infosantésuisse Nr. 10/2008 deutsch

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info santĂŠsuisse

Alternativen zum Einzelkämpfer Hausarzt

Das Magazin der Schweizer Krankenversicherer


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Vernetzte Versorgung ist das Gebot der Stunde

Dank den «Cyber-Docs»: Das Zuhören in der Medizin erlebt eine Renaissance

Zufriedene Kassen-Mitglieder: So macht es die Galenos

Inhalt Im Fokus 4 Vernetzte Versorgung ist das Gebot der Stunde 6 Chance für Hausärzte, Notfallstationen und Patienten: Alltag in der neuen Notfallpraxis am Kantonsspital Luzern 8 Frankreich will Spitäler zusammenführen 10 Felix Huber: «Die Sternstunde der Grundversorger steht bevor» 12 Dank den «Cyber-Docs»: Das Zuhören in der Medizin erlebt eine Renaissance 14 Drei Fragen an: Dietmar Michlig, Direktor des Gesundheitsnetzes Wallis Krankenversicherer 15 Grafik des Monats: Schweizer bezahlen 240 Millionen zuviel für Laboranalysen 16 VeKa-Center: Rückblick und Ausblick 18 Zufriedene Kassen-Mitglieder: So macht es die Galenos 20 Jahresbericht der Gemeinsamen Einrichtung KVG 21 Anmeldeverfahren für den überbetrieblichen Kurs: Informationen für die Ausbildungsbetriebe 22 Qualität in der Betreuung von Sauerstoff-Patienten auf hohem Niveau Klipp&klar 23 Adipositas-Gruppenprogramme für Jugendliche: Leistungspflicht für Krankenversicherer Service 24 Wie lässt sich die Erfahrung älterer Mitarbeiter besser nutzen? 24 News aus aller Welt 25 Veranstaltungen 25 Mr Raoul 26 santésuisse: Mit Animationsfilm gegen fehlendes Wissen 26 Schweizer Bevölkerung ist gesund – doch es gibt Ungleichheiten

Nr. 10, DEZEMber 2008. Erscheint zehnmal jährlich Abonnementspreis Fr. 69.− pro Jahr, Einzelnummer Fr. 10.− Herausgeber und Administration santésuisse, Die Schweizer Krankenversicherer, Römerstrasse 20, Postfach, 4502 Solothurn Verantwortliche Redaktion Peter Kraft, Abteilung Politik und Kommunikation, Postfach, 4502 Solothurn, Tel. 032 625 42 71, Fax 032 625 41 51, E-Mail: redaktion@santesuisse.ch Herstellung: Vogt-Schild Druck AG, Gutenbergstrasse 1, 4552 Derendingen Gestaltungskonzept: Pomcany’s Layout: Henriette Lux Anzeigenverwaltung: Alle Inserate − auch Stelleninserate − sind zu richten an: «infosantésuisse», Römerstrasse 20, Postfach, 4502 Solothurn E-Mail: redaktion@santesuisse.ch Abonnementsverwaltung Tel. 032 625 42 74, Fax 032 625 41 51 Homepage: www.santesuisse.ch Titelbild: Heiner Grieder, Langenbruck BL ISSN 1660-7228


Vernetzen braucht Dialog

Die Vernetzung schreitet voran – schon rein sprachlich begegnet man ihr ständig: Social Networking, Telekommunikations-Netzwerke, Internet, Ärztenetzwerke, vernetztes Denken (auch Handeln?) ist scheinbar überall. Auch im Gesundheitswesen gibt es kaum mehr eine Tagung oder ein Projekt, bei dem Netzwerke und Vernetzung nicht weit oben auf der Agenda stehen. Das ist durchaus positiv, denn Netzwerke von Personen oder Organisationen erreichen gemeinsame Ziele oft erfolgreicher, weil vorhandene Kompetenzen besser aufeinander abgestimmt werden können. Netzwerke sind wichtig, doch damit sie überhaupt entstehen und produktiv werden, braucht es eine Grundvoraussetzung: gegenseitigen Respekt und Dialog. Es klingt trivial. Bevor man gemeinsam etwas erarbeiten kann, braucht es eine funktionierende Kommunikation. In der Gesundheitspolitik wird zwar viel gesprochen und geschrieben, meist aber mehr gegeneinander als miteinander. Gerade Diskussionen rund um Abstimmungsvorlagen oder das Ringen um Gesetzesänderungen sind dem Dialog nicht immer förderlich. Konkret wünsche ich mir mehr Dialog zwischen Versicherern, Leistungserbringern und Kantonen für konstruktive, zukunftsgerichtete und kundenorientierte Lösungen. Dabei soll als Zielsetzung gelten, dass sich die Partner einigen und nicht der Staat regelnd eingreifen muss. Auf der politischen Ebene wünsche ich mir einen Austausch zu Gesundheitsreformen, in denen Versicherer, Leistungserbringer und Kantone gemeinsam langfristige Ansätze entwickeln, damit die Verordnungsflut nicht stärker zunimmt als das Kostenwachstum. Also ein Dialog, welcher partnerschaftliche Lösungen und Netzwerke ermöglicht und dafür mit wenig Staat auskommt.

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Otto Bitterli Verwaltungsrat santésuisse


Warum wir in Zukunft nicht um mehr Zusammenarbeit im Gesundheitswesen herumkommen

Vernetzte Versorgung ist das Gebot der Stunde Ärztenetzwerke und Gruppenpraxen sind seit längerem als Prämiensparmodell bekannt. Jetzt treten ihre qualitativen Vorteile immer stärker in den Vordergrund. Im Idealfall verspricht die koordinierte medizinische Versorgung bessere Qualität zu tieferen Kosten. Die Vernetzung im Gesundheitswesen mausert sich darum vom Traum der Gesundheitsökonomen zu einem Muss für unser System.

Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer wählen alternative Modelle für ihre Krankenversicherung. Immer mehr Ärztinnen und Ärzte schliessen sich Netzwerken oder Gruppenpraxen an. Immer mehr Kliniken schliessen Zusammenarbeitsverträge ab, und in einigen Regionen können Grundversorger ihren Notfalldienst nun gemeinsam im Spital leisten. Ob dieser Aufschwung der Zusammenarbeit im Gesundheitswesen aus Sachzwang oder als Bereicherung erlebt wird, ob finanzielle Anreize oder eine gewisse Überzeugung wichtiger sind, sei dahingestellt. Fakt ist: Die Zusammen­arbeit im Gesundheitswesen wird in Zukunft noch stärker an Bedeutung gewinnen. Die Funktionsfähigkeit des Systems wird auch davon abhängen, wie gut die Vernetzung funktioniert. Das hat vielfältige Gründe. Grund 1: Nur in einem vernetzten System wird es noch genug Hausärzte geben

Der Schweizerische Nationalfonds hat 2007 eine Studie zu den Karriereabsichten von angehenden Ärztinnen und Ärzten publiziert. Die wenig ermutigende Erkenntnis: Nur gerade 16 Prozent wollen Allgemeinmediziner werden. Von diesen 16 Prozent wünschen sich 91 Prozent eine Arbeit in einer Gruppenpraxis. Die Studie begründet das mit gesellschaftlichen Veränderungen, die zu einer geringeren Aufopferungsbereitschaft und zu einen grösseren Bedürfnis nach geregelten Arbeitszeiten geführt haben. Also: Wenn die Hausarztmedizin auch in Zukunft gesichert sein soll, braucht es nicht nur bessere Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen, sondern auch einen höheren Anteil an Gruppenpraxen. Gruppenpraxen können bis zu einem gewissen Grad auch den Rückgang des Grundversorger-Angebots kompensieren, weil sie medizinische Leistungen effizienter erbringen und einem geringeren Verwaltungsaufwand haben. Es sind jedoch nicht nur angehende und junge Ärzte, die es in die Gruppenpraxis zieht. Eine Studie des swisspep-Instituts für Qualität und Forschung im Gesundheitswesen aus dem Jahr 2006 zeigt auf: Im Kanton Bern sind bereits 30 Prozent aller Ärzte Mitglied in einem Netzwerk. 53 Prozent können sich einen Beitritt in Zukunft vorstellen. Von den Grundversorgern sind bereits 46 Prozent vernetzt, und weitere 41 Prozent denken über einen Beitritt nach. Nur knapp 13 Prozent lehnen Ärzte­netzwerke kategorisch ab.

Grund 2: Die Qualität steigt dank der Vernetzung

2003 veröffentlichte das New England Journal of Medicine eine beunruhigende Studie: Nur bei 50 Prozent aller Behandlungen erhalten US-Patienten die richtige Pflege zum richtigen Zeitpunkt. Krankheiten wie Diabetes, Harnweg-Infektionen, Hüftfrakturen oder offene Wunden werden besonders häufig falsch behandelt. Alkoholkranke erhalten gerade einmal in 10 Prozent aller Fälle eine angemessene Behandlung. Die Studie sagt auch, wie sich diese Quoten verbessern lassen: Positive Anreize setzen, die Qualität messen und veröffentlichen sowie das System vernetzen. Es gibt bereits erste Beweise dafür, dass eine vernetzte Gesundheitsversorgung die Behandlungsqualität steigert. Dieter Conen, Chefarzt der medizinischen Klinik am Kantonsspital Aarau, präsentierte am Forum Managed Care von 2007 erste Ergebnisse. Dank Behandlungsrichtlinien und einer verbesserten Zusammenarbeit mit den Praxisärzten konnte das Kantonsspital Aarau die Komplikationsrate bei Hirnschlägen und Herzinfarkten deutlich reduzieren und liegt nun klar unterhalb der durchschnittlichen Komplikationsrate. Wichtig ist laut Cohen nicht nur die Zusammenarbeit mit dem vorbehandelnden Arzt, sondern auch eine sorgfältige Planung der Zeit nach der Entlassung. Dazu gehört die rasche und präzise Information der «nachbehandelnden Institute». Neben Ärzten können dies auch Pflegeheime, die Spitex oder der Sozialdienst der Gemeinde sein. Laut Cohen versorgt das Aargauer Kantonsspital alle involvierten Stellen innert fünf Tagen mit den nötigen Austrittsberichten – schneller als alle anderen verglichenen Spitäler. Grund 3: Die künftigen gesundheitlichen Herausforderungen verlangen nach Vernetzung

Die Krankheitsbilder verändern sich momentan stark: Laut dem European Brain Council leiden in Europa bereits 127 Millionen Menschen an einer psychischen oder neurologischen Krankheit – bei insgesamt 400 Millionen Einwohnern. Zwischen 62 Prozent (Grossbritannien) und 37 Prozent (Schweiz) aller Europäer sind laut OECD übergewichtig oder fettleibig. Die Folge ist eine Zunahme von Herzkreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Gelenkproblemen. Diese Trends scheinen sich weiter fortzusetzen, und so droht in Zukunft ein grösserer Anteil von Personen, die an mehreren chronischen Erkrankungen gleichzeitig leiden. Hinzu kommt die Alterung der Bevölkerung. Demenzerkrankungen werden häufiger, es wird viele Patienten geben, die sich nicht mehr alleine im Gesundheitswesen zurechtfinden. Das Bedürfnis nach vernetzten Hausärzten, die ihre Patienten durch den gesamten Behandlungsprozess begleiten, wird rasch zunehmen. Kein Wunder, dass der deutsche Epidemiologe und Sozialmediziner Volker Amelung erklärt: «Für die Gesundheitssysteme wird der Aufbau eines guten Versorgungsmanagements zur zentralen Herausforderung.» Grund 4: Die Medizin wird immer komplexer

Das medizinische Wissen verdoppelt sich alle fünf Jahre. Für Ärzte in einer Einzelpraxis wird es zunehmend schwie-

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Foto: Prisma

rig, sich neben der ärztlichen und medizinischen Tätigkeit auf dem neuesten Stand zu halten. Dass der Austausch von Wissen für immer mehr Ärztinnen und Ärzte ein grosses Bedürfnis ist, zeigen Erfahrungen aus den Qualitätszirkeln: Daniel Gelzer vom «Qualitätszirkel B Merian Iselin» in Basel schreibt im Primary Care 4/08, dass an den monatlichen Sitzungen der zehn bis 14 Mitglieder durchschnittlich zwei kritische Fälle zur Sprache kämen. «Diagnostische Probleme liegen weit an der Spitze, gefolgt von therapeutischen.» Ohne diese oder eine andere Form der Zusammenarbeit sind die Ärzte mit ihren Schwierigkeiten allein. Grund 5: Die Kosten

Die OECD ortet in ihrem Bericht zum schweizerischen Gesundheitswesen drei Hauptursachen für die ungebremst steigenden Kosten: Den Einzelleistungstarif, den ausgeprägten Föderalismus und die fehlende Zusammenarbeit. Das hat gravierende Folgen: Eine Studie der Universität Lausanne geht von Behandlungen im Umfang von drei Milliarden Franken aus, die medizinisch nichts bringen. Helsana spricht von 23 Millionen Franken pro Jahr, die sie wegen vermeidbaren Spitalwiedereintritten bezahlt. Auf alle Versicherten hochgerechnet sind das fast 200 Millionen Franken. Solche Kosten wären zum Teil vermeidbar, wenn die Vernetzung im Gesundheitswesen weiter fortgeschritten wäre. Dass Hausarztnetze ein flacheres Kostenwachstum aufweisen, ist bewiesen: Das Winterthurer Ärztenetz hawadoc zum Beispiel weist zwischen 1997 und 2005 eine Teuerung von 25,7 Prozent auf – im schweizerischen Durchschnitt sind es über 30 Prozent. Wohlgemerkt: Es geht hier nicht um tiefere absolute Kosten wegen besserer Risiken, sondern um ein tatsächlich verlangsamtes Kostenwachstum. Der mediX-Präsident Andreas Weber zeigte am Forum Managed Care 2008 anhand eines Beispiels das Sparpotenzial der vernetzten Versorgung auf. 2001 wurde ein Patient wegen eines Schwächeanfalls in ein Spital eingewiesen. Kosten: 4870 Franken. Anderthalb Jahre später widerfuhr ihm dasselbe. Die mediX-Ärzte konnten ihn diesmal aber ambulant behandeln und ihn anschliessend in die Obhut einer Pflegefachfrau geben. Kosten insgesamt: 1022 Franken. PETER KRAFT

Das Gesundheitswesen funktioniert nur in Perfektion, wenn seine verschiedenen Teile miteinander verknüpft sind.

