Bildungskurier 4/2021

Page 1

BildungsKurier Magazin der Landesbildungsorganisation der SPÖ OÖ • Nr. 4 • 72. Jg, November 2021

Österreichische Post AG • GZ 02Z032837 M • P.b.b. • SPÖ Oberösterreich, Landstraße 36/1, 4020 Linz

Wahlen: Nicht nur der Kopf entscheidet! Die Meinungsforscherin Eva Zeglovits im Interview Seite 10

Landtagswahlen:

Steuerpolitik:

Gewaltschutz:

Seite 4

Seite 12

Seite 13

Eine Analyse der oberösterreichischen Wahlergebnisse

Türkis-Grün verpasst Chance auf Strukturreform

Mehr Geld für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen!


Entgeltliche Einschaltung

M IN BONUS Für mich soll‘s viele Punkte regnen. Punkte sammeln und regionale Vorteile abstauben. Der Kundenklub der Energie AG ist voller Heimvorteile und attraktiver Angebote. Jetzt registrieren, punkten und gewinnen!

Barbara Haas, WTA-Tennisprofi

www.energieag.at/meinbonus

WIR MACHEN IHR EVENT MÖGLICH Sie sind auf der Suche nach einem Wohlfühlraum, in dem Ihr Seminar, Ihre Besprechung, Sitzung oder Präsentation unter Berücksichtigung der Corona-Maßnahmen stattfinden kann? Wir im Central Linz bieten Ihnen ideale Bedingungen für Ihr Event.

www.centrallinz.at office@centrallinz.at +43 (0) 5 7726 1199

Eben noch direkt auf der Landstraße und keine zehn Schritte weiter in einer echten Großstadtoase. Nutzen Sie unsere 300 m² als Spielwiese für Ihre Ideen.

Folgen Sie uns auf Facebook & Instagram // @centrallinz

Alle Infos zu den Veranstaltungen & zur Vermietung unter www.centrallinz.at

Landstraße 36 | 4020 Linz | office@centrallinz.at | +43 5 7726 1199


Vorneweg

Kurz ist weg!

K

Bernd Dobesberger • Chefredakteur

urz musste zur Seite treten – so sein eigenes Wording. Er hofft – und arbeitet sicher daran – wieder ins Bundeskanzleramt zurückkehren zu können. Es mehren sich jedoch die Stimmen, die meinen, er sei nun im politischen Ausgedinge ohne Comeback-Option. Wenn man an Kurz zurückdenkt, dann bleiben nicht nur seine Frisur und seine Slim Fit Anzüge im Gedächtnis, sondern vor allem die neoliberale Grundierung seiner Politik, die auch den regen Zuspruch seiner Großspender:innen fand. Das eindrücklichste Beispiel dafür ist die Ermöglichung des 12-Stunden-Tags. Seine Politik war auch antisozialpartnerschaftlich, wie das Zurückdrängen der Vertreter:innen der Arbeitnehmer:innen in der Gesundheitskasse zeigt. In manchen Bereichen war die Politik von Kurz und dessen „Familie“ schlicht klassisch konservativ. Sein Umgarnen von Gegner:innen des Schwanger-

schaftsabbruchs oder die Ablehnung der Gleichstellung von Homo- und Transsexuellen zeugen davon. Kurz war aber auch gnadenloser Opportunist. Weil die Umfragen – die echten, nicht die frisierten – es nicht hergaben, hat er etwa das österreichische Pensionssystem nicht angegriffen, obwohl dies eine klassisch neoliberale Forderung ist. Nicht zuletzt operierte Kurz mit dem Infragestellen demokratischer Institutionen und des Rechtsstaats. Und schlussendlich war die Politik der KurzÖVP immer auch reaktionär: In der Frage von Flucht und Migration war deren Antwort stets Abschottung statt Menschenrechte. Mit diesem „radikalen Konservativismus“, so die Politologin Natascha Strobl, wurde Kurz zur politischen Hoffnung der europäischen Konservativen. Nun ist er – bis auf Weiteres – im politischen Warteraum.

Inhalt

4 Landtagswahlen: Eine genaue Analyse der oberösterreichi schen Wahlergebnisse stellt Bernd Dobesberger bereit. Minion Minion Minion 6 Bundestagswahlen: Auf eine proeuropäische Ära Post-Merkel hofft Hannes Heide.

DEDE

7 Kommunalwahlen: Graz wirklich gedrucktOb nach der Richtlinie des öster­ kommunistisch„Druckerzeugnisse“ ist, hinterfragt reichischen Umweltzeichens,Anna Robosch. Gutenberg­Werbering GmbH, UW­Nr. 844

PEFC zertifiziert PEFC zertifiziert Dieses Produkt stammt Dieses Produkt stammt aus nachhaltig aus nachhaltig Wäldern bewirtschafteten bewirtschafteten und kontrolliertenWäldern Quellen und kontrollierten Quellen www.pefc.at www.pefc.at

8 PEFC Nichtwählen: Warum sinkt und PEFC zertifiziert PEFC zertifiziertdie Wahlbeteiligung PEFC zertifiziert zertifiziert PEFC zertifiziert PEFC zertifiziert Produkt Dieses Produkt Dieses Produkt Dieses Produkt Dieses Produkt Dieses Produkt zertifiziert ´ PEFC Dieses was man dagegen tun kann, erklärt Žarko Jankovic. stammt aus stammt aus stammt aus PEFC zertifiziert 9

stammt aus nachhaltig nachhaltig bewirtschafteten bewirtschafteten Wäldern und Wäldern und kontrollierten kontrollierten Quellen Quellen www.pefc.at www.pefc.at

4

stammt aus stammt aus nachhaltig nachhaltig nachhaltig nachhaltig bewirtschafteten bewirtschafteten bewirtschafteten bewirtschafteten Wäldern und nach der Richtlinie Wäldern und gedruckt Wäldern und Wäldern und kontrollierten kontrollierten „Druckerzeugnisse“ des öster­ kontrollierten kontrollierten Quellen Quellen Quellen Quellen reichischen Umweltzeichens, www.pefc.at www.pefc.at www.pefc.at Gutenberg­Werberingwww.pefc.at GmbH, UW­Nr. 844

