Raiffeisen Mitteilungen 10/2022

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Raiffeisen Mitteilungen des Raiffeisenverbandes Südtirol Genossenschaft 28. Oktober 2022     NR. 10/65. JG     SONDERDRUCK, SUPPL. S.I.A.P. 50 %

Der Arbeitskreis für Frauen in der Führung von Genossenschaften: durch faires Formulieren die Rolle der Frauen noch besser sichtbar machen

Für faires Formulieren sensibilisieren Fairness, Solidarität und Gleichberechtigung bilden wichtige Säulen des Genossenschaftswesens. Nicht immer jedoch sind diese Werte auch sprachlich sichtbar. Hier lässt sich noch vieles leisten. Der Geschäftsführer. Der Mitarbeiter. Der gesetzliche Vertreter – wer denkt bei Formulierungen wie diesen an Frauen? Wohl die wenigsten, denn Sprache erzeugt Bilder im Kopf. Was das konkret bedeutet, erklärt Paulina Schwarz, 1. Obmannstellvertreterin im Raiffeisenverband und Vorsitzende des Arbeitskreises für Frauen in der Führung von Genossenschaften: „Je nach Formulierung kann es passieren, dass Frauen in Gremien von Genossenschaften nach außen hin nicht wahrgenommen werden.“ Valeria Dejaco, Geschäftsführerin der Genossenschaft Exlibris und Arbeitskreis-Mitglied, beschäftigt sich beruflich

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mit Sprache und ergänzt: „Wird in Texten nur die männliche Form verwendet, kann das zur Folge haben, dass Frauen sich bewusst oder unbewusst nicht angesprochen fühlen.“ SPRACHE SCHAFFT WIRKLICHKEIT Ein Weg aus dieser Situation führt der Expertin zufolge über faires Formulieren. Damit hat sich auch der Arbeitskreis in seiner jüngsten Sitzung beschäftigt. Das Ergebnis der Diskussion fasst Paulina Schwarz zusammen: „Eine faire Sprache ist gerechter, weil sie klar beschreibt, wer gemeint ist.“ Bei der Sitzung wurde auch deutlich, welch großen Einfluss die Spra-

che auf die Wahrnehmung der Wirklichkeit hat. Paulina Schwarz: „Heute arbeiten mehr Frauen in Führungspositionen oder nehmen Posten in Gremien wahr. Leider spiegelt sich das in der Sprache nicht immer wider. Daran möchten wir arbeiten, denn Sprache schafft Wirklichkeit.“ Dabei möchte der Arbeitskreis in erster Linie sensibilisieren. Es gehe darum, mit den Mitteln von bewusster Kommunikation wichtige Säulen des Genossenschaftswesens wie Fairness, Solidarität und Gleichberechtigung auch sprachlich fair zum Ausdruck zu bringen. Daher wird der Arbeitskreis das Thema „Fair formulieren“ weiter vertiefen.


Besuch aus Baden-Württemberg Eine Delegation des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbandes e. V. besuchte den Raiffeisen­verband in Bozen. Im Mittelpunkt standen der Fachaustausch und Genossenschaftsbesichtigungen. Verbandsobmann Herbert Von Leon konnte neben den Bereichsleiterinnen und Bereichsleitern auch Präsident Roman Glaser zu dem gemeinsamen Treffen in Bozen willkommen heißen. Seit vielen Jahren pflegt der Raiffeisenverband Südtirol den Austausch mit dem Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband BWGV.

Bei dem zweitägigen Treffen wurden sektorspezifische Probleme wie die Preissteigerungen in der Landwirtschaft und die Energiekrise ebenso besprochen wie beispielsweise auch das Thema der genossenschaftlich organisierten Energiegemeinschaften. Generaldirektor Paul Gasser präsentierte die Zahlen zum Südtiroler

Gruppenfoto mit der Delegation aus Baden-Württemberg vor dem Raiffeisenhaus in Bozen