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Alltag in der neuen Notfallpraxis am Kantonsspital Luzern

Chance für Hausärzte, Notfallstationen und Patienten Nach Baden und Solothurn hat auch das Luzerner Kantonsspital seine Notfallpraxis. Es betreibt sie zusammen mit den Hausärzten der Region und verfolgt damit zwei Ziele: Erstens soll die eigentliche Notfallstation von den Bagatellfällen befreit werden. Und zweitens soll die Praxis die Belastung der Hausärzte durch den Notfalldienst reduzieren. Wir haben der neuen Notfallpraxis einen halben Tag lang den Puls gefühlt.

Wer das Luzerner Kantonsspital durch den Haupteingang betritt, sieht als Allererstes die neue Notfallpraxis. Das macht bereits klar, welchen Anspruch sie erhebt: Sie ist die Anlaufstelle für all jene Patienten, die sich als Notfall betrachten und deshalb das Spital ohne Einweisung aufsuchen. Das ist der grosse Unterschied zur Notfallpraxis im Kantonsspital Baden. Dort ist eine Triage-Stelle vorgeschaltet, welche die Patienten entweder der Notfallpraxis oder der «echten» Notfallstation für schwerere Fälle zuweist. In Luzern übernimmt die Notfallpraxis diese Triage gleich selber. «Das bedeutet, dass wir uns eine Stelle in der Notfallkette sparen können», erklärt Dr. Piet van Spijk, Leiter der Notfallpraxis. «Ausserdem sind die Patienten mit den weniger gravierenden Beschwerden direkt am richtigen Ort und tangieren die restlichen Abläufe im Spital nicht.» Während der Wochentage sorgen van Spijk, ein erfahrener Assistenzarzt und eine Praxis­ assistentin für den Betrieb der Notfallpraxis. Die Hausärzte übernehmen ausserhalb der normalen Arbeitszeiten – also abends und am Wochenende. Ärzte und Patienten reagieren positiv

Wie ist die Reaktion der Grundversorger auf die neue Notfallpraxis? «Bisher sehr positiv», sagt Piet van Spijk. «Ich bin überrascht, wie schnell sie sich im neuen Arbeitsumfeld zurechtfinden und wie engagiert sie ihren Dienst leisten.» Der Praxisleiter räumt jedoch ein, dass die beteiligten Hausärzte Freiwillige sind, welche die Notfallpraxis in der Pilotphase betreuen. «Wie es aussieht, wenn im Januar der Vollbetrieb startet, kann ich nicht sagen.» Heisst das, dass ab 2009 Ärzte zum Dienst in der Notfallpraxis gezwungen werden? «Ich hoffe es nicht», sagt van Spijk. Die Ärzte aus Luzern und Umgebung haben die freie Wahl zwischen dem bisherigen Präsenzdienst und dem Dienst in der Notfallpraxis. «Wir denken, dass sich genug Hausärzte für den Dienst im Spital entscheiden werden, so dass niemand dazu verdonnert werden muss», gibt sich van Spijk optimistisch. Und wie beliebt ist die neue Notfallpraxis bei den Patienten? «Wir haben zwischen fünf und vierzig Konsultationen pro Tag», sagt Piet von Spijk. Am Wochenende, wenn die Arztpraxen geschlossen sind, kommen deutlich mehr Patienten. Allerdings, so van Spijk, seien darunter kaum alkoholisierte oder verletzte Nachtschwärmer. «Auch von den Fussballspielen merken wir kaum etwas.»

Fördert Notfallpraxis die Hausarzt-Medizin?

Ein wichtiger Nebeneffekt ist für Piet van Spijk, dass die Assistenzärzte dank der Notfallpraxis auch im Spital mit der Hausarztmedizin in Berührung kommen. Das sieht auch Prof. Dr. Verena Briner, Chefärztin der Inneren Medizin und Initiantin der Notfallpraxis, so. «Unsere Notfallpraxis leistet einen Beitrag zur Nachwuchsförderung in der Grundversorgung», sagt sie. Dass die Schaffung von Notfallpraxen in den Spitälern nötig wird, liegt für Verena Briner auch in einer zunehmenden Konsumhaltung begründet: «Viele Leute wollen für jedes kleine Problem einen Arzt – und zwar sofort.» Wer in der Nähe eines Spitals wohne, suche deshalb oft einfach die Notfallstation auf. Das habe zu Überlastungen geführt und die Behandlung der wirklich dringenden Fälle behindert. Die Notfallpraxis entschärfe dieses Problem, sagt Verena Briner – und gleichzeitig entlaste es die Grundversorger von den langen und häufigen Notfalldiensten. Die Befürchtung mancher Hausärzte, dass durch die Notfallpraxis Patienten von den Grundversorgern Richtung Spital abgezogen würden, teilt Verena Briner nicht: «Wir geben den Patien­ten der Notfallpraxis eine Liste mit den Hausärzten der Umgebung mit, die noch Patienten annehmen. Damit möchten wir erreichen, dass sie in nicht dringenden Fällen wieder den Grundversorger statt das Spital aufsuchen.» Verena Briner kritisiert auch die Schwarzseherei unter den Hausärzten: «Wie sollen junge Mediziner noch Lust auf den Grundversorger-Beruf bekommen, wenn sie von den Ärzteverbänden immer nur hören, wie schlecht die Situation sei?» Verbesserungen und neue Lösungsansätze, wie eben die Notfallpraxis oder die neu entstandenen universitären Hausarzt-Institute, würden von den Ärzten selber zu wenig gewürdigt. Am falschen Ort – und doch nicht umsonst

Auch der Assistenzarzt Stefan Widmer, der zurzeit fast ausschliesslich in der Notfallpraxis arbeitet, möchte eher nicht Hausarzt werden: «Die Signale, welche die Politik aussendet, sind einfach zu negativ». Die Arbeit würde ihm aber an sich Spass machen. Nach einem ruhigen Vormittag besucht Stefan Widmer eine Wei-

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terbildung im Spital. Gegen Ende des Vortrags über «medizinische Gefahren im Badeurlaub» wird er zurück in die Praxis gerufen. Dort erwartet ihn ein Patient, der seit längerem über Schmerzen im Blasenbereich klagt. Der Mann ist nicht deutscher Muttersprache und hat etwas Mühe, seine Situation zu schildern. Vorerst scheint es, als ob er mit der unsicheren Diagnose seines Hausarztes nicht zufrieden sei. Er sagt, er wolle nun endlich genau wissen, was er habe. Stefan Widmer untersucht Blase und Prostata, kann aber ausser einer leichten Vergrösserung nichts Auffälliges finden. Der Patient ist mit diesem Bescheid nicht wirklich glücklich, und erst jetzt stellt sich heraus, dass der Hausarzt den Mann zur Untersuchung ins Spital geschickt hat. Er hätte direkt in die Urologie-Abteilung gehen sollen, ist aber wegen Verständigungs- und Kommunikationsschwierigkeiten in der Notfallpraxis gelandet. So etwas komme hin und wieder vor, sagt Stefan Widmer. Trotzdem: Ganz vergebens sei der Besuch nicht gewesen. Denn die Untersuchungen, die er

gemacht habe, hätte der Urologe sowieso durchführen müssen – der Patient habe nun bereits einen Teil der Prozedur hinter sich. Schnell und unkompliziert beruhigen

Nach dem ereignislosen Vormittag geht es nun Schlag auf Schlag: Bereits lädt Stefan Widmer einen weiteren Patienten ins Sprechzimmer. Er klagt über starke Schmerzen in einem Zeh. Vor einigen Tagen sei er damit gegen eine Wand gestossen, und seither seien die Schmerzen nicht abgeklungen. Der Arzt lässt den Patienten röntgen und kann ihn dann beruhigen: Der Zeh ist lediglich verstaucht, eine Behandlung mit Voltaren reicht völlig aus. Auch beim nächsten Patienten stellt sich alles als halb so schlimm heraus: Er muss seit kurzer Zeit ein bestimmtes Medikament einnehmen und klagt seither über juckenden Ausschlag. Stefan Widmer erklärt dem Mann, dass dies eine normale Nebenwirkung des Medikaments sei und kein Grund zur Sorge. Er verschreibt ihm ein Mittel, das den Juckreiz reduziert. Ausserdem empfiehlt Stefan Widmer dem Patienten, einen Hausarzt aufzusuchen, wenn dass Jucken nach Absetzen des Medikaments nicht nachlässt. Eine Chance – gerade für Migranten

Es ist klar: Wirkliche Notfälle sind das alles keine. Das ist für Stefan Widmer aber kein Grund, die Notfallpraxis in Zweifel zu ziehen: «Diese Patienten wären alle in der Notfallstation gelandet, wo es nun wirklich anderes zu tun gibt». Er gibt auch zu bedenken, dass die Fälle in der Nacht anders gelagert sind: «Wer dann kommt, hat meistens ein gravierenderes Problem.» Schliesslich zerstreut Stefan Widmer einen weiteren Eindruck, der im Laufe dieses Tages in der Luzerner Notfallpraxis entstanden ist: «Nein, es sind nicht hauptsächlich Männer, welche die Notfallpraxis aufsuchen.» Das heute keine einzige Frau aufgetaucht sei, sei Zufall. Hoch ist laut Stefan Widmer aber der Anteil der Patienten ausländischer Herkunft. «Aber gerade bezüglich dieser Personen ist unsere Praxis eine Chance. Statt dass sie Engpässe in der Notfallstation verursachen, zeigen wir ihnen mit unserer Liste die Möglichkeit auf, sich einen Hausarzt zu suchen. Damit leisten wir einen Beitrag, dass sich diese Menschen besser in unser Gesundheitssystem integrieren können.»

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PETER KRAFT

Wenn Hausärzte und Spitäler gemeinsam Notfallpraxen betreiben, kann das beide Seiten entlasten.

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Neues Gesetz: Das Gesundheitswesen soll sich mehr an den Regionen orientieren

Frankreich will Spitäler zusammenführen Am 22. Oktober 2008 stellte die französische Gesundheitsministerin Roselyne Bachelot-Narquin den Gesetzesentwurf «Krankenhaus, Patienten, Gesundheit und Gebiete» vor. Er soll Versorgungslücken schliessen und die ambulante Medizin, den Spitalbereich und den sozialmedizinischen Sektor näher zusammenzuführen. Seit vierzig Jahren hat es in Frankreich keine Reform in diesem Ausmass mehr gegeben.

Die Reform will das Spitalwesen modernisieren und die Verbindungen zwischen Hausarztmedizin und Krankenhaus festigen, damit jeder Patient überall Leistungen zu vergleich­ baren Tarifen erhält. Zur Ummodellierung der KrankenhausLandschaft sind verschiedene Strategien vorgesehen. Die Anstalten werden Qualitätsindikatoren festlegen und eine Kultur entwickeln müssen, die an Resultaten orientiert ist. Dabei sind Information und Transparenz wichtige Elemente. Die Zusammenarbeit zwischen dem Krankenhaus und den anderen lokalen Einrichtungen wird im Rahmen der Communautés hospitalières de territoires (CHT, Gemeinschaften von Krankenhäusern, die an ein bestimmtes Gebiet gebunden sind) zunehmen. Die Krankenhäuser werden gemeinsamen, von den Fachleuten definierten medizinischen Projekten beitreten, sich Aufgaben teilen sowie ihre materiellen Ressourcen, ihr Know-How oder die Verwaltung zusammenlegen. Ziel ist es, die Notfalldienste, welche die Kranken allzu oft aus Gewohnheit aufsuchen, zu entlasten und die ambulante Pflege, die stationäre Pflege und den sozialmedizinischen Sektor näher zusammenzuführen. Zugang zu qualitativ hoch stehender Pflege für alle

Das Gesetz will auch eine Lösung für das folgende Paradox finden: Wie kann es in einem Land, dessen medizinische Dichte zu einer der höchsten in den OECD-Ländern gehört, zu einem Mangel an medizinischer Versorgung kommen? Gegenwärtig ist diese in 17 Departementen nicht mehr vollständig gewährleistet. Roselyne Bachelot will den lokalen Gegebenheiten mehr Beachtung schenken. Die Versorgung soll auf regionaler Ebene organisiert und die Zahl der ausgebildeten Ärzte dem lokalen Bedarf angepasst werden. Rund 70 Prozent der Ärzte bleiben in der Region, in der sie studiert haben. Also wird die Zahl der Studenten und Assistenzärzte in jedem Fachgebiet nunmehr entsprechend dem Bedarf des lokalen Gesundheitswesens festgelegt. Auf Wunsch zahlreicher Ärzte, insbesondere der jüngeren, soll die medizinische Grundversorgung mit der Schaffung von interdisziplinären medizinischen Anstalten besser organisiert werden. Diese sollen in ländlichem Gebiet alle Gesundheitsberufe vom Zahnarzt bis zur Physiotherapeutin unter einem Dach vereinen.