Dieses Produkt stammt Produkt stammt aus nachhaltig Verschwörungstheorien: Was MFG und FPÖ mit Dieses aus nachhaltig Wäldern bewirtschafteten bewirtschafteten und kontrollierten Quellen den steigenden Corona-Fallzahlen in Oberösterreichund kontrolliertenWäldern Quellen www.pefc.at zu tun haben, weiß Kathrin Quatember. www.pefc.at

6

10 Interview: Eva Zeglovits im Gespräch über die Qualität PEFC zertifiziert PEFC zertifiziert von Umfragen, wahlentscheidende Faktoren Dieses Produkt stammt Dieses Produkt stammt aus nachhaltig aus nachhaltig Wäldern und politischesgedruckt Engagement vor Ort. nach der Richtlinie bewirtschafteten „Druckerzeugnisse“ des öster­

reichischen Umweltzeichens, 12 Steuerpolitik: Eine Schieflage im österreichischen Gutenberg­Werbering GmbH, UW­Nr. 844 Steuersystem ortet Roland Richter.

bewirtschafteten und kontrolliertenWäldern Quellen und kontrollierten Quellen www.pefc.at www.pefc.at

13 Gewaltschutz: Mehr Geld für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen fordert Eva-Maria Holzleitner. Myriad Myriad

PEFC zertifiziert PEFC zertifiziert Dieses Produkt Dieses stammtProdukt aus stammt aus nachhaltig nachhaltig bewirtschafteten bewirtschafteten Wäldern und Wäldern und kontrollierten matePartner.com/53401-2678-0009 kontrollierten Quellen Quellen www.pefc.at www.pefc.at

9

10

Myriad

gedruckt nach der Richtlinie „Druckerzeugnisse“ des öster­ reichischen Umweltzeichens, Gutenberg­Werbering GmbH, UW­Nr. 844

PEFC zertifiziert PEFC zertifiziert Myriad PEFC zertifiziert PEFC zertifiziert Dieses Produkt Dieses Produkt Dieses Dieses stammtProdukt aus stammtProdukt aus stammt aus stammt aus nachhaltig nachhaltig nachhaltig nachhaltig bewirtschafteten bewirtschafteten bewirtschafteten bewirtschafteten Wäldern und nach der Richtlinie Wäldern und gedruckt Wäldern und Wäldern und kontrollierten kontrollierten ClimatePartner.com/53401-2678-0009 „Druckerzeugnisse“ des öster­ kontrollierten kontrollierten Quellen Quellen Quellen Quellen reichischen Umweltzeichens, www.pefc.at www.pefc.at www.pefc.at www.pefc.at Gutenberg­Werbering GmbH, UW­Nr. 844

PEFC zertifiziert PEFC zertifiziert Medieninhaber, Herausgeber, Verleger: Sozialdemokratische Partei Österreich, Dieses Produkt stammt Dieses Produkt stammt Landesorganisation – Landesbildungsausschuss, 4020 Linz, Landstraße 36/1 aus nachhaltig aus nachhaltig Wäldern Tel: 05-77 26 11-16, annemarie.obermueller@spoe.at, www.renner-institut.spooe.at bewirtschafteten bewirtschafteten und kontrolliertenWäldern Quellen Redaktion: Bernd Dobesberger, Georg Hubmann, Wolfgang Kemptner, Manuel Kreuzer, und kontrollierten Quellen Gerald Mitterlehner, Annemarie Obermüller, Peter Rohrmoser, Laura Wiednig www.pefc.at www.pefc.at

Verdana

Grund­sätz­liche Richtung: sozialdemokratisch Hersteller: Gutenberg-Werbering Ges.m.b.H.

PEFC zertifiziert Nr. 04/21, September, SPÖ OÖ-Info-Nr. 4/2021, GZ 02Z032837 M, PEFC zertifiziert Dieses Produkt stammt P.b.b. Erscheinungsort Linz, SPÖ OÖ, 4020 Linz, Landstraße 36/1 Dieses Produkt stammt aus nachhaltig aus nachhaltig Wäldern bewirtschafteten ClimatePartner.com/53401-2678-0009 bewirtschafteten und kontrolliertenWäldern Quellen und kontrollierten Quellen www.pefc.at November 2021 / Bildungskurier www.pefc.at PEFC zertifiziert

3


Landtagswahlen

Oberösterreichische Wahlnachbetrachtungen

Nicht nur die Ergebnisse der Landtags-, Gemeinderats- und Bürgermeister:innenwahlen 2021 sind für die politische Arbeit der kommenden Jahre wichtig, sondern auch deren Analyse.

D

er Stimmenanteil der oberösterreichischen Volkspartei stieg von 36,37 Prozent bei den Landtagswahlen 2015 auf 37,61 Prozent bei den Wahlen in diesem Jahr. Die ÖVP hat sich deshalb sofort und lautstark zum Sieger erklärt. Durch diesen Spin – also die Erklärung, die den reinen Zahlen zugeschrieben wird – wurde das zweitschlechteste Wahlergebnis der oberösterreichischen Volkspartei seit 1945 kurzerhand zum Wahlsieg umgedeutet. Die ÖVP macht das aber nicht nur, um die eigene Anhänger:innenschaft positiv zu stimmen, sondern begründet damit auch ihren Anspruch auf die absolute Mehrheit in der Landesregierung und das Ausdünnen der Ressorts der roten und grünen Regierungsmitglieder.

Wie repräsentativ sind unsere Wahlergebnisse?

