Nr 17 1945

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NO. 17 FÜR DAS J A H R 1945 S C H R I F T L E I T U N G : WALTER A M S T U T Z

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Jalirhucli des Srhweizerischen Akaden~isclieii Ski-Club, BI]. 4, Nr. 17, 1945. Schriftleitung: Walter Anistutz

INHALTSVERZEICHNIS Vom olympischen Olivenzweig von Arnold Kaech, SAS., Bern-Stockholm Die Entdeckung der Bergschönheit Die Schweiz im Winter Mein erstes Paar Ski

. . . . . . . . . . . .

von Arnold Lunn, SAS., 1,ondon

von G. R. de Becr, London von Dr. Henry Hock, SAS.

Die Federation Internationale de Ski (FIS) während des Krieges von Graf C. G. D. Hamilton, SAS., Schweden Die Hnndertstcl-Sekunde

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P R Ä S I D I A L - ,S K I - U N D C L U B B E R I C H T E Jahresbericht 1944145

von Dr. Bernhard Rüfenacht, SAS., Bern

. . . . . . . . . . . In Mernoriam : Piet Coebergh . . Georges Lacour, Membre d'Honneur . . . . . Mitteilungen der Schriftleitung . . . . . . . Die Schweizerischen Akademischen Skimeister 1945 . Literatur . . . . . . . . . . . . . I n Memoriam : Ricco Legler

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A n s c h r i f t d e s S c h r i f t l e i t e r s : Dr. W a l t e r A m s t u t z , 4 5 N i i s c h e l e r s t r a g e , T e l e p h o n 2 7 1 2 1 5 , Z i i r i c h



T'orstehendes B i l d : Photo Leopold Fiedler


V O M OLYMPISCHEN OLlVENZWElG Arnold Kaech, SAS. Bern-Stockholm

Man spricht davon, daß 1948 wieder olympische Spiele stattfinden sollen. I n London, Lausanne oder sonstwo. Für die Durchführung des Winterteiles liegt eigentlich bis jetzt nur die Kandidatur der Schweiz vor, nachdem Norwegen, das ihn eventuell für England übernehmen sollte, nein gedankt hat. Es bleiben also keine drei Jahre, um sich auf verschiedene Dinge zu besinnen. Und diese Besinnung t u t not. Oder wollen wir einfach wieder dort weiterfahren, wo wir 1936 stehen geblieben sind? Niemand, der damals dabei war, kann es wünschen. Aber selbst wenn wir nichts gegen den Pomp, die Hysterie und das Größer- und Kolossaler-sein-Wollen der letzten in Deutschland durchgeführten Spiele einzuwenden hätten, könnten wir nicht einfach eine neue Auflage veranstalten. Zu viel hat sich indessen gewandelt. Die Sportwelt, welche sich 1936 im olympischen Eid vereinigte, hielt noch den Schein aufrecht, einen einigermaßen geschlossenen Kreis von Kulturnationen zu vertreten. Die olympischen Glocken „riefen der Jugend der Welt". I n pietätvoller Verbeugung vor der Vergangenheit wurde das olympische Feuer aus den Olivenhainen von Elis durch schnellfüßige Läufer quer durch das alte Europa ins Kolossalstadion nach Berlin getragen. Die griechische Mannschaft marschierte an der Spitze der einziehenden Nationen. Jene Aufspaltung der Welt in Träger der Gedapken der Freiheit und Verkünder der Lehre der Gewalt war zwar eine Tatsache, drang aber durch den Lärm des Festes kaum an die Oberfläche. Der Abschluß der Winterspiele wurde mit einem grandiosen Feuerwerk verkündet. Auf dem Gudiberg erlosch die olympische Flamme, die während des ganzen Festes seltsam frierend in der fremden Umgebung geflackert hatte. Es wurde plötzlich beklemmend still im Tal von Garmisch. Eine sternenlose schwarze Nacht senkte sich auf das Werdenfelser Land. I m Schutze dieser Nacht eilten olympische Wettkämpfer in die Kasernen. Und in schneller Folge ergingen nun neue Rufe an die Jugend der Welt. Österreich, Tschechoslowakei, Polen, Dänemark, Norwegen, Holland, Belgien, Frankreich. An England erging der Ruf. Die Generation der Olympiakämpfer von 1936 setzte der Gewalt den ersten Damm. Der Ruf ging weiter und erfaßte die tapfern Nachfahren der alten Griechen, Jugoslawien, Rußland, Amerika, Asien, die ganze Welt. Das Höllenfeuerwerk, das diesen Rufen folgte, ist nun auch verpufft. Wir stehen zwischen Ruinen und sehen uns um. Hier und dort hat man begonnen, Steine und Trümmer aufeinanderzulegen. Und, wie gesagt, man spricht wieder von olympischen Spielen. Nun müssen wir uns einmal darüber klar werden, was wir von diesen Spielen erwarten. Sollen sie, wie 1936, der Verherrlichung der Macht und Größe des Gastlandes dienen ? Sollen Kolossal-Stadions gebaut werden ? Soll alles noch größer, noch besser sein als letztes Mal ? Wir glauben, man ist der Massenvorstellungen müde geworden. Wollen wir ein glänzendes Zirkusfest sehen ? Mit Athleten, die feierlich, Hand auf der Fahne, beschwören, reine echte Amateure zu sein, und von denen jedes Kind weiß, daß sie bezahlte Gladiatoren sind ? Womit wir nichts gegen diese Gladiatoren an sich sagen wollen. Eine Meile unter 4 Minuten zu laufen, ist eine Leistung, die ihren Preis verdient, wie das Singen des hohen C.


Oder soll versucht werden, wieder den Ursprüngen näher zu kommen? Tut nicht eine Besinnung auf den hellenischen Geist not ? Laßt uns sehen, ob wir damit weiterkommen. Nach einer der Hauptregeln für die olympischen Feste des Altertums durften nur Wettkämpfer, die griechische Abstammung von bciden Seiten nachweisen konnten, vor Zeus Horikos treten und um den Olivenzweig streiten. Damit wollte man nicht verhindern, daß ein besonders begabter Perser etwa den Speerwurf gewinnen oder ein Nubier im Pankration siegen konnte. Die Bestimmung hatte keine „rassische" Spitze. Sie rechtfertigt nicht das Verhalten des höchsten Beschützers der olympischen Spiele in Berlin, der Jesse Owens, den phänomenalsten Athleten, nicht beglückwünschte, weil er ,,nur" ein Neger und damit kein ,,Träger arischen Blutes'har. Aber mit dieser Bestimmung wurde erreiclit, daß sich in der olympischen Gemeinde nur Angehörige des gleichen Kulturkreises versammelten. Ja, Kulturkreis. I n Elis ging es nicht nur um Zahlen und Rekorde. Die olympischen Spiele waren das Fest des Griechentums an sich. Hier wurde über die Zwiste von Staaten und Städten hinweg den alten gemeinsamen Traditionen gelebt, Künstler fanden ihr Publikum; Staatsmänner kamen zusammen. Es wurde den Göttern geopfert; der Ratschlag des Orakels erforscht. Kein anderes Fest war je von gleich glücklicher Intimität und gleichzeitig so allumfassend für alle Belange, die das Dasein der Menschen von tierischem Vegetieren unterscheiden. - Es mag uns erstaunen und erfreuen, daß der Sport in seinem Mittelpunkt stand. I n der glücklichen Zeit, als Baron de Coubertin die alten Spiele zu neuem Leben erweckte, mag ihm etwas Ähnliches vorgeschwebt sein. Die Verlegung der ersten ,,neuena Olympiade auf klassischen Boden sollte die alten Geister beschwören. Und es waren gewiß Voraussetzungen dafür vorhanden. Man konnte von einem abendländischen Kulturkreis sprechen, der auch die neue Welt in seinen Bann gezogen hatte. I m ausgehenden 19. Jahrhundert war man dem griechischen Vorbild der Geschlossenheit und Harmonie wahrscheinlich näher als zu irgendeinem andern Zeitpunkt. Bilder und Berichte von den Olympiaden vor 1912 zaubern heute ein leises Lächeln hervor. Man sieht verwundert auf jene starken Männer mit Schnurrbart, die, angetan mit ihren Medaillen, posieren, und sucht unwillkürlich nach dem Bierglas. Doch wie unendlich glücklicher müssen sie gewesen sein als ihre Nachfahren, mit denen die Schatten der Millionen Toten des ersten Weltkrieges in die Stadien einzogen. Niemand wird behaupten wollen, daß heute ein abendländischer Kulturkreis noch besteht, oder daß sich die Völker, welche aus dem gewaltigsten Kampf der Geschichte als Ueberlebende hervorgegangen sind, auf einer neuen gemeinsamen Lebensbasis gefunden haben. Und doch will man wieder olympische Spiele durchführen. Es dürfte klar sein, daß diejenigen, welche die Gewalt entfesselt haben, ihnen fernbleiben müssen. Auch wenn sie rein physisch vermöchten, sich wieder aus dem Staub der Vernichtung zu erheben. Ein Fest der Ueberlebenden also ? Ein Fest gewiß. Eine Olympiade ? Kaum. Man kann diese Bezeichnung gewiß brauchen und wird es auch tun. Warum denn nicht ? Wer denkt, wenn er z. B. von Boykott spricht, noch an den schlauen Schotten James Boykott, welcher diese Waffe des Wirtschaftskampfes ersann ? Wir werden also auch Olympiade sagen, sie vielleicht sogar in unserm Lande organisieren. Es wäre aber sicher gut, wenn wir das olympische Feuer diesmal nicht holen und die alten Götter nicht anrufen würden. Es wäre gut, wenn wir ganz ohne feierliche Erwartung im Herzen - wenn auch gespannt, denn es gibt ja etwas zu sehen - durch die Pforte des Stadions schreiten würden. Und wir werden versuchen zu verhindern, daß uns kalte Schauer den Rücken hinunterlaufen, wenn die Wettkämpfer das Gelöbnis sprechen. Auch kann den Festrednern empfohlen werden, nicht der Versuchung und Gewohnheit zu unterliegen und etwa so zu sprechen: ,,Möchten doch alle Staatenlenker und Generäle hierher ,in den olympischen Kreis' kommen, auf diese Weise würden sich alle Probleme der Atombombe von


selbst lösen usw." Die Ueberlegung ist abgestanden. Aus dem Zigarrenrauch und Kognakduft steigt, trotz der trefflichen Worte und des satten Beifalls, die Vision von Lidice, Rotterdam, das Bild der Mauergrundrisse von Oradur auf. Dazu die Erinnerung an persönliches Leid. Wir für unsern Teil können an J. Bushell denken, ,,RogerU, den Captain des British University Ski Team, der 1944 mit 47 andern RAF-Piloten schändlich, gegen Gesetze des Rechts und der Moral, füsiliert worden ist. Auch er gehörte zur Jugend der Welt, welche die olympische Glocke 1936 rief. Nein, Herr Festredner. Es ist besser, eine neue Platte aufzulegen, oder Arnold Lunn zu zitieren, der gesagt hat, daß internationale Wettkämpfe in umgekehrtemverhältnis zu ihrer Wichtigkeit zur Förderung der Freundschaft unter Sportsleuten verschiedener Nationen beitragen. Wir wollen diese neue Olympiade gelassen hinnehmen und uns nicht von Fahnen und Nationalhymnen beeindrucken lassen. (Wie schön wäre es doch, wenn sie überhaupt beiseite gelassen werden könnten und ein Herold einfach ausrufen würde, daß Herr Lawton Herrn Archangelski im Stabhochsprung geschlagen und Herr Peterson die 1500 Meter vor Herrn Brechbühl gewonnen habe !) Wir wollen vor allem daran denken, daß diese olympischen Spiele nicht mehr sind und leider nicht mehr sein können als ein ganz gewöhnliches Sportfest, bei dem es eben etwas hitziger zugeht als gewöhnlich, weil die Leute nie aussterben, die meinen, der Wert einer Nation werde an sportlichen Siegen gemessen. Hat nicht schon Xenophanes sagen müssen: „Es ist eine törichte Sitte, Kraft mehr zu ehren als Weisheit. Nicht weil da ein Mann gut ist im Boxen oder im Pentathlon oder im Ringen, nicht weil wir ihn haben, wird die Stadt besser regiert; wenig Gewinn ist es für eine Stadt, ob einer im Sport einen Sieg erringt. Durch solches werden die dunklen Gassen der Stadt nicht heller." Aber für etwas wollen wir sorgen: Daß die Olympiaden Sportfeste und nicht Zirkusveranstaltungen werden. Wer je Knie gesehen hat und Sarrasani in seinen besten Zeiten, wird zwar gegen Zirkus nichts einzuwenden haben. Man kauft ein B i W t und erhält Valuta für sein Geld. , Aber Sport ist doch etwas anderes. Er ist eine Aeußerung ursprünglicher Lebensfreude. Eine notwendige Komponente im Streben nach einer harmonischen Entwicklung der Persönlichkeitswerte. Sein Inhalt ist vorwiegend kämpferisch: sich messen, sich vergleichen mit dem Gegner. Dadurch, daß einige den Sport zum Erwerbszweck machen, werden jedoch alle andern, die ihn als ,,Amateure6" zum Ausgleich und zur Freude also, betreiben, entmutigt. Dem Amateur geht der Vergleichsansporn verloren, weil die Voraussetzungen zu verschieden sind. E r sinkt vom Athleten zum Zuschauer herab. Die Zulassung von Professionals tötet den Sport. Gladiatoren mögen sich für Geld sehen lassen, die Kreise der freien, der unbeschwerten, der echten Athleten aber dürfen sie nicht stören. Schweden, eine der großen Sportnationen, ist eben im Begriff, an eigenem Leib eine in ihrer Atrozität einzig dastehende Operation zu unternehmen. Etwa 15 der besten Athleten sollen disqualifiziert, mehr als zwanzig von ihnen aufgestellte Weltrekorde gestrichen werden, weil ihre Inhaber in der Verkleidung als Amateure drei- und vierfache ,,ProfessorenlöhneCC mit ihren Beinen und Lungen verdienten. Gewiß werden nächstes Jahr die Tribünen der Sportplätze in Stockholm und Göteborg weniger voll sein, wenn der Windhund Hägg und das Rennpferd Anderson ihre Duelle, die übrigens nach Vorführung zu riechen begannen, nicht mehr austragen dürfen. Aber man spürt doch schon eine Jugend, die Morgenluft wittert und nach oben drängt, in der Hoffnung, die Spitze zu erreichen, trotzdem Werkbank und Pflug, Zeichentisch oder Studium den Hauptteil von Zeit und Kraft beanspruchen. Ihr sollen alle Tore geöffnet bleiben. Ihr frisches Spiel darf nicht in eine Hetze nach Erwerb ausarten. Denn es gibt Dinge, die mehr wert sind als Gold. Als der persische Heerführer Mardonius einen bei den Thermopylen gefangenen Griechen fragte, was seine zu Hause gebliebenen Landsleute jetzt, wo die Heere des Großkönigs vor




Griechenlands Pforten stehen, machen, antwortete dieser: „Sie feiern das olympische Fest."

Mardonius wollte wissen: ,,Um was kämpfen sie?" „Um Olivenzweige.'" „Kämpfen sie nur um Olivenzweige?'" ,,Ja, nur um Olivenzweige."

„Wehe uns'" rief der persische Unterbefehlshaber, zu seinem Herrn gewendet, aus : „Du hast uns gegen Männer geführt, die nicht um Gold und Silber, sondern nur um die Ehre, der Tüchtigste zu sein, kämpfen!" Man kann berechtigte Zweifel darüber hegen, ob die modernen olympischen Spiele den gleichen Geist fördern. Sind sie nicht Tummelplätze eines Chauvinismus übelster Sorte geworden ? H a t nicht der Zweck der Erringung eines olympischen Sieges die Mittel geheiligt ? Ist nicht dadurch ein gewisser Scheinamateurismus geradezu legalisiert worden? Haben nicht die letzten Olympiaden den Typ des „staatlichen Professionals" geschaffen? Von Olympiade zu Olympiade verschwand der wirkliche Amateur immer mehr von der Kampfbahn. Es erschien für ihn immer aussichtsloser, gegen den in verschiedener Form getarnten Gladiatoren aufzutreten. Aber die Siegesfahne mußte, koste es was es wolle, am olympischen Mast hochgezogen werden. Deshalb entschlossen sich immer mehr Länder dazu, gerade im Hinblick auf die olympischen Spiele, vom geraden Weg des freien, gesunden Sportes abzuweichen. Die Olympiaden haben sich so zur schwersten Gefahr für den wirklichen Sport entwickelt. Es sind Ansätze vorhanden, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Die Maßnahmen Schwedens sind ein Schritt in guter Richtung. Anderseits hat ein Land, das nach schweren Kämpfen und langer Isolierung sich anschickt, im internationalen Sport wieder aufzutreten, seinen Athleten hohe Geldpreise versprochen, sofern sie Weltrekorde aufstellen. Man ist nicht sicher, wohin die Fahrt geht. Führt sie ungebremst immer weiter vom Ideal des gesunden, des Amateursportes, weg, so wollen wir die Olympiaden fallen lassen und ihnen keine Träne nachweinen. Sie haben ihre Aufgabe erfüllt. Sie haben seit ihrer Neugründung dem Sportgedanken unerhörten Auftrieb gegeben, haben ihn, gleich mächtigen Grundwellen, emporgehoben. Nun hat sich jedoch der Kreis geschlossen. Sie haben sich selbst überlebt. Genau wie in der Antike der Idealismus in Arenakämpfe ausartete, widerstreitet der Geist von Olympiaden, die heute durchgeführt werden können, dem wahren Inhalt des Sportes. I n Griechenland vergingen über dieser Entwicklung Jahrhunderte. Daß sie sich in moderner Zeit in kaum mehr als fünfzig Jahren vollzog, zeigt uns, in welch hektischem Takt der Puls des Lebens unserer Geschlechter schlägt.

Vorstehendes Bild : Engadin (Photo Albert Steiner)


DIE ENTDECKUNG DER BERGSCHÖNHEIT Von Arnold Lunn, SAS, London.

Mit Genehmigung des Verfassers bringen wir als Vorabdruck der in Vorbereitung stehenden deutschen Ausgabe von Arnold Lunns neuestem Buch S W I T Z E R L A N D A N D T H E ENGLISH nachstehendes Kapitel. Der Club möchte bei diesem Anlasse unserem Ehrenmitglied Arnold Lunn bestens danken, nicht nur für die freundschaftlichen Worte in diesem Buche über die Schweiz und uns Schweizer, sondern auch für den mannhaften Einsatz, den er spontan unternahm, als es galt, die Schweiz gegen ungerechtfertigte Angriffe i n der englischen Presse zu verteidigen. Das nachstehende Kapitel behandelt allerdings ein Thema, das die Schweiz nur indirekt berührt, da es über die Entdeckung der Bergschönheit im allgemeinen berichtet. Es ist aber zufolge seines sauberen gedanklichen Aufbaues ein Schriftleitung. Aufsatz, der einer akademischen Leserschaft würdig ist.

