Tomas Tomasek (Hg.): Gottfried von Straßburg. Tristan und Isolde

Page 1

TRISTAN UND ISOLDE

KRITISCHE EDITION

Gottfried von Straßburg
Textband

*X = zugleich mutmaßlicher Archetyp der Fortsetzung Ulrichs von Türheim

**Ebe = zugleich mutmaßlicher Archetyp der Fortsetzung Heinrichs von Freiberg

durchgezogene Linie = direkte und dauerhafte Filiationsbeziehung (Zwischenstufen stets möglich)

gestrichelter Pfeil = punktueller Einfluss der Nebenquelle

Ganzhandschriften MMünchen, HHeidelberg, WWien, FFlorenz, BKöln, N OKöln, RBrüssel, EModena, PBerlin, *S SHamburg, Fragmente aInnsbruck, tTübingen, m f1/h/f ffFrankfurt z/z1 sStraßburg, lBerlin, öAugsburg, wWien, vWürzburg, e1/e q1/q rFrankfurt p bWien, g nMünchen, Gesamtübersicht: (D) = des Fragments BSB = und Universitätsbibliothek; um 1210 Original Archetyp *Z *X *BNE *NRS *W *OPv *OP **O *Fp *Ebe *Eb **Ebe *N *FBNE *Y M *H a m H ff f1/h/f z/z1 q1/q F r p B b N g O P R S n E ℓ β α γ öWw v e1/e s t 1250 1300 1323 1350 1400 1450 1461 1489 1500 1722 *E *RS **S *S δ *O

Ganzhandschriften in chronologischer Folge

MMünchen, BSB, Cgm 51........................................................

HHeidelberg, UB, Cpg 360......................................................handschriftencensus.de/1278

WWien, ÖNB, Cod. 2707.........................................................handschriftencensus.de/3130

FFlorenz, NB, Cod. B. R. 226.................................................

BKöln, Histor. Archiv, Best. 7020 (W*) 88...........................handschriftencensus.de/3203

N Berlin, Staatsbibl., mgq 284 ..................................................handschriftencensus.de/3230 (D)

OKöln, Histor. Archiv, Best. 7020 (W*) 87...........................handschriftencensus.de/5216 (D)

RBrüssel, Königl. Bibl., ms. 14697.........................................handschriftencensus.de/7449 (D)

EModena, Bibl. Estense, Ms. Est. 57......................................handschriftencensus.de/6103 (D)

PBerlin, Staatsbibl., mgf 640..................................................handschriftencensus.de/4397 (D)

*S Straßburg, Privatbesitz Scherz [verschollen]..................... handschriftencensus.de/5699

SHamburg, SUB, Cod. germ. 12............................................ebd. „Ergänzender Hinweis“ (D)

Fragmente in chronologischer Folge

aInnsbruck, Landesm. Ferdinandeum, Cod. FB 1519/III.handschriftencensus.de/1054 (D)

tTübingen, UB, Cod.

Eis, Hs. 63........................... ebd.

rFrankfurt a. M., UB, Ms. germ. oct. 5................................handschriftencensus.de/1070 (D)

p Wiesbaden, Hauptstaatsarchiv, Abt. 1105 Nr. 42 handschriftencensus.de/23780 (D)

bWien, ÖNB, Cod. 15340.......................................................

g Linz, Landesarchiv, Pa I/3b ..................................................

handschriftencensus.de/2707 (D)

handschriftencensus.de/2958 (D)

nMünchen, BSB, Cgm 5249/75..............................................handschriftencensus.de/5887 (D)

Gesamtübersicht: handschriftencensus.de/werke/135

(D) = mit Digitalisat (im Handschriftencensus jeweils unter der Rubrik „Abbildungen“, im Falle des Fragments h (Transkription) ebd. unter der Rubrik „Literatur“: Birlinger)

BSB = Bayer. Staatsbibliothek; ÖNB = Österr. Nationalbibliothek; NB = Nationalbibliothek; NUB = Nationalund Universitätsbibliothek; SUB = Staats- und Universitätsbibliothek; UB = Universitätsbibliothek

handschriftencensus.de/1286
(D)
(D)
(D)
handschriftencensus.de/2686
(D)
(D)
(D) m Berlin, Staatsbibl.,
................................................handschriftencensus.de/1267 (D) f1/h/f Augsburg, Staats-
Fragm. germ. 31..............handschriftencensus.de/1056 (D) München,
[verschollen].........................handschriftencensus.de/1221 (D) Köln, Histor. Archiv, Best. 7050 (Hss.-Fragm.) A 44.......handschriftencensus.de/1056 (D) ffFrankfurt a. M., UB, Fragm. germ. II 5.............................handschriftencensus.de/1518 (D) z/z1 Zürich, Staatsarchiv, C VI 1, VI, Nr. 6°..............................handschriftencensus.de/1220 (D) sStraßburg, NUB, ms. 2280...................................................handschriftencensus.de/1213 (D) lBerlin, Staatsbibl., mgf 923,5...............................................handschriftencensus.de/1052 (D) öAugsburg, UB, Cod. III.1.4° 8, Fragm. 1............................handschriftencensus.de/1149 (D) wWien, ÖNB, Cod. 2707, Bl. II...............................................handschriftencensus.de/3128 (D) vWürzburg, UB, M. p. misc. f. 35..........................................handschriftencensus.de/1872 (D) e1/e Hamburg, SUB, Cod. germ. 15, Fragm. 3a........................ handschriftencensus.de/2181 (D) Tomsk, UB, B-4146 ................................................................ ebd. (D) q1/q Dillingen, Studienbibl., XV Fragm. 25............................... handschriftencensus.de/2016 (D) Heidelberg, Privatsammlung
Md 671................................................handschriftencensus.de/1214
mgf 923,4
u. Stadtbibl.,
Antiq. Rosenthal
*OPv v

Gottfried von Straßburg

Tristan und Isolde

Kritische Edition des Romanfragments auf Basis der Handschriften des frühen X-Astes unter Berücksichtigung der gesamten Überlieferung

Herausgegeben von Tomas Tomasek

in Zusammenarbeit mit Frank Schäfer

Textband

Schwabe Verlag

Publiziert mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2023 Schwabe Verlag, Schwabe Verlagsgruppe AG, Basel, Schweiz

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Das Werk einschließlich seiner Teile darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in keiner Form reproduziert oder elektronisch verarbeitet, vervielfältigt, zugänglich gemacht oder verbreitet werden.

