Bericht zur Betriebszweiganalyse von Agroscope über die Kostendeckung von Tierwohlleistungen

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STS-Bericht zur Betriebszweiganalyse von Agroscope über die Kostendeckung von Tierwohlleistungen

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BETRIEBSZWEIGANALYSE DER AGROSCOPE

Inhalt Zusammenfassung 3 1. Ausgangslage 4 Verschiedene Studien im Rahmen der Absatzoffensive Labelfleisch und Eier 4 Fragestellung an Agroscope für die «Betriebszweiganalyse» 4 2. Zusammenfassung der Betriebszweiganalyse von Agroscope für die Rindermast 5 2.1 Einleitung 5 2.2 Berechnungsmethodik und Szenarien 5 2.3 Ergebnisse der Betriebszweiganalyse 6 3. Zusammenfassung der Betriebszweiganalyse von Agroscope für die Schweinemast 9 3.1 Einleitung 9 3.2 Berechnungsmethodik und Szenarien 9 3.3 Ergebnisse der Betriebszweiganalyse 10 4. Grösseneffekte und zur Frage der Motivation und fairen Marktstrukturen 12 5. Schlussfolgerungen mit Forderungen 14

© 2020 Schweizer Tierschutz STS Herausgeber Schweizer Tierschutz STS, Dornacherstrasse 101, Postfach, 4018 Basel Tel. 061 365 99 99, Fax 061 365 99 90, Postkonto 40-33680-3 sts@tierschutz.com, www.tierschutz.com Autor Dr. ing. agr. ETH Stefan Flückiger, STS-Geschäftsführer Agrarpolitik

Der Bericht nutzt Ergebnisse der folgenden Agroscope-Studie:

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Studie:

Vergleichende Betriebszweig- und Marktanalyse unterschiedlicher TierwohlStandards in der Schweine- und Rindermast; Projekt-Kurztitel: ÖTA (Ökonomische Tierwohlanalyse) 2020;

Ergebnisse der Marktanalyse: https://ira.agroscope.ch/de-CH/publication/45315

Autoren:

Christian Gazzarin und Dr. Franziska Zimmert

Die Studie ist von IP-Suisse (IPS) und vom Schweizer Tierschutz STS in Auftrag gegeben worden.


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Zusammenfassung Derzeit stagnieren die Labelmärkte, v. a. im Fleischbereich. Die Kampagne «Absatzoffensive Labelfleisch» geht den Ursachen dieser Stagnation nach und fordert eine Förderung der tierfreundlich erzeugten Produkte. Dieses Vorgehen deckt sich gemäss einer repräsentativen DemoScope-Umfrage mit den Wünschen der Gesellschaft: Die Gesellschaft erwartet auch von den Marktakteuren verbindliche Massnahmen, den Absatz von tierfreundlich erzeugtem Label- und Biofleisch anzukurbeln und insbesondere auch die massiven Preisunterschiede zwischen Label- und Bioprodukten gegenüber konventionellen Produkten zu reduzieren. Weil «85 % der Befragten wollen, dass die Marktakteure den landwirtschaftlichen Produzenten die Kosten der erzeugten Tierwohlleistungen (Aufwand, Investitionen) kostendeckend und fair abgelten sollen» hat der STS zusammen mit IP-Suisse (IPS) an Agroscope einen Forschungsauftrag erteilt, mit dem geklärt werden soll, inwiefern dieser Wunsch in der Praxis umgesetzt ist. Die STS-Marktanalysen haben gezeigt, dass die Produzentenanteile an der Gesamtwertschöpfung bei Labelprodukten deutlich geringer sind als im konventionellen Sortiment und sich die landwirtschaftlichen Produzenten nicht proportional am Markterfolg beteiligen können. Die aktuelle Betriebszweiganalyse von Agroscope zeigt darüber hinaus, dass Labelproduzenten im Rind- und Schweinefleisch-Bereich ihre Kosten für die Tierwohlleistungen nicht decken können. Die wissenschaftliche Studie beschränkt sich auf das IPS-Label für Rindfleisch aus intensiver Rindviehmast (keine Mutterkuhhaltung) und Schweinefleisch aus intensiver Schweinemast. Sie ermöglicht mit detaillierten Vollkostenrechnungen einer weitgehend repräsentativen Stichprobe von Praxisbetrieben und zielgerichteten Simulationen erstmals die monetäre Erfassung von Tierwohlleistungen, die über die Minimalforderungen der Tierschutzverordnung hinausgehen. IPS-Rindviehbetriebe mit durchschnittlich 57 Mastplätzen zeigen prekäre Ergebnisse: Über ein Viertel der Aufwendungen für das Tierwohl werden nicht entschädigt. Bei den IPS-Mastschweinebetrieben (215 Mastschweineplätze) werden die Aufwendungen etwas besser gedeckt, aber auch nur zu rund 91 %. Im Vergleich zum simulierten konventionellen Betrieb mit Minimalstandard «Tierschutzverordnung» erzielen die untersuchten IPS-Betriebszweige zudem einen schlechteren Arbeitsverdienst pro Stunde. Die an die Landwirte ausgezahlte Tierwohlprämie umfasst die Labelprämie von IPS und die Direktzahlungen vom Bund für BTS und RAUS. Aktuell wird die Tierwohlprämie der Rindviehmäster zu zwei Dritteln durch die Labelprämie und zu einem Drittel vom Bund finanziert. Bei den Schweinemästern ist das Verhältnis 60 % (Labelprämie) zu 40 % (Bund). Aus den Studienergebnissen lässt sich ableiten, dass die Tierwohlprämie höher sein muss, wenn die Mehrkosten für das Tierwohl gedeckt werden sollen: Bei einer alleinigen Entschädigung durch den Markt müsste die Labelprämie bei der Rindermast um knapp 60 %, bei der Schweinemast um 16 % erhöht werden. Die Labelbewertung www.essenmitherz.ch des Schweizer Tierschutz STS gibt Auskunft darüber, welches die empfohlenen Labels und Standards hinsichtlich Tierwohl sind. Der STS empfiehlt Labels mit der Bewertung TOP und OK, deren Anforderungen viel Tierwohl garantieren, z. B. freie Bewegung, Beschäftigung, Auslauf oder Weide. Mit der Bewertung will der STS nicht nur den tierschützerischen Wert von Einzelprodukten darlegen. Genauso wichtig ist es, die tierschützerischen Anstrengungen derjenigen Firmen aufzuzeigen, die sich im Bereich Tierwohl engagieren. Mit der Kampagne «Absatzoffensive Labelfleisch und Eier» will der STS die Labelbewegung – zusammen mit den Labelorganisationen der Produzenten – voranbringen, weil der Absatz von tierfreundlich erzeugten Labelprodukten in vielen Produktbereichen ins Stocken geraten oder sogar rückläufig ist. Die Kampagne beinhaltet Projekte in Forschung, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit und richtet Forderungen an die Marktakteure, KonsumentInnen und die Politik. Bisher ist mit verschiedenen Marktanalysen der Fleisch- und Eiermarkt untersucht worden. Derzeit wird der Milchmarkt untersucht. Vision: Der STS verfolgt das langfristige Ziel, dass in der Schweiz alle Nutztiere in tierfreundlichen Haltungssystemen gehalten werden (Labelbewertung TOP oder OK).