Betrachtet man aber nicht rein die abgegebenen, gültigen Stimmen, sondern setzt das Wahlergebnis in Verhältnis zu allen Bewohner:innen Oberösterreichs im Wahlalter, dann wird ein tiefgreifendes Problem sichtbar: Die Wahlbeteiligung ist von 81,3 Prozent im Jahr 2015 auf 76,3 Prozent in diesem Jahr gesunken. Zusätzlich haben etwas weniger als 14 Prozent der Bewohner:innen Oberösterreichs keine österreichische Staatsbürgerschaft und sind daher bei den Landtagswahlen nicht stimmberechtigt. Denkt man das alles mit, dann zeigt

4

Bildungskurier / November 2021

Bernd Dobesberger sich, dass weniger als 25 Prozent der in Oberösterreich lebenden Erwachsenen die Volkspartei gewählt haben. Und das macht erstens deutlich, dass die Machtanmaßungen der ÖVP fast schon erschreckend sind. Zweitens wird damit aber auch ein reales Dilemma offenbar: Bei sinkender Wahlbeteiligung und steigendem Anteil nicht Wahlberechtigter ohne österreichische Staatsbürgerschaft werden unsere Wahlergebnisse immer weniger repräsentativ. Diesem Problem muss sich natürlich nicht nur die ÖVP stellen; es gilt für das parlamentarische System ganz generell und für alle Parteien. In Zukunft wird es von entscheiden-

„In Zukunft wird es von

entscheidender Bedeutung sein, die Wahlbeteiligung zu erhöhen.

der Bedeutung sein, die Wahlbeteiligung zu erhöhen. Um die Nichtwähler:innen wieder zu den Urnen zu bewegen, muss dafür gesorgt werden, dass sie sich durch die Politik wieder repräsentiert fühlen und die Parlamente als „ihre“ Parlamente wahrnehmen. Was die NichtÖsterreicher:innen betrifft, so gilt es, den Vorschlag der Bundes-SPÖ aus dem Frühjahr 2021, der auf schnellere Einbürgerungsmöglichkeiten abzielte, zu forcieren.

Der Autor:

Bernd Dobesberger ist Landesbildungsvorsitzender der SPÖ Oberösterreich.

Ein getrübtes Stimmungsbild

Die Wahltagsbefragung von SORA setze sich auch mit der Frage auseinander, wie die Entwicklung des Landes seit der Wahl 2015 eingeschätzt wird. Waren vor sechs Jahren noch 34 Prozent der Wähler:innen der Ansicht, dass das Bundesland sich eher positiv entwickelt und nur 24 Prozent meinten, dass sich Oberösterreich eher negativ entwickelt, so hat sich diese Einschätzung seither eingetrübt: Nur mehr 26 Prozent sehen die Entwicklung eher positiv, 29 Prozent eher negativ. Für die ÖVP kann eine Fortsetzung dieses Trends zum Problem werden, denn seit Jahrzehnten ist die Wahlkampfbotschaft der ÖVP auf ein positives Stimmungsbild ausgerichtet, à la „Oberösterreich ist wunderbar, die Oberösterreicher:innen sind Bei sinkender Wahlbeteiligung und steigendem Anteil nicht Wahlberechtigter ohne österreichische Staatsbürgerschaft werden unsere Wahlergebnisse immer weniger repräsentativ.


wunderbar und der ÖVP-Landeshauptmann sichert dies auch in Zukunft“. Wenn aber immer mehr Menschen diesem Stimmungsbild nichts mehr abgewinnen können, dann funktioniert auch die Botschaft der Volkspartei nicht mehr.

Das sozialdemokratische Wahlergebnis

Die oberösterreichische Sozialdemokratie konnte mit 18,6 Prozent ihr Wahlergebnis von 2015 faktisch halten: prozentuell ganz leicht (0,2 Prozentpunkte) dazugewonnen, durch die gesunkene Wahlbeteiligung aber nicht ganz zehntausend Stimmen verloren. Schaut man sich die Wahlanalysen – etwa des SORA-Instituts – im Detail an, dann zeigt sich, dass 78 Prozent der SPÖWähler:innen auch bei den Landtagswahlen 2015 für die SPÖ gestimmt haben. Rund 87 Prozent der SPÖ-Stimmen der Landtagswahl kamen von Wähler:innen, die bei der Nationalratswahl 2019 für die sozialdemokratische Partei gestimmt haben. Das macht deutlich, dass es nach wie vor einen sehr stabilen Kern an „treuen“ SPÖ-Wähler:innen in Oberöster-

reich gibt. Andererseits hat die SPÖ Oberösterreich aber über diesen Kern hinaus wenig Strahlkraft. Entsprechend der Trends anderer Wahlen haben bei diesen Landtagswahlen mehr Frauen (20 Prozent) als Männer (17 Prozent) die SPÖ gewählt. Bei der Altersverteilung der SPÖ-Wähler:innen gibt es noch deutlichere Unterschiede: Unter den bis 29-Jährigen lag der sozialdemokratische Wähler:innenanteil bei 13 Prozent, in der Altersgruppe zwischen 30 und 59 Jahren bei 18 Prozent und unter den ab 60-Jährigen bei 23 Prozent. Am höchsten ist der Wähler:innenanteil der SPÖ mit 25 Prozent bei Frauen ab 45 Jahren. Im Vergleich dazu liegt er bei Frauen bis 44 Jahren bei 12 Prozent.

Klare Konturen für ein klares Wahlergebnis

Dass die SPÖ Oberösterreich bei jungen Frauen nicht stärker punkten konnte, bedarf einer detaillierten Auseinandersetzung. An den Wahlkampfbotschaften kann es jedenfalls nicht gelegen haben. Denn mit den Forderungen im Bereich Bildung, wie kostenlose Kinder-

gärten oder Ausbau der Nachmittagsbetreuung etc., hat sich die SPÖ gerade an diese jüngeren Frauen gerichtet. Die zentralen Wahlkampfforderungen der SPÖ Oberösterreich waren richtig und wichtig. Bei der Analyse des Wahlergebnisses stellt sich die Frage, wie die Sozialdemokratie insgesamt wahrgenommen wird. Die Wähler:innen beschäftigt die Frage, wie es gesellschaftlich weitergehen soll bzw. welche politischen Perspektiven die einzelnen Parteien eröff-

„Ohne klare Konturen und

ohne klares Bild für die Zukunft gibt es auch keine klaren Wahlergebnisse.

nen. Offenbar ist die SPÖ auch nach dem Wahlkampf 2021 in Oberösterreich in zu vielen Bereichen für die Wähler:innen konturlos und schlecht einschätzbar. Und eines ist klar: Ohne klare Konturen und ohne klares Bild für die Zukunft gibt es auch keine klaren Wahlergebnisse.