Das Christentum führte eine langsame und stille, aber entscheidende Revolution in der Stellung des abendländischen Menschen zur Natur herbei. Was Homer den Griechen, war den Christen die Bibel, und allmählich trat die hebräische Haltung zur Natur an die Stelle der hellenischen. Die Stellung des Menschen zur Schöpfung wurde unmerklich durch die christliche Lehre von einem Schöpfer modifiziert, der die Liebe des Menschen wünschte und erwiderte. Der klassische Mensch fürchtete die Götter, aber er liebte sie nicht. Die Religion war eine Wissenschaft, die Wissenschaft davon, wie man Gottheiten mit einem ungewissen Temperament und von unberechenbaren Launen versöhnen kann. Cede deo. Füge dich dem Gott. Wenn ein Gott feindlich ist, leiste nicht Widerstand. Das war die Erfahrung, die sich Aeneas in hartem Leben errang. Juno hatte seine Vernichtung geplant, aber statt sich dagegen aufzulehnen, strebte er danach, ihre Gunst zu gewinnen. Aeneas könnte in der Tat zum Schutzpatron der Versöhnungspolitiker gemacht werden: ihm wenigstens war Erfolg beschieden. Juno wurde besänftigt, und das Römische Reich konnte gegründet werden. Die Griechen zogen die gezähmte Natur den Wäldern und Bergen vor, denn in den Wäldern lebten Dryaden, und in den Bergen trieben die Oreaden ihr Unwesen. Die hebräische Auffassung von einem Schöpfer, der sich in der Majestät und Schönheit seiner Schöpfung offenbarte, war dem griechischen Geist völlig fremd. Die Schöpfung war nicht nur die Wohnstätte des Menschen, sondern auch die gefährlicher Elementargeister, und daß der Wald Dryaden beherbergte, machte ihn den Griechen keineswegs liebenswerter. Milton konnte voll sehnsüchtigen Bedauerns von der Flucht der alten Götter vor dem vorrückenden Christentum schreiben :

From haunted spring and dale Edged with poplar pale The parting genius is with sighing sent. Milton glaubte jedoch nicht an die alten Götter. Ganz anders war es für den Heiden, dem Dryade, Oreade und Faun nicht romantische Requisiten einer klassischen Landschaft waren, sondern unberechenbare, möglicherweise gefährliche Naturgeister. Der getaufte Heide entließ den ,,scheidenden Genius" nicht mit Seufzern. E r hätte im Gegenteil einen Seufzer der Erleichterung ausgestoßen, wären die alten Götter auf immer aus seiner Welt verschwunden und nicht in Gestalt von Dämonen geblieben. Dennoch aber fiel die Götterdämmerung mit dem Morgenrot der Hoffnung zusammen, denn das Christentum verkündete die frohe Bot-


schaft von einem Freund hinter den Erscheinungen, einem allmächtigen Freund, dem die ganze Hierarchie der bösen Geister untertan war. Die Schönheit der Schöpfung gewann allmählich eine neue Bedeutung für die unter den Menschen, die dessen gedachten, daß Christus in dieser Schönheit eine Gewähr für die schützende Liebe des Schöpfers gefunden hatte. „Schauet die Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen; sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, daß auch Salomon in all seiner Herrlichkeit nicht bekleidet gewesen ist als derselben eine. So denn Gott das Gras auf dem Felde also kleidet, das doch heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird, sollte er das nicht viel mehr euch tun, o ihr Kleingläubigen ?&& Der als Heide geborene und nie ganz zum Christen gewordene Dichter Ausonius ist der Poet des Überganges, und in seinen Dichtungen finden die romantische Haltung zur Natur und die romantische Haltung zur Frau Ausdruck. Dieser Ton zärtlicher Neigung, in der klassischen Literatur so selten, findet sich sowohl in den im Jahre 370 geschriebenen Versen an die Mosel als auch in der schönen Huldigung für seine Gattin. Quis color ille vadis, seras cum propulit umbras Hesperus et viridi perfudit monte Mosellam! tota natant crispis iuga motibus et tremit absens pampinus et vitreis vindemia turget i n undis.

Das Gedicht an seine Gattin beginnt: Uxor vivamus ut viximus et teneamus nomina quae primo sumpsimus in thalamo.

Aiguilles de Chamonix: Charmoz, Grkpon, Rlaiti2re (Photo .4ndri Roch)

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Das Christentum befreite den Menschen aus den Schranken des erdgebundenen Humanismus. Der von der Erde aufwärts strebende gotische Kirchturm ist das Symbol einer neuen Weltanschauung, einer Philosophie, die dazu beitrug, daß der Mensch mit dem Gedanken an Unendlichkeit der Zeit und Unendlichkeit des Raums ausgesöhnt wurde. Der Grieche, mit seinem Haß gegen das apeiron, das Grenzenlose, hätte den Ausblick, den man von einer Bergspitze auf ferne Horizonte hat, abstoßend gefunden, und zweifellos war es ihm widerwärtig, an die ferne Vergangenheit zu denken. E r ließ Troja unter den Ablagerungen der Jahrhunderte verschüttet liegen, bis Schliemann es wieder ausgrub. Es ist nicht ohne Bedeutung, daß dieses neue Gefühl für weite Horizonte in der Zeit wie im Raum in der Dichtung Petrarcas, des ersten gefühlvollen Bergsteigers, in Erscheinung getreten ist. ,,Petrarcaa, schreibt Spengler, ,,sammelte Altertümer, Münzen und Manuskripte . . ., als historisch fühlender, auf entlegene Welten zurückschauender, nach dem Fernen sich sehnender Mensch - er war der erste, der die Besteigung eines Alpengipfels unternahm Petrarca bestieg am 26. April 1335 den Mont Ventoux in der Provence und schilderte die Wanderung zu Tal in einem begeisterten Brief an seinen Vater. E r kostete alle kleinen Vorkommnisse aus, die ein mühsamer Aufstieg mit sich bringt, und genoß auf dem Gipfel das prächtige Panorama. Petrarca (1304-1374) war ein echter Pionier, denn wenn auch sein großer Vorgänger Dante (1265-1321) oft Berge erwähnt, so sind die Epitheta, die er für diese hat, gleich Homers schmückenden Beiwörtern für das Meer entweder rein sachlich oder Ausdruck heftigen Abscheus. Ganz wie Homer einmal von „überhangenden Wogen" und ein andermal von den „furchtbaren Buchten des lieblosen Meeres" schreibt, so drücken Dantes Berg-Epitheta

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Sq~el,/lir,ucriibrr (Irm I:'rtgorlil~ ( P h o t o n r . R i r w T,<,gIorf

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entweder Feindseligkeit aus, wie zum Beispiel maligno (bösartig) oder Gleichgültigkeit, zum Beispiel erto, steil, duro, hart oder rotto, geborsten. Kritiker, die sich mit bequemen Erklärungen begnügen, führen die Haltung, die das Mittelalter ihrer Konzeption nach gegenüber den Bergen einnahm, auf das Entsetzen zurück, das in den Menschen weiterlebte, welche die Alpenpässe überquert hatten. Charakteristisch dafür ist der Brief, den der Mönch John de Bremble schrieb, nachdem er 1178 über den St. Bernhard gekommen war. „ ,O Herri, sagte ich, ,gib mich meinen Brüdern wieder, auf daß ich ihnen sagen kann, sie mögen nicht diese Stätte der Qualen aufsuchen' . wo nichts als Eis die Marmorfliesen des steinigen Bodens bildet und man den Fuß nicht gefahrlos aufsetzen kannGi,aber es besteht durchaus kein notwendiger Zusammenhang zwischen der Angst vor Alpenreisen und der Tatsache, daß man in den Fernblicken auf die Alpen, die man in aller Gemächlichkeit von der Ebene aus genießen kann, keinerlei Schönheit entdeckte. Gewiß, wenn unser Material auf das geschriebene Wort beschränkt wäre, müßte es schwer sein, zu beweisen, daß der mittelalterliche Mensch ein Auge für die Schönheit hatte, die der Monte Rosa, jenseits der piemontesischen Ebene ,,schwebend", und der Mont Blanc, gesehen von den Ufern des Genfer Sees oder im Oberland von einer Terrasse in Bern, für uns haben, aber die Kunstwerke aus der Zeit modifizieren die Deutungen, die uns die mittelalterliche Literatur zunächst aufzunötigen scheint. Italien ist so gebirgig wie die Schweiz, und auf vielen mittelalterlichen Gemälden figurieren Berge. Die formal-konventionellen Felsen im Werk Ghirlandajos, Pesellinos und Mantegnas

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entsprechen den formal-konventionellen Beiwörtern Dantes für die Berge. Oft tauchen Berge in der Komposition auf, weil die biblische Szene, die den Vorwurf bildet, sich auf oder bei einem Berg abspielte. Duccios Verklärung in der National Gallery ist ein Beispiel dafür. Es ist nur allzu deutlich, daß Duccio niemals einen Felsen mit Interesse oder Vergnügen studiert haben kann. Mitunter werden Berge eingeführt, damit eine düstere Szene einen passenden Hintergrund erhält. Die Erklärung für die scheußlichen, wie einem bösen Traum entsprungenen Klippen in Mantegnas Todeskampf Christi im Garten von Gethsemane (National Gallery) ist vermutlich eher in einem solchen kompositorischen Motiv zu suchen, als in übertriebenen Vorstellungen des Malers vom gebirgsmäßigen Charakter des Ölbergs. ,,L'amore di qualunque cosa & figlulo d9essacognitione. L'amore & tanto piii fervente, quanto la cognitione & piii certa." Aber wenn es wahr ist, daß die Liebe die Tochter der Erkenntnis ist, wie Leonardo schrieb, so ist darum nicht minder wahr, daß die Erkenntnis die Tochter der Liebe ist. Wo wir Berge, Schnee und Anhöhen mit Genauigkeit und Verständnis gemalt finden, dürfen wir annehmen, daß es dem Künstler Freude bereitete, die Berge zu betrachten, die er mit solcher Achtsamkeit studierte. Man hat davon gesprochen, daß der Fortschritt der Bergmalerei auf einen Fortschritt in der Technik zurückzuführen sei, aber obgleich die Technik Mantegnas, der 1431 geboren wurde, der des 1260 geborenen Duccio sehr überlegen ist, kann man von einem entsprechenden Fortschritt der Bergmalerei nicht reden. Es gibt einen schönen Gebirgshintergrund auf Hubert van Eycks Kreuzigung (Metropolitan Museum, New York), aber van Eyck kam 1390 zur Welt, lange Zeit vor dem rapiden Aufschwung der Technik, der mit der Renaissance zusammenfiel. Die auf Lottos Bildnis des Protonotars Giulano durch das offene Fenster gesehenen Schneeberge, der Gebirgshintergrund auf einer von Bellinis Madonnen und die Gewitterberge auf Tizians Madonna mit der heiligen Katharina in der National Gallery bekunden sämtlich ein echtes Gefühl für die Schönheit von Formen und Farben der Berge, ein Gefühl, das im 16. Jahrhundert seinen Höhepunkt erreichte und dann jäh zu verfallen begann. Das war auch in der Tat unausbleiblich, denn in dem Ausmaß, in dem die Renaissance eine Rückkehr zu den Normen des griechischen Humanismus war, brachte sie notwendigerweise auch eine Wiederbelebung der griechischen Haltung zur Natur mit sich. Zu der Ansicht, daß die Bergmalerei mit der Renaissance in Verfall zu geraten begann, gelangte ich, nachdem ich Gebirgsbilder in den meisten großen Galerien Europas studiert hatte, und zu meinem Vergnügen entdeckte ich, daß ich mich zur Stützung dieser Ansicht auf die große Autorität des verstorbenen Lord Conway of Allington berufen kann, den Bergsteigern unter dem Namen Sir Martin Conway besser bekannt ist. Zufällig las ich, gerade als ich an diesem Kapitel schrieb, sein Buch, The Alps, wieder, das ich im Alter von sechzehn Jahren kennen gelernt hatte, zu einer Zeit, als ich wenig oder gar kein Interesse für die Kunst hatte. ,,Es wird oft vergessen", schrieb Sir Martin Conway in The Alps, ,,daß Berge und sogar Schneeberge schon zu sehr früher Zeit in Bildern auftauchten. Bereits der Vater der modernen Landschaftsmalerei, Hubert van Eyck, stellte in bewundernswerter Weise die Umrisse von Schneegipfeln in den Hintergrund einiger seiner Gemälde, wie zum Beispiel auf dem Sir Frederic Cook gehörenden Bild Die drei Marien um Grabe, wo die Effekte einer fernen Bergkette schön durchgeführt sind. Dann, etwa ein Jahrhundert später, machte Albrecht Dürer in der Gegend der Brennerstraße mit größter Sorgfalt eine Anzahl Skizzen von Berglandschaften, und von dieser Zeit an liebte er es, prächtig gezeichnete Gipfel im Hintergrund seiner Stiche und Holzschnitte anzubringen. E r verfügte über eine bemerkenswerte Kenntnis der wesentlichen Daten der Bergformen, so daß selbst moderne Bergsteiger aus seiner Arbeit einige Elemente der Kunst zu sehen lernen können. Gut gezeichnete Berge finden sich häufig auf den Holzschnitten und Zeichnungen der fruchtbaren Meister der süddeutschen und der venezianischen Schule des sechzehnten Jahrhunderts. Das ist ein Beweis unter vie-


len für die Lebendigkeit dieses ersten Ausbruches der Bergbegeisterung, die mit dem weiteren Vorrücken des sechzehnten Jahrhunderts allmählich nachließ. Im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert ist es für Schriftsteller, die von Berglandschaften sprechen, eine Selbstverständlichkeit, sie als ungeheuerlich, entsetzlich oder gar scheußlich zu bezeichnen. Bei den zeitgenössischen Malern sind die entsprechenden Darstellungen zu finden. Es wäre unrichtig, anzunehmen, daß aus ihren Bildern und Drucken eine Unfähigkeit, zu zeichnen, spricht, weil wir auf ihnen uns bekannte Gipfel und Landschaften nicht zu erkennen vermögen." Auf einem von Conrad Witz im Jahre 1444 gemalten Bild andererseits erkennt man mit Leichtigkeit den Montblanc mit den zu ihm gehörigen Gipfeln und den Saleve. Der Vorwurf ist der wunderbare Fischzug, aber nicht an den Wassern Galiläas, sondern am Genfer See legt der heilige Petrus unserem Herrn „das Netz voll großer Fische" zu Füßen. Mit dem Abnehmen des Renaissance-Einflusses verbessert sich die Bergmalerei. Der Leser kann selbst die Probe aufs Exempel machen, indem er die in G. R. de Beers Early Travellers in The Alps wiedergegebene Illustration untersucht. Man vergleiche zum Beispiel die Stiche des Rhonegletschers gegenüber Seite 124 und gegenüber Seite 128. Auf dem ersten (etwa 1720) sind die Berge formlose Greuel, der Gletscher eine groteske Angelegenheit, aber der zweite (1777) ist ein Stich, den ich nur zu gern besäße. Im selben Buch findet sich die Reproduktion eines Stichs von Engelberg (1777), auf dem die Berge und Gletscher mit Genauigkeit und Charme wiedergegeben sind. Das Ende der romantischen Bewegung fiel mit der Entwicklung der Schule kolorierter Schweizer Drucke zusammen, einer Schule, deren größte Meister vielleicht die Lorys, Vater und Sohn, waren. Neben den Zeugnissen der Malerei gibt es auch noch literarische Beweise für das, was Conway ,,die Lebendigkeit dieses ersten Ausbruchs der Bergbegeisterung" nannte, ,,die mit dem weiteren Vorrücken des sechzehnten Jahrhunderts allmählich nachließ". Konrad Geßner war der erste Bergfreund, der eine detaillierte Apologie des Bergsteigens zu Papier brachte. E r wurde 1516 geboren und war vierundzwanzig Jahre hindurch Professor der Philosophie an der Universität Zürich. I n ihm kann man tatsächlich das Urbild des bergsteigenden Dozenten sehen. Seine wenigen Vorgänger hatten der Maxime: ein Mann ein Berg, gehuldigt, Geßner jedoch gab bekannt, er habe die Absicht, jedes Jahr wenigstens einen Berg zu besteigen. Glücklicherweise ist uns die Geschichte einer seiner Besteigungen erhalten geblieben, der des Pilatus. Alles entzückte ihn, die wechselnden Aussichten, das Gipfelpanorama, das Schweigen der Höhen, auf denen „man den Widerhall von den Harmonien der himmlischen Sphären vernimmt", die Disziplinierung durch die Strapazen und die Freuden der Erinnerung an Mühen und Gefahr. Geßner nimmt in der Tat die Lobpreisungen des Bergsteigens vorweg, die in Peaks, Passes und Glaciers zu finden sind. Geßners vertrauter Freund, Professor Marti aus Bern, teilte diese Bergbegeisterung durchaus. E r erzählt uns, daß er auf dem Gipfel des Stockhorns eine in einen Stein geschnittene griechische Inschrift fand, die übertragen so lautet: ,,Die Liebe zu den Bergen ist das Beste." Vom Oberland, wie man es von Bern aus sieht, schreibt Marti: „Das sind die Berge, die unsere Freude und unsere Wonne sind, wenn wir von den höchstgelegenen Teilen unserer Stadt den Blick auf sie richten, wenn wir ihre mächtigen Gipfel und zerklüfteten Felsen bewundern, die jeden Augenblick einzustürzen drohen. W e ~ w ü r d enicht solche Gegenden bewundern, lieben, gern aufsuchen, erforschen und ersteigen? Diejenigen, die sich von ihnen nicht angezogen fühlen, möchte ich freilich empfindungslose Burschen, stumpfsinnige öde Fische, langsame Schildkröten nennen. Ich bin niemals glücklicher als auf den Bergeshöhen, und es gibt keine Wanderungen, die man inniger liebt, als die im Gebirge. Da Marti wohl kaum die überwiegende Mehrheit seiner Zeitgenossen ,,empfindungslose Burschen. stumpfsinnige öde Fische usw." genannt hätte, darf man wohl annehmen, daß die


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Würdigung der Bergschönheit im sechzehnten Jahrhundert nichts Ungewöhnliches war, und diese Ansicht findet auch ihre Bestätigung in der Tatsache, daß Simler, der Nachfolger Geßners in Zürich, der das erste Lehrbuch über die Technik des Alpenwanderns schrieb, uns mitteilt, daß aus allen Teilen der Welt Ausländer kamen, um die Alpen zu bewundern. Der erste von Engländern der Bergschönheit und den Freuden der Bergwanderung gezeugte Tribut ist der preisende Hymnus eines in den 1611 publizierten Coryat's Crudities zitierten anonymen Verfassers.

„Was, ich bitte, ist erfreulicher, ergöt~licherund willkommener für den Menschen, denn die Höhe der Berge zu schauen, als waren sie die AtIanten selber des Himmele ? des Herkdes Saulen zu bewundern, die Berge Taurus und Kaukasus zu erblicken? den Berg Olympos, Jupiters Sita zu betrachten ? die Alpen zu iibersteigen, die von Hannibals Kriegsmmehhen bewältigt wurden? das Apenninenvorgebirge Italiens zu erglimmen? vom Berge Ida den Aufgang der Sonne zu schauen, noch ehe sie selber sich zeigt ? Parnasses und Helikon heimzusuchen, die übe rau^ berühmten Sitze der Musen? Fürwahr, es ist kein Berg und kein Hügel, der nicht die siißeste Erinnerung trefflicher Dinge in sich besahlösse.lC


Gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts war die Reaktion gegen die gotische Architektur vollständig. Das Wort „gotischu selbst wurde als Ausdruck der Verachtung für einen Architekturstil geprägt, bei dem das achtzehnte Jahrhundert an gotische Barbaren dachte. Die Architekten des achtzehnten Jahrhunderts hätten mit Ruskin eine ,,Bergbrüderschaft zwischen der Kathedrale und den Alpen" anerkannt, hätten aber aus Ruskins Prämisse ganz andere Schlüsse gezogen, als er. Die Berge wollten wie gotische Dome keinen fest umrissenen Geschmacksnormen entsprechen. Die Gotik war eine Architektur des undisziplinierten Genies. Das achtzehnte Jahrhundert bewunderte Zurückhaltung und Gehorsam gegenüber klassischen Normen, die heroischen Zweizeiler Popes, das Drama Racines, die klassische Landschaft, wie sie sich in regelmäßig angelegten Gärten ausdrückte, und in der Architektur die anerkannten ,,Vorschriften für Schönheit und Erhabenheit", wie sie von Schriftstellern formuliert wurden, die Vitruv beschworen, um die exakten Proportionen der ,,fünf Ordnungen" zu bestimmen. Die Berge waren davon ausgeschlossen, denn, wie Thomas Burnet 1759 betonte, ,,sie haben weder Form noch Schönheit oder Gestalt noch Ordnung.. sie besitzen keinerlei Proportion der Teile, welche auf einen Entwurf zurückzuführen wäre, oder welche auch nur die geringste Spur von Kunst oder Planung aufwiese. Es gibt in der Natur nichts Formloseres und Mißgestalteteres als einen alten Felsen oder Berg, und alles, was an solchen von Vielfalt, ist nichts als vielfältiger Ausdruck der Unregelmäßigkeit." Burnet bietet uns jedoch einen kleinen Trost. So häßlich die Berge auch sein mögen, ganz so häßlich, wie sie im Augenblick ihrer Schöpfung waren, können sie nicht sein. ,,. Freilich, sie können nun nicht so übel aussehen wie im ersten Anfang; eine Ruine, die neu ist, bietet einen viel häßlicheren Anblick als nachher, wenn die Erde sich verfärbt und eine neue Haut bekommt. Allein ich meine, hätten wir die Berge gesehen, als sie neugeboren und in ihrem Urzustand, als die Erde frisch aufgebrochen war und die Wasser der Sintflut eben erst abflossen, es wären uns ihre Brechungen und Wirrungen überaus scheußlich und erschröcklich erschienen." Die gotische Landschaft hatte, wie die gotische Architektur, ,,keinerlei Proportion der Teile, welche auf einen Entwurf zurückzuführen wäre", und das war entscheidend für Männer von Geschmack. Viele von Burnets Lesern müssen tatsächlich das Gefühl gehabt haben, er renne offene Türen ein. Sowie die Berge einmal durch den Hinweis auf die gotische Architektur klassifiziert waren, erübrigte sich jede Notwendigkeit weiterer Diskussion. Bischof Berkeley zum Beispiel, der am 1. Januar 1714 den Mont Cenis überquerte - ,,die überaus entsetzlichen Schründe hatten ihn reichlich verdrossen" - wäre niemals auf den Gedanken gekommen, daß es nötig sein könnte, das selbstevidente Axiom, daß die gotische Architektur häßlich und die Berge abstoßend seien, zu beweisen. Es steckt auch keine Spur von Ironie oder bewußtem Humor in dem Bekenntnis, das ein gewisser John Spence im Jahre 1730 zu Papier bringt: „Die Alpen würden mir recht gut gefallen, wenn nicht die Berge da wären", und wir können sicher sein, daß Goldsmith, der sich darüber beklagte, daß in Schottland, „Berge und Felsen jede Aussicht stören", ehrlich erschrocken wäre, hätte er einen exzentrischen Menschen kennen gelernt, der an einer Aussicht Schönheit finden konnte, selbst wenn sie aus nichts bestand als ,,Bergen und Felsen". Unterdessen taten Theologen, die sich mit dem Problem des Bösen befaßten, ihr Bestes, die Segnungen zu entdecken, die man gerechterweise den Bergen zuschreiben könnte. Samuel Johnson zum Beispiel gibt zu verstehen, daß selbst die Häßlichkeit der Berge einen negativen Vorteil für den Philosophen habe. Sie verführen ihn nicht dazu, sich ablenken zu lassen. „Vor mir und zu beiden Seiten", schreibt er von der Moriston-Schlucht, ,,standen Berge, welche, indem sie das Auge nicht schweifen ließen, den Geist dazu zwangen, sich an sich selbst Genüge sein zu lassen." „Augena, fuhr er fort, ,,an blühende Weiden und wogende

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Felder gewöhnt, werden durch diese weite Ausdehnung hoffnungsloser Unfruchtbarkeit überrascht und abgestoßen. Es ist ein Bild von einer Materie, keiner Form und keines Nutzens fähig, von der Natur aus ihrer Obhut entlassen und ihrer Gunst beraubt, im Urzustand belassen oder nur mit der finsteren Kraft nutzloser Vegetation belebt."