Die französische Gesundheitsministerin Roselyne Bachelot-Narquin besucht ein Spital.

Mehr Rücksicht auf regionale Gegebenheiten

Das Disease Management (siehe infosantésuisse 7/08) soll im Gesetz verankert werden, um die Lebensumstände und die Betreuung chronischkranker Personen zu verbessern. Hinzu kommen Massnahmen zum Verkaufsverbot von Alkohol an Minderjährige und das vollkommene Verkaufsverbot von aromatisierten «Bonbon-Zigaretten». Des Weiteren sieht das Gesetz die Schaffung von Agences régionales de santé (ARS) vor. Sie vereinigen in ein- und derselben Einheit die Dienste des Staats, der Krankenversicherung und der regionalen Zweigstellen für die Krankenhauseinweisung. Sie sind gleichzeitig für die Prävention, die Gesundheitsversorgung und für die Pflege-Institutionen zuständig. Roselyne Bachelot-Narquin meint: «Die ARS unterstützen die Anpassung unseres Gesundheitssystems an die regionalen Gegebenheiten. Um beispielsweise mit der Alterung in unserem Land Schritt halten zu können, ist es unverzichtbar, Betten für Kurzaufenthalte wieder in Plätze für Langzeitaufenthalte, insbesondere in sozialmedizinische Plätze, umzuwandeln. Wenn wir diese Politik von Paris aus verfolgen, wird sie zum Scheitern verurteilt sein. Wenn die Entscheide hingegen auf lokaler Ebene fallen, wird sie erfolgreich sein.» Die ersten Befürchtungen

Die «Neugestaltung der Krankenhäuser» weckt auf lokaler Ebene Skepsis, obwohl ihr Prinzip von der Fédération hospitalière de France (FHF) und von den Associations d’usagers du collectif interassociatif sur la santé (Ciss) unterstützt wird.

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Foto: Keystone

«Es besteht die Gefahr, dass das regionale Hauptkrankenhaus, die Tätigkeiten der kleineren Spitäler verschlingen wird», warnt der nationale Gesundheitsverantwortliche der sozialistischen Partei, Claude Pigement. Gemäss der Fédération hospitalière de France droht die Schliessung von 100 und 150 Chirurgieabteilungen. Diesem hält Professor Guy Vallancien, Chirurg im Institut mutualiste in Montsouris, entgegen: «Es ist nicht so, dass die Bewohner eines Dorfes nicht von Gesundheitsstrukturen profitieren können, wenn das Dorf kein eigenes Krankenhaus hat. […] Wir verfügen über schnelle Transportmöglichkeiten, über die Möglichkeit der Telemedizin. Wenn wir diese Instrumente richtig nutzen, können wir die Qualität und die Nähe der Spitäler aufrecht erhalten.» Der Gesetzesentwurf ermöglicht es den öffentlichen Krankenhäusern, rentabel zu sein. Die einzelnen Anstalten sollen dazu eine zunehmende Autonomie erhalten und selber über die Einstellung, die Besoldung der Ärzte und das Budget entscheiden. Ziel ist es, die Finanzen der öffentlichen Krankenhäuser ins Lot zu bringen, die im Jahr 2007 ein Defizit von 467,7 Millionen Euro verzeichneten. Die Gewerkschaften befürchten, dass die Rentabilität vor die Bedürfnisse der Patienten oder die Gleichbehandlung gestellt wird. Die Krankenhäuser könnten dazu angestachelt werden, sich nur noch die rentabelsten Patienten auszusuchen. Der Entwurf des Gesundheitsgesetzes sieht eine leistungsabhängige Entlöhnung der Ärzte vor. Gemäss der Ärztekammer «riskiert diese Art der Besoldung, dass ein Druck entsteht, der für die Pflegequalität nicht förderlich ist. Wenn es

um das Beste für den jeweiligen Patienten geht, mag es zu spürbaren Diskrepanzen zwischen der Auffassung eines Anstaltsdirektors und jener des Praktikers kommen». Reformen sind nötig – aber wie steht es mit der Umsetzung?

Trotz dieser Bedenken: Angesichts der regionalen Versorgungslücken und der Überfüllung der Notfalldienste scheinen die Neuerungen notwendig. Bleibt abzuwarten, wie es in der Praxis aussieht: Wird die medizinische Landschaft Frankreichs eine tief greifende Veränderung erfahren? Oder bleibt es bei der einfachen Schliessung von Kliniken aus wirtschaftlichen Gründen, ohne dass sich die Koordination dadurch verbessert? Kann das Gesetz die regionalen Ungleichheiten eliminieren – oder bleiben sie bestehen, weil nicht allen Regionen dieselben Mittel für die Gesundheit zur Verfügung stehen? Und schliesslich: Wird es zu massiven öffentlichen Protesten gegen das Gesetz kommen? Die öffentlichen Krankenhäuser Grossbritanniens wurden 1997 unter der Regierung Tony Blairs einer ähnlichen Reform unterzogen, indem die Anstalten zu Konkurrenten wurden und sie bestimmte Ziele der Rendite und der Leistungsfähigkeit zu erfüllen hatten. Die Regierung hatte jedoch Mittel zur Verbesserung des öffentlichen Gesundheitssystems bereitgestellt, indem es dessen Finanzierung verdreifachte. MAUD HILAIRE SCHENKER

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Im Gespräch: Dr. med. Felix Huber, Leiter der mediX-Gruppenpraxis Zürich

«Die Sternstunde der Grundversorger steht bevor»

Foto: zVg

Eigentlich hätten wir den Managed Care-Vorreiter Felix Huber gerne mit einem Verfechter des Modells Einzelpraxis für ein Streitgespräch an einen Tisch geholt. Doch von den angefragten Hausärzten sieht sich keiner als Gegenpol zu Huber. Ist das ein erstes Zeichen dafür, dass sich die Grundversorgung in einem grösseren Veränderungsprozess befindet?

Eigentlich wäre dieses Interview als Streitgespräch zwischen Ihnen und einem überzeugten «Einzelpraxler» konzipiert gewesen. Die Nachfrage bei verschiedenen engagierten Hausärzten ergab: Niemand betrachtet sich als ihr Gegenspieler. Wie erklären Sie sich das?

Offenbar findet ein Mentalitätswechsel statt. Noch vor einigen Jahren hätten Sie problemlos jemanden für dieses Streitgespräch gefunden. Inzwischen sind die wirtschaftlichen und organisatorischen Hürden, mit denen Einzelpraxen zu kämpfen haben, um einiges höher geworden. Die Einsicht, dass die Einzelpraxis ein Auslaufmodell ist, hat sich wohl durchgesetzt.

Welche Rolle spielt die vielzitierte «Feminisierung» des Hausarztberufs?

In Zukunft wird die Mehrzahl der Mediziner Frauen sein. Gruppenpraxen ermöglichen bis zu einem gewissen Grad Teilzeitarbeit, was vielen Ärztinnen entgegenkommt – und auch vielen Ärzten, die ihre Kinder mitbetreuen. Die Grundversorger klagen über die grosse Zeitbelastung durch den Notfalldienst. Andererseits befürchten sie einen Kompetenzverlust, wenn zum Beispiel an Spitälern Notfallpraxen entstehen. Wie ist dieses Dilemma lösbar?

Tatsächlich müssen wir gut beobachten, ob mit dem «Badener Modell» Patienten von den Grundversorgern in die Spitäler verschoben werden. Allerdings ist es so, dass gerade in Städten und Agglomerationen viele Menschen ohnehin den Notfalldienst des Spitals benutzen und sich nicht mehr an den diensthabenden Arzt wenden. Notfallzentren sind deshalb der richtige Weg. Ob sich diese, wie in Baden, in den Spitälern befinden müssen oder ob Gruppenpraxen diese Funktion erfüllen können, wird sich zeigen. Wie sehen Sie die medizinische Grundversorgung in grösseren Städten in zwanzig Jahren?

Einzelpraxen wird es kaum mehr geben. Gruppenpraxen werden nicht mehr hauptsächlich aus Grundversorgern bestehen, sondern auch Spezialisten integrieren. In Zukunft werden Patienten nicht mehr von Ort zu Ort geschickt, sondern möglichst lange unter einem Dach betreut.

Bedauern oder begrüssen Sie das?

Ich begrüsse diese Entwicklung. Ich bin immer schon davon überzeugt gewesen, dass Gruppenpraxen entscheidende Vorteile bieten. Deshalb freut es mich, dass sich diese Auffassung in der Ärzteschaft nun durchsetzt. Eine Studie über die Berufswünsche junger Ärztinnen und Ärzte besagt, dass nur noch 16 Prozent der angehenden Mediziner Allgemeinpraktiker werden wollen. Davon möchten 91 Prozent in einer Gruppenpraxis arbeiten. Trägt diese neue Generation die Einzelpraxis zu Grabe?

Wenn 16 Prozent aller jungen Mediziner Grundversorger werden wollen, ist das viel zu wenig. Es müssten mindestens 50 Prozent sein. Es braucht also dringend Schritte, um die Attraktivität des Grundversorger-Berufs zu steigern. Dass praktisch alle angehenden Grundversorger in einer Gruppenpraxis arbeiten möchten, ist ein Zeichen eines geänderten Rollenverständnisses. Sie möchten eine Tätigkeit im Team und einigermassen geregelte Arbeitszeiten.

Wie sehen Sie die Grundversorgung der Zukunft auf dem Land?

Es muss zwangsläufig etwas Neues entstehen, weil die Ärzte auf dem Land kaum mehr Nachfolger finden, wenn sie sich zur Ruhe setzen. Das Angebot von ländlichen Gruppenpraxen wird zwar weniger umfassend sein, und für gewisse Spezialuntersuchungen werden die Menschen in die Stadt reisen müssen. Aber das ist ja schon heute so. Also: Der Strukturwandel kommt. Ich rate den Ärzten auf dem Land, ihn selber in die Hand zu nehmen und sich zusammenzuschliessen. Sonst stehen sie am Ende als Verlierer da. Das bedeutet für die Landbevölkerung aber grössere Distanzen zur Praxis, weil sich die Ärzte nur noch an bestimmten Orten konzentrieren.

Erstens sind solche Abstriche sicher besser als gar keine Arztpraxen mehr in den dünn besiedelten Gebieten und Berg­ tälern. Und zweitens haben Gruppenpraxen nicht zwingend nur einen Standort. Denkbar sind auch mobile Praxen als Ergänzung, ähnlich den Migroswagen von damals. Viele Massnahmen, um den Hausarztberuf wieder attraktiver zu machen, stehen momentan zur Diskussion. Welche davon sind die richtigen?

Finanzielle Anreize spielen sicher eine wichtige Rolle. Höhere Taxpunktwerte oder attraktivere Tarifpositionen für Grund-

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versorger könnten einiges bewirken. Falsch sind hingegen Einkommenssenkungen. Mit der Senkung von Labortarifen motiviert man sicher niemanden, den Beruf Hausarzt zu ergreifen. Aber auch das Berufsbild des Grundversorgers muss attraktiver werden. Viele Behandlungen, die heute Spezialisten übernehmen, könnte ein Hausarzt genauso gut durchführen. Völlig falsch fände ich eine abgespeckte, schnellere Ausbildung für Hausärzte, die auch mit weniger Kompetenzen in der Praxis verbunden wäre. Inwiefern haben die Allgemeinpraktiker ihre Zukunft selber in der Hand?

Foto: Prisma

Mit der zunehmenden Komplexität der Medizin wird auch die Nachfrage nach Ärzten steigen, welche die Patienten auf dem gesamten Behandlungsweg begleiten. Die Hausärzte werden in Zukunft noch unentbehrlicher sein als heute. Die Sternstunde der Grundversorger steht uns bevor. Erste Zeichen gibt es bereits: An mehreren Universitäten sind Hausarzt-Institute gegründet worden. Wir können diese Chance aber nur packen, wenn wir den Strukturwandel nicht abwarten, sondern mitgestalten. Das geht nur, wenn wir mit einer

Stimme sprechen und uns über die Gruppenpraxen hinaus zu Ärztenetzen zusammenschliessen. Welchen Beitrag können die Krankenversicherer leisten für eine starke Grundversorgung?

