren Unternehmen. Für KMU ist es allerdings wichtig, dass die Lösungen möglichst einfach in den Alltag integriert und flexibel eingesetzt werden können.

«Wer rund um die Uhr Erreichbarkeit verlangt, denkt zu wenig nachhaltig.» Wir bieten hierzu verschiedene Dienstleistungen an, zum Beispiel Hosted Exchange, mit dem E-Mails und Termine auch von unterwegs abgerufen werden können. Auch webbasierte Applikationen, mit denen man von überall und mit allen mobilen Geräten seine Aufträge verwalten oder Newsletter verschicken kann, sind bei KMU sehr gefragt. Fast drei Viertel der Schweizer finden Anrufe oder Mails aus Berufsgründen in

den Ferien als belastend. Das ergab eine Umfrage von Swisscom im vergangenen Jahr. Sollten Chefs weniger von ihren Mitarbeitern abverlangen? Die Verschmelzung von Arbeit und Freizeit bringt viele Chancen und Vorteile. Damit die Grenze aber nicht vollständig verwischt, ist es wichtig, dass es klare Zielsetzungen und Vereinbarungen untereinander, einen verantwortungsvollen Umgang seitens der Mitarbeitenden und eine offene, vertrauensvolle und vorgelebte Kultur der Vorgesetzten gibt. Wenn die Zuständigkeiten klar geregelt und Abwesenheiten sauber geplant werden, sind Anrufe in die Ferien meist nicht nötig. Braucht es Leitfäden für den bewussten Umgang mit geschäftlichen E-Mails und Anrufen in der Freizeit? Wie eben erwähnt, ist die Arbeits- und Kommunikationskultur für mich von zentraler Bedeutung und wichtiger als die reine Existenz von Leitfäden. Bei Swisscom haben wir einen Leitfaden zum Umgang mit Home Office, der zur Unterstützung für Vorgesetzte und Mitarbeitende bei der Einführung und Handhabung dient. Ich erachte es als entscheidend, dass die gegenseitigen Erwartungen geklärt sind und man Unsicherheiten aktiv miteinander bespricht. Das hilft mehr als strikte Vorgaben. Wie hoch schätzen Sie die Kosten von Arbeitsausfällen infolge von Stresserkrankungen am Arbeitsplatz bei der Swisscom?

Das ist schwer zu sagen. Swisscom ist sich der Problematik aber sehr bewusst und nimmt sie ernst. Aus diesem Grund legen wir viel Wert auf Prävention. Wir haben eine eigene betriebliche Sozialberatung, die Mitarbeitende unterstützt, die unter Stress stehen und Hilfe beanspruchen möchten. Durch die starke präventive Ausrichtung unserer Massnahmen können wir durch Stress oder Burnouts bedingte Ausfälle häufig vermeiden. Geschäftsmeetings rund um den Globus prägen den Arbeitsalltag vieler Firmenchefs. Wird es künftig gang und gäbe sein, dass wir mit Kunden und Geschäftspartnern via Video-Telefonie, Hologrammen oder Ähnlichem kommunizieren? Die Entwicklung geht eindeutig in diese Richtung. Bereits heute steht eine Vielzahl an Hilfsmitteln zur Verfügung, mit denen wir ortsunabhängig und mobil Meetings durchführen können. Ich denke da an Telefonkonferenzen oder Video-Telefonie. Vermehrt setzen Unternehmen auch auf Unified Communications & Collaboration. Damit können die Mitarbeitenden sich via Chat, Telefonie oder Online-Meeting mit und ohne Video austauschen und zusammenarbeiten. Neben der Video-Telefonie am Smartphone oder Desktop gibt es auch hochauflösende Videokonferenzsysteme, die durch die grossflächigen Bildschirme ein Gefühl simulieren, als würden alle Teilnehmenden an einem Tisch sitzen.

Seit dem koffergrossen Handy hat sich einiges getan. Wie wird die Telekommunikation den künftigen Arbeitsalltag von Führungskräften erleichtern? Unsere Arbeitswelt wird mobiler und flexibler. Moderne Kommunikationsmittel unterstützen die Führungskräfte dabei, mit ihren Mitarbeitenden und Kunden in Kontakt zu bleiben und zeitnah zu kommunizieren. Dieser Trend wird sich verstärken und deshalb werden auch die Kommunikation und die Art und Weise, wie man mobil zusammenarbeitet, an Wichtigkeit gewinnen. Ein weiterer wesentlicher Faktor ist die Verfügbarkeit der Daten. Diese werden von überall und immer zugänglich und dank der mobilen Geräte auch immer dabei sein. Damit kann sich die Telekommunikation optimal in den mobilen Arbeitsalltag einbetten.

Zur Person Urs Schaeppi ist seit 2006 Mitglied der Konzernleitung der Swisscom. Sein Weg in die Telekommunikationsbranche führte über die Iveco Motorenforschungs AG, den Elektronikkonzern Ascom sowie die Papierfabrik Biberist. Von 1998 bis 2006 war er als Leiter Commercial Business Konzernleitungsmitglied bei Swisscom Mobile, von 2006 bis 2007 war er CEO Swisscom Solutions AG und danach leitete er den Geschäftsbereich Grossunternehmen. 2013 hat Urs Schaeppi die Konzernleitung von Swisscom (Schweiz) AG übernommen.

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International

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Globaler Business-Knigge Der Erfolg internationaler Geschäftsabschlüsse basiert auf interkultureller Kompetenz Wer international Geschäfte tätigen will, sollte mehr als einige Sätze Mandarin oder Russisch sprechen können. Entscheidend ist der richtige Auftritt als Geschäftspartner im Zielmarkt wie auch zuhause. Marilena Maiullari Die Kulturen dieser Welt sind von Stereotypen, Vorurteilen und Klischees geprägt. Nicht selten führen diese zu Missverständnissen und vereiteln einen erfolgreichen Geschäftsabschluss. Die Details, die es zu beachten gilt, sind vielfältig.

Arabische Staaten In arabischen Staaten etwa wird viel Wert auf die formelle Anrede gelegt: Titel sind fast so heilig wie die Religion selbst. Speziell für Schweizer ist auch die Körpernähe: Männer stehen oft nur eine halbe Armlänge voneinander entfernt. Zudem blickt man sich stets in die Augen und man zeigt beim Sitzen nie die Fusssohlen. Frauen gegenüber übt man Zurückhaltung: Bei Unsicherheit begrüsst man besser nur mit einem Kopfnicken. Ein Ja muss zudem nicht zwingend ein Ja bedeuten – und ein bestimmtes Nein ist im arabischen Raum eher eine Seltenheit. Linkshänder aufgepasst: Die linke Hand gilt als unrein.

China/Südostasien

Nordamerika und Grossbritannien

Die jahrtausendealte Kulturgeschichte dieser Region hat ihre Bewohner stark geprägt. Einwohner Chinas und Südostasiens planen langfristig und orientieren sich gleichzeitig an der kurzfristigen Gewinnmaximierung. Wer ihnen das Wasser reichen will, braucht Humor sowie Beharrlichkeit und muss alle Regeln der Verhandlungskunst kennen. Nur wer für seine Interessen kämpft, wahrt sein Gesicht. Besonders in China sind Zahlen immer auch mit Mystik verbunden: Da etwa die Nummer 4 als Unglückszahl gilt, sollte man nie zu viert zu Verhandlungen kommen. Bei Geschäftskontakten setzen die Chinesen übrigens auf Masse: Nicht selten sitzt man einer Delegation von 15 oder mehr Chinesen gegenüber.

Die Bewohner der angelsächsischen Staaten sind im Allgemeinen konfliktfreudiger als Schweizer. Ihre fachlichen Debatten werden hierzulande oft falsch interpretiert und als persönliche Aggression verstanden.

Osteuropa Beim ersten Kontakt kann man in Osteuropa schon viel falsch machen: Als unhöflich gelten strenge Blicke und eine laute Stimme, Händeschütteln über einer Türschwelle bringt nach Auffassung vieler sogar Unglück. Heikel ist auch die Terminologie: Insbesondere in Polen muss man sich hüten, von Osteuropa zu sprechen. Die Menschen, besonders im geschäftlichen Umfeld, sehen sich als Mitteleuropäer.

Indien Die Briten haben Indien nicht nur die englische Sprache vererbt, sondern auch die vom englischen Recht ausgehende Rechtssicherheit. Diese lässt sich jedoch in der schwerfälligen Bürokratie nur langsam umsetzen. Die Kasten und Normen haben auch heute noch Auswirkungen auf die Arbeit respektive die Position, die Einkommensunterschiede, den gesellschaftlichen Status und den Lebensstandard.

Japan Im Land der aufgehenden Sonne ist es üblich, Geschäfte mit den Menschen zu machen, zu denen man eine Beziehung aufgebaut hat.

Russland

Formalitäten werden im arabischen Raum gross geschrieben.

Diese ist zu pflegen, auch wenn kein Auftrag in Sicht ist. Dafür geht man fünf- bis zehnmal beim Kunden vorbei, trinkt Tee, erkundigt sich nach der Familie, zeigt persönliches Interesse und spricht nie über Geschäftliches. Wenn die

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Beziehung gefruchtet hat, wird der Kunde bei Bedarf anrufen und sein Bedürfnis kundtun. Für den Erfolg eines Geschäfts ist oft nicht der offerierte Preis ausschlaggebend, sondern die versprochene Qualität.

