Drei von Drei AUFBRUCH

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WWW.BRITNEY.KOELN

THEATER-, MUSIK- UND POLIT-FESTIVAL ÜBER GENDER, FEMINISMUS, DIVERSITY UND SEX

BRITNEY X FESTIVAL

10. – 13. MAI 2018 OFFENBACHPLATZ


EDITORIAL Aufbruch in die Utopie Aufbruch verspricht Höhenflüge, Tiefschläge, Abenteuer. Aufbruch heißt Veränderung, Ungewissheit, Hoffnung. Vor über hundert Jahren machten sich Lebensreformer, Pazifisten, darunter Intellektuelle und Künstler wie der russische Revolutionär und Anarchist Michail Bakunin, der Schriftsteller Hermann Hesse, der Philosoph Ernst Bloch, der Soziologe Max Weber, auf den Weg in den südlichsten Zipfel der Schweiz zum Monte Verità. Sie waren auf der Suche nach einem Ort, an dem sich ein anderes, alternatives Leben führen und eine bessere Zukunft entwerfen ließ. Über diese Blütezeit der utopischen Weltentwürfe zu Beginn des 20. Jahrhunderts, aber auch über das Scheitern des utopischen Projektes an einem der idyllischsten Flecken Westeuropas schreibt der Journalist und Autor Peter Michalzik in diesem Magazin. Die Frage, die die Utopisten von damals beflügelte, sollten auch wir uns angesichts der Auf- und Umbrüche unserer Zeit dringend wieder stellen: Wie wollen wir in Zukunft leben? Eine der großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts sind die starken Veränderungen unserer Lebenswelten durch den digitalen Kapitalismus, der die westlichen Demokratien in ihrem Selbstverständnis erschüttert. Die Zukunft hat längst begonnen Noch wissen wir nicht, wohin die Reise geht. Wer wird in Zukunft die Macht haben? Mensch oder Maschine? »Die politischen Kämpfe unseres Jahrhunderts werden sich um die Kontrolle der Daten drehen«, prophezeit der israelische Historiker Yuval Noah Harari, der in seinem jüngsten Buch HOMO DEUS den Menschen selbst zur Disposition stellt. »Aber der Kampf wird nicht zwischen Menschen und Computern liegen.« Vielmehr werden die Konflikte zwischen kleinen Eliten, die die Datenbanken und Algorithmen besitzen und der machtlosen Mehrheit der Menschen ausgetragen.

das der vielfach ausgezeichnete Regisseur Ersan Mondtag am Schauspiel Köln zur Uraufführung bringt, entwirft Berg eine düstere Vision: In Zukunft werden wir nicht mehr über uns selbst bestimmen - intelligente Maschinen studieren uns ständig, gestalten aktiv unser Weltbild und unsere innersten Wünsche mit. Am Ende sieht Berg uns unser Dasein entmündigt in virtuellen Kerkern fristen. Die Möglichkeit des Anderen Die niederländische Glitch-Art-Künstlerin Rosa Menkman repräsentiert mit ihren Arbeiten in diesem Heft den Spagat zwischen Mensch und Maschine. Ihre Artefakte entstehen durch Unfälle in digitalen Medien. Es sind künstlerische Visualisierungen von Störungen, Stauchungen, Feedback-Signalen, die uns daran erinnern, dass auch mächtige Technologien Schwachstellen haben. Gleichzeitig üben diese unperfekten Bilder eine große visuelle Anziehung aus. Das Spiel mit dem Systemfehler wird hier als ästhetisches Moment im digitalen Zeitalter begriffen und öffnet einen Spalt für die Möglichkeit des Anderen. Revolutionäre Entwicklungen der Biotechnologie, Automatisierung, Roboter, künstliche Intelligenz: Die Zukunft ist so offen wie nie. Es ist noch nicht zu spät. Wollen wir in eine Zukunft aufbrechen, die an der Überwindung unserer sozioökonomischen, ökologischen und ethischen Probleme orientiert ist, müssen »wir erst einmal lernen, uns selbst zu akzeptieren«, schreibt Markus Gabriel, »...der Mensch ist unsere einzige Hoffnung.« Beate Heine

Auch der Philosoph Markus Gabriel glaubt, dass der Mensch der gefährlichste Gegner des Menschen sei. »Hat der Mensch überhaupt noch eine Zukunft?«, fragt er in seinem Essay. Gabriel ruft zum Aufbruch auf, indem er für einen aufgeklärten Humanismus plädiert. Die Autorin und Kolumnistin Sibylle Berg hingegen fürchtet, dass unsere Zukunft längst begonnen hat und wir es noch nicht einmal bemerkt haben: »Während Milliarden Menschen auf ihre Endgeräte starren, transformiert sich die Welt gerade zu etwas, das keiner voraussagen kann.« In ihrem neuen Stück WONDERLAND AVE.,

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inhalt Der Spielplan 2017/18 Alle Premieren im Überblick

Die letzten 7 von 20 Premieren Inhalte, Teams und Daten

Hat der Mensch noch eine Zukunft? Ein Essay von Markus Gabriel

Gegenwelten Ein Essay von Peter Michalzik

Die Kunst, Hoffnung zu organisieren Ein Interview mit Milo Rau

»Ihre Zeit ist vorbei« Ein Beitrag von Susan Winnett

Fahrender Ritter werde ich sein, bis in mein Grab Ein Essay von Nina Rühmeier

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t Real Fake Real Aufbruch Eine Frage an das Import Export Kollektiv

In den virtuellen Kerkern der Zukunft Ein Essay von Beate Heine

Marx und kein Ende Eine Analyse von Jürgen Neffe

Britney am Offenbachplatz

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Eine Programmvorschau

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Service und Impressum

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Bilder von der Glitch-Art-Künstlerin Rosa Menkman Monte Verità von Fondazione Monte Verità Milo Rau von Daniel Seiffert Die Kathedrale in Mejorada del Campo von Patascha's World Das Import Export Kollektiv von Ana Lukenda

Umschlag · 10 · 12 / 13 · 14 / 15 · 20 / 21 24 / 25 · 26 / 27 · 34 / 35 · 36 · 40 17 · 18 / 19 22 29 · 30 32 / 33

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Der Spielplan 2017/18 DEPOT 1

Peer Gynt von Henrik Ibsen Regie Stefan Bachmann Premiere 22. September 2017

Romeo und Julia von William Shakespeare Regie Pınar Karabulut Premiere 14. Oktober 2017

Woyzeck von Georg Büchner Regie Therese Willstedt Premiere 22. März 2018

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Winterreise von Elfriede Jelinek Regie Stefan Bachmann Premiere 05. Mai 2018 Eine Übernahme vom Burgtheater Wien

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Don Quijote nach dem Roman von Miguel de Cervantes

Wilhelm Tell von Friedrich Schiller

Regie Simon Solberg Premiere 30. Mai 2018

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Regie Stefan Bachmann Kölner Premiere 10. November 2017 Eine Koproduktion mit dem Theater Basel

Mary Page Marlowe von Tracy Letts Regie Lilja Rupprecht Premiere 24. November 2017

Die Weber von Gerhart Hauptmann Regie Armin Petras Premiere 02. Februar 2018

On Body von Richard Siegal / Ballet of Difference Choreografie und Regie Richard Siegal Weltpremiere 22. Februar 2018 Eine Koproduktion mit Tanz Köln und dem Muffatwerk München

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Gastspiele

Tickets im Vorverkauf erhältlich

2666 Basierend auf dem Roman von Roberto Bolaño Regie und Adaption Julien Gosselin 31. März | 01. April 2018


DEPOT 2

AuSSenspielstätte am Offenbachplatz

Occident Express

Frau Schmitz

von Stefano Massini

von Lukas Bärfuss

Regie Moritz Sostmann Deutsche Erstaufführung 07. Oktober 2017

Regie Rafael Sanchez Deutsche Erstaufführung 23. September 2017

Hool

Alles, was ich nicht erinnere

nach dem Roman von Philipp Winkler in einer Bühnenfassung von Nuran David Calis

nach dem Roman von Jonas Hassen Khemiri in einer Bühnenfassung von Julia Fischer und Charlotte Sprenger

Regie Nuran David Calis Premiere 15. Dezember 2017

Regie Charlotte Sprenger Uraufführung 11. November 2017

Endspiel

Heimwärts

von Samuel Beckett

von Ibrahim Amir

Regie Rafael Sanchez Premiere 12. Januar 2018

Regie Stefan Bachmann Uraufführung 09. Dezember 2017

real fake Ein neues Projekt von und mit dem Import Export Kollektiv Regie Bassam Ghazi Premiere 10. März 2018

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Wonderland Ave.

von John Logan Regie Melanie Kretschmann Premiere 26. Januar 2018

Gott

von Sibylle Berg Regie Ersan Mondtag Uraufführung 08. Juni 2018

Rot

von Woody Allen 09

Weiterhin im Repertoire Depot 1 Tod eines Handlungsreisenden | Regie Rafael Sanchez Faust I | Regie Moritz Sostmann Hamlet | Regie Stefan Bachmann Cyrano de Bergerac | Regie Simon Solberg Geschichten aus dem Wiener Wald | Regie Stefan Bachmann Außenspielstätte am Offenbachplatz Geächtet | Regie Stefan Bachmann Wir wollen Plankton sein | Regie Melanie Kretschmann Mohamed Achour erzählt Casablanca | Regie Rafael Sanchez

Regie Moritz Sostmann Premiere 12. April 2018

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Wir sind Affen eines kalten Gottes. Zum 200. Geburtstag von Karl Marx Ein Abend von und mit subbotnik Uraufführung 04. Mai 2018

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Depot 2 Ansichten eines Clowns | Regie Thomas Jonigk Faust II | Regie Moritz Sostmann Istanbul | Regie Nuran David Calis Glaubenskämpfer | Regie Nuran David Calis Die Lücke | Regie Nuran David Calis Der gute Mensch von Sezuan | Regie Moritz Sostmann Habe die Ehre | Regie Stefan Bachmann Umbettung | Regie Jens Albinus Hit me Baby Vol. III | von und mit Stefko Hanushevsky und Christopher Brandt

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Die Letzten SIEBEN von zwanzig

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Uraufführung 10. März 2018 | Depot 2

real fake Ein neues Projekt und eine Stückentwicklung von und mit dem Import Export Kollektiv

Sind sie zu weiblich, zu ostdeutsch, zu muslimisch, zu schwarz, zu emotional, zu faul, zu fremd, zu politisch, zu geflüchtet, zu gehandicapt? Die 19 jungen Spieler*innen des Import Export Kollektivs erforschen Fake, Fakten und Fiktionen der eigenen Rollen im Leben. In der Schule, in der Uni, bei der Arbeit und am Theater: Überall werden wir mit Zuschreibungen konfrontiert und manchmal auf nur eine einzige Geschichte reduziert. Wie viele Labels lassen wir uns gefallen? Und wie können wir ihnen entkommen? Wir werden besetzt und besetzen uns selbst. Online treiben wir die Selbstinszenierung gar auf die Spitze. Aber wer entscheidet über die Bestbesetzung und wann werden wir zur Fehlbesetzung? Was passiert, wenn wir uns selbst inszenieren, wenn wir die Regieanweisungen ändern? Herzlich willkommen bei »real fake Productions« – hier wird neu besetzt! Das IMPORT EXPORT KOLLEKTIV vereint junge Menschen, die sich unter der Leitung des Theatermachers Bassam Ghazi künstlerisch erproben und mit performativen Formaten experimentieren. Regie und Bühne Bassam Ghazi Choreografie Bahar Gökten Kostüme Aleksandra Pavlović Video Viktoria Gurina Dramaturgie Henrike Eis ∙ Julia Fischer


dreivondrei | Die letzten sieben von 20

Premiere 22. März 2018 | Depot 1

Premiere

Woyzeck

von Georg Büchner

Er wird verlacht und ausgenutzt, erniedrigt und beleidigt: Woyzeck, der einfache Soldat, wird von einer brutalen Gesellschaft ausgebeutet und zwischen fremden Mächten zerrieben. Als Diener seines Hauptmanns verdient er kaum genug, um seine Freundin Marie und das gemeinsame uneheliche Kind zu unterstützen. Sein Nebenverdienst als medizinisches Versuchskaninchen eines skrupellosen Arztes kostet ihn seine körperliche Gesundheit. Und seine ohnehin angeschlagene Psyche wird schließlich vollständig zerrüttet, als sich ein lang schon schwelender Verdacht bestätigt: Marie, die Frau, der er Sold und Gesundheit opfert, betrügt ihn mit dem Tambourmajor. Es ist ein radikaler, ein sozialrevolutionärer, satirischer und tragischer Text, den der 23-jährige Georg Büchner seiner Nachwelt unvollendet hinterlassen hat. WOYZECK ist Vorläufer des modernen Dramas, eine luzide Studie über Gewalt und Wahn, über Macht und Ohnmacht, Willensfreiheit und Fremdbestimmung. Nach ADAMS ÄPFEL kehrt die schwedische Regisseurin Therese Willstedt mit einer Inszenierung von Georg Büchners Dramenfragment ans Schauspiel Köln zurück.