Um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts war die schöpferische Energie der Renaissance verbraucht, und die Reaktion hatte bereits eingesetzt. I m Jahre 1739 suchte der Dichter Thomas Gray die Grande Chartreuse auf und schrieb eine begeisterte Schilderung der Berglandschaft in der Umgebung des Klosters: ,,. , eine der ernstesten, der romantischesten Landschaften, die ich je erblickt. habeLL,aber das achtzehnte Jahrhundert macht sich wieder bemerkbar in seinem Mißfallen am Mont Cenis, welcher „die den Bergen gewährte Vergünstigung, furchtbar auszusehen, denn doch zu weit treibt". Dreißig Jahre später besuchte Gray die englischen Seen, und das Brieftagebuch, das er im Oktober 1769 schrieb, trug zur Entstehung einer Mode bei. Das Tagebuch enthält einige eindrucksame und reizvolle Wortgemälde: ,,. Saddleback, dessen gefurchte Flanken von der Mittagssonne vergoldet waren, während sein Scheitel unter dem Schatten der langsam darüber hinwegsegelnden Wolken ein trauriges Violett zeigt e . . . die schimmernde Reinheit des Sees, der Felsen, Wälder, Wiesen und umgekehrte Bergspitzen spiegelte, ein ganz klein wenig vom Wind gekräuselt, gerade so viel, daß er lebendig wirkte, dazu die weißen Gebäude von Keswick, Crosthwaite Church und Skiddaw als Hintergrund in der Ferne . Am Abend spazierte ich nach Sonnenuntergang am CrowPark entlang zum See hinunter und sah das Aufziehen der feierlichen Nachtfarben, das letzte Glimmen des auf den Bergspitzen ersterbenden Sonnenscheins, die tiefe, geruhsame Heiterkeit des Gewässers mit den langen Schatten, welche die Berge darauf warfen, bis sie fast das diesseitige Ufer berührten. Von weitem hörte ich das Gemurmel vieler Wasserfälle, das unter tags nicht vernehmbar ist; ich wünschte den Mond herbei, doch er blieb mir dunkel und stumm." Diese verspätete Entdeckung unserer britischen Berge, zwei Jahrhunderte, nachdem Gesner und Marti auf die Schönheit der Alpen aufmerksam gemacht hatten, war das Symptom einer Geschmacksrevolution und eines beginnenden Aufstands gegen klassische Normen, nicht nur in der Landschaft, sondern auch in der Architektur. Und ganz wie mit der Abneigung gegen die gotische Architektur unweigerlich eine Abneigung gegen Berglandschaften einherging, so vereinigte sich mit der Wiederbelebung der Gotik eine Wiederbelebung jener Bergbegeisterung, die, wie Martin Conway sagte, ,,mit dem weiteren Vorrücken des sechzehnten Jahrhunderts allmählich nachließ". Und wo diese neuentdeckte Neigung für die Gotik nichts als Pose war, war auch die Bewunderung der Berge affektiert. Kein Mensch würde eine ernsthafte Schätzung des Gotischen von jemandem erwarten, der die gotische Architektur als ,,prachtvoll und vornehm" bezeichnen konnte, und dem Mann, der diese Phrase prägte, Horace Walpole, verdanken wir auch die bezaubernden Lächerlichkeiten des pseudogotischen Gebäudes, das er am Strawberry Hill errichtete. Walpole, der in der Gotik etwas unterhaltsam Exotisches sah, und der die modische Welt mit seiner grillenhaften Verteidigung des nicht zu Verteidigenden amüsierte, war in seiner Lobpreisung der Grande Chartreuse zweifellos ebenso bewußt exzentrisch. ,,. . . ganz und gar zerrissen von hangenden Wäldern, verdunkelt von Föhren und in Wolken verloren . . . Kaskadenbänder stürzen silbern herab und eilen in den aufgepeitschten Fluß am Grunde ! . Das klingt zu bombastisch und romantisch für einen, der es nicht gesehen, und zu kalt für jeden, der diesen Anblick genossen hat. Wenn ich dir meine Briefpost zwischen zwei lieblichen Unwettern senden könnte, deren jedes

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!l'heodU2glatscher, Brsitfrorn (Photo Schal)

vom Groll des anderen widerhallt, wärst du vielleicht imstande, dir eine Vorstellung von dieser edlen, tosenden Szenerie zu machen.'" Der A b g m d , der Walpoles dilettantische Gönnerhaftigkeit von Ruskins tiefer Leidenschaft zur Gotik trennt, ist nicht größer als der Gegensatz zwischen den Haltungen der beiden zu den Bergen, aber es hat durchaus seinen Sinn, daß der Geschmack für da~lGotische selbst da, wo die Bewunderung nicht das mindeste mit Aufrichtigkeit zu tun hat, mit dem Geschmack für Bexglandschaften verknüpft ist. William Beckford zum Beispiel, der seinem Architekten Wyatt den Auftrag gab, „ein ornamentales Gebgude zu entwerfen, welches das Aussehen eines Klosters haben, zum Teil aus Ruinen bestehen und dennoch einige wetterfeste Teile enthalten soll", affektiertff grolje Liebe zu den Bergen. ,,Slihe ich nicht4', schrieb er, ,,bisweilen ein, zwei Geister, besuchte ich nicht Voltaire mitunter und die Berge sehr oft, ich müßte sterben."

In der Politik wie in der Architektur gehörte zur romantischen Revolte gegen die klassische Konvention der neue Bergkult. ,,Stellte man Rousseau'" schrieb Leslie Stephen, „wegen des Verbrechens, Berge für die Menschen zu Gegenständen der Anbetung gemacht zu haben, vor Gericht, so würde er von unparteiischen Schöffen schuldig gesprochen werden", aber bei der


Urteilsverkündung würde der Richter gebührend darauf hinweisen, daß Rousseau selbst sich niemals zu dem Glauben bekehrte, den er mit solchem Erfolg predigte. Rousseaus Verehrung für die Berge war ein ideologisches Ergebnis seiner politischen Philosophie, und seine Philosophie ihrerseits stand unter dem Einfluß von Hallers Gedicht über die Alpen. Haller war ein hervorragender Schweizer Physiologe, und sein 1728 publiziertes Gedicht war ein Hymnus auf die Tugenden des von Ehrgeiz nicht verdorbenen und von Habsucht freigebliebenen P lpenbauern. Das erste Kapitel von Rousseaus Contrat social beginnt mit dem berühmten Satz : ,,L7homme est n6 libre, et partout il est dans le fer.",,Der Mensch ist frei geboren und ist überall in Ketten." In seinen Discours sur l'origine de l'in6galit6parmi les hommes kontrastiert Rousseau das Glück und die Tugendhaftigkeit des Menschen im primitiven Naturzustand mit dem von der Zivilisation herabgewürdigten Menschen. Voltaire bestätigte ein Dedikationsexemplar dieses Buches mit einem charakteristischen Scherz. ,,Ich habe Ihr neues Buch gegen das Menschengeschlecht erhalten und danke Ihnen. Noch nie wurde so viel Klugheit daran gewandt, zu beweisen, daß wir alle dumm sind. Bei der Lektüre Ihres Buches empfindet man Sehnsucht danach, auf allen Vieren einherzugehen. Da ich jedoch diese Gewohnheit vor mehr als sechzig Jahren abgelegt habe, empfinde ich es leider Gottes als Unmöglichkeit, sie wieder aufzunehmen." Die Idealisierung des Menschen in seinem Naturzustand führte in natürlichem Übergang zur Idealisierung des Alpenbauern und von da zur Idealisierung des alpinen Milieus des Bauern. Rousseaus Begegnungen mit Alpenbauern waren ebenso selten wie die Housmans mit Shropshire-Burschen, und er setzte sich nicht der Gefahr aus, seine Zuneigung zu den Bergen rauhen Berührungen mit der Wirklichkeit auszusetzen. Die Gefühle, die er den Bergen gegenüber tatsächlich hegte, zeigen sich in dem, was sein Held St. Preux über den Gegensatz zwischen den bezaubernden, üppigen waadtländischen Ufern des Genfer Sees und den kahlen Höhen äußert, die am savoiischen Ufer emporsteigen. Rousseaus Liebe zu den Felsen, schreibt Leslie Stephen, ,,ist vielleicht ein Sonderfall seiner Liebe zum Paradoxen. Er bewundert sie, dürfen wir vermuten, eben weil sie scheußlich sind; die Berge sind, gleich dem edlen Wilden, ein ständiger Protest gegen den verkünstelten modernen Geschmack; sie sind kahl und wild und abstoßend, aber zumindest haben sie nicht angefangen, Perücken und Korsette zu tragen und sich dem konventionellen Geschmack des Jahrhunderts zu fügen. Sie zu lieben, ist Beweis einer einzigartigen Selbständigkeit des Charakters, die, weil exzentrisch, bewundernswert ist." Leonardos Maxime kann auf Rousseaus Liebe zu den Bergen nicht angewendet werden. Im besten Fall war ,,l'amoreU nicht ,,figliulo d'essa cognitione . ." Rousseau hatte Interesse nur für die Berge der Ideologie. Er kam in Genf zur Welt, aber kein einziges Mal in allem, was er geschrieben hat, spricht er vom Salhve oder von der Fernsicht, die man vom Südufer des Genfer Sees auf den Mont Blanc hat. E r verbrachte sehr viel Zeit in Vevey, erwähnt aber niemals den Dent du Midi. Er kennt den Maggiore, weiß aber nichts vom Monte Rosa zu sagen, der vom Südende des Sees aus zu sehen ist. Rousseau „kannte und liebte die Alpen nicht", wie Dr. Engel bemerkt. Das Erscheinen von Rousseaus Nouvelle H6loise im Jahre 1760 hatte viele Bekehrungen zum Bergkult zur Folge, aber der Erzprophet dieses neuen Glaubens akzeptierte und praktizierte niemals die Religion, die er scheinbar mit solcher Aufrichtigkeit predigte. Aber schließlich gehörte Rousseau nicht zu den Pedanten, die sich von der Notwendigkeit plagen lassen, in Einklang miteinander zu bringen, was sie predigen und was sie ausüben. E r schrieb mit großem Gefühl über die Verantwortungen der Elternschaft, er mahnte elegante Mütter, ihre Kinder selbst zu stillen, und übergab seine eigenen fünf Kinder einem Findelhaus, was Burke zu seinem berühmten Epigramm veranlaßte: - ,,liebt das Menschengeschlecht und haßt sein eigenes Geschlecht . Wohlwollen gegenüber der ganzen Art und Mangel an Gefühl für

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jedes Einzelwesen, mit dem die Professoren in Berührung kommen, sind die Kennzeichen der neuen Philosophie." Wohlwollen gegenüber den Bergen im allgemeinen und Mangel an Gefühl für jeden einzelnen Berg war das Hauptkennzeichen von Rousseaus Gebirgskult.

Wie in Kunst und Politik, ging auch in der Religion die Revolte gegen den Klassizismus mit der Entdeckung der Bergschönheit einher. Der Anglikanismus des achtzehnten Jahrhunderts war in seinen charakteristischen Einzelheiten streng klassisch. Er steuerte einen vorsichtigen Mittelkurs zwischen Papisterei und Nonkonformismus und vermied - in den Worten eines Theologen aus dem 17. Jahrhundert - ,,den hohlen Prunk der Kirche von Rom und die schmutzige Lotterei fanatischer Konventikel." In seinem Mißtrauen gegen undisziplinierte Gefühlsduselei stand der Anglikaner des achtzehnten Jahrhunderts mehr, als er ahnte, unter dem Einfluß klassischer Ideale von Zurückhaltung und Ordnung. ,,Die Behauptung, außerordentliche Offenbarungen und Gaben vom Heiligen Geist empfangen zu habenL', sagte der große Bischof Butler, ist etwas Abscheuliches - etwas überaus Abscheuliches." Der Methodismus, eine quasi-gotische Revolte gegen den Formalismus der Staatskirche, war eine der Kräfte, die den Boden für die romantische Bewegung bereiteten. Dr. Leger, ein brillanter französischer Kritiker John Wesleys, äußert sich über ,,la filiation spirituelle du


Mouvement Oxford avec John Wesley", und Miss Sheila Kaye-Smith führt die anglokatholische Bewegung auf die gemeinsame Wirkung der evangelischen Wiedererweckung und der romantischen Bewegung zurück. Über die methodistischen Hymnen schreibt Dr. Leger: ,,An die Stelle des glatten, korrekten und regelmäßigen heroischen Zweizeilers Popes und seiner Schulen treten endlos variierte Kombinationen von Metrum und Stanzen; die Zeilen verschränken sich frei miteinander; Vers und Sprache streben danach, die mannigfaltigen Impulse der Seele, das vehemente Drängen der religiösen Gefühle wiederzugeben . . es ersteht hier vor uns eine neue Art der Dichtung, getrieben von einer glühenderen Flamme, lebendig hingegeben jedem Pulsschlag der Empfindsamkeit des einzelnen: die wahrhaft lyrische Poesie. So weit bahnte vielleicht der Methodismus der Romantik in der Literatur den Weg." Obgleich John Wesley diejenige Seite der romantischen Bewegung vorwegnahm, die uns hier im besonderen angeht, hat noch niemand, der sich mit der Geschichte der Berge und ihres Einflusses auf den Menschen befaßt, die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, daß Wesley in seinem berühmten Tagebuch von unseren britischen Bergen voll Hochschätzung spricht. So fährt er nach einer Bemerkung über die ,,sanft emporsteigenden Berge Monmounthshires" fort: „Carmarthenshire, wohin wir bald nachher kamen, hat einen mindestens ebenso fruchtbaren Boden, aber es ist nicht so wohlgefällig, weil es weniger Berge besitzt." Und an einer anderen Stelle erklärt er mit Nachdruck, der Schöpfer sei ,,ein Gott sowohl der Berge als auch der Täler und nirgends gegenwärtiger als in den Bergen Cumberlands." Die Religion der Formeln und Institutionen kämpfte im achtzehnten Jahrhundert ein Rückzugsgefecht. Man war „sich einig darüber", schrieb Bischof Butler, ,,daß das Christentum zum Hauptgegenstand der Heiterkeit und des Spotts gemacht werde", aber der Mensch kann sich nicht lange mit Negationen begnügen. Die unvermeidliche Reaktion gegen den nüchternen Anglikanismus des Jahrhunderts kleidete sich in die Form des Methodismus und später der Oxford-Bewegung. Die nicht minder unvermeidliche Reaktion gegen den Skeptizismus fand ihren Ausdruck in der pantheistischen oder besser panentheistischen Naturverehrung, deren vornehmster Exponent Wordsworth war. Diese verschiedenartigen Reaktionen standen sämtlich in Zusammenhang mit der neuen Haltung zur Gebirgslandschaft. Die Wiedererweckung der Gotik, die Entdeckung der Bergschönheit und die Oxford-Bewegung waren nichts anderes als verschiedene Aspekte ein und derselben romantischen Bewegung.

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(Photo Dr. R. Legler f i


DIE SCHWEIZ I M WINTER J70n G. R. de Beer, Londori. M i t freundlicher Genehmigung des Verfassers und des Verlages Penguiri Books, London, ist dieses k a p i t e l dem Schriftleitung. soeben erschienenen Ruch E S C A P E T 0 SW I T Z E R L A N D als Übersetzung entnommen.

Die Entwicklung der Wintersporte in der Schweiz ist ausführlich behandelt in den Büchern von Arnold Lunn und von dem verstorbenen Mr. Lockett; und dem, was sie uns so gut erzählen, ist nur wenig hinzuzufügen. Die Entdeckung der Alpen im Winter aber ist viel älteren Datums und ist unserer Beachtung wohl wert. Nicht nur weil sie zur Entwicklung des Wintersportes führte, sondern vor allem weil die Erkenntnis der Schönheiten der winterlichen Alpen eine Erweiterung und Bereicherung der menschlichen Erfahrung ist, die nicht weniger wichtig ist als die Würdigung der Reize der Berglandschaft im Sommer. Ließ doch noch im Jahre 1680 die Lage Genfs Lord Drumlanrig schreiben: ,,Zu große Nähe der Alpen macht Genf zu einer besseren Stadt im Sommer als im Winter." Der Wunsch, die Alpen im Winter zu sehen, entspringt einem (oder mehreren) von vier Faktoren: Neugierde, Wissensdurst, Gesundheit und Bergsteigen. Zuerst einmal kommt die Neugierde; denn um das Jahr 1750 besucht Gabriel Walser Davos zu einer Zeit, da die Lawinen so schlimm waren, daß der Landammann von Davos selbst von einer erfaßt und verschüttet wurde. Glücklicherweise trug er seine rote Amtskleidung, und ein Zipfel seines Rockes schaute aus dem Schnee heraus; das wurde seine Rettung. Also ein netter Vorläufer unserer Praktik, beim Skilaufen eine rote Schnur hinter sich herzuziehen. Die Wissenschaft tritt in Erscheinung mit Saussures Reise nach Chamonix im März 1764; ihr Zweck war das Studium der Gletscher. Seine Kommentare sind interessant. Über den allgemeinen Eindruck, den der Ort machte, sagt er: „Der Anblick ist mehr überraschend als erfreulich. Die Gleichförmigkeit dieser weißen Oberfläche, die ungeheure Räume zwischen den Gipfeln der Berge und den Böden der Täler bedeckt, ist nur unterbrochen von ein paar Felsen, die zu steil sind, um den Schnee zu halten, von farblos-grauen Wäldern und von der Arve, deren gewundener Lauf aussieht wie ein schwarzer Faden über einem Gemälde. Der ganze Anblick hat trotz Sonnenschein in seiner Großartigkeit und seiner blendenden Helle etwas unendlich Trauriges, das an den Tod erinnert. Die Gletscher, die vor einem grünen Hintergrund so sehr dazu beitragen den Reiz der Szenerie zu erhöhen, machen gar keinen Eindruck in dieser weiten weißen Welt, obwohl die Eistürme, deren Seiten nicht bedeckt sind, wie Smaragde glänzen unter der Decke des weißen Neuschnees ihrer Häupter." Neugierde tritt wieder in Erscheinung mit der dänischen Dichterin Friederike Brun, die im Frühjahr 1791 nach Chamonix kam. Der Schnee war zu tief für sie, um Montenvers zu erreichen, aber sie besuchte wenigstens le Chapeau; ihr Ausflug nach Chamonix ist vor allem erinnerungswert durch ihre Ode ,,Sonnenaufgang im Tale von Chamonix", die sie Klopstock widmete - übrigens ein Thema, das später von Coleridge aufgegriffen wurde. Früh im Jahre 1826 war es wiederum Neugierde, die John Carne trieb, einmal zu erkunden, wie Lauterbrunnen aussehen möchte. „Nur mit großer Mühe konnten die Maultiere vorankommen. Die Bemerkungen der Einheimischen, die aus ihren dunklen Holzhäusern herausschauten, über die Neugierde der Engländer waren sehr amüsant. Es gab Augenblicke, da wir nicht anders konnten als sie um die Sicherheit ihrer warmen Dächer zu beneiden - die wir tatsächlich mehr denn einmal zu unserem Schutze aufsuchen mußten. Als wir aber weiter vorankamen wurde die Szenerie ganz einzigartig; das Tal war außerordentlich eng und beinahe mit Schnee verstopft; die Kronen großer Bäume ragten hie und da aus ihren weißen