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Bei einer alleinigen Entschädigung durch den Bund müssten die BTS/RAUS-Beiträge in der Rindviehmast mehr als verdoppelt werden, während bei der Schweinemast eine Erhöhung um 22 % nötig wäre. Wenn der Bund seine Rolle in Richtung einer nachhaltigen Nahrungsmittelproduktion wahrnehmen will, muss die Labelproduktion zusätzlich kräftig gefördert werden, damit für die Produzenten nicht nur eine Kostendeckung resultiert, sondern auch ein finanzieller Anreiz (Gewinn), um vermehrt Tierwohlleistungen zu erbringen.

1. Ausgangslage Verschiedene Studien im Rahmen der Absatzoffensive Labelfleisch und Eier:

Der Absatz von tierfreundlich erzeugten Labelprodukten ist ins Stocken geraten, es droht ein Rückschritt in der Entwicklung für mehr Tierwohl. Der Schweizer Tierschutz STS hat deshalb die Kampagne Absatzoffensive Labelfleisch und Eier gestartet und ist mit zwei Marktstudien den Fragen nachgegangen, weshalb der Absatz nach Bio- und Labelprodukten stagniert, ob die Preisrelationen zwischen den Produkten aus konventionellen Label- bzw. Bio-Haltungssystemen eine Ursache sind und wie stark die Erzeuger der Tierwohlleistungen von den Endverkaufspreisen profitieren können (Marktanalyse Labelfleisch im März 2020 und Marktanalyse Eier und Geflügelfleisch im Juni 2020 unter www.tierschutz.com/agrarpolitik). Die Stagnation der Absatzzahlen von Labelprodukten ist insbesondere deshalb erstaunlich, weil der Bund mit Förderprogrammen (Programme BTS und RAUS) die tierfreundliche Produktion massiv unterstützt und in der Gesellschaft eine stark wachsende Sensibilität hinsichtlich Umgang mit Nutztieren festzustellen ist. Im Sommer 2020 wurde mit einer ersten Studie von Agroscope die Wirkung von Preisanpassungen auf die Nachfrage bzw. die Produktion von tierfreundlichen Erzeugnissen untersucht (Ergebnisse der «Marktanalyse» von Agroscope siehe unter: www.tierschutz.com/agrarpolitik/absatzoffensive/index_handlungsoptionen.html.

Fragestellung an Agroscope für die «Betriebszweiganalyse»:

Die zweite Studie «Betriebszweiganalyse» ist eine Auftragsstudie vom Schweizer Tierschutz STS und IP-Suisse (IPS) und beantwortet folgende Fragen: 1. Wie hoch sind die Kosten, welche bei der Bereitstellung von Tierwohlleistungen auf den Betrieben anfallen? 2. Inwiefern werden diese Kosten vom Markt über Preiszuschläge (Labelprämien) und vom Bund über Direktzahlungsprogramme gedeckt? Daraus wird abgeleitet, wie hoch Preiszuschläge oder Direktzahlungen angesetzt werden müssen, um die Mehrkosten durch die Erzeugung von Tierwohlmehrleistungen zu decken.