12. April 2018 | Depot 2

Gott von Woody Allen Deutsch von Peter Stephan Jungk

Wir schreiben das Jahr 500 vor Christus. Das berühmte Athener DramenFestival steht kurz vor seinem Beginn, als zwei chaotische Griechen auf die Szene kommen: der Schauspieler und der Schriftsteller. Doch sie haben ein riesiges Problem, denn sie finden kein Ende für ihr Stück. Dabei bricht ständig die Realität ein und die vierte Wand auf: Die beiden beklagen sich beim Publikum, rufen ihren Erzeuger Woody Allen an und lassen so ein perfektes und wildes Stückim-Stück entstehen. Ein Text über das Theatermachen, die großen philosophischen Fragen der Menschheit und das absurde Leben. Der Hausregisseur Moritz Sostmann, der zuletzt OCCIDENT EXPRESS und FAUST I & II am Schauspiel Köln inszenierte, wird dieses Stück mit Schauspieler*innen und Puppen auf die Bühne bringen. Regie Moritz Sostmann Bühne und Kostüme Klemens Kühn Puppen Franziska Hartmann Dramaturgie Stawrula Panagiotaki

Regie Therese Willstedt Bühne und Lichtdesign Mårten K. Axelsson Kostüme Birgit Bungum Musik Emil A. Høyer Dramaturgie Julian Pörksen

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dreivondrei | Die letzten sieben von 20

Premiere 05. Mai 2018 | Depot 1

Winterreise von Elfriede Jelinek

Deutschland, 1827, Oktober. Ein Jahr bevor er stirbt, vertont der junge Franz Schubert einen Gedichtzyklus des Dichters Wilhelm Müller. Die Gedichte sprechen ihn an: Ein Wandersmann verlässt seine Liebe und zieht hinaus in den Winter. Melancholisch, manchmal himmelhoch jauchzend, zunehmend zu Tode betrübt, ist es trotz sehr persönlicher und der Romantik verschriebener Strophen ein politischer Text. Eine Kritik der politischen Zustände zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Österreich, 2011, Januar. Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek veröffentlicht ein neues Stück, das sich in den Spuren von Schuberts Winterreise auf eine neue, sehr persönliche, aber auch radikale Reise begibt. Ausgehend von der eigenen Biografie, der konfliktbehafteten Beziehung zur Mutter und zum demenzkranken Vater in der Psychiatrie, führt der Weg zu Zustandsbeschreibungen unsererheutigen Welt. Der Bankenskandal von 2007, der Fall Natascha Kampusch und der Umgang der Öffentlichkeit mit dem Entführungsopfer, die zunehmende Vereinsamung des Individuums in einer virtuell geprägten Gesellschaft – alles Stationen, in denen das »Ich« sich verliert und doch die Suche nie aufgibt. Als österreichische Erstaufführung von Stefan Bachmann 2012 im Wiener Burgtheater auf die Bühne gebracht, wurde diese Inszenierung mit dem Nestroy-Theaterpreis in den Kategorien »Beste deutschsprachige Aufführung« und »Beste Ausstattung« ausgezeichnet. Eine Übernahme vom Burgtheater Wien Regie Stefan Bachmann Bühne Olaf Altmann Kostüme Esther Geremus Dramaturgie Andrea Vilter

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Uraufführung 04. Mai 2018 | Offenbachplatz

Wir sind Affen eines kalten Gottes.

Zum 200. Geburtstag von Karl Marx Ein Abend von und mit subbotnik

Karl Marx: Philosoph, Ökonom, Gesellschaftstheoretiker, Staatswissenschaftler, Religionskritiker, politischer Journalist, Protagonist der Arbeiterbewegung, getaufter Protestant, Enkel von Rabbinern, Staatenloser, Vater von sieben (ehelichen) Kindern, romantischer Liebhaber, guter Freund, geistreicher Denker, Träumer, hellsichtiger Analytiker seiner Zeit, Stubengelehrter, Genussmensch, prekär lebend und verschwenderisch, die meiste Zeit seines Lebens finanziell abhängig, humorvoll, schwierig und voller Widersprüche, tausendmal totgesagt und unsterblich zugleich. »Alles, was ich weiß, ist, dass ich kein Marxist bin«, soll Karl Marx über sich selbst gesagt haben. Wer aber war er? Und welche Bedeutung hat sein Werk heute noch 200 Jahre später? Die Gruppe subbotnik begibt sich auf eine theatrale Spurensuche: versponnen und eigenwillig, mit feinem Gespür für Töne und Zwischentöne – wie schon in ihren zwei bisherigen Abenden am Schauspiel Köln: ROBINSON CRUSOE und GEH HIN, ICH WEISS NICHT WOHIN – BRING DAS, ICH WEISS NICHT WAS. subbotnik Kornelius Heidebrecht Martin Kloepfer · Oleg Zhukov Dramaturgie Julia Fischer


Uraufführung 08. Juni 2018 | Depot 2

Premiere 30. Mai 2018 | Depot 1

Don Quijote

nach dem Roman von Miguel de Cervantes

Sie reiten noch immer, irgendwo zwischen Ikonografie und Folklore – und am liebsten gegen Windmühlen: Don Quijote, der Ritter von der traurigen Gestalt, und sein treuer Knappe Sancho Panza. Was aber passiert eigentlich jenseits dieser sprichwörtlich gewordenen Szene? Der Regisseur Simon Solberg, der am Schauspiel Köln zuletzt CYRANO DE BERGERAC in eine sprachgewandte und bildgewaltige Gegenwart setzte, begibt sich zusammen mit seinem Ensemble auf die Suche. Sie finden einen subversiven, politischen Roman, der seinerzeit hochaktuelle Diskurse wie die Vertreibung der Mauren von der iberischen Halbinsel aufgriff, die Entzauberung der Welt an der Scheide zwischen feudalem und bürgerlichem Zeitalter beschrieb und eine scheinbar unzerstörbare Symbolfigur hypothetischer Projekte, surrealistischer Träume und menschlicher Narrheit hervorbrachte. Aber auch die Geschichte einer großen Freundschaft. Und sie fragen sich: Wo stehen unsere Windmühlen? Was sind unsere Riesen? Gibt es Visionen, denen es sich unbeirrbar zu folgen lohnt? Wer ist hier ein Narr? Sie stürzen sich ins Abenteuer.

Wonderland Ave.

von Sibylle Berg

In einer vielleicht gar nicht so fernen Zukunft: Die Maschinen haben die Macht übernommen. Der Mensch mit all seinen Schwächen, seiner Erschöpfung, seinem Grübeln und seiner Langsamkeit ist ein Auslaufmodell. In der Wonderland Avenue nimmt sich ein Chor intelligenter Automaten seiner an. Doch wofür ist der Mensch eigentlich noch zu gebrauchen? Für die Arbeit schon mal nicht. Aber auch das genau konzipierte Vergnügungsprogramm zeigt keinen Erfolg und scheitert an der menschlichen Renitenz und Melancholie. Sibylle Bergs WONDERLAND AVE. ist ein bitterböser und ebenso komischer Abgesang auf die Welt, wie wir sie kannten. Gleichzeitig stellt das Stück die elementare Frage nach dem Wert und der Identität des Menschen. Was bleibt, wenn bedingungslose Produktivität zum obersten Prinzip wird? Wenn Gefühl ein Makel ist und Erinnerung nicht mehr als Ballast? Der junge Regisseur Ersan Mondtag, der für seine radikalen und ästhetisch entschieden Inszenierungen bekannt ist, wird das Stück im Depot 2 auf die Bühne bringen. Regie und Bühne Ersan Mondtag Kostüme Josa Marx Dramaturgie Sibylle Dudek

Regie Simon Solberg Bühne Simon Solberg · Franziska Harm Kostüme Franziska Harm Dramaturgie Nina Rühmeier

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Hat der Mensch noch eine Zukunft? Lasst uns zu einem aufgeklärten Humanismus aufbrechen! Ein Essay von Markus Gabriel

Kann uns AUFBRUCH auch Angst einflößen? Philosoph Markus Gabriel untersucht die Frage, wie groß die Gefahr im technologischen Fortschritt tatsächlich ist. Wird der Mensch zum Spielball der künstlichen Intelligenz? Wie weit können futurologische Prognosen reichen? Und woher kommt unsere Faszination am Technozauber? Der Posthumanismus ist in unseren Tagen eine wirkmächtige Phantasielandschaft. Er beschwört apokalyptische Szenarien, in denen erprobt wird, wie wir Menschen uns am besten auf unsere selbstverschuldete Auslöschung vorbereiten. Besonders verbreitet ist derzeit die Vorstellung einer kommenden Superintelligenz, d. h. einer Intelligenzexplosion in unserer von Algorithmen gesteuerten Infosphäre, die dazu führt, dass unsere digitale Infrastruktur uns in jeder Hinsicht überflügelt und unterwirft. Natürlich ist der Plot nicht neu. Man denke nur an Skynet aus TERMINATOR oder den guten alten Zauberlehrling Goethes.

Das Thema der künstlichen Intelligenz (K.I.) ist ein Experimentierfeld für ein Nachdenken über den Menschen, das über diesen hinauswill. Denn seit der digitalen Revolution, die unseren Alltag mit Informationsmaschinen beherrscht, denen wir uns nur noch mit Mühe entziehen können, ist wieder einmal deutlich geworden, dass unsere Technik unseren Fortbestand bedroht. Neu an der digitalen Revolution ist der Wettbewerb zwischen Mensch und Maschine auf demjenigen Gebiet, das bisher als Alleinstellungsmerkmal des Menschen galt: die intelligente Informationsverarbeitung. Unsere Artefakte schlagen uns im Schach und Go, machen Reisebüros und Telefonbücher überflüssig. Das Eindringen von Clouds in die Industrie sowie Softwarefortschritte im Dienstleistungssektor verändern durch Automatisierung unsere Arbeitswelt. Angesichts solcher rasanten Umbrüche liegt es nahe, sich auszumalen, wie es wäre, wenn der Mensch nur noch ein Knotenpunkt in künstlichen Netzwerken wäre, die uns allenfalls noch zur Ausführung ihrer Selbsterhaltung benötigen – so wie die menschlichen Körper, die die Matrix anzapfen und in traumreichen Tiefschlaf versetzen, damit die Maschinen sich sozusagen von unserer Körperwärme ernähren können. Doch halt! Wer sagt eigentlich, dass die futurologischen Prognosen, die Figuren wie Ray Kurzweil, Nick Bostrom, Max Tegmark und Yuval Noah Harari anstellen, überhaupt Hand und Fuß haben? Genaugenommen sind die Argumente, die angeführt werden, um die ferne Zukunft möglichst nahe zu

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»Bedenken first, digital second. Denken wir neu.« Wahlspruch der PDF*

rücken, extrem lückenhaft. Der französische K.I.-Spezialist Jean-Gabriel Ganascia hat in seinem Buch DER MYTHOS DER SINGULARITÄT auf allgemein nachvollziehbare Weise die unzähligen Denkfehler aufgelistet, die der These zugrunde liegen, wir stünden kurz vor einer Übernahme durch unsere Software. Der grundlegende Fehler der neuesten apokalyptischen Szenarien, die in so schlechten Filmen wie SINGULARITY (2017) ausgemalt werden, lässt sich übrigens identifizieren: Es wird übersehen, dass unser Denken, unsere menschliche Intelligenz eine biologische Grundlage hat.

Unser Denken ist ein Sinn – so wie das Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, unser Temperaturempfinden usw. Wenn wir denken, erfassen wir Strukturen der Wirklichkeit. Unsere Wirklichkeitserfassung setzt voraus, dass wir ein mehr oder weniger intaktes menschliches Lebewesen sind. Auf eine für uns niemals vollständig durchschaubare Art wählt unser Organismus unter ständigem Überlebensdruck Eindrücke aus, die wir kulturell weiterverarbeiten. Am Zustandekommen der von uns bewusst erlebten Wirklichkeit ist nicht nur unser unsäglich kompliziertes Nervensystem beteiligt (wovon unser Gehirn nur ein Teil ist), sondern unser Organismus insgesamt, der wiederum seine ökologische Nische hat, die von unzähligen Mikroorganismen mitgenutzt wird, ohne die wir keine Minute überleben würden. Die beteiligten Faktoren ermöglichen es uns, in einer Situation fortzubestehen, die uns in jedem Augenblick mehr Informationen zur Verfügung stellt, als das gesamte Internet transportiert. Genau genommen sind wir nämlich immerzu mit dem

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Unendlichen konfrontiert. Einfaches Beispiel: Kölner Karneval. Es grenzt an ein Wunder, das jemand am Rosenmontag etwa vom Kölner Hauptbahnhof bis zum Alter Markt gelangen kann. Um den Weg dorthin zu finden, muss man dauernd Hindernisse überwinden: Besoffene, den Rosenmontagszug usw. Doch diese an sich schon beeindruckende Leistung, die nicht jedem gelingt, setzt voraus, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf einen winzigen Teil der Wirklichkeit richten – die von uns bewusst wahrnehmbaren Ereignisse. Diese setzen voraus, dass es unsichtbare Strahlung gibt, Elementarteilchen, die uns weitgehend unbekannte dunkle Materie usw. Außerdem könnte man ohne Zellen und elektromagnetische Ereignisse unterhalb unserer Schädeldecke keinen Schritt vor den anderen setzen. Wenn man all dies mit in Betracht ziehen würde, um vollständig zu erklären, was alles geschieht, wenn jemand vom Hauptbahnhof zum Alter Markt geht, wäre es völlig unmöglich, sich jemals ein Bild von diesem Vorgang zu machen.

Die Wirklichkeit ist schlichtweg komplexer als jedes Modell, das irgendjemand sich von ihr macht. Sie ist letztlich unberechenbar. Als erkennende Lebewesen sind wir Teil dieser Wirklichkeit, ein geistiges Aufflackern, das unendlich viele Bedingungen voraussetzt, die wir niemals vollständig überblicken werden. Angesichts dieser Tatsache sollten die Heilsversprechen aus dem Silicon Valley, die hierzulande in der Öffentlichkeit weitgehend unkritisch aufgenommen werden, eher lächerlich wirken. Es wird in Aussicht gestellt, dass wir uns unserer eigenen Unsterblichkeit nähern, je weiter unsere Big DataAlgorithmen in der Erfassung vitaler Daten kommen. Gleich-


BRIEF ÜBER DEN »HUMANISMUS« formuliert hat. Seit einigen Jahren wissen wir aufgrund der Publikation der sogenannten »Schwarzen Hefte« besser, was Heideggers Kritik am Humanismus und am Menschen eigentlich bedeutet. Es handelt sich um einen Auswuchs einer Dehumanisierungsstrategie, die Teil von Heideggers nationalsozialistischem Denken ist, zu dem er sich ausdrücklich ab 1930 bekannt hat. Im Hintergrund stehen bei Heidegger und Foucault (wie übrigens auch bei Hitler) Nietzsches Aufbruch zum Übermenschen, der insbesondere in den USA viel Anklang gefunden hat – daher hat kein Geringerer als der Superheld »Superman« seinen Namen.

Der Mensch ist der gefährlichste Gegner des Menschen. Aber der Mensch ist auch unsere einzige Hoffnung.

zeitig wird jeder von uns jeden Winter zum Opfer verschiedener Erkältungskrankheiten, gegen die es weder eine Impfung noch irgendein Mittel gibt, das sie endgültig beseitigt. Es wird behauptet, dass bald alle Fabriken nur noch von Robotern bevölkert werden, sodass die große Arbeitslosigkeit ausbrechen wird, während gleichzeitig Millionen chinesischer Arbeiter unter inakzeptablen Bedingungen unsere Smartphones zusammenkleben, auf denen wir dann die neueste futurologische Meldung aus Kalifornien in unserem Twitter-Feed lesen. Das funktioniert in Deutschland so gut, weil das Land der Dichter und Denker heute allein auf technologischen Fortschritt setzt. Deutschland wird inzwischen eher von den Dynamiken der Autoindustrie als von sozial progressiven Ideen gesteuert. Der Technozauber macht es möglich, dass Dieselgate erst jetzt an die Öffentlichkeit gerät.