Abbildung Umschlag: Bayerische Staatsbibliothek München, Cgm 51, Bl. 60r

Umschlaggestaltung: icona basel gmbh, Basel

Satz: Dörlemann Satz, Lemförde

Stemma: Frank Schäfer, Münster

Karte: Qiu-Zi Yang, Münster/Berlin (Entwurf); Peter Palm, Berlin (Layout)

Druck: Hubert & Co, Göttingen

Printed in Germany

ISBN Hardcover 978-3-7965-4532-0

ISBN Broschur 978-3-7965-4533-7

ISBN eBook (PDF) 978-3-7965-4729-4

DOI 10.24894/978-3-7965-4729-4

rights@schwabe.ch

www.schwabe.ch

Inhalt Vorwort VII Zum Konzept und zur Benutzung der Ausgabe IX Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Zum weiteren Handlungsverlauf bei Thomas von Britanje . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 Namenverzeichnis 366 Rekonstruktion des Handlungsraums (Karte) 376 Übersicht: Buch- und Kapitelstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378

Inhalt des Begleitbandes

A Einleitung

1 Zur Notwendigkeit einer neuen Gottfried-Ausgabe

1 .1 Die versäumte Erfassung der Variantenlage

1 .2 Editorische Unstimmigkeiten

1 .3 Neue Forschungsergebnisse

2 Zum Konzept der neuen Ausgabe

2 1 Der Variantenapparat

2 .2 Der Editionstext

2 .3 Nachvollziehbarkeit des edierten Textes

3 Zum Titel der Ausgabe

4 Zur Textgestaltung im Einzelnen

4 1 Die Werkgliederung

4 2 Die Interlokutionen

4 .3 Die metrische Gestaltung

4 .4 Namen

4 .5 Spezielle Vorgehensweisen

5 Editorische Zusatzmaßnahmen

5 1 Längenzeichen

5 2 Interpunktion

5 .3 Paratexte

5 .4 Verständnishilfen

5 .5 Normalisierungen

5 6 Variantenpräsentation

5 7 Folio-Angaben

6 Zum Stemma

6 .1 Umbenennungen gegenüber dem Wetzel-Stemma

6 .2 Neupositionierungen gegenüber dem Wetzel-Stemma

6 .3 Einordnung der neuesten Funde

6 4 Stemmatische Integration der Gottfried-Fortsetzungen

6 5 Formen der Kontamination

6 .6 Strukturierung des Z-Astes anhand der Gliederungselemente

6 .7 Abbildung des Stemmas

B Die Handschriften

C Editorischer Stellenkommentar

D Apparat der Spätüberlieferung

E Literatur

F Anhänge

1 Zur fragmentarischen Überlieferung

2 Die -(e)n(t)-Formen (2 . Pl .) in der Verbflexion der Frühüberlieferung

3 Abschnittsparaphrasen in der Spätüberlieferung

4 Die Exzerpte aus Handschrift *S von Johann Georg Scherz

VI Inhalt

Vorwort

Die vorliegende Neuausgabe des berühmten Romans Gottfrieds von Straßburg ist eine Gemeinschaftsleistung Allein die Überprüfung der zahlreichen Textzeugen dieses Großwerks von fast 20 000 Versen bedarf eines arbeitsteiligen Vorgehens . Hinzu kommen die unübersichtliche (kontaminierte) Überlieferungslage und nicht zuletzt die anspruchsvolle Natur der Gottfried’schen Dichtung selbst mit ihren Neologismen, Interlokutionen, abgestuften Initialen etc ., die ein ‚routinemäßiges‘ Edieren kaum zulässt . Vielmehr ist –auch angesichts der Vielzahl von Präsumptivvarianten – ein ständiges Mitdenken alternativer editorischer Optionen erforderlich, wie es am besten in einer eingespielten Gruppe gelingen kann Dass sich die bisherigen Herausgeber mit Gottfrieds Werk und seiner Überlieferung sichtlich schwergetan haben, dürfte auch an ihrer einzelkämpferischen Vorgehensweise gelegen haben, bei der die Arbeitskraft begrenzt ist und die Textherstellung auf einem einzigen iudicium beruht .

Demgegenüber ist die vorliegende Edition von Anbeginn in einen Kreis von mitarbeitenden Wissenschaftlern und Studierenden eingebettet gewesen, der bis zur Drucklegung Bestand hatte . In diesem ‚tristanischen Gesprächsraum‘ an der Universität Münster ist der Editionstext in mehr als vierzehnjähriger gemeinsamer Arbeit Vers für Vers sorgfältig erörtert und erprobt worden So ist es im Vorfeld der zahllosen editorischen Einzelentscheidungen auch immer möglich gewesen, mehrere Perspektiven einzunehmen und gegeneinander abzuwägen . Die zum Teil sehr aufwendigen Recherchen und Kontrolldurchgänge konnten auf mehrere Schultern verteilt werden .

Viele Personen haben in diesem Editionskreis mitgearbeitet, woran ich mit großer Dankbarkeit und Freude zurückdenke . Einige seien hier hervorgehoben, weil sie mit ihren Beiträgen das Team geprägt und bis zuletzt darin mitgewirkt haben: Dr Hans-Jörg Spitz, der die Ausgabe von der Planungsphase an mit Rat und Tat unterstützt hat; Jan Rösmann, der u a die unbeachtet gebliebenen Gottfried-Exzerpte des 18 . Jahrhunderts aufbereitet hat; Andreas Schoonhoven, der wichtige Entdeckungen zur Werkgliederung beigesteuert hat; Maren Siemering, die den Verständnishilfen-Apparat betreut hat; und Qiu-Zi Yang, die sich u . a . um die Geographie des Romans (Karte) verdient gemacht hat . 1

Vor allem aber möchte ich Dr . Frank Schäfer danken, ohne dessen Zusage ich das Editionsprojekt nie begonnen hätte und der mit seiner hohen paläographischen und textkritischen Kompetenz der ruhende Pol des Projekts gewesen ist Aus seiner Feder stammen u a die editorischen Kommentare im Begleitband, die ein Herzstück der Ausgabe bilden, sowie auch die Ausführungen zur stemmatischen Entfaltung des Z-Astes und die Fragmenttranskriptionen .

