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Welche Farben hat ein Tag? Ein Treffen mit Kveta Pacovská

Ihr neues Werk, Buch kann man es eigentlich nicht mehr nennen, ist 13 Zentimeter hoch, und 10 Meter lang. Es ist rot & schwarz, bunt & verspiegelt, es hat Türchen und Pop-ups. Dafür aber keinen Text. Das braucht es auch gar nicht, die Bilder aus Farben und Formen erzählen ihre eigenen Geschichten. Und genau das ist es, was die Kunst dieser wunderbaren Illustratorin ausmacht.

Ausstellung Kveta Pacovská: Buchstaben Museum Burg Wissem 17.10.2010 – 05.12.2010 www.bilderbuchmuseum.de

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Ich spreche, oder vielmehr schreibe, hier von der tschechischen Malerin Kveta Pacovská! Und wie ich mittlerweile weiß, wird das C bei Pacovská wie ein Zett ausgesprochen. Nur für den Fall, dass Sie sie einmal persönlich treffen werden. Den wirklich außergewöhnlichen Namen hören Sie vielleicht bewusst zum ersten Mal, und doch wage ich zu behaupten, manch einer von Ihnen hat bereits Bilder von ihr gesehen. Denn sie illustrierte beispielsweise das Grimm’sche Märchen »Hänsel und Gretel« oder Andersens »Das Mädchen mit den Schwefelhölzern« auf spektakuläre Art und Weise ganz neu. Ihr aktuelles Bilderbuch, »Farben des Tages«, ein wunderschönes Leporello, hat mich auf Anhieb so fasziniert, dass ich mit Vergnügen einer Einladung zu einer Ausstellung im Bilderbuchmuseum Troisdorf gefolgt bin. Unter dem Titel »Buchstaben« ist dort eine Auswahl ihrer Werke zu sehen. Und zu meinem großen Glück war Frau Pacovská sogar aus Prag angereist, um die Ausstellung selbst zu eröffnen. Gemeinsam mit meinem Kollegen Jörg Leibold, der den Tag fotografisch festhalten wollte, mache ich mich sonntagmorgens auf den Weg. Als wir ankommen, ist der Ausstellungsraum schon gut gefüllt. Wenige Kinder sind unter den Besuchern, dafür aber einige Kollegen aus Buchhandel und Verlag. Ich erkenne Frau Pacovská sofort, obwohl ich sie noch nicht sehen kann, hat sich doch bereits eine kleine Menschentraube um sie versammelt. Als ich ihr dann tatsächlich gegenüber stehe, ist mein erster Gedanke nur »Wow, was für eine Frau!« Eine kleine, sehr zierliche Dame steht vor mir, mit großen wachen Augen. Dass sie mittlerweile 82 Jahre alt ist, sieht man ihr wirklich nicht an. Fasziniert schaue ich zu, wie sie ans Mikrophon tritt. Dort vorn, ganz allein, wirkt sie fast ein wenig zerbrechlich, aber ihre Stimme ist fest, als sie von ihrer Arbeit berichtet, ihren Bildern und ihrer Beziehung zu dem bekannten Dadaisten Kurt Schwitters, dem sie einige Werke gewidmet hat. Die Kunst scheint ihr Lebensinhalt zu sein. »Beim Malen konzentriere ich mich auf die Komposition, auf die Wirkung der Farben, auf die Form und die ganze Stimmung des Bildes. Danach denke ich, es wäre schön, wenn die Kinder es lieben würden, wenn Kunstliebhaber es behalten möchten. Ich lege nicht fest, für wen ich male«. Die Menschen im Raum hängen an ihren Lippen und beobachten sie gebannt. Nach diesem offiziellen Teil gehe ich etwas herum, betrachte die Bilder. Es sind größtenteils Bilder aus einem Buch, das bisher nur in Frankreich unter dem Titel »Ponctuation« erschienen ist. Darin beschäftigt sich die Künstlerin spielerisch mit dem Thema Satzzeichen. Ich kannte vorher hauptsächlich die Märchenbilderbücher von ihr und war immer wieder überrascht, auf welch eigenwillige Art es ihr gelingt, die Geschichte mit ihren Zeichnungen neu zu interpretieren. Sie sagt dazu: »Märchen liebe ich für die Weisheit, die sie in sich haben. Meine Bilder schaffe ich nicht als Erklärung des Textes. Ich betrete eine Ebene auf der die Rechte der bildenden Kunst herrschen.« Ich schlendere weiter durch die Ausstellung und beobachte die anderen Besucher. Ein Großteil von ihnen schart sich bereits um die Künstlerin. Sie sitzt an einem Tisch, mitten im Raum und signiert Bücher. Unzählige sind es. Die Leute haben ganze Taschen und Körbe mit Pacovská-Titeln voll gepackt und stapeln diese nun auf den Tisch. Die Szenerie erinnert an Autogrammjägereien pubertierender Jugendlicher, bloß dass diese Menschen hier Blazer, Krawatten und Kostümchen tragen. Kveta Pacovská nimmt es gelassen. Mit einer Engelsgeduld zeichnet, bemalt und signiert sie alles, was ihr entgegengehalten wird. Fast zweieinhalb Stunden lang. Sie ist ausdauernd. Selbst in das letzte Buch setzt sie ihre Signatur und immer noch hat sie ein freundliches Lächeln im Gesicht und ein paar nette Worte für die Besucher übrig. An ihrer Seite sitzt Michael Neugebauer, ihr deutscher Verleger, und scheint etwas fassungslos über die Selbstverständlichkeit zu sein, mit der einige Besucher 4, 5 oder sogar 6 Bücher auf


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