Totenlaken; zerrissene Felswände erhoben sich viele tausend Fuß über unsere Häupter, und jeder Punkt und jede Felsrippe war deutlich sichtbar, so groß war die außerordentliche Klarheit der Atmosphäre. Jegliches Leben und jede Lebenswärme war erstorben. Der Weiler Lauterbrunnen war halb im Schnee begraben; nur ein Teil des Daches und der Schornstein des Wirtshauses waren sichtbar und schienen den vorbeiziehenden Reisenden zu verspotten. Gerne wären wir bis zum Schmadribach vorgedrungen, aber dies erwies sich als unmöglich." Die Wissenschaft tritt uns dann 1832 wieder entgegen mit Joseph Hugi aus Solothurn, einem Pionier der Gletscherforschung; seineBeobachtungenüber die Größe des Gletscher - Eiskornes werden noch heute als sehr bemerkenswert anerkannt. E r war der erste Reisende, der Grindelwald im Winter besuchte, wo er sogar das Faulhorn bestieg. Mit L. H. Mayr kommen wir schließlich im Jahre 1834 zu einem Wintergast von St. Moritz aus Gesundheitsrücksichten. E r ging nicht dahin, weil er an einer spezifischen Krankheit litt und eine anerkannte Kur machen sollte, sondern er wählte den Platz wegen des besseren Klimas, als er es am Bodensee hatte, um den Winter ZU verbringen. Seine Reise erregte großeverwunderung. Wissensdurst trieb im März 1841 Agassiz und Desor, ihr Felsloch, das „Hotel des Neuch&telois", am Unteraargletscher zu besuchen. Sie fanden es nur mit großer Mühe, da es ganz im Schnee vergraben war; sie stellten Beobachtungen über die Temperatur des Eises an. Auf der Rückreise hielten sie sich auch in Rosenlaui auf und machten einen Abstecher zum Gletscher. Das Bergsteigen macht sein Winterdebut in



den Alpen mit Charles Hudson im März 1853, als er versuchte von St. Gervais aus einen Weg auf den Montblanc zu finden. Tyndalls Besuch in Chamonix hinwiederum, wo er die Weihnachtstage 1859 verbrachte, hatte einen wissenschaftlichen Hintergrund. E r berichtet, daß ,,Chamonix eine Stadt der Toten" sei. Nichts Lebendes war in den Straßen zu sehen, in den Häusern wäre kein Laut und kein Licht. Ruskins Entdeckung der Schweiz im Winter datiert aus dem Jahre 1861. „Nie noch sah ich etwas so vollkommen und erhaben Göttliches wie die Ruhe eines Wintertages hier. . Nie sah ich etwas ähnliches: nie vorher habe ich gewußt, was der Winter bedeutet oder wozu er gut ist . . Ich bin zur Überzeugung gekommen, daß auch das Schönste, was man im Sommer sehen kann, sich nicht vergleichen läßt mit der Winterlandschaft der Alpen . Dies war die Verkündigung und hohe Botschaft des Winters. Im Januar 1862 war T. S. Kennedy der erste Wintergast, der nach Zermatt kam. Seine Absicht war die Besteigung des Matterhorns über den Hörnligrat. „Das Dorf lag in äußerster Verlassenheit . Kein Mensch in den Straßen, kaum ein Licht in den Häusern, und die beiden Gasthöfe waren geschlossen und verlassen." Sein Versuch auf das Matterhorn endete erfolglos. Aber im Jahre 1866 gelang die erste Winter-Hochtour: A. W. Moore überschritt das Finsteraarjoch und den Strahlegg-Paß. Mit Walter M. Moore kommen wir sodann 1867 zu einem weiteren Besucher des Engadins „aus Freude an der Sache". ,,Ich glaube, ich darf den Anspruch erheben, der erste englische Reisende zu sein, der je einen Winter im Engadin verlebte. Ich sage: Der erste ,ReisendeL; denn vor mir war schon ein anderer Engländer im Winter hier (Mr. Strettell) ;da er sich aber in St. Moritz ein Haus baute und ständig dort lebte, so betrachte ich ihn mehr als Einheimischen, denn als Reisenden." Aber offenbar hatte schon so etwas wie eine Wintersaison in St. Moritz und Pontresina eingesetzt, denn Moore erzählt auch von ,,Schlittenpartien und Tan~veranstaltun~en", die er mit Vergnügen mitgemacht hätte. Im selben Jahr (1867) besuchte der britische Gesandte in der Schweiz, Sir Horace Rumbold, Grindelwald. „Der Anblick des Landes rings um Bern im Kleide des Winters war überraschend schön. Dies veranlaßte uns zu dem Plan einer Art arktischen Reise in das Herz des Oberlandes, ein Unternehmen, das meines Wissens bis jetzt noch nie gewagt wurde. Da die Gasthäuser in Interlaken und den anderen Plätzen, die wir sehen wollten, um diese Jahreszeit geschlossen waren, mußten wir unseren beabsichtigten Besuch vorher ankündigen . . . Ich glaube, daß unsere kleine Gesellschaft von sich behaupten darf, daß sie aus den ersten Entdeckungsreisenden bestand, die diese höheren Regionen zu einer so ungewöhnlichen Jahreszeit erforschten." Darin allerdings täuscht sich seine Exzellenz ! Aber er beweist wenigstens, daß die große Allgemeinheit noch einen sehr weiten Weg zu gehen hatte bis zur Entdeckung der winterlichen Alpen. I m Februar 1865 ka'men die beiden ersten Lungenkranken nach Davos. Und der Ort erhielt seinen ersten englischen Wintergast 1E69 mit Arthur William Waters. Ich bedaure es ganz außerordentlich, daß ich nichts wußte von seiner frühen und interessanten Verbindung mit Davos, als ich im Jahre 1924 in Bournemouth einen Vortrag hielt und Mr. Waters mich liebenswürdigerweise einlud, bei ihm zu wohnen. Wie Mr. Waters einmal zu meinem verstorbenen Freunde Mr. Lockett sagte: „Als der Winter vor der Türe stand, wurde entschieden, daß ich in Davos bleiben sollte, obwohl einige meiner Freunde dies für ein törichtes und fast sündhaftes Experiment hielten. Denn ich war der erste Engländer, der einen Versuch machte mit dem Winter in Davos." Das Experiment erwies sich als keineswegs sündhaft-gefährlich; denn Mr. Waters war ein gesunder und lebensfreudiger alter Mann, als ich ihn 1924 kennen lernte, und er starb erst 1929. Im Winter 1869,'70 gab es bereits sechzehn Gäste in St. Moritz und sieben in Samaden; sie vertrieben sich die Zeit mit Schlittschuhlaufen und Rodeln. Coolidges erste Wintersaison fiel in den Januar 1874, in dem er von Chamonix nach Lauter-

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brunnen kam; er ging weiter über die Kleine Scheidegg nach Grindelwaldund bestieg Wetterhorn und Jungfrau. Über die Alpen im Winter weiß er vor allen Dingen zu erzählen von der Schwierigkeit, heißes Wasser zu bekommen, um Tee zu bereiten. Im Jahre 1876 machte Leslie Stephen die erste seiner vielen Winter-Expeditionen. Im Januar besuchte er Grindelwald, Lauterbrunnen und den Grimselpaß; er machte auch einen Versuch den Galenstock zu besteigen. Auffallend ist der Unterton von Traurigkeit, der in seinen Berichten mitschwingt - wie übrigens bei Saussure auch. Zum Beispiel: ,,Wenn die Sonne untergeht, beginnen die Lichter zitternd über den Schnee zu leuchten aus den weit zerstreuten Bauernhäusern, die unter ihrer Schneedecke noch malerischer sind als sonst. Ich könnte nicht sagen warum dem so ist -aber es liegt etwas Pathetisches in diesen bescheidenen Lichtern, die die Schneewüste erhellen und die von einer Anzahl kleiner und isolierter Lebenskreise zeugen." Aber an einer anderen Stelle beantwortet Stephen selbst seine Frage nach der Ursache dieser Traurigkeit. ,,Außer der Saison hat jeder Platz für mich einen gewissen Reiz durch die Suggestion einer traumerfüllten Indolenz. Aber die Melancholie der alpinen Szenerie vertieft sich zeitweise zum Pathos und zu einem leidenschaftlichen Bedauern." Der Schlüssel zu dem ganzen Problem liegt eben darin, daß die Alpen im Winter ,,außer SaisonGL waren - mit allem, was dies an Weltverlassenheit in sich schließt. Diese Erkenntnis macht uns zwei Sachen klar: Einmal, wie recht Leslie Stephen hatte, als er schrieb : ,,Landschaften, auch die wildesten, die wirklich erfreulich sind, bekommen wohl die Hälfte ihres Charmes durch das mehr oder weniger unbewußte Gefühl von menschlichem Leben und sozialen Bindungen, die über sie gebreitet sind. Ein nackter Steinbrocken ist häßlich, bis er von Flechten überzogen ist; und die Alpen wären unerträglich ernst und lastend ohne das malerische Leben in ihren Tälern." Und zum andern handelt es sich um das, was die Alpen gewonnen haben dadurch, daß sie eine Wintersaison bekamen - und die verdanken sie der Hauptsache nach den Wintersporten. Und wiederum ist es Stephen, der half den Weg zu weisen, als er sagte: ,,Und hätte ich die Feder eines Ruskin, es wäre mir unmöglich, die zarte melancholische und doch begeisternde Herrlichkeit der Alpen im Januar verständlich zu machen.'& Aber noch war es lange nicht so weit! Im Jahre 1879 brachte eine Zeitung in Interlaken die Notiz, daß Stephen einen Besuch der Grimsel im Januar plane. „The Times" griff dies auf und veröffentlichte die kleine Nachricht. Was zur Folge hatte, daß Stephens Familie ihm telegraphierte und ihn beschwor, ,,die gefährliche Besteigung der Grimsel doch ja nicht zu versuchen".

Ascona «inferno!» (Photo Hans Gabriel)


Rotenboden ob Zermatt, Lyskamm (Photo E. G,vger)

Inzwischen hatte sich John Addington Symonds in Davos niedergelassen, und Robert Louis Stevenson verbrachte dort die Winter 1880 und 1881. I m Januar 1888 fand Coolidge bereits eine große Kolonie englischer Gäste in Grindelwald vor; und in den folgenden Jahren hielten Ski und Bobsleigh ihren Einzug in Davos, Grindelwald und St. Moritz. Und dann kam - im Jahre 1892 - Sir Henry Lunn im Januar nach Grindelwald und war derart von den Möglichkeiten der Alpen als ,,Winterspielplatz" beeindruckt, daß er den „Public Schools Alpine Sports Club" gründete, der mehr als alles andere dazu beigetragen hat den winterlichen Alpen ihre Saison zu verschaffen. Ich schließe diese kleine Arbeit ab mit einigen wenigen Zitaten aus Schriftstellern. die alle ein und dasselbe beschreiben: den Schneefall im Winter. Die beiden ersten stammen von John Addington Symonds, und für Anschaulichkeit der Beschreibung sind sie, wie ich meine, kaum zu überbieten. „Der Wind hat sich gelegt. Und jetzt beginnen die Schneeflocken laqlos und zunächst noch spärlich durch die leblose Luft zu schweben. Die Landschaft der weiteren Ferne ist schon ganz ausgelöscht. Nach Sonnenuntergang haben sich dann die Wolken auf den Bergen niedergelassen und der Schnee senkt sich herab zu einem dicken, undurchdringlichen Laken.. Am nächsten Morgen liegen anderthalb Fuß feinkörnigen, pulvrigen Schnees - und immer noch fällt Schnee. Seltsam wirkt der Anblick der Bauernhäuser durch diese halbfeste, weiße Luft. Dabei ist diese Luft trocken und ganz eigenartig beruhigend. Die Tannen tragen schwer an

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Monte Rosa (Photo R. IIIopfen~t&z)

ihrer deckenden Bürde; ab und zu schüttelt sich eine schweigend und ihre Last fällt als weiße Wolke zu Boden; ein grünschwarzer Fleck am Berghang erscheint. Ununterbrochen fällt der Schnee - und bald ist alles wieder weiß."

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,,Der Schnee fällt lautlos, ohne daß man es sieht. Man weiß nur, daß er fällt, weil die Augen blinzeln wenn die Flocken sich auf die Lider legen und schmelzen. Rötlicher Schein kommt aus den Fenstern der Häuser und die Lichter der Laternen verspäteter Wanderer ziehen durch den dunklen Raum zwischen den Gehöften. Und doch ist die Nacht alles andere als dunkel. Die Wälder und die Bergwand jenseits des Tales sind weich und verschwommen grade noch sichtbar durch einen perlfarbenen Nebel. Unser Pfad ist reinstes, von keiner Spur gestörtes Weiß - beinahe blendend, obschon kein Licht ihn erhellt. Das mag Dante gefühlt und erlebt haben, als er das Mondland erreichte:

Pareva a me, che nube ne coprisse Lucida, spessa, solida e p d i t a .

Wir gehen schweigend, mit unhörbaren Schritten - langsam, denn der Schnee ist tief und


reicht bis über die Knöchel, und wir sinnen darüber nach, wie es wohl wäre, wenn es immer so bliebe.'' Sodann ein paar Zeilen von Maarten Maartens: „Und abermals ein schwerer, stiller Schneefall. Der Februar meint es nicht gut mit uns. Ihr

Der erste Schnee. Dauos, Graubünden (Photo E. Meerkiimpar)


könnt euch schwer vorstellen, welche Einsamkeit dies bedeutet. Tagein, tagaus, vom frühen Morgen bis zum späten Abend umschließt uns die dicke, weiße Wolke von allen Seiten und legt sich fast fühlbar gegen die Scheiben. Weich und pausenlos fällt aus ihrer Undurchdringlichkeit unendlicher Schnee. Im Hause herrscht Stille und Schweigen, nur gelegentlich von einem leisen Knacken unterbrochen . ." Wer je die Ruhe seines eigenen Hauses während eines langen Schneefalls in den Alpen erlebt hat, wird diese Zeilen nachfühlen können. Für Kranke ist diese erzwungene Einsamkeit, ist diese Welt weißer Leichentücher, die so sehr an den Tod gemahnen, und ohne den Ausgleich durch den Gebrauch, den man später von diesem Schnee machen kann, oft schwer zu ertragen. Hören wir darüber Katherine Mansfield : ,,Dichter, dichter als je fällt der Schnee. Man kann nur schauen, nur schauen, sich fragen, wie viel schon gefallen und wie viel wohl noch fallen wird - und immer wieder verzweifelt schauen." Oder D. H. Lawrence: „Schon wieder fällt Schnee - in trockenen, zerbrechlichen Flocken. Ich muß sagen, ich liebe dies nicht. Ich bin kein Schneehuhn! Ich hasse dieses nackte, an Leichentücher erinnernde Weiß - ich hasse dieses Nur-weiß-und-schwarz. Es beleidigt den Maler in mir - es ist so trostlos einförmig; nur ganz gelegentlich eine schöne Linie und ein blaßblauer Schimmer. Es steht wider das Leben." Aber auch Kranke können dieser Depression Herr werden. Robert Louis Stevenson war durchaus nicht glücklich während seiner Winter in der Schweiz; aber das hindert nicht, daß er die Herrlichkeit eines schönen Wintertages genießen kann: ,,Wolken, schwarz wie Tinte, überziehen den Himmel, und der Wind kommt in wilden Stößen. Tagein, tagaus treiben die Nebel über uns weg und die Flocken fallen in blendenden Schauern. Jeden Morgen kommt die Post später über die Paßhöhe. Die Menschen starren zu ihren Fenstern hinaus und können kein anderes Ende sehen als den vollständigen Abschluß von Europa und den Tod durch langsames Verhungern -jeder in seiner eigenen Behausung. Wenn dann schließlich der Schneesturm abzieht und die Sonne sich wieder zeigt - was für eine Welt reinsten Schnees ! Ein Schnee, glänzend wie ein Pelz, leuchtend wie das Tageslicht selbst, ein Entzücken für grabende Hunde und eine Freude für die Seele des Menschen."

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M E I N ERSTES PAAR S K I

Dr. Her~r-yHoek, S A S .

Es ist nun einmal so : Jede Weiterentwicklung von Technik, Verkehr und Sport bringt neue Erlebnisse, neue Erregungen, neue Freuden und ein neues Glück. Sie raubt uns aber dafür einen Teil des alten. Die Glückssumme im ganzen wird dabei zweifellos gesteigert - die des Einzelindividuums wird so ziemlich gleich bleiben. Wenn dieser Einzelne wenigstens nicht grundsätzlich aus pessimistischer Veranlagung alles Neue grundsätzlich ablehnt. Es ist fast wie im Leben des Menschen auch: Seine Entwicklung vcm Kind zum Manne und zum Greis bringt stets neue und andere Freuden und Sensationen und läßt die alten zur Erinnerung verblassen; immer vorausgesetzt, daß man sich dem Flusse der Jahre anzupassen versteht und nicht versucht, krampfhaft gegen den Strom des Lebens zu schwimmen. Abfahrten von achtzig bis hundert Kilometer Stunden-Geschwindigkeit, Sechzig-MeterSprünge und aneinandergereihte Temposchwünge am Steilhang sind gewiß sehr aufregend und ein prachtvolles Erlebnis . . . eine ganz große Freude. Aber ich bezweifle, daß sie mehr Glück uns geben und mehr Erregung als vor fünfzig Jahren die erste Hundert-Meter-Abfahrt, der erste geglückte Telemarkschwung in der Ebene am Fuße des Hanges und der erste gestandene Zehn-Meter-Sprung. Dies gilt für den Skiläufer selbst so gut wie für den sensationshungrigen Zuschauer. Und nun gar das erste Paar Ski! Was ist heute schon dabei? Vielleicht liegt es unter dem Weihnachtsbaum - und man hat sich nicht weiter darum zu kümmern gebraucht, als daß es auf den Wunschzettel geschrieben wurde. Gewiß macht es Freude - aber es ist kein Grund für monatelange Erwartung und Aufregung und ist kein atemraubendes Glück, wenn es da ist. Oder man kauft es im Laden, mit allen Schikanen, mit Tempobelag und Stahlkanten und Oberkanten-Schutz und Diagonalzugbindung und sucht es unter ein paar hundert aus. Es hat nicht den ungeheuren Wert der Seltenheit und des Unbekannten und Abenteuerlichen. Natürlich freut man sich über die schönen und teuren Ski - aber sie sind nichts Außergewöhnliches. Man kauft sie wie eine andere Ware, die überall zu haben ist und unter der nur zu wählen ist - man bezahlt sie, und damit basta. Nein, da war mein erstes Paar Ski denn doch etwas ganz, ganz anderes! Mein erstes P a a r ? Eigentlich ,,unser Paar". Denn sie waren Gemeinschaftsbesitz und gehörten meinem Freunde Ernst Schottelius und mir zusammen. Wie wir zu diesen Ski kamen und was aus ihnen wurde, das will ich im folgenden erzählen. Damit aber die Erzählung verständlich sei und nicht allzu märchenhaft klinge, muß ich zuerst ein wenig weiter ausholen, muß Zeit und Milieu schildern. Zunächst einmal die Zeit. Man schrieb 1890. Das liest sich so leichthin. Aber überlegen wir einmal, was diese Zahl bedeutet. Sie bedeutet, daß es noch kein allgemein gebrauchtes Telephon gab, kein elektrisches Licht und keine WC., die Anspruch auf ihr W machten. Die Amateurphotographie steckte noch in ihren ersten Kinderschuhen, das Automobil war eine Zukunftsidee einiger Techniker, Grammophon und Radio waren unbekannt, das Unterseeboot eine Phantasie der Dichter und das Flugzeug Hirngespinst einiger Narren. Und die letzten unteilbaren Einheiten der Materie waren die Atome, deren es erst etwa 70 verschiedene gab. Atomenergie und Atombombe waren ein nicht einmal von einem Verrückten denkbares Glück . . Und nun das Milieu. Wir lebten in Freiburg im Breisgau, wohin mein Vater aus Holland her gezogen war, weil er und mein Bruder dort allzusehr unter Asthma litten. Freiburg war