Großer Dank gebührt auch den zahlreichen Studierenden, die zusammen mit ihren Lehrenden in Gottfried-Seminaren die Verständnishilfen der Ausgabe erprobt haben . Außerdem gilt den Bibliotheken im In- und Ausland mein Dank, die ihre Handschriftenbestände zu Gottfried von Straßburg rechtzeitig

1 Herzlicher Dank geht außerdem an Marie Baron, Prof Dr Davide Bertagnolli, Dr Heike Bismark, Bianca Buhr, Prof Dr Wolf Dietrich, Hannah Gerlach, Maren Kümper, Dr Ute Nanz-Lorenz, Dr Elmar Neuß, Daniela Riegermann, PD Dr . Hanno Rüther, Saskia Scheer, Christina Segeler, Prof . Dr . Klaus Speckenbach, Prof . Dr . Jochen Splett, Nina Thatenhorst und Dr . Yasemin Yılmaz Salcı für ihre tatkräftige Unterstützung bzw . Mitarbeit in der Editionsgruppe .

VII Vorwort

zum Erscheinen der Ausgabe digitalisiert und online gestellt haben . Dies wird der universitären Lehre wie auch der zukünftigen Forschung sehr zugutekommen .

Zahlreiche externe Wissenschaftler haben mit ihren Ratschlägen die Edition gefördert2 bzw . an den beiden Arbeitstagungen zur Gottfried-Edition in Münster im September 2013 und Juli 2016 teilgenommen 3 Insbesondere Prof Dr René Wetzel (Genf) hat dem Projekt in all den Jahren fachlich zur Seite gestanden – stets mutmachend, zuweilen auch genauere Klärungen anmahnend . Der von ihm in Genf im September 2014 durchgeführte Workshop zur Gottfried-Edition hat erheblich zum Fortschritt der Ausgabe beigetragen . Prof . Dr . Eckart Conrad Lutz (Fribourg), der Gottfrieds Dichtung als ein Werk versteht, das die Rezipienten zum Dialog einladen möchte, hat dem Editionsteam ebenfalls wichtige Anregungen gegeben

Dankenswerterweise hat die vorliegende Neuedition des Gottfried’schen Werks von der Deutschen Forschungsgemeinschaft für einen Zeitraum von fünf Jahren Fördermittel sowie einen Kostenzuschuss für die Drucklegung erhalten . Dafür, dass es nach Ablauf der Förderung möglich geworden ist, vorhandene Ressourcen zu strecken und die Editionsgruppe weiter zu beherbergen, sei der Universität Münster, insbesondere dem Germanistischen Institut, aufrichtig gedankt .

Die anspruchsvolle Drucklegung der Ausgabe hat der Schwabe-Verlag (Basel/Berlin) übernommen; der Geschäftsführerin Susanne Franzkeit sei für ihr Interesse und ihre Geduld gedankt

Und nicht zuletzt: Dank an meine Frau, die immer an die neue Gottfried-Ausgabe geglaubt hat!

Münster, im Juni 2023 Tomas Tomasek

2 Dank für wertvolle Rückmeldungen geht an Prof Dr Anna Kathrin Bleuler (Salzburg), Prof Dr Kathrin Chlench-Priber (Bonn), Prof Dr Gerd Dicke (Eichstätt), Prof Dr Kurt Gärtner (Trier), Dr Katharina Gedigk (Genf), Dr . Robert Gisselbaek (Genf), Christian Griesinger (Bern), Paul Fritz König (Gescher), Dr . Karin Schneider (Herrsching), Dr . Anna Sziráky (Genf) und Dr . Stefan Tomasek (Würzburg) .

3 Teilnehmer waren: Prof . Dr . Davide Bertagnolli (Bologna), Prof . Dr . Hartmut Bleumer (Göttingen), Prof . Dr . Gerd Dicke (Eichstätt), Susanne Franzkeit (Basel/Berlin), Prof . Dr . Kurt Gärtner (Trier), Dr . Ingrid Hahn (Münster), Judith Hinterkeuser (Lyon), Prof Dr Manfred Kern (Salzburg), Prof Dr Eckart Conrad Lutz (Fribourg), PD Dr Thomas Neukirchen (Aachen), Dr Elmar Neuß (Münster), Prof Dr Silvia Schmitz (Aachen), Prof . Dr . Klaus Speckenbach (Münster), Prof . Dr . Jochen Splett (Münster), Dr . Rudolf Suntrup (Münster), PD Dr . Tina Terrahe (Marburg), Dr . Christophe Thierry (Lyon), Prof . Dr . René Wetzel (Genf), Prof . Dr . Friedrich Wolfzettel (Frankfurt a . M .), Prof . Dr . Hans-Joachim Ziegeler (Köln) .

VIII Vorwort

Zum Konzept und zur Benutzung der Ausgabe

Mit dieser Neuedition von Gottfrieds Romanfragment Tristan und Isolde liegt erstmals eine Ausgabe vor, die die gesamte Überlieferung des Werkes berücksichtigt und einen Text bietet, dessen Herstellung auf klar definierten Regeln der Handschriftenkritik beruht . Die Überlieferungsvarianten werden in zwei Apparaten präsentiert: Der Textband enthält den Editionsapparat (App . Ia) mit den Varianten der Frühüberlieferung (bis um 1300); der Apparat der Spätüberlieferung (App . II) befindet sich im Begleitband . Auf diese Weise bleibt der Editionsapparat übersichtlich und macht die editorischen Entscheidungen leicht überprüfbar Bewusst ist auf die Beigabe einer Übersetzung verzichtet worden, um einen unmittelbaren Zugang zu Gottfrieds Text und seiner Sprachästhetik zu gewährleisten Zur leichteren Erschließung sind dem Text aber in einem zusätzlichen Apparat (App . Ib) Verständnishilfen beigegeben . Ein dritter Apparat (App . Ic) macht die im Text auszumachenden Vortragseinheiten kenntlich . Näheres ist den folgenden Hinweisen zu entnehmen .

