Narrgenda 2014 (teaser)

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NaRrgenda

Zwei tausend und vierzehn Das narrativistische Literaturmagazin Sonderausgabe 2014


Diese NaRrgenda gehรถrt


Vorwort Ihr wisst, was eine Agenda ist. Ihr wisst, was Literatur ist. Das hier ist beides zusammen: die NaRrgenda Zweitausendundvierzehn. Das NaRr ist die Zeitschrift für junge Literatur und die NaRrgenda ihre zweite Sondernummer, die dreiunddreissig Autorinnen und Autoren, zwei Grafiker, zwei Illustratorinnen und drei Redakteure zu verantworten haben. Geniesst das Jahr! Die NaRr - Redaktion

▶ 28.7.

▶ 4.10.

▶ 28.12.



Winter

Eins

Januar

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René Frauchiger

▶ 28.7.

Madame Januar Mein Name ist Max Neuenschwander, ich bin ein Hermelinspelz. Man kann bei einem Hermelinspelz nie behaupten, er erlebe Abenteuer, bestenfalls ist er bei einem Abenteuer anwesend. Aus diesem Grund will ich auch nicht von mir, sondern von ihr sprechen, von Madame Geraldine-Liselotte Januar, meiner Herrin oder – wie man auch sagt – meiner Trägerin. Auch muss man hier gleich zu Beginn einwenden, dass ich eigentlich nicht der Richtige bin, über Madame zu sprechen, gar ein Porträt von ihr zu zeichnen. Dies liegt weniger daran, dass ich ein Hermelinspelz bin, Hermelinspelze sind auch nicht – entgegen der allgemeinen Vermutung – dümmer oder weniger dumm als – sagen wir einmal – ein


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René Frauchiger

▶  28.7.

Lenzburger Primarlehrer. Wenn ich behaupte, ich sei nicht der Richtige, um über Madame Januar zu sprechen, dann sage ich dies, weil ich auf dem Land aufwuchs. Als ich noch ein ganz junger Hermelinspelz war, war mein Herr und Träger ein Ostrussischer Königsmantelhermelin. Diesem beisswütigen Tier verdanke ich noch immer meine Gruppenzugehörigkeit. Auch wenn ich mittlerweile bereits länger im Dienste der Madame Januar stehe, als damals im Dienste des Hermelins, bezeichnet man mich noch immer als Hermelinspelz und nicht etwa als Januarspelz oder gar Madamespelz. Pelze, so muss ich hier festhalten, behalten die Bezeichnung ihres ersten Trägers. Obwohl ich hier gewiss nicht von den linguistischen Feinheiten des Pelzdaseins sprechen will, so musste ich dies


▶  S. 26,  S. 82,  S. 283

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trotzdem vermerken, damit man doch verstehe, dass sich ein Hermelinspelz, der in der abgelegenen russischen Tundra aufgewachsen ist, am Halse einer Stadtberner Patrizierdame nie richtig zu Hause fühlen kann. Ich finde die Bonmots von Madame durchaus geistreich. Auch über die Gäste – vornehmlich Künstler und Bundeshauspolitiker – welche Madame besuchen, lässt sich nichts Tadelnswertes finden. Ich gebe zu: Nie hört man auch nur ein Fluchwort, einen Kraftausdruck im Salon. Auch wechselt Madame ohne Mühe und Anstrengung zwischen Deutsch, Französisch, Englisch und Italienisch. Die Gespräche sind reichhaltig, vielfältig, ja geradezu erbaulich. Es ist eine Gesellschaft, welche Madame hier unterhält – und deren edelstes Glied sie selbst ist – wie man


René Frauchiger

▶  28.7.

sie sich heute in ihrer Vornehmheit kaum noch vorstellen kann. Es steht mir deshalb nicht zu, zu klagen. Kein höherer und vornehmerer Hals ist für einen Hermelinspelz denkbar. Und trotzdem muss ich gestehen, auch wenn es mir schwer fällt, wie ich sie manchmal vermisse: die Wälder Russlands, durch welche ich durchgeschwitzt und kotbespritzt mit dem Königsmantelhermelin einst rennen durfte.