#glaubandich www.sparkasse-ooe.at

November 2021 / Bildungskurier

5


Bundestagswahlen

Die Macht des deutschen Kanzlers in Europa

Die deutschen Bundestagswahlen sind stets von besonderem Interesse für die Europapolitik. Die gute Nachricht: Die Ära Post-Merkel wird proeuropäisch bleiben. Hannes Heide

D

eutschland spielt als einer der Gründungsstaaten und unangefochtener Wirtschaftsriese seit Langem eine tragende Rolle in der Europäischen Union. Die Sozialdemokratie hat nun endlich wieder

„Die Sozialdemokratie

hat nun endlich wieder die Chance, die europäische Agenda zu prägen.

die Chance, die europäische Agenda zu prägen. Neben der Person Olaf Scholz kam vor allem ein ruhiger, skandalfreier Wahlkampf und eine geschlossen wirkende SPD bei den Deutschen gut an und bietet nach der Wahl eine Ausgangsbasis, die nicht – wie so oft – auf verbrannter Erde Koalitionen finden muss. Die anvisierte Dreierkoalition (SPD, Grüne, FDP) wird den Einfluss des Kanzlers intern vielleicht mindern, auf dem europäischen Parkett sieht das aber ganz anders aus. Dringliche Entscheidungen, wie sie im Europäischen Rat in den letzten Jahren häufig notwendig waren, etwa während der Turbulenzen am Finanzmarkt, beim Flüchtlingschaos oder der COVID-Pandemie, hat Kanzlerin Merkel quasi im Alleingang bestimmt und auf Bundesebene musste fast alternativlos zugestimmt werden.

Europa wieder vereinen

Aus europäischer Sicht ist es wichtig, dass die Bundestagswahl eine breite Mitte mit vier proeuropäischen Parteien (SPD, CDU/CSU, Grüne, FDP) als mögliche Koalitionspartner hervorgebracht hat. Zudem sind beide Kanzlerkandidaten (Olaf Scholz und Armin Laschet) brennende Europäer und keine der Parteien, die für einen Bruch mit der Europäischen Union stehen (Linke, AfD), spielt im Prozess der 6

Bildungskurier / November 2021

Regierungsbildung eine Rolle. In Brüssel erwartet man vom neuen deutschen Kanzler, die abtrünnigen Länder wieder ins Boot zu holen und auf ein sozialeres und gerechteres Europa zu drängen. Gerade in den dringendsten Zukunftsfragen scheint es momentan unmöglich, die Mitgliedstaaten auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Das heutige Europa ist alles andere als geeint, es ist tief gespalten und nationale Interessen dominieren immer öfter die politischen Entscheidungen. Hier wird aber Vieles wohl bis zur französischen Präsidentschaftswahl im April 2022 aufgeschoben werden.

Hot Topics: Klima und Grenzen

Die europäische Klimapolitik war bereits im deutschen Wahlkampf ein großes Thema, das mit einer Regierungsbeteiligung der Grünen sicher an Gewicht gewinnen wird. Und das ist auch dringend notwendig um das ambitionierte europäische Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Deutschland mit seinem prominenten Automobilsektor wird dabei eine Schlüsselrolle spielen. Das zweite heiße Eisen, die gemeinsame Asyl- und Immigrationspolitik, bewegt sich seit Jahren im Kreis. Hier braucht es mehr politischen Druck für eine gemeinsame, stabile Lösung an den Grenzen.

Der Autor:

Hannes Heide ist sozialdemokratischer Abgeordneter im Europäischen Parlament

„Der nächste Kanzler muss

die EU-Politik erneut zur Priorität in Deutschland machen und in Brüssel den goldenen Mittelweg aus Stabilität und Bewegung finden.

Der nächste Kanzler muss die EU-Politik erneut zur Priorität in Deutschland machen und in Brüssel den goldenen Mittelweg aus Stabilität und Bewegung finden. Aus europäischer Sicht ist es wichtig, dass die Bundestagswahl eine breite Mitte mit vier proeuropäischen Parteien (SPD, CDU/CSU, Grüne, FDP) als mögliche Koalitionspartner hervorgebracht hat.


Kommunalwahlen

Ist Graz kommunistisch? Ein Gespenst geht um in Graz – das Gespenst des Kommunismus. Und wo steht die SPÖ Graz? Anna Robosch

V

iele haben sich über das Ergebnis der Grazer Gemeinderatswahl gewundert. Vor allem das Ergebnis der KPÖ Graz hat von Jubel über Verwunderung bis hin zu blankem Entsetzen die unterschiedlichsten Reaktionen in der Grazer Bevölkerung ausgelöst. Graz hat es mit diesem Wahlergebnis und der Aussicht auf eine kommunistische Bürgermeisterin sogar weltweit in die Medien geschafft. Doch: Ist Graz wirklich „kommunistisch“?

Das Ende des System Nagl

Nein. Graz hat am 26. September 2021 das System Nagl abgewählt. Dieses war geprägt von überheblicher Politik, die über 19 Jahre hinweg immer

„Graz hat am

26. September 2021 das System Nagl abgewählt.

größenwahnsinnigere Projekte angekündigt hat, ohne sich um die wahren Herausforderungen einer wachsenden Stadt verantwortungsvoll zu kümmern. Während die Stadt im Verkehr und Feinstaub versunken ist, das tägliche Leben und Wohnen immer teurer wurde und gefühlt jeder freie Grünstreifen mit Anlegerwohnungen zubetoniert wurde, träumte Nagl von Olympischen Spielen, automatisierten Auto-Tiefgaragen, Gondeln über die Mur und jeden Berg und zuletzt sogar von einer milliardenschweren U-Bahn nur im Stadtgebiet. Davon hatten die Grazer:innen nach fast zwei Jahrzehnten nun endgültig genug. Gewählt wurde deshalb die Partei, die in größtmöglicher Distanz zur Grazer ÖVP stand, um endlich eine Kehrtwende und ein Ende der ÖVPHerrschaft zu erreichen. Das Image der KPÖ Graz als sozialpolitische Partei und Elke Kahr als bodenständige Politikerin, die in der Not „anpackt“, ist gefestigt. Angst vor der

KPÖ durch Vergleiche mit kommunistischen Regimen der Vergangenheit zu schüren, ist wirkungslos, wovon sich die

„Das Image der KPÖ Graz

als sozialpolitische Partei und Elke Kahr als bodenständige Politikerin, die in der Not „anpackt“, ist gefestigt.

ÖVP in den letzten Tagen und Wochen vor der Wahl selbst überzeugen konnte: Die massive Schmutzkübelkampagne der ÖVP gegen die „kommunistische Gefahr“ hat am Ende nur ihre eigene Wahlniederlage mitverursacht.