Das ist die wahre Unterwerfung unter das Joch der Maschinen, die sich hinter den futurologischen Märchen verbirgt! Um der Wahrheit über unsere Sterblichkeit auszuweichen, verbinden wir unseren technologischen Fortschritt mit einer großen Erzählung: der Erzählung vom baldigen Ende der Menschheit, auf die wir uns durch ein Himmelfahrtskommando vom Typ Mars Mission vorbereiten. Einer der Propheten des Posthumanismus ist Michel Foucault. Im letzten Satz seines epochemachenden Buchs DIE ORDNUNG DER DINGE wettet er, »daß der Mensch verschwindet wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand.« Dabei wird gerne übersehen, dass er von Martin Heideggers Visionen beeinflusst ist, die dieser insbesondere im

Wenn wir in eine Zukunft aufbrechen wollen, deren Grundzüge an einer Überwindung unserer sozioökonomischen, ökologischen und ethischen Probleme orientiert sind, die zu massiver globaler Ungerechtigkeit geführt haben, durch die sich die Menschheit auszurotten droht, müssen wir erst einmal lernen, uns selber zu akzeptieren. Der Mensch muss dringend aufhören, über den Menschen hinausgehen zu wollen. Ich habe dies in ICH IST NICHT GEHIRN einmal die »Verrohung nach oben« genannt – die Einrichtung von Gewaltsystemen im Namen der endgültigen Befreiung von unseren irdischen, animalischen Fesseln. Nicht das Internet und auch nicht unsere neueste Software, sondern diejenigen, die diese kontrollieren, sind die Quelle realer Gefahren. Es ist Zeit, neu zu denken. Wir brauchen ein Menschenbild, das dem Umstand angepasst ist, dass wir den Menschen so schnell nicht loswerden. Als ersten Aufschlag biete ich an: »Der Mensch ist das Tier, das keines sein will.« *Die PDF ist das Kürzel der (leider) fiktiven Partei der Freiheit, die nicht zur Bundestagswahl 2017 angetreten ist. Sie wurde ebenso wie die PFA, die Partei für alle, vermisst. Beide hätten Einwände gegen die Digitalisierungskampagne der nicht fiktiven FDP gehabt. Daher der Wahlspruch der PDF. Diese Fußnote ist kein politisches Statement.

Weiterführende Literatur: Nick Bostrom: SUPERINTELLIGENZ. SZENARIEN EINER KOMMENDEN REVOLUTION. Berlin 2016. Markus Gabriel: DER SINN DES DENKENS. Berlin 2018. Yuval Noah Harari: HOMO DEUS. EINE GESCHICHTE VON MORGEN. München 2017. Ray Kurzweil: MENSCHHEIT 2.0. DIE SINGULARITÄT naht. Berlin 2014. Max Tegmark: LEBEN 3.0. MENSCH SEIN IM ZEITALTER KÜNSTLICHER INTELLIGENZ. Berlin 2017.

Prof. Dr. Markus Gabriel ist der jüngste Philosophieprofessor Deutschlands und lehrt Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn. In ICH IST NICHT GEHIRN und WARUM ES DIE WELT NICHT GIBT widmet er sich den schwindelerregend großen Fragen der Menschheit und sorgte national und international für Aufmerksamkeit. Diesen Herbst erscheint sein neues Buch DER SINN DES DENKENS.

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egen

welten Ein Essay von Peter Michalzik


Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlebte das utopische Denken eine Blütezeit. Vegetarier*innen, Künstler*innen und Visionär*innen machten sich auf die Suche nach dem neuen Paradies. Peter Michalzik, dessen Buch »1900« über diese einflussreiche Aufbruchszeit gerade erst erschienen ist, befasst sich in diesem Essay mit dem utopischen Denken damals wie heute. Er folgt seinen Spuren vom Lago Maggiore bis ins Silicon Valley. Unter den Überraschungen, die ich bei der Arbeit an meinem Buch über den Monte Verità erlebt habe, ist diese eine der größeren: Die ersten Presseberichte über diese neue, merkwürdige Siedlung in der Südschweiz erschienen nicht etwa in den Münchner Neuesten Nachrichten, der Neuen Züricher Zeitung oder dem Corrière della Sera, auch nicht in einer Lokalzeitung aus Locarno oder Bellinzona, sie erschienen im San Francisco Chronicle und anderen Zeitungen aus Kalifornien. Wie die Leute am anderen Ende der Welt davon mitbekommen haben, weiß ich nicht, jedenfalls hatten sie schon 1900 das wachste Ohr für utopische Projekte und verstanden sofort, wie grundlegend das Experiment war, das am Monte Verità gestartet worden war. Was war dieser Monte Verità? Vor über hundert Jahren, genau im Jahr 1900, machten sich ein paar Menschen auf, gingen zu Fuß von München über die Alpen, gründeten eine Siedlung, begannen mit dem Obst- und Gemüseanbau und wollten in jeder Hinsicht ein gottgefälliges Leben führen, wenn es denn Gott noch gegeben hätte.

So führten sie ein Leben, das sie für vernünftig, schön und gut hielten. Schnell meldeten sich, ein paar Monate nach Gründung der kleinen Siedlung, die ersten Interessenten, dutzendweise kamen im ersten Sommer die Besucher, von denen einige sogar blieben. Niemand weiß, wie sich die Nachricht von der neuen Siedlung im Süden verbreitet hat, über die offiziellen Medien jedenfalls lief es nicht, es war Mund-zu-Mund-Propaganda, es war eine echte Graswurzelrevolution. Zeitweilig lebten am Monte Verità deutlich mehr als hundert Menschen. Es lebten hier Berühmtheiten wie Hermann Hesse, Franziska Gräfin zu Reventlow, Marianne Werefkin, Ivan und Claire Goll, Ernst Bloch, Max Weber. Was macht den Monte Verità aus? Das Wichtigste ist vielleicht etwas, das den Bergbewohnern meist nur halb bewusst war, worunter sie aber auch zeitweilig litten. Sie hatten

kein gemeinsames Programm. Nirgendwo war festgeschrieben, was der Monte Verità war. Jeder hatte eine Idee, alle Ideen berührten oder überschnitten sich, manche Vorstellungen waren sogar mit anderen deckungsgleich, aber es gab keine verpflichtende gemeinsame Idee. So konnte es keine Ketzer geben. Weil es kein Evangelium gab, gab es kein Ketzertum. Es gab keine Abtrünnigen, weil es keine reine Lehre gab. Ein saufender russischer Adliger in Ascona, der auf das Erbe seines Vaters wartete, verkörperte in seiner gewitzten und schrulligen Unabhängigkeit den Geist des Berges genauso gut, vielleicht besser, als sein Bruder, der sich auf dem Berg vegetarischen Exerzitien hingab. Der Vegetarismus war noch am ehesten der gemeinsame Nenner, aber er brachte es nicht bis zur verpflichtenden Doktrin.

Weil es kein Programm gab, war die Gemeinschaft lebendig. Der Monte Verità war ein Modellort des utopischen Denkens. Und als solcher hat er bei seiner Gründung die Zeitungsjournalisten im fernen Kalifornien angezogen. Die Verheißung war so stark, dass sie es sozusagen über den Atlantik und den Mittleren Westen hinweg rochen. Auch die utopische Bewegung ist dann nach Westen gewandert, wie der europäische Mensch überhaupt. Als vor 50 Jahren das utopische Denken noch einmal ein globales Erwachen erlebte, da lag das Zentrum schon nicht mehr in Berlin, Paris, London oder New York, auch nicht in den Landkommunen, die sich überall in Europa gründeten, es lag am Pazifik. Dort ist es bis heute geblieben, nur hat es sich, wir wissen es alle,

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grundsätzlich verändert. Es hat sich in jene Gegend zurückgezogen, die nach dem Silikon benannt und weniger ein Tal als die Ufer des San Francisco Bay ist. Es sind gewaltige und zugleich unsichtbare, allgegenwärtige und hochdynamische Firmen geworden, die dauernd davon erzählen, wie sie den Planeten retten wollen, die Menschheit neu erfinden und die Welt auf jeden Fall zu einem besseren Ort machen werden. Alle schaffen sie, darunter machen sie es nicht, an einer besseren Zukunft. Nie waren die Ankündigungen so vollmundig. Nie wurde ihnen weniger geglaubt. Und nie wurden sie gleichzeitig von mehr Menschen befolgt. Denn so ist es: Die Utopie ist im 21. Jahrhundert ein Versprechen geworden, an das niemand glaubt und dem doch alle folgen. Willkommen im digitalen Zeitalter. Gibt es einen Weg zurück? Gibt es irgendeinen Boden, auf dem das utopische Denken und Sehnen stehen kann und nicht nur, wie im Virtuellen, ortlos schwebt? Oder hat es sich in Luft aufgelöst, wie ja schon vielfach nach dem Ende des anderen Systems, das einst jenseits des Eisernen Vorhangs lag, nach dessen Fall vor mehr als 25 Jahren, gemutmaßt worden war? Die Utopie, das sagt ihr Name, hat keinen Ort,

sie ist ein Un-Ort, ein a-topos, eine Projektion, der Entwurf eines Ortes, der nur deswegen entstehen kann, weil es ihn auf Erden nicht gibt. Und immer, man muss das leider so deutlich sagen, immer, wenn versucht wurde, utopisches Denken zu verwirklichen, ging es schief. Das war im Kommunismus so, das ist zur Zeit im Silicon Valley so. Aus dem utopischen Denken der Siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts ging die grüne Bewegung hervor, die bis heute lebendig ist. Sie hat einen interessanten, bis

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heute vielleicht nicht genug beachteten Grundgedanken in den Vordergrund gerückt. Der zentralen Idee, dem Erhalt der Erde als Lebensgrundlage für alle Menschen, liegt eine antiindividualistische Einstellung zugrunde, sie birgt für den Einzelnen keinerlei Glücksversprechen.

Es ist eine zutiefst kollektivistische Idee, der Einzelne spielt nicht nur keine wesentliche Rolle, er kommt im Prinzip nicht vor. Mit dem Ende der Sowjetunion hat der Kollektivismus als Idee abgedankt, denkt man. Aber was wohl die Chinesen dazu sagen werden, die sich gerade massenhaft dem landesweiten Scoring unterwerfen, das die persönlichen Lebensmöglichkeiten an das Wohlverhalten des Einzelnen gegenüber staatlichen Vorgaben bindet? Der Kommunismus ist schon lange untergegangen in China, der Kollektivismus lebt – mit Unterstützung der Bevölkerung. Das ist das lächerliche und putzige Moment an der peniblen Erhebung der persönlichen Klimabilanz, wie sie im Westen gern als kleinster gemeinsamer Nenner fungiert: Wir können so viel Müll trennen, wie wir wollen, unsere Energiebilanz wird trotzdem den Planeten zerstören. Wir können persönlich so viel guten Willen mitbringen, wie ihn ein Mensch aufbringen kann, es wird trotzdem nichts ändern. Wir müssen uns, klar, als Einzelmenschen daran halten, dem Planeten keinen Schaden zuzufügen, wenigstens möglichst wenig, wir müssten uns diesem Gedanken aber auch als Kollektiv unterwerfen – und das hat keine Chance. Jeder müsste mitmachen, sonst bringt es nichts. So hat sich die utopische Bewegung in zwei Pole aufgespalten: Den extremen, hedonistischen Individualismus der San Francisco Bay, der als Ideologie weltweit erfolgreich ist, die endlose Selbstdarstellung von genussseligen und selbstverliebten Individualisten, die am Ende alle gleich aussehen. Und einer grünen Bewegung, die zwar durch die Weltklimakonferenzen die einzigen nennenswerten gemeinsamen globalen politischen Aktionen hervorgebracht hat, die aber trotzdem, wenn nicht alle Anzeichen trügen, grandios scheitern wird. Einsicht ist eine zu schwache Kraft, um das Leben der Menschen zu beeinflussen. Nun, was sagt uns der Monte Verità dazu? Wie gesagt, die Bewohner des Berges führten ein Leben, das sie für vernünftig, schön und gut hielten. Sie wurden belächelt, sie wurden als Pflanzenfresser und Kohlrabi-Apostel verspottet, sie wurden polizeilich verfolgt. Aber das war – wie die Geschichte der beiden Jahrzehnte, die das Experiment dauerte – gar nicht das eigentliche Problem. Das eigentliche Problem waren die Leute selbst, die neuen Siedler, die Bergbewohner. Es kamen berühmte Menschen mit den besten Vorsätzen auf den Monte Verità und nach Ascona, das Bauern- und


Gedanke, das war das Lebensgefühl, das war es, was eine Art Überlegenheitsgefühl erzeugte und zusammenschweißte. Das ist eine grundlegende Idee unserer Zeit geworden, zwischen Umweltschutz und Genderpolitik. Jeder soll in seinem speziellen So-Sein existieren können. Es ist die einfache und überzeugende Idee, den Anderen anzuerkennen und sein Leben zu achten.

Fischerdorf am Fuß des Hügels, es kamen unbekannte Menschen mit großen Hoffnungen, es kamen prinzipienfeste und genussselige, visionäre und bodenständige Menschen aus ganz Europa zusammen. Sie hatten eine gemeinsame Idee, sie bauten ein gemeinsames Dorf, sie führten ein gemeinsames Leben an einem der schönsten Orte, den man sich ausmalen kann, sie ließen sich gegenseitig persönliche Freiheit und verpflichteten sich doch füreinander, sie machten, auch wenn man von heute schaut, eigentlich alles richtig. Und doch scheiterte der Monte Verità am südlichsten Zipfel der Schweiz, am Lago Maggiore, als utopisches Projekt. Er scheiterte an seinen Mitgliedern, die letztendlich doch so unterschiedlich waren wie jede Gesellschaft, und die sich, und da sind wir wieder beim Kollektiv, am Ende selbst doch immer näher waren als der Gemeinschaft. Denn so ist er offenbar, der Mensch: Immer wenn ein Kollektiv gegründet wird, gibt es schon die ersten, die ausscheren. Der Mensch ist ein Herdentier, ja, ganz offensichtlich. Aber der Mensch ist auch ein ganz spezielles Herdentier. Er ist ein Herdentier, bei dem jedes einzelne Mitglied der Herde davon überzeugt ist, dass es schlauer ist als die anderen Herdentiere.