Mit Geschäftspartnern sind die Russen in aller Regel viel herzlicher als Schweizer. Sie gewinnen das Vertrauen, indem sie die persönlichen Beziehungen pflegen – und zwar auch mal am Abend oder am Wochenende. Bezüglich Arbeitsweise haben Jahre der Staatswirtschaft ein grosses Improvisationstalent entstehen lassen, bei der Disziplin und Selbstdisziplin genügt das Land jedoch oft nicht den hohen Schweizer Massstäben. Besonders ältere Mitarbeiter halten nach wie vor an einem ausgeprägten Hierarchiedenken fest.

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Konjunktur

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Blick auf die globalen Märkte Die Wachstumsaussichten in der Schweiz und weltweit

Die Schweizer Betriebe rechnen mit einer Stabilisierung der Umsätze.

Eine Schere zwischen den Befragungsergebnissen der Schweiz und Deutschlands öffnet sich bei der Bewertung der Geschäftsperspektiven für die nahe Zukunft. Bei den Schweizer Unternehmen hat die Zuversicht im Frühjahr spürbar zugenommen, während die Firmen in Deutschland ihre Aussichten weniger günstig bewerten.

Stabiler Binnenmarkt

Jan-Egbert Sturm* Der KOF-Geschäftslageindikator für die Schweizer Wirtschaft ist im Mai leicht gestiegen, nachdem er in den beiden Vormonaten jedoch etwas deutlich gesunken war. Insgesamt nahmen die Unternehmen den Schwung vom Jahresbeginn nicht ganz mit ins Frühjahr. Damit folgt die Schweiz tendenziell der internationalen Konjunkturentwicklung. Die Weltwirtschaft kam im Frühjahr nicht richtig in Fahrt. Dass in vielen Ländern der Konjunkturmotor etwas langsamer dreht, bedeutet aber nicht, dass er überall die gleiche Kraft hat. Christine Lagarde, die Direktorin des Internationalen Währungsfonds, teilte die Weltwirtschaft in einer Rede im April in eine Welt der drei Geschwindigkeiten. Die schnelle Gruppe wird insbesondere von den sich entwickelnden Volkswirtschaften – etwa in Ostasien – gebildet. In die Kategorie der Länder mit mittlerer Geschwindigkeit ordnet sie unter anderem die USA, Schweden und die Schweiz ein. Schliesslich identifiziert sie den Euroraum und Japan als Problemzonen. Innerhalb des Euroraums ist Deutschland – das relativ gut dasteht – als Handelspartner für die Schweiz besonders wichtig. Beim Vergleich zwischen den KOF-Befragungsergebnissen für die Schweiz und denen des ifo Instituts für Deutschland zeigt sich deutlich, dass sich die Geschäftslage der Unternehmen in den jeweiligen Ländern in eine ähnliche Richtung entwickelt hat: Die eingetrübte Stimmung im Frühjahr trifft beide Länder und im Mai zeigten sich jeweils leichte Erholungstendenzen.

Ein Grund für den Optimismus der Schweizer Unternehmen ist die nach wie vor sehr robuste Inlandsnachfrage. So ist etwa die Geschäftslage im Bausektor hervorragend. Zwar beeinträchtigte der ungewöhnlich lange Winter die Branche, doch blicken die Bauunternehmer zufriedener als bisher auf den Umfang ihrer Auftragsbücher. Es ist eine deutliche Ausweitung der Bautätigkeit in der nahen Zukunft beabsichtigt. Im Detailhandel hat sich die Geschäftslage – auch teilweise wegen der ungünstigen Witterung – zwar im Frühjahr etwas eingetrübt, im Mai hat sich die Kundenfrequenz aber stabilisiert. Die Unternehmen rechnen

aber mit leichten Umsatzzuwächsen in den nächsten Monaten. Im Gastgewerbe hat sich vielerorts ebenfalls das schlechte Wetter bemerkbar gemacht. Trotzdem ist hier den Teilnehmern der KOF-Befragung zufolge die Lage im Moment weniger schlecht als im gesamten letzten Jahr. Die Betriebe rechnen mit einer Stabilisierung der Umsätze in nächster Zeit; sie wollen daher nicht mehr ganz so häufig die Mitarbeiterzahl reduzieren. In den Geschäftserwartungen der Umfrageteilnehmer im Gastgewerbe ist erstmals seit zwei Jahren die Hoffnung auf ein Ende der Talfahrt erkennbar.

Schlechtere Geschäfte der Banken mit dem Ausland Bei den Banken zeigen sich markante Unterschiede im Geschäft mit ausländischen und inländischen Kunden. Während das Geschäft im Inland gut läuft, klagen die Banken über ein schwaches Geschäft mit ausländischen Kunden. Insgesamt ist die Mitarbeiterzahl der Banken ihren Angaben zufolge weiterhin etwas zu hoch, sodass der Personalabbau

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Quellen: ifo, KOF

Die Schweizer Wirtschaft ist solide aufgestellt und folgt der internationalen Konjunkturentwicklung. Problematischer sieht die Lage im Euroraum und in Japan aus. Unternehmer sollten ein wachsames Auge auf diese Märkte halten.

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auch in den kommenden Monaten andauern dürfte. Anders stellt sich die Situation bei den Versicherern dar: Die Geschäftslage ist hier weiterhin gut. Die Versicherungsunternehmen bewerten ihre Personaldecke als zu dünn. Sie wollen daher zusätzliche Mitarbeiter einstellen. Im Verarbeitenden Gewerbe ist die Geschäftslage ungünstiger als zu Jahresbeginn. Hier zeigt sich die eingetrübte internationale Konjunktur. Die exportorientierten Unternehmen sind mit ihrer Geschäftslage unzufrieden. Daher wollen diese Firmen auch häufiger den Personalstamm verkleinern. Bei den binnenorientierten Firmen wird die Geschäftslage dagegen vorwiegend positiv bewertet. Während sich zwischen der Geschäftslage der binnenorientierten und der exportorientierten Unternehmen eine Lücke auftut, sind die Lageeinschätzungen der KMU und der Grossunternehmen recht einheitlich. Sowohl die KMU als auch die Grossunternehmen produzieren momentan weniger Waren als zur gleichen Zeit des Vorjahres. In beiden Kategorien planen die Firmen aber eine Ausweitung der Produktion in den nächsten drei Monaten. KMU und Grossunternehmen sitzen in einem Boot. International müssen sie gemeinsam durch schwieriges Fahrwasser. Die Konjunktur in Europa, den USA und Asien Europa bleibt die wachstumsschwächste Region der grossen Weltregionen. Insbesondere der Euroraum steckt nach wie vor in der Rezession. Im 1. Quartal 2013 verbuchte von den grossen Volkswirtschaften nur Deutschland ein leichtes Wachstum, während die Wirtschaft in Spanien, Italien, aber auch in Frankreich schrumpfte. Allerdings geht die Produktion in den Krisenländern bereits langsamer zurück, und für den weiteren Jahresverlauf ist zu erwarten, dass sich der Rückgang allmählich dem Ende zuneigt und von einem leichten Wiederanstieg abgelöst wird. Gründe sind das sich verbessernde weltwirtschaftliche Umfeld und die weniger restriktiven Fiskalimpulse.

Die US-Wirtschaft ist gut ins Jahr 2013 gestartet. Die Produktion wuchs im 1. Quartal um 2,5 Prozent, insbesondere dank eines kräftigen privaten Konsums. Die Konsumenten liessen sich durch die Anhebung des Sozialversicherungsbeitragssatzes um zwei Prozentpunkte zu Jahresbeginn nicht abschrecken und reagierten auf den Rückgang ihres verfügbaren Einkommens mit einer Absenkung der Sparquote. Erst als im März die im vergangenen Jahr beschlossenen automatischen Ausgabenkürzungen («Sequester») tatsächlich in Kraft gesetzt wurden, erhielt der Konsum einen Dämpfer. Überhaupt waren die für den Monat März veröffentlichten Konjunkturindikatoren schwach und wiesen auf eine nachlassende Dynamik in den USA hin. Die für April und Mai bislang verfügbaren Indikatoren bestätigen dies jedoch nicht. Insbesondere der Arbeitsmarktbericht und die Bankenumfrage der Federal Reserve signalisieren intakte Wachstumsaussichten für die USA. In Asien überraschte Japan im 1. Quartal 2013 mit einem kräftigen Zuwachs des BIP um 3,5 Prozent. Dies dürfte aber auch auf eine extrem expansive Geld- und Fiskalpolitik und eine starke Abwertung des Yen, welche die Exporte beflügelte, zurückzuführen sein. Auch der private Konsum glänzte bei einer kräftigen Einkommensentwicklung. Die Investitionen blieben allerdings rückläufig, und der mittel- bis längerfristige Ausblick ist angesichts der strukturellen Probleme des Landes, zum Beispiel der ungünstigen demografischen Entwicklung und der hohen Staatsverschuldung, gedämpft. In China ging das Wirtschaftswachstum im Vorjahresvergleich im 1. Quartal überraschend von 7,9 Prozent auf 7,7 Prozent zurück. Weiter dürften die Wachstumsraten aber nicht mehr sinken, da die Investitionstätigkeit hoch bleibt und die Konsumenten von spürbaren Einkommenszuwächsen profitieren. *Jan-Egbert Sturm ist Leiter der Konjunkturforschungsstelle (KOF) an der ETH Zürich.