Und die SPÖ?

Das Wahlergebnis der SPÖ Graz ist enttäuschend. Knapp hundert Stimmen haben für den Einzug in den Stadtsenat gefehlt und ein Gemeinderatsmandat ging verloren. Daraus ergeben sich einige Fragen, denen sich die SPÖ Graz stellen muss: Warum konnte die Sozial-

Die Autorin:

Anna Robosch ist SPÖ-Gemeinderätin in Graz und Frauensprecherin der Sozialistischen Jugend Steiermark.

demokratie nicht von der massiven Unzufriedenheit mit der schwarz-blauen Stadtregierung profitieren, KPÖ und Grüne hingegen schon? Worin liegt der Schlüssel des Erfolgs der KPÖ? Und wie kann die SPÖ künftig auch im Vergleich mit der KPÖ wieder stärker werden? Die alte, abgehobene und realitätsferne Politik der Grazer ÖVP hat dazu geführt, dass immer mehr Grazer:innen ihr Vertrauen in die Demokratie verloren haben. Damit auch die SPÖ wieder als eine echte Alternative zu dieser alten Politik wahrgenommen wird, braucht es eine viel stärkere Besinnung auf die Grundwerte und vor allem ein Vorleben dieser Grundwerte in allen Bereichen und mit sichtbaren Signalen. Und es wird mehr Mut brauchen. Immer mehr Menschen spüren, dass der Kapitalismus nicht für sie funktioniert, sondern nur für das reichste Prozent

„Der Kapitalismus ist nicht

alternativlos. Wir müssen diese Alternative aufzeigen und sie kompromisslos ohne taktisches Kalkül vertreten.

Ein Gespenst geht um in Graz – das Gespenst des Kommunismus.

der Bevölkerung. Die Wähler:innen sind empfänglicher denn je für Systemkritik und radikal sozialpolitische Ideen. Der Kapitalismus ist nicht alternativlos. Wir müssen diese Alternative aufzeigen und sie kompromisslos ohne taktisches Kalkül vertreten.

November 2021 / Bildungskurier

7


Nichtwählen

Warum wir von demokratischer Teilhabe profitieren Die Qualität einer Demokratie bemisst sich immer auch daran, wie viele Menschen von ihrem Wahlrecht Gebrauch mache.

J

e mehr Menschen das Gefühl haben, mit ihrer Stimme etwas bewirken zu können, desto besser. Oberösterreich steht bei der Wahlbeteiligung mit einem Wert von knapp über 76 Prozent bei den letzten Wahlen vergleichsweise gut da. Der Rückgang um mehr als 5 Prozentpunkte bei der Landtagswahl bzw. über 6 Prozent bei der Gemeinderats- und Bürgermeister:innenwahl gibt dennoch zu denken.

Ursachen für die gesunkene Wahlbeteiligung in Oberösterreich

Mehrere Faktoren spielen bei der gesunkenen Wahlbeteiligung eine Rolle, darunter die politische Großwetterlage. In Oberösterreich war etwa von Stelzers ÖVP gelegentlich die Warnung vor einer „Zersplitterung“ der Parteienlandschaft zu hören, unter anderem wenn von „italienischen Verhältnissen“ die Rede war. Dies war Stelzers Botschaft an die eigenen Wähler:innen, auch wirklich wählen

Žarko Jankovic´ zu gehen. Gleichzeitig wurde man nicht müde, den sicheren Sieg zu trommeln mit dem erhofften Effekt, Wähler:innen der anderen Parteien zu demobilisieren. In einem ähnlichen Spannungsfeld befand sich auch die SPÖ: Zwar stand die ÖVP als sichere Siegerin fest, was demotivierend auf die Wähler:innenbasis wirkte. Gleichzeitig stand jedoch ein Kampf um den zweiten Platz im Land im Raum, was wiederum die Motivation, zur Wahl zu gehen, hob.

Die soziodemographische Beteiligungskluft

Hinzu kommt seit einigen Jahren eine soziodemographische Beteiligungskluft. Je größer die Ungleichheit in ei-

„Je größer die Ungleich-

heit in einem Land, desto höher die Anzahl der Nichtwähler:innen.

nem Land, desto höher die Anzahl der Nichtwähler:innen. Korruption und Klientelpolitik nähren das Gefühl, dass „die da oben es sich richten“, während die sogenannten einfachen Leute niemanden haben, der bzw. die sich um ihre Anliegen kümmert. Diese Kluft droht sich in den nächsten Jahren noch zu vergrößern, wenn nicht entsprechend politisch gegengesteuert wird. Denn viele Studien zeigen, dass von seinem Wahlrecht nur Gebrauch macht, wer das Gefühl hat, dass seine oder ihre Stimme auch gehört wird. Gleichzeitig kümmert sich Politik im Zweifel um die Interessen jener, von Nur wer das Gefühl hat, dass seine oder ihre Stimme auch gehört wird, macht von seinem oder ihrem Wahlrecht Gebrauch. 8

Bildungskurier / November 2021

Der Autor:

Žarko Jankovic´ ist Leiter der Abteilung „Daten und Analyse“ und der Rechercheabteilung der SPÖ Oberösterreich.

denen die Beteiligung an einer Wahl zu erwarten ist. Ein Teufelskreis. Und hier kommt die Sozialdemokratie ins Spiel.

Die SPÖ als Förderin der Demokratie

Die SPÖ steht als einzige Partei seit jeher für die demokratische Teilhabe aller Bevölkerungsschichten – auch und ins-

„Die SPÖ steht als einzige

Partei seit jeher für die demokratische Teilhabe aller Bevölkerungsschichten – auch und insbesondere jener, die unterrepräsentiert und benachteiligt sind.

besondere jener, die unterrepräsentiert und benachteiligt sind. Den demokratiepolitischen Teufelskreis des Nichtwählens zu durchbrechen und eine glaubhafte Vertretung für die Interessen der Menschen in Oberösterreich und darüber hinaus zu sein, ist das natürliche Ziel der SPÖ. Vielfach ist es die direkte persönliche Ansprache, ob auf der Straße oder im eigenen Büro und Betrieb, die Menschen zum Wählen motiviert. Es lohnt sich, um unsere Ideale und Programme zu werben und zu streiten. Wenn wir entschlossen und unbeirrbar daran festhalten, führt in Zukunft kein Weg an der SPÖ vorbei.