Eine Idee, die alle verbindet. Natürlich ist der Monte Verità verwandt mit anderen Gründungen der Zeit, es gibt persönliche und ideelle Verbindungen etwa zur Künstlergemeinschaft in Worpswede, zu den Koloniegründungen in Brasilien und Samoa, wo die Deutschen endlich auch eine Kolonie hatten, zur Obstbausiedlung Eden bei Berlin. Ein Unterschied aber ist unübersehbar und doch so offensichtlich, dass er leicht übersehen wird. Der Monte Verità, sein Name sagt es, lebte aus dem Geist eines Ortes heraus. Der Ort, der Berg im Süden, steht im Zentrum, er ist programmatisch, er steht für die Art von Leben, die man sich hier ersehnt und an der man gemeinsam arbeitet. Der Monte Verità ist eine konkrete Utopie, kein Nicht-Ort, sondern ein wirklicher Punkt auf der Landkarte. Und es gab auch die eine Idee, die alle verband, die aber damals niemand formulieren konnte: Lebe so, dass du niemand anderem etwas wegnimmst, den anderen beschäftigst, zurücksetzt, oder seine Welt zerstörst. Das war der

Man kann das alles auf die heutige Situation übertragen. Die Ressourcen, die der Welt zur Verfügung stehen sind knapp, das Einzige, was nicht knapp ist, ist das Geld. Davon haben wir wirklich genug. Man könnte lernen, es richtig einzusetzen. Das führt zum vorerst letzten und erstaunlichsten Punkt, der uns mit dem Monte Verità verbindet: dem Geld. Es ist wie bei allem Neuen, es ist wie beim Solarmodul oder dem Elektromotor, es braucht eine relativ lange Zeit, bis sich eine neue und gute Idee durchsetzen kann. Deswegen braucht es für die Durststrecke Geld, es braucht oft sogar ganz erhebliche Finanzmittel. Der alte Gedanke, dass jeder so viel Geld bei sich akkumuliert, wie er kann und will, hat sich als fundamentaler Irrweg erwiesen. Geld muss Gemeingut werden. Geld muss die Möglichkeiten einer Gesellschaft und nicht des Einzelnen mehren. Die Utopie des Silicon Valley ist, wie alle anderen auch, nur durch die allseits gern vergebenen Startfinanzierungen Wirklichkeit geworden. Die kalifornische Utopie hat am Ende die Figur des Venture-Kapitalisten hervorgebracht, der nicht auf ein Unternehmen wettet wie normale Shareholder, Aktienbesitzer, sondern der in die Idee eines Unternehmens investiert, mit dem er dann gegebenenfalls in kurzer Zeit märchenhaft reich werden kann. Es ist ein ganz neues Spekulieren entstanden. Denn das ist die heutige Utopie: Ich werde ganz schnell unermesslich reich. Das merkt man allen Produkten der digitalen Revolution an. Das aber ist keine Utopie, sondern eine Idee, wie ich für mich selbst – und zwar nur für mich selbst – möglichst viel aus dem Leben rausholen kann. Henri Oedenkoven, einer der Gründer des Monte Verità, brachte die Finanzmittel mit und investierte sie kontinuierlich in den Berg und die Siedlung. Als er keine Lust mehr dazu hatte, war auch das Unternehmen am Ende. Jedes Theater braucht Geld, jede neue technologische Idee, und offenbar auch jede neue Lebensform, bis sie dann irgendwann erwachsen wird und auf eigenen Füßen stehen kann.

Peter Michalzik ist Journalist, Theaterkritiker und Autor. Zuletzt veröffentlichte er Biografien über Gustaf Gründgens, Siegfried Unseld und Heinrich von Kleist. Er arbeitet außerdem am Mozarteum Salzburg und ist Gastprofessor an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main.

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Die Zeit ist aus den Fugen, die Welt taumelt von einer Krise in die nächste. Was lässt sich dagegen unternehmen? Und welche Rolle spielt die Kunst? Ein Gespräch mit dem Regisseur, Autor und Filmemacher Milo Rau. Deine Arbeiten weisen ein großes Spektrum auf, inhaltlich wie formal. Du hast dich mit dem Völkermord in Ruanda befasst, mit dem Bürgerkrieg im Kongo, mit Marc Dutroux, mit dem Dschihadismus, dem alten Lenin und Anders Breivik. Du hast ein Weltparlament einberufen, Prozesse auf die Bühne gebracht, Filme gedreht, Bücher geschrieben – wie findest du deine Stoffe? Wie man so schön sagt: Die Stoffe finden mich. Ausgangspunkt kann eine Kindheitserinnerung sein, ein Bild, ein Interesse, ein Stück, eine Reise, die Biografie eines Schauspielers. Beispielsweise wollte ich schon lange ein Stück zu Marc Dutroux machen, der mir bei meiner Arbeit in Belgien in Gesprächen immer wieder begegnet ist, als nationales Trauma. Aber es machte nie wirklich Sinn. Bis ich eines Tages von einem belgischen Theater gefragt wurde, ob ich nicht Lust hätte, mit Kindern zu arbeiten. Da dachte ich: Klar, belgische Kinder plus Dutroux, das macht Sinn. So ist FIVE EASY PIECES entstanden. Und wie finden die Themen ihre Form? Das ist ja wieder ein ganz eigener Prozess. Tja, manchmal finde ich die richtige Form nicht, muss ich zugeben. Und wenn es gut läuft? Wenn es gut läuft ... Ich habe natürlich eine Idee, aber in Wirklichkeit ist am Anfang immer das leere Blatt, ich suche mir eine Gruppe Leute und arbeite über Sedimentablagerungen. Ich probe deshalb in verschiedenen Blöcken, damit wir alles Mögliche ausprobieren und wieder verwerfen können,

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Es gibt in deiner Arbeit einen starken aufklärerischen Impetus, den Wunsch, auf das aktuelle Weltgeschehen zu reagieren, und zwar nicht nur deskriptiv und kritisch, sondern auch, indem du Möglichkeiten aufzeigst – das Weltparlament war ja so ein Versuch, oder zumindest habe ich es so gelesen. Ja, richtig. Es gibt zwei Extreme in meiner Arbeit. Es gibt dieses Zitat von Antonio Gramsci: »Man muss nüchterne, geduldige Menschen schaffen, die nicht verzweifeln angesichts der schlimmsten Schrecken und sich nicht an jeder Dummheit begeistern. Pessimismus des Verstandes, Optimismus des Willens.« Auf der einen Seite bin ich strategischer Pessimist: Mein Weltparlament, hat ein Zuschauer gesagt, war ein Albtraum, ein Albtraum im Zehnminutentakt. Und warum sich darüber Illusionen machen? Der globale Kapitalismus ist ein gewaltiger Zerstörungszusammenhang, und die Sache wird in einer Katastrophe enden. Auf der anderen Seite aber gibt es für mich die Utopie, den Wunsch, die Dinge anders zu machen, wirklich demokratische Institutionen zu schaffen, damit ein besseres Zusammenleben verhandelbar und möglicherweise sogar umsetzbar wird. Insgesamt beobachte ich, dass bei mir und meinen Mitarbeitern mit zunehmendem Alter das Interesse am Skandal nachlässt. Irgendwelche Lokalpolitiker zur Weißglut zu treiben, das macht mir keinen Spaß mehr – ja, es gibt seit einigen Jahren einen gewissen Hang zum Konstruktiven bei mir. Denn das Schockierende ist doch eigentlich, dass es noch kein Weltparlament gibt – dabei sind unsere Probleme global, die Wirtschaft ist global, das Klima sowieso. Warum gibt es das nicht? In diesem Sinne werde ich immer aufklärerischer, weil es doch darum geht, die Möglichkeiten, die man eigentlich hat, auszuschöpfen, statt aus dem bequemen Innenraum des Bestehenden heraus den Moralisten zu spielen. In einem Radiogespräch zwischen Theodor W. Adorno und Ernst Bloch, das 1966 geführt wurde, verhandeln die beiden Philosophen die Frage nach der »Möglichkeit der Utopie heute«. Adorno ist relativ pessimistisch, er konstatiert zunächst eine »Schrumpfung des utopischen Bewusstseins«, sagt also, die Fähigkeit der Menschen, sich die Welt als Ganzes anders vorzustellen, sei im Schwinden begriffen. Und er formuliert dann eine Art Bilderverbot, indem er sagt: Die Utopie darf nicht ausformuliert werden, man darf sie nicht »auspinseln«, sondern kann nur in der Kritik des Bestehenden anklingen. Man kann keine Vision der besseren Gesellschaft mehr entwerfen, oder wenigstens nur indirekt. Gut, das ist 1966, zwei Jahre später werden dann in der Aula die Brüste entblößt und Adorno tritt ab. Er war damals in einer Anti-Praxis-Haltung gefangen, und zwar in Bezug auf die neue Linke, die er nicht verstand und die für ihn in ihrem moralischen Rigorismus und ihrem Sturm-und-Drang ein

Die Kunst, Hoffnung

um am Schluss purifizierend vorzugehen. Das Endprodukt muss so einfach und zwingend wie möglich wirken – so, als hätte man nicht diesen ständigen Kampf gegen das Scheitern geführt. Aber ich brauche diesen Kampf, diese Panik, um ins Denken zu kommen: anfangs nicht zu wissen, was es werden wird. Das ist der Grund, warum ich fast nie klassische Stücke inszeniere: Einfach einen Text hernehmen, da komme ich nicht ins Denken.


Interview mit Milo Rau

zu organisieren

neuer Faschismus war. Sein Erfahrungshorizont war der Nationalsozialismus, er war zu alt für einen Dutschke, auf einer anderen Ebene hatte er natürlich total Recht ... Interessanter für mich ist aber Bloch, mit dessen Hoffnungsbegriff ich mich immer wieder beschäftigt habe. Das Lustige bei Bloch ist, dass er ja sehr konkret denkt. Sein Begriff von Hoffnung ist nicht messianisch, er glaubt nicht daran, dass irgendwann alles gut wird, in einem perfekten Staat. Sondern er versteht unter Hoffnung die praktische Umsetzung von Handlungsmöglichkeiten, er glaubt daran, dass eine sinnvolle Handlung als Mensch möglich ist. Und das ist ja die große Frage, die wir uns aktuell stellen müssen, in einem Weltzustand, da die Katastrophe absehbar, ja unabwendbar ist und wir uns damit beschäftigen müssen, wie wir das Danach organisieren. Was sind die Strukturen, die kommen, wenn die jetzigen Strukturen zusammengebrochen sind? Es wird deshalb eine Fortsetzung des Weltparlaments geben, in dem wir uns weniger auf die Beschreibung des Katastrophalen konzentrieren werden und mehr auf die realen alternativen Handlungsmöglichkeiten. In der Charta, die wir nach dem ersten Weltparlament herausgebracht haben, haben wir versucht festzuhalten, was auf Weltebene eigentlich verhandelt werden müsste. 2019 kommt dann die zweite Staffel, zwei Parallelparlamente, in Brüssel und Kinshasa, der eine Veranstaltungsreihe in Gent mit dem Titel THE ART OF ORGANIZING HOPE vorausgeht. Die Kunst, Hoffnung zu organisieren. Da wird es um reale Projekte gehen, um eine sehr konkrete Form von Postkapitalismus, den man nun ausformen, organisieren muss. Denn der Postkapitalismus existiert schon, an allen Ecken des Planeten, so wie der Kapitalismus in der Feudalgesellschaft auch schon existierte. Darin ist unsere Generation realistischer als die von Adorno und jene der sogenannten 68er, die noch auf einen globalen Gesellschaftsentwurf hofften oder ihn verdammten. Für mich ist die eigentliche Erfahrung des Weltparlaments die Frage gewesen: Wie organisiert man mit 30 Organisationen, die von der UNO bis zu spezifischen Interessengemeinschaften gehen, ein Weltparlament? Und wie schafft man es anschließend, mit all den Intellektuellen und Aktivisten und Vertretern eine Charta zu entwickeln, und zwar so, dass auch jeder dafür ist. Und wie schafft man es, dass es nicht nur eine Kunstaktion bleibt, sondern tatsächlich fruchtbar wird für die Zukunft? Es gibt verschiedene Ebenen, glaube ich. Das für mich beste Beispiel war unser Kongo-Tribunal, das wir im kongolesischen Bürgerkriegsgebiet organisiert haben. Denn weder gibt es ein Weltparlament, in dem die Globalisierung demokratisch verhandelbar wird, noch gibt es ein Tribunal für die Weltwirtschaft. Wir haben deshalb gesagt: Dann machen wir das einfach. Erstmal ist das Größenwahn, das Interessante ist aber, dass Größenwahn ansteckend wirkt. Beim Kongo-Tribunal, als es dann tatsächlich stattfand, haben die Leute gesehen, dass es reale Konsequenzen hatte. Es wurden ja tatsächlich zwei Minister entlassen, am Ende sogar der Gouverneur. Und jetzt

läuft der Film zum Projekt in über zehn Ländern und wir arbeiten an einer Kampagne für erstmal fünf weitere Tribunale im Bürgerkriegsgebiet. Und in ein paar Jahren wird es, sage ich voraus, ein offizielles Weltwirtschaftstribunal geben, das ist doch unglaublich! Daneben gibt es aber noch einen anderen Punkt: die geschichtsschreibende Funktion der Kunst. Der Präsident unseres Kongo-Tribunals, der Gründer des Den Haager Menschenrechtstribunals, hat zu mir gesagt: In Den Haag wissen wir, wie die Prozesse ausgehen. Es soll alles korrekt laufen, aber im Grunde geht es darum, die Dinge bekannt zu machen, sie als Genozid oder Kriegsverbrechen für die Geschichte zu bezeichnen. Es geht darum, Geschichte zu schreiben. Und dann ist da noch der dritte Punkt: die Nützlichkeitsforderung an das Menschliche ist – bedauerlicherweise, könnte man sagen – eher abwegig. Wenn wir den Verlauf der Menschheitsgeschichte betrachten, insgesamt, dann müssen wir feststellen, dass nichts für diesen Planeten Sinn gemacht hat. Für 99,99 % aller Lebensformen ist der Mensch, was auch immer er tut, eine einzige Katastrophe. Insofern wäre natürlich Nichtstun das Nützlichste. Du wirst jetzt Intendant in Gent – was steht auf dem Programm, was habt ihr dort vor? Wir nennen es »Stadttheater der Zukunft«, weil wir versuchen, zwei Modelle zu verknüpfen: das Stadttheater- und das freie Modell. Das NTGent soll ein Produktions-, aber auch ein Gastspielhaus sein, ein Kunst-, aber auch ein Ausbildungsort. Das ist sehr kompliziert und aufwändig, denn einerseits gibt es ein Ensemble und einen klassischen Spielplan, andererseits werden bis zu 30 Kompagnien bei uns arbeiten, jede Spielzeit. Wir werden viel auf Tour gehen, weltweit. Deshalb werden wir ein Manifest, eine Art Dogma aufstellen. Auch das ist eine sehr konkrete Art, Hoffnung zu organisieren: Es geht nicht um irgendwelche Theorien von Partizipation, sondern um die Größe der Transporter, die Anzahl von Ländern, in denen man spielen muss, wie viele Kriegsgebiete darunter sein, wie viele Leute beteiligt sein müssen, die keine Ahnung vom Theater haben, wie viele Fremdtexte erlaubt sind etc. Damit die utopische Kunst-Maschine am Laufen gehalten wird, damit das Theater aufhört, sich um sich selbst, um die immer gleichen Leute und Texte zu drehen. Damit ständig neue Leute dabei sind, die ausgebildet werden und nachher wiederum ausbilden. Das Gespräch führte der Dramaturg Julian Pörksen

Milo Rau, in Bern geboren, lebt in Köln und Gent. Seit 2002 veröffentlichte er über 50 Theaterstücke, Filme und Bücher, die zu Festivals in mehr als 30 Ländern eingeladen wurden. 2007 gründete Milo Rau das IIPM – International Institute of Political Murder. Sein dokumentarisches Theater spielt mit der Wahrnehmung des Zuschauers, verwebt persönliche und historische Stoffe zu einer ästhetisch verdichteten Form politischer Kunst. Zuletzt sorgte das IIPM mit den gefeierten Produktionen MITLEID. DIE GESCHICHTE DES MASCHINENGEWEHRS (2016) und DAS KONGO TRIBUNAL (2017) für Aufsehen, die auch am Schauspiel Köln gezeigt wurden. Mit Beginn der Spielzeit 2018/19 wird Milo Rau Intendant am NTGent.