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2. Zusammenfassung der Betriebszweiganalyse von Agroscope für die Rindermast Detaillierte Informationen zu Daten und Methodik können der Studie entnommen werden (link siehe Seite 2). Die Ergebnisse werden in der Folge für die Rinder- und Schweinemastproduktion (vgl. Abschnitt 3) getrennt zusammengefasst:

2.1 Einleitung

In der Schweiz wird der grösste Teil des Rindfleisches in intensiven Rindviehmastbetrieben produziert. Der kleinere Anteil wird in extensiven Produktionssystemen mit Mutterkuhhaltung erzeugt, die jedoch in dieser Studie nicht untersucht wurde. In intensiven Rindviehhaltungen gelten unterschiedliche Tierwohlstandards. Tabelle 1 zeigt die wichtigsten Anforderungen des IPS-Standards im Vergleich zum Mindeststandard nach Tierschutzverordnung. Tabelle 1: Wichtigste Tierwohlunterschiede zwischen IP-Suisse und Minimalstandard nach Tierschutzverordnung bei der Rindviehmast IP-Suisse (IPS)

Mindeststandard nach Tierschutzverordnung (TschV)

Flächenangebot

3,5–6,5 m²/Tier

1,8–3 m²/Tier*

Liegefläche

Strohmatratze oder eingestreute Liegematten (BTS-Standard Bund)

Vollperforiert (Gummi; ohne Stroh)

Auslauf (ungedeckt)

Ja; 1–4,9 m²/Tier (je nach Zugänglichkeit); konform mit RAUS-Standard Bund

Kein Auslauf

Quelle: BLV (Tierschutzverordnung) und IP-Suisse 2020 (Richtlinien); weitere Punkte können der STS-Labelbewertungsplattform www.essenmitherz.ch entnommen werden. Legende: *je nach Gewicht BTS = Besonders Tierfreundliche Stallhaltung (Direktzahlungsprogramm des Bundes) RAUS = Regelmässiger Auslauf ins Freie (Direktzahlungsprogramm des Bundes) Die höheren Anforderungen der Tierwohlprogramme haben entsprechende Auswirkungen auf die Direktkosten (Strohkosten) sowie auf die Strukturkosten (Gebäude und Arbeit). Tierwohlleistungen werden mit Tierwohlprämien in Form von Preiszuschlägen (Labelprämien) vom Markt bzw. mit speziellen Direktzahlungsprogrammen vom Bund honoriert (Beiträge BTS/RAUS CHF 280.–/GVE). Doch werden die Mehrkosten dieser Tierwohlleistungen auch vollumfänglich von diesen Tierwohlprämien gedeckt? Bisher gab es dazu keine umfassende Berechnung. Das Projekt liefert somit erstmals Auskunft zu dieser Frage.

2.2 Berechnungsmethodik und Szenarien

Aus der Grundgesamtheit von 901 IPS-Rindermastbetrieben wurde eine Stichprobe (40–80 Mastplätze) definiert. Daraus wurden zufällig 11 Betriebe ausgewählt, die bereit waren, ihre Buchhaltung offenzulegen und ergänzende Fragen zu beantworten. Im Durchschnitt hatten die Betriebe 57 Mastplätze. Im Vergleich liegt der Mittelwert der Grundgesamtheit bei 79 und der Median bei 50 Mastplätzen.

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Die Buchhaltungsdaten (Basis: 2019) wurden mit einem Betriebszweiganalysetool (www.agriperform.ch) auf Vollkostenebene verarbeitet. Eigenkosten betreffen in erster Linie die Entschädigung der familieneigenen Arbeitszeit, die mit CHF 28 je Arbeitskraftstunde veranschlagt wurde. Die gemittelten Ergebnisse wurden als sogenannte Baseline für die weiteren Berechnungen verwendet. Hauptszenario: Vergleich zwischen IPS- und konventionellen Betrieben (TSchV) Das Hauptszenario berechnete einen IST-Vergleich zwischen der Baseline (IPS-Betriebe) und einem simulierten Betrieb mit Minimalstandard nach TschV. Die Simulation ermöglichte die isolierte Betrachtung von Kosten- bzw. Erlöselementen, die einzig von den Tierwohlleistungen bedingt sind. Hierfür wurden neben dem Einbezug geltender Regelungen und Planungsnormen diverse Korrekturfaktoren angewandt, die über externe Kalkulationsmodelle berechnet wurden. «Risikoszenarien» IP-Suisse: Mit weiteren sogenannten Risikoszenarien wurde der Beitrag des Marktes (IPS-Labelprämie) und des Bundes (BTS/RAUS-Beiträge) berechnet: Zum einen wurde die Wirtschaftlichkeit der Labelbetriebe ohne Preiszuschläge analysiert («IPS ohne Labelprämie»). Zum andern wurde eine Variante ohne Direktzahlungen berechnet «IPS ohne BTS/RAUS», d. h. wenn die Betriebe keine BTS/RAUSBeiträge erhalten würden. Das Szenario «IPS ohne Labelprämie» entspricht einem Totalausfall der Labelprämie (100 %). In der Vergangenheit zeigte sich, dass die Labelprämie tatsächlich nicht immer für alle Tiere ausbezahlt werden konnte. Schätzungen von IP-Suisse gehen davon aus, dass rund 15 % der Tiere in den vergangenen Jahren nicht im Labelkanal vermarktet und deklassiert werden mussten. Entsprechend wurde für das Baseline-Szenario (IPS) der Verlust bei 15 % der Tiere ohne Labelprämie als Risikokosten geltend gemacht. Der Einbezug von Risikokosten ist insofern berechtigt, als die Bereitstellung von Tierwohlleistungen mit einer langfristigen Investition verbunden ist, die den Betrieb auch hinsichtlich eines investitionsbedingten, aufwändigen Arbeitsverfahrens (Stroh- und Mistmanagement) über längere Zeit bindet.