Genossenschaftswesen. Zur Sprache kamen auch Themen wie die Genossenschaftsmarke, Digitalstrategie der Raiffeisenkassen und die Begleitung im Change-Prozess. Der BWGV berichtete unter anderem über die Umsetzung des Mitglieder-Centers, Zukunftsprojekte für Mitglieder, EU-Fördergelder, das Thema Vernetzung Wissenschaft und den Reorganisationsprozess. Ähnlich wie der Raiffeisenverband hat sich der Genossenschaftsverband aus Baden-Württemberg einem Reorganisations-Prozess unterzogen, um die Kundenprozesse moderner, effizienter und transparenter zu gestalten. Im Rahmen des Besuches besichtigte die Delegation aus Baden-Württemberg die Welschnofner Energiegewinnungsgenossenschaft WEG, die Kellerei Kurtatsch und VOG Products in Leifers.

Raiffeisen together for future Was können Banken für den nachhaltigen Umbau der Wirtschaft tun? Das wurde kürzlich bei einer ­Veranstaltung mit Vertretern der Raiffeisen Landesbank und der Raiffeisenkassen erörtert. Lokale Genossenschaftsbanken wie die Raiffeisenkassen fördern durch ihre Finanzierungstätigkeit direkt die Wirtschaftsentwicklung im Marktgebiet. Daher ist es essenziell, dass sie neben der üblichen Risiko-Rendite- Einschätzung auch ökologische und soziale Aspekte bei der Bewertung der Projekte berücksichtigen. Das unterstrichen die Referenten Martin Rohner von Global Alliance for Banking on Values und Mattia Corbetta vom OECDZentrum Trient. Bei der Veranstaltung wurden innovative und verantwortungsvolle Finanzierungsbeispiele anhand der Firma Rothoblaas, des Start-up-Unternehmens SOLOS. Farm und des biodynamischen Weinbaubetriebs Dornach von Patrick Uccelli vorgestellt. Seit mehr als 20 Jahren gibt es Raiffeisen Ethical Banking, wo Kunden ihr Geld sinnstiftend anlegen können. Die Raiffeisen

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Landesbank und mehrere Raiffeisenkassen verfassen freiwillig Nachhaltigkeitsberichte. Die Raiffeisenkassen erweitern ihr Produktportfolio stetig um Produkte, mit denen auch ihre Kunden konkret Ver-

antwortung für die investierten Gelder übernehmen. Ein Beispiel sind die Green und Sustainability Bonds für Kleinanleger. Bei der Veranstaltung wurde auch ein Innovationswettbewerb vorgestellt.

Nachhaltigkeit und Innovation standen im Mittelpunkt einer Raiffeisen-Tagung, die kürzlich in Bozen stattfand.


Pilotprojekt für Energiegemeinschaft Erneuerbare Energien konkret nutzen: Ein weiterer Schritt dazu wurde Anfang Oktober in Burgstall gesetzt. Der Gemeindeausschuss unterzeichnete einen Beschluss zur Gründung einer Energiegemeinschaft. Am 4. Oktober startete in Burgstall das erste Energiegemeinschafts-Pilotprojekt in Südtirol. Unterstützt wird die Gemeinde von Raiffeisenverband, Alperia und Regalgrid. Und zwar nach dem neuen und umfassenden Konzept, das von der Gesetzesverordnung zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2018/2001 RED II gefordert wird. Die entsprechende Richtlinie, die Ende 2021 in Kraft trat, wird mit den bald erscheinenden Durchführungsverordnungen endgültig geregelt. Im Rahmen einer Gemeinderatssitzung im September hatten Barbara Passarella vom Raiffeisenverband, Alessandro Costa von Alperia und Stefano Nassuato von Regalgrid sämtliche Aspekte zur geplanten Energiegemeinschaft erläutert. Mit dem Beschluss zur Gründung einer Energiegemeinschaft stellt die Gemeinde Burgstall die Dächer der gemeindeeigenen Gebäude für die Erzeugung von Energie aus Photovoltaik zur Verfügung. In Zusammenarbeit mit Unternehmern und der gesamten Bürgerschaft soll damit

Das Beraterteam um Barbara Passarella (Raiffeisenverband), Alessandro Costa (Alperia) und Stefano Nassuato (Regalgrid) erläuterte die geplante Energie­ gemeinschaft.