1 Der Archetyp von Gottfrieds Roman entzieht sich aufgrund starker Überlieferungskontamination (= Mischung mehrerer Vorlagen durch diverse Schreiber) und der Herausbildung zahlreicher Präsumptivvarianten (= frühe gleichwertige Varianten) einer durchgehenden Rekonstruktion (vgl das Stemma auf der vorderen Einbandklappe) . Nur im frühen X-Ast gibt es unkontaminierte Ganzhandschriften (M und H), deren gemeinsamen Vorläufer *X – einen archetypnahen Textzeugen – zu rekonstruieren das Ziel der vorliegenden Edition ist (‚Leitastprinzip‘) . Dabei ist zu bedenken, dass der H-Schreiber ein sehr treuer Kopist seiner Vorlage war, dem allerdings Flüchtigkeitsfehler unterlaufen sind (z B Buchstaben-, Wort- oder Versverluste), und dass der M-Schreiber nicht selten (durch Umformulierungen oder bewusste Kürzungen) in den X-Text eingegriffen hat Auf Lesarten der X-externen Überlieferung wurde nur dort ausgewichen, wo die frühen X-Handschriften eindeutig den Sinn verzerren oder fehlerhaft sind . Diese editorischen Eingriffe sind durch Kursivsatz gekennzeichnet .

2 Die durch das Namen-Initialenspiel (vgl die roten Initialen im Editionstext) angezeigte Gliederung des Romans in Bücher wird in der Ausgabe zusätzlich durch Seitenumbrüche verdeutlicht Die für alle Gliederungsaspekte maßgebliche Handschrift H ist darüber hinaus in Kapitel untergliedert (angezeigt durch die Kombination von Initiale und Kapitelzeichen), deren Beginn in der Edition jeweils durch eine Freizeile kenntlich gemacht und deren Thema in der rechten Kopfzeile angegeben wird . Die linke Kopfzeile verweist auf das Thema des jeweiligen Buches . Eine dritte (in H durch zweizeilige Initialen gekennzeichnete) und vierte (in H durch Kapitelzeichen markierte) Gliederungsebene werden in der Edition durch zwei- bzw einzeilige schwarze Initialen angezeigt  – Eine Gesamtübersicht über die Buch- und Kapitelstruktur findet sich am Ende dieses Bandes

3 . Die Interpunktion des Textes ist als ein Lektüremodell nach modernen Zeichensetzungsregeln zu verstehen, das vor allem kommunikative Akte (Aussagen, Fragen, Ausrufe, Einschübe etc .) verdeutlicht . Es handelt sich um ein Angebot zum Erstverständnis des Textes; den Nutzern steht es jederzeit frei,

IX Zum Konzept und zur Benutzung der Ausgabe

sich von der vorgegebenen Zeichensetzung zu lösen, da die Handschriften nur in wenigen Einzelfällen syntaktische Interpunktion aufweisen .

4 Die metrische Wiedergabe erfolgt so, dass den Nutzern ein größtmögliches Maß an rhythmischer Freiheit überlassen bleibt Elisionspunkte (ẹ) wurden nur an Stellen gesetzt, an denen eine silbische Kürzung unbedingt erforderlich ist .

5 . Der unterhalb des Textes positionierte Editionsapparat (App . Ia) verzeichnet die vom edierten Text abweichenden sinnrelevanten Lesarten (Negativapparat) sowie die Gliederungselemente (Positivapparat) der Frühüberlieferung bis um 1300 in chronologischer Folge, an erster Stelle jedoch die Handschriften des X-Astes (M, ff, H), danach die Handschriften a, t, m, f1/h/f, z/z1, s, W, w, F In folgenden Fällen werden hier aber auch schon die Varianten der Spätüberlieferung in eckigen Klammern nachgewiesen:

– bei editorischen Eingriffen gegen den X-Ast (Kursivsatz im Text) . Ausgenommen sind Emendationen (Verbesserungen kleinerer Schreibfehler), bei denen das Prinzip des Negativapparats gewahrt bleibt (d h Kursivsatz im Text, aber keine Angaben zur Spätüberlieferung in eckigen Klammern)

– nach Zeigehänden (G) Diese weisen darauf hin, dass der Archetyp eine andere Lesart als die edierte X-Variante aufgewiesen haben kann (aber nicht zwingend aufgewiesen haben muss)

– bei Umrahmungen . Sie heben stemmatologisch nachweisbare Archetyplesarten hervor, von denen der Editionstext abweicht .

Direkt oberhalb des Editionsapparats befinden sich die Folio- bzw . Seitenangaben der frühen Textzeugen . Weblinks zu den Digitalisaten finden sich in der dem Stemma (s . Einband) beigegebenen Übersicht (In der E-Book-Ausgabe sind die Folio- bzw Seitenangaben direkt mit den Digitalisaten verlinkt )

6 . Der dem Editionsapparat nachgeordnete Verständnishilfenapparat (App . Ib) wendet sich an Nutzer mit Mittelhochdeutsch-Vorkenntnissen . Seine Aufgabe ist es, ein Erstverständnis des mittelhochdeutschen Textes im schnellen Zugriff (Baukastenprinzip) zu gewährleisten, aber interpretatorische Entscheidungen möglichst offen zu halten Vokabeln, die in den gängigen Wörterbüchern leicht auffindbar sind, werden in der Regel nicht aufgeführt Häufig wiederkehrende Verständnishilfen (im Apparat mit dem Verweis „→ Gl .“ markiert) sind in einem Glossar auf der hinteren Einbandklappe verzeichnet .

7 . An bestimmten Stellen erscheint auf den Textseiten ein dritter Apparat, der den Beginn einer Vortragseinheit anzeigt (App . Ic) . Im Unterschied zu den oben unter 2 . erwähnten Kapiteln, welche die Leser durch den Schrifttext leiten, handelt es sich bei den Vortragseinheiten um kapitelübergreifende Abschnitte innerhalb der vier Bücher, die aufgrund narratologischer Kriterien (vorausgegangener Handlungsabschluss und deutlicher Handlungsneubeginn) voneinander abzugrenzen und auf ein Hörpublikum zugeschnitten sind . Der Apparat bietet jeweils eine kurze Zusammenfassung der betreffenden Vortragseinheit .

Zur genaueren Information über alle Aspekte der Edition vgl . die ausführliche Einleitung im Begleitband .