2.3 Ergebnisse der Betriebszweiganalyse Hauptszenario: Vergleich zwischen IPS- und konventionellem Betrieb (TSchV) Im Vergleich zu einem konventionellen Betrieb (TschV) haben die untersuchten IPS-Rindviehbetriebe zwar höhere Erlöse. Gleichzeitig sind sie aber auch mit deutlich höheren Kosten für Stroh, Gebäude und Arbeit konfrontiert. Nach Verrechnung der Mehrerlöse erzielen sie insgesamt einen Nettoverlust von CHF 7193 je Jahr gegenüber den konventionellen Betrieben (vgl. Tabelle 2 und Abbildung 1). Pro Mastplatz (MP) beträgt der Verlust CHF 126. Die Kostendeckung der Tierwohlleistungen sagt aus, um welchen Prozentsatz der Labelbetrieb die Mehrkosten mit den Mehrerlösen (Marktprämie und BTS/RAUS-Beiträge) decken kann; in diesem Fall 72 %. Das bedeutet, dass 28 % seiner tierwohlrelevanten Kosten nicht gedeckt sind. Die tiefe Kostendeckung rührt v. a. daher, weil die Betriebe durchschnittlich nur CHF 0,55 Preiszuschlag pro kg Schlachtgewicht (SG) realisieren konnten. Für eine vollständige Kostendeckung der Tierwohlleistungen über den Markt müssten die Betriebe einen Preiszuschlag von 88 Rappen realisieren können (+60 %). Sollte die Differenz über höhere Direktzahlungen ausgeglichen werden, dann müssten die BTS/RAUS-Beiträge mehr als verdoppelt werden (von CHF 280.– auf 590.–/ GVE).

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Tabelle 2: 2: Übersicht Übersichtüber überdie die wesentlichen Ergebnisse der Betriebszweiganalyse bei Rindermast Tabelle wesentlichen Ergebnisse der Betriebszweiganalyse bei Rindermast Hauptszenario (IPS zu TschV) Baseline IPS Unternehmensgewinn/-verlust -7193 (CHF absolut) Unternehmensgewinn/-verlust -126.– (CHF/Mastplatz) Kostendeckung Tierwohl (TW) 72 % in % Marktpreise 2019 (CHF/kg 9,54 Schlachtgewicht SG)* Davon Preiszuschlag Label 0,55 (CHF/kg SG) Nötige Prämie (Zuschlag) für 0,88 Kostendeckung TW Quelle: Agroscope 2020 2020 Quelle:Betriebszweiganalyse Betriebszweiganalyse Agroscope Legende: 20192019 inkl. Preiszuschlag Legende:*Marktpreis *Marktpreis inkl. Preiszuschlag

«Risikoszenarien» IP-Suisse

Konventionell (TSchV)

IPS ohne Labelprämie 0

8,99

IPS ohne DZ (BTS/RAUS)

-16 903.–

-11 041.–

-297.–

-194.–

27 %

53 %

8,99

9,54 0.,5 1,05

Risikoszenarien IP-Suisse: Risikoszenarien IP-Suisse:

IPS ohne Labelprämie: Ohne Labelprämie (LP) nimmt der Unternehmensverlust zu, pro Mastplatz IPS ohne Labelprämie: Ohne Labelprämie (LP) nimmt der Unternehmensverlust zu, pro Mastplatz steigt er auf CHF -297.-–. Damit sinkt der Kostendeckungsgrad auf 27 %. steigt er auf CHF -297. Damit sinkt der Kostendeckungsgrad auf 27 %. IPS ohne BTS/RAUS: Ohne Direktzahlungen des Bundes (BTS/RAUS) sinkt die Kostendeckung auf IPS%.ohne BTS/RAUS: Ohnedass Direktzahlungen des Bundes (BTS/RAUS) die Kostendeckung auf 53 Damit wird deutlich, die Betriebe stärker auf Preiszuschläge als sinkt auf Direktzahlungen 53 %. Damit wird deutlich, dass die Betriebe stärker auf Preiszuschläge als auf Direktzahlungen angewiesen Tierwohlleistungen werden nachnach diesen Berechnungen zu zweizuDrittel denüber angewiesen sind. sind.Die Die Tierwohlleistungen werden diesen Berechnungen zwei über Drittel Markt und zu einem Drittel Drittel vom Bund Um die Direktzahlungen zu kompensieren, müssten den Markt und zu einem vomfinanziert. Bund finanziert. Um die Direktzahlungen zu kompensieren, müssten die Betriebe die Labelzuschläge von heute CHF 0,55/kg SG auf CHF 1,05 erhöhen köndie Betriebe die Labelzuschläge von heute CHF 0.55/kg SG auf CHF 1.05 erhöhen können. nen. Abbildung 1: Übersicht über die Kostendeckung bei IPS-Labelbetrieben im Vergleich zur Mindestanforderung (TSchV)

Quelle: Betriebszweiganalyse Agroscope 2020 Legende: IPS-57 entspricht IPS Baseline mit 57 Mastplätzen inkl. Risikokosten; LP: Labelprämie und DZ: Direktzahlungen (BTS/RAUS)