▶  S. 99

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Jetzt suchen alle nach der Leiche. Ulrike Ulrich Der Hund ist tot S. 24

1.1. Mittwoch Der erste Tag im neuen Jahr.

2.1. Donnerstag Wilhelm LĂśhe, Pfarrer und GrĂźnder der Diako- nissenanstalt in Neuendettelsau

Januar Woche 1


3.1. Freitag

Hl. Gordius, römischer Märtyrer

4.1. Samstag

Friedrich von Bodelschwingh der Jüngere, deut- scher Pfarrer und Wohltäter

5.1. Sonntag

Hl. Theophan Goworow, russischer Mönch, Bischof von Tambow und Wladimir

Notizen

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6.1. Montag

Heilige Drei Könige

7.1. Dienstag

Hl. Märtyrer der heiligen Bücher, numidische Blutzeugen

8.1. Mittwoch

Hl. Severin von Noricum, Klostergründer, Missionar und Schutzpatron

9.1. Donnerstag (*1992) Meret Gut ▶ S. 232 (*1992) Ana Luketic ▶ S. 254

Januar Woche 2


10.1. Freitag

Hl. Paulus von Theben, ägyptischer Einsiedler, Wüstenvater und Schutzheiliger

11.1. Samstag

Ernst I. (Braunschweig-Lüneburg), deutscher Herzog

12.1. Sonntag

Hl. Tatjana von Rom,  römische Jungfrau und Märtyrerin

Notizen

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13.1. Montag

Hl. St. Mochonna von Inis Ph·draig, irischer Bischof

14.1. Dienstag

George Fox, englischer Prediger und Gründer der Quäker

15.1. Mittwoch

Traugott Hahn, deutsch-baltischer Pfarrer und Märtyrer

16.1. Donnerstag Einkaufen: Schokotorte, lustiger Partyhut, Schnaps. Jan Kempter

Januar Woche 3


17.1. Freitag

Hl. Antonius der Grofle, ägyptischer Einsiedler, Mönchsvater und Schutzpatron

18.1. Samstag

Hl. Athanasius der Grosse, ägyptischer Kirchen- vater, Patriarch von Alexandria und Schutzpatron

19.1. Sonntag

Hl. Heinrich von Uppsala, Märtyrer, eventuell Bischof von Uppsala

Notizen

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20.1. Montag

Hl. Fabian, römischer Bischof, Märtyrer und Schutzpatron

Matthias Claudius, deutscher Dichter

21.1. Dienstag

22.1. Mittwoch

Hl. Vinzenz von Valencia, spanischer Diakon, Märtyrer und Schutzpatron

23.1. Donnerstag Menno Simons, deutscher Bischof der Täufer- bewegung

Januar Woche 4


24.1. Freitag

Erich Sack, deutscher Pfarrer und M채rtyrer

25.1. Samstag

Sel. Heinrich Seuse, deutscher Ordensmann und Mystiker

26.1. Sonntag

Johann Meyfart, Pfarrer und Liederdichter, Vork채mpfer gegen die Hexenverfolgung

Notizen

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27.1. Montag (*1980) Gregor Szyndler ▶ S. 124, S. 228, S. 310

28.1. Dienstag

Hl. Manfred von Riva, italienischer Einsiedler und Priester

Hl. Valerius von Trier, Bischof

29.1. Mittwoch

30.1. Donnerstag Hl. Bathilde, fränkische Königin und Nonne, Klostergründerin und Schutzpatronin

Januar Woche 5


31.1. Freitag

Einsendeschluss Voilà votre mort, monsieur Unitheater Basel ▶ www.unitheater.ch

Wenn Henri May nach Hause kommt, streicht sie um seine Beine. René Frauchiger Spülbecken S. 26 Notizen

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Ulrike Ulrich

▶ 6.10.

Der Hund ist tot Der, der den Hund begraben hat, der hat vergessen, wo er liegt. Der hat kein Kreuz gemacht und keine Kerbe. Der hat von Breitengraden keine Ahnung und weiss nicht mal, in welcher Gegend. Ob er den Hund in halbgefrorner Erde, in abgesacktem Sand, in Torf, in Lehm. Er weiss es nicht. Jetzt suchen alle nach der Leiche. Mit Wünschelruten, Satelliten, Schäferhunden. Mit Archäologen, Pathologen, Kopfgeldjägern, Agenten, Agenturen und Experten. Mit Bodentruppen und mit Religion. Der, der den Hund begraben hat, der hat den Hund nicht mal gekannt. Er hat ihn bloss gefunden. Der, der den Hund begraben hat, der fürchtet sich vor Hunden, selbst vor toten. Er hat so tief gegraben, wie er konnte. Ob er vor


▶  S. 234, S. 312

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Jahren, Tagen, vor Jahrzehnten. Er weiss es nicht. Er weiss auch nichts vom Leichengift. Weil niemand wirklich weiss, wo er begraben liegt, gibt es an jeder Ecke Hundegräber, und jeder hält ein andres Grab für das verbürgte. Sie weinen Tränen über Maulwurfshügel, sie klagen, schreien, werfen Blumen, sich zu Boden, einander vor, am falschen Grab zu stehn und sagen: Das Grab ist leer. Der, der den Hund begraben hat, der leidet lang schon unter Amnesie. Seit er am Grab des ungekannten Hundes stand. Er weiss nicht, wer er ist noch was er wollte. Er wird von niemandem erkannt. Er ist mit niemandem verwandt. Doch jeder fragt ihn nach dem Weg. Er weiss ihn nicht.