Verschwörungstheorien

Querdenker:innen: vom Netz bis in den Landtag

Seit der Corona-Pandemie erleben Verschwörungstheorien eine Renaissance – auch in Oberösterreich. Kathrin Quatember

D

as Netzwerk der COVIDLeugner:innen, Maßnahmenund Impfgegner:innen, das sich in den vergangenen nicht einmal

„Das Netzwerk der COVID-

Leugner:innen, Maßnahmenund Impfgegner:innen, das sich in den vergangenen nicht einmal zwei Jahren gebildet hat, ist schwer überschaubar.

zwei Jahren gebildet hat, ist schwer überschaubar. Im März 2021 zählte eine Recherche einer Gruppe von STANDARDJournalist:innen 21 Organisationen und Initiativen von so genannten „CoronaQuerdenker:innen“, die mehr oder weniger miteinander in Verbindung stehen. In Anbetracht der kurzen Zeitspanne ein besorgniserregender Zuwachs. Besorgniserregend ist auch die pandemische Lage in Oberösterreich. Zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Artikels lag die 7-Tages-Inzidenz in Oberösterreich jenseits der 1000. Doch was ist in Oberösterreich so anders als in anderen Bundesländern? Eines ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen: In Oberösterreich sitzen mit MFG und FPÖ zwei Parteien im Landtag, die den Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie und der Impfung skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen.

MFG: Der parteipolitische Arm der Querdenker:innen

Die Partei MFG („Menschen, Freiheit, Grundrechte“), der parteipolitische Arm der Querdenker:innen, hat bei den Wahlen in Oberösterreich auf Anhieb den Sprung in den Landtag geschafft. Presseaussendungen und auch der FacebookAuftritt der Partei machen schnell klar, dass es sich hier nicht um die harmlosen

Impf- und Maßnahmenskeptiker:innen handelt, als die sie sich gern selbst bezeichnen. Die Postings haben große Ähnlichkeit mit Texten aus Whatsapp- und Telegram-Kanälen, die Verschwörungsmythen rund um COVID verbreiten. Die meist sehr langen Texte haben das Ziel, Mythen und Falschinformationen zu Corona zu streuen und enthalten dabei so genannte „Dog Whistles“, also Wörter und Phrasen, die nur von der eigenen Anhänger:innenschaft sofort verstanden werden, wie beispielsweise „genbasierte Impfexperimente“. Gespickt mit medizinischen und juristischen Fachbegriffen und in alarmistischen, emotionalisierenden Appellativen gehalten verfehlen sie ihre Wirkung nicht – allein durch die schiere Menge an Information, die manche als Professionalität missinterpretieren.

„Die FPÖ reiht

sich in die Szene der Querdenker:innen ein.

Die FPÖ und die Querdenker:innen

Die MFG hat diese Methode der emotionalisierenden Zuspitzung keineswegs erfunden. Wir kennen diese Form der Kommunikation von der FPÖ ebenso wie aus Medien wie dem in Oberösterreich erscheinenden „Wochenblick“, der sich zu einem der Leitmedien der Querdenker:innen entwickelt hat. Apropos FPÖ: Auch diese reiht sich in die Szene der Querdenker:innen ein: von Herbert Kickl, der das Pferdeentwur-

Die Autorin:

Kathrin Quatember ist Historikerin und Social-Media-Expertin. Sie recherchiert seit mehr als zehn Jahren zur rechtsextremen und Querdenker:innen-Szene.

mungsmittel „Ivermectin“ gegen COVID empfiehlt bis zum stellvertretenden Klubobmann der FPÖ Oberösterreich, Peter Handlos, der auf Facebook gegen die 2G-Regelung polemisiert. Die drastischen Folgen dieser aggressiven Desinformationskampagnen und der Radikalisierung der Milieus, die von MFG und FPÖ bespielt werden, zeigen sich nicht nur auf Social Media, sondern auch in den zahlreichen Übergriffen gegen Journalist:innen bei COVID-Leugner:innendemos und in den stagnierenden Impfzahlen. Eine brandgefährliche Entwicklung. In Oberösterreich sitzen mit MFG und FPÖ zwei Parteien im Landtag, die den Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie und der Impfung skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen.

November 2021 / Bildungskurier

9


Interview

„Bei Wahlentscheidungen ist nicht nur der Kopf im Spiel“

Die oberösterreichischen Wahlen sind geschlagen. Wir haben mit der Meinungsforscherin und Leiterin des IFES Instituts Eva Zeglovits über die Qualität von Umfragen, wahlentscheidende Faktoren und die Bedeutung des politischen Engagements vor Ort gesprochen.

Bildungskurier: Die politische Einflussnahme auf Umfragen ist heiß diskutiert. Was macht eine gute Umfrage aus? Worauf muss ich achten, um zu erkennen, ob es sich um glaubwürdige Ergebnisse handelt? Zeglovits: Eine gute Umfrage ist repräsentativ für die Grundgesamtheit von Interesse. Bei Wahlumfragen sind das die Wahlberechtigten. Repräsentativ heißt, dass die Stichprobe ein Abbild der Grundgesamtheit ist und daher Ergebnisse in der Stichprobe Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit erlauben.

„Gerade bei Sonntagsfragen

werden kleine Unterschiede groß bewertet, was in Anbetracht der Schwankungsbreiten oft heikel ist.