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steigt er auf CHF -297.-–. Damit sinkt der Kostendeckungsgrad auf 27 %. IPS ohne BTS/RAUS: Ohne Direktzahlungen des Bundes (BTS/RAUS) sinkt die Kostendeckung auf 53 %. Damit wird deutlich, dass die Betriebe stärker auf Preiszuschläge als auf Direktzahlungen SCHWEIZER TIERSCHUTZ STS BETRIEBSZWEIGANALYSE DER AGROSCOPE angewiesen sind. Die Tierwohlleistungen werden nach diesen Berechnungen zu zwei Drittel über den Markt und zu einem Drittel vom Bund finanziert. Um die Direktzahlungen zu kompensieren, müssten die Betriebe die Labelzuschläge von heute CHF 0.55/kg SG auf CHF 1.05 erhöhen können. Abbildung1: 1: Übersicht Übersicht über IPS-Labelbetrieben im Vergleich zur zur MindestAbbildung über die dieKostendeckung Kostendeckungbei bei IPS-Labelbetrieben im Vergleich Mindestanforderung anforderung (TSchV)(TSchV) bei Rindermast

Quelle: Betriebszweiganalyse Agroscope 2020

Quelle: Betriebszweiganalyse Legende: IPS-57 entspricht IPS Baseline mitAgroscope 57 Mastplätzen2020 inkl. Risikokosten; LP: Labelprämie und DZ: Direktzahlungen (BTS/RAUS) Legende: IPS-57 entspricht IPS Baseline mit 57 Mastplätzen inkl. Risikokosten; LP: Labelprämie und DZ: Direktzahlungen (BTS/RAUS) Fazit 1: Die Kosten der Tierwohlleistungen bei den IPS-Rindviehmastbetrieben sind nur zu 72 % von der Tierwohlprämie gedeckt (Labelprämie plus BTS/RAUS-Beiträge). Zu rund einem Drittel werden diese Kosten vom Bund finanziert (BTS/RAUS). Erst wenn die heute im Durchschnitt erzielten Labelzuschläge von CHF 0,55 auf 0,88 pro kg SG erhöht werden, können die Labelproduzenten ihre Kosten für die Erzeugung der Tierwohlleistungen vollständig decken.

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3. Zusammenfassung der Betriebszweiganalyse von Agroscope für die Schweinemast 3.1 Einleitung

Schweinefleisch ist mengenmässig die wichtigste Fleischkategorie. Der Labelanteil liegt insgesamt bei rund einem Drittel der geschlachteten Tiere, im Detailhandel aber deutlich höher. Tabelle 3 zeigt die wichtigsten Anforderungen des IPS-Standards im Vergleich zum Mindeststandard nach Tierschutzverordnung. Tabelle 3: Wichtigste Tierwohlunterschiede zwischen IP-Suisse und Minimalstandard nach Tierschutzverordnung bei der Schweinemast IP-Suisse (IPS)

Mindeststandard nach Tierschutzverordnung (TschV)

Flächenangebot

0,85–1,25 m²/Tier* (bis 110 kg)

0,6–0,9 m²/Tier* (bis 110 kg)

Liegefläche

Nicht perforiert, eingestreut (BTSStandard Bund); plus mind. 50˚% Langstroh zur Beschäftigung

Teilperforiert, kein Stroh

Auslauf (ungedeckt)

Ja; 0,45–0,65 m²/Tier*; konform mit RAUS-Standard Bund

Kein Auslauf

Ferkelzukauf

Nur aus Zuchtschweinebeständen mit IPS-Standard (BTS/RAUS)

konventionell

Quelle: BLV (Tierschutzverordnung) und IP-Suisse 2020 (Richtlinien). Weitere Punkte können der STS-Labelbewertungsplattform www.essenmitherz.ch entnommen werden. Legende: *je nach Gewicht BTS = Besonders Tierfreundliche Stallhaltung (Direktzahlungsprogramm des Bundes) RAUS = Regelmässiger Auslauf ins Freie (Direktzahlungsprogramm des Bundes) Auch hier haben die höheren Anforderungen der Tierwohlprogramme entsprechende Auswirkungen auf die Direktkosten (Strohkosten, Ferkelzukauf) sowie auf die Strukturkosten (Gebäude, Arbeit). Analog zum Rindvieh werden die Tierwohlleistungen mit Tierwohlprämien in Form von Preiszuschlägen (Labelprämien) vom Markt bzw. mit speziellen Direktzahlungsprogrammen vom Bund honoriert (Beiträge BTS/RAUS 320.–/GVE). Auch hier stellt sich die Frage, inwiefern die Mehrkosten dieser Tierwohlleistungen auch vollumfänglich von den Tierwohlprämien gedeckt werden.

3.2 Berechnungsmethodik und Szenarien

Aus der Grundgesamtheit von 1251 IPS-Schweinemastbetrieben wurde eine Stichprobe (200–250 Mastplätze) definiert. Daraus wurden zufällig 10 Betriebe ausgewählt, die ausserdem bereit waren, ihre Buchhaltung offenzulegen und ergänzende Fragen zu beantworten. Im Durchschnitt hatten die Betriebe 215 Mastplätze. Im Vergleich liegt der Mittelwert der Grundgesamtheit bei 220 und der Median bei 140 Mastplätzen. Die Analyse ist gleich aufgebaut wie bei der Rindermast (vgl. Abschnitt 2.2) und untersucht die gleichen Szenarien.