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»Ihre Zeit ist vorbei« Ein Beitrag von Susan Winnett

Wie gewichtig ist die #MeToo-Debatte, die in den USA ihren Ausgang nahm und inzwischen auch Deutschland erreicht hat? Ist sie der Aufbruch zu einer globalen feministischen Bewegung, gar einer Revolution? Oder wird sie als mediales Strohfeuer schnell ihre Wirkung einbüßen? Susan Winnett, Professorin für »American Studies«, beschreibt die politischen und gesellschaftlichen Hintergründe, vor denen die Debatte geführt wird. Ihre Wurzeln sieht sie im afroamerikanischen Feminismus. 24


#MeToo hat Europa in erster Linie als eine Bewegung prominenter, weißer Hollywoodstars erreicht, und deren Teilnahme ist sicherlich für die Sichtbarkeit ausschlaggebend, die zur Ehrung als »Mensch des Jahres 2017« des TIMES MAGAZINE geführt hat. Doch #MeToo wurde von einer Afroamerikanerin gegründet, und die Wurzeln der Bewegung liegen in der Tradition des afroamerikanischen Feminismus. Tarana Burke, so heißt diese Gründerin, erinnert weiße Feministinnen aus der Mittelklasse an die doppelte Unterdrückung schwarzer Frauen und streitet für ein feministisches Programm, das die unterschiedlichen Formen der Diskriminierung in den Vordergrund rückt, unter denen Women of Color im Alltag leiden. Afroamerikanerinnen gehören also zu den genauesten und schonungslosesten Analytikerinnen gelebter sexueller Machtverhältnisse. Darauf hat die (weiße) feministische Ikone Gloria Steinem vor Kurzem hingewiesen und angeprangert, die amerikanische Mainstreamkultur und viele weiße Feministinnen würden die Vorreiterrolle schwarzer Feministinnen in der Frauenbewegung systematisch übersehen.

Die Afroamerikanerin Tarana Burke hat »MeToo« schon 2007 ins Leben gerufen, um jungen Überlebenden von sexueller Gewalt einen Raum zu gewährleisten, wo ihren Geschichten Glauben geschenkt wird.

In der Neuauflage von DEVIL’S BARGAIN über Donald Trumps Weg zur Macht beschreibt der Autor Joshua Green, wie der ultrarechte Politstratege Steve Bannon höchst alarmiert vor der #MeToo-Bewegung warnte. Von einer »Revolution« habe er gesprochen, von einer »Antipatriarchatsbewegung«, die »zehntausend Jahre aufgezeichneter Geschichte rückgängig machen« werde. Frauen würden die gesellschaftliche Macht übernehmen, fürchtete er. Und sie könnten keinem besseren Bösewicht gegenüberstehen als Trump. »Er ist der Patriarch. Das ist ein definitorischer Moment in der Kultur. Es wird nie mehr dasselbe sein.« Akut verantwortlich für diese »Revolution« wird die Rede von Oprah Winfrey bei der diesjährigen Golden-Globe-Verleihung gemacht, in der sie den Preis für ihr Lebenswerk »allen Frauen« widmete, »die Jahre des Missbrauchs und der Angriffe ausgehalten haben, weil sie – wie meine Mutter – Kinder hatten, die Essen brauchten, Rechnungen bekamen, die bezahlt werden mussten, und Träume hatten, die sie verfolgen wollten.« Winfreys Blick richtet sich also nicht in erster Linie auf die mit schwarzen Abendkleidern ausgestatteten Stars, die im Zuge der #MeToo-Bewegung die Belästigungsepidemie in den Hochetagen Hollywoods bloßgestellt haben. Sondern auf die unzähligen unsichtbaren Frauen, deren Recht auf Würde und Glaubwürdigkeit sowohl von ihren Peinigern als auch von der Gesellschaft missachtet wird.

Durch Empathie sollten sich gerade arme »braune und schwarze« Frauen, die die häufigsten und wehrlosesten Opfer sexueller Belästigung sind, des Lebens wieder ermächtigen, die Glaubwürdigkeit wiedererlangen. Angesichts dieser gesellschaftlich verankerten Wehrlosigkeit, sexuellen Verfügbarkeit und Unglaubwürdigkeit, die den privaten und beruflichen Alltag unzähliger Frauen bestimmen, ist Catherine Deneuves Aussage, die Freiheit zu belästigen sei unerlässlich für die sexuelle Freiheit, besonders unerträglich. Die »Marianne«, die Deneuve für ihre Generation verkörpert, ist auch mit halb entblößtem Busen unantastbar. So unantastbar ist auch Deneuve, weil sie die Grenzen ihrer Verfügbarkeit im erotischen Spiel selber zu bestimmen vermag. Ganz anders erging es Nafissatou Diallo, die den französischen Politiker Dominique Strauss-Kahn der Vergewaltigung in einem New Yorker Hotel bezichtigte. Dieser schwarzen Analphabetin und Immigrantin, diesem »Zimmermädchen«, wurde nicht geglaubt, als sie versuchte, ihre Version der Geschichte gegen die eines mächtigen Mannes zu behaupten. Und das »Nein«, das gesagt zu haben sie erklärte, hatte weder in der intimen Begegnung noch im Gericht die geringste Gültigkeit. Exemplarisch dafür, wie die Glaubwürdigkeit von Frauen in Belästigungsverfahren angezweifelt wird, war der Fall Anita Hill, der sich vor über 25 Jahren in den USA ereignete. 1991 nominierte der damalige Präsident der USA, George H. W.

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Bush (also Bush senior, der übrigens selber nicht von Belästigungsvorwürfen verschont blieb), den erzkonservativen, als Richter beinahe unerfahrenen afroamerikanischen Juristen Clarence Thomas als Nachfolger des legendären, liberalen, schwarzen Richters Thurgood Marshall am Obersten Gerichtshof. Im Rahmen der üblichen Nachforschungen zum Charakter des Kandidaten beschuldigte ihn eine ehemalige Mitarbeiterin, die afroamerikanische Juraprofessorin Anita Hill, der sexuellen Belästigung. Vor dem ausschließlich von weißen Männern besetzten Justizausschuss des US-amerikanischen Senats schilderte Hill, wie ihr Vorgesetzter sie immer wieder gedrängt habe, sich privat mit ihm zu verabreden. Nachdem sie Thomas’ Annäherungsversuche abgelehnt habe, habe er sie mit Ausführungen über seine Pornografiepräferenzen und seine sexuelle Begabung belästigt sowie darüber, wie sie in bestimmten Kleidern besonders sexy wirke. Hills Beschreibung, wie Thomas den Arbeitsplatz sexualisiert hatte, wurde von der Kommission als Fantasie, falscher Eindruck oder eigene Erfindung zurückgewiesen. Frauen, die ähnliche Erfahrungen mit Thomas gemacht hatten und die Hills Glaubwürdigkeit bestätigt hätten, wurden nicht zur Aussage vorgeladen. In einer bizarren Umkehr wurden die Anhörungen zur Eignung des Kandidaten für den Oberen Gerichtshof zum Tribunal über den Charakter der Zeugin. Thomas wurde im Amt bestätigt. Heute, gut 25 Jahre später, ist Hill Vorsitzende der »Kommission zur sexuellen Belästi-

Die Literaturwissenschaftlerin Susan Winnett, in New York geboren, ist Professorin für Amerikanistik an der Heinrichrich-Heine-Universität Düsseldorf, wo sie unter anderem in den Bereichen Gender Studies sowie afroamerikanische Literatur und Kultur forscht und lehrt.

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gung und Verbesserung der Gleichberechtigung am Arbeitsplatz«, einer Instanz zur Überprüfung der Arbeitsverhältnisse in der Unterhaltungsindustrie, die im Zusammenhang mit der Weinstein-Affäre und der #MeToo-Initiative ins Leben gerufen wurde. Hier kann Hill genau die Solidarität anderen zugute kommen lassen, die ihr 1991 vom Senatsausschuss vorenthalten wurde. Im Zuge der #MeToo-Enthüllungen hat im Januar 2018 der Demokratische Senator Joseph Biden, der damals Vorsitzender des Justizausschusses und acht Jahre lang Vizepräsident unter Obama war, wiederholt sein Bedauern darüber geäußert, dass er nicht mehr unternommen habe, um den aggressiven Umgang mit Hill zu unterbinden, auch wenn er selber gegen Thomas’ Ernennung gestimmt hatte. Bidens späte Reue ist ein Beweis für die Wirkung von #MeToo. 1991 wurde Hill noch als Lügnerin vorgeführt, heute basiert ihre Autorität als Juristin und als Afroamerikanerin – nicht nur unter Feministinnen – auf gerade den Eigenschaften, die sie damals unglaubwürdig machten. Anita Hills Geschichte ist stellvertretend für den Gang jener Revolution, die Steve Bannon so fürchtet. Man stelle sich vor, was es bedeuten würde, wenn die Geschichten all jener Frauen geglaubt würden, die Oprah Winfrey in ihrer Rede aufgezählt hat: »Frauen, deren Namen wir nicht kennen. Sie sind Hausangestellte und Landwirtschaftshilfen. Sie arbeiten in Fabriken und sie arbeiten in Restaurants. Sie sind in Akademien, im Ingenieurwesen, in


der Medizin und in der Wissenschaft. Sie sind Teil der Technik-, Politik- und Geschäftswelt. Sie sind unsere Olympionikinnen und sie sind unsere Soldatinnen im Militär.« Zum Schluss ihrer Rede erinnerte sie an die jüngst verstorbene Recy Taylor, eine junge Afroamerikanerin aus Alabama, die 1944 von sechs bewaffneten weißen Männern vergewaltigt wurde. Diese hatten ihr die Augen zugebunden und ihr gedroht, man würde sie umbringen, sollte sie je von dieser Vergewaltigung erzählen. Ihre Geschichte wurde trotzdem einer Bürgerrechtsorganisation berichtet, und eine Untersuchung wurde eingeleitet, aber die Männer wurden nie angeklagt. Heute, lässt Winfreys Rede hoffen, hätte dieser Vorfall einen anderen, gerechteren Ausgang haben können.

»Sie lebte, wie wir alle, zu lange in einer Kultur, die von brutalen, mächtigen Männern kaputt gemacht wurde. Viel zu lange wurde Frauen weder zugehört noch geglaubt, als sie es wagten, die Wahrheit über die Macht dieser Männer zu sagen. Aber deren Zeit ist vorbei.«

nun im Weißen Haus wohnt. Als während des Wahlkampfs 2016 Donald Trump verkündete, er werde den »Sumpf trockenlegen«, und damit meinte, Washington von dem bei ihm verpönten »Establishment« – »Eliten«, Lobbyisten, liberalen Medien – befreien zu wollen, da hätte niemand erwartet, dass diese Person einen Prozess in Gang setzen würde, der einen ganz anderen Sumpf bloßlegen sollte: den Sumpf der sexuellen Belästigung. Hatte Trumps sexistische Prahlerei, er könne jede Frau haben (»You can do anything. Grab them by the pussy«), Erwartungen und Hoffnungen beflügelt, dass er die Wahl verlieren würde, so führte das Entsetzen über den Wahlsieg dieses frauenfeindlichen Rassisten zunächst zur größten Demonstration für Frauenrechte aller Zeiten. Ich meine, dass dieses Entsetzen auch den Weg bereitet hat für die Lawine der Anschuldigungen wegen sexueller Belästigung gegen die zahlreichen mächtigen Männer, die nun ihre Macht, ihre Autorität und ihre gesellschaftliche Stellung eingebüßt haben. Und wenn Steve Bannon recht damit haben sollte und der »Bösewicht« Trump tatsächlich die Endzeit des Patriarchats eingeleitet hat, dann könnte dessen Wahlsieg ein wenig an Schrecken verloren haben. Der Artikel erschien erstmals in der taz (die tageszeitung), Ausgabe vom 17. / 18. Februar 2018.