René Frauchiger

▶  28.7.

Spülbecken Wie mit seiner Frau abgesprochen, ertränkt an einem Samstagnachmittag der Familienvater Henri May im Spülbecken die vier neugeborenen Katzen. Nachdem er von den knorpeligen Körpern in seinen Händen aufsieht und bemerkt, wie die Katzenmutter auf dem Küchentisch sitzt und zu ihm herüberstarrt, zuckt Henri May zusammen, jagt die Katze aus der Küche und wirft die nun toten Jungen in den Müll. Die Katze sucht nicht nach ihren Jungen. Wenn Henri May nach Hause kommt, streicht sie um seine Beine. An einem Abend, als er seinem zweijährigen Sohn Gute Nacht sagen will, sieht Henri May die Katze auf dem Stuhl neben dem Bett, wie sie seinen Sohn anstarrt. Die Katze bewegt sich nicht. Henri May packt das Tier, wirft es hinaus und schliesst die Tür. Da sein Sohn erwacht ist, sagt er ihm, dass man die vier Kätzchen gar nicht hätte verkaufen können, es gäbe im Dorf halt schon zu viele Katzen. Von nun an schliesst Henri May jeden Abend die Türe des Kinderzimmers. Er kann nicht mehr Zeitung lesen, wenn sich die Katze im selben Raum befindet. Auch vor dem Essen schliesst er die Tür. An einem Morgen, nachdem er von seinem Sohn geträumt hat, wie dieser nackt, mit zerkratztem Gesicht und zerkratzten Schenkeln neben dem Spülbecken liegt, nimmt Henri May die Katze in beide Hände und schlägt ihren Kopf vierzehn Mal über das Treppengeländer beim Haus-


▶  S. 8, S. 82, S. 283

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eingang. Als er seiner Frau später von seinem Traum und dem Treppengeländer erzählt, versteht sie ihn. Sie kocht Gulasch, während Henri May den Katzenkörper zuerst in einen Beutel stülpt, bevor er diesen in den Müll wirft. Am nächsten Abend sitzt die Katze des Nachbars vor dem Küchenfenster und als Henri May das Fenster öffnet, springt die Katze hinein und streicht ihm um die Beine.


Sarai Schabab

▶  18.3.

Monster II (Monster frisst fröhlichen Spaziergänger) Oh-mein-Babba--war-eine-wunderbares-Mann Oh-Naja-jaaaa-ja--Tjja-tjja-dadaaada--DAAAA! ---

Monster I (Die Entstehung des Monsters während eines wissenschaftlichen Experiments) I 1-1 = O II O×N = ON III M×ON = MON IV MON×S = MONS V MONS×T = MONST VI MONST×E = MONSTE VII MONSTE×R = MONSTER MONSTER ist böse!


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Hmmm?---ffffffF ----Daa! Whooo-aaaa! -Dreimeterfunfzig ---- Schiiiiiyyyyyy --Nada? Nada? koooo -- koo -- kooom! ja-jaja! -- Whoo-aaa! --put!--putput!--putputput koo--koo--k--aaaa-aaaa ooo-ooo-OOO


Sarai Schabab

▶  18.3.

O-Babba--war-eine-groosse eine-grooooOOOoosse ---kuUnstler -- tjja-tja --nada?--nada? hehe?--hehe? lieblieb--liiiib------autsch---------autsch --heee! ---HEEEEE! WHOOOAAA---AAAA-SCHSCH-AAAÄÄÄÄÄ---!! [GRRRRHHOOOAAA] --oh-mein-babba-babba-babbababb-b


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BAAABBBAAAA--! [GRRRRHHOOOAAA] Aaagh-pfff-schllii-anghhhh ---ang-ang-ang ---hhhhhhhhh-hhhhhhhh ---hh babbababba --rg [mpf] Und JETZT: alle zuSAMMEN! Oh, mein Babba war eine wunderbaares Mann / Oh, mein Babba war eine grosses Kuunstler /


Sarai Schabab

▜  18.3.

Tunnel Tunnel Tunnel Tunnel Monster TunnelHeld

Tunnel FledermausfliegtdavonTunnel Tunnel Tunnel Monster Tunnel

Monster III (Endkampf im Tunnel) Tunnel Tunnel TunnelschrecklicheNacht Tunnel Tunnel

[mpf-mpf]


▶  S. 90, S. 117

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Tunnel Tunnel Tunnel Tunnel Held TunneltotesMonstertreibtimFluss

TUNNEL !!!TUNNEL TUNNEL TUNNEL MoHenster-ld TUNNEL

Tunnel Tunnel TunnelStille Tunnel Monster Held Tunnel


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Das narrativistische Literaturmagazin Sonderausgabe 2014

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