X Zum
Konzept und zur Benutzung der Ausgabe

Abkürzungen und Symbole in den Apparaten

→ ed . Komm . Verweis auf den editorischen Stellenkommentar (im Begleitband)

→ Gl . Verweis auf das Glossar häufig wiederkehrender Verständnishilfen (hintere Einbandklappe)

(H) etc . Handschriftensiglen in runden Klammern:

• bei Textvarianten: geringfügige graphische Abweichung bei gleichem Wortlaut

• bei Initialen: Initialraum vorhanden, aber nicht ausgefüllt [ ] Varianten der Spätüberlieferung

G Zeigehand als Hinweis auf mögliche Archetyplesarten, von denen der Editionstext abweichen kann Umrahmung als Hinweis auf eine stemmatologisch nachweisbare Archetyplesart, von der der Editionstext abweicht

Init gewöhnliche Initiale (in H zweizeilig)

Großinit . Großinitiale (in H drei- bis sechszeilig)

Kleininit . Kleininitiale (in H einzeilig)

¶ Kapitelzeichen:

• alleinstehend: Kennzeichnung der untersten Gliederungsebene in verschiedenen Handschriften

• + Init : Markierung eines Kapitelanfangs in H (s o 2 )

Ausr Ausrückung einer Verseingangsmajuskel als Absatzgliederung in den Fragmenten m, f1/h/f und l Vorschr . Vorschrift: vorgezeichneter Buchstabe als Vorgabe zur Füllung eines Initialfreiraums

XI Zum Konzept und zur
der
Benutzung
Ausgabe

Gedenket man ir ze guote niht, von den der werlde guot geschiht, sô wære ez allez alse niht, swaz guotes in der werlde geschiht.

Der guote man, swaz der in guot 5 unde niuwan der werlde ze guote tuot, swer daz iht anders wan in guot vernemen wil, der missetuot.

Ich hœre es velschen harte vil, daz man doch gerne haben wil: 10 dâ ist des lützelen ze vil, dâ wil man, des man niht enwil.

Ez zimet dem man ze lobene wol, des er iedoch bedürfen sol, unde lâz ez im gevallen wol, 15 die wîle ez im gevallen sol.

Tiure und wert ist mir der man, der guot und übel betrahten kan, der mich und iegelîchen man nâch sînem werde erkennen kan. 20

Êre und lop, diu schepfent list, dâ list ze lobe geschaffen ist; swâ er mit lobe geblüemet ist, dâ blüet aller slahte list.

Rehte als daz dinc zunruoche gât, 25 daz lobes noch êre niht enhât, alsô liebet daz, daz êre hât unde sînes lobes niht irre gât.

Ir ist sô vil, die des nu pflegent, daz si daz guote ze übele wegent, 30 daz übel wider ze guote wegent: die pflegent niht, si widerpflegent.

Chunst und nâhesehender sin, swie wol diu schînen under in, geherberget nît zuo zin, 35 er leschet kunst unde sin.

Hei tugent, wie smal sint dîne stege, wie kumberlîch sint dîne wege! die dîne stege, die dîne wege, wol im, der si wege und stege!

Überschriften Herr Tristrant M, Tristrant H (beide von späterer Hand); keine Überschriften WF. 1–102 fehlen F. 1 Großinit. MHW.  Gedenchet M(H), Gedehte W[B(NREPS)] → ed. Komm. 1[a]. ir zu des korr. M → ed. Komm. 1[b]. 2 fehlt M. dem H → ed. Komm. 3 weres ez H. 5 Kleininit. H, Init. W. 6 in g. M. 9 Kleininit. H. 12 daz man W. 13 Kleininit. H. den W. 14 f. fehlen W. 14 des man M. 15 er H. 17 Kleininit. H. Divre H. 21 Kleininit. H. 22 zelobene H. 25 Kleininit. H. sehte W. 26 v] (statt noch) M.  eren MW, ere H [eren BNRP(S), ere E]. 29 Kleininit. H. jst ir W. 30 gůt W. 31 u] (statt daz) W. legent M. 33 Kleininit. H. Kvnst H. 35 g. dane nit M. 36 er leset H, erloeschet W. 37 Kleininit. H. stæge W. 38 wæge W. 39 dine stige dine wege (= ganzer Vers) M. wæge W. 40 in W. wæge v] stæge W.

1 ir ze guote: derer wohlwollend. 3 alse niht: wie nichts. 5 in guot: in guter Absicht. 6 ze guote tuot: zugutekommen lässt 7 wan: als 9 velschen: herabsetzen 11 des lützelen: des Nichtigen 12 des: wovon niht → Gl. 14 iedoch: wirklich 15 lâz: lasse (erg. er). 21–24 list → Gl. 22 dâ → Gl. 23 er bez. auf list 24 slahte → Gl. 25 rehte als → Gl. zunruoche = ze unruoche 27 liebet: gefällt 28 irre gât: verliert 29 ir ist: von denen gibt es. 32 pflegent niht: tun nichts Gutes. 33 nâhesehender sin: scharfe Urteilskraft. 34 under in → Gl. 35 wenn sich Neid zu ihnen gesellt. 38 kumberlîch: beschwerlich.

1–244 Vortragseinheit 1: Prolog

Der Erzähler erwartet von seinen Rezipienten, dass sie es zu schätzen wissen, wenn Menschen der werlt Gutes tun. Auch Tristan und Isolde, über die bisher nur Thomas von Bretagne angemessen berichtet hat, haben ihr ein wertvolles Erbe hinterlassen.

1 1 1. Prolog
40
M 1r H 1r W 1r

Trîbe ich die zît vergebene hin, sô zîtic ich ze lebene bin, sône var ich in der werlde sus hin niht sô gewerldet, als ich bin.