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3.3

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Ergebnisse der Betriebszweiganalyse

3.3 Ergebnisse der Betriebszweiganalyse •

Hauptszenario: Vergleich zwischen IPS- und konventionellem Betrieb (TSchV)

Hauptszenario: Vergleich zwischen IPS-(TschV) und konventionellem Betrieb Im Vergleich zu einem konventionellen Betrieb weisen die untersuchten IPS-(TSchV) Schweinemastbetriebe höhere Erlös- und Kostenpositionen aus, wobei bei den Mehrkosten v. a. die Im Vergleich zu einem konventionellen Betrieb (TschV) weisen die untersuchten IPS-SchweinemastDirektkosten (Ferkelzukauf, als auchaus, die Strukturkosten Arbeit) betriebe höhere Erlös- undKraftfutter) Kostenpositionen wobei bei den(Gebäude, Mehrkosten v. a.auffallend die Direktkosten höher sind. In einem durchschnittlichen JahrStrukturkosten können die IPS-Betriebe ihreArbeit) Kostenauffallend für (Ferkelzukauf, Kraftfutter) als auch die (Gebäude, höher sind. In einem durchschnittlichen Jahr aber können Kosten fürliegt Tierwohlleistungen Tierwohlleistungen nur annähernd, nichtdie zu IPS-Betriebe 100 % decken.ihre Entsprechend der Nettoverlust nur annähernd, aber nicht zu 100 % decken. Entsprechend liegt der Nettoverlust gegenüber gegenüber dem simulierten konventionellen Betrieb bei CHF -2 835.–, was einem Verlust von dem CHF -simulierten konventionellen Betrieb bei CHF 2835, was einem Verlust von CHF 13,20 je Mastplatz ent13.20 je(vgl. Mastplatz entspricht (vgl. Tabelle und Labelproduktion Abbildung 2). Die kann Labelproduktion somit spricht Tabelle 4 und Abbildung 2).4 Die somit ihre kann Kosten im ihre Vergleich Kosten im Vergleich zur konventionellen Produktion nur zu 91 % decken. Aus wirtschaftlicher Sicht zur konventionellen Produktion nur zu 91 % decken. Aus wirtschaftlicher Sicht besteht somit kein Anreiz die Labelproduktion einzusteigen. Die nötige Prämie einePrämie Kostendeckung bestehtinsomit kein Anreiz in die Labelproduktion einzusteigen. Die für nötige für eine müsste von den ausgewiesenen CHF 0,275 auf 0,32 pro kg SG ansteigen. Kostendeckung müsste von den ausgewiesenen CHF 0.275 auf 0.32 pro kg SG ansteigen. Tabelle 4: Übersicht Übersichtüber überdie diewesentlichen wesentlichen Ergebnisse Betriebszweiganalyse bei Schweinemast Ergebnisse derder Betriebszweiganalyse bei Schweinemast IST-Varianten IP-Suisse zu QM Baseline IPS

Konventionell (TSchV)

Unternehmensgewinn/-2835 verlust (CHF absolut) Unternehmensgewinn/-13,2 verlust (CHF/Mastplatz) Kostendeckung Tierwohl 91 % (TW) in % Marktpreise 2018 (CHF/kg Schlachtgewicht 4,025 SG)* Preiszuschlag Label 0,275 (CHF/kg SG) Nötige Prämie (Zuschlag) 0,32 für Kostendeckung TW Quelle: Betriebszweiganalyse Agroscope 2020 Quelle: Betriebszweiganalyse Agroscope 2020 Legende: *Marktpreis 2018 inkl. Preiszuschlag

3,75

Betriebsvarianten IP-Suisse IPS ohne Labelprämie

IPS ohne DZ (BTS/RAUS)

-17 062

-14 547

-79,2

-67,6

41 %

54 %

3,75

4,025 0,275 0,51

Legende: *Marktpreis 2018 inkl. Preiszuschlag • Risikoszenarien IP-Suisse:

Risikoszenarien IP-Suisse:

IPS ohne Labelprämie und IPS ohne Direktzahlungen: Die Kosten der Tierwohlleistungen sind IPS ohne 41 Labelprämie und IPS ohne Die Kosten gedeckt. der Tierwohlleistungen sind zwizwischen % (ohne Labelprämie) undDirektzahlungen: 54 % (ohne Direktzahlungen) Auch hier zeigt sich schen 41  % (ohne Labelprämie) und 54  % (ohne Direktzahlungen) gedeckt. Auch hier zeigt deutlich, dass die Abgeltung vom Markt für die Produzenten von existenzieller Wichtigkeit ist. Ihre sich deutlich, dass die Abgeltung vom Markt für die Produzenten von existenzieller Wichtigkeit ist. Ihre Mehrleistungen erhalten 6060 % % vom Markt undund zu gut 40 %40 % vom vom BundBund finanziert. Ohne Ohne Mehrleistungen erhaltensie siezuzuknapp knapp vom Markt zu gut finanziert. Direktzahlungen müsste Labelprämie fastfast verdoppelt werden (CHF(CHF 0.51 pro kgpro SG).kg SG). Direktzahlungen müsstedie die Labelprämie verdoppelt werden 0,51   Abbildung 2: Übersicht über die Kostendeckung bei IPS-Schweinemastbetrieben im Vergleich zur Mindestanforderung (Tierschutzverordnung)

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Abbildung 2: Übersicht über die Kostendeckung bei IPS-Schweinemastbetrieben im Vergleich zur Mindestanforderung (TSchV) bei Schweinemast