die gemeinschaftliche Energieproduktion und -nutzung in die Wege geleitet werden. Raiffeisenverband, Alperia und Regalgrid unterstützen das EnergiegemeinschaftsPilotprojekt von Burgstall in den technischen und administrativen Schritten. Das reicht von der Energieanalyse bis zur Machbarkeitsstudie, von den Treffen mit Bürgerinnen und Bürgern bis zur kontextbezogenen Planung des Projekts, von der Integration in die Planungsakte der

Gemeinde bis zur Definition des partizipativen Governance-Modells. Laut den Durchführungsverordnungen und Dokumenten von ARERA (Autorità di Regolazione per Energia Reti e Ambiente) und GSE (Gestore dei Servizi Energetici), die in Kürze veröffentlicht werden sollen, erhalten Energiegemeinschaften für die Dauer von 20 Jahren, zusätzlich zum Energiepreis, einen Beitrag für den kollektiven Eigenverbrauch.

Gemeinsam für eine innovative Zukunft Anreize für neue Ideen schaffen, um den ländlichen und urbanen Raum in Südtirol zu stärken und zukunftsfit zu halten. Darauf zielt ein neuer Innovationswettbewerb ab, der kürzlich der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Der Innovationswettbewerb mit Gesamtpreisen von 30.000 Euro steht unter dem Motto „Gemeinsam für die Zukunft. Wir suchen dein innovatives Projekt für ein lebenswertes Südtirol“. Gesucht werden innovative, soziale, ökologisch und wirtschaftlich nachhaltige Projekte, die den ländlichen und urbanen Raum fördern. „Der Wettbewerb soll dazu anspornen, innovativ zu denken und neue Projekte mit Potenzial zu entwickeln“, sagt Generaldirektor Paul Gasser. Der Wettbewerb wird von den Raiffeisenkassen gemeinsam mit der Plattform Land ausgeschrieben. „Es ist wichtig, wenn viele helle Köpfe Ideen und Projekte voranbringen und damit die Lebensqualität hochhalten“, meint Geschäftsführer Ulrich Höllrigl von der Plattform Land.

NACHHALTIG UND INNOVATIV Der Wettbewerb unterstützt besonders Projekte für einen nachhaltigen Umbau der Wirtschaft und gegen die Klimakrise. Bei den Projekten kann es sich auch um solche handeln, die derzeit umgesetzt werden oder seit 2018 umgesetzt wurden. Teilnahmeberechtigt sind Einzelpersonen ab 18 Jahren, Start-ups, Unternehmen, Vereine, Genossenschaften, Interessengemeinschaften, Plattformen und öffentliche Verwaltungen wie Gemeinden oder Bezirksgemeinschaften. Die Projekte müssen innerhalb 31. Dezember über die Webseite www.raiffeisen.it/wettbewerbnachhaltigkeit eingereicht werden. Für die drei besten Projekte gibt 15.000, 10.000 und 5000 Euro.

Der Innovationswettbewerb bringt als Gewinn Preisgelder von insgesamt 30.000 Euro.


TAGUNG

Eine angemessene Organisation Um die angemessenen Organisations-, Verwaltungs- und Buchführungsstrukturen in Genossenschaften drehte sich eine Tagung im Pavillon des Raiffeisenverbandes. Krisen als Chance­

Gemeinsame Tagung, gemeinsame Themen: (v. l.) Davide Tondo, Mirco Introvigne, Nicola Grosso, Ingrid Joris, Mariasilvia Cadeddu, Manuela Paulmichl, Herbert Von Leon, Tomas Bauer, Michael Messner, Gabriele Barichello­