Sie sollen mit den Ärztenetzwerken faire Verträge abschliessen und sich verabschieden von der Risikoselektion. Gewisse Krankenversicherer nehmen Ärztenetze auf ihre Listen, ohne mit ihnen Rücksprache zu nehmen und ohne sie für die bessere Koordination der Behandlung zu bezahlen. Damit graben sie der Managed Care-Bewegung das Wasser ab. In der Politik vermisse ich Visionen, wohin sich unser Gesundheitswesen entwickeln soll. Viele Parlamentarier scheinen mit den komplexen Dossiers überfordert zu sein, und vom Bundesrat kommen auch keine bahnbrechenden Impulse. Bestes Beispiel ist die Managed Care-Vorlage, die wie eine heisse Kartoffel herumgereicht wird. Immerhin sind ja jetzt Vorschläge für eine duale Grundversicherung auf dem Tisch.

Davon bin ich absolut begeistert. Wir haben uns schon lange dafür stark gemacht, Managed Care-Modelle durch Anreize wie tiefere Selbstbehalte attraktiver zu machen. Der differenzierte Selbstbehalt für Generika hat bereits bewiesen, dass solche Massnahmen funktionieren. Natürlich müssen den dualen Modellen ausgehandelte Verträge zwischen Ärzten und Versicherern zugrunde liegen – und nicht einfach einseitige Proklamationen der Krankenkassen. Wie lassen sich die Schnittstellen zwischen ambulanter und stationärer Medizin abbauen?

Die Lösung liegt meiner Meinung nach weniger darin, ambulant und stationär zu verschmelzen. Wenn aber die Grundversorger das Zepter in der Hand haben, die verschiedenen Behandlungsschritte koordinieren und auch eine Mitverantwortung für das Budget übernehmen, werden die Schnittstellen mit Sicherheit besser funktionieren. Welche Vorteile von Ärztenetzwerken sind bisher wenig bekannt – eventuell zu schlecht verkauft worden?

Die Ärztenetzwerke gelten vor allem als Sparmodell. Ihre qualitativen Vorteile sind deshalb leider zu wenig bekannt. Vor allem in Netzen mit Budgetverantwortung sehen sich die Ärzte regelmässig, tauschen sich aus und lassen ihre Qualität zertifizieren. Die Krankenversicherer haben diese Bemühungen bisher wenig anerkannt. Würden Qualitätsnachweise mit höheren Tarifen belohnt, hätte sich die Diskussion um die fehlenden Qualitätsnachweise in der Medizin bald einmal erledigt. INTERVIEW: PETER KRAFT

Felix Huber: «Die Einsicht, dass die Einzelpraxis ein Auslaufmodell ist, hat sich wohl durchgesetzt.».

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Zu Besuch bei den Telemedizinern von Medgate

Dank den «Cyber-Docs»: Das Zuhören in der Medizin erlebt eine Renaissance Medgate betreut Patienten per Telefon und Internet. Durch Zuhören stellen Ärzte präzise Diagnosen, stellen Rezepte aus und faxen sie an die Apotheke. Selbstgemachte Digitalfotos von Hautveränderungen ersetzen den Augenschein, Blutdruckwerte werden per SMS übermittelt. Kann das gut gehen? Ein Besuch bei Medgate zeigt: Ja es kann – auch, weil die Telemediziner ihre Grenzen akzeptieren.

Sichere Diagnose dank den richtigen Fragen

Heute hat Medgate 130 Mitarbeitende, davon 45 Ärzte. Die Mitglieder von Medgate erhalten medizinischen Rat am Telefon, via Internet oder per Videokonferenz. Herzkreislaufund Lungenpatienten können sich aus der Ferne coachen lassen. Nicht ohne Stolz spricht der Medienverantwortliche von Medgate, Cédric Berset, von den bis zu 1600 Telekonsultationen, die Medgate jeden Tag abwickelt. «Fast 60 Prozent aller Anrufer können von Medgate abschliessend versorgt werden», sagt Berset. Das bedeutet, dass die Ärzte am Telefon die korrekte Diagnose stellen und den Patienten die nötigen Anweisungen zur Selbstbehandlung geben können. Sollten dazu Medikamente nötig sein, können die Teledoktoren diese in bestimmten Fällen selber verschreiben und das Rezept direkt an die Apotheke faxen.

Wenn ein Patient bei Medgate anruft, nimmt eine Telemedizinische Assistentin sein Problem entgegen und gibt die wichtigsten Angaben dazu in ein Computersystem ein. Die Medgate-Ärzte können die eingegangenen Fälle so direkt sehen und die Patienten innert 30 bis 60 Minuten zurückrufen. Timo Rimner ist einer dieser Telemediziner. Auf dem Bildschirm hat er die Angaben eines Patienten, der seit einigen Tagen an Rückenschmerzen leidet, selbst aber nicht glaubt, dass er einen Hexenschuss hat. Timo Rimner ruft den Mann an, lässt ihn seine Beschwerden beschreiben und beginnt dann, gezielte Fragen zu stellen: Wo genau sind die Schmerzen? Wie stark sind sie? Wohin strahlen sie aus? Treten sie bei bestimmten Bewegungen auf oder zu bestimmten Tageszeiten – etwa beim Aufstehen? Der Arzt kommt zum Schluss: Es handelt sich doch um einen Hexenschuss. Er verschreibt dem Patienten für die nächsten Tage entzündungshemmende Medikamente und vereinbart ein weiteres Telefongespräch. Timo Rimner will sicher gehen, dass sich der Hexenschuss nicht zu einem Bandscheiben-Vorfall entwickelt. Ein anderer Patient schildert Timo Rimner Schmerzen im Wadenbereich. Die Schmerzen sind an einer kleinen Stelle konzentriert und nicht an der Oberfläche. Wiederum stellt der Medgate-Arzt präzise Fragen. Aber dieses Mal ist eine klare Diagnose nicht möglich. Timo Rimner sieht allerdings die Gefahr, dass es sich um eine Thrombose handeln könnte. Er empfiehlt dem Patienten deshalb, seinen Hausarzt aufzusuchen. Nach dem Telefonat zeigt Timo Rimner die Medgate-Fragerichtlinien für Beinschmerzen. Es wird deutlich: Der Arzt hat nicht einfach ins Blaue hinaus gefragt, sondern ist einem bewährten Schema gefolgt. Viele dieser telemedizinischen Richtlinien gehen den Ärzten mit der Zeit in Fleisch und Blut über. Wenn dennoch Unsicherheiten auftauchen, funktioniert das Nachschlagen während des Telefongesprächs dank einer übersichtlichen Software problemlos.

Kassen erkennen Potenzial

Grenzen akzeptieren

60 Prozent aller medizinischen Probleme kann Medgate also lösen, ohne dass ein Arztbesuch nötig ist. Kein Wunder, dass die Krankenkassen auf den Geschmack kommen: Bereits bieten zehn grosse Versicherer ihren Mitgliedern Zugang zu Medgate, mehrere kleine Versicherer kommen über den Verband RVK hinzu. Und Cédric Berset verrät: «Auf 2009 werden es wieder ein paar mehr.» Fast die Hälfte der Schweizer Bevölkerung kann damit die Dienste von Medgate in Anspruch nehmen. Trotzdem bleiben die Vorbehalte: Kann ein Arzt am Telefon wirklich eine seriöse Diagnose stellen? Erkennt er wirklich so viel wie eine Medizinerin, der ich im Sprechzimmer gegenübersitze?

Der Besuch bei Timo Rimner konnte die erwähnten Vorurteile zumindest teilweise entkräften. Mit geschultem Ohr, Einfühlungsvermögen und bewährten Prozessen kann er sichere Diagnosen stellen. Allerdings stösst die Telemedizin durchaus auch an ihre Grenzen, wie das Beispiel mit den Beinschmerzen zeigt. Timo Rimner ist dabei lieber einmal zuviel vorsichtig: «Wenn ich mir nicht absolut sicher bin, stelle ich keine Diagnose, sondern verweise weiter», sagt er. Trotzdem bleibt es erstaunlich, wie der Telemediziner den fehlenden Augenschein kompensiert. Timo Rimner erklärt es so: «Wir sind normalerweise derart auf das Visuelle fixiert, dass wir das aufmerksame Zuhören kaum noch beherrschen. Fehlt uns das Auge als Sinnesorgan, schärft sich das Ohr automatisch und nimmt viel mehr auf, als wir für möglich halten.» Ausserdem müssen die Telemediziner nicht ganz auf optische Eindrücke verzichten. Wenn hilfreich und möglich, bit-

In den neunziger Jahren hat sich die Welt der Information in rasantem Tempo verändert. Noch 1995 erwähnte Microsoft-Chef Bill Gates in einem Papier zur Zukunft seiner Firma das Internet mit keinem Wort. Vier Jahre später war ein grosser Teil der mitteleuropäischen Haushalte ans Internet angeschlossen. Es ist deshalb wenig erstaunlich, dass 1999 drei junge Freunde, ein Arzt, ein Ökonom und ein Informatiker, die Idee hatten, auch in der Medizin neue Wege der Kommunikation zu suchen: Sie gründeten die Telemedizin-Firma Medgate. Rasante Entwicklung

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Foto: ZVG

Die Medgate-Ärzte bei der Arbeit.

ten sie die Patienten, ihnen per E-Mail Fotos von ihrem Leiden zu schicken. Das sei besonders bei Hautkrankheiten hilfreich, so Timo Rimner. Hilfe im Ausland

Medgate bietet ihren Mitgliedern auch Unterstützung, wenn sie im Ausland gesundheitliche Probleme bekommen. Wenn ein Patient aus dem Ausland anruft, organisieren die MedgateÄrzte in Zusammenarbeit mit einem weltweiten Agentennetz eine medizinisch und wirtschaftlich sinnvolle Behandlung. Oft genüge die professionelle Anleitung zur Selbstbehandlung, sagt Bernard Povel, Leiter der Medical Assistance von Medgate. In anderen Fällen sei eine Kontrolle bei einem Arzt vor Ort oder sogar die Einweisung in eine Klinik nötig. Dann kümmert sich Medgate nach Rücksprache mit der Versicherung auch um die Abwicklung der Kosten. Böse Überraschungen für Patienten und Krankenversicherer in Form von schlechter Behandlung, weit entfernten Privatkliniken und ungedeckten Rechnungen lassen sich so grösstenteils vermeiden. Bernard Povel betont: «Sehr wichtig ist die umfassende medizinische und logistische Abklärung.» Im Notfall organisiert Medgate auch die Verlegung oder den Heimtransport von schwer kranken Patienten, falls die entsprechenden Leistungen versichert wurden. Bluckdruck-Messungen per SMS

Das dritte Standbein von Medgate ist das Disease Management. Bluthochdruck-Patienten erhalten Messgeräte, welche die Blutdruckwerte dank der Bluetooth-Funktion auf das Handy übermitteln. Dieses sendet ein SMS an die MedgateÄrzte, die so den Blutdruckverlauf der Patienten in Echtzeit mitverfolgen können. Auch Patient und Hausarzt können die Werte in der Datenbank einsehen. Bei auffälligen Werten informieren die Disease-Manager Patient und Hausarzt, damit die Therapie falls nötig umgehend angepasst werden kann. Der Hausarzt bleibt somit der Hauptansprechpartner seiner Patienten. Medgate kümmert sich daneben um die Schulung der Patienten: Wie sollen sie mit ihrer Erkrankung im Alltag umgehen? Auch für ältere Menschen, die kein Handy haben

und sich auch keines mehr anschaffen möchten, hat Medgate eine Lösung: Ein Leihhandy oder ein Gerät, das in Form und Grösse einem Radiowecker ähnelt, übermittelt die Daten – und zeigt auch gleich an, ob das Messen und Senden richtig funktioniert hat. Mascha Bethke, stellvertretende Oberärztin im Disease Management, sagt aber: «Auch ältere Menschen finden sich mit dem Handy meist gut zurecht. Oft bekommen sie sogar Spass daran.» Sie stellt fest, dass die Patienten die anfängliche Skepsis gegenüber der elektronischen Übermittlung ihrer Gesundheitsdaten schnell verlieren: »Sie fühlen sich diskret begleitet und schätzen es, dass auch ihr Hausarzt eng ins Disease Management mit eingebunden ist.» Die Krankenkassen kaufen das Disease Management, welches Medgate auch für Diabetes und Herzinsuffizienz anbietet, für ihre Versicherten bei Medgate ein. «Medizinische Daten erhalten sie aber keine», betont Mascha Bethke. Ideal zusammen mit hoher Franchise

Medgate ist also weit mehr als ein medizinisches Call Center. CEO Andy Fischer betrachtet seine Firma als Lösungsansatz für das grosse Dilemma unseres Gesundheitssystems: «Die Anspruchshaltung der Bevölkerung steigt stetig. Man will einen Arzt, überall und sofort. Das schlägt sich in rasch steigenden Kosten nieder. Medgate erfüllt die hohen Ansprüche an Verfügbarkeit und Qualität zu vernünftigen Kosten.» Nicht nur für das System sei Medgate finanziell höchst interessant, sagt Fischer, sondern auch für die einzelnen Versicherten. Weil die Konsultation bei Medgate dem Patienten nicht verrechnet werde, könnten sich auch Versicherte mit hoher Franchise medizinischen Rat holen, ohne gleich zu Kasse gebeten zu werden. Bei Andy Fischer ist die Begeisterung für «sein» Medgate greifbar. Entsprechend doppelt er nach: «Wenn jemand unser System und seine Kombinationsmöglichkeit mit der hohen Franchise kennt, dann sollte er sich eigentlich nicht lange fragen, ob er zugreift oder nicht.» PETER KRAFT

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Drei Fragen an: Dietmar Michlig, Direktor des Gesundheitsnetzes Wallis

«Qualität ist wichtiger als Distanz» Foto: ZVG

Sie arbeiten auch intensiv mit den Universitätsspitälern zusammen.