Quelle: Betriebszweiganalyse Agroscope 2020

Quelle: Betriebszweiganalyse Agroscope 2020 Legende: IPS-215 entspricht IPS Baseline mit 215 Mastplätzen inkl. Risikokosten; LP: Labelprämie und DZ: Direktzahlungen (BTS/RAUS) Legende: IPS-215 entspricht IPS Baseline mit 215 Mastplätzen inkl. Risikokosten; LP: Labelprämie und DZ: Direktzahlungen (BTS/RAUS) Fazit 2: Die Kosten der Tierwohlleistungen bei den IPS-Schweinemastbetrieben sind zu 91 % von der Fazit 2: Tierwohlprämie gedeckt (Labelprämie plus BTS/RAUS-Beiträge). Zu rund 40 % werden diese Kosten Die Kosten der Tierwohlleistungen bei den IPS-Schweinemastbetrieben sind zu 91 % von der vom Bund finanziert (BTS/RAUS). Tierwohlprämie gedeckt (Labelprämie plus BTS/RAUS-Beiträge). Zu rund 40 % werden diese Eine vollständige Kostendeckung bei den Tierwohlleistungen würde eine Erhöhung der Labelprämie Kosten vom Bund finanziert (BTS/RAUS). von durchschnittlich CHF 0.275 auf 0.32 pro kg SG notwendig machen. Eine vollständige Kostendeckung bei den Tierwohlleistungen würde eine Erhöhung der Labelprämie von durchschnittlich CHF 0,275 auf 0,32 pro kg SG notwendig machen.

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4. Grösseneffekte und zur Frage der Motivation und fairen Marktstrukturen Die vergleichende Analyse wurde mit Betrieben durchgeführt, die durchschnittlich 57 (Rind) bzw. 215 (Schwein) Mastplätze haben. Grundsätzlich gilt: Je mehr Mastplätze ein Betrieb hat, desto besser werden auch die Mehrkosten für Tierwohlleistungen gedeckt; umgekehrt haben kleinere Betriebe grössere Mühe, die Tierwohlkosten mit den Tierwohlprämien (Markt/Direktzahlungen) zu decken. Grund dafür ist, dass sich Tierwohlprämien proportional mit dem Tierbestand verhalten, während Gebäude- und Arbeitskosten nicht proportional steigen bzw. sinken (Degressionseffekte). Rind: Der Median von 50 Mastplätzen sagt aus, dass 50 % der IPS-Betriebe weniger bzw. mehr als 50 Mastplätze haben. Die vorliegenden Berechnungen beziehen sich auf 57 Mastplätze, weshalb die Mehrheit der IPS-Betriebe in der Tendenz eine noch schlechtere Kostendeckung aufweisen dürften. Schwein: Bei den Schweinen liegt der Durchschnitt der untersuchten Betriebe bei 215 Mastplätzen, wobei der IPS-Median bei 140 Mastplätzen markant tiefer liegt. Somit dürften effektiv deutlich mehr als die Hälfte der Betriebe schlechtere Zahlen ausweisen, indem die Kosten für Tierwohlleistungen schlechter gedeckt sind. Warum erbringen Betriebe trotzdem Tierwohlleistungen? Motivierend für den Einstieg in die Produktion mit Tierwohlmehrwert war für die Betriebsleiter bestimmt der über Jahre hinweg zunehmende Trend bei Markt und Gesellschaft, die sich mit entsprechenden Preiszuschlägen und Direktzahlungen auswirkten. Bei Stallneu- oder -umbauten konnten die Betriebsleiter von stabil steigenden Nachfragen ausgehen und erzielten grundsätzlich höhere Preise. Sicher spielen diesbezüglich auch nicht-ökonomische Motive des Betriebsleiters eine Rolle (eigene Werthaltung, Freude am Thema) und der zunehmend gesellschaftliche Druck, dass die tierethischen Themen an Bedeutung gewinnen. Auf der anderen Seite werden die höheren Strukturkosten auf den Betrieben oft unterschätzt (Problem «Sunk Costs»). Kosten werden vergessen bzw. nicht vollständig eingerechnet oder die Betriebe sind bereit, für einen tieferen Eigenlohn zu arbeiten. Der Rindvieh-Betriebszweig mit eigener Grundfutterproduktion ist davon stärker betroffen als der Schweinemastbetrieb, der aufgrund des stärkeren Outsourcings besser kalkuliert werden kann. Marktrisiken werden in der Kostenkalkulation für die langfristigen Investitionen oft nur ungenügend einbezogen. Produzenten unterschätzen auch die Marktgegebenheiten, dass sie sich in einer polypolistischen Angebotsstruktur bewegen (viele Anbieter). Die Abnehmer demgegenüber bewegen sich in einer oligopolistischen Struktur (wenige Abnehmer) und haben somit in der Verhandlungsposition hinsichtlich Labelprämie deutlich bessere Karten.