Energiewende

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Mittwoch, 5. Juni 2013

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«Brutale Zyklen prägen die Industrie» Interview mit dem Fotovoltaik-Professor Urs Muntwyler

Der Preis von Solarstromanlagen hat sich innerhalb von zwei Jahren halbiert.

Urs Muntwyler ist Solarpionier der ersten Stunde und war lange Jahre als Unternehmer in der Solarbranche tätig. Heute bildet er die innovativen Köpfe der Zukunft aus. Im Interview ordnet Muntwyler den Stellenwert der Fotovoltaik innerhalb der Energiewende ein. Interview: Bendicht Luginbühl Professor Urs Muntwyler, wenn man die Schlagzeilen der jüngeren Zeit liest, erhält der Laie den Eindruck, die Solarbranche gehe durch äusserst schwierige Zeiten. Hatten die Unternehmer zu hoch gesteckte Erwartungen, die sich nun nicht erfüllen? Urs Muntwyler: Das ist bei den Produzenten von Solarmodulen und deren Fertigungsanlagen klar der Fall. Das Problem: Die Solarmodule sind massiv günstiger geworden. Es gibt weniger zu verdienen und wer zu hohe Produktionskosten hat, scheidet aus dem Wettbewerb. Der Vorteil: Solarstromanlagen sind heute halb so teuer wie vor zwei bis drei Jahren. Damit ist Schweizer Solarstrom heute günstiger als der Strom aus der Steckdose. Tatsache bleibt, dass die Industrie und die Konsumenten in der Mehrheit vor allem an günstigem Strom interessiert sind, egal, von wo er kommt.

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Tatsache bleibt, dass die Industrie und die Konsumenten in der Mehrheit vor allem an günstigem Strom interessiert sind, egal, von wo er kommt. Ja, wir alle wollten günstigen Solarstrom. Jetzt ist er da und mit ihm der Konkurs aller Hersteller, die zu teuer produzieren. Das ist der Lauf der Zeit! Von den zig Autoherstellern, die es einmal gab, gibt es ja auch nur noch einige wenige – und wir fahren trotzdem alle in leistungsfähigen und verhältnismässig günstigen Autos …

produzieren können, konnten wir uns damals nicht vorstellen. Dass die «Energiestrategie 2050» des Bundes statt auf AKW primär auf Solarstrom setzt, erfüllt unsere kühnsten Träume. Man träumte davon, grossflächig Licht in Energie umwandeln zu können, mittels Solarzellen. Das grosse Geschäft ist bisher ausgeblieben. Ein Jahresumsatz von über 120 Milliarden Franken für Fotovoltaik weltweit ist meiner Meinung nach schon ganz ordentlich. Eine Studie des Berner Grossrats hat gezeigt, dass die neuen erneuerbaren Energien mit der Fotovoltaik als Leader heute im Kanton Bern umsatzmässig das Niveau der Uhrenindustrie erreicht haben. Vielen einstigen Börsen-Highflyern geht es aber schlecht: Meyer Burger etwa ist heute ein Absturzkandidat, viele Mitbewerber auch. Was passiert in dieser Industrie? Das, was in der Halbleiterindustrie üblich ist: brutale Zyklen von starker Nachfrage zu schwacher Nachfrage, wenn die neuen Fabriken laufen und amortisiert werden. Trotz grossem Enthusiasmus seitens der Medien ist der Funke nicht auf die Bevölkerung übergesprungen. Weshalb?

Weil die Politik in der Schweiz es den Hausherren, Bauern und Gewerbebetrieben so kompliziert und unattraktiv macht mit dem Deckel der kostendeckenden Einspeisevergütung KEV. Trotzdem: Der Markt ist von 2010 auf 2012 um das Sechsfache gewachsen! Welche Rolle spielen die Chinesen? Sind die Niedrigpreisangebote der Chinesen eine Ausrede für europäische und amerikanische Fehleinschätzungen? Wir wollten billigen Solarstrom. Die Chinesen haben unsere Maschinen gekauft und produzieren jetzt billige Module für billigen Solarstrom. Das ging alles viel schneller als gedacht! Wer hat die Lage falsch eingeschätzt? Vom schnellen Fortschritt der neuen erneuerbaren Energien wurden vor allem die Politik und die Stromversorger überrascht. Die Unternehmer müssen sich im brutalen Wettbewerb bewähren und es gewinnt halt nicht jeder. Die Glaubwürdigkeit der Fotovoltaik scheint entlang dem Prinzip Hoffnung zu segeln. Eigentlich ist es eine nützliche Technologie, aber niemand setzt wirklich auf sie. Weshalb eigentlich? Sie implizieren mit ihrer Frage, dass die Fotovoltaik scheitert, doch die Fakten liegen anders: Fotovoltaik hat den stärksten Zubau an neuen Stromquellen in Europa. Den Strommarkt hat die Fotovoltaik bereits umgekrem-

pelt. In den Energiestrategien des Bundes ist die Fotovoltaik mit grossem Abstand die stärkste neue Stromquelle. Die Internationale Energie-Agentur IEA sieht die Fotovoltaik 2060 bei 12 000 Terawattstunden, das ist das 200-Fache des Schweizer Stromverbrauchs. Das Beispiel Elektroautos belegt aber, dass viele Prognosen der Vergangenheit zu optimistisch waren. Wo liegt das Problem? Ich muss zugeben, dass auch ich auf einen früheren Durchbruch der Elektromobilität gewettet hätte. Heute muss ich leider sagen: Solange die Autobranche involviert ist, geht es nur sehr langsam. Dort fehlen die Spezialisten und es besteht kein grosses Interesse an einer neuen Technologie, die die alten Entwicklungen wertlos macht.

Prof. Urs Muntwyler

Schweizer Energieverbrauch 2011

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… die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Über kurz oder lang werden wir alle auf Elektroautos umstellen. Welche Fantasien beflügelten die einstige Euphorie für Fotovoltaik? Wir wollten 1985 mit dem ersten Solarmobilrennen der Welt, der «Tour de Sol» Werbung für eine vermehrte Nutzung der Sonnenenergie machen. Das hat gut funktioniert! Dass wir Solarstrom günstiger als Haushaltsstrom

Bild: Shutterstock

Holz (3,95 %) Umweltwärme (1,22 %) Fernwärme (0,68 %) nicht erneuerbarer Endverbrauch (690 690 TJ)

erneuerbare Anteile aus Abfall (0,35 %)

erneuerbarer Endverbrauch (161 640 TJ)

Sonne (0,24 %)

Total (852 330 TJ) Quelle: Bundesamt für Energie

Biogase (0,23 %) flüssige biogene Treibstoffe 0,05 %)

Der 55-jährige Elektroingenieur Urs Muntwyler beschäftigt sich seit 1975 mit Solarzellen. Ab 1985 organisierte er die «Tour de Sol», das erste Solarmobilrennen der Welt. Muntwyler schrieb und publizierte über 40 Bücher und Tagungsbände in den Themenbereichen Solarenergie, Fotovoltaik und Elektromobilität. Der Pionier gründete ab 1985 drei Firmen für die Nutzung der Sonnenenergie und realisierte Tausende von Solaranlagen in der ganzen Welt. 2010 wurde er als Professor für Fotovoltaik an die Berner Fachhochschule gewählt. Er verkaufte seine Firmen und bildet heute gemäss eigenen Worten «die Generation von morgen» aus. Urs Muntwyler ist seit 2000 Vorsitzender des Implementing Agreements für «Hybrid- und Elektrofahrzeuge» der Internationalen Energie-Agentur IEA und Mitglied der Grünen Fraktion im Grossen Rat des Kantons Bern.


Energiewende

Mittwoch, 5. Juni 2013

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Goldgrube für die Baubranche Energieeffizienz liegt im Trend In der Schweiz wird zunehmend nachhaltig gebaut und saniert. Für das hiesige Gewerbe birgt die Energieeffizienz das Potenzial für ein Milliardengeschäft.

Boombranche Haustechnologie Materialien für Wärmedämmung, sparsame Beleuchtungen und Geräte oder effizientere Heizungen: Der Weltmarkt für solche Gebäudetechnologien wird im Jahr 2020 voraussichtlich rund 270 Milliarden Franken betragen. Das geht aus der Studie «Wettbewerbsfaktor Energie – Chancen für die Schweizer Wirtschaft» des Bundesamts für Energie aus dem Jahr 2010 hervor. Demnach wächst die Branche mit einem Plus von 6 Prozent jährlich doppelt so schnell wie die gesamte globale Bauwirtschaft.