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eine gut badische und gut katholische Kleinstadt mit leicht preußischem Einschlag und wilhelminischen Allüren. Die Stadt war zwar klein - aber ihr humanistisches Gymnasium war groß. Es spie jedes Jahr a n die neunzig Abiturienten aus, die zum allergrößten Teil einem katholischen Internatseminar entstammten und Priester werden sollten. Also eine sehr geordnete, sehr unfreie, sehr katholische und sehr muffige Welt. Wir arbeiteten stramm und unter strenger Aufsicht, und wir lernten viel. . . Noch heute kann ich den Anfang der Odyssee zitieren. Freilich, für die physische Ausbildung war auch gesorgt: es gab in der Woche eine Turnstunde (in der nach militärischem Muster im staubigen Schulhof Marschieren und Stechschritt geübt wurde) und alljährlich einen „Klassenspaziergang" (welcher horror!). Freund Ernst und mir genügte dies nun als körperliche Betätigung nicht. Aber was hatten wir an Möglichkeiten anderer A r t ? Leichtathletik, Tennis, Fußball waren unbekannt, ganz zu schweigen von Golf. Und außerdem - falls es so etwas gegeben hätte - würde es die Schule und der Geistliche Herr (ob nun katholisch oder reformiert) ganz gewiß verboten haben. In1 Sommer gingen wir gelegentlich ,,schwimmenu, in einem, von einem hohen Bretterzaun umgebenen Zementbassin von einigen 12 auf 20 Metern, worin eine höchst fragwürdige Flüssigkeit stagnierte, die Wasser sein sollte; ein Vergnügen war das nicht, und die Schule sah es auch nicht gerne. I m Winter gab es ab und zu die Möglichkeit, Schlittschuh zu laufen auf einer Wiese draußen vor der Stadt - wenn diese gerade überschwemmt war, und wenn es gefror, bevor sich das Wasser wieder verlaufen hatte. Dagegen hatte man von oben seltsamerweise einmal nichts einzuwenden. Das Wort „Sport'' hatten wir nie gehört noch gelesen (es gab keinen englischen Unterricht) ;und - dies nebenbei - auch „Flirtu war ein unbekanntes Wort, wenn auch keineswegs eine unbekannte Sache, die mit dem weniger hübschen Ausdruck ,,Poussage" belegt war. Eine finstere Zeit und finstere Verhältnisse, wird der Leser sagen. Es war nicht ganz so schlimm. Wir beide hatten einen prachtvollen Ersatz gefunden in langen Bergwanderungen - nicht etwa Spaziergänge, sondern richtige und tüchtige Fahrten auf die höhern Schwarzwaldgipfel. Waren diese auch keineswegs irgendwie alpin, so waren diese Berge doch steil und anstrengend genug für uns. Und die Landschaft des Schwarzwaldabfalles gegen die Ebene des obern Rheintales ist herrlich schön. Diese langen Bergwanderungen waren nun unsere Freude im Sommer. Aber im Winter, wenn viel Schnee in den Bergen lag, dann waren wir schlecht dran und mußten brav zu Hause bleiben. Da fiel uns Ende 1890 Nansens Bericht über seine „Durchquerung Grönlands auf Schneeschuhen" in die Hände. Wir verschlangen das Buch. Ja - wenn dieser Nansen den ungeheuren Schnee Grönlands mit diesen „Schneeschuhen" überwinden konnte, dann sollten solche Schneeschuhe auch uns wohl zu harmlosen Schwarzwald-Fahrten taugen. Aber woher Schneeschuhe bekommen ? Bei Nansen lasen wir, der Schneeschuhlauf sei in Norwegen eine nationale Gewohnheit und in vielen Gebirg~~egenden ein Volksvergnügen. Also mußte man in Norwegen wohl auch solche Dinger kaufen können. Nach tagelanger Beratung und Ueberwindung von allerlei Hemmungen setzten wir beiden jungen Burschen uns hin und schrieben einen langen Brief an die norwegische Gesandtschaft in Berlin und baten, man möchte uns Schneeschuhe besorgen! Und siehe da, nach vierzehn Tagen kam ein Brief auf schönsteni, ganz dickem Papier: Die königliche Gesandtschaft bedauert, kein Verkaufsladen zu sein und könnte uns keine Schneeschuhe (in Klammer dahinter „Ski") besorgen, wir möchten uns doch mal an das norwegische Konsulat in Hamburg wenden. Das taten wir. Und nach einigen vierzehn Tagen kam ein bedeutend weniger vornehmer Brief (aber in besserem Deutsch!): Das königlich norwegische Konsulat könne uns keine Ski (das Wort hatte uns imponiert, und wir hatten um ,,Skiu gebeten) besorgen, wir sollten uns doch einmal an die Handelskammer in Kristiania wenden. Das taten wir. Und nach mehr als einem Monat (wir hofften schon gar



nicht mehr auf eine Antwort) kam ein Brief, in ganz schlechtem Deutsch. Die Handelskammer würde keine Ski und auch sonst nichts verkaufen. Aber es gäbe ja Geschäfte in Kristiania. Da wären zum Beispiel die Herren Hansen, Paulsen, Nilsen und Erikson. Sie alle wohnten in irgend einer ,,GadeU -was wohl, wie wir annahmen, Straße hieße. Wir ließen das Los entscheiden und schrieben an Herrn Hansen und fragten, ob er uns ein Paar Ski verkaufen wollte und zu welchem Preis. Wie wir zu zweit mit einem Paar Touren unternehmen sollten, denn das war doch unsere Absicht, das kümmerte uns zunächst nicht. Sehr bald schon kam die Antwort: Herr Hansen wollte so nett sein uns ein Paar Ski zu verkaufen, und die sollten 20 Mark kosten (eine ganze ,,Stangeu Geld, wie damals der Schuljargon lautete, für uns beide), und Fracht und Zoll hätten wir in Freiburg zu bezahlen. Wir schickten das Geld und bestellten ganz simpel ,,ein Paar Skibb,ohne weitere Angaben. Dann warteten wir der kommenden Dinge. Der Frühling 1891 verging und der Sommer auch. Schon glaubten wir uns betrogen. Da wurde uns im Oktober mitgeteilt, es läge ein Frachtgutstück aus Norwegen für uns auf dem Zollamt, und wir möchten es abholen kommen. In großer Aufregung rannten wir mit dem Frachtbrief an die Bahn. Das Paket sah unheimlich groß aus, und sein Inhalt war deklariert als „Skib'. Kein Beamter wußte, was das nun wäre. Wir sagten, es seien ,,Schneeschuhe'"und wir sollten einen erschreckenden Zoll für ,,Schuhwarenb'bezahlen. Nach langem Hin und Her und nachdem auch der Herr Zolldirektor diese Ski mißtrauisch besehen hatte fiel der Entscheid, dies seien ,,lackierte Bretter". Und da betrug der Zoll nur ein paar Pfennige Vom Spediteur ließen wir sie in die Wohnung meines Freundes bringen. Denn ein Schüler des Gymnasiums mit roter Klassenmütze konnte ein solches Paket nicht durch die Stadt tragen Ausgeschlossen! Auf der Bude meines Freundes wurde der neue, so heiß ersehnte Besitz dann abends mit Herzklopfen sorgsam und genießerisch ausgepackt. Und wir stellten mit einem leichten Erstaunen und einem ziemlichen Schrecken fest, daß diese Ski mehr als zwei Meter lang waren. Das hätten wir ja nun natürlich wissen können; aber wenn man so etwas liest und später die mehr als zwei Meter Holz vor sich hat, so ist das eben sehr zweierlei. In der Mitte dieser langen Holzlatten saß die ,,BindungG: ein breiter, schwerer Lederriemen, der durch ein Querloch im Holz ging und oben vernietet war, sodaß ein Bügel entstand für den Vorderfuß. Rechts und links, wie ein paar Ohren, trug dieser Bügel kleine Oesen, und durch die war ein mit Leder umnähtes Stück Meerrohr geschoben, dessen freie Enden vor dem Zehenbügel auf dem Ski festgeschraubt waren. So entstand hinten ein länglicher, großer, zweiter Bügel, der offenbar über den Absatz gehen sollte. Diese Bindung nun war für Erwachsene berechnet und war für uns viel zu groß. Wir wußten nicht, daß dieser Rohrbügel den Absatz umspannen mußte und festgebunden wurde - wir waren ganz zufrieden, daß er bis Mitte der Wade sich hinaufziehen ließ. Der eine Ski war in der Mitte unter dem Fuß gewölbt, der andere war ganz flach - warum sie verschieden waren, darüber zerbrachen wir uns vergeblich den Kopf. Denn wir dachten, dies müßte so sein, und kamen gar nicht auf die Idee, daß Herr Hansen uns einen Dreck geschickt hatte, den er in Norwegen nicht verkaufen konnte. Freund Ernst, der ein bißchen schreinerte und etwas von Holz verstand, stellte fest, daß die Ski aus Birkenholz hergestellt waren. Das fanden wir sehr vornehm. Die Schneeschuhe also hatten wir - nach fast einem Jahr Schreiben und Warten und Vorfreude. Was nun damit anfangen ? Diese Frage wird jeder dahin beantworten, daß man eben damit ,,laufena geht, sobald Schnee gefallen ist. Eine ganz selbstverständliche Antwort ebenso selbstverständlich wie falsch! Das war ganz unmöglich; so unmöglich, wie am Sonntagmittag im Nachthemd über die Kaiserstraße ,,auf den Bummel" zu gehen. Schon der bare Gedanke, mit diesen mehr als zwei Meter langen unbekannten Dingern sich zu zeigen, geschweige denn zu versuchen vor Zuschauern darauf herumzurutschen, ließ uns den kalten Angstschweiß ausbrechen. Man denke: in einer deutsch-wilhelminischen Kleinstadt, wo alles geordnet und geregelt ist, und wo jeder genau weiß, wie er sich zu verhalten hat, da sollten

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Bild gegenüber : Jungfrau von Wasenegg-Mürren (Photo Ernst Feuz)


zwei Schüler des katholischen Gymnasiums etwas derartig Unerhörtes sich erlauben ? Dazu noch wenn der eine ein Ausländer ist . unmöglich, ganz unmöglich. Nein - wir hatten keineswegs damit gerechnet, daß diese Schnee,,schuheb'derartige Ungetüme wären und derartig auffallend. Zuerst waren wir sehr geknickt. Dann begannen wir zu beraten und zu überlegen. Und wir fanden eine prächtige Lösung. Eine gute Stunde draußen vor der Stadt kannten wir einen Bauernhof auf einem sanften Hügel am Fluß. Dieser Hügel schien uns wie gemacht für die ersten Versuche. Und in einer stockdunklen Nacht trugen wir unsere Ski hinaus zu dem Hof und versteckten sie hinter einem großen Holzstoß an der hintern Stallwand. Dann warteten wir auf Schnee. Aber am nächsten Sonntag schneite es nicht, sondern regnete; drei Wochen lang war nasses Sudelwetter. Dann aber kam Frost nach einem tüchtigen Schneefall von einigen 20 Zentimeter und ein strahlender kalter Samstag, der einen prächtigen Sonntag verhieß. Nach dem obligatorischen Kirchgang waren wir um elf Uhr schon draußen. Wir hatten fast die ganze Strecke im Laufschritt zurückgelegt. Unsere Erwartungen waren sehr hoch gespannt . . Die Ski waren tatsächlich noch da - aber sie lagen unter der Dachtraufe ! Und fast drei Wochen lang waren sie mehr oder weniger im Wasser gelegen. Sie hatten sich erheblich verzogen, und der eine hatte beinahe keine Spitzenaufbiegung mehr. Nun das störte uns nicht allzusehr; ein kleiner Schönheitsfehler aber sonst ganz ohne Bedeutung. Und noch einmal losten wir. Und das Los entschied, daß Ernst zuerst einmal mit den Schneeschuhen bergauf gehen sollte, und daß ich die erste ,,Abfahrtbczurück zum Stall machen durfte. Wie gesagt: es lagen 20 cm Schnee auf hartgefrorenem Boden, schöner, führiger Pulverschnee. Ernst schob die Füße in die breiten Lederschlaufen und zog die Meerrohrbügel möglichst hoch die Wade hinauf. Dann lief er los - und rutschte bei jedem Schritt auch wieder einen Schritt zurück. E r mußte in ganz flachen Zickzacklinien steigen - und das war bei jeder R i c h t ~ n g s ä n d e r u nsehr ~ zeitraubend. Einen Stock hatten wir nicht, von der Spitzkehre hatten wir natürlich nichts gehört - also mußte ich jedesmal Hilfsstellung geben, oder er mußte die Ski ausziehen, in die neue Richtung legen und wieder anziehen. Zu Fuß kam ich zehnmal rascher den kleinen Hügel hinauf als mein Freund auf den Ski. Und wir hatten uns die Ski als Mittel zum Tourenmachen gedacht . . . Aber bald schon siegte der Optimismus. Erstens würden wir es schon lernen, und zweitens ginge es in ganz tiefem Schnee sicherlich viel, viel besser, da wir dann wohl mehr Halt hätten. Und schließlich waren wir von der Technik dieser neuen Bewegung derart mit Beschlag belegt, daß wir gar keine Zeit hatten, uns weitere Gedanken zu machen. Endlich war Ernst mit seinen Ski oben auf dem kleinen Hügel. Wir legten die Ski mit etwa einem halben Meter Abstand schön nebeneinander, die Spitzen in Richtung gegen den Stall. Dann stieg ich in die Bindung und schob die Meerrohrbügel so hoch die Beine hinauf, bis sie hielten. Ernst gab mir seinen Segen und einen leichten Stoß, und die erste Abfahrt begann! Zehn Meter weit ging es herrlich - dann wurde die Geschwindigkeit beängstigend - mindestens fünf Kilometer in der Stunde. Ich bekam es mit der Angst und legte mich nach rückwärts. Die Ski liefen auseinander, ich fiel elend auf den Hintern und die Füße drehten sich, (wie das gar nicht anders sein konnte) aus der ,,Bindungu. Die Schneeschuhe nahmen ihre Fahrt jeder für sich auf. Der eine ging nach rechts, an Stall und Hof vorbei, und machte einen netten Sprung in den Fluß. Wir haben ihn nie wiedergesehen. Der andere ging schnurgerade bergab und rannte gegen die Stallwand. Dort fanden wir ihn mit abgebrochener Spitze . Das war zunächst einmal das unrühmliche Ende unserer Pläne und Hoffnungen und unseres Skilaufs. So endete das erste Paar Ski, das ich sah und besaß . . . I m Laufe von fünf Jahrzehnten habe ich viele Ski gekauft und benützt. Viel Glück habe ich auf ihnen erlebt. Aber Erwerb und Besitz von keinem Paar hat mir auch nur annähernd soviel Freude bereitet und soviel Aufregung verschafft wie dieses armselige erste norwegische Paar.

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Mit ihnen endet auch das erste Kapitel des Buches ,,Mein Skileben" - das ich vielleicht noch schreiben werde.

Natürlich erfuhr niemand etwas von unsern Heldentaten. Wir kamen uns lächerlich vor und hatten Hemmungen. Und unbewußt sind mir diese Hemmungen wohl noch viele Jahre lang geblieben, denn noch nie habe ich von meinem ersten Paar Ski erzählt. Jetzt liegt dies aber alles mehr als ein halbes Jahrhundert zurück. Und ich sehe die beiden halbwüchsigen Jungen und ihr Erlebnis und ihr Glück und ihre Enttäuschung wie ein gänzlich unbeteiligter Zuschauer - und aus weiter, weiter Ferne. Ich sehe auch die Komik ihres Tuns und ihrer Begeisterung - und ich kann herzlich darüber lachen. Aber lächerlich im boshaft-verächtlichen Sinne finde ich die beiden nicht.

Zermatt-Gornergleischer (Photo Gaberell)




WÄHREND

DES KRIEGES

V o n Graf C. G. D. Hamilton, S A S , Schweden. Unser Ehrenmitglied Graf C. G. D. Hamilton hat den nachfolgenden Bericht über die Tätigkeit der F I S während des Krieges abgefaßt. E r übernahm als Vizepräsident der F I S in Abwesenheit des Präsidenten Oberstleutnant Oestgaard, der i n England i m E x i l lebte, die Geschäftsführung. W i r kommen d e m Wunsche Graf Hamiltons, diesen Bericht, der auch i m Schwedischen Skijahrbuch erscheinen wird, i n deutscher Sprache i m ,,Schneehasenu z u veröfentlichen, gerne nach. Arnold Kaech danken wir für die Übertragung aus d e m Schwedischen. Seit der Niederlage des Dritten Reiches haben sich besonders i n Norwegen Stimmen erhoben, es wäre e i n Fehler gewesen, während dem Krieg überhaupt i n Skisachen mit den Nazis z u verkehren. W i r habenpersönlich immer den Standpunkt vertreten, daß es i n Kriegszeiten keine F I S - R e n n e n geben kann. Andererseits sind aber genügend Gründe anzuführen, die es rechtfertigen, daß der Vizepräsident alles unternahm, u m sich die FIS-Leitung von den Nazis nicht entreißen zu lassen. Diese Absicht bestand ohne Zweifel. W i r haben während d ß s Krieges keine F I S Anlässe außerhalb der Schweiz besucht, waren aber a n der F I S - T a g u n g i m Juli 1942 i n Lausanne anwesend als Mitglied des AS.-Komitees auf ausdrücklichen Wunsch des Schweizerischen Skiverbandes. Hier hatten wir Gelegenheit festzustellen, was wir übrigens schon vorher wußten, daß Graf Hamiltons einziges Ziel war, die F I S nicht der Nazidiktatur auszuliefern. E r tat das mit großer Energie, mit Autorität und mit Erfolg. W i r sahen, wie er sich für den polnischen Delegierten Oberst Bobkowski in Lausanne eingesetzt hatte. Natürlich haben wir den Standpunkt des damaligen Reichssportführers von Tschammer und Osten bezüglich Polen nicht decken können, denn nicht nur Deutschland befand sich i m Krieg mit Polen, sondern auch Polen mit Deutschland. A l s auf Anregung deutscher Delegierter i n Lausanne a n von Tschammer und Osten ein Sympathietelegramm abgesandt werden sollte, wurde dies nicht nur von Hamilton abgelehnt, sondern auch in mannhafter Weise vom italienischen Vertreter Graf Bonacossa, der auch unser Ehrenmitglied ist. W i r sind überzeugt davon, daß die Haltung von Graf Hamilton - a n dessen Gesinnung für die gerechte Sache der Alliierten für niemanden auch nur der geringste Zweifel bestehen konnte -- unter den gegebenen Verhältnissen die richtige war, u n d daß sie i m Interesse der F I S unternommen wurde. Die Schriftleitung.