«Zu kleine Fallzahlen verunmöglichen eine interessante und qualitativ gute Arbeit.»

Vernetzung und Zusammenarbeit sind nicht nur bei den Hausärzten ein Thema. Auch die Regionalspitäler kommen je länger je weniger um Kooperationen herum. Der Kanton Wallis hat dies erkannt: Seit 2004 sind alle Spitäler des Kantons unter dem Dach von «Gesundheitsnetz Wallis» vereint. Direktor Dietmar Michlig erklärt, warum es dazu kam, und zieht eine Zwischenbilanz.

Was konkret hat zur Gründung des Gesundheitsnetzes Wallis geführt?

Den Ausschlag zu Reformen gaben eigentlich die Ärzte. Gute Onkologen oder Gefässchirurgen wollten an keinem Einzelstandort im Wallis mehr tätig sein. Die kleinen Fallzahlen ermöglichten keine interessante und qualitativ gute Arbeit mehr. Deshalb mussten wir Bedingungen schaffen, unter denen Spezialisten wieder gut und gerne im Wallis arbeiten. Wichtig ist bei alledem: Wir haben nicht wirklich einen Abbau betrieben, sondern nur jedem Standort seine spezifischen Aufgaben zugeteilt. Ein weiterer Grund war und ist die Situation am Arbeitsmarkt. Sie finden heute nicht mehr gutes Personal für sechs ungenügend ausgelastete Opera­ tionssäle. Im Tourismuskanton Wallis müssen wir zudem auf saisonale Schwankungen in der Auslastung reagieren können. Das ist mit sechs Standorten schwierig.

In der Schweiz werden zu wenig Ärzte ausgebildet. Deshalb spannen wir mit den Universitätsspitälern Genf, Lausanne und Bern bei der Assistenz- und Oberarztausbildung zusammen. Wir beschäftigten die Assistenten in der Anfangsphase und bieten ihnen die Möglichkeit, viel praktische Erfahrung zu sammeln. Den Rest ihrer Ausbildung absolvieren sie dann an den Unispitälern. In einem dritten Schritt rekrutieren wir dort unsere Chefärzte. Absehbare Vakanzen diskutieren wir frühzeitig mit den Unispitälern. So können sie uns Ärzte vermitteln, die sich für die Arbeit in einer Regionalklinik mit hohen Fallzahlen interessieren. Ohne diese Zusammenarbeit wäre für uns die Rekrutierung von guten Ärzten sehr schwierig. Wichtig ist für uns auch der KnowHow-Transfer von den Universitätsspitälern. Beispielsweise führen immer wieder Spezialisten vom Unispital mit unseren Leuten Operationen und Projekte durch. Wenn ein Patient aus einem Unispital zu uns verlegt wird, haben wir den Informationsaustausch verbessert: Für jede Disziplin haben beide Seiten je einen Ansprechpartner bestimmt, und die medizinischen Protokolle sind standardisiert. Hat sich die Bevölkerung mittlerweile mir dem Gesundheitsnetz Wallis angefreundet?

Die heftigen Reaktionen, die es bei uns gab, können Sie in jeder Region beobachten, in der Spitäler geschlossen werden. Es braucht eine gewisse Zeit, bis sich das Bewusstsein durchgesetzt hat: Qualität ist wichtiger als Distanz. Ein Beispiel: Nicht mehr jedes Spital betreibt eine Intensivstation. Dafür werden die verbleibenden von eigens ausgebildeten Spezialisten geleitet. Zu Beginn herrschte in der lokalen Bevölkerung das Gefühl: Unser Spital hat jetzt keine Intensivstation mehr. Fakt ist hingegen: Das Wallis als Ganzes schafft es gerade noch, in Sitten und dank enger Zusammenarbeit im Oberwallis eine Intensivstation nach den schweizerischen Richtlinien für Intensivmedizin zu betreiben. Mittlerweile glaube ich jedoch, dass die Bevölkerung die qualitativen Vorteile erkennt und sich infolgedessen auch die Akzeptanz einstellt. Die Entwicklung geht ohnehin weiter: Mit dem Zeithorizont 2020 werden wir auch die Anzahl Standorte diskutieren. Wir müssten in den nächsten Jahren voraussichtlich 150 Millionen Franken in die Infrastruktur investieren, um sie auf dem heutigen Stand zu halten. Aus meiner Sicht müssen wir sehr genau abklären, ob es wirklich sinnvoll ist, in eine solche Strukturerhaltung zu investieren. PETER KRAFT

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santésuisse vergleicht Schweizer Laborpreise mit Deutschland und Österreich

Laboranalysen: Schweizer bezahlen 240 Millionen mehr als in den Nachbarländern

Laboranalysen sind ein wichtiger Bestandteil einer medizinischen Untersuchung. Schätzungen gehen davon aus, dass durchschnittlich jeder dritte Patient in einer Arztpraxis eine Labor­analyse erhält. Einige Untersuchungen kann der Arzt in seinem Praxislabor selbst durchführen, die Mehrzahl der Analysen aber wird in einem kommerziellen Labor vorgenommen. Pro Jahr erwirtschaften diese Laboratorien zulasten der obligatorischen Grundversicherung einen Umsatz von rund 400 Millionen Franken. Preisunterschiede von 70 Prozent

santésuisse hat in einer Studie die Schweizer Laborpreise mit denjenigen in Deutschland und in Österreich verglichen. Dafür wurden die vierzig umsatzstärksten Analysen der Privatlaboratorien ausgewählt, welche rund 50 Prozent des gesamten Umsatzes repräsentieren. Für den Vergleich hat santésuisse nur die Preise der Analysen, jedoch keine Taxen oder Gebühren erfasst. Für die Umrechnung der Euro-Beträge in Schweizer Franken wurde der offizielle Wechselkurs des Bundesamts für Gesundheit (BAG) herangezogen, welcher 1,63 €/CHF betrug. Das BAG benötigt diesen auch zur Überprüfung der Medikamentenpreise. Mit diesen Daten wurde danach ein Preisindex nach ­Laspeyres* errechnet. Die Resultate sind eindrücklich: Der identische Warenkorb an Laboranalysen kostet in Deutschland und in Österreich rund 70 Prozent weniger als in der Schweiz. Würden die eidgenössischen Labors zu deutschen Preisen

abrechnen, könnte die Grundversicherung mit über 240 Millionen Franken pro Jahr entlastet werden. Auch für Österreich lassen sich ähnlich Zahlen feststellen.

prüfen», gab Peter Indra dem «Tagesanzeiger» zu Protokoll. Sicher sei, dass die Tarifsenkungen nicht wie geplant am 1. Januar eingeführt werden. Dazu fehle «schlicht die Zeit».

Das BAG will handeln

Preissenkungen sind moderat

Für die Preise der Laboruntersuchungen in der Schweiz ist die Analysenliste des Bundesamts für Gesundheit (BAG) massgeblich. Diese Liste stammt im Wesentlichen aus den 1980er-Jahren. In der Zwischenzeit hat es im Laborbereich bedeutende technologische Fortschritte gegeben. Die Untersuchungen sind längst nicht mehr so aufwändig wie früher. Das BAG kennt diese Problematik. Es plant eine Senkung der Labortarife um 20 bis 25 Prozent. Zur «Berner Zeitung» sagte BAG-Vizedirektor Peter Indra: «Das Labor ist nicht dazu da, Gewinne zu erzielen.» Indem die Tarife kostendeckend sind und die Ärzte vor allem pro Patient entschädigt werden, sollen sich laut Indra die Anreize verbessern, nur die tatsächlich sinnvollen Labortests durchzuführen. Es ist allerdings noch nicht definitiv entschieden, ob die Tarife für die Praxis-Ärzte genauso stark gesenkt werden wie für die Grosslabors: «Wir werden die von den Hausärzten vorgelegten Zahlen

santésuisse unterstützt die Bestrebungen des BAG im Laborbereich. Die Tarife sollen nicht der Strukturerhaltung dienen, sondern zu effizienten Untersuchungen führen. Sondertarife halten die Krankenversicherer nur dann für gerechtfertigt, wenn der Nutzen eines einzelnen Labors für die medizinische Versorgung nachweisbar ist. Das gilt insbesondere für die Hausärzte, deren Grundversorgungsauftrag es genau so zu berücksichtigen gilt wie die Wirtschaftlichkeit ihrer Praxen. Der Preisvergleich von santésuisse zeigt, dass die geplanten Preissenkungen des BAG moderat sind. Bei Preisunterschieden von 70 Prozent senkt es die Preise nur um 25 Prozent. Damit bleiben die Schweizer Laborpreise weiterhin deutlich höher als im Ausland (siehe Grafik). MARKUS ZIEGLER * Diese Methode wird beispielsweise auch zur Berechung des Konsumentenpreisindexes verwendet.

LABORTARIFE: BAG-PREISSENKUNGEN UND EINSPARPOTENZIAL IM VERGLEICH 100

100

EFFEKT REVISION BAG

90 80 70 PREISINDEX

In der Schweiz werden jährlich mehr als eine Milliarde Franken für Laboranalysen ausgegeben. Davon entfallen rund 41 Prozent auf Privat-, 36 Prozent auf Arzt- und 23 Prozent auf Spitallaboratorien. In einer Studie hat santésuisse die Preise der privaten Laboratorien in der Schweiz, Deutschland und Österreich verglichen und massive Preisdifferenzen aufzeigen können.

60

VERBLEIBENDES EINSPARPOTENZIAL

50 40 30

32

30

ÖSTERREICH

DEUTSCHLAND

20 10 0 SCHWEIZ

Die Labortarif-Senkungen des BAG sind bei genauerem Hinsehen sehr moderat.

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Das VeKa-Center steckt in einem Zwischenjahr und im Spannungsfeld zwischen alter und neuer Versichertenkarte

Foto: Peter Kraft

VeKa-Center santésuisse: Rückblick und Ausblick

Der Bundesrat hat beschlossen, dass die neue nationale Versichertenkarte erst anfangs 2010 herausgegeben werden muss. Dies, weil sich die Einführung der neuen AHVNummer bis ins Jahr 2009 hinein verzögert.

Das VeKa-Center produziert seit Anfang November mit drei Schichten und bei den zwei Kartenlieferanten Intercard und Trüb auf Hochtouren. Es erfolgt in diesen Tagen eine Gesamtauslieferung der «alten» Versichertenkarte mit dem Magnetstreifen für über fünf Millionen Versicherte, weil nach den drei Jahren seit der letzten Gesamtauslieferung die Gültigkeitsdauer abgelaufen ist. Gleichzeitig hat der Bundesrat jetzt beschlossen, dass wegen den Verspätungen bei der technischen Verordnung und der Einführung der neuen AHVNummer die neue nationale Versichertenkarte mit Microchip gemäss den Vorschriften des KVG und der Verordnung Versichertenkarte zwar ein Jahr

Das VeKa-Center und die zuständigen Kontaktpersonen bei den Versicherern arbeiten bereits seit Oktober intensiv an den Vorbereitungen dieser Gesamtauslieferung. Viele Layouts haben sich geändert. Viele Begleitbriefe müssen angepasst, die aktuellen Daten aufbereitet und übergeben werden. Das VeKa-Center kann die Bestellungsaufträge nur ausführen, wenn alle Datensätze korrekt erfolgreich importiert sind. Gleichzeitig zur Gesamtauslieferung laufen in Zusammenarbeit mit der Groupe Mutuel deren Datenlieferungen und die Integration in das VeKaCenter, damit die Groupe Mutuel ab Jahresanfang an den Abfragediensten partizipieren kann.

es dem VeKa-Center und den teilnehmenden Versicherern, das Zwischenjahr zu nutzen, die Abfragedienste weiter auszubauen und qualitativ zu verbessern. Die teilnehmenden Versicherer haben im VeKa-Center die Möglichkeit, dank den momentan sieben Abfragediensten mit dem Potenzial von etwa 8000 Leistungserbringern (Ärztekasse, H-Net, IFAK, Galenica, Curabill, etc.) die administrativen Prozesse zu optimieren. Sie können sich so auf die verbindliche Qualität der zukünftigen Kartenprüfungen und Deckungsinformationen für alle Leistungserbringer vorbereiten. Das VeKa-Center kann dann ab der Inbetriebnahme der neuen Versichertenkarte im Jahre 2010 auch eine günstige Lösung anbieten, um die obligatorische Online-Kartenprüfung auf die 40 000 Leistungserbringer auszuweiten. Bekanntlich müssen die Versicherer die OnlineDeckungsanfrage anbieten, während es den Leistungserbringern freigestellt ist, diese zu benutzen.