Hans-Peter Arnold / Alex Hämmerli Immer mehr Schweizer bauen ihr Traumhaus unter Berücksichtigung der Energieeffizienz: Mit klimafreundlichen Häusern spart man langfristig Geld und schont erst noch die Ressourcen, so die Erwartung. Zusätzliche Attraktivität gewinnt der Bau auf der Basis von Nachhaltigkeitskriterien durch das von Bund und Kantonen lancierte Gebäudeprogramm: Bis 2020 dürften Fördergelder in Höhe von 280 bis 300 Millionen Franken pro Jahr fliessen, schätzt man beim Bundesamt für Umwelt. Der Trend sorgt für volle Auftragsbücher bei Energieberatern, Installateuren, Servicebetrieben, Bau- und Isolationsfirmen. Hoch im Kurs steht etwa der Minergie-Baustandard. «Das energieeffiziente Bauen hat in den letzten zehn Jahren über 2 Milliarden Franken zusätzliche Wertschöpfung generiert und für 8000 zusätzliche Jobs bei Herstellern, Planern oder Installateuren gesorgt», sagt MinergieGeschäftsführer Franz Beyeler. Bei neuen Wohnbauten hat der Standard schweizweit einen Marktanteil von 25 Prozent erreicht. Im Kanton Zürich deckt das Label sogar 50 Prozent der neuen Wohnbauten ab. Heu-

Der Anlagewert aller Minergie-Bauten beträgt rund 80 Milliarden Franken .

te sind insgesamt rund 28 000 Immobilien minergiezertifiziert, jährlich kommen 4000 bis 5000 neue Gebäude dazu. «Kühn gerechnet entspricht das einer zusätzlichen Wertschöpfung von rund 300 Millionen Fran-

ken pro Jahr», so Beyeler. Und mit einem Anlagewert aller Minergie-Bauten von total 80 Milliarden Franken ist die Marke auch für die Bauwirtschaft relevant geworden: «Energieeffiziente Gebäude und erneuerbare Ener-

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gien sind für uns als Baudienstleister ein wichtiger Markt», bestätigt etwa Philipp Bircher, Sprecher des Bauunternehmens Implenia. Ein riesiges Marktpotenzial steckt in den Gebäudesanierungen und Ersatzneubauten. «Der

Wiederbeschaffungswert für Wohnungen, Büros, Industrie und Gewerbebauten beträgt 1750 Milliarden Franken», sagt Peter Burkhalter vom Verein Green Building Schweiz. Durchschnittlich müsste jedes Jahr eines von 80 Gebäuden in der Schweiz saniert werden. Das würde einem Bauvolumen von 21 Milliarden Franken jährlich entsprechen – heute sind es lediglich 10 Milliarden Franken. Auch das Bundesamt für Energie geht in seiner 2010 publizierten Studie «Wettbewerbsfaktor Energie – Chancen für die Schweizer Wirtschaft» von einem «signifikanten» volkswirtschaftlichen Effekt aus: Demnach sollen dank der Umsetzung von EnergieeffizienzMassnahmen bis 2020 allein im Gebäudebereich 17 000 zusätzliche Jobs entstehen.

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Handel

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Mittwoch, 5. Juni 2013

Rohstoffhandel so wichtig wie Uhren- und Pharmabranche Wie viel die Branche versteuert, weiss dennoch keiner Der Rohstoffhandel leistet einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung der Schweiz. Wer sich ein Bild der Branche machen will, ist indes sehr oft auf Schätzungen und Vermutungen angewiesen.

Mit Blick auf dieses steuerliche Umfeld und die hohe Mobilität der Rohstoffunternehmen herrscht unter den Ländern ein scharfer internationaler Standortwettbewerb. Gemäss einer Umfrage bei der Schweizer Rohstoffbranche, an der sich auch das Finanzdepartement EFD beteiligte, belegt die Schweiz derzeit bezüglich Standortattraktivität Platz eins, hart bedrängt von Singapur, das von der Nähe zum asiatischen Markt profitiert.

Leo Hug Der Rohstoffsektor ist im letzten Jahrzehnt zu einem tragenden Wirtschaftszweig der Schweiz geworden. Unter dem Radar der breiten Öffentlichkeit hat sich das Land zu einer der weltweit wichtigsten Rohstoffdrehscheiben gemausert. Für einzelne Rohstoffe wie Rohöl, Zucker oder Kaffee ist die Schweiz heute sogar die Nummer eins. Die Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich geht davon aus, dass die Branche mit einer Wertschöpfung von rund 18 Milliarden Franken im Jahr 2010 einen Anteil von 3,6 Prozent zum schweizerischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) beitrug. Der Rohstoffhandel ist damit mit der Bedeutung der Uhren- oder Pharmabranche vergleichbar. Besonders die Region um den Genfersee ist ein Rohstoff-Schwergewicht: Laut einer Studie der Schweizerischen Bankiervereinigung erwirtschaftet die Branche dort direkt und indirekt rund 10 Prozent des BIP, im Tessin sollen es 2 Prozent sein.

Hochburgen in Genf und Zug Trotz der hohen Umsätze arbeiten gemäss Schätzungen nur etwas mehr als 10 000 Menschen im Schweizer Rohstoffhandel, die meisten davon in Genf und Zug. Der allergrösste Teil der Akteure in der schweizerischen Rohstoffbranche sind Angestellte

Rohstoffhandel bleibt wichtig

Die Schweizer Rohstoffhändler kreierten 2010 eine Wertschöpfung von 18 Milliarden Franken.

der 570 Handelshäuser, von denen einige auch in der Rohstoffförderung tätig sind. Zur Branche gehören aber auch spezialisierte Abteilungen in den Banken, welche die äusserst kapitalintensiven Geschäfte finanzieren (sog. Commodity Trade Finance), sowie das Frachtgeschäft und die Warenprüfer. Grund für die starke Stellung der Schweiz im Rohstoffhandel sind unter anderem die

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5 bis 10 Prozent, während Dubai Rohstoffhandelsunternehmen mit sogenannten «Freie Zonen» anlockt, in denen weder Unternehmens- noch Einkommenssteuern zu bezahlen sind. In Hongkong wird der ausserhalb von Hongkong stattfindende Handel ebenfalls nicht besteuert. Die Niederlande wenden für Rohstoffhandelsunternehmen einen effektiven Steuersatz von 5 bis 15 Prozent an.

Marktanteile der Genfer Rohstoffhändler

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berechenbaren politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, ein leistungsfähiger Finanzsektor und nicht zuletzt attraktive Bedingungen für die Unternehmensbesteuerung. So liegt die Steuerbelastung von Rohstoffhandelsunternehmen in der Schweiz in der Grössenordnung von 10 bis 15 Prozent. Singapur wirbt im Rohwarenhandel mit einem Steuersatz von

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Aber auch Dubai, momentan auf Rang drei, holt gegenüber der Schweiz auf. Die weiter hinten platzierten Länder Grossbritannien, die Niederlande und die USA werden in der Einschätzung der Schweizer Rohstoffhandels-Branche ihren Rückstand gegenüber der Schweiz in den nächsten Jahren nicht abbauen können. Der Rohstoffhandel dürfte also auch in absehbarer Zeit eine tragende Rolle bei der schweizerischen Wertschöpfung spielen. Die Schweizerische Bankiervereinigung schätzt, dass die Erträge aus der Rohstoffhandelsfinanzierung bis 2015 jährlich um 4 Prozent wachsen werden. Umso mehr erstaunt es, dass der Bundesrat in seinem im März veröffentlichten Grundlagenbericht zum Rohstoffhandel zugeben muss, dass es keine Zahlen zu den Steuereinnahmen aus diesem Bereich gibt. Dennoch hält der Bericht fest, dass die mit dem Rohstoffhandel verbundenen Steuereinnahmen bedeutend sein dürften und nicht nur eine regionale, sondern auch eine schweizweite Wirkung haben. Dies insbesondere, nachdem in der Finanz- und Wirtschaftskrise ein traditioneller Pfeiler der Volkswirtschaft, der Finanzsektor, massiv und dauerhaft unter die Räder geraten sei.

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Quelle: GTSA

Quelle: BakBasel/EDA

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Handel

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Eldorado E-Commerce Der Abschluss einer Kaufhandlung erfolgt zunehmend über das Internet Ob Reisen, Elektronikartikel oder Luxusmode – es gibt kaum mehr Leistungen oder Güter, die nicht online zu kaufen sind. Das stellt Firmen mit klassischen Vertriebsmodellen vor grosse Herausforderungen. Daniel Graf Im Schweizer Versandhandel wurden im vergangenen Jahr 5,7 Milliarden Franken umgesetzt. Dabei machte der Online-Bestellwert mit 4,7 Milliarden Franken über 80 Prozent dieser Umsätze aus, Tendenz steigend. Was früher über Kataloge, das Telefon oder nach einer persönlichen Beratung im Laden erworben wurde, wird heute vielfach mit wenigen Klicks über das Internet bestellt. Diese Veränderung im Kaufverhalten der Kundschaft ist Risiko und Chance zugleich: Ganze Branchen leiden darunter, nicht rechtzeitig auf die sich rasant entwickelnde Technologie des Internets gesetzt zu haben, während Unternehmer, die den Trend rechtzeitig erkannt und richtig darauf reagiert haben, kräftige Gewinne einfahren.