Die Tagung wurde vom Raiffeisenverband in Zusammenarbeit mit dem Amt für die Entwicklung des Genossenschaftswesens der Autonomen Provinz Bozen, der Kammer der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, den lokalen Genossenschaftsverbänden AGCI, Coperdolomiti und Coopbund sowie dem Genossenschaftsverband Trient organisiert. Verbandsobmann Herbert Von Leon konnte zudem Manuela Paulmichl, Direktorin des Amtes für die Entwicklung des Genossenschaftswesens, Karl Florian, Präsident der Kammer der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Präsidentin Monica Devilli von Coopbund, die Revisionsverantwortlichen der Genossenschaftsverbände und Vertreter von Genossenschaften begrüßen, darunter auch zahlreiche Revisorinnen und Revisoren sowie Mitarbeiter der regionalen Genossenschaftsverbände. In den Vorträgen wurde die Thematik einer angemessenen Organisation in den Genossenschaften erörtert, die durch den neu eingeführten „Kodex zur Unternehmenskrise“ eine neue, konkrete Bedeutung erhalten hat. RICHTLINIEN FÜR DIE PRÜFUNG In einer Arbeitsgruppe zwischen den regionalen Genossenschaftsverbänden und den Genossenschaftsämtern der Autonomen

Provinzen Bozen und Trient waren entsprechende Richtlinien für Revisoren im Zusammenhang mit der Prüfung der angemessenen Organisationsstruktur erarbeitet worden. Die Richtlinien wurden bei der Tagung vorgestellt. Dabei wurde erläutert, welche Verantwortung und Anforderungen an die Verantwortlichen in den Genossenschaften aus Sicht der Gesetzgebung gestellt werden, um die Organisation als „angemessen“ einstufen zu können. Nach allgemeinen Hinweisen zum Tagungsthema folgten Referate zu den Thema „Die Rolle der Genossenschaftsrevision: Leitlinien und Prüfungsinhalte“ und „Die Ziele von angemessenen Strukturen: die Sicht der Revision“. Bei der Tagung wurde deutlich, dass gut strukturierte, effizient organisierte und bewusst geführte Genossenschaften die beste Garantie für ein gutes Überleben der genossenschaftlichen Unternehmungen darstellen. Anhand eines Erfahrungsberichtes konkret aufgezeigt wurde dies bei der Veranstaltung von Alexandra Reichegger, Geschäftsführerin der Sozialgenossenschaft EOS. Die Tagung wurde von Tomas Bauer, Revisions­direktor im Raiffeisenverband Südtirol, und Amtsdirektorin Manuela Paulmichl mit einer kurzen Zusammenfassung der Erkenntnisse abgeschlossen.

Impressum: Südtiroler Bauernbundgenossenschaft, Druck: Athesia Druck, Ermächtigung vom Landesgericht Bozen, 13. 4. 1984, Nr. 13/84, Presserechtlich verantwortlich: Bernhard Christanell, Redaktion: Thomas Hanni (Raiffeisenverband Südtirol Genossenschaft, 0471 945454, rvs.genossenschaftskommunikation@raiffeisen.it, www.raiffeisenverband.it)

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Am Freitag, dem 4. November, findet in Innsbruck die diesjährige Tagung des Internationalen Instituts für Genossenschaftsforschung im Alpenraum (IGA) statt. Die hochkarätig besetzte Tagung steht unter dem Thema „Krieg – Klimakrise – Corona. Genossenschaften als Vertrauensanker“ und beschäftigt sich unter anderem mit der Frage, wie Genossenschaftsbanken in Krisenzeiten Vertrauen aufbauen können. Dr. Gerhard Walther, Vorstandsvorsitzender der VR-Bank Mittelfranken Mitte eG, spricht zum Thema „Krisen als Chance nutzen – wie Genossenschaftsbanken jetzt Vertrauen aufbauen und den Förderauftrag erfolgreich umsetzen können“. Generaldirektor DI Reinhard Wolf, Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen Ware Austria AG, erläutert in seinem Referat die „Versorgungssituation der Landwirtschaft und die Rolle der Genossenschaften“, und MMag. Dr. Michael Laminger, G ­ eneralrevisor des Österreichischen Raiffeisenverbandes, spricht zum Thema „Nachhaltig­keitsberichterstattung für Genossenschaften“. Die Tagung endet mit einer Podiums- und Publikumsdiskussion, die von Regina Wenninger, Vorstandsbeauftragte beim Genossenschaftsverband Bayern, geleitet wird. Bei der Tagung wird wiederum der IGA-Forschungspreis verliehen. Die IGA-Tagung am Freitag, dem 4. November, findet im Austria Trend Hotel Congress in Innsbruck statt und läuft von 9.30 bis 13 Uhr.


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