Abfragedienste werden 2009 weiter ausgebaut

Die neue Versichertenkarte folgt im Jahre 2010

Die Verspätung bei der Herausgabe der neuen Versichertenkarte erlaubt

Nach vier Jahren seit der Verabschiedung im Parlament steht nun fest, dass die neue nationale Versichertenkarte im übernächsten Jahr herausgegeben werden muss. Die Versicherer haben verlangt, diese Herausgabe auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Der Bundesrat ist leider auf dieses Anliegen nicht eingetreten. Die Versicherer des VeKa-Centers sind jedoch auf die Einführung vorbereitet. Zusammen mit den teilnehmenden Versicherern werden drei Teilprojekte durchgeführt: • Anpassung der Kartenproduktion für die Chipkarte

verspätet, aber doch bereits anfangs 2010 herausgegeben werden muss. Es ist wie mit dem «Fünfliber». Obwohl er vorne mit dem Wilhelm Tell und hinten mit dem Schweizer Wappen anders aussieht, bleibt es ein «Fünfliber». Auch die Versichertenkarte zeigt auf der Vorderseite unverändert die Kundenkarte und auf der Rückseite die EU-Karte. Im Unterschied zur Münze besteht bei ihr aber das Problem mit dem Ablaufdatum – und nicht mit dem Ausgabejahr. Die bestehende Versichertenkarte wird nochmals produziert

Kennzahlen VeKa-Center 2005 bis 2008 Anzahl produzierter Versichertenkarten

11 735 520

Anzahl ausgeführter Sammelbestellungen von Karten

2699

Anzahl ausgeführter Deckungs-Sammelbestellungen

1293

Anzahl verarbeiteter Deckungsrecords

13 959 085

Anzahl Karten-Layouts

104

Anzahl Karten-Produkte

100

Anzahl Begleitbriefe Anzahl Layout-Datensätze

384 1732

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• Erstzuteilung und laufende Verifizierung der neuen AHV-Nummer als Sozialversicherungsnummer • Ausbreitung der Abfragedienste als Minimallösung für das Obligatorium und als Maximallösung für den freiwilligen Teil zur Unterstützung der administrativen Prozesse. Das VeKa-Center und seine Lieferanten sind nun fachlich, technisch und operativ gut vorbereitet, um die staatlichen Anforderungen an die Versichertenkarte wirtschaftlich und effizient umzusetzen. Die technologischen Herausforderungen sind inzwischen bewältigt, ohne dass die Versicherer grosse An-

passungen bei den Datenlieferungen vornehmen müssen. Die dreijährige Vorbereitungszeit und Aufbauphase haben sich gelohnt. Ende Oktober haben santésuisse und das VeKa-Center 7,5 Millionen aktuelle und nach Versicherer anonymisierte Datensätze an das Bundesamt für Statistik übergeben, um die Erstzuteilung zu testen. Am 15.1.2009 erfolgt die produktive Datenlieferung. Das VeKa-Center freut sich, dass bereits 80 Versicherer einen Rahmenvertrag mit dem VeKa-Center abgeschlossen haben und entsprechend den individuellen Bedürfnissen verschiedene Dienstleistungen benutzen. Das VeKa-Center bedankt sich insbesondere bei den über 100 Kontaktpersonen und Projektmitarbeitern von den Versicherern für die konstruktive Zusammenarbeit und das grosse Vertrauen in das VeKa-Team. HANS-PETER SCHÖNENBERGER

Besucher testen am ehealthcareKongress die Deckungsabfrage des VeKa-Centers.

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Der beliebteste Krankenversicherer der Schweiz ist schon seit hundert Jahren im Geschäft

Zufriedene Kassen-Mitglieder: So macht es die Galenos Die Galenos hat die höchste Kundenzufriedenheit aller Schweizer Krankenkassen. 2008 ist sie stolze hundert Jahre alt geworden. Ein Besuch am Sitz in Zürich zeigt: Das Erfolgsrezept der Galenos ist die gelungene Verknüpfung von Tradition und Moderne.

Offene Türen, wohin man blickt: Bei der Galenos arbeitet niemand im stillen Kämmerlein. Es dominieren warme Holztöne. Das angenehme, familiäre Interieur steht in Kontrast zur eher schmucklosen Fassade des GalenosSitzes an der Zürcher Militärstrasse. Die Büros liegen ziemlich genau in der Mitte zwischen Bahnhof und Lang­ strasse – ein weiterer Kontrast. Gegensätzlich sind auch die wesentlichen Eigenschaften der Krankenkasse Galenos: Ihre hundertjährige Tradition und das pionierhafte Arbeiten mit modernsten Technologien. Gründung in der Kneipe

Im August 1908 versammeln sich in einer Badener Kneipe 60 Mitglieder des Schweizerischen Technischen Verbands. Dort gründen sie eine eigene Krankenkasse, um den Schweizer Technikern im Krankheitsfall Taggelder zu bezahlen. Bis 1943 muss die «Krankenkasse des Schweizerischen Technischen Verbandes» warten, bis sie neben den Taggeldern auch Behandlungskosten übernehmen kann. Die Monatsprämie beträgt damals einen Franken. 1956 kommen erste Spitalzusatzversicherungen sowie Spezialdeckungen für Tuberkulose und Kinderlähmung hinzu. 1968 schliesst die Kasse einen Rückversicherungsvertrag mit einem grösseren Versicherer ab. Damit hat sie Zugang zu den damals modernsten Behandlungsmethoden. Für einen kleinen Krankenversicherer war das in den 60er-Jahren alles andere als selbstverständlich. 1980 besitzt das Unternehmen einen ersten Kleincomputer für Buchhaltung und Administration. 1994 schliesslich vollzieht die Kasse einen Schnitt. Sie rüstet vollständig auf EDV um, öffnet sich für Nicht-Verbandsmitglieder und ändert ihren Namen in Galenos.

Turbulente Zeiten: Wachstum führt zu Problemen

1997, kurz nach Einführung des KVG, werden Konsumentenmagazine und das Fernsehen auf die günstige Galenos aufmerksam. Das hat zur Folge, dass sich die Mitgliederzahl auf das Jahr 1998 von 8500 auf 18 000 mehr als verdoppelt. Bis 2001 steigt diese Zahl stetig weiter. Schliesslich zählt die Galenos fast 30 000 Versicherte. Das stellt die Kasse vor grosse Probleme: Mitarbeitende und Infrastruktur sind dem Ansturm kaum gewachsen, Rechnungen und Anträge bleiben ungewohnt lange liegen. Viele Neumitglieder sind unerwartet kostenintensiv, die Reserven schmelzen in horrendem Tempo. 1997 hat die Galenos eine Reservenquote von fast 40 Prozent. 2002 liegt sie mit zehn Prozent im Minus. Es droht der Entzug der Betriebsbewilligung: «Das BAG hat uns damals das Messer an den Hals gelegt», erzählt der langjährige Geschäftsführer Hans-Peter Lang. Als einzigen Ausweg sieht die Galenos eine drastische Prämienerhöhung. Der erhoffte Effekt tritt ein: 2005 erreicht die Galenos in etwa die heutige Versichertenzahl von 15 000. Die Reserven erholen sich und liegen aktuell wieder bei 24 Prozent. Die Galenos hat ihre Lehren aus den Turbulenzen gezogen: Sie positioniert sich heute nicht mehr als Billigkasse, sondern als Versicherer mit hoher Dienstleistungsqualität.

Paola Tornare, Abteilungsleiterin Versicherungsadminstration/Verkauf, auch am neuen EDV-System: Es erlaube eine enorm schnelle Bearbeitung von Offertenanfragen und Mutationen. «Wer bei der Galenos eine Offerte bestellt, findet diese innert eines Arbeitstages in der Mailbox», betont Paola Tornare. Wer bei der Galenos versichert ist, hat stets die gleiche Ansprechpartnerin – egal mit welchem Anliegen er sich an die Kasse wendet. Das hat für beide Seiten Vorteile. Die Mitarbeitenden erledigen nicht stets den gleichen Schritt in der Administrationskette, sondern sind für «ihre» Versicherten in allen Belangen zuständig. «Das macht die Arbeit sehr abwechslungsreich», bestätigt Paola Tornare. Für die Kunden ist es angenehm, wenn die Sachbearbeiterin mit ihrer Geschichte und ihren Anliegen einigermassen vertraut ist. Diese Vorteile sind nicht bloss Theorie: Die Galenos hat, wie gesagt, die höchste Kundenzufriedenheit der Schweiz. Und

Zufriedene Mitarbeiter – zufriedene Kunden

Neue Wege im Umgang mit ihren Kunden hat die Galenos schon immer beschritten. Ende der 90er-Jahre bietet sie als erste Krankenkasse der Schweiz einen online-Prämienrechner an. Von Beginn weg haben Interessenten die Möglichkeit, Offerten und Versicherungsanträge direkt via Internet zu erstellen. Sofort erreichen fast ein Drittel aller Anfragen die Galenos auf diesem Wege. Auch heute weiss die Krankenversicherung die Möglichkeiten des Computers in Kundenfreundlichkeit umzusetzen. 2008 haben Comparis-Benutzer die Galenos zum dritten Mal hintereinander zur Kasse mit den besten Dienstleistungen gewählt. Das liegt laut

Zuhören und Lösungen aufzeigen: Das an sich einfache Erfolgsrezept der Galenos.

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Begründen und beraten statt einfach nur ablehnen

Während die Administrationsabteilung mit freundlichem Service bei den Kunden punkten kann, hat es Leistungschef Joël Straehl etwas schwerer: Seine Abteilung muss auch unangenehme Entscheide mitteilen und vertreten – etwa die Verweigerung einer Leistungsübernahme. Was können seine Mitarbeiter in solchen Situationen überhaupt zur Kundenzufriedenheit beitragen? «Wir begründen unsere Entscheide ausführlich und zeigen auf, dass das Gesetz uns keine andere Wahl lässt» sagt Joël Straehl. Wichtiger sei aber das Aufzeigen von Alternativen: «Oft sind andere Sozialversicherungen für die Leistungen zuständig. Wir informieren unsere Kunden in solchen Fällen, wie sie wei-

ter vorgehen können und wohin sie sich wenden müssen.» Trotzdem muss auch Joël Straehl einräumen, dass seine Leute von Reklamationen nicht verschont bleiben. «Aber gerade hier kann man enorm viel Goodwill schaffen.» Es sei wichtig, nicht einfach bürokratisch den eigenen Standpunkt zu verteidigen, sondern gemeinsam mit den Versicherten die Ursache für die Meinungsverschiedenheit zu suchen. «Oft helfen gezielte Fragen: Wer hat Ihnen diese Therapie verordnet? Hat der Arzt Sie darüber orientiert, dass diese Behandlung nicht Teil der Grundversicherung ist?» Meistens, so Joël Straehl, sei den Versicherten nachher klar, warum die Galenos die Leistung nicht übernehmen könne. «Wir geben den Versicherten auch Ratschläge mit, wie sie unangenehme Überraschungen in Zukunft vermeiden können. Dazu gehört etwa, dass sie sich vor einem Spitaleintritt bei uns melden. So können wir unsere Kunden von Anfang an warnen,

wenn sie eine ungedeckte Leistung in Anspruch nehmen.» Herzlich, aber korrekt

Foto: Prisma

auch die Mitarbeitenden bleiben ihrem Arbeitgeber treu: «Viele von uns sind schon mehr als zehn Jahre dabei», betont Paola Tornare.