Erfolg auch in schwierigen Branchen Die Luxusmode ist ein Bereich, der dem Internet von Beginn weg sehr skeptisch gegenüberstand. Die Kreateure hochpreisiger Luxusbekleidung fürchteten sich davor, dass ihre Kollektionen im Internet unter ihrem Wert verkauft werden. Dennoch hat sich in Europa eine Handvoll Unternehmen frühzeitig mit dem Online-Versandhandel auseinandergesetzt und einen E-Commerce Store eingerichtet. Sie wachsen überdurchschnittlich schnell und erzielen nicht selten Umsätze im zweistelligen Millionenbereich. Das erfahrenste und erfolgreichste Unternehmen der Branche stammt aus England, nennt sich net-a-porter.com und gehört mittlerweile zum Genfer Luxusgüterkonzern Richemont. Heute beschäftigt das Unternehmen 600 Mitarbeitende, bietet über 300 Luxuslabels an und liefert in 170 Länder. Der rasante Aufstieg ist auf verschiedene Vorteile des Online-Geschäftsmodells gegenüber dem stationären Ladenverkauf zurückzuführen: Der Mehrwert beim Einkauf im Internet liegt gerade im Bereich der Luxusmode nicht im Preis, sondern vielmehr im ConvenienceFaktor. In einer arbeitsteiligen Welt, in der Zeit ein immer knapperes Gut wird, ist manch einer froh, wenn er sich die Fahrt in die Innenstadt sparen kann. Im Internet findet man ausserdem Hunderttausende verschiedene Stücke – viel mehr, als in einem Laden mit vertretbarem Aufwand angeboten werden könnten. Weiter fällt die Schwellenangst, die manch einen Kunden vor dem Betreten einer Luxusmodeboutique befallen hat, im Internet weg. Und die Portale bieten neben der blossen Möglichkeit zum Erwerb von Luxustextilien gleich auch noch einen kulturellen Mehrwert: 83 000 Menschen informieren sich jeden Tag über das Online-Magazin «The Edit» von neta-porter.com über aktuelle Trends, modische Neuheiten oder die Looks von Promis – und erwerben oft im selben Zug das eine oder andere Stück ihres Lieblingsdesigners. Eine solche Reichweite könnte mit einem stationären Ladenkonzept kaum je erreicht werden.

Monopolstellung in der Unterhaltungselektronik Auch in der Unterhaltungselektronik hat ein mutiges Unternehmertrio die Chancen des Online-Versandhandels früh genug erkannt und ein entsprechendes Unternehmen gegründet: Digitec und das dazugehörige Warenhaus Galaxus. Zusammen nehmen die beiden im Schweizer Online-Markt der

Das Online-Shopping hat sich bei breiten Bevölkerungsteilen durchgesetzt.

Unterhaltungselektronik eine absolute Sonderstellung ein: Mit 500 Millionen Franken Umsatz im Jahr 2012 dominierten sie beinahe die Hälfte des gesamten Markts. Wie sehr sich das auszahlt, haben die drei Gründer und Träger des Swiss Economic Awards 2008 in der Kategorie Dienstleistung, Florian Teuteberg, Marcel Dobler und Oliver Herren, kürzlich eindrücklich unter Beweis gestellt: Für mehrere Millionen Franken – den genauen Betrag halten die beiden Parteien unter Verschluss – haben sie eine 30-Prozent-Beteiligung ihres Unternehmens an die Migros verkauft. Schon im nächsten Jahr soll dieser Anteil auf die Höchstmarke von 70% aufgestockt werden, was den drei findigen Unternehmern weitere Millionenzahlungen bescheren wird. Der Clou dabei: Trotz überwiegender Mehrheit der Migros bei den Aktienanteilen wird der operative Alltag zu 100 Prozent Sache der Digitec-Gründer bleiben. Die Stimmrechte sind vom Aktienanteil entkoppelt, der Verwaltungsrat setzt sich aus den drei Gründungsmitgliedern und drei Vertretern des Einzelhandelsriesen zusammen. Es scheint, als hätten alle Beteiligten erkannt, dass es wenig Sinn macht, Digitec und Galaxus zu stark in die Strukturen der Migros einzubinden: Die Zusammenarbeit soll im Hintergrund fruchten.

Branchenabhängiges Potenzial Diese Beispiele widerspiegeln allerdings bloss die Sonnenseite des E-Commerce. Auch in den genannten Branchen hat es stets Gewinner und Verlierer gegeben. So musste eine ganze Reihe kleinerer Boutiquen, die auf den Zug des Online-Handels aufspringen wollten, ihr Vorhaben bereits nach wenigen Monaten wieder aufgeben. Denn wer denkt, eine Verkaufsplattform im Internet sei ein einfacher Weg, schnell und ohne grossen Aufwand viel Geld zu machen, liegt falsch. «Viele unterschätzten seinerzeit den zeitlichen und finanziellen Aufwand und die logistischen Herausforderungen, die der Betrieb einer solchen Plattform mit sich bringt», so Mario Eimuth, Gründer von stylebop.com, einem der drei grossen Online-Player im europäischen Luxusmodemarkt. Weiter gibt es Branchen, die sich generell schlecht für das E-Commerce-Geschäft zu eignen scheinen; der Lebensmitteleinzelhandel beispielsweise. Eine kürzlich veröf-

Bild: Shutterstock

fentlichte Studie der Prüfungsgesellschaft KPMG stellt fest, dass der Online-Marktanteil in dieser Branche in allen europäischen Staaten im niedrigen einstelligen Bereich liegt. In der Schweiz kaufen laut einer Studie der Universität St. Gallen lediglich 6,7 Prozent der Bevölkerung situationsabhängig ihre Lebensmittel auch einmal online. Dieser Wert stagniert seit Jahren und ist im Vergleich zu 2009 sogar zurückgegangen.

Multichannelling eröffnet Möglichkeiten Im Handel mit Lebensmitteln wird der Kauf übers Internet also wohl noch lange nicht zur Standard-Vertriebsmethode werden. Und doch kann auch diese Branche sich dem Internet nicht einfach entziehen. Die Möglichkeit, Produkte online beim Produzenten zu deutlich günstigeren Konditionen zu beziehen, stellt Lebensmittelhändler vor grosse Herausforderungen. Dem können sie laut der erwähnten Studie vor allem mit einer ihrer klassischen Kernkompetenzen entgegenwirken: dem persönlichen Kontakt, der den Einkauf nicht günstiger, sondern primär besser machen

soll. Der Kunde soll gerne einkaufen gehen und von den Verkäufern auch entsprechend behandelt werden. Im Konkurrenzkampf gegen Online-Angebote stellt diese Kundenfreundlichkeit für die Lebensmittelhändler eine grosse Chance dar. Auch andere Branchen haben erkannt, dass es beim Einkaufen längst nicht mehr um die blosse Besorgung von Waren geht. «Es geht darum, dem Kunden ein überdurchschnittlich attraktives Einkaufsumfeld zu bieten. Im Idealfall werden Ladenflächen zu Treffpunkten. Die Kundschaft von solchen Concept Stores wünscht sich vor allem Event, Inspiration und Spass», so Andreas Steinle, Geschäftsführer des deutschen Marktforschungsunternehmens «Zukunftsinstitut». Es leuchtet allerdings ein, dass es ungleich schwieriger ist, mit Tomaten, Kohl und frischen Eiern eine Eventlandschaft zu gestalten, als mit den stylishen Kleidern von Abercrombie & Fitch und einem Zielpublikum von 14- bis 18-Jährigen. Das Zauberwort für die Lebensmittelhändler heisst hier «Multichannelling»: Der Kunde soll die Möglichkeit erhalten, sich seine Besorgungen online zusammenzustel-

Entwicklung des Schweizer Handels 8%

«Die Kundschaft von Concept Stores wünscht sich Events, Inspiration und Spass.» Das Internet prägt den Markt also branchenübergreifend. Der Handel mit Luxustextilien und Unterhaltungselektronikartikeln wurde regelrecht revolutioniert und wird sich auch in Zukunft immer stärker ins Internet verschieben. Der Lebensmittelmarkt hingegen wird in den kommenden Jahren wieder kleiner, sozialer und emotionaler gestaltet werden müssen – und das Internet bloss additiv zur Einkaufsoptimierung nutzen können. Was für die Luxusboutique genauso stimmt wie für den Tante-Emma-Laden: Wer sich nicht rechtzeitig mit dieser rasend schnell wachsenden Technologie auseinandersetzt, verpasst beste Wachstumschancen und riskiert, entscheidende Marktanteile zu verspielen.

Gesamtumsatz Detailhandel Gesamtumsatz Online- und Versandhandel

7%

Shopping ennet der Grenze

6% 5% +7,5 %

4% 3%

+5,2 % +4,3 %

+3,9 %

2% 1% 0%

len, bevor er diese sauber verpackt im Laden abholt. Dieses Vorgehen zur Minimierung des Kaufaufwands bietet Convenience und Kundenbindung, ohne den eigentlichen Verkauf übers Internet abwickeln zu müssen – denn gerade Frischprodukte wie Früchte und Gemüse wird der Kunde auch in Zukunft vor dem Kauf im Laden höchstpersönlich auf ihre Qualität überprüfen wollen.