Bei Sonntagsfragen gibt es einen Kriterienkatalog des Verbands der österreichischen Marktforschungsinstitute, VdMI, der beschreibt, welche Mindeststandards erfüllt sein müssen, damit eine Umfrage geeignet ist, eine Sonntagsfrage darzustellen. Dazu zählen unter anderem eine Stichprobengröße von mindestens 800 Fällen und dass keine reinen Online-Umfragen verwendet werden dürfen. Und dann ist Transparenz das Zauberwort, also die Angabe über Auftraggeberin oder Auftraggeber, Zeitraum der Befragung, Fragestellung im Wortlaut, Anzahl der Personen, die eine Partei nennen bei der Sonntagsfrage, Schwankungsbreiten, die Art der Stichprobenziehung, die Gewichtung der Daten etc. Dass es ausgerechnet für Sonntagsfragen so strenge Regeln gibt, hat den Grund, dass gerade bei Sonntagsfragen kleine Unterschiede groß bewertet werden, was in Anbetracht der Schwankungsbrei10 Bildungskurier / November 2021

ten oft heikel ist. Man stelle sich vor, die Schwankungsbreite beträgt plus-minus drei Prozentpunkte und gleichzeitig liegt eine Partei zwei Prozentpunkte vor einer anderen. Die Umfrage sagt eigentlich „die Parteien sind in etwa gleich stark“, in der Berichterstattung bleibt aber gerne „Partei A ist zwei Punkte vor Partei B“ übrig. Umso wichtiger ist es, dass von Seiten der Umfrage alles bestmöglich gemacht und transparent dargestellt ist. Was die Berichterstattung dann aber mit den Umfrageergebnissen macht, liegt meistens nicht im Einflussbereich der Umfrageinstitute. Bildungskurier: Politische Berichterstattung konzentriert sich immer stärker auf die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten als Personen. Welche Rolle haben denn politische Positionen und Inhalte bei der Oberösterreich-Wahl gespielt? Zeglovits: Die mediale Logik, insbesondere Soziale Medien und TV-Duelle, stellen immer die Person, nicht die Partei in den Vordergrund. Eine Person ist aber immer eine Projektionsfläche. Sie steht für Werte, Inhalte, Positionen. Sie weckt Emotionen und repräsentiert, wofür die Partei steht. Insofern sind Themen und inhaltliche Positionen immer wichtig. Man darf sich aber nicht vorstellen, dass sehr viele Wahlberechtigte Wahlprogramme

„Bei Wahlentscheidungen ist nicht nur der Kopf im Spiel, da kommt auch viel aus dem Bauch.

lesen und dann entscheiden, von welcher Partei ihre Interessen am besten vertreten werden. Bei Wahlentscheidungen ist nicht nur der Kopf im Spiel, da kommt auch viel aus dem Bauch.

Im Interview

Eva Zeglovits ist Politikwissenschafterin und Meinungsforscherin. Sie ist Geschäftsführerin des Sozial- und Meinungsforschungsinstituts IFES (Institut für empirische Sozialforschung GmbH).

Bildungskurier: Oft werden Länderwahlen von überregionalen Themen bestimmt. Welchen Einfluss hatte die Corona-Politik auf die Landtagswahlen? Zeglovits: Corona war sehr wichtig im Landtagswahlkampf, egal, was davon überhaupt in Landeskompetenz ist. Der Umgang mit der Pandemie ist nämlich ein Thema, das die Emotionen hoch gehen lässt. Das Thema lässt niemanden kalt. Und es ist ein Thema, wo man sehr gut gesehen hat, welche unterschiedlichen Positionen die Parteien haben. Die Liste MFG hätte es ohne Corona nicht gegeben. Wobei man hier dazusagen muss, dass diese Liste nicht nur die Pandemie als Thema hat, sondern am Beispiel der Pandemie die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit „der Politik“ an sich an-


spricht. Da ist viel Systemkritik drinnen, viel Politikverdrossenheit. Bildungskurier: Auf Gemeindeebene fallen die Wahlergebnisse oft ganz anders aus. Was sind aus deiner Sicht die wichtigsten Punkte für eine erfolgreiche Wahlkampagne vor Ort? Zeglovits: Gemeinderatswahlen laufen natürlich ganz anders ab als Landtagswahlen und Bürgermeister:innenwahlen nochmal anders. Wenn man sich die zum Teil erheblichen Unterschiede anschaut zwischen den Ergebnissen für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Gemeinde und Land, dann sieht man schon, dass die Wählerinnen und Wähler bei jeder Wahl anders entscheiden.

„Die Themen in der

Gemeinderatswahl sind oft viel näher dran am Alltag. Gemeindepolitik fühlt sich konkreter an als Landespolitik.

In regionalen Wahlen sind die kandidierenden Personen viel sichtbarer,

nämlich nicht nur die Spitzenkandidatin oder der Spitzenkandidat, sondern auch die anderen Personen auf der Liste. Je kleiner die Gemeinde, desto größer die Chance, dass man Kandidatinnen oder Kandidaten persönlich kennt. Und das macht natürlich was aus. Außerdem geht es um ganz andere Themen. Die Themen in der Gemeinderatswahl sind oft viel näher dran am Alltag. Gemeindepolitik fühlt sich konkreter an als Landespolitik. Bildungskurier: Stimmt aus deiner Sicht die Aussage „Wer Neuwahlen auslöst, wird dafür bestraft“? Zeglovits: Das kann man so allgemein nicht sagen. Manchmal ist das so, manchmal auch nicht. Es geht da vielmehr darum, wie eine Neuwahl interpretiert wird. Was hat sie ausgelöst? Was ist vorher schief gelaufen? Wer war schuld an einem Konflikt? Wer ist bereit, Verantwortung zu übernehmen? Wer ist seinen Prinzipien treu geblieben? Wem geht es nur um Stimmenmaximierung? Die meisten Wählerinnen und Wähler wollen, dass Legislaturperioden durchgearbeitet wird, aber wenn eine Koalition nichts mehr zustande bringt, wenn

ein Koalitionspartner in einen Skandal verstrickt ist oder Ähnliches, dann können Wählerinnen und Wähler sich auch Neuwahlen wünschen und dem oder der dankbar sein, der bzw. die sie auslöst. Bildungskurier: Abschließend ein Blick in die Zukunft. Was sind aus Sicht der Markt- und Meinungsforschung die zentralen gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen? Zeglovits: Wenn wir die Menschen fragen, was sie für die größten Herausforderungen halten, dann kommen sehr viele unterschiedliche Antworte. Ein Themenbereich bündelt sich um sozial- und verteilungspolitische Fragen. Da geht es um Armut, Arbeitslosigkeit oder Gerechtigkeit. Der andere Themenbereich ist der Klimawandel, der vielen Menschen, nicht nur jungen, Sorgen macht.

