Schmiede: DISCONTENT

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5.11 Interviews

6 Wochen in‘ner Box 6 weeks in a box Was bewegte Euch dazu, ein derart umfangreiches Projekt zu organisieren?

Ihr habt Eure Kreativen also in Teams geteilt?

Simon Wind: Mein Bruder und ich nahmen an der Initiative DNA digital

Simon: Ja und jedes Team hatte so seine Pläne und Projekte. Wir führten

teil. Da ging es darum, sogenannte Digital Natives mit Managern und Un-

nach einiger Zeit das Palometer ein. Zu einer bestimmten Uhrzeit stellte

ternehmern zu vernetzen, um Erfahrungen auszutauschen und Einblick in

jeder seinen Fortschritt vor und erklärte den anderen täglich, woran er bzw.

die Arbeitswelten des jeweils anderen zu erhalten. Zunächst haben wir uns

sein Team an diesem Tag gearbeitet hat.

online vernetzt, dann gab es auch zwei Open Spaces. Zum ersten kamen nur die „jungen Leute“, beim zweiten waren wir dann gemischt. Jeder trug

In dieser freien Atmosphäre geht wahrscheinlich unheimlich viel weiter.

seine Ideen vor, Leute erklärten, wie sie sich ihren Arbeitsplatz der Zukunft

Wenn man so ungebunden arbeiten kann, entdeckt man ja oft auch Poten-

vorstellen. Wir kamen ins Gespräch mit Christoph Schläffer und der war

ziale an sich, die man vorher nicht kannte.

sofort begeistert von unseren Ideen.

Simon: Richtig. Wirklich wichtig waren auch nicht die Projekte, sondern die Kultur, die da drin entstand. Kein Unternehmen kann seinen Mitarbeitern

Die da wären?

eine Kultur vorgeben, die entsteht durch die Gruppe und die Atmosphäre.

Simon: Wir wollten Innovationen schaffen und dabei helfen, Ideen zu ver-

Wie bei Google zum Beispiel, an deren „freiem Freitag“ entsteht auch der

wirklichen. Ein „Ideenhaus“ gründen, in dem Kreative ungezwungen wer-

größte Fortschritt. Viele Besucher waren davon beeindruckt und wollten das

ken können, aber auch Experten vorbeischauen. Christoph Schläffer fragte

auch in ihrem Unternehmen haben. Aber man kann diese Kultur nicht auf

uns, was wir brauchen, gab uns ein Büro und den Auftrag, ein Konzept

einen Zettel schreiben und verkaufen oder verschenken.

zu erstellen. Das war Ende 2008. Dann haben wir etwa acht Monate an den Vorbereitungen zu Palomar5 gearbeitet. Ganz lange haben wir zum

Diese neue Arbeitsatmosphäre ist also für Euch die größte bleibende Nach-

Beispiel für die Schlafgelegenheiten gebraucht. Zuerst dachten wir an einen

wirkung von Palomar5?

großen Schlafsaal, aber wir wollten den Teilnehmern schon ihre Privatsphäre

Simon: Wir haben schon auch Projekte, die weiter gehen. Ein Team arbeitet

gönnen. Wir trafen uns mit Architekten und entwickelten schließlich sechs

immer noch daran, via Satellit gratis Internet für die ganze Welt zu bringen.

Quadratmeter große Boxen. Diese Zimmer durfte jeder gestalten, wie er

Sie führen gerade Gespräche mit der NASA. Für die Teilnehmer selbst hat

wollte, und manche hatten sogar Briefkästen an der Tür.

sich natürlich ganz viel verändert. Es ist eine intensive Community geblieben, manche sind sogar umgezogen und manche, die aus dem Ausland ka-

Verbrachtet Ihr dann diese sechs Wochen alle gemeinsam in der Malzfabrik

men, sind in Berlin geblieben!

oder gab es auch Auszeiten, Pausen und freie Tage? Simon: Wir wollten überhaupt nichts vorgeben, nur bereitstellen. Die Teil-

Welche Pläne hast Du für die nahe Zukunft?

nehmer konnten sich alles einteilen, wie sie wollten. Trotzdem die Verkehrs-

Simon: Auf jeden Fall ein, zwei solche Camps pro Jahr zu machen, wobei

verbindung in der Nähe gut war, gingen die Teilnehmer erstaunlicherweise

ich sie lieber Expeditionen nenne, zum Erforschen und Entdecken neuer

viel seltener weg, als wir dachten. Die meisten arbeiteten wirklich konse-

Welten. Bis 2013 möchte ich ein „Haus des Umdenkens“ schaffen. Dort

quent an ihren Projekten. Es gab auch ein Team, die teilten sich in Tag- und

sollen die Expeditionen stattfinden und dazwischen Konferenzen und Ar-

Nachtschicht.

tists-in-Residence-Programme. Wir nennen uns jetzt allerdings nicht mehr Palomar5, sondern until we see new land.


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