Auch für Joël Straehl sind zufriedene Mitarbeiter das A und O. In seinem kleinen Team sei es möglich, jede und jeden gemäss ihren Fähigkeiten einzusetzen. «Wenn ich eine Mitarbeiterin habe, der es vor einem Telefonapparat graust, und einen Mitarbeiter, der am liebsten den ganzen Tag am Hörer hängt, ist doch klar, wer Anrufe entgegennimmt und wer im Hintergrund Abklärungen macht», sagt der Abteilungsleiter. Wichtig ist für Joël Straehl, dass seine Leute eigenständig und selbstbewusst arbeiten. Um dies zu erreichen, ist er durchaus fordernd: «Die Mitarbeiter müssen die Probleme erkennen, konkrete Lösungen schildern und dazu stehen. Regelmässige Schulungen und eine offene Tür bringen die nötige Unterstützung.» Joël Straehl ist aber nicht nur seinen Mitarbeitern gegenüber fordernd. Er vertritt strenge Richtlinien, was die Kostengutsprachen angeht. Sauer stösst ihm vor allem die Praxis auf, chronisch kranke Patienten auch nach der Akutphase zu vollen Kosten im Spitalbett zu behalten. «Wenn Patienten, deren Behandlung abgeschlossen ist, im Spital auf einen Pflegeheimplatz warten, dient das weder ihnen selbst noch der Gesellschaft. So lasten die Kliniken einfach nicht benötigte Betten aus.» Joël Straehl versucht, solche Situationen mit angemessenen Kostengutsprachen zu verhindern: «Lieber geben wir Kostengutsprachen von relativ kurzer Dauer, um danach die Situation noch einmal gründlich zu überprüfen.» Damit macht er sich nicht nur Freunde: «Gewisse Spitäler sind deshalb gar nicht gut auf mich zu sprechen», sagt er mit einem Schmunzeln. PETER KRAFT

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Jahresbericht der Gemeinsamen Einrichtung KVG 2007

Schwierige Probleme solidarisch lösen Foto: Prisma

2007 erbrachte die Gemeinsame Einrichtung KVG in 105 521 Fällen Leistungsaushilfe im Gesamtbetrag von mehr als 130 Millionen Franken. 34 Prozent der Fälle und 51 Prozent der Kosten entfielen auf Personen aus EG-/EFTA Staaten mit vorübergehendem Aufenthalt in der Schweiz. Die Gemeinsame Einrichtung KVG leistet damit einen wichtigen Beitrag, die grenzüberschreitende Personenfreizügigkeit in Europa zu erleichtern. Insolvenzfonds muss «bluten»

Die gemeinsame Einrichtung KVG leistet einen wichtigen Beitrag zur Personenfreizügigkeit mit der EU.

Die Gemeinsame Einrichtung KVG übernimmt für die einzelnen Krankenversicherer die Koordination der internationalen Leistungsaushilfe, die Leistungsabwicklung für zahlungsunfähige Versicherer sowie den Risikoausgleich. Der Geschäftsbericht gibt Einblick in die wichtige Arbeit der Stiftung und enthält wertvolle Informationen über die Entwicklung der Krankenversicherung.

Um die Kosten der gesetzlichen Leistungen für zahlungsunfähige Krankenversicherer gemäss Art. 18 Abs. 2 KVG übernehmen zu können, beschloss der Stiftungsrat der Gemeinsamen Einrichtung KVG am 2. Juli 1997, einen Insolvenzfonds zu bilden. Angestrebt wurde eine Höhe von 50 bis 60 Millionen Franken in zwei bis drei Jahren. Als Folge der Insolvenz der Krankenkasse Zur­ zach hat die Stiftung dieses Mindestziel nicht erreicht. Am 25. Juni 2003 hat der Stiftungsrat dem Vorschlag des BAG zugestimmt, eine Fondshöhe von mindestens 100 Millionen Franken anzustreben. Am 31. Dezember 2007 erreichte der Insolvenzfonds einen Stand von rund 54 Millionen Franken. Der Stiftungsrat der Gemeinsamen Einrichtung KVG hat bis heute bei drei Versicherern Insolvenz festgestellt. Es handelt sich dabei um die Krankenkassse Zurzach, die Accorda Assurance maladie und die Krankenkasse KBV. Für diese drei Insolvenzfälle wurden bis Ende 2007 gesetzliche Leistungen im Betrag von fast 93 Millionen Franken finanziert. Die Erfahrung hat gezeigt, so der Jahresbericht, dass die gesetzlichen Leistungen, welche aus dem Insolvenzfonds finanziert werden müssen, höher sind als von den Versicherern und vom BAG prognostiziert. Konkrete Hinweise auf die drohende Insolvenz einer weiteren Krankenkasse liegen nicht vor.

Umverteilungsvolumen steigt rapid

Aufschlussreich sind die Ergebnisse der Statistik des Risikoausgleichs. Sie zeigen auf, dass das Umverteilungsvolumen zwischen den Krankenversicherern seit Inkrafttreten des KVG von 530 auf 1323 Millionen Franken angestiegen ist. Sie geben im Weiteren einen Überblick über die Kosten in der Grundversicherung sowie über ihre Aufteilung nach Alter und Geschlecht. Hier einige interessante Resultate: • Die Kosten pro versicherte Person haben in der Grundversicherung von 1996 bis 2007 von 1730 Franken auf 2861 zugenommen. • In den beiden teuersten Kantonen Genf und Baselstadt betrugen die Kosten pro Versicherten 3706 bzw. 3994 Franken, im kostengünstigsten Kanton Appenzell-Innerrhoden nur 1862 Franken. • Die Kostenbeteiligung hat zwar in den letzten Jahren in absoluten Zahlen zugenommen (1996: 227 Franken pro versicherte Person, 2007: 419 Franken), doch war ihr Anteil an den gesamten Kosten seit 1998 rückläufig (1998: 15 Prozent, 2007: 14,7 Prozent). JOSEF ZIEGLER

Organe der Stiftung

Der Stiftungsrat Präsident: Dr. iur. Markus Moser Vizepräsident: Pierre-Marcel Revaz Übrige Mitglieder: Guido Klaus, Urs Reich, Roland Zurflüh Die Geschäftsstelle: 54,4 Stellen, 64 Angestellte Geschäftsführer: Rolf Sutter

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Anmeldung erfolgt nicht separat, sondern über www.santesuisse.ch

Anmeldeverfahren für den überbetrieblichen Kurs: Information für die Ausbildungsbetriebe Rückmeldungen lassen santésuisse darauf schliessen, dass in den Ausbildungsbetrieben Unsicherheiten bezüglich der Anmeldungen für die überbetrieblichen Kurse bestehen. Deshalb geben wir an dieser Stelle einen Überblick über das Verfahren.

Lern-Software «time2learn»: Lizenz auf santesuisse-Homepage

Sofern die Lehrfirmen mit dem Anwendertool «time2learn» arbeiten wollen, können sie eine Lizenz bei santésuisse lösen (www.santesuisse.ch unter Ausbildung/Lehrmittel). Mit «time2learn» können Sie Leistungsziele sowie Prüfungselemente verwalten. santésuisse bietet ergänzend zu den überbetrieblichen Kursen Branchenkunde an. Für diese Kurse ist die Anmeldung ebenfalls über unsere Homepage möglich. Bei Fragen gibt Frau Antonella Sasso (antonella.sasso@santesuisse.ch) gerne weitere Auskünfte. SANTÉSUISSE, RESSORT AUSBILDUNG

Foto: Prisma

Entscheidend ist, dass die Anmeldung zum überbetrieblichen Kurs nicht automatisch abläuft. Die Lernenden müssen separat angemeldet werden. Am einfachsten ist es, die Lernenden anzumelden, sobald der Lehrvertrag unterzeichnet ist. So geht die Anmeldung nicht vergessen. Weil wir bei der Festlegung der Kursorte die Wohnorte der Lernenden berücksichtigen, ist die

Anmeldefrist jeweils auf Ende Juli des entsprechenden Kalenderjahres (Ausbildungsbeginn) festgesetzt. Die Anmeldung für den überbetrieblichen Kurs geschieht nicht automatisch durch das Weiterleiten des Lehrvertrages an das zuständige Berufsbildungsamt. Sie erfolgt am einfachsten über unsere Homepage www.santesuisse.ch unter Ausbildung/Bildungsangebot/ Kursübersicht. Nachdem die Anmeldung eingegangen ist, bestätigt santésuisse deren Erhalt. Die Lernenden werden dann während der gesamten Ausbildung zu den überbetrieblichen Kursen fortlaufend eingeladen. Diese Einladungen werden rund vier Wochen vor dem überbetrieblichen Kurs an die Privatadresse der Lernenden verschickt.

Überbetriebliche Kurse: Noch immer herrschen Unklarheiten über das Anmeldeverfahren.

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19 von 24 kantonalen Lungenligen arbeiten «gut bis sehr gut»

Qualität in der Betreuung von Sauerstoff-Patienten auf hohem Niveau Foto: Prisma

60 000 Sauerstoff-Patienten

Mehr als 300 Mitarbeitende in 24 kantonalen Lungenligen betreuen über 60 000 Patientinnen und Patienten, die unter Asthma, COPD, Schlafapnoe und anderen Lungen- und Atemwegs­ erkrankungen leiden. Die Betroffenen erhalten auf ärztliche Verordnung Sauerstoff-, Inhalations- und Beatmungs­ geräte, Schlafmasken und sonstige Hilfsmittel, sie werden mit der Benutzung der Geräte vertraut gemacht und während der gesamten Therapie betreut. Ein Qualitäts-Handbuch beschreibt, wie die Aufgaben zu erledigen sind: vom ersten Kontakt bis zur Abrechnung an die Krankenkasse. Um zu überprüfen, ob diese (Mindest-)Vorschriften eingehalten werden, gehören regelmässige Qualitätsaudits zu den Standardprozeduren von Lungenliga und santésuisse. Die Betreuung von Sauerstoffpatienten in der Schweiz weist eine hohe Qualität auf.

Die unabhängige Prüfung der Prozesse von der Patientenbetreuung bis zur Rechnungsstellung ist Teil des Vertrags zwischen santésuisse und der Lungenliga Schweiz. Im vergangenen Jahr wurde die Betreuung von Patientinnen und Patienten mit einer Sauerstoff-Therapie unter die Lupe genommen. Fazit: 19 von 24 kantonalen Ligen arbeiten hervorragend, Massnahmen zur Verbesserung in den übrigen fünf Ligen sind erfolgreich angelaufen.

santésuisse ist mit der Lungenliga Schweiz schon seit mehr als 30 Jahren vertraglich verbunden. Der Vertrag regelt Tarife und Abläufe. So ist sichergestellt, dass Menschen, die von chronischen Erkrankungen der Atemwege betroffen sind, in der ganzen Schweiz zu gleichen Preisen und auf die gleiche Weise behandelt werden.

Praxisorientiertes Qualitätsmanagement

Im Jahr 2005 wurden die Prozesse bei der Betreuung von Schlafapnoe-Betroffenen überprüft; das Audit des Jahres 2007 beschäftigte sich mit der Betreuung von Sauerstoff-Patienten. «Die Audits sollen zeigen, ob Qualitätsmanagement vor Ort gelebt wird», erklärt Thomas Weiler, Leiter Heimtherapie bei der Lungenliga Schweiz. «Wir möchten feststellen, wo wir uns verbessern können, und aus unseren Fehlern lernen. Das ist im Sinne der Betroffenen und der Krankenkassen.» Der Auditor wurde von santésuisse und der Lungenliga paritätisch ausgewählt: Hans-Ulrich Balthasar aus Schaffhausen ist ausgebildeter Mediziner und hat sich nach einem Nachdiplomstudium in BWL auf Qualitätsmanagement spezialisiert. Er begleitete während mehrerer Monate die Mitarbeitenden bei ihren Besuchen und kontrollierte Aufzeichnungen und Unterlagen. Ein 50 Punkte umfassender Fragenkatalog sorgte dafür, dass eventuelle Unstimmigkeiten auffielen. «Ich habe mir vor allem die Fälle angeschaut, bei denen es Besonderheiten gab», erzählt Hans-Ulrich Balthasar, «denn es ist klar: Wenn eine Liga die Sonderfälle im Griff hat, be-

herrscht sie die Standardabläufe mit Sicherheit.» Audits sind ein Motivationsschub

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: 19 der 24 kantonalen Ligen erzielten gute bis sehr gute Ergebnisse. Lediglich in fünf Ligen sind Nachbesserungen nötig – insbesondere bei der elektronischen Dokumentation gibt es Mängel. Die Investition in die detaillierte Überprüfung lohnt sich: Jede Liga ist bestrebt, ein möglichst gutes Ergebnis zu erzielen. «Die Audits sind für die kantonalen Ligen ein richtiger Motivationsschub», weiss Thomas Weiler. «Man möchte ja nicht nur gut abschneiden, sondern grundsätzlich hochwertige Arbeit leisten. So hat jede Liga vor der Prüfung intensiv am eigenen Qualitätsmanagement gearbeitet.» Nachdem nun die Prozesse bei der Betreuung von Schlafapnoe-Betroffenen und Sauerstoff-Patientinnen und -Patienten überprüft wurden, könnte es bei der nächsten Qualitätsprüfung um Resultate der Betreuungsarbeit gehen: Dann stehen nicht so sehr die Arbeitsabläufe im Mittelpunkt der Untersuchung, sondern das Befinden der Betroffenen. Die Krankenkassen haben natürlich ein grosses Interesse daran, dass sich der Gesundheitszustand der Menschen – auch durch unsere Betreuungsarbeit – verbessert», erklärt Thomas Weiler. LUNGENLIGA SCHWEIZ