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Fazit 3: Ein Marktsystem kann nur «fair» sein, wenn sich Abnehmer und Produzenten proportional am Markterfolg beteiligen können und ihre Kosten gedeckt sind. Denn letztere sind es schliesslich, die die Tierwohlmehrwerte erzeugen. Ein faires Marktsystem hat also zwei Voraussetzungen zu erfüllen: 1. Minimalanforderung Kostendeckung: Die Produktionskosten für die Erzeugung der Tierwohlleistungen sind vollumfänglich zu decken. Wenn der Markt bzw. die Marktakteure ihre Verantwortung nicht übernehmen, dann hat der Staat lenkend einzugreifen und diese Kostendeckung sicherzustellen. 2. Faire Produzentenanteile: Über die Minimumleistungen hinaus müssen sich die Produzenten am Markterfolg proportional beteiligen können. Die STS-Marktanalysen haben bestätigt, dass dies nicht der Fall ist und die Produzentenanteile von den Labelprodukten an der Gesamtwertschöpfung geringer sind als bei der konventionellen Produktion. Diesbezüglich verspricht der Branchenansatz «Maximale Produzenten-Konsumentenpreisrelationen» eine deutliche Verbesserung, weil sich die Wertschöpfungsanteile der Produzenten proportional zur übrigen Wertschöpfung bewegen müssen. D. h. die maximalen Verkaufspreise für Label- und Bioprodukte richten sich proportional nach dem Preisaufschlag bei den Produzentenpreisen. Auch diesbezüglich hat der Staat als Regulator eine Verantwortung zu übernehmen. Die gemäss Bundesverfassung vorgeschriebene nachhaltige Nahrungsmittelproduktion kann nur funktionieren, wenn die Kostenwahrheit sichergestellt wird. Labelprodukte, die heute preislich schlechter gestellt sind, weil sie Kosten wie das Tierleid nicht auslagern, müssen vom Staat gefördert werden. Der Bund hat lenkend einzugreifen und die Nahrungsmittelproduktion in Richtung «Prinzip der Kostenwahrheit» zu bewegen.

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5. Schlussfolgerungen Aus den vorliegenden Forschungsergebnissen können folgende Forderungen abgeleitet werden:

Forderungen an die Marktakteure

1. Gerechte Abgeltung der bestellten Tierwohlleistungen Die Produzentenanteile sind bei Tierwohlprodukten im Verhältnis zur Gesamtwertschöpfung nicht nur geringer, auch können die Produzenten ihre Kosten zur Erzeugung der Tierwohlleistungen nicht decken. Bei der Rindviehmast sind rund ein Viertel der Aufwendungen für das Tierwohl nicht entschädigt, bei der Schweinemast rund 10 %. Am Markterfolg sollen sich schliesslich alle Marktakteure gerecht beteiligen können. Dies kann nur sichergestellt werden, wenn die Branche einen Ansatz «Maximale Produzenten-Konsumentenpreisrelationen» anwendet, d. h. die Verkaufspreise der Labelprodukte proportional den gleichen Aufschlag zum konventionellen Produkt haben wie bei den Produzentenpreisen (Erläuterungen siehe oben).  Die Abgeltung der Mehrkosten für die Erzeugung der Tierwohlmehrwerte hat vollumfängliche Kostendeckung sicherzustellen. Die Labelzuschläge sind entsprechend zu erhöhen. 2. Wachstumsimpulse für die tierfreundlich erzeugten Produkte Die derzeitige Stagnation der Labelproduktion erhöht das Risiko, dass die Produzenten ihre Labelprämien nicht vollständige ausbezahlt erhalten. Ausserdem können die Vorteile der Grösseneffekte nicht maximal genutzt werden, welche die Kostendeckung von Tierwohlleistungen begünstigen würde.  Es sollen konkrete Schritte mit verbindlichen Massnahmen zur Ankurbelung der Labelproduktion in die Wege geleitet werden.

Forderung an die Politik

3. Ausbau der Tierwohlprogramme Der Bund soll aktiv die Tierwohlprogramme BTS/RAUS stärken und die Beteiligungen in allen Tierkategorien gezielt erhöhen («Ausbaupfad Tierwohl»). Zudem sollen spezielle Programme gestartet werden wie z. B. für den Ausbau Weidehaltung oder die Förderung von Zweinutzungsrassen.  Im Rahmen der Agrarpolitik sollen die Tierwohlprogramme gestärkt und mit deutlich mehr Mitteln ausgestattet werden.

Forderung an die Politik und die Marktakteure

4. Anreize schaffen für die Tierwohlproduktion, die über die Kostendeckung hinausgehen Die obigen Forderungen ermöglichen eine Kostendeckung für die tierfreundliche Produktion. Damit dem Verfassungsauftrag der nachhaltigen Produktion Rechnung getragen werden kann, ist die Tierwohlproduktion darüber hinaus zu fördern. Heute sind nicht nachhaltige Produktionssysteme im Vorteil, weil sie Tierwohl/-leidkosten auslagern, diese also dem Preis nicht angerechnet werden (keine Kostenwahrheit).  Mit einer Anreizstrategie sollen die Labelprämien und Direktzahlungen (BTS/RAUS oder Investitionsförderung) über die Kostendeckung hinaus gefördert werden.

Forderung an die Konsumentinnen und Konsumenten

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5. Verantwortungsvoller Konsum und Kauf von tiergerechten Produkten Die Forderungen 1 bis 3 lassen sich nur realisieren, wenn die Konsumentinnen und Konsumenten beim Kauf von tierfreundlich erzeugtem Fleisch mitmachen. Dies betrifft v. a. auch die Ausserhausverpflegung, wo die Labelanteile heute noch sehr tief sind.  Die Konsumentinnen und Konsumenten konsumieren verantwortungsvoll und manifestieren dies mit dem Kauf von tiergerecht erzeugten Produkten.


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