Ironischerweise scheint ihre Zeit unter anderen deswegen vorbei zu sein, weil einer der brutalsten aller mächtigen Männer

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Ein Essay von Nina RĂźhmeier

Ăœber die Bedingungslosigkeit

Fahrender Ritter werde ich sein, bis in mein Grab


Justo Gallego Martínez hat einen Traum: Der 91-Jährige möchte die Kathedrale in Mejorada del Campo, einer verschlafenen Vorstadt von Madrid, fertigstellen. An ihr baut der Mönch seit einem halben Jahrhundert. Ohne Baugenehmigung, ohne offizielle Unterstützung. Kraft für dieses gigantische Unterfangen schöpft er allein aus seinem Glauben. Auch Miguel Cervantes‘ Protagonist Don Quijote kämpft gegen alle Widrigkeiten. Mit seinem treuen Knappen Sancho Panza macht er sich auf, um fahrender Ritter zu werden. Die Dramaturgin Nina Rühmeier hat die Premiere von DON QUIJOTE am 30. Mai 2018 zum Anlass genommen, um auf Spurensuche zu gehen – nach der Entschlossenheit, die allen Dreien die nötige Kraft gibt, nicht aufzugeben. Ein Text über den ganz persönlichen Aufbruch eines Mönchs und zwei Abenteurer. Der Bau einer Kirche, das weiß man in Köln, ist eine kraftund zeitaufwändige Angelegenheit. Sechshundert Jahre hat es bekanntlich gedauert, bis die Pforten des Doms offiziell geöffnet werden konnten – und er wäre vielleicht auf immer Ruine geblieben, hätten nicht im Jahr 1814, drei Jahrhunderte nachdem die Bauarbeiten am einstigen Prestigeprojekt eingestellt worden waren, zwei Kölner Kunstsammler belgischer Abstammung, die Brüder Boisserée, zufällig die mittelalterlichen Baupläne entdeckt. Von Stund‘ an setzten sie sich unermüdlich für eine Wiederaufnahme der Arbeiten ein. 1880 wurde der Bau endlich vollendet. Zuletzt waren rund 500 Mitarbeiter beschäftigt worden, die Pläne der Dombaumeister aus dem Mittelalter gewissenhaft umzusetzen. So viele Hände, so viele Jahre hat Justo Gallego Martínez nicht. Seit 1961 arbeitet der Spanier an seinem Kirchenbau, die meiste Zeit alleine. Auf einem Acker, der seinem Vater gehörte, in der kleinen Ortschaft Mejorada del Campo, zwanzig Kilometer östlich von Madrid gelegen. Eine Schlafstadt mit 23.000 Einwohnern, ohne besondere Merkmale. Hierher war der Bauernsohn Justo zurückgekehrt, als er sei-

nen Wunsch Mönch zu werden wegen einer Tuberkulose-Erkrankung aufgeben musste. Neun Jahre hatte er als Novize in der Trappatistenabtei Santa Maria de Huerta gelebt. Nun saßen die Mykobakterien in seinen Lungen. Für einen Schwindsüchtigen konnte man im Kloster nicht sorgen. Justo Gallego Martínez musste wieder in die Welt. Und in dieser – allerdings, so glaubt er, nicht durch sie – wurde er geheilt. Es muss ein Wunder gewesen sein. Eine Gnadenbezeugung Gottes. Und da der junge Mann Willens war, diesem sein Leben zu widmen, entschloss er sich zu einer sehr aufwändigen Weise der Danksagung: Er begann eine Kirche zu bauen. Entschlossen wie Miguel de Cervantes‘ Ritter von der traurigen Gestalt, der in der Mancha, die sich kurz hinter Mejorada del Campo zu erstrecken beginnt, gegen den Willen und den Glauben aller auszog, um ein fahrender Ritter zu werden. Justo Gallego Martínez hat weder eine Baugenehmigung noch den Segen der katholischen Obrigkeit oder deren finanzielle Unterstützung. Auch einen Bauplan gibt es nicht.

Die Zukunft existiert auf keinem Papier. »Ich sehe«, sagt Justo, »was ich bauen werde im Voraus.« Lange Zeit war er alleine, wenn er morgens um sechs auf der Baustelle eintraf, um seine inneren Bilder zu materialisieren. Bis heute arbeitet er täglich zwölf Stunden lang; nur an Sonntagen ruht er sich aus. Die Bewohner von Mejorada del Campo hielten ihn für verrückt. Und der Rest der Welt nahm keine Notiz von den Steinen, die da an der Peripherie Madrids schmerzlich schleichend in Richtung Himmel gestapelt wurden. Bis, eines Tages im Jahr 2005 – Gallego war inzwischen achtzig Jahre alt und baute seit 44 Jahren an seiner Kirche –, ein Werbeclip im spanischen Fernsehen Premiere hatte. Es war ein ungewöhnlich langer Clip. Eine Minute und 35 Sekunden Sendezeit buchte die Getränkemarke »Aquarius« jedes Mal, wenn er ausgestrahlt wurde. Die erste Aufnahme ist in fahles Morgenlicht getaucht. Breite Stufen vor einer grauen Wand, Säulen. Vom rechten Bildrand her schiebt sich ein Fahrradfahrer ins Sichtfeld, hager und tief

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über den Lenker gebeugt, in einem weiten, dunklen Mantel, bedächtig die Pedalen tretend. Eine tiefe Männerstimme verkündet gravitätisch: »Justo Gallego baut mit seinen eigenen Händen seit mehr als 40 Jahren eine Kathedrale.« Schnitt in das halbfertige Hauptschiff der Kirche, durch deren offenes Dach die Wintersonne einen lichten Fleck auf das schmale Gesicht des 80-Jährigen wirft. Man sieht ihm dabei zu, wie er sich die Hände an einem Feuer wärmt und mit Inbrunst über seine Aufgabe, sein Werk spricht. 2005. Die Immobilienblase in Spanien war noch nicht geplatzt. Das ganze Land vom Fieber des Bauens ergriffen. Aber so etwas, einen solchen Mann und einen solchen Bau hatte man (außerhalb von Mejorada del Campo) noch nicht gesehen. Gallego wurde zu einer Berühmtheit.

Der Mann, der alleine eine Kirche baute, ohne Geld und nur für Gott. Die letzten Bilder des Clips zeigen Gruppen junger Neohippies, die staunend in den Rohbau strömen, während THE AGE OF AQUARIUS dudelt. Sie waren vielleicht weniger realistische Vorausnahmen der Zukunft als die Baupläne in Gallegos Kopf, dass der Ort fortan Touristen anziehen sollte, die für einen Halbtagsausflug den Bus aus Madrid nehmen, bewahrheitete sich jedoch. Eine Kirche soll als Heiligtum dem Klerus, der Stadt und ihren Einwohnern gehören. So war sie, vielleicht, einmal gemeint. So wurden die Kirchenbauten in Europa seit fast zweitausend Jahren gegenüber der Bevölkerung gerechtfertigt, die Steuern und Arbeitsstunden zu investieren hatte, um einen Ort der Versammlung und der Andacht zu erhalten. In der Realität waren die schönsten Teile des Innenraums oft den Geistlichen und dem Adel vorbehalten. Europäische Kaiser und Könige von Gottes Gnaden fanden in den prächtigsten Kathedralen ihre letzte Ruhestätte – übrigens wurde auch Shakespeare, der wohlhabende Bürger und Geschäftsmann, in einer Kirche beerdigt; sein Zeitgenosse Cervantes starb zehn Tage vor ihm, verarmt, und wurde, wie alle gewöhnlichen Leute, auf einem offenen Friedhof begraben, beim Klos-

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ter der Unbeschuhten Trinitarierinnen. Beide hatten an der Grenze zum bürgerlichen Zeitalter gelebt und die aufkommende Zeit der Entzauberung in ihren Texten beschrieben. Die Profanierung der Welt, der Justo Gallego Martínez seine Kirche entgegensetzt, hat ihren Anfang auf den Handelswegen genommen, die Don Quijote und Sancho Panza auf Pferd und Esel entlang trotten, als unbeugsame Bewahrer einer goldenen Epoche, die es niemals gab. Die Menschen, die ihnen in den weiten Ebenen begegnen, bilden ein Panorama aller Berufsstände und Gesellschaftsschichten, doch eines ist ihnen allen gemeinsam: Der einzige Wert, den sie anerkennen, ist das Geld. Schon bei seinem allerersten Ausritt trifft Don Quijote auf den Wirt einer Schenke. Dieser fragt ihn, ob er Geld bei sich habe. Don Quijote antwortete: »Nicht einen Blechling«, denn in keiner Geschichte von fahrenden Rittern habe er je gelesen, dass sie Münzen mit sich geführt hätten. Woraufhin ihm der Wirt einen langen Vortrag über die materiellen Notwendigkeiten des fahrenden Rittertums hält und Don Quijote dazu bewegt, noch einmal auf seinen Landsitz heimzukehren und sich mit Geld (und einem Knappen) auszustatten. Bis zuletzt aber lehnt er (im Gegensatz zu diesem Knappen) das Handeln um einen ökonomischen Nutzen Willen ab. Seine Umwelt ist von dieser Standhaftigkeit stark irritiert. Sie weiß ihr schon nicht mehr anders als mit Gelächter zu begegnen. Justo Gallego Martínez finanziert seine Kirche aus Spenden. Die meisten Baustoffe und Werkzeuge sind wiederaufbereitet, darunter Bruchstücke aus der örtlichen Ziegelfabrik, oder umfunktionierte Alltagsgegenstände. Zu drei Vierteln ist sein Lebenswerk vollendet. 55 Meter lang und 25 Meter breit spannt sich das Kirchenschiff über den einstigen Acker, die Türme sind 35 Meter hoch, sollen aber, so Gallegos Vision, noch einmal um 20 Meter wachsen. Nach seinem Tod wird das, was er alleine aus seiner Imagination geschaffen hat, wahrscheinlich abgerissen werden. Wegen fehlender Baugenehmigung und fragwürdiger Statik. Noch aber baut Gallego weiter, inzwischen 91-jährig, mit unerschütterlichem Glauben an seine Mission. Miguel de Cervantes hat seinen Don Quijote am Ende des zweiten Buches sterben lassen, um zu verhindern, dass jemand anderes sein Meisterwerk weiterschreibe. Aber die letzte, seinem eigenen Akt widersprechende Weisheit legte er dem treuen Freund Sancho Panza in den Mund: »Sterbt nur nicht, liebster Herr, nehmt meinen Rat an, lebt noch viele Jahre. In keine größere Verrücktheit kann der Mensch sich je im Leben stürzen, als sich dem Tod zu überlassen.«


REAL AUFBRUCH FAKE AUFBRUCH Seit Oktober 2015 bringt das Import Export Kollektiv 19 junge Menschen am Schauspiel Köln zusammen. Die jugendlichen Spieler*innen recherchieren mit performativen Formaten persönliche und kollektive Erfahrungen. Sie betreiben Import Export Handel mit Geschichten. Zwischen Realität, Fiktion und künstlerischer Konstruktion werden Bastelbiografien erschaffen. In dem biografischen Labor verhandeln und visionieren sie die Diversität der Stadt. Nach zahlreichen Theateraktionen im öffentlichen Raum, performativen Recherchen, Workshops und szenischen Arbeiten, ist ab dem 10. März 2018 mit REAL FAKE eine weitere Stückentwicklung des Import Export Kollektivs zu sehen. Unter der künstlerischen Leitung des Regisseurs und Theaterpädagogen Bassam Ghazi erforschen die 19 Spieler*innen ihre eigenen Rollen im Leben, hinterfragen Zuschreibungen und spielen mit dem Faszinosum der Selbstinszenierung. 31


Bist du in Aufbruchsstimmung? 32

Samuel Prost Immer wieder aufzubrechen und neu zu beginnen, bedeutet für mich Leben. Es ist sinnlos, sich an Altem festzukrallen. The past is in your head, the future in your hands.

Marcella Marino Ich bin hungrig. Ich werde die Welt nur einmal durch meine Augen erleben können. Wer satt ist vom Leben, der hat resigniert. Artosha Nein, ich bin es nicht – ich wäre so gerne, aber ich bin es nicht. Das Gefühl, was ich so gierig versuche festzuhalten, entwischt mir immer wieder und schwimmt lachend wie ein Fisch fort. Bis ich es vergesse – und dann plötzlich aus dem Nichts besucht er mich ab und an, der kurzlebige Freund. Und wenn er mich besucht, haben wir eine Zeit voller Lachen – er vermag das Pferd zu sein, das mir im Galopp den Wind durch meine Haare wehen lässt. Er ist ein Gefühl von Freiheit. Ohne Anstrengung fliegen können, laufen können, stehen können, ohne stehen zu bleiben. Und wenn er sich dann wieder verabschiedet, bleibe ich zurück – langsam und wachsend. Wie ein Baum, der einst laufen durfte.

Maryam Mahdiyar Ich bin in Aufbruchsstimmung, weil ich viele Ungerechtigkeiten erlebt habe. Vielleicht habe ich sie erlebt, damit ich weiß, was Schmerzen sind und wie sie einen Menschen beeinflussen können. Ich will etwas verändern, etwas aufbrechen, für mich und für Andere. Dafür soll mein Herz voll Liebe sein.

Jonas Relitzki Ich will den Mut finden, alte Wege, die mir nicht gut tun, hinter mir zu lassen. Und mit Vorfreude neue, positive Wege beschreiten.


Jennifer GroSS Ich will mich aufmachen zu neuen Ufern. Erkunden und entdecken. Mutig und frech sein. Neue Ideen bekommen. Auf meine innere Stimme hören. Ich bin immer dann in Aufbruchsstimmung, wenn ich merke: »Oh, auf dieser Welt gibt es so viel zu sehen, zu machen und zu lernen und zu genießen!«

Edmoun Battal Ich träume zu viel. Aber wir bleiben nicht, was wir sind, wir entwickeln uns immer weiter. Und wer weiß denn, ob ich nicht morgen schon sterbe?

Jonas Hellenkemper Nach meinem Abitur im Frühjahr möchte ich erstmal raus und echte Freiheit erleben. Dafür bin ich bereit mit vielem hier in Deutschland abzuschließen, und Ballast abzuwerfen, den ich nicht über Zehntausende Kilometer mitschleppen möchte. Ich möchte mich »leicht« fühlen.

Chatherine Saroux Meine Lebensphilosophie lautet: »Wirklich tun und nicht nur reden.« – und das setzt einen Anfang voraus. Warum also nicht einfach jetzt?

Thalia Sheridan Es ist nicht untypisch für Menschen meines Alters in Aufbruchsstimmung zu sein, egal ob geografisch oder geistig. Ein Umbrechen tief im Inneren, ein starkes Verlangen nach Veränderung, neuen Herausforderungen und Erfahrungen blüht jeden Monat, den ich weiter in meiner Heimatstadt verbringe, stärker auf. Noch ein paar Monate, sag ich mir in Momenten des Strebens, nicht mehr lange bis es Aufbruchszeit ist.

Erenay Gül Das Leben wäre ja sonst langweilig! Ich hasse es, wenn es zu eintönig wird. Ich brauche immer wieder Action, diese innere Stimme in einem, die sagt: »Geh raus, mach etwas!« Es ist eine Art persönliche Revolte.