„Was die Berichterstattung mit den Umfrageergebnissen macht, liegt meistens nicht im Einflussbereich der Umfrageinstitute.“

November 2021 / Bildungskurier

11


Steuerpolitik

Die türkis-grüne Steuerschieflage Die türkis-grüne Steuerreform verfestigt die Schieflage im österreichischen Steuersystem: Milliardenentlastung für Unternehmen, Nullsummenspiel für Arbeitnehmer:innen. Roland Richter

D

as österreichische Steuersystem weist seit Langem eine Schieflage auf: Arbeitnehmer:innen und Konsument:innen zahlen vier Fünftel aller Steuern und Abgaben. Der Beitrag von Unternehmensgewinnen, Kapitalerträgen und Vermögen macht dagegen nur 15 Prozent aus. Wirtschafts- und Sozialexpert:innen, aber auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der Internationale Währungsfonds (IWF) oder die Europäische Kommission empfehlen der Regierung seit Jahren, den Faktor Arbeit steuerlich zu entlasten und mit höheren Abgaben auf Vermögen gegenzufinanzieren. Groß waren deshalb die Erwartungen an die kürzlich präsentierte Steuerreform. Doch die Chance auf eine Strukturreform wurde leider wieder einmal verpasst.

Kalte Progression verhindert Entlastung

Arbeitnehmer:innen erhalten gerade einmal die seit 2016 aufgelaufene kalte Progression1 ersetzt. Dabei schon miteingerechnet ist die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge, mit der man eine Entlastung kleinerer Einkommen erreichen möchte. Diese hätte man aber viel unbürokratischer durch eine Erhöhung

des SV-Bonus (Steuergutschrift bei niedrigem Einkommen) erreichen können. Zudem fehlt eine gesetzliche Normierung für einen Einnahmenersatz für die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) durch Bundesmittel. Auch beim erhöhten Familienbonus bedarf es Nachbesserungen, damit auch jene Kinder, deren Eltern kein oder ein geringes Einkommen haben, gleich viel Unterstützung erhalten. Auf der anderen Seite bekommen Unternehmen durch die Senkung der Körperschaftssteuer (KÖSt) und andere Maßnahmen ohne jede ökonomische oder steuertechnische Notwendigkeit eine dauerhafte Entlastung von deutlich mehr als einer Milliarde Euro pro Jahr, weil es hier keine kalte Progression gibt. Damit entgehen dem des Staat Einnahmen, die er dringend für öffentliche Investitionen zur Bewältigung des klimatischen, demografischen und technischen Wandels benötigt.

Lenkungswirkung durch CO2-Steuer gering

Was den ökologischen Teil der Reform betrifft, so wird ab Juli 2022 die CO2-Bepreisung für private Haushalte eingeführt. Deren Lenkungswirkung dürfte angesichts mangelnder Alternativen für die betroffenen Personen allerdings gering bleiben. Hier fehlen erhebliche Investitionen

Entlastung der geplanten Tarifsenkung in Prozent Lohnsteuer vs. KÖSt 8,0 8,0 7,9 nach Abzug der kalten Progression

Lohnsteuer 12 Bildungskurier / November 2021

-3,1

Die KÖSt kennt keine kalte Progression KÖSt

Der Autor:

Roland Richter ist Referent für Verteilungs- und Steuerpolitik in der Abteilung Wirtschafts-, Sozialund Gesellschaftspolitik der Arbeiterkammer Oberösterreich.

in den öffentlichen Verkehr und positive Umstiegsanreize. Die Rückverteilung der CO2-Einnahmen in Form einer Pro-KopfPauschale ist grundsätzlich der richtige Ansatz, da sie stärker bei Haushalten mit kleinen und mittleren Einkommen wirkt. Auch das Volumen der Rückverteilung für das erste Jahr ist ausreichend. Unklar bleibt aber, ob auch in den Folgejahren die gesamten CO2-Einnahmen mit dem vollen Volumen an die Haushalte refundiert werden. Zudem braucht es Nachbesserungen für Mieter:innen in öl- oder gasbeheizten Wohnungen und für Pendler:innen durch eine Reform der Pendlerpauschale in einen kilometerabhängigen Absetzbetrag. Fazit: Für Arbeitnehmer:innen wird bereits 2025 durch die erneute kalte Progression wenig an Entlastung übriggeblieben sein, während sich Unternehmen über eine permanente Milliardenentlastung auf Kosten des Staates freuen dürfen. 1 Von kalter Progression ist die Rede, wenn Einkommens- und Lohnerhöhungen nur die Inflation ausgleichen und deshalb die Durchschnittssteuerbelastung trotz unveränderter Leistungsfähigkeit steigt.

Gegenüberstellung Entlastung Tarifsenkung Lohnsteuer (€ 2,4 Mrd.) und Entlastung Tarifsenkung Lohnsteuer abzüglich kalter Progression im Jahr 2022 (minus € 950 Mio.) mit der Entlastung durch die KÖSt-Senkung (€ 800 Mio.). Basisjahr für das Steueraufkommen ist 2019. (Quelle: eigene Darstellung)


Gewaltschutz

Femizide: Handeln, bevor es zu spät ist!

Das aktuelle Gewaltschutzpaket der Bundesregierung reicht nicht aus. Aber warum?

28

Eva-Maria Holzleitner

Frauen (Stand 23. November) sind im Jahr 2021 bereits ermordet worden – von (Ex-)Partnern. Seit Jahren ist bekannt, dass die eigenen vier Wände der gefährlichste Ort für Frauen sind.

„28 Frauen sind im Jahr 2021 bereits ermordet worden – von (Ex-)Partnern.

Den brutalen Femiziden, wie Frauenmorde auch genannt werden, geht fast immer eine lange Geschichte der Gewalt voraus. In vielen Fällen sind die Täter schon vor dem Mord der Polizei bekannt. Gerade dann, wenn Frauen aus der Gewaltspirale ausbrechen und sich trennen, erhöht sich die Gefahr für sie. Aktuell ist oftmals viel zu wenig Zeit für Beratung und den Schutz der Opfer.

Gewaltschutzpaket als Mogelpackung

Die Bundesregierung hat vor dem Sommer ein Gewaltschutzpaket angekündigt, in der Höhe von 24,6 Millionen. Das wurde unter anderem aufgeteilt auf Männerberatung, Gewaltschutzzentren, Familienberatungsstellen und Bekämpfung von Cybergewalt. So weit, so gut. Doch Frauenorganisationen entlarvten die Initiative bereits von Beginn an