+1,8 % +0,5 %

+0,5 %

--1,6 %

--1 % --2 % 2008/2009

2009/2010

2010/2011

2011/2012

Neben dem Onlinehandel gibt es noch eine weitere Tendenz, die in den vergangenen Jahren einen starken Zuwachs erfahren hat: das billige Einkaufen im benachbarten Ausland. 2012 wurde für rund 5 Milliarden Franken im Ausland eingekauft, was rund 5 Prozent des Schweizer Detailhandelsumsatzes ausmacht. Davon wurden lediglich Waren im Wert von 500 Millionen Franken online bestellt. Die Schweizer Bevölkerung hat also für rund 4,5 Milliarden Franken Waren aus dem Detailhandel in Läden im Ausland gekauft. Damit macht der Einkaufstourismus dem Online- und Versandhandel mit 5,7 Milliarden Franken durchaus Konkurrenz.


Technologie

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Mittwoch, 5. Juni 2013

Der Schatz im Datendschungel Wie IT unsere Wirtschaft und Gesellschaft prägt Die Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) durchdringen mittlerweile alle Bereiche des täglichen Lebens. Der daraus resultierenden Datenflut müssen wir mit neuen Technologien und Algorithmen begegnen. Christian Keller* Von den Tontafeln Mesopotamiens bis zum ersten Werkzeug der Datenverarbeitung, der Lochkarte, vergingen einige Jahrtausende. Der weitere Weg zur digitalen Informationsund Wissensgesellschaft ist im Vergleich dazu ein Katzensprung. Die Umwälzungen, die Transistoren und Chips in den letzten 60 Jahren mit sich gebracht haben, sind immens. Heute prägen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) soziales, wirtschaftliches und politisches Handeln – und ihre Bedeutung wird weiter zunehmen. Sie eröffnen neue Perspektiven, zum Beispiel bei der intelligenten Energienutzung oder bei vernetzten Verkehrsflüssen. Wie sie umgesetzt werden können, beschreiben economiesuisse und ICTswitzerland in der «Digitalen Agenda». Auch der Bundesrat kommt 2012 in seiner Strategie für eine Schweizer Informationsgesellschaft kurz und bündig zum Schluss: «Die Zukunft gehört den Informations- und Kommunikationstechnologien.» Er

Christian Keller sieht die Gesellschaft mit immensen Umwälzungen konfrontiert.

fordert, dass vermehrt intelligente, «smarte» Steuerelemente eingesetzt und damit innovative Dienstleistungen aufgebaut werden sollen. Dies sind keine fernen Visionen, aktuelle technische Entwicklungen sind im Gang. Ein Beispiel dafür sind intelligente Stromnetze, sogenannte Smartgrids. IBM allein enga-

Bild: IBM Schweiz

giert sich weltweit in rund 150 SmartgridProjekten. Dabei sollen elektronische Geräte, Elektrofahrzeuge oder ganze Gebäude als Puffer genutzt werden, um die schwankende Energieversorgung durch erneuerbare Energien wie Wind und Sonne auszugleichen. Voraussetzung ist, dass Stromerzeuger, Netzbetreiber und Verbraucher ihre Systeme eng

aneinanderbinden und dass eine Software den Abgleich von Energieerzeugung und -verbrauch optimiert. Hinter solchen smarten Anwendungen stehen komplexe, vernetzte Systeme. Viele davon basieren auf Informationstechnologie und produzieren Daten – sehr viele Daten: Weltweit sind es täglich 2,5 Trillionen Bytes. Diese füllen pro Jahr 250 Milliarden DVD, was einer Menge von 1,8 Zettabytes (einer Zahl mit 21 Nullen) entspricht. Zur explodierenden Datenflut – die IT-Branche spricht in diesem Zusammenhang von «Big Data» – tragen aber auch andere Informationsmittel bei. Die Menge unstrukturierter Daten – Bilder oder Texte – wächst explosionsartig. Gemäss dem schwedischen Unternehmen Royal Pingdom gab es im letzten Jahr 2,4 Milliarden Internetnutzer, eine Milliarde Menschen nutzte Facebook, 200 Millionen Twitter und 187 Millionen Linkedin. Es gab 1,3 Milliarden Smartphones und jedes verarbeitete monatlich im Durchschnitt 500 MB Daten. Während Entscheidungsträger geradezu nach Informationen dürsten, um daraus Wissen und Handeln abzuleiten, sind viele Daten unvollständig und unzuverlässig oder können nicht richtig interpretiert werden. Einige Daten sind naturgemäss unvorhersehbar, wie etwa Stimmungs- und Meinungsäusserungen oder Wetterbedingungen. Glaubt man den Branchenanalysten, werden 2015 bis zu 80 Prozent der weltweit verfügbaren Daten nicht mehr verlässlich sein. Damit steigt der Aufwand, um daraus handlungsrelevantes

Wissen zu schaffen. Verlässlichkeit in die grosse Datenmenge zu bringen, ist daher eine der zentralen Herausforderungen der kommenden Jahre.

Feuer mit Feuer bekämpfen Bei der Verarbeitung von unstrukturierten Daten ist das menschliche Gehirn noch immer das Mass aller Dinge. Doch der Mensch entwickelt sich nur langsam weiter. Bis die Evolution das Gehirn so weit gebracht hat, dass es solch grosse Daten verarbeiten kann, sind unsere Urenkel längst gestorben. Der Mensch aus dem Zeitalter der Tontafeln unterscheidet sich nicht wesentlich von demjenigen, der heute im virtuellen Raum «zwitschert». So bleibt nichts anderes übrig, als Feuer mit Feuer zu bekämpfen. Wir müssen der Datenflut und dem Analysemanko mit neuen Technologien und Algorithmen begegnen, die aus unstrukturierten Daten neue Schlüsse ziehen können. Ein Vorreiter ist der Supercomputer Watson, der in einer amerikanischen Quizshow gegen die besten Kandidaten antrat und auch in diversen Projekten im Gesundheitswesen, im Versicherungs- und Finanzbereich erfolgreich zum Einsatz kommt. Der Schatz liegt verborgen im Datendschungel, neue «smarte» Auswertungs- und Analysemethoden sind das Werkzeug, um ihn zu heben. * Christian Keller ist Vorsitzender der Geschäftsleitung bei IBM Schweiz.

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Technologie

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Schweizer KMU sind Nanotech-Pioniere Der Markt für Nanotechnologie boomt Ob Sonnencreme, Computerchip oder schmutzabweisende Beschichtungen: Immer mehr Schweizer Unternehmen nutzen Nanotechnologie für ihre Produkte. Alex Hämmerli Innovationen aus den Nano-Labors beeinflussen unseren Alltag immer stärker. Seit der Entwicklung des Rastertunnelmikroskops in den 1980er-Jahren durch die IBMForscher und Nobelpreisträger Gerd Binnig und Heinrich Rohrer in Rüschlikon am Zürichsee haben es Hunderte Produkte mit Nano-Eigenschaften zur Massenproduktion geschafft – meist unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit. Die Schweiz spielt inzwischen eine führende Rolle im Markt für Nanotechnologie. Laut Heinz Müller, Patentexperte für Chemie und Biotechnologie am Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum in Bern, wurden hierzulande seit 2006 jedes Jahr zwischen 10 und 15 Nano-Erfindungen pro Million Einwohner zur Patentierung angemeldet. Die Schweiz liegt damit weltweit auf dem ersten Platz – gefolgt von Japan, Deutschland und den USA. Mittlerweile stellen über 600 Firmen hierzulande Nanomaterialien her oder verwenden diese. Besonders stark verbreitet sind die winzigen Teilchen in der Material- und Oberflächenbehandlung. So etwa bei der St. Galler Firma Schoeller: Sie

beliefert Bekleidungsunternehmen wie Levi’s oder Black Diamond mit einem Stoff namens Nanosphere. Dieser erzeugt den sogenannten Lotuseffekt: Wasser perlt an Kleidern ab und nimmt gleichzeitig den Schmutz mit. Ein anderes Unternehmen, das auf Nanotechnologie setzt, ist Spring Pharma aus Solothurn. Die Firma verkauft mit grossem Erfolg Sonnencremes der Marke Daylong, die Nanopartikel von Titanoxid enthalten. Die winzigen Teilchen reflektieren wie Milliarden kleinster Spiegel das Sonnenlicht. Auch grössere Teilchen haben diese Wirkung, allerdings lassen sich mit Nanopartikeln dünnflüssigere und transparente Cremes herstellen. Eine dritte Schweizer Nano-Erfolgsgeschichte stellt SwissLitho dar. Der IBM Technology Transfer hat mit dem sogenannten NanoFrazor ein Gerät entwickelt, das Nanostrukturen in 3D herstellen kann. Das Kernstück der Technologie ist eine extrem scharfe, auf 500 Grad erhitzbare Spitze aus Silizium. Mit ihr lassen sich nicht nur Computerchips zu kleineren Dimensionen skalieren, sondern auch neuartige elektronische oder optische Chips herstellen.