Außerdem sind mit dabei: Sadet Güngör Dorota Lewandowska Naomi Prill Ceren Sengülen Nihad Mustafa Ali Constantin Gerhards Sabri Spahija Abou Traore 33




In den virtuellen Kerkern der Zukunft Ein Essay von Beate Heine 36


»Dann könnte mein Traumleben vielleicht so aussehen: ruhiger Ort, Serien schauen, Smoothies schlemmen, von Maschinen bedient werden«, heißt es in Sibylle Bergs Stück WONDERLAND AVE., das am 08. Juni in der Regie von Ersan Mondtag Uraufführung feiert. Beate Heine, Chefdramaturgin am Schauspiel Köln, weist in ihrem Essay eindrücklich darauf hin: Zwischen Traum und Albtraum des technologischen Aufbruchs liegt nur ein schmaler Grat. Wer wird in Zukunft die Macht haben – Mensch oder Maschine? Werden wir künftig noch über uns selbst bestimmen? Oder werden wir, weil wir im rechten Moment nicht aufpassten, unsere Souveränität an intelligible Computer und Deep-Learning-Systeme abgegeben haben? In einer ihrer Kolumnen bei Spiegel Online warnt Sibylle Berg uns spöttisch: »Ihre Daten sind gesammelt, Ihre Fingerabdrücke registriert, Ihre Iris gescannt. Hoffen wir einfach, dass alles gut geht. Hoffen wir, hoffen wir.« In ihrem neuen Stück WONDERLAND AVE. allerdings, sind wir nicht mehr zu retten: ein hoffnungsloser Fall. Sibylle Berg entwirft hier eine Welt nach der Klimakatastrophe, Bürgerkriegen, Terror und desaströs verlaufenden Migrationsbewegungen und greift damit gegenwärtigen gesellschaftlichen Sprengstoff auf. Dafür blickt sie zurück in das 18. Jahrhundert und leiht sich die verschachtelten, vibrierenden Raumvisionen des Malers Giovanni Battista Piranesi aus: den Carceri. Piranesis großformatige Zeichnungen stellen verschiedene Innenansichten von ungewöhnlichen Gefängnissen dar, in denen er Proportionen und Perspektiven verzerrt, räumliche Grenzen aufhebt und Mauern, Treppen, Spiralen, Türme, Bögen, Gewölbe auf unlogische Weise und allen physikalischen Gesetzen widersprechend kombiniert. Es sind albtraumhafte, Angstzustände hervorrufende Räume. So also sieht die Zukunft aus: gefangen in virtuellen Kerkern. Und hier nun, Berg nennt diese Welt eine »Anlage, Block, Geschwürhaus«, kämpft eine namenlose Person in einem Wettbewerb um den Gewinn des »perfekten Zustandes«, angeleitet von Automaten, die den gesamten Tagesablauf und das Schicksal der Menschen bestimmen. Doch der Mensch, der sich einerseits sehnlichst ein »perfektes Dasein« wünscht, ist andererseits ratlos: »Ich kann ein großartiges Dasein gewinnen. Aber wie das aussehen soll, ist mir noch nicht eingefallen.«

Denn was ist der Mensch, was macht ihn aus, welcher Sinn erfüllt ihn, wenn Algorithmen Gefühle, Natur, Musik, Kunst simulieren und generieren können, wenn sie über Leben und Tod bestimmen? Sibylle Berg zoomt in den finalen Tag des Wettstreits hinein, der erstaunlich zivilisiert abläuft und sehr viel unblutiger, als beispielsweise der Überlebenskampf in der Dystopie DIE TRIBUTE VON PANEM. Aber auch bei Berg geht es um Leben und Tod. Die immer gleichen Abläufe des Wettbewerbs in

WONDERLAND AVE. sind nichts weiter als verdeckte Erziehungsrituale der Automaten, mit dem Ziel, den Menschen zu kontrollieren und letztlich überflüssig zu machen. Körper und Geist sollen biorhythmisch optimiert und in Balance gebracht werden, sodass der Mensch in einen sinnentleerten, psychedelischen Zustand hinübergleitet. Um der Monotonie dieses Alltages zu entgehen, plaudert der Mensch während seiner Übungen mit den Maschinen, erinnert sich an sein zurückliegendes Leben, fragt sich, »wie alles so schief laufen konnte?« Hoffen allein reicht nicht aus. Gleichmütig, beinahe fatalistisch nehmen wir in Kauf, dass unsere intimen und weniger intimen Daten und Informationen global preisgegeben und unserer Kontrolle entzogen sind. Die Zukunft hat längst begonnen. Algorithmen haben die Macht, berechnen Lebenserwartungen, beeinflussen den Ausgang von Wahlen und Konsumverhalten. Nicht von ungefähr wird der Klassiker der dystopischen Weltentwürfe, George Orwells »1984«, wieder in Buchhandlungen und auf den Theaterbühnen immens nachgefragt. In fünf Jahren, so prognostiziert Bergs »S.P.O.N«-Kolumnen-Kollege Sascha Lobo, werden wir »die Hälfte des Tages tun und lassen, was die Maschine uns vorschreibt.« Freiwillig, unfreiwillig, unwissentlich. Und er weiß: Wir werden nicht protestieren. Wir werden nicht aufbegehren. Nehmen wir dieses generierte Wissen als faktische Realität an, werde es, so Lobo, zum großen Teil mit den Grundwerten unserer Gesellschaft kollidieren. Wie sind wir darauf vorbereitet? Wir haben es in der Hand, ob Algorithmen Freiheit verheißen oder zur virtuellen Gefangenschaft verdammen, wie sie Berg in der labyrinthischen Schreckensvision von Piranesi lebendig werden lässt. In WONDERLAND AVE. begehrt der Mensch – anders als in einer Vielzahl von Science Fiction-Klassikern, in denen die Protagonist*innen ihre Individualität und Freiheit behaupten wollen – nicht einmal mehr auf. Er reflektiert nur kurz die Möglichkeit, kann sich jedoch nicht mehr aufraffen und unterwirft sich. Mit großer Leichtigkeit, mit untergründigem Humor, der einen hin und wieder frösteln lässt, entwirft Sibylle Berg ein radikales Bild unserer Zukunft. Eine düstere Zeit erwartet uns, sollten wir die digitalen, gesellschaftsund geopolitischen Herausforderungen unserer Tage nicht annehmen. Die Autorin nimmt keine Haltung dazu ein, ergreift keine Partei, das überlässt sie den Leser*innen, den Zuschauer*innen, den Regisseur*innen. Während Milliarden Menschen auf ihre Endgeräte starren, transformiere sich die Welt gerade – von den meisten unbeobachtet – zu etwas, das keiner voraussagen kann, schreibt Sibylle Berg. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt.

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arx


ende eine analyse von Jürgen Neffe

Karl Marx – tausendmal totgesagt und unsterblich zugleich – wäre in diesem Jahr 200 Jahre alt geworden. Die Theatergruppe subbotnik begibt sich ab dem 04. Mai 2018 mit WIR SIND AFFEN EINES KALTEN GOTTES auf die Spuren des Nicht-Marxisten. Journalist und Autor Jürgen Neffe untersucht für uns die Frage, wie visionär Marx‘ Werke noch heute sind. Man kann diese Geschichte auch anders erzählen. Vom Denkmal her etwa, das seine letzte Ruhestätte überragt. Sie liegt im Norden von London, auf dem Friedhof von Highgate, wo das Leben mit Efeuranken und Moos und wilden Blumen die Steine der Toten überwuchern darf. Über Karl Marx‘ Grabmal erhebt sich ein massives Monument, Manifestation eines Materialismus, der die Ewigkeit im Blick zu haben scheint: Vom übermannshohen Sockelblock aus grau meliertem Granit schaut, wie zur Demonstration menschlicher Unsterblichkeit, grimmig ein wuchtiger Bronzekopf auf die übrigen Gräber und die unablässig vorbeiziehenden Besucher herab. Dass sein Name bis heute Ehrfurcht wie Furcht hervorruft, verdankt Marx einem perfiden Pakt, den andere in seinem Namen geschlossen haben. Er war ihr Faustpfand, mit seiner Lehre haben sie Diktatur, Gewalt und Unfreiheit begründet, wie er sie nie gebilligt hätte. Damit haben sie ihn in aller Welt prominent gemacht, aber eben auch als jene Hassfigur, die er im Echoraum antilinker Ressentiments bis heute geblieben ist. Kein Theoretiker ist je so mit monströsem Terror und Millionen Toten in Verbindung gebracht worden, wie Marx von seinen immer noch zahlreichen Gegnern. Ohne seine »Vorarbeit«, so der häufig wiederholte Vorwurf, wären der Welt Despoten wie Stalin und Ceaușescu, Mao, Pol Pot oder die nach wie vor herrschenden Steinzeitkommunisten Nordkoreas erspart geblieben. Darüber gerät seine wahre Leistung oft in Vergessenheit.

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verbindet. Die scheinbare Totenstarre erwies sich indes als Puppenstadium in der Metamorphose eines Untoten. Noch vor Ende des 20. Jahrhunderts, dem er nicht unmaßgeblich seinen Stempel aufgedrückt hat, tauchte Marx prominent aus seiner Versenkung wieder auf.

Einer Rückkehr zum vorbehaltlosen Umgang mit Marx und seinem Werk stand und steht noch immer der -ismus im Wege, den man seinen vier Buchstaben angehängt hat wie Christus das Christentum. Marx hat nie einen Marxismus begründet. Nichts lag ihm ferner als ein abgeschlossenes System zu schaffen. Die Welt im Wandel durch Widerspruch verträgt in seiner Sichtweise keine dogmatische Erstarrung.

Sein zentrales Thema, von Skeptikern und Gegnern jeder Couleur noch immer leidenschaftlich bestritten, war die Freiheit. Und da, wo sie an ihre Grenzen stößt, die Befreiung. Wie ein Hohn der Historie mutet dagegen die Unterdrückung der Meinungsfreiheit in Staaten an, die mit Marx und seinen Lehren ihr Süppchen kochten oder es noch immer tun. Beinahe religiös erscheint der säkulare Eifer, mit dem seine systemtreuen Jünger dem erklärten Atheisten Marx den Heiligenschein wanden. Sie haben ihn wie einen Erlöser feiern lassen, seine Schriften aber manipuliert und dann mit einem biblisch anmutenden Unfehlbarkeitsbann belegt. Aus dem Opium des Volkes, das sich der Mensch nach Marx verabreicht, um sein Schicksal zu ertragen, wurde Opium fürs Volk in Gestalt seiner Worte. Kaum hat der Kommunismus, der in seinem Sinne keiner war, nach langem Kalten Krieg als einziges Gegenmodell zum Kapitalismus ausgedient, kann es manchen gar nicht schnell genug gehen, Marx mit einem Wort seines Lehrmeisters Hegel zum »toten Hund« zu erklären. Das »Ende der Geschichte« wird ausgerufen, die sogenannte freie Marktwirtschaft mit einem Wort der Eisernen Lady als System ohne Alternative gefeiert und Marx als Anstifter auf einen überholten Denker des 19. Jahrhunderts gestutzt, der als falscher Prophet das 20. geprägt und dem 21. nichts mehr zu sagen hat. Und seine Analysen, Erkenntnisse, Theorien? Überholt, widerlegt und ohne Wert. Hauptsache, er schweigt. Eine Zeitlang wird es dann in der Tat recht still um ihn. »Karl Marx ist tot«, meldete der Kölner Stadt-Anzeiger zu seinem 175. Geburtstag im Mai 1993. Etwas Besseres hätte Marx damals vermutlich nicht passieren können. Er brauchte die Jahre, um den Fluch abzuschütteln, der sich mit seinem Namen

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Im Oktober 1997 verkündete der New Yorker mit sicherem Trendinstinkt »Die Rückkehr des Karl Marx« und widmete dem »nächsten Denker« eine ausführliche Würdigung. »Je länger ich an der Wall Street war«, zitiert das Blatt darin einen Investmentbanker, »desto überzeugter wurde ich, dass Marx recht hatte.« Die Briten küren ihn bei einer Abstimmung zum bedeutendsten Denker des vergangenen Millenniums, vor Einstein und ihren Säulenheiligen Newton und Darwin.

Totgesagte leben bekanntlich länger, und Totschweigen hat Vordenker von seiner Größe noch selten dauerhaft zum Verstummen gebracht. Niemand kann bis heute sagen, wie nahe das System 2007/8 am Abgrund stand – oder heute noch steht. Aber Menschen fühlen sich plötzlich an die prophetische Stimme aus dem 19. Jahrhundert erinnert, die dem Kapitalismus – früher oder später – den unweigerlichen Zusammenbruch verhieß. Hat Marx nicht auch recht behalten mit seiner Krisentheorie der periodischen Zyklen von Auf- und Abschwung, Bildung und Vernichtung von Kapital? Sind seine Vorhersagen der Globalisierung und ihrer Folgen nicht in einer Weise eingetroffen, dass man sich beim Lesen der Texte mehr als hundertsiebzig Jahre später die Augen reiben möchte? Hat er nicht die totale Kommerzialisierung angekündigt, wie wir sie gar nicht mehr anders kennen? Hat nicht er als einer der Ersten die ökologische Frage gestellt, den »Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur« kritisch untersucht und neben der »Ausbeutung des Menschen durch den Menschen« auch die des Planeten thematisiert? Und hat er nicht mit der zunehmenden Entfremdung und Verdinglichung des Menschen im Zuge des Fortschritts ein Lebensgefühl benannt, in dem sich viele von uns Heutigen wiederfinden? Warum sollte sich bei einem, der dem »Gespenst des Kapitals« so tief in die Seele geschaut hat, nicht auch seine These von dessen kommendem Kollaps bewahrheiten? Rechtzeitig zu den Feierlichkeiten um das 150-jährige Jubiläum seines Hauptwerkes, Das Kapital, und zum Marx-Jahr anlässlich seines 200. Geburtstages 2018 erlebt der lange Verfemte mit seinen Erkenntnissen eine regelrechte Renaissance.

Nur wer die Welt versteht, davon ist er überzeugt, der kann sie auch verbessern.


gen Wachstum ab. Dazu muss sie in alle verfügbaren Bereiche vordringen, Raum und Zeit erobern, und schließlich auch sämtliche sozialen Beziehungen kolonialisieren.