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santésuisse trotzdem einen Tarifvertrag mit einem zertifizierten Einzelanbieter von Gruppenprogrammen vorlegen: MadeCoach und der Krankenversicherungs-Verband einigten sich auf eine Pauschale von 4200 Franken pro teilnehmendes Kind. Über diese Pauschale hinaus sind keine zusätzlichen Vergütungen möglich. Ärzte, welche an den Gruppenprogrammen beteiligt sind, dürfen während deren Dauer den Teilnehmenden keine zusätzlichen Therapien zur Behandlung der Adipositas verschreiben. Vor diesem Hintergrund ist es im November auch mit der FMH zu einer Einigung gekommen. Die Höhe der Pauschale liegt auch in diesem Vertrag bei 4200 Franken. Der Anhang des Vertrags regelt die genaue Anzahl der Gruppen- und Einzelsitzungen und welche Fachpersonen (Ärzte, Psychotherapeuten, Ernährungsberater, Physiotherapeuten) jeweils daran teilnehmen. Insgesamt dauert das Gruppenprogramm rund 100 Stunden. Die Sitzungen müssen innert eines Jahres erfolgen. Die teilnehmenden Kinder und deren Eltern müssen an zwei Dritteln der Sitzungen teilnehmen, sonst erlischt die Leistungspflicht der Krankenversicherer. Voraussetzungen für die Teilnahme sind ferner: • Adipositas oder Übergewicht in Zusammenhang mit einer Folgekrankheit • Überweisung des Arztes • Kostengutsprache der Krankenversicherung

Foto: Prisma

Nach langen Verhandlungen und einem ersten Abkommen mit einem zertifizierten Anbieter hat sich nun auch die FMH auf einen Vertrag mit santé­suisse über kassenpflichtige Behandlungs-Programme für Kinder und Jugendliche mit Übergewicht und Adipositas sowie für deren Eltern geeinigt. Ein Adipositas-Programm besteht aus rund 100 Stunden Bewegungstherapie, Ernährungslehre, psychologischer und medizinischer Unterstützung und kostet 4200 Franken. Per 1.1.2008 hat der Bundesrat Gruppenprogramme für übergewichtige und adipöse Kinder provisorisch in den Leistungskatalog der Grundversicherung aufgenommen. Die Verordnung sieht einen «multiprofessionellen Therapieansatz» vor, ergänzt durch zertifizierte, ärztlich geleitete Gruppenprogramme. Massgeblich für die Inhalte sind die Empfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie und des Fachvereins für Adipositas im Kindes- und Jugendalter. Die Verordnung schreibt auch eine Evaluation der Programme vor, damit deren Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit transparent werden. Aufgrund dieser Resultate wird der Bundesrat 2012 über die definitive Aufnahme in den Leistungskatalog entscheiden. FMH und santésuisse haben in der Folge Tarifverhandlungen für die Gruppenprogramme aufgenommen. Sie gerieten aber wegen unterschiedlicher Preisvorstellungen ins Stocken. Im September konnte

Klipp klar

Adipositas-Gruppenprogramme für Kinder und Jugendliche: Leistungspflicht der Krankenversicherer

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Foto: Prisma

Die Pro Senectute baut ihr Angebot zur Vorbereitung auf die Pensionierung aus. Bisher hat sie lediglich Seminare für Einzelpersonen angeboten. Neu berät sie mit dem Programm «avantage» Firmen und Erwerbstätige in allen Fragen ums Älterwerden in der Arbeit. Es geht dabei nicht nur um den nahenden Ruhestand. Unternehmen sollen lernen, das Wissen und die Erfahrung älterer Mitarbeiter besser zu nutzen. Neben Seminaren bietet die Pro Senectute auch Beratungen für Personal­ verantwortliche und Führungskräfte sowie massgeschneiderte Anlässe für einzelne Betriebe. Mehr Informationen unter www.avantage.ch

Aus aller Welt

Wie lässt sich die Erfahrung älterer Mitarbeiter besser nutzen?

Service

Pro Senectute baut Angebot zum Thema «Alter und Arbeit» aus

Impfstoff gegen Kokain: Spanische Wissenschaftler arbeiten an einem Impfstoff gegen KokainSucht. Das Medikament stoppe zwar nicht das Verlangen nach der Droge, verhindere aber einen Rausch, teilt das spanische Gesundheitsministerium mit. Der Impfstoff bildet Antikörper, die ein Vordringen der Droge ins Gehirn verhindern.

Baby nach EierstockTransplantation: In London hat eine Frau nach einer vollständigen Eierstock-Transplantation ein gesundes Mädchen zur Welt gebracht. Die eigentlich unfruchtbare Frau hatte den Eierstock von ihrer Zwillingsschwester erhalten.

Geld für Tote: Kassenärzte auf Sizilien sollen seit Jahren Geld für mehr als 50 000 tote Patienten kassiert haben. Die Ärzte hätten sich vom Staat weiter Pauschalen bezahlen lassen, obwohl die Patienten bereits vor Jahren verstorben seien, berichteten italienische Medien. Laut Finanzpolizei beläuft sich die Deliktsumme auf gut zwei Millionen Euro jährlich.

Tests mit Appetitzügler gestoppt: Mit Pfizer, Sanofi-Aventis und Merck haben innert eines Monats gleich drei Pharma-Konzerne ihre Tests mit Appetitzüglern eingestellt. Die Präparate hatten zu viele unerwünschte Nebenwirkungen. Ein Pfizer-Sprecher bezweifelte, dass unter diesen Umständen eine staatliche Zulassung realistisch ist

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Veranstaltungen Veranstalter

Besonderes

Datum/Ort

Weitere Informationen

14.–18. Januar Olma St. Gallen

www.gesundheitssymposium.ch

15.–16. Januar Seedamm Plaza Pfäffikon SZ

www.promotionsante.ch

22. Januar Swissôtel Zürich

www.irp.unisg.ch

Fachsymposium Gesundheitsversorgung Kantonsspital St. Gallen

Ein Tag für SchülerInnen, zwei Tage für Fachpersonen, zwei Tage für die Öffentlichkeit

11. Nationale Gesundheitsförderungs-Konferenz Gesundheitsförderung Schweiz

Soziale Determinanten nachhaltig beeinflussen

SwissDRGs als Herausforderung für Spitäler, Ärzteschaft und Pflege IRP Universität St. Gallen

Beiträge von Manfred Manser und Willy Oggier

Zeichnung: Marc Roulin

Melden Sie uns Ihre Veranstaltungen an: redaktion@santesuisse.ch! Weitere Veranstaltungen unter www.santesuisse.ch

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Service

Film auf www.santesuisse.ch erklärt die Grundzüge des Krankenversicherungs-Systems

santésuisse: Mit Animationsfilm gegen fehlendes Wissen Auf der Internet-Seite von santésuisse finden Sie neu einen Animationsfilm, der die Grundzüge unseres Krankenversicherungs-Systems auf verständliche und unterhaltsame Weise erklärt. Bevölkerungsumfragen, aber auch viele Medienberichte der letzten Zeit haben ein grosses Informationsdefizit offenbart. Dem

möchte santésuisse mit betont sachlicher Information begegnen – in der Überzeugung, dass die Kritik an den Krankenversicherern zum Teil auch auf fehlendem Wissen gründet. Den Film können Sie sich unter www.santesuisse.ch – Politik und Recht – Aktuelles anschauen.

Obsan veröffentlicht nationalen Gesundheitsbericht 2008

Schweizer Bevölkerung ist gesund – doch es gibt Ungleichheiten Der Bericht untersucht auch andere «soziale Determinanten» auf ihren Einfluss auf das Wohlergehen. So wirken sich Sicherheit und Zuwendung in der Kindheit positiv auf die Gesundheit im Erwachsenenalter aus. Auch Migrantinnen und Migranten aus verschiedenen Regionen, alte Menschen in prekären finanziellen Verhältnissen oder allein erziehende Eltern und ihre Kinder haben häufiger gesundheitliche Probleme. Um die Ungleichheiten abzubauen, schlägt das Gesundheitsobservatorium den Problemgruppen angepasste und koordinierte Präventionsaktivitäten in der Schule, am Arbeitsplatz und in der Konsumwelt vor.

Foto: Prisma

Der nationale Gesundheitsbericht 2008 zeigt: Die Schweizer Bevölkerung ist bei guter Gesundheit, und die medizinische Versorgung ist von hoher Qualität. Der Gesundheitszustand ist aber nicht in allen Bevölkerungsschichten gleich gut: Ärmere und weniger gut ausgebildete Menschen sind öfter und schwerer krank als ihre bessergestellten Landsleute. Besonders gross sind die Unterschiede beim Übergewicht, bei Herzkreislaufkrankheiten und beim Lungenkrebs. Gemäss dem Bericht liegt dies einerseits daran, dass diese Menschen schlechtere berufliche Perspektiven, verbunden mit mehr Stress, haben. Darüber sind sie oft weniger gut über gesunde Lebensweisen informiert und verhalten sich dementsprechend.

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Magazin

Brennpunkt

«infosantésuisse»

Gesundheitspolitik

Informationen zum Schweizer Gesundheitswesen aus erster Hand: Aktuell, spannend und übersichtlich! Trends im Gesundheitswesen? Managed Care? Gesundheitsförderung? Kostenwachstum? Diese und viele andere Schlagworte bestimmen die Diskussionen ums schweizerische Gesundheitswesen. infosantésuisse – das Magazin der Schweizer Krankenversicherer – greift sie auf: Spannend und informativ, griffig und sachlich. infosantésuisse erscheint zehnmal jährlich.

In erster Linie ist diese Publikation gedacht für Politiker, Medienleute, Kader der Krankenversicherer und alle an der Gesundheitspolitik interessierten Personen. Diese Gratis-Publikation von santésuisse erscheint viermal pro Jahr und ist ebenfalls als Abonnement erhältlich. Bitte einsenden oder faxen (032 625 41 51) an: santésuisse, Verlag, Postfach, 4502 Solothurn.

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im Abonnement für Fr. 69.– im Schnupperabonnement (3 Ausgaben für Fr. 20.–)

bei: • santésuisse – Die Schweizer Krankenversicherer, Römerstrasse 20, 4502 Solothurn • per Fax 032 625 41 51 • per E-Mail: shop@santesuisse.ch oder • über die Homepage von santésuisse: www.santesuisse.ch (Rubrik «Publikationen»)

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Ex. «Brennpunkt Gesundheitspolitik» 4/08, deutsche Ausgabe

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Ex. «Mise au Point – Politique de la santé», 4/08, französische Ausgabe

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Die Stiftung Gemeinsame Einrichtung KVG ist Durchführungsstelle des Risikoausgleichs. Gegenwärtig wird dieser mit den Kriterien Alter und Geschlecht durchgeführt. Das Parlament hat die Einführung eines morbiditätsorientierten Risikoausgleichs beschlossen (Kriterium Spitalaufenthalt bzw. Pflegheimaufenthalt im Vorjahr). Im Zusammenhang mit der Gesetzesänderung ist ein Ausbau des Stellenbestandes nötig. Wir suchen deshalb auf Anfang 2009 oder nach Vereinbarung eine(n)

stellvertretende(n) Abteilungsleiter(in) Risikoausgleich Ihre Aufgaben • Mitarbeit bei Datenerhebung, Datenkontrolle und Berechnung des Risikoausgleichs • Erstellung und Versand der Risikoausgleichsabrechnungen für die Krankenversicherer • Mitarbeit bei der Erstellung von Berichten (Geschäftsbericht und Quartalsbericht, Bericht an BAG etc.) Ihr Profil • betriebswirtschaftliche Ausbildung (z.B. Fachhochschule oder Universität) • mindestens 3 bis 5 Jahre Berufserfahrung (nach Möglichkeit in Verwaltung oder in NPO) • sehr gute MS-Office-Anwenderkenntnisse (Word, Excel, Access) • ausgeprägtes analytisches Denkvermögen • Sie sind bereit, Routinearbeiten zu erledigen und gleichzeitig sind Sie fähig, komplexe Aufgaben mit oft neuen Fragestellungen anzugehen. Für allfällige Fragen steht Ihnen der Abteilungsleiter Risikoausgleich, Urs Wunderlin, Tel. 032 625 30 25, urs.wunderlin@kvg.org, gerne zur Verfügung. Ihre vollständigen Unterlagen senden Sie bitte an Evelyne Hiltebrand, Gemeinsame Einrichtung KVG, Gibelinstrasse 25, Postfach, 4503 Solothurn, Tel. 032 625 30 83, evelyne.hiltebrand@kvg.org

Gesundheitswesen Schweiz 2007 – 2009 Dieses Buch ist ein Nachschlagewerk für alle, die sich für das Gesundheitssystem und die Gesundheitspolitik interessieren: Fachleute aus dem Gesundheits- und dem Sozialversicherungswesen, für Politik, Medien und Wissenschaft und selbstverständlich auch für interessierte Versicherte und Patientinnen/Patienten. Es eignet sich besonders auch als Lehrmittel für Studierende und Auszubildende der verschiedenen Aus-, Weiter- und Fortbildungsgänge im Gesundheits-, Sozial- und Versicherungswesen. Das Buch gibt eine aktuelle und sachliche Gesamtübersicht in 37 Kapiteln von 49 Autorinnen und Autoren.

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Ex. «Gesundheitswesen Schweiz 2007 – 2009» – Eine aktuelle Übersicht», Herausgeber: Gerhard Kocher / Willy Oggier, 422 S., Fr. 39.90

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