Der letzte internationale Skikongreß vor dem Krieg fand im Februar 1938 in Helsingfors statt. E r stand bereits im Schatten des Krieges. Der Präsident, Oberstleutnant Oestgaard, eröffnete den Kongreß mit der gleichen Warnung, welche sein Vorgänger, General Holmquist aussprach, als er das Amt niederlegte : ,,Laßt uns nicht Politik und Sport vermischen!" Die Mahnung war begründet, wurde aber von gewissen Kreisen allzu wenig befolgt. Sowohl Vorschläge wie Stimmen wurden von mehreren Delegierten eher nach politischen als nach sachlichen Gesichtspunkten abgegeben. Die vom Kongreß gefaßten Beschlüsse wurden zum größten Teil durch den Krieg umgeworfen. Einer der bedeutungsvollsten war, am Beschluß des Kongresses von Garmisch-Partenkirchen im Jahre 1936 festzuhalten. Damals war beschlossen worden, an den Olympischen Spielen nur unter der Voraussetzung teilzunehmen, daß die Wettkampfreglemente und Statuten der F I S für die olympischen Skiwettkämpfe gelten sollten. Das Internationale Olympische Komitee versuchte sofort, diesen Beschluß umzustoßen. Man kann mit Recht behaupten, daß beim Kriegsausbruch die Kontroverse mit dem C I 0 mehr als alles andere einen Einfliiß auf die Tätigkeit des FIS-Präsidiums hatte. Die Lage kann am besten durch folgendes Zitat aus einem vom Präsidenten am 1. September 1939 verfaßten Zirkular an die Vorstandsmitglieder und angeschlossenen Verbände dargestellt werden : ,,Worauf es n u n ankommt ist, zu wissen, ob m a n in der internationalen Sportwelt sich auf getrofene obereinkommen und gegebene Versprechen verlassen k a n n oder nicht. Ich werde mir erlauben, durch drei Beispiele z u verdeutlichen, was ich meine. 1. Das C I 0 beschloJ? bei seinem Zusammentritt in Kairo 1936, daJ? Skiwettbewerbe in keiner Form auf das Programm der Winter-Olympiade 1940 genommen werden sollen. Indem sie sich darauf verlieJ, daJ m a n auf einen so unzweideutigen BeschluJ zählen könne, bestimmte die F I S , 1940 Skiweltmeisterschaften anzuordnen; in gleich guten Treuen iibernahm Norwegen die Organisation dieser Weltmeisterschaften. ( Vorstehendes B i l d : Dr. Ricco Legler

f)


Traverse : Adlerhrn-Strakhrn


N u n hält das C I 0 a n seinem Kairo-Beschluj nicht .fest, indem Mitglieder des Komitees den Versuch unterstützen, trotzdem Skiwettbewerbe auf das Programm für die Winter-Olympiade 1940 zu bekommen. 2. I m März dieses Jahres sandte der höchste deutsche Sportführer sowohl a n die F I S wie a n den Norwegischen Skiverband eine Mitteilung, Deutschland sei sich darüber klar, d a j es i m jetzigen Zeitpunkt z u spät sei, Skiwettkämpfe i n s olympische Programm 1940 aufzunehmen, und er gab i m Zusammenhang damit Bescheid, d a j Deutschland vor dem ordentlichen Skikongrej in Budapest 1940 nichts in der Sache unternehmen werde. N u n begehrt Deutschland, entgegen diesem Bescheid, die Einberufung eines auJerordentlichen Skikongresses, u m Skiwettbewerbe auf das olympische Programm in Garmisch-Partenkirchen aufzunehmen. 3. Das Internationale Olympische Komitee hat, ohne mit der F I S zu konferieren und wohl wissend, daJ deren Leitung gegen ein solches Skiarrangement war, entgegen seinen eigenen Beschlüssen zuerst die Schweiz und sodann Deutschland beordert, ,,Skivorführungen" bei der Winterolympiade durchzuführen. Dies ist eine Prinzipfrage von Interesse für alle internationalen Sportverbände; - - -" Der XVI. Skikongreß der FIS, welcher im Mai 1940 in Budapest hätte stattfinden sollen, kam nie zustande. Nach allem, was in diesem schicksalsschweren Frühling geschehen war, wäre es vielleicht gut gewesen, die ganze internationale Skiarbeit bis zur Beendigung des Krieges ruhen zu lassen. Sicher ist, daß manche der Auffassung waren, dies wäre die einzig richtige Lösung der Frage der Tätigkeit der FIS. Von deren Vorstand befanden sich drei Mitglieder auf der alliierten Seite, nämlich der Präsident, Oberstleutnant Oestgaard, welcher dem norwegischen Kronprinz nach England gefolgt war, Arnold Lunn, ebenfalls in England, und Dr. Lacq im freien Frankreich. Zwei gehörten neutralen Ländern an, Oberst Hamilton, der erste Vizepräsident, Schweden, und Schuler, Schweiz. I n der Schweiz befand sich auch der polnische Vertreter, Oberst Bobkowski. Alle übrigen befanden sich in der ,,Achseb' angeschlossenen oder von Deutschland abhängigen Ländern. Das einzige Land, von dem aus möglicherweise ein Kontakt mit sämtlichen Vorstandsmitgliedern aufrecht erhalten werden konnte, war Schweden. Es schien deshalb ziemlich natürlich, daß der Vizepräsident versuchte, diesen Kontakt aufrecht zu erhalten, was sich in gewissem Maß, wenn auch mit Schwierigkeiten, als möglich erwies. Schwierigkeiten bestanden besonders bezüglich des Generalsekretärs in Oslo, mit welchem eine Verbindung während langer Zeit nur durch reisende Norweger, die mündliche Mitteilungen überbrachten, bestand. Es schien eine Verpflichtung, die Leitung der internationalen Skiarbeit nicht ganz aufhören zu lassen. I m ,,Dritten Reich" legte man großen Wert darauf, der Welt zu beweisen, daß man trotz Krieg Zeit und Kraft für den Sport hatte, der mit unerhörter Intensität und nicht zuletzt im Hinblick auf internationale Wettbewerbe betrieben wurde. I m Sommer 1940 sah es nach Neuordnung in ganz Europa aus. Die Aussicht, den Sport als eine nach politischen Linien geleitete Staatsangelegenheit zu sehen, erschien als schreckende Möglichkeit. Sollte etwas die F I S retten können, so war es die Tatsache, daß die Leitung in einem Land verblieb, welches außerhalb des Krieges stand. Der Vizepräsident beschloß deshalb, die Aufgaben zu übernehmen, welche der Präsident verhindert war zu erfüllen, und unterrichtete hierüber sowohl diesen wie sämtliche Vorstandsmitglieder und angeschlossenen Verbände. Einige der per Post beförderten Briefe kamen als unbestellbar zurück. Der Präsident, welcher eigentlich fand, daß die Maßnahme unnötig sei, sandte trotzdem seinem Stellvertreter eine Vollmacht, welche jedoch erst nach sehr langer Zeit ankam. Es fehlte nicht an Zeichen dafür, daß das ,,Fachamt für Skilauf" des deutschen nationalsozialistischen Reichsverbandes für Leibesübungen (NSRL) Tendenzen hatte, sich in die Leitung der FIS-Arbeiten einzumischen. Es galt deshalb, die Initiative zu behalten. Dies konnte am besten dadurch geschehen, daß den Wünschen der Neutralen und der Achsen-


mächte bezüglich internationaler Skiwettbewerbe Rechnung getragen und daß der Kontakt innerhalb des Vorstandes nicht aufgegeben wurde. Hierdurch sollte auch vermieden werden, daß die Arbeit an Wettkampfregel usw. einen Unterbruch erfuhr. Die ersten größern internationalen Skiwettkämpfe während des Krieges fanden gemäß früher gefaßtem Beschluß im Februar 1941 in Cortina d9Ampezzo statt. Gewiß hatten diejenigen recht, welche es als unrichtig ansahen, diese Wettkämpfe nicht bloß als FIS-Wettkämpfe, sondern sogar als Weltmeisterschaft zu bezeichnen. Wo die halbe Welt an der Teilnahme verhindert ist, können keine Weltmeisterschaften abgehalten werden. Aber dies war eines der formellen Details, in dem man glaubte, nachgeben zu können, um dafür fest zu bleiben, sollten wichtigere Fragen auftauchen. Nach Cortina waren im Zusammenhang mit den Wettbewerben teils der Vorstand, teils Delegierte der angeschlossenen Landesverbände zu einem Zusammentreten am 2. resp. 3. Februar eingeladen worden. Die wichtigste Frage für den Vorstand war, ob der 1940 ausgefallene Budapest-Kongreß zusammengerufen werden sollte oder nicht. Vor allem Deutschland drang hierauf. Nur vier Vorstandsmitglieder waren am Platz, nämlich Arre, Finnland, Bonacossa, Italien, Hamilton, Schweden, und Schmidt, Deutschland. Als Sekretär fungierte Redaktor Oscar Söderlund, Stockholm. Für das geschäftsführende Präsidium war es klar, daß ein Kongreß um jeden Preis vermieden werden müsse. Es sah jedoch ziemlich dunkel aus, da man sicher sein konnte, daß Politik und Sport vermischt werden würden und drei der Vorstandsmitglieder mehr oder weniger der Achse angehörten. Schmidt hatte seine Befehle, das war klar. Arre folgte Deutschland, aber Bonacossa rettete die Situation, indem er gemäß seiner Überzeugung stimmte. Es waren deshalb zwei gegen zwei Stimmen, die Stimme desvorsitzenden war entscheidend, und der Kongreß konnte vermieden werden. Die Stimmabgabe von Bonacossa hat großes Aufsehen erregt. Die Absicht der Deutschen ging ohne Zweifel dahin, die Leitung der F I S an sich zu reißen. Ein hervorragender deutscher Skiexperte meldete nach der Sitzung, daß er vom voraussichtlichen Präsidenten angefragt worden war, ob er Generalsekretär der F I S werden wolle. Das Zusammentreten der Delegierten, welches jeder Befugnis entbehrte, konnte nur dem Austausch von Informationen dienen. Die Teilnehmer bekamen auch Gelegenheit, ihre Wünsche dem Vorstand gegenüber zu äußern und von diesem Aufschlüsse zu erhalten. Der wichtigste Bescheid war natürlich der Beschluß des Vorstandes, den Kongreß während des Krieges nicht einzuberufen. Eine Neuigkeit war das im Interesse der Einigkeit gebrachte Opfer des Finnland-schwedischen Skiverbandes, auf sein Recht als selbständiges Mitglied der F I S zu verzichten. Nachdem der in der Tschechoslowakei bestehende Hauptverband der deutschen Wintersportvereine dem Fachamt für Skilauf des NSRL einverleibt worden war, sah man so den Grundsatz, daß der Skisport eines jeden Landes in der F I S nur durch einen einzigen Verband vertreten sein solle, durchgeführt. I n Cortina strebten die Deutschen offenbar darnach, sich um jeden Preis geltend zu machen, was die Atmosphäre nicht angenehmer machte. Da war z. B. der „Fall Weiler", d. h. die überraschend schlechte Plazierung des hervorragenden deutschen Springers in der großen Sprungkonkurrenz (3. Platz), was Anlaß zu langen Schreibereien und Untersuchungen gab. (Bemerkung der Red.: Der Schweizer Sprungrichter Rubi, welcher nicht die von den Deutschen erwarteten Noten erteilt hatte, wurde persönlich und in der deutschen Presse aufs unflätigste angegriffen.) Ferner sprach man auch über Fälle von nicht gestatteter ,,Hilfeleistung", welche natürlich die Stimmung unter den Aktiven irritierten. Ob diese Sachen nun umorganisiert waren oder nicht, so wiesen sie jedenfalls auf eine beklägliche Fehlauffassung der sportlichen Idee hin. Die gleiche Sache traf nicht nur bezüglich des Sportes, sondern auch bezüglich der Repräsen-


tationen zu. Der erste Vertreter der F I S hätte eines Paares besserer Ellenbogen bedurft, um im gewaltigen Stab des Reichssportführers nicht vollständig unterzutauchen. Die Popularität der Deutschen wurde dadurch kaum gefördert. Eine recht bestimmte proalliierte Stimmung war unverkennbar. Ein hervorragender italienischer Skiführer, dessen Frau, selbst eine gute Skiläuferin, selten bei großen europäischen Skiereignissen zu fehlen pflegte, erklärte ihre Abwesenheit von Cortina damit, daß sie zu Hause sein müsse, um auf die jüngste Tochter aufzupassen. Einer ihrer Verwandten, der dies hörte, flüsterte: ,,E. war sicher, daß sie gegen die Deutschen nicht so höflich sein könnte wie notwendig, und fand, daß es besser sei, wegzubleiben."

Segelflugzeuge über Muot 'oota, Engadin (Photo D r . R. Legler f )

Nachdem der Amerikanische Skiverband Einsicht in das Protokoll der Cortina-Sitzung genommen hatte, beschloß er, aus der F I S auszutreten. Die Veröffentlichung dieses Beschlusses erfolgte gleichzeitig mit einem persönlichen Angriff auf denvizepräsidenten, in dem behauptet wurde, dieser habe im Sinne Deutschlands gehandelt. Gleichzeitig erklärten die Amerikaner, außerhalb der F I S zu bleiben, solange der Vizepräsident etwas mit ihr zu tun habe. Ich konnte nicht unterlassen, bei der Bestätigung des amerikanischen Schreibens mein Bedauern auszudrücken und auf die interessante Tatsache hinzuweisen, daß zwei Personen, welche offenbar die gleichen Wünsche hatten - in diesem Fall, einen dominierenden deutschen Einfluß auf die F I S zu verhindern - so ungleicher Auffassungen über die Mittel waren, die dafür zweckdienlich sind.


Um die Möglichkeit zu bekommen, die Resultate der Erfahrungen der letzten Jahre zu bearbeiten, beschloß der Vorstand, während des Sommers Vorschläge zur Änderung der Wettkampfregeln sowie Äußerungen der Verbandsmitglieder darüber einzufordern und hierauf zusammenzutreten. Auf Einladung des Schwedischen Skiverbandes erfolgte dieser Zusammentritt im August des gleichen Jahres in Stockholm. Eine große Anzahl Änderungsvorschlägc waren eingegangen. Der aufsehenerweckendste kam von Norges Idrettsforbunds Skiavdelning, welche provisorisch den Platz von Norges Skivorbund in der F I S eingenommen hatte. Der Vorschlag ging dahin, alle Iiombinationen bei Skiwettkämpfen sowie die Stilnoten beim Springen zu streichen. Radikal und genau entgegengesetzt den norwegischen Traditionen! Der NSRL kam im übrigen mit den meisten Vorschlägen. Diese gingen meist darauf aus, die Anzahl der zugelassenen Wettkämpfer bei den Weltmeisterschaften zu erhöhen. Gleich wie in den nordischen Disziplinen wollte man 30 Teilnehmer von jedem Verband in Slalom und Abfahrt zulassen. I n der Stafette sollten 3 Mannschaften gestattet sein. I m Sprunglauf wurde ein Beurteilungssystem mit fünf Sprungrichtern, gleich dem schwedischcn, vorgeschlagen. Hinzu kamen weitere Vorschläge zur Änderung der Berechnungsgrundlagen. Zur Sitzung, welche in Stockholm am 16. August stattfand, waren erschienen Bonacossa, Italien, Hamilton, Schweden, Himberg, Finnland, an Stelle des verstorbenen Arre, Martin, Deutschland, früher Österreich, und Schmidt, Deutschland. Der Generalsekretär de RytterKielland, Norwegen, welcher Ausreiseerlaubnis bekommen hatte, wurde in letzter Minute auf dem Flugplatz in Os10 zurückgehalten. Am ersten Teil der Sitzung nahm auch der Ehrenpräsident der FIS, Generalleutnant Holmquist, teil. Als Sekretäre amteten die Herren Oscar Söderlaud und Sigge Bergman. Irgendeine Vollmacht zur Abänderung der Wettkampfregeln hatte der Vorstand nicht, aber man einigte sich darüber, bei den Wettkämpfen des nächsten Jahres in Garmisch-Partenkirchen versuchsw-eise gewisse Änderungen vorzunehmen. Die Beschlüsse gingen im großen und ganzen auf folgendes aus: I n der Stafette sollte jede Nation zwei Mannschaften stellen können. Die Anmeldung sollte nur die Zahl der Mannschaften enthalten, während die Namen der Läufer erst bei der Veröffentlichung der Strecken bekanntzugeben wären. Die Einsetzung der Läufer sollte dem Mannschaftsführer während dem Wettkampf überlassen bleiben (schwedischer Vorschlag). Die Beurteilung im Springen sollte gemäß schwedischem System mit drei Sprungrichtern und offener Notengebung erfolgen. Schwedische und deutsche Experten sollten einen Vorschlag für eine neue Notenberechnung bei Konkurrenzen auf Schanzen mit mehr als 60 m Sprunglänge ausarbeiten. Die Anzahl der Teilnehmer in jeder Disziplin sollte auf acht begrenzt werden. Der Weltmeisterschaftstitel sollte in jeder der alpinen Disziplinen, also Slalom, Abfahrtslauf und Kombination, gesondert vergeben werden, und zwar sowohl für Herren wie für Damen. Der Spezialslalom und der kombinierte Slalom sollten auf verschiedenen Bahnen und zu verschiedenen Zeiten gelaufen werden. C. J. Luther, Deutschland, sollte als außerordentlicher Schanzenexperte zugezogen werden, wenn einer der ordentlichen nicht zur Verfügung stand. Endlich wurde beschlossen, daß die nächste Vorstandssitzung in Garmisch-Partenkirchen, im Zusammenhang mit den FIS-Wettkämpfen 1942, stattfinden sollte. I n Deutschland wurden großartige Vorbereitungen für diese Wettkämpfe und ein gewaltiger Propaganda-Apparat in Gang gesetzt. Deutschland bekam jedoch soviel andere Sorgen, daß CS nicht länger eine sportliche Propaganda treiben konnte, welche einen solchen Menschenaufwand bedingte. Die Wettkämpfe mußten eingestellt werden. Man dachte daran, die Vorstandssitzung an einen zentraleren Platz zu verlegen, und Berlin wurde vorgeschlagen. Der deutsche Vertreter, Guy Schmidt, fühlte offenbar, daß er dort zu sehr vom Reichssportführer abhängig sein würde, weshalb er ein neutrales Land, die Schweiz, vorschlug. Der Schweizerische Skiverband beantwortete diesenvorschlag sofort mit einer Einladung, welche mit Dank entgegengenommen wurde.


Der Vorstand trat deshalb am 29. und 30. Juli 1942 in Lausanne zusammen, und die Arbeit war durch die Möglichkeiten, welche die schweizerische Gastfreundschaft und Touristenorganisation sowie der Fremdenmangel boten, begünstigt. Die Zusammenkunft begann mit einem etwas peinlichen Intermezzo. Auf dem Weg nach Lausanne hatte der finnländische Vertreter, Generalkonsul Himberg, in Berlin den Reichssportführer V. Tschammer und Osten aufgesucht, welcher ihn U. a. bat, den beiden deutschen Vorstandsmitgliedern Schmidt und Martin auszurichten, daß, sofern der Präsident des Polnischen Skiverbandes, Oberst Bobkowski, an der Sitzung teilnehme, die Deutschen nicht anwesend sein dürften. Für den stellvertretenden Präsidenten war es sofort klar, daß in diesem Fall die Deutschen nicht zugelassen werden könnten, was zu bedauern wäre, da sie nützliche Vorstandsmitglieder waren und sich gegenüber der FIS immer loyal gezeigt hatten, soweit dies der harte Druck, dem sie ausgesetzt waren, zuließ. (Versuche, sie gegen mehr parteigetreue deutsche Vertreter auszutauschen, waren vom Fachamt Skilauf gemacht worden. Da es sich jedoch erwies, daß die gemachten Angaben unrichtig waren, konnten sie mit Hilfe der FIS-Statuten zunichte gemacht werden.) Gegen V. Tschammers Standpunkt war im übrigen nichts einzuwenden, da Polen im Krieg mit Deutschland war. Die Deutschen waren unangenehm überrascht. Sie hatten also den langen Weg umsonst gemacht. Wir versuchten durch einen Kompromiß zu einer Lösung zu kommen. Sie kam schließlich von Bobkowski selbst, welcher in einem Brief von Genf, wo er als Flüchtling wohnte, mitteilte, daß er nach reiflicher Überlegung beschlossen habe, an der Sitzung nicht teilzunehmen. So beklaglich dies an und für sich war, so bedeutete es doch eine Erleichterung. Um Bobkowski eine Artigkeit erweisen zu können, wurde die erste Sitzung verschoben, so daß Hamilton und Schuler nach Genf reisen und mit Bobkowski über die verschiedenen Fragen auf der Tagesordnung konferieren konnten. Als Bobkowski von der Instruktion der Deutschen hörte, wurde er verbittert, und sein erster Impuls ging dahin, seinen Beschluß zu ändern und an die Sitzung zu kommen. Bei näherer Überlegung hielt er jedoch an seiner schriftlichen Absage fest. Der wichtigste Beschluß der Lausanner Sitzung war, die FIS-Wettkämpfe während des Kriegs einzustellen. Die Ausarbeitung einer neuen Notentabelle für Großschanzen, welche bei der Stockholmer Sitzung schwedischen und deutschen Experten übertragen worden war, war schwedischerseits nicht abgeschlossen, weshalb der deutsche Vorschlag zur versuchsweisen Anwendung angenommen wurde. Dadurch, daß Deutschland später alle internationalen Sportverbindungen abbrechen mußte, sind die Versuche nie zustandegekommen. Die in der Stockholmer Sitzung für die Zukunft gestellte Frage der Berechnungsgrundsätze für einen Länderwettbewerb bei FIS-Wettkämpfen, war infolge der schwierigen Verbindungen ebenfalls nicht fertig geworden. Nach Lausanne waren auch Mitglieder der beiden Hilfskomitees einberufen worden, welche zur Verfügung des Vorstandes stehen, nämlich die Schanzenexperten und das AbfahrtsSlalomkomitee. Diese erstatteten in der Sitzung Bericht über die Lage innerhalb der verschiedenen Disziplinen in den verschiedenen Ländern. Während des Zusammenseins in Lausanne teilte Schmidt mit, daß V. Tschammer und Osten die Absicht haben, europäische Sportverbände - natürlich unter deutscher Leitung - zu bilden, welche die internationalen Verbände ersetzen sollten. Soweit ein europäischer Skiverband hier in Frage stand, konnte man diesen Vorschlag als einen Gegenzug zu dem nicht zustande gekommenen FIS-Kongreß ansehen, der Deutschland die Leitung der F I S hätte geben sollen. Der Vizepräsident schrieb deshalb sofort nach seiner Heimkehr an V. Tschammer und sagte, daß er sich auf das bestimmteste jedem Versuch, eine neue internationale Skiorganisation zu bilden, widersetzen werde, denn eine solche würde unfehlbar eine Spitze gegen die alliierten Länder bekommen und dadurch die Wiederaufrichtung freundschaftlicher Verbindungen zwischen den Skiläufern aller Nationen nach dem Krieg - das vornehmste Ziel der FIS-Arbeit - erschweren.