Wer wirklich verstehen will, warum Marx sich nicht auf dem Schindanger der Geschichte entsorgen lässt, wird die Antwort kaum auf der sichtbaren Oberfläche seiner Schriften finden. Selbst wer es fertigbrächte, sie in jedem Punkt zu widerlegen, käme nicht an den tieferen Wahrheiten vorbei, mit denen er der Spezies die Augen geöffnet hat. Marx’ Unsterblichkeit rührt auch nicht daher, dass er die herrschende Meinung als Meinung der Herrschenden entlarvt hat und die Ausbeutung der Lohnabhängigen beim Namen genannt hat. Seinen Glauben, die Menschheit habe eine höhere Bestimmung und strebe unweigerlich auf deren Erfüllung zu, teilt er mit vielen anderen Revolutionären, den Aufbruchsgeist und robusten Optimismus mit seiner ganzen bewegten Generation. Was ihn von allen anderen abhebt, auch seinem Kompagnon Engels, haben vermutlich diejenigen am wenigsten begriffen, die ihn wie einen Zeusdarsteller in Form zerstörungssicherer Statuen in die Ewigkeit zu retten versuchen. »Ein ›Denkmal‹«, sagte nach seinem Tod Wilhelm Liebknecht, »wollte Marx nicht haben.« Seine entscheidende Entdeckung reicht an die Genietaten der Giganten heran, die unser Bild von Kosmos und Leben mitsamt ihrer Entstehung und Entwicklung für alle Zeiten geprägt haben. Gleichzeitig berührt sie das Reich der Psychologie, die Welt von Wille und Vorstellung, und umkreist ein kollektives Unbewusstes als Richter und Lenker menschlichen Schaffens, zwischen Chaos und Ordnung, Zufall und Notwendigkeit. Damit verdanken wir Marx eine Erkenntnis unserer Lage, die sich den drei großen narzisstischen Kränkungen durch die Wissenschaft hinzugesellen lässt. Drei Jahrhunderte vor ihm hat Kopernikus auf Basis astronomischer Daten unsere Heimat aus dem Mittelpunkt der Welt entfernt. Marx’ Zeitgenosse Darwin hat den Glauben an eine göttliche Schöpfung erschüttert, als er natürliche Auslese und gemeinsame Abstammung aller Lebewesen dagegenstellte. Zwölf Jahre nach Marx’ Tod hat Freud dem Ich, wie man sagt, die Herrschaft im eigenen Haus streitig gemacht. Demnach bildet sich der Mensch nur ein, dass seine Handlungen und Entscheidungen auf bewusstem Willen basieren.

In Wahrheit regiert in aller Regel das Unbewusste, dem wir mehr oder weniger hilflos ausgeliefert sind. So ähnlich verhält es sich Marx zufolge mit dem Wir, sobald es in der modernen kapitalistischen Gesellschaft angekommen ist. Wir sind Gefangene unserer eigenen Kreatur, Teile einer von Menschen gemachten lebendigen Maschinerie, die ihr Programm unabhängig vom menschlichen Willen abspult – und doch von ihm betrieben wird. Ihr und unser Überleben hängen wie bei einem Krebsgeschwür vom steti-

Marx verbindet das Verhängnis jedoch mit einem Versprechen: Eines Tages können wir den Zustand überwinden. Sein gesamtes Sein beruht auf der Überzeugung, die Menschen seien ihrem Schicksal ausgeliefert und hätten es gleichzeitig selbst in der Hand. So wie die Schwerkraft uns auf die Erde zieht, und dennoch ist Planet Mars als nächster Horizont der Reise des Menschen bereits ausgemacht. Auch der Planet Marx weiß um seinen beweglichen Horizont.

Nichts muss so bleiben, wie es ist. Gerade darin gründet sich seine Popularität, die jedoch nichts mit Populismus gemeinsam hat. Doch hinter allen Unsterblichen haben einmal sterbliche Wesen gestanden mit ihren Hoffnungen und Ängsten, Stärken und Schwächen. Mal Weiser, mal Wüterich, hier zurückhaltend, dort zupackend, guter Vater, schlechter Vater: gelebte Dialektik, wenn man so will. Erst im Zusammenspiel der Extreme ergeben seine vielen Ichs die vollständige Figur. Sie wird indes schon lange vom Licht des Posterhelden überblendet. Zum Menschen Marx aus Fleisch und Blut, das geht im Denkmalstreit zu häufig unter, gehört ein großes Herz, das nicht nur als Pumpe lebenserhaltend wirkte. Er war gewiss kein einfacher Ehemann, wer ist das schon, aber ein guter Gefährte, vielleicht gelegentlich untreu, aber niemals treulos. In den Granitsockel unter Marx’ Bronzehaupt ist eine verwitterte, in ihrer Mitte gespaltene Marmorplatte eingelassen. Sie verrät, dass er mit seinen Gebeinen hier nicht allein untergekommen ist. Er teilt mit seinen Lieben eine Familiengruft. Zwei Jahre vor ihm, das sagt die Gravur, ist JENNY VON WESTPHALEN bestattet worden, THE BELOVED WIFE OF KARL MARX. Gerade einmal sechzehn Trauergäste versammeln sich zum letzten Gruß an seinem Grab, Familie und engste Vertraute. Umso gewichtiger fällt die Abschiedsrede aus, die Männerfreund Engels hält. Sie endet mit der Wucht einer biblischen Prophezeiung, wie sie dem Entschlafenen nicht angemessener hätte sein können: »Sein Name wird durch die Jahrhunderte fortleben und so auch sein Werk!« Gekürzter Auszug aus MARX. DER UNVOLLENDETE von Jürgen Neffe; C. Bertelsmann.

Jürgen Neffe ist Journalist und Autor. Neben zahlreichen viel besprochenen journalistischen Arbeiten, gehört Jürgen Neffe zu den bekanntesten Biograf*innen der heutigen Zeit. Nach Biografien zu Albert Einstein und Charles Darwin erschien 2017 seine Auseinandersetzung mit dem Leben und Werk des Philosophen und Gesellschaftskritikers Karl Marx.

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Britney am Offenbachplatz Hier finden neben Theater-Inszenierungen auch Lesungen, Konzerte und Filme statt. Das Programm steht ganz im Zeichen der interdisziplinären Stadtvernetzung und schafft eine Plattform für Kunst in der Kölner Innenstadt.

Ausstellungen, Musik, Literatur Bis Mitte April lockt das BRITNEY noch mit meterhohen Kuscheltier-Gemälden aus dem Uncanny Valley des Kölner Künstlers Burkhard Mönnich. Der Maler und Musiker, zeigt im Foyer Porträts aus seiner aktuellen Serie GIANT PETS – einst vertraute Komplizen der Kindheit grüßen nun vom anderen Ufer des Uncanny Valley. Ende März widmet sich ein ganzer Abend dem virtuosen Polit-Thriller-Autor aus Amerika Ross Thomas (1925 – 1996), der den zeitgenössischen Serienschreiber*innen das Wasser reichen kann. In der seit 2005 erscheinenden Ross-Thomas-Edition hat der Alexander Verlag Berlin / Köln bislang 18 Bücher herausgebracht und stellt diese im Schauspiel Köln am 25. März vor. Ein Krimi-Abend, der nicht nur Gänsehaut verspricht, sondern auch spannende Gäste wie Petra Reski (Autorin und Mafia-Spezialistin, Venedig), Robert Dölle (Ensemble Schauspiel Köln), Jochen Stremmel (Übersetzer, Köln) und Alexander Wewerka (Hrsg. Alexander Verlag).

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Autor und Journalist Peter Michalzik liest Anfang April aus seinem neuen Roman 1900. VEGETARIER, KÜNSTLER, UND VISIONÄRE SUCHEN DAS NEUE PARADIES. Der Autor erzählt vom Monte Verità, am Ufer des Lago Maggiore, wo das moderne Leben mit seiner Lust an Gesundheit, Körper und Individualismus erfunden wurde. Die Geschichten dieser Bewegung zeichnen ein bilderreiches, vielstimmiges Panorama aus vergangenen Zeiten, das bis heute nicht an Aktualität verloren hat. Reformpädagogik und Körperkult, Psychologie und freie Liebe, Wellness und Vegetarismus – all dies entdeckten zivilisationskritische Künstler*innen, Intellektuelle und Visionär*innen vor über hundert Jahren. (Siehe S.16) Der Film In den Gängen von Thomas Stuber, der in diesem Jahr auch im Wettbewerb der Berlinale zu sehen war, erzählt vom Leben in der ostdeutschen Provinz, die Geschichte von Christian, dem Anfänger, der in den Gängen des Großmarkts, zwischen Gabelstaplern und der Getränkeabteilung Bruno und Marion kennenlernt. Sie geben sich Halt in einem


Leben, das außerhalb des Großmarkts kaum auszuhalten ist. Doch drinnen gehört ihnen die Welt. Mit Sandra Hüller, Franz Rogowski und Peter Kurth. Am 19. April um 20.00 Uhr ist der Film im Britney zu sehen. Das britische Musik-Duo LETS’S EAT GRANDMA aus England ist zu Gast. Die beiden jungen Frauen glänzen mit WideScreen-Pop besonderen Kalibers und werden derzeit von den einschlägigen Musik-Fanzines gefeiert. Die Band spielt in London ausverkaufte Shows und ist nun endlich auch am 20. April in Köln zu sehen. Das INTERNATIONALE FRAUENFILMFESTIVAL Dortmund/Köln ist gleich zwei Mal im BRITNEY vertreten: Neben der Verleihung von Publikums- und Jury-Preisen an Regisseurinnen und Kamerafrauen wird nach sechs Tagen voller Filme, Diskussionen und Performances mit internationalen Gästen am 29. April der Abschluss des Frauenfilmfestivals mit einer fulminanten Party gefeiert. Vorab wird einer der ausgezeichneten Filme zu sehen sein. Außerdem bespielt das Festival während des kompletten Monats April das Videofenster CAPRI BY NIGHT an der Fassade des Hauses. Neben dem Britney X Festival wird auch das inklusive Kölner Festival Sommerblut im Mai mit einer Vorstellung der Münchner Kammerspiele zu Gast im BRITNEY sein. In LUEGEN treffen eine hörende und eine gehörlose Schauspielerin aufeinander: Wiebke Puls und Kassandra Wedel erzählen in der Inszenierung von Verena Regensburger vom Alltag, in dem wir Menschen zwischen zwei und 200 Mal am Tag lügen. Der Graphic Novel Dokumentarfilm TIGERSPRUNG, der Ende Mai zu sehen ist, erzählt die Geschichte des Radsportmanagers Ernst Berliner. Dieser kommt 1966 in seine Heimatstadt Köln zurück und versucht dort mehr über die Hintergründe der Ermordung des Radweltmeisters Albert Richter im Gestapogefängnis Lörrach 1940 zu erfahren. Doch die Kölner Justiz der Adenauer-Zeit scheint an einer Aufklärung des Falls nicht interessiert zu sein. Dem Protagonisten des Films von Boaz Kaizman, Peter Rosenthal und Marcus Seibert gab das Ensemblemitglied Jörg Ratjen seine Stimme.

Britney X Festival Der Mai steht um das Himmelfahrtswochenende ganz im Zeichen von Gender, Diversity und Sex. Vom 10. bis 13. Mai sind an der Außenspielstätte Theater- und Tanz-Gastspiele zu sehen, finden Konzerte, Lesungen und Partys statt. Künstler*innen, Schriftsteller*innen, Journalist*innen und Kämpfer*innen versammeln sich gegen das veraltete System der Cis-Herrschaft im Britney, um zu hinterfragen, zu dekonstruieren und zu provozieren. Wir befreien unsere Körper von veralteten Dogmen und ersetzen sie durch die Variable X. Hier ist nichts und niemand ausgeschlossen: What happens at Britney X stays at Britney X. Marginalisierte Themen erhalten bei uns ihr Forum für mehr pussypower, mehr queerness, mehr diversity und mehr empowerment! Tanzt mit uns vier Tage inside Britney! Egal ob Frau, Mann, Trans* oder Intersex*, ob Butch oder Femme, ob straight, homo-, bi-, pan- oder sapiosexuell. Be wild at heart and a rebel in your pants! Der detaillierte Programmablauf wird im April unter www.schauspiel.koeln veröffentlicht.

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Spielstätten depot Depot 1, Depot 2, Grotte und CARLsGARTEN im Carlswerk in Köln-Mülheim | Schanzenstraße 6-20 | 51063 Köln-Mülheim

OFFENBACHPLATZ Außenspielstätte am Offenbachplatz | 50677 Köln

Kartenservice in den Opernpassagen

PREISE

Kooperationspartner

Depot 1: Je nach Preis- und Platzgruppe kostet eine Karte zwischen 10 und 39 Euro. Depot 2: 17 Euro | 22 Euro (Premierenpreis) Grotte: 5 Euro Außenspielstätte am Offenbachplatz: 17 Euro | 22 Euro Schüler*innen und Student*innen zahlen im Vorverkauf 50% des regulären Kartenpreises oder an der Abendkasse nur 7 Euro. Dies gilt auf allen Plätzen in allen Spielstätten (außer Gastspiele und Sonderveranstaltungen).

KARTEN Den Karten- und Aboservice finden Sie in den Opernpassagen zwischen Breite Straße und Glockengasse. Öffnungszeiten Theaterkasse Mo bis Fr von 10 bis 18 Uhr, Sa von 11 bis 18 Uhr Tickets gibt es außerdem unter www.schauspiel.koeln, über die Tickethotline 0221-221 28400 oder per Mail an tickets@buehnen.koeln

Kulturpartner

Das Schauspiel Köln wird gefördert von

ABO-SERVICE Ihre persönliche Aboberaterin Frau Susanne Müller erreichen Sie unter susanne.mueller@buehnen.koeln oder unter der Abo-Hotline 0221-221 28240. Ausführliche Informationen zu unseren Abonnements finden Sie unter www.schauspiel.koeln

Einzelne Produktionen und Projekte werden gefördert von

IMPRESSUM Herausgeber Schauspiel Köln | Intendant Stefan Bachmann Geschäftsführender Direktor Patrick Wasserbauer Redak­tion Intendanz · Dramaturgie · Öffentlichkeitsarbeit und Künstlerisches Betriebsbüro | Konzept ambestengestern.com Satz und Gestaltung Ana Lukenda | Druck Kern GmbH Auflage 40.000 / Redaktionsschluss 02.03.2018

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Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bühnen Köln finden Sie unter www.schauspiel.koeln im Menüpunkt »Karten«. Die angegebenen Preise verstehen sich zzgl. 10 % Vorverkaufsgebühr. Änderungen vorbehalten.


Michael Keegan-Dolan 10., 11. APRIL 2018 I 19:30 UHR I DEPOT 1

WWW.SCHAUSPIEL.KOELN | WWW.TANZ.KOELN | TICKETS: 0221.221 28400

© COLM HOGAN

SWAN LAKE / LOCH NA HEALA


www.schauspiel.koeln


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