Rasantes Wachstum Die neusten Marktzahlen des US-Marktanalysten BCC Research zeigen, dass die oben beschriebenen Erfolgsgeschichten keine Einzelfälle sind, sondern einem Trend entsprechen: Das globale Marktvolumen der Nanotechnologie wuchs allein innerhalb des vergangenen Jahrs um 600 Millionen Dollar

Wafer-Herstellung im Nanotech-Zentrum in Rüschlikon. Bild: IBM Research - Zürich

auf total 20,7 Milliarden Dollar. 2017 sollen die Verkäufe bereits 48,9 Milliarden Dollar betragen – das entspricht einem jährlichen Marktwachstum von 18,7 Prozent. Optimistisch sind auch die Aussagen im «Swiss Nanotech Report»: Im von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt EMPA initiierten Bericht heisst es, die Nanotechnologie sei eine «Zukunftsbranche mit enormem wirtschaftlichem Potenzial». Voraussetzung, um das Potenzial auszuschöpfen, sei ein effizienter und möglichst reibungsloser Wissens- und Technologietransfer aus den Labors in die Industrieunternehmen. Eben dieses Ziel ver-

folgt die Forschungsabteilung des IT- und Beratungskonzerns IBM: Mit einem Bauetat von 90 Millionen Franken hat IBM Research zusammen mit der ETH Zürich in Rüschlikon (ZH) 2011 das Binnig and Rohrer Nanotechnology Center fertiggestellt. Dabei handelt es sich um ein «Open Collaboration Model». Soll heissen: Die kostspieligen NanoforschungsLabors sind offen für Kooperationen mit Unternehmen und anderen Forschungseinrichtungen. Das Nanotechnologie-Center bietet 950 Quadratmeter Reinraumfläche für Grundlagenforschung an neuen Materialien und Bauelementen mit Strukturen im Nanometerbereich. Die möglichst geringe Anzahl von Partikeln in der Umgebungsluft ist hier notwendig, da bereits kleinste Partikel die Nano-Strukturen unbrauchbar machen können. Zudem verfügt das Forschungszentrum über spezielle Labors, die durch Abschirm- und Dämpfungsmassnahmen externe Störquellen wie zum Beispiel Temperaturschwankungen oder Vibrationen, die Ungenauigkeiten verursachen, auf ein Minimum reduzieren. IBM selbst engagiert sich in der Nanotechnologie, «um etablierte Technologien zur Speicherung, Verarbeitung und Übertragung von Informationen weiter auszubauen und auch um neue Technologie zu entwickeln», sagt Matthias Kaiserswerth, Direktor des IBMForschungslabors in Rüschlikon. Er weist darauf hin, dass sich nach Moore's Law bisher alle 18 Monate die Anzahl der Transistoren auf einem Computerchip verdoppelt. «Wollen wir dieses Tempo halten, stehen wir

verschiedenen Herausforderungen wie Überhitzung, Herstellbarkeit und Skalierung der Bauelemente gegenüber.» Kurz: Die Miniaturisierung stösst an physikalische Grenzen. «Die Nanotechnologie biete hier ein enormes Potenzial, um diese Herausforderungen mit neuen Designs und Materialien zu überwinden», so Kaiserwerth.

Enorme Summen Die Schweizer Forschung spielt in den Nanowissenschaften an der Weltspitze mit. Entsprechend hoch sind die Budgets.

90 Millionen

Franken kostete der Bau des Nanotechnologie-Forschungszentrums von IBM und der ETH Zürich in Rüschlikon (ZH).

100 Millionen

Franken spendete der Unternehmer Adolphe Merkle 2007 der Universität Freiburg. Mit dem Geld wurde im Freiburger Vorort Marly ein Forschungsinstitut für Nanowissenschaften aufgebaut.

120 Millionen

Franken beträgt das Budget der Bundesinitiative Nano-Tera zur Forschung an Sensoren auf Nanotechnologiebasis.

140 Millionen

Franken beträgt die Finanzierung des Nationalen Forschungsschwerpunkts «Nanosciences», der seit 2004 von der Universität Basel koordiniert wird.

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Öffentlicher Verkehr

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Mittwoch, 5. Juni 2013

«Eine Lösung, um die uns die Welt beneiden würde» Interview mit Andreas Meyer, CEO der SBB AG SBB-Chef Andreas Meyer plädiert dafür, dass man Bahnprojekte wie Business Cases behandelt. Nur so könne man die Infrastruktur langfristig finanzieren. Interview: Stefan Linder Das diesjährige SEF Motto lautet «Q&A – Antworten auf brennende Fragen». Was sind die brennenden Fragen, die die SBB 2013 beschäftigen? Andreas Meyer: Die Zunahme des Bahnverkehrs beschäftigt uns stark. Die Priorität liegt auf der Kapazitätssteigerung. Im Personenverkehr braucht es mehr Züge, mehr Verbindungen und mehr Sitzplätze für unsere Kundinnen und Kunden. Der Mobilitätsbedarf der Schweizer Bevölkerung nimmt mit dem Bevölkerungswachstum weiter zu, die Pendlerströme wachsen. Im Güterverkehr sollen laut Prognose in Zukunft sehr viel mehr Container aus den Nordseehäfen kommen, auf dem Rhein und auf der Schiene. Darum brauchen wir neue Terminals, in denen die Container auf die Schiene oder die Strasse umgeladen werden. Damit spielt der kombinierte Verkehr zwischen Strasse und Schiene eine wichtige Rolle, um die Transportmengen gemeinsam zu bewältigen. Gibt es schon konkrete Pläne zur Finanzierung der zukünftigen Bahninfrastruktur? Jawohl. Mit FABI (Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur) ist eine sehr konkrete Vorlage auf gutem Weg. Die SBB hat in den letzten Jahren immer moniert, dass man nur Investitionen beschliesst und dabei die Folgekosten nicht berücksichtigt. Bahnprojekte müssen wie Business Cases angeschaut werden. Die Vorlage FABI stellt die langfristige Planung und Finanzierung von Investitionen sowie Folgekosten und Unterhalt sicher. Es ist eine Jahrhundertvorlage, die uns ermöglicht, unser Eisenbahnsystem zukunftsorientiert weiterzuführen. In den nächsten zwölf Monaten wird eine Volksabstimmung zu FABI stattfinden. Eine Lösung, um die uns die ganze Welt beneiden würde, ist damit in greifbarer Nähe. Wie will die SBB den wachsenden Ansturm an Bahnreisenden bewältigen, bis die nötige Kapazität vorhanden ist? Schon jetzt sind viele Züge überfüllt. Wir haben ein ÖV-System in der Schweiz, auf das wir stolz sein können. Was die Engpässe betrifft, so versuchen wir die Nebenverkehrs-

zeiten besser auszulasten. Im Tagesdurchschnitt liegt die Sitzplatzauslastung bei knapp 30 Prozent. Ausserhalb der Stosszeiten hat es also noch viel Platz im Zug. Mit Angeboten wie unserer aktuellen Kampagne «Reisen zu Preisen der 80er Jahre» schaffen wir für den Freizeitverkehr günstige Angebote auch am Wochenende. Beim Pendlerverkehr engagiert sich die SBB für flexibles Arbeiten unterwegs. Ein Pilotversuch soll Erkenntnisse darüber liefern, ob flexible Arbeitsmodelle die Hauptverkehrszeiten entlasten und gleichzeitig die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden besser berücksichtigen können.

unserer Kundinnen und Kunden, aktiv ihren Beitrag zum Umweltschutz und zur Nachhaltigkeit zu leisten, immer grösser wird. Die Anreise mit dem ÖV ist da naheliegend. Die Reise per Bahn ist immerhin rund 20mal klimafreundlicher als die Reise mit dem Auto. Auch der Energieverbrauch ist um ein Vierfaches geringer. Neu wird es für die Teilnehmenden «Meeting-Point-Züge» auf der Anreise geben. So können wichtige Themen bereits vor dem Start des SEF besprochen werden. Diese Networking-Plattform schafft bestimmt noch einen weiteren Anreiz, den Weg per ÖV zu wählen.

Der Bahnverkehr wird also weiter zunehmen. Mehr Verkehr bedeutet auch mehr Energieverbrauch. Woher soll dieser Strom kommen? Bereits heute decken wir 83 Prozent des gesamten Energiebedarfs mit regenerativer Energie ab, den grössten Teil davon mit Strom aus Wasserkraftwerken. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, den zurzeit noch benötigten Strom aus Atomkraftwerken, also 17 Prozent des Gesamtbedarfs, bis 2025 ganz einsparen zu können. Das erreichen wir durch eine Vielzahl von kleinen und grossen Massnahmen. Dazu gehört zum Beispiel die adaptive Lenkung zur optimierten Steuerung des Verkehrsflusses. Indem wir unnötige energieintensive Brems- und Beschleunigungsvorgänge reduzierten, erreichen wir ganz beträchtliche Einsparungen an Strom.

Am diesjährigen SEF informiert die SBB an einem Stand über Business-Angebote. Gibt es spannende Neuerungen? Ich bin davon überzeugt, dass Verbindungen aus dem Zug und im Zug in Zukunft mindestens genauso wichtig sind wie Verbindungen mit dem Zug. Die SBB fördert deshalb gezielt die Möglichkeit des mobilen Arbeitens. Zusammen mit Mobilfunkanbietern werden wir die Züge mit Verstärkern ausrüsten und uns dafür einsetzen, dass auch das Antennennetz eine durchgehende, unterbrechungsfreie Verbindung für unsere Kunden ermöglicht. Unsere Kunden sollen die Möglichkeit haben, durchgängig online zu sein. Im Zug und am Bahnhof. Für die Arbeit, den Informationsaustausch, zur Unterhaltung sowie zur Pflege sozialer Kontakte. Interessant für unsere Business-Kundinnen und Business-Kunden sind sicher die SBB Businesspoints. Mitte Mai wurde am Bahnhof Bern der erste eröffnet. Er bietet die nötige Infrastruktur, wenn man beruflich unterwegs ist und spontan ein Meeting organisieren möchte oder für ein paar Stunden einen ruhigen Ort zum Arbeiten braucht.