Von Tschammer antwortete, daß, da die F I S effektiv funktioniere, kein Anlaß für die Bildung eines europäischen Skiverbandes vorhanden sei, daß es aber viele andere Verbände gebe, welche überhaupt nicht funktionierten, weshalb man gezwungen sei, innerhalb dieser Sportszweige eine Organisation aufzubauen, welche internationale Sportbeziehungen ermöglichen könne. Trotzdem versuchte V. Tschammer etwas, was er Europäische Skidelegation nannte, zu bilden. Der immer härtere Druck des Krieges auf Deutschland und der Hinschied V. Tschammers bewirkten jedoch, daß die Delegation, wenn sie überhaupt je zustande gekommen war, von selbst einging. In dem Maß in dem sich Deutschland vom

Testa Grigia (Photo Schol)


internationalen Sport zurückzog, verminderte sich der Bedarf an defensiver Arbeit der FIS, wenn dieser Ausdruck erlaubt ist, während gleichzeitig die übrige Tätigkeit immer schwerer wurde. Die internationale Skiarbeit war 1943 und 1944 auf die wohlbekannten schweizerischschwedischen Skiwettkämpfe in Engelberg und Örnsköldsvik eingeschränkt. Die nordische Zusammenarbeit und der Austausch von Skiwettkämpfern wird hier nicht als international gerechnet. Bei dem Ende, das der Krieg genommen hat, kann man Grund zur Frage haben, ob der Versuch zur Aufrechterhaltung der internationalen Skiarbeit während des Krieges wirklich zu etwas nutz gewesen sei. Hierauf kann geantwortet werden, daß im Oktober 1940, als der erste Vizepräsident die Leitung übernahm, der Ausgang des Krieges ungewiß schien. Man kann weiter feststellen, daß irgend ein Schaden nicht entstanden ist, daß aber das persönliche Zusammentreffen von Vorstandsmitgliedern und die bei internationalen Wettkämpfen gewonnenen Erfahrungen gewiß für die weitere Tätigkeit der F I S und bei der Wiederanknüpfung der Verbindungen zwischen den Skiläufern der ganzen Welt nützlich sein können. Wenn die F I S nun ihren Beitrag zu einem raschen Wiederaufbau der internationalen Zusammenarbeit und des Verstehens leistet, kann an das Testament erinnert werden, welches der frühere Zentralpräsident des Schweizerischen Skiverbandes in seiner letzten Lebensstunde seinen lieben Skiläufern eröffnete. E r sagte darin U. a.: „Darum frage ich Sie: Ist nicht jetzt die Stunde des Sämanns gekommen, der sich aufmacht, um auf einem winzigen Flecklein friedlicher Erde vorzubereiten, was ja doch einmal wieder Eingang finden muß in die Herzen der Völker, was wiederum von Mund zu Mund, von Volk zu Volk gesagt werden muß - von dem Wunder der Liebe zum Nächsten, von der Achtung vor dem menschlichen Leben und vom heiligen Willen zum Verstehen und Verzeihen ? Ist es nicht an uns Schweizern, diese schönste und höchste Mission, die sich ein freies Volk erwählen darf, freudig auf uns zu nehmen?" Diese Worte, an die schweizerische Jugend gerichtet, gelten in gleich hohem Grad für die Sporttreibenden aller Länder, und es ist zu hoffen, daß sie als Richtschnur für die Tätigkeit der internationalen Sportorganisationen dienen werden, wenn deren Arbeit nun wieder aufgenommen wird.


DIE HUNDERTSTEL-SEKUNDE

Genaue Zeitmessungen über die Zehntelsekunde hinaus sind äußerst schwierig. Eine Sportzeitmessung sozusagen ,,von Auge und Hand'" also nur mit der Stoppuhr, ist bestenfalls bis zur halben Sekunde möglich; aber auch diese letzte halbe Sekunde ist meist schon ein umstrittener Wert. Zeitmessertypen verschiedener Art suchten das heikle Problem zu lösen. Ihre Präzision als solche ist einwandfrei und unbestritten. Sie alle aber müssen „von Hand" bedient werden. Und dies ergibt unweigerlich eine Fehlerquelle; denn auch der beste Operateur kann keine 100 O/,ige Genauigkeit garantieren. Seine Reaktionsgeschwindigkeit ist durch allzu viele Einwirkungen beeinflußt; sie schwankt zum Beispiel mit dem Grad seiner Ermüdung, mit der Tageszeit und seinem körperlichen Befinden. Auch ist diese Reaktionsgeschwindigkeit individuell recht verschieden. Eine möglichst einwandfreie Zeitmessung ist aber für den modernen Sport nun einmal ein unumgängliches Postulat - für den modernen Sport! Der Sport des alten Griechen (um nur ein Beispiel zu nennen) konnte auch ohne Genauigkeit, ja konnte überhaupt ohne Zeitmessung auskommen. Als die Olympischen Spiele noch in Olympia ausgetragen wurden, interessierte ,,manc' sich nur für relative Zeiten; es interessierte nur, wer von den angetretenen Wettkämpfern der beste, das heißt der wirklich schnellste war. Seine „absolute Zeit" über eine bestimmte Strecke war ganz gleichgültig - sie mußte dies schon deshalb sein, weil die Zeitmaße für ihre Festlegung fehlten. Und auch aus diesem Grunde konnte es keine Rekorde in unserem Sinne geben. Was vielleicht insofern schade ist, als uns damit die Möglichkeit genommen ist, zum Beispiel die Leistungen der griechischen Läufer mit denen unserer Zeit zu vergleichen. Wir sind in der ,,glücklichen" Lage, ganz genaue Zeiten zu messen und zu registrieren; und somit können wir auch Geschwindigkeits-Weltrekorde aufstellen. Unsere Sportleute können nicht nur gegen den Konkurrenten. sie können auch gegen Zeit laufen! Dafür braucht es aber äußerst gennue Messungen. Aber auch für das Erfassen der „relativen Zeiten", der Leistungen in einem modernen Rennen (besonders bei dem heute so vielfach angewandten Einzelstart!) ist größtmögliche Genauigkeit der Messung unerläßlich. Hier freilich kommt man im allgemeinen mit Fünftelsekunden sehr wohl aus (zum Beispiel im Slalomlauf, um einmal bei „unseremG Sport zu bleiben). Anders etwa bei dem berühmten Kilometerlance auf Ski - hier sind viel genauerc Präzisionsmessungen sehr wohl angebracht. Aber der Kilometerlanc6 ist eine Sache für sich und eher ein wissenschaftlicher Laboratoriumsversuch im Freien und im GroEen als ein Skirennen! Bei Rennen über mehrere Minuten (ich denke U. a. an das Parsennderby) scheint mir sogar die Ablesung unter einer halben Sekunde unsinnig . . . und ungerecht. Denn die zwei Zehntelsekunden, die vor ein paar Jahren dieses Rennen, das beinahe über eine Viertelstunde geht, entschieden haben, entsprechen vielleicht nur dem zufällig etwas glücklicheren letzten Stockeinsatz. Und im Verhältnis zur Dauer des Rennens ist die Differenz zwischen den Zeiten so gering, daß man eigentlich nicht von einem Leistungsunterschied sprechen kann. Doch dies ist eine Sache für sich, über die sich einmal manches sagen ließe. Aber wie nun dem auch sei - wünschenswert ist natürlich immer eine absolut einwandfreie, genaueste Genauigkeit ! Und um die zu erreichen, muß die Zeitmessung der Zukunft auch das menschliche Auge ausschalten. Die Zeitmessung sollte vollautomatisch sein. Diesen vollendeten Apparat scheinen wir jetzt zu haben.


Die ,,Omega-Werke" haben ihn auf den Markt gebracht, und er beruht auf dem Prinzip der Photozelle. Das Auge mit seiner begrenzten Sehkraft und seiner beschränkten Sehgenauigkeit wird ersetzt durch die viel empfindlichere Photozelle, und der menschliche Reflex durch die blitzschnelle Reaktion des elektrischen Stromes. Die Genauigkeit dieses neuen Apparates wird mit einigen Tausendstelsekunden angegeben. Diese Angabe ist sicherlich überprüft und besteht zu recht. Aber wäre die Genauigkeit auch nur eine Hundertstelsekunde - so wäre auch dies schon ein großer Fortschritt und würde für alle Sportzwecke mehr als genügen. Jedenfalls ist es äußerst erfreulich, daß die schweizerische Präzisionsmechanik uns ein brauchbares und dabei relativ einfaches Hilfsmittel für allerkürzeste Zeitmessung beschert hat. H. H.


J A H R E S B E R I C H T D E S ZENTRALPRÄSIDENTEN

1944145

Von Dr. Bernhard Kiifenacht, Zentralpräsident, Bern.

Liebe SAS'ler ! Eigentlich müßte es eine dankbare Aufgabe sein, kurz nach Abschluß des größten Krieges der Weltgeschichte einen Jahresbericht zu erstatten, einen Bericht, der nicht nur die Clubtätigkeit des abgelaufenen Jahres registrieren, sondern einen Ausblick auf eine unbeschwerte, mit berechtigten Hoffnungen erfüllte Zukunft eröffnen sollte. Sicherlich dürfen wir mit dem Rückblick zufrieden sein. Der SAS. konnte sich auf unserer vom Krieg umbrandeten Friedensinsel weiterentwickeln und innerlich festigen. Leider werden aber die auf die Nachkriegszeit gezogenen Hoffnungswechsel noch längere Zeit uneingelöst bleiben müssen. Jetzt, da Mars sein arg zerkerbtes Schwert hat sinken lassen, werden wir erst recht gewahr, welches Wunder wir erleben durften, vom schrecklichsten aller Kriege verschont geblieben zu sein. Gleichzeitig müssen wir aber erkennen, heute vor einem ungeheuren Trümmerfeld zu stehen, vor einem Weltchaos, das zu ordnen selbst die stärksten Mächte vor kaum lösbare Probleme stellt. Dürfen wir angesichts dieser geschichtlichen Ereignisse noch daran denken, wie sich unser kleiner Club entwickelt, durch welche Fahrtechnik im Slalom noch eine Zehntelssekunde herausgeholt werden kann oder welchem Skibelag heute der Vorzug zu geben ist? Ich glaube ja. Dadurch, daß wir uns für Ordnung und Regelung im Kleinsten, für die Heranbildung eines gesunden Nachwuchses einsetzen, beweisen wir unsern Glauben an die Zukunft. Und dieser Glaube ist heute so wichtig. E r verpflichtet aber auch. Denken wir daran, daß gerade die akademische Jugend vor großen dankbaren Ailfgaben steht, daß sie in besonderem Maße berufen ist, ihren Beitrag an die Neugestaltung und Aufrechterhaltung eines wirklichen dauerhaften Friedens zu leisten. Der SAS. mit seinen freundschaftlichen Beziehungen zu Skikameraden anderer Länder muß alle Anstrengungen unternehmen, diese Beziehungen beim kameradschaftlichen Skisport zu erweitern und zu festigen. E r darf auf diese Weise - wenn auch nur in bescheidendstem Maße - dazu beitragen, einige völkerversöhnende Bändlein zu knüpfen. Zeigen wir uns dieser Aufgabe würdig! Wie bisher hat der SAS. auch im verflossenen Winter seine traditionellen Anlässe durchgeführt. Dem Trainingslager über Neujahr mit dem Heiri-Wendling-Cup und der Austragung der Sektionsmeisterschaften um die Kuhglocke in Wengen, war ein schöner Erfolg beschieden. Die Beteiligung von Aktiven und A. H. war wiederum erfreulich groß. I n Wengen waren wir bestens aufgehoben. Das vom SAS. geleitete Trainingslager für Studenten-Spitzenfahrer konnte wiederum in Zermatt durchgeführt werden, dank der weitgehenden Unterstützung durch die Schweizerische Zentrale für Verkehrsf~rderun~ und die Sport-Toto-Gesellschaft, wofür wir an dieser Stelle nochmals herzlich danken. Der Kurort Zermatt hat die in ihn gesetzten Erwartungen, wie stets zuvor, wiederum restlos erfüllt. Großer Erfolg war unsern SAS.-Rennen und den gleichzeitig ausgetragenen, vom SAS. organisierten Ski-Hochschulmeisterschaften beschieden. Seit vielen Jahren wurde dieser Anlaß wieder einmal in Gstaad durchgeführt. Ein schöner Beitrag der Regierung des Kantons ßern, wofür ihr nochmals unser herzlicher Dank ausgesprochen sei, erleichterte es, den Anlaß in gediegenem Rahmen durchzuführen. Der Umstand, daß das Palace-Hotel in Gstaad zur Unterbringung sämtlicher Rennteilnehmer, Offizieller und Funktionäre zu günstigen Be-


dingungen zur Verfügung stand, trug wesentlich zum guten Gelingen bei und ließ die Veranstaltung zu einem wirklichen Familienfest des SAS. werden. Mit großer Genugtuung diirfen wir die schönen Erfolge unserer SAS.-Mannschaften an den erstmals vom SSV. in Arosa durchgeführten schweizerischen Klub-Meisterschaften für Abfahrt und Slalom buchen. Wir freuen uns nicht nur über die ausgezeichneten Leistungen unserer Fahrer, sondern auch darüber, daß die vom SAS. propagierten Klub-Meisterschaften die in sie gese.tzten Erwartungen erfüllen und sicherlich zu einem Anlaß werden, der aus dem schweizerischen Rennkalender nicht mehr wegzudenken sein wird. Ueberall, wo bei andern Skiwettkämpfen SAS.ler am Start waren, haben sie bewiesen, daß sie technisch gut geschult sind und nach den Grundsätzen des fair play zu kämpfen wissen. Wie bis anhin hat der SAS. gute und enge Beziehungen unterhalten zum SSV. und zum SASV. Wo sich ihm Gelegenheit bot, hat er seine Mitarbeit zur Verfügung gestellt, und stets hat er bei diesen Stellen weitgehendes Entgegenkommen gefunden, was ich hier besonders hervorheben und verdanken möchte. Leider hlieben die Bemühungen des Tourenchefs schlecht belohnt, teilweise wegen ungünstiger Witterungsverhältnisse, zum großen Teil aber mangels Interesse unserer Mitglieder. Besonders die ältern SAS.ler sollten es sich angelegen sein lassen, durch die aktive Förderung des Skitourenlaufes zur Erkenntnis beizutragen, daß der Skilauf nicht unbedingt zum reinen Arenasport auf besonders hergerichteten Pisten werden muß, sondern daß er auch dazu berufen ist, uns die Schönheiten der Natur zu vermitteln, und ohne Abstoppung der Zeit in vollen Zügen genießen zu lassen. Herzlicher Dank gehört meinen treuen Mitarbeitern des Vorstandes, vorab unserm eifrigen Rennchef Marc Hodler, der auf die erzielten Resultate stolz sein darf. Dank aber auch den Sektionspräsidenten und überhaupt allen SAS.lern für ihre loyale Zusammenarbeit. Die Mitgliederbe~egun~ hielt sich im Rahmen des üblichen Zuwachses:

Bestand Mai 1944

105 Aktive 222 A. H. 13 E. M.

Total Bestand Mai 1945 110 Aktive 244 A. H. 14 E. M. Total Zuwachs

340 Mitglieder

368 Mitglieder 28 Mitglieder

Die Stärke des SAS. darf nicht in der Anzahl seiner Mitglieder liegen, sondern in deren Qualitäten. Jeder SAS.ler soll mit Stolz unser Abzeichen tragen dürfed, dann bin auch ich stolz, Eurer Präsident zu sein.


(Photo Hans Steiner, Bern)


RlCCO LEGLERt Geb. 22. Juni 1913.

1I

Im Engadin stürzte am 1. August 1945 Ricco Legler, SAS., Zürich, mit einem Segelflugzeug ab und erlitt dabei den Fliegertod. Wir verlieren mit ihm nicht nur einen Klubkameraden, sondern einen lieben Freund, der vom wahren SAS.-Geist beseelt war und der sich stets für unsere Ideale einsetzte. Als Student trat Ricco Legler im Jahre 1935 dem SAS. Genf als Aktiver bei. Nicht skisportliche Ambitionen brachten ihn in unsere Reihen, denn ihm gefiel der Geist, auf den unsere enge Kameradschaft gebaut ist. Wenn wir die Ranglisten der akademischen Rennen durchblättern, so finden wir seinen Namen häufig. Es ging ihm aber nicht darum, Preise und Ruhm zu erringen. Immer wo Ricco Legler konkurrierte, sei es im Skilaufen, im Fliegen oder im Spiel, war er ein Gegner, der verlieren und gewinnen konnte. Er war fair im Sport und im Leben. Mit seiner Dissertation über das Vitamin K machte sich Ricco Legler einen Namen, der in Fachkreisen weit über unsere Grenzen hinaus Bedeutung hat. Seine Begabung war aber nicht einseitig. E r konstruierte neuartige Bordinstrumente für Segelflugzeuge, und die souveräne Beherrschung seiner Kamera ist jedem von uns bekannt. Die meisterhaften Photographien waren das Spiegelbild seines lauteren Charakters. Darin brachte er den wahren Menschen, der oft hinter einer gewissen Verschlossenheit versteckt blieb, zum Ausdruck. Wir finden in seinen Bildern seine Gründlichkeit, seine Vielseitigkeit, seinen Scharfblick, seine Güte, seine Liebe zur Natur, seine Lebensfreude und den Lausbuben, der immer zu harmlosen Streichen bereit war. Ricco Legler wird in unsern Gedanken weiterleben, und wir werden den Geist, für den er immer eintrat, hochhalten.

H . Weisbrod.



Unser Mitglied Piet Coebergh ist in diesem Frühling in einem deutschen Konzentrationslager, kurz nach seiner Befreiung durch die Engländer, gestorben. Nichts kann uns das Andenken an den lieben Clubkameraden mehr wachhalten als der nachstehende erschütternde Brief, den seine Frau an Willy Bürgin sandte und den wir hier i n der 6bersetzung aus dem Englischen abdrucken.

Piet Coebergh war seit 1929 im SAS. 1931 wurde er Schneehase. Er war Senior I in der Abfahrt und im 50-km-Dauerlauf, wo er hinter Luymes Zweiter in Flims wurde. Gute Plätze belegte er am Parsenn-Derby und an den Hochschulmeisterschaften. Er war verschiedentlich Teilnehmer am Arlberg-Kandahar und am Galhöppigen-Rennen 1935 in Norwegen. Schriftleitung.

PlET COEBERGH

t.