Ich hân mir eine unmüezekeit 45 der werlde ze liebe für geleit unde edeln herzen ze einer hage: den herzen, den ich herze trage, der werlde, in die mîn herze siht. ine meine ir aller werlde niht

50 als die, von der ich hœre sagen, diu keine swære enmüge getragen unde niuwan in fröuden welle sweben –die lâze ouch got mit fröuden leben! Der werlde und diseme lebene

55 enkumt mîn rede niht ebene: ir leben und mînez zweigent sich. ein ander werlt, die meine ich, diu sament in eime herzen treit ir süeze sûr, ir liebez leit, 60 ir herzeliep, ir senede nôt, ir liebez leben, ir leiden tôt, ir lieben tôt, ir leidez leben –dem lebene sî mîn leben ergeben, der werlde wil ich gewerldet wesen, 65

mit ir verderben oder genesen. ich bin mit ir biz her beliben unde hân mit ir die tage vertriben, die mir ûf nâhegêndem leben lêre unde geleite solten geben. 70 der hân ich mîne unmüezekeit ze kurzewîle für geleit, daz sî mit mînem mære ir nâhegênde swære ze halber senfte bringe, 75 ir nôt dâ mite geringe. wan swer des iht vor ougen hât, dâ mit der muot ze unmuoze gât, daz entsorget sorgehaften muot, daz ist ze herzesorgen guot. 80 ir aller volge, diu ist dar an: swâ sô der müezege man mit senedem schaden sî überladen, dâ mêre muoze seneden schaden. bî senedem leide müezekeit, 85 dâ wahset iemer senede leit. durch daz ist guot, swer herzeklage unde senede nôt ze herzen trage, daz er mit allem ruoche dem lîbe unmuoze suoche: 90 dâ mit sô müezeget der muot,

M 1r H 1r W 1r

Großinit. H. Trîbe → ed. Komm. 1[a]. diz zit H. 43 wte W → ed. Komm. 1[a]. 44 gewirdet M → ed. Komm. 45 ¶ M, Kleininit. H. 50 wuede (korr.) H. 52 vertragen M. 53 wellent MH, welle W [willent BN(RES), wellen P] (Archetypfehler). leben MH, sweben W [leben BE, sweuen N, streben RS, sein P]. → ed. Komm. 54 den m?zze got fr?de v] ere geben M. 55 Kleininit. H. 56 ein kumet W. 57 zweiget M, zvllent korr. aus zveıent H. 58 iene die andern werlde M. 59 in ir h. M. 60 sveze fvr H. 63 jr leiden tot ir liebez leben W. 64 dem lebe H. 65 gewerdet M, ie zů lieb (auf Rasur) H, geweltet W [gewirdet B, gewerildet N(S), geweltig RP, gewert E] → ed. Komm. 44. 68 vnde mir han mir die H. 69 ûf fehlt W. 74 Init. M. 79 ensorget W. 83  vber laden MH, beladen W [Mberladen B(E), beladen NRPS].

42 so fortgeschritten ich in der Lebenszeit bin 43 var: lebe sus hin: künftig 44 gewerldet (Neolog.) ≈ der Gesellschaft zugewandt 48 den ich herze trage: denen ich mich verbunden fühle 50 ir: ihrer 51 als → Gl. 52 diu ≈ dass sie 55 der: dieser 56 ebene: gelegen 57 zweigent: entzweien 62 leiden Adj. 63 lieben Adj. 64 dem: diesem. 65 ≈ dieser Gesellschaft will ich zugewandt (Neolog. gewerldet) sein. 66 genesen → Gl. 69 die mir in schweren Zeiten. 75 ein wenig besänftige. 77 wan → Gl. des iht: davon etwas. 78 dâ mit: womit. 81 volge: Zustimmung. 82 swâ sô: wo nämlich. 83 mit senedem schaden: mit Liebesleid 84 da vermehre der Müßiggang das Liebesleid 87 durch daz: deshalb 89 ruoche: Sorgfalt

2 2 Erstes Buch: Tristans Herkunft
41 Init. MW,

100

unde ist dem muote ein michel guot. unde gerâte ich niemer doch dar an, daz iemer liebe gernde man dekeine solhe unmuoze im neme, 95 diu reiner liebe niht gezeme –ein senelîchez mære, daz trîbe ein senedære mit herzen unde mit munde unde senfte sô die stunde!

nu ist aber einer jehe ze vil, der ich vil nâch gevolgen wil: der senede muot, sô der ie mê mit seneden mæren umbe gê, sô sîner swære ie mêre sî.

105 der selben jehe, der stüende ich bî, wan ein dinc, daz mir widerstât: swer inneclîche liebe hât, doch ez im wê von herzen tuo, daz herze stêt doch ie dar zuo.

110 der inneclîche minnenmuot, sô der in sîner senegluot ie mêre und mêre brinnet, sô er ie sêrer minnet. diz leit ist liebes alsô vol,

115 daz übel, daz tuot sô herzewol, daz es kein edel herze enbirt,

sît ez hie von geherzet wirt. ich weiz ez wârez als den tôt und erkennez bî der selben nôt: 120 der edele senedære, der minnet senediu mære. von diu, swer seneder mære ger, der envar niht verrer danne her! ich wil in wol bemæren 125 von edelen senedæren, die reiner sene wol tâten schîn: ein senedærẹ unde ein senedærîn, ein man, ein wîp – ein wîp, ein man, Tristan, Ŷsolt – Ŷsolt, Tristan. 130

Ich weiz wol, ir ist vil gewesen, die von Tristande hânt gelesen –unde ist ir doch niht vil gewesen, die von ime rehte haben gelesen.

Tuon aber ich diu gelîche nuo 135 unde schepfe mîniu wort dar zuo, daz mir ir iegelîches sage von disem mære missehage, sô würbe ich anders, danne ich sol. ich entuon es niht: si sprâchen wol 140 unde niuwan ûz edelm muote

Init. M. ze fehlt M. 103 Einsatz F. 104 senendem mere W. 106 iehen W. der2 fehlt F. 110 idoch dar zv F. 111 minen mNt W. 112 senegluot fehlt H (minnen glůt von späterer Hand nachgetr.). 113 je m. vnde ime br. H. 115 ist leides alze F. 116  daz vbel MH, diz v ̍ bel W(F) [daz Mbil B(R), dit ouel N(P), des ubel E]. 118 ge erzent W. 119 ez warz als den M(H), ez alse min(en) W(F) [id war is als den B, id · als minen N(REP)] → ed. Komm. 120 -ez fehlt F. 127 tate F. 128 ein2 fehlt H. 130 Tristan → ed. Komm. 130[a]. Ŷsolt → ed. Komm. 130[b]. 131 Großinit. MH, Init. WF. 132 han F. 133 ir ist W. 135 Kleininit. H. DNn H. 138 disen W. 139  wirbe M(F), wrbe H, wir W [wirb B(N)EP, wurde R] → ed. Komm. 1[a]. 140 sine sprechen M, si sprechen W.