Gibt es weitere Themen, welche die SBB stark beschäftigen? Aktuell beschäftigt uns insbesondere, wie wir die Kundenfreundlichkeit unseres Systems verbessern und ausbauen können. Früher, als es nur Kartonbillette gab, war es einfacher. Die zunehmenden technischen Möglichkeiten erlauben es den Verkehrsunternehmen und Verbünden, differenzierte und komplexe Regeln einzuführen. Dabei ist ein Wirrwarr entstanden. Wir müssen zurück zur Einfachheit und Berechenbarkeit des Gesamtsystems für unsere Kunden. In der Branche sind wir uns einig, dass man zwingend im Sinne der Kundenfreundlichkeit an der Einfachheit des Gesamtsystems arbeiten muss. Das braucht einen dezidierten Anlauf der SBB, aller ÖVUnternehmen sowie der Besteller und der Verbände. Das Swiss Economic Forum setzt sich aktiv für den Wirtschaftsnachwuchs ein. Mit dem Swiss Economic Award werden jedes Jahr herausragende Jungunternehmen prämiert. Haben Sie als erfahrener Unternehmer Tipps für die

Spezial-Angebot Andreas Meyer bietet eine klimafreundliche Anreise ans SEF.

Jungen? Was macht einen erfolgreichen Unternehmer aus? In erster Linie muss man sein Unternehmen auf etwas ausrichten, das echten Nutzen für den Kunden bedeutet. Die gefassten Ziele muss man hartnäckig und detailliert verfolgen und nicht locker lassen. Dabei muss man den Mut aufbringen, auch etwas zu wagen, was nicht von Beginn an Erfolg verspricht. Und ganz wichtig: sich dabei nicht von Rückschlägen entmutigen lassen. Auch wenn man in der Schweiz lieber über Erfolg spricht und es

Bild: z-photo-animation-video

die nicht so Erfolgreichen manchmal schwer haben. Im vergangenen Jahr reisten 50 Prozent der SEF-Teilnehmenden mit dem ÖV nach Interlaken. Rechnen Sie dieses Jahr erneut mit so vielen Zugreisenden? Davon bin ich überzeugt. Als Transportpartnerin des SEF bietet die SBB den Teilnehmenden eine bequeme, klimafreundliche und kostenlose Anreise nach Interlaken. Wir stellen zudem fest, dass das Bedürfnis

Die Schweizerischen Bundesbahnen SBB und die führende Wirtschaftsveranstaltung der Schweiz, das Swiss Economic Forum, haben 2012 einen Partnerschaftsvertrag abgeschlossen. Ziel der Zusammenarbeit ist es, die Entscheidungsträger aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik für die An- und Rückreise nach Interlaken vermehrt auf den öffentlichen Verkehr zu bringen und damit einen nachhaltigen Beitrag für das Klima zu leisten und den CO2-Ausstoss zu reduzieren. Das Spezialbillett-Angebot der SBB war im vergangenen Jahr sehr erfolgreich. Rund 50 Prozent der Teilnehmenden reisten mit dem Zug nach Interlaken.

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Sozialwesen

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Grosser Wurf für die Altersvorsorge Mit einem umfassenden Ansatz will der Bundesrat alle politischen Lager überzeugen Sozialminister Alain Berset setzt für eine zukunftsfähige Altersvorsorge alles auf eine Karte: eine Reform der ersten und zweiten Säule gleichzeitig. Unter anderem mit höherem Rentenalter, tieferem Umwandlungssatz und Zusatzfinanzierungen will der Bundesrat das Rentenniveau nachhaltig sichern. Daniela Hefti

dringlichsten Massnahmen. Für Alain Berset kommt das Vorziehen einzelner Punkte aber nicht infrage: Er ist überzeugt, dass nur das Gesamtpaket mehrheitsfähig ist.

Die Sozialversicherungen steuern auf einen Engpass zu 50 Ausgaben Einnahmen

45

Fehlbetrag

40

35

2024

2022

2020

2018

30 2016

Deckung der Finanzlücken in der AHV sieht der Bundesrat weitere Möglichkeiten. Die Anpassung von Leistungen und Beiträgen wird zur Diskussion gestellt. Zudem steht eine Prüfung der Mehrwertsteuer als zusätzliche Finanzierungsquelle an. Über diese müssten nicht wie bei Beitragserhöhungen nur die Erwerbstätigen, sondern alle Generationen einen Beitrag an die Sanierung der AHV leisten – auch die Pensionierten, die ansonsten verschont werden. Als letztes Element umfassen die Leitlinien einen Interventionsmechanismus für die AHV, eine Art Schuldenbremse, angelehnt an die in der IV-Revision vorgesehene Regelung. Der Sozialkommission des Ständerates greifen die Reformpläne des Bundesrats zu wenig schnell. Sie fordert, einzelne Bestandteile frühzeitig in Angriff zu nehmen – insbesondere den Interventionsmechanismus. Auch Economiesuisse und Avenir Suisse ist der bundesrätliche Fahrplan zu zögerlich. Sie votieren für eine raschere Umsetzung der

2014

ganz spezifischen Funktionen tätig sind. Die Leitlinien sehen vor, Anreize für die weitere Erwerbstätigkeit zu erhöhen, im System der Altersvorsorge selbst ebenso wie auf dem Arbeitsmarkt. Die Anreize für eine vorzeitige Pensionierung hingegen sollen reduziert werden. Dies betrifft insbesondere die Grenze von 58 Jahren für die frühestmögliche Pensionierung in der beruflichen Vorsorge. In der zweiten Säule will der Bundesrat ausserdem den Umwandlungssatz an die höhere Lebenserwartung und das veränderte Zinsumfeld anpassen – und somit senken. Um eine mehrheitsfähige Lösung zu finden, ist die Senkung gekoppelt an Kompensationsmassnahmen, welche die Renten für tiefere Einkommen und die Übergangsgeneration stabil halten. Auch ist in der beruflichen Vorsorge eine verstärkte Kontrolle vorgesehen: eine erweiterte Aufsicht der FINMA über die Lebensversicherer, mehr Transparenz und eine ausgewogenere Gewinnverteilung zwischen Versicherten und Aktionären. Zur

2012

Nachdem die letzten Versuche für Reformen der Altersvorsorge 2010 vor Parlament und Volk gescheitert sind, entscheidet sich der Bundesrat nun mit der «Altersvorsorge 2020» für einen integralen Ansatz, der die erste und die zweite Säule umfasst. Daraus entstehen neue Möglichkeiten für politische Kompromisse, welche die festgefahrene Debatte wieder lösen könnten. Der Bundesrat will Leistungen und Finanzierung von AHV und Pensionskassen aufeinander abstimmen und so die verschiedenen politischen Lager sowie die Bevölkerung für die Reform gewinnen. Bis im Sommer 2013 wird das Departement des Innern die Eckwerte der von Alain Berset präsentier-

ten Leitlinien konkretisieren und die Folgen prüfen. Anschliessend soll ein Entwurf für die Reform formuliert und Ende Jahr in die Vernehmlassung geschickt werden. Läuft alles nach Plan, dürfte das Volk 2018 über die Reform abstimmen. Die augenfälligste Massnahme ist die Harmonisierung des Rentenalters für Frauen und Männer auf 65 Jahre. Eine weitere Erhöhung strebt der Bundesrat aufgrund der Realitäten auf dem Arbeitsmarkt nicht an – denn Arbeitnehmer sind nur in bestimmten Bereichen über das Rentenalter hinaus noch gefragt. Flexible Lösungen für den Übergang in den Ruhestand sollen aber dazu beitragen, dass sich das effektive Rücktrittsalter dem sogenannten Referenzalter 65 angleicht. Nur ein Viertel der Menschen geht heute zum Zeitpunkt des AHV-Alters in Pension, rund 40 Prozent hören früher auf zu arbeiten, ein Drittel arbeitet über das Rentenalter hinaus – insbesondere Selbstständigerwerbende und Personen, die Teilzeit arbeiten oder in

Bild: Shutterstock

2010

Kompromisse sollen die festgefahrene Debatte lösen

Die Mindestleistungen der Pensionskassen sind nicht ausreichend finanziert.

2008

Die Altersvorsorge steht aufgrund demografischer und wirtschaftlicher Entwicklungen vor grossen Herausforderungen. Die Geburtenraten sind tief, die Babyboomer gehen bald in Rente, die Lebenserwartung wird immer höher und die Kapitalerträge sind schlecht. Bei der AHV werden die Renten die Einnahmen voraussichtlich bereits in ein bis zwei Jahren übersteigen. Bis 2030 dürfte das Finanzloch 8,9 Milliarden Franken betragen, wie das Departement des Innern aufzeigt. Die berufliche Vorsorge ist seit zehn Jahren mit sinkenden Renditen konfrontiert, die Mindestleistungen der Pensionskassen sind nicht ausreichend finanziert. Der Handlungsbedarf ist in beiden Säulen gross.

Quelle: Bundesamt für Sozialversicherungen (Prognosen gemäss den Bevölkerungsszenarien des Bundesamts für Statistik)

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