Kambaldolaan 13, Amstelveen, 15. August 1945. Lieber Herr Bürgin! Es wird Sie überraschen, einen Brief von Piets Frau zu bekommen, und leider habe ich Ihnen nichts Erfreuliches über ihn zu melden. Unser lieber Piet starb am 2. Mai in Deutschland an Entkräftung; er war am 15. November 1944 vom SD verhaftet worden, blieb bis Ende Januar in einem Amsterdamer Gefängnis und wurde schließlich nach Deutschland deportiert, WO er Anfang Februar in dem schrecklichen Konzentrationslager Neuengamme bei Hamburg landete. Am 28. Februar litt er bereits an Hungerödem in beiden Beinen, einer durch mangelhafte Ernährung verursachten ,,Zeitkrankheitb', deren Hauptmerkmal ein Anschwellen der Beine infolge Flüssigkeitsansammlungen ist. Nach der Erklärung eines Arztes, die später in meine Hände kam, war er damals trotzdem in gutem Allgemeinzustand und psychisch ganz in Ordnung. Als die Nazis das Konzentrationslager zu evakuieren begannen, gehörte auch P. zu den vielen davon Betroffenen. E r wurde am 8. April einem Transport zugeteilt; man pferchte 4000 Männer in 40 Güterwagen zusammen und hielt diese neun Tage lang verschlossen - sie wurden hin- und hergeschoben und bekamen nur dreimal zu essen, ZU trinken kein einziges Mal. Schließlich wurden sie in Sandborstel, einem Kriegsgefangenenlager, ausgeladen, weil die Nazis nicht wußten, was sie sonst mit ihnen anfangen sollten. Obwohl P. sehr schwach war, konnte er noch umhergehen; allerdings wimmelte er von Läusen und zitterte ununterbrochen vor Kälte. E r bekam von einem Kriegsgefangenen einen warmen Mantel und blieb trotz allem in guter Stimmung. Das Essen, das man ihnen dort gab, war besser als das, woran sie gewöhnt gewesen waren, aber die geschwächten Eingeweide waren unfähig, es zu verdauen, und es lief aus ihnen heraus wie Wasser. Medikamente hatten sie überhaupt nicht. Am 29. April wurden sie schließlich befreit. P. wußte ganz entschieden, was vorging; er hatte sogar schon Pläne für den Sommer gemacht, den er wieder daheim im Kreise der Familie zu verbringen hoffte. Einen Tag nachher scheint er geäußert zu haben, er spüre, daß er schwächer werde, und dann scheint er wieder einen Anfall von Dysenterie gehabt zu haben. Mittags und abends schlief er, und am nächsten Morgen, am 2. Mai, war er


tot. An meinem Geburtstag, am 25. Mai, erhielt ich eine Nachricht vom Roten Kreuz, die lautete: ,,Wir können Ihnen mitteilen, daß P. Coebergh am 1. Mai im Konzentrationslager Sandborstel aufgefunden wurde und am Leben war. Wir hoffen, daß er bald wieder zu Hause sein wird." Das hatte natürlich in mir die Hoffnung erweckt, es gehe ihm gut, wenn ich mich auch niemals dazu bringen konnte, zu glauben, er sei völlig in Sicherheit, solange ich ihn nicht durch die Haustür hereinkommen gesehen hatte. Erst am 24. Juni erfuhr ich von seinem am 2. Mai erfolgten Tod. Sie können sich vorstellen, wie mir war. Ohne ein Wort des Abschieds, ohne jede persönliche Botschaft (P. hatte nicht gewußt, daß er im Sterben lag) sind wir auf dieser Erde für immer von einander getrennt worden, und seine beiden kleinen Buben, in die er ganz vernarrt war, werden ihren Vater nie kennen. Unzählige Menschen sind mit diesen bestialischen Nazi-Methoden zerbrochen worden, und unzählige Familien haben solche Verluste erlitten. Die Männer, mit denen P. in Neuengamme gut war, sind alle tot, so daß ich nie etwas wirklich Persönliches erfahren werde. Auch die Kollegen, die mit ihm zusammen verhaftet wurden, sind tot. P. war als Ingenieur beim Telefoondistrict Amsterdam angestellt. Natürlich war es eine Leichtigkeit für ihn, für die unterirdische Widerstandsbewegung zu arbeiten. Es gab ein komplettes illegales Telephonnetz, von dessen Existenz die Deutschen mit der Zeit etwas ahnten, ohne aber jemals Genaueres in Erfahrung zu bringen. Sie verhafteten rechts und links Männer in führenden Stellungen, weil sie hofften, so könnten sie vielleicht doch einmal auf eine Spur kommen. Obwohl allen diesen Leuten, wie auch P., nichts nachgewiesen werden konnte, ließ man sie nicht wieder frei und deportierte sie schließlich mit diesen entsetzlichen Folgen. P. hatte nie etwas befürchtet, weil er wußte, daß ihm nichts nachzuweisen war, aber er hatte offensichtlich nicht genügend mit den Nazi-Methoden gerechnet. Und dann wurden diese Männer nicht menschlich behandelt, ein langsames Martyrium war ihr Schicksal - eine Kugel wäre barmherziger gewesen als diese Leiden. Ich schreibe Ihnen alle diese Einzelheiten, weil ich weiß, daß es Sie interessiert. Wie oft habe ich in diesem Winter gedacht, die schönen Erinnerungen wenigstens können P. nicht einmal von den Nazis genommen werden. Und dazu gehören in erster Linie die Erinnerungen an die Schweiz. Die Jahre, die er dort verlebt hat, hat er ja so gründlich genossen, und wenn man sich vorzustellen versucht, daß dieser kräftige und sportfreudige gute Junge ein solches Ende gefunden hat, will es einem einfach nicht in den Kopf - ich werde nie darüber hinwegkommen; es ist so unermeßlich schwer, sich damit abzufinden, daß das wirklich das Ende sein soll, an dem nichts mehr zu ändern ist! Jeder, der Piet gekannt hat, kann begreifen, was dieser Verlust bedeutet, und ich weiß, daß er im SAS., dessen Farben er bei so vielen Wettbewerben hochgehalten hat, viele Freunde hatte. Ich dachte, Sie werden wohl auch den SAS. verständigen wollen. Piets alter Kamerad Han Luymes lebt mit seiner Familie hier ganz in meiner Nähe - sie sind meine liebsten Freunde. I n Piet hat auch Han seinen besten Freund verloren, und eine solche alte Freundschaft kann niemals durch eine andere ersetzt werden. Ich für meine Person bemühe mich darum, nach Zürich zu kommen und meine Mutter zu besuchen, die seit all diesen Jahren allein dort lebt. Ich würde gern die Kinder mitnehmen, sie sind drei Jahre und ein Jahr alt; sie hat sie natürlich noch nie gesehen, und es geht ihr gesundheitlich nicht besonders gut. I n Anbetracht der Umstände unterstützt mich das Departement für Auswärtige Angelegenheiten hier in jeder Hinsicht, aber das letzte Wort haben die Schweizer Amtsstellen in London zu sprechen, denen meine Papiere eingereicht worden sind. Ich würde es sehr bitter finden, noch einen Winter hier allein verbringen zu müssen, der letzte ist mir noch allzu lebhaft in Erinnerung. Es muß sich noch zeigen, wie alles wird. Ich hoffe, daß es Ihnen und Ihrer Familie gut geht, und bitte Sie, Ihre Frau vielmals zu grüßen. Ihre Ph. Coebergh-Traber.


GEORGES LACOUR, MEMBRE D ' H O N N E U R

I1 n'est pas d'hommage plus merite, rendu A l'activite inlassable du Dr Georges Lacour, que de l'avoir proclame membre d'honneur SAS. L'assemblee generale 1945 a tenu A s'attacher par les liens les plus intimes celui en qui elle a reconnu des longtemps un ami et un soutien precieux. Le nouvel elu est de ceux qui ont joue un r6le particulierement en vue pour le developpement de notre club, tout en contribuant largement A l'essor du ski universitaire. I1 nous est cher A plus d'un titre. Mais nous nous plaisons surtout ii voir en lui le pilier de la Section genevoise, son veritable chef de file, comme d'ailleurs son representant le plus autorise. Le Dr Lacour, ne en 1901, avait depuis plusieurs annees termine Ses etudes en art dentaire, lorsqu'une Section SAS. vit le jour A 1'Universite de Geneve. Etudiant et skieur de haute montagne, il se rattache alors au seul groupement existant, le Club Alpin Academique; il devait plus tard en devenir membre d'honneur. C7est en 1933 qu'Andr6 Roch et quelques amis l'invitent A se joindre au SAS. de Geneve: son admission comme membre Alte-Herr suivra l'annee d7apr&s.Presque aussit6t Lacour est nomme Rennchef de la Section genevoise, pour en devenir, des 1936, le President; constamment reelu, il devait exercer en cette qualite un veritable ministkre jusqu'en 1943. Malgre cette tache absorbante, il accepte encore la charge de vice-president central SAS. (1936-39), qui le designera tout naturellement pour organiser les ASAL. et Courses SAS. 1939 ii Grindelwald. Heureusement, Georges Lacour est servi A ce moment-lA par Une longue experience. C'est lui, en effet, qui a assume chaque annee des 1935 l'organisation des Championnats universitaires genevois, et qui l'assume encore aujourd'hui. Membre de la Commission sportive de 1'Universite de Geneve, il se trouve etre egalement chef du jury des concours. Comme tel, il est appele A suivre les epreuves du Ski-Club de Paris disputees A Chamonix en 1938 et en 1939. Mais il faut dire qu'A l'epoque, le Dr Lacour passe pour le grand artisan de la collaboration, et l'agent principal des relations entre le ski genevois et le ski francais. N'est-ce pas A lui qu'echoit de 1936 A 1939 l'honneur de conduire notre delegation au Concours des Amethystes, 021 l'equipe suisse remporte Une magnifique victoire devant les Ski-Clubs de Chamonix, Megeve et Paris ? Rappelons enfin le devouement de Georges Lacour comme manager de


plusieurs expeditions en Savoie ou dans les stations romandes, organisees pour nos equipes SAS. E n tant que coureur, il prend lui-m6me part A de nombreuses Courses de patrouilles militaires, o?i son endurance fait merveille. I1 se classera premier des troupes de landsturm aux Concours de la I r e Division en 1943, tandis qu'il recevra par deux fois la qualification de bon patrouilleur de haute montagne aux Cours alpins d'hiver de l'Arm6e. C'est assez dire que notre nouveau membre d7honneur est non seulement un entraineur et un ardent defenseur de la cause du ski, mais qu'il est encore un fervent adepte du sport qui est le n6tre. Si aujourd'hui, tel un grand chef charge d7honneurs, il s'est momentanement retire sous sa tente, nous savons qu'il ne cesse pas de veiller sur les destinees de la Section genevoise. La seule presence de notre ami Georges h toutes nos activites nous est un gage pour l'avenir du SAS. Notre contentement est grand de pouvoir saluer cette annee ce deuxieme membre d'honneur de notre Section, et de pouvoir lui dire notre reconnaissance a la fois que notre admiration. Nous nous r6jouissons de penser que, si lui nous a donne pendant tant d'annees des preuves marquantes de son attachement, h notre tour nous lui donnons aujourd'hui la meilleure preuve du n6tre.

Pierre Gillidron, Prdsident SAS. Gendve.

(Photo Stefano Bricarelli)


M I T T E I L U N G E N DER S C H R I F T L E I T U N G Vor Redaktionsschluß kommt uns die Mitteilung zu, daß unser lebenslängliches Mitglied John W. F. Collins als Pilot der Royal Australian Air Force im Mai 1941 von einem Feindflug in Australien nicht zurückgekehrt ist.

Mit dieser vorliegenden Nummer 17 schließen wir Band 4 des „SchneehasenG ab. Ein Indexverzeichnis bereiten wir vor und legen es dem nächsten ,,Schneehasenbbbei.

Alle Korrespondenzen und Beiträge bezüglich des Jahrbuches 1946 sind bis spätestens Ende August 1946 zu richten an den Schriftleiter: Dr. Walter Amstutz, Nüschelerstraße 45, Zürich, Telephon 27 12 15.

Der Zentralvorstand des SAS. mit Sitz in Bern (Schanzenstraße 1) setzt sich wie folgt zusammen : Präsident : Dr. ßernhard Rüfenacht Rennchef: Marc Hodler, Fürsprecher Sekretär : Dr. Bernhard Marcuard Dr. Hans Steinegger Kassier : Touren : Willi Furrer, dipl. Ing. Beisitzer : Dr. Franz Obrecht Beisitzer : Dr. Ruedi Witmer Schriftleiter: Dr. Walter Amstutz (Zürich)

DIE SCHWEIZERISCHEN

A K A D E M I S C H E N S K I M E I S T E R 1945

21. SAS.-Rennen und Schweizerische Ski-Hochschulmeisterschaften 9.-11.

M ä r z 1945, Gstaad

AdolfOdermatt, Zürich 1. Sieger im Abfahrtsrennen: Adolf Odermatt, Zürich 2. Sieger im Slalom : AdolfOdermatt, Zürich 3. Sieger in der Kombination Abfahrt/Slalom: Max Lanter, Zürich 4. Sieger im Langlauf: Georges Piguet, Lausanne 5. Sieger im Sprunglauf: 6. Sieger in Kombination Langlauf/Sprunglauf: Dr. Franz Obrecht, Bern 7. Sieger in der 4er-Kombination: Dr. Franz Obrecht, Bern 8. Schweizerischer Hochschulmeister in Abfahrt/Slalom: AdolfOdermatt, Zürich 9. Schweizerischer Hochschulmeister in Sprunglauf/Langlauf: Frank Pfeifer, Genf Universität Bern (Roman Kölbener, Peter Em10. Schweizerischer Hochschulmeister im Staffellauf: menegger, Bodo Endtner, Hans Winzenried, Augustin Maißen) S ~ l v i aLosinger, Zürich 11. Schweizerische Hochschulmeisterin (Abfalirt/Slalom):


I . Schweizerische Klubmeisterschaften Abfahrt/Slalom, 17.118. März 1945, Arosa. Der S A S siegt i m Slalom. Von links nach rechts, stellend: Peter Waser, Roinan Kölbener, IV11-y Bürgin, Alex Müller, Franz Obrecht, Danilo Girardet, Murr Hodler, Lulu Pigiiet, Luc Niggli. Sitzend: Cliarly Miiller, Rnhlo Kaiser, Pierre Riotfon, J . de Lauallaz, Frnnk Pfeifer.

LITERATUR Arnold Lunn: Ich gedenke der Berge Verlag Amstutz, Herdeg & Co., Zürich, 1945. Wir alle vom SAS wissen mehr oder weniger, daß Arnold Lunn ein sehr fruchtbarer Schriftsteller ist, und daß er seine zum Teil sehr persönlichen Erfahrungen und Ansichten schon in sehr verschiedenen Wissensgebieten recht deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Wer sich dafür interessiert, was das für Gebiete sind, der lese einmal die Zeilen durch, die Who's Who Amold Lunn gewidmet hat. Seine Lieblingsthemata sind zweifellos das Bergsteigen, der Skisport, die Religionswissenschaften und gewisse philosophische Aspekte. Seine Bücher entspringen nicht bloß einem sehr gründlichen Wissen und einer heute so selten gewordenen klassischen Bildung, sondern fußen ebensosehr auf einer guten Dosis Intuition und einer reichen persönlichen Menschenkenntnis und Weltbereisung. Gerade sein neuestes Buch „Ich gedenke der Berge" bildet einen schlagenden Beweis für das soeben Gesagte. Wohl ist dieses Buch vornehmlich ein solches vom Bergsteigen und Skifahren, wohl erzählt Lunn uns darin vieles und noch Etliches mehr vom Werdegang und den Seitensprüngen der hohen, uns so lieben Kunst des Skifahrens sowie von seiner Verbreitung in aller Herren Ländern, wohl läßt er uns zahlreiche Einblicke tun in seine sinnliche und geistige Einstellung zu den Bergen, besonders jenen seiner Wahlheimat Berner Oberland; trotzdem gewinnt man aber schließlich den Eindruck, daß all seine jetzigen Worte und frühem Taten in erster Linie einem Drang nach Erkennen entsprangen, nach Erfassen jener Grundlagen, die im Kern der menschlichen Persönlichkeit gelagert sind. Damit beweist uns Lunn, daß er zum zuverlässigen Philosophen aus innerem Bedürfnis herausgewachsen ist. Besser als meine magern Worte bezeugen das einige Zitate aus diesem Buch: „Die große Kunst, sich unseres (Ski) Sportes wirklich zu erfreuen, besteht darin, zwischen zwei gegebenen Punkten den möglichst weiten Weg zu machen; allerdings mit größter Geschwindigkeit. - Der moderne Ski-


lauf ist eine strenge Prüfung des Mutes. - Der Skilift ist ein guter Diener, aber ein schlechter Herr. - Innerstes Wesen des Ski-Bergsteigens ist: Neues Erleben; innerstes Wesen des Pistenrutschens ist: Wiederholung. Die Flucht in die Berge ist Vorbereitung für das Leben mit den Menschen. - I n den Bergen, wie auch sonst, ist die Askese der Schlüssel zum Schatz der mystischen Erfahrung. - Bergsteigen ist nicht ein Ziel, es ist der Weg zu einem Ziel." Wir SASler sind größtenteils nicht bloß lernen- und genießenwollende, sondern auch denkende und abwägende Skifahrer und Bergsteiger. Arnold Liinns Buch kommt all diesen Verlangen in weitem Maß entgegen. Wie jeder echte, handgewobene Perser Teppich, hat auch dieses Buch ein kleines Fehlerchen; dieses entpuppt sich darin, daß der Autor in gewissen gleichen Gedankengängen sich mit gleichen Worten wiederholt. Waren es die lieb gewordenen Gedanken, oder geschah es, weil Arni auch nicht mehr 20 Jahre alt ist? Gerade dieses Fehlerchen aber macht uns den Skipapst zum umso sympathischeren Mitmenschen. 0.Hue;.

Andre Roch : Karakoram Himalaya Editions Victor Attinger 1945. Ich erhielt kürzlich dieses Buch zu Geschenk. Ich nahm es am nächstfolgenden Sonntagmorgen zur Hand und begann zu lesen - und las es durch in einem Zug, und dann war es Sonntagabend. Und ich empfand große Befriedigung und innere Freude an jenem Abend. Man bilde sich aber ja nicht ein, daß es eine außergewöhnliche Spannung war, wie bei der Lektüre eines klassischen Detektivromans, die meine Gedanken und mein Sinnen bei diesem Buch beharren ließen, oder ein tiefgründiges Wissen, das aus demselben herausstrahlte, oder ein großes poetisches Feuer, das um sich herum züngelte. Nichts von all dem in diesem Maße und trotzdem von all den1 gerade soviel, um einen besinnlichen Ruhesonntag zum sinnvollen Tag zu machen. Dieses neue Buch Rochs ist ein gutes Buch, ein maßvolles Buch, eine Schrift in großer Bescheidenheit geschrieben und durch zuverlässiges Wissen belegt, ein junges Buch, das weiteres, noch größeres Wachstum des Autoren verspricht und, was weiterhin sehr wertvoll ist, ein lebendiges, dem persönlichen Erlebnis entsprungenes Buch. Selbst einige Pfefferkörner sehr diskreten Sarkasmiis fehlen nicht. Deshalb, lieber SASler, gebe ich Dir mit gutem Gewissen den Rat: Gönne Dir einen freien Tag, nimm dieses Karakorambuch zur Hand und lese es in einen1 Zug durch. Du wirst zufrieden 0. Hug. sein und dankbar jenem, der Dir diese genußvollen Stunden geschenkt hat.

(eoto

L. Fiedler)


V O M RUCKSACK

U N D V O M MAGEN

Wir kennen ja alle das Gefühl, mit dem wir Stück um Stück in der Hand wägen, während wir vor dem Packen die „Auslege-Ordnung" erstellen. Zuerst was man haben muß, dann was man will und zuletzt, was man noch zu tragen sich getraut. Proviant für mehrere Tage ? Da nimmt der alte „Bergfexa keine Menus mit, sondern er rechnet nach Nährwert, Haltbarkeit und Assimilationsfähigkeit der Nahrung. Maßstab: „Du sollst nicht spüren, daß dein Bauch voll ist, sondern bloß, daß neue Kraft dich durchströmt." Bereits vor 40 Jahren wurde man auf Hefe aufmerksam. Zunächst fürs liebe Vieh. Hefegefütterte Kühe lieferten erstaunlich mehr Milch. Nach den Veterinären kamen die Menschenärzte und stellten eine günstige Beeinflussung des Blutes fest. Dann kam man hinter das ,,Warum" und fand in Hefe einen besonders hohen Gehalt an B-Vitaminen. Die durch den ersten Weltkrieg intensivierte Ernährungswissenschaft begann der früher als Nebenprodukt klassierten und nur im Stall und höchstens von Bäckern benützten Hefe auf den Leib zu rücken. Gleichzeitig gelang es auch, sie zu stabilisieren. Auch das Auftreiben fiel weg und der Geschmack neutralisierte sich angenehm. Man lernte den hohen Gehalt an pflanzlichem Eiweiß schätzen, ebenso den gegenüber Fleisch fast doppelten Kaloriengehalt. - Die DYNA S.A., Fribourg, hat seit einiger Zeit unter Leitung unseres Kameraden Dr. Claude Blancpain ein Hefepräparat als Streichpaste herausgebracht, das vom Publikum beim Degustieren meist für Gänseleber oder Wildbretpain gehalten wird: (( TARTEX 9 (von (( tartiner » abgeleitet), enthält neben Getreide Zusatz von zirka 20 9; Speiseöl, ist außerdem leicht gewürzt, vollkommen abgeschlossen in leichten Dosen verpackt. Der verhältnismäßig sehr hohe Eiweiß- und Fettreichtum wirkt sich in scharfer Kälte bei anstrengender Körperarbeit natürlich besonders günstig aus. « TARTEX )) kann auch ohne Brot pur genossen werden, weil seine Verdauung vom Magen keine Leistung erfordert. Es verleiht einer Suppe Rückgrat im Geschmack und erhöht ihren Nährwert. Im Hochgebirge hat sich (( TARTEX )) unter den schwierigsten Umständen bewährt: bei Gefahr von Erfrieren, Verhungern oder Erschöpfung. Dr. F.


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