92 unde ≙ unde daz 93 dar an: dazu 94 dass jemals jemand, der nach Liebe strebt 95 dekeine → Gl. 98 daz trîbe: damit beschäftige sich 101 einer jehe ze vil: eine Meinung allzu verbreitet 102 vil nâch → Gl. 103–105/112–114 sô ... ie ..., sô ... ie: wenn ... je ..., dann ... desto. 107 wan: wäre da nicht. 109 doch: obgleich. 118 geherzet ≈ (erst richtig) mit einem Herzen versehen. 119 wârez als → Gl. 120 selben: selbsterfahrenen. 123 von diu: daher. 127 die reine Liebe deutlich zeigten. 132/134 gelesen: erzählt. 136 und äußere mich dahingehend

3 3 1. Prolog
93 doch niemer H. 94 ieminer liebegende H. 96 dir W. misse zeme M. 97 semelichez H. 101
M 1v H 1v W 1v F 2

mir unde der werlde ze guote. benamen, si tâten ez in guot, unde swaz der man in guot getuot, daz ist ouch guot und wol getân. 145 aber als ich gesprochen hân, daz sî niht rehte haben gelesen, daz ist, als ich iu sage, gewesen: sine sprâchen in der rihte niht, als Thômas von Britanje giht, 150 der âventiuremeister was unde an britûnschen buochen las aller der lanthêrren leben und ez uns ze künde hât gegeben. als der von Tristande seit, 155 die rihte unde die wârheit begunde ich sêre suochen in beider hande buochen, walschen unde latînen, und begunde mich des pînen, 160 daz ich in sîner rihte rihte dise tihte. sus treip ich manige suoche, unz ich an einem buoche alle sîne jehe gelas, 165 wie dirre âventiure was. waz aber mîn lesen dô wære von disem senemære, daz lege ich mîner willekür allen edeln herzen für, 170

daz sî dâ mit unmüezic wesen: ez ist in sêre guot gelesen. guot? jâ, inneclîche guot! ez liebet liebe und edelt muot, ez stætet triuwe und tugendet leben.

175 ez kan wol lebene tugende geben, wan swâ man hœret oder list, daz von sô reinen triuwen ist, dâ liebent dem getriuwen man triuwe und ander tugende van: 180 liebe, triuwe, stæter muot, êre und ander manic guot, daz geliebet niemer anderswâ sô sêre noch sô wol sô dâ, dâ man von herzeliebe saget

185 unde herzeleit ûz liebe klaget. liebe ist ein alsô sælic dinc, ein alsô sæliclîch gerinc, daz nieman âne ir lêre noch tugende hât noch êre.

190 sô manic wert leben, sô liebe frumet, sô vil sô tugende von ir kumet, owê, daz allez, daz der lebet, nâch herzeliebe niht enstrebet, daz ich ir sô lützel vinde der, 195 die lûterlîche herzeger durch friunt ze herzen wellen tragen niuwan durch daz vil arme klagen, daz hie bî ze etlîcher zît

M 1v H 2r W 1v F 3

143 tæten M. 144 in gůte W(F). 145 ist fehlt M. 151  der auentvre meister was M(HF), der auentu ˈ re ein meister waz W [der auenturen meister was B, de der auenturen meister was N, der der obentu ˈ re ein meister was R, der auentȗr maister was E, der abentewre maister was P] → ed. Komm. 155 Init. F. alle der W. 162 getihte

M. 167 Init. M. 173 jâ fehlt F. mınenklıche W. 174 lebet W. 176 lebende tvgende M, lebende tugent W

→ ed. Komm. 177 v] list W. 178 daz so von F. 179 liebet M. 181 triwe vnd F. stete · mNt H, stæte můt

W. 185 herre liebi W. 186 von libe F. 188 selic H. 191 liebi fru ˈ nt W. 195  icher so (ı als Korrektur unter e) M, ich ir so H, ich so WF[BNREPS] → ed. Komm. 199 liebe (statt hie bî) F.

143/144 in guot: in guter Absicht 149–161 rihte: Richtigkeit 150 giht → Gl. 151 âventiuremeister (Neolog.)

≈ Quellenkenner. 155 als → Gl. 158 hande → Gl. 160 mich des pînen: mich darum zu bemühen. 169 mîner willekür: nach meinem freien Entschluss. 172 in: für sie. 174 liebet: macht ... angenehm. 177 wan → Gl. 179/183 (ge)lieben: gefallen. 184 sô dâ: wie da. 188 gerinc: Bemühen. 191 so viel wertvolles Leben, wie die Liebe hervorbringt 192 sô vil sô: so viel an 193/195 der: da 195 ir: von denen 197/198 durch → Gl.

4 4 Erstes Buch: Tristans Herkunft

verborgen in dem herzen lît! 200 war umbe enlite ein edeler muot niht gerne ein übel durch tûsent guot, durch manige fröude ein ungemach? swem nie von liebe leit geschach, dem geschach ouch liep von liebe nie – 205 liep und leit, diu wâren ie an minnen ungescheiden. man muoz mit disen beiden êre und lop erwerben oder âne sî verderben. 210 von den diz senemære seit, unde hæten die durch liebe leit, durch herzewunne senedez klagen in einem herzen niht getragen, sône wære ir name und ir geschiht

215 sô manigem edeln herzen niht ze sælden noch ze liebe komen. uns ist noch hiute liep vernomen, süeze und iemer niuwe ir inneclîchiu triuwe, 220 ir liep, ir leit, ir wunne, ir nôt. al ein und sîn si lange tôt, ir süezer name, der lebet iedoch, unde sol ir tôt der werlde noch

ze guote lange und iemer leben, 225 den triuwe gernden triuwe geben, den êre gernden êre. ir tôt muoz iemer mêre uns lebenden leben und niuwe wesen, wan swâ man noch hœret lesen 230 ir triuwe, ir triuwen reinekeit, ir herzeliep, ir herzeleit, deist aller edeln herzen brôt –hie mit sô lebet ir beider tôt. wir lesen ir leben, wir lesen ir tôt, 235 unde ist uns daz süeze als brôt. ir leben, ir tôt sint unser brôt, sus lebet ir leben, sus lebet ir tôt. sus lebent si noch und sint doch tôt, unde ist ir tôt der lebenden brôt. 240 unde swer nu ger, daz man im sage ir leben, ir tôt, ir fröude, ir klage, der biete herze und ôren her: er vindet alle sîne ger.

Ein hêrre in Parmenîe was, 245 der jâre ein kint, als ich ez las, der was, als uns diu wârheit an sîner âventiure seit,

W. 220 innenclichen W, minnechliche F. 221 not (statt wunne) H. 223 der fehlt F. liebet W. 224 ir not F. doch F. 225 zeg?te noch v] M. 227 f. fehlen M. 227 fehlt H → ed. Komm. 228 ir tut (korr. aus tůt) W, ir dort F. 230 noch fehlt F. gelesen H. 233 di ist F. 235–240 fehlen M. 236 als ein br. W. 236–238 fehlen F. 239 fehlt H. 241 Wiedereinsatz M. unde fehlt M. gert W. 243 herzen HW. 245 Großinit. MW, ¶ + Großinit. H, Init. F. 246 ez fehlt W. 247 uns fehlt H. 248 in M.

201 enlite: erlitte. 211 den: denen. 218 liep vernomen: angenehm zu hören. 222 mögen sie auch schon lange tot sein 226/227 gernden: Begehrenden 229 für uns Lebende etwas Lebendes und Aktuelles sein 233 deist → Gl. 246 der jâre ein kint: jung an Jahren

245–1750 Vortragseinheit 2: Rüwalins unbedachte Lebensführung

Rüwalin, der junge Fürst von Parmenie, führt eine Fehde mit Herzog Morgan, von dem er ein Lehen besitzt. Während einer einjährigen Fehdepause begibt er sich an den Hof König Markes, des Herrschers von Cornwall und England. Dort verlieben sich Rüwalin und Markes Schwester Blanscheflur so heftig ineinander, dass Blanscheflur ihn, als er im Kampf gegen einen Feind Markes lebensgefährlich verletzt wird, heimlich an seinem Bett besucht, wo sie sich einander hingeben. Wie durch ein Wunder gesundet Rüwalin, doch bald erreicht ihn die Nachricht, dass Morgan wieder aufrüstet. Als Rüwalin daraufhin sofort die Heimreise antritt, bittet ihn Blanscheflur, sie mitzuneh-

5 5 1. Prolog
201 Init. F. eın lıt W. 205 ouch fehlt F. 211 Init. M. dem WF. senede m. MW. 215 namen F. 217 selden not
M 2r H 2r W 2r F 3
1. Prolog / 2. Rüwalin

wol an gebürte künege genôz, an lande fürsten ebengrôz, 250 des lîbes schœne und wunneclîch, getriuwe, küene, milte, rîch; unde den er fröude solte tragen, den was der hêrre in sînen tagen ein fröudeberndiu sunne: 255 er was der werlde ein wunne, der ritterschefte ein lêre, sîner mâge ein êre, sînes landes ein zuoversiht. an im gebrast al der tugende niht, 260 der hêrre haben solte, wan daz er ze verre wolte in sînes herzen luften sweben und niuwan nâch sînem willen leben –daz ime ouch sît ze leide ergie. 265 wan leider diz ist unde was ie: ûfgêndiu jugent und vollez guot, diu zwei, diu füerent übermuot. vertragen, daz doch vil manic man in michelem gewalte kan, 270 dar an gedâhter selten –übel mit übele gelten,

kraft erzeigen wider kraft, dar zuo was er gedanchaft. nu enloufet ez die lenge niht, 275 der allez daz, daz ime geschiht, mit Karles lôte gelten wil. weizgot, der man muoz harte vil an disem borge übersehen oder ime muoz dicke schade geschehen. 280 swer keinen schaden vertragen kan, dâ wahsent dicke schaden an unde ist ein veiclîcher site. hie vâhet man den bern mite: der richet einzele schaden, 285 unz er mit schaden wirt beladen. ich wæne, ouch ime alsam geschach, wan er sich als vil gerach, biz er den schaden dar an genam. daz aber er ie ze schaden kam, 290 daz enkom von archeite niht, dâ von doch manigem schade geschiht: ez kom von dem geleite sîner kintheite. daz er in sîner blüenden jugent 295 mit jugentlîcher hêrren tugent

249 ku ˈ nigez W. 250 landen MW. 251 minnechlich M. 252 milte v] r. M. 254 der waz der H. 259  ein vorh. MH, fehlt WF [vorh. B, fehlt NREPS]. 260 aller t. MF. tvgende korr. aus ívgende H. 262 er fehlt H. 264 sinen MH. 265 im doch M. 268 pringent vberigen mvt F. 272 mit vbelem F. 274 dar an M. 275 Init. F. 280 alda im F. 282 wahset MW. schade van M. 283 vrslicher M. 285 zemzigen sch. W, enzele sinen sch. F. 286 geladen W. 287 Init. M. 289 daz er M. 292 manic schade W. 296 tvgentlicher M, vientlicher W. herze F.

252 milte: freigebig. 253 den: denen. 255 fröudeberndiu: freudebringende. 260 gebrast: fehlte. 261 der Gen. Pl. 262 wan: außer. ze verre: zu sehr. 265 sît: später. 266 wan → Gl. 269 vertragen, daz: Nachsicht zu üben, was 269 f. man in michelem gewalte: mächtiger Mann 275 so geht es nicht lange gut 276 der → Gl. 277 ≈ penibel vergelten will 279 bei dieser Art des Borgens unbeachtet lassen (d. h. auf die Rückgabe verzichten). 283 veiclîcher site: fataler Brauch 284 Anspielung auf eine alte Bärenfangtechnik. 285 f. Der wehrt sich gegen einzelne Schädigungen, bis er mit Schaden überladen wird. 287 ime = Rüwalin. 288 wan → Gl. 293 geleite: lenkenden Einfluss. 296 tugent: Kraft.

men, da sie von ihm schwanger ist. So reist sie heimlich mit ihm nach Parmenie, wo die beiden eilig kirchlich heiraten; dann übergibt Rüwalin Blanscheflur in die Obhut seines Marschalls Rual und von dessen Ehefrau Floräte und zieht in den Kampf gegen Morgan, in dem er umkommt. Die Nachricht vom Tod ihres Mannes erschüttert Blanscheflur so sehr, dass sie bei der Geburt ihres Sohnes stirbt.

6 6 Erstes Buch: Tristans Herkunft
M 2r H 2v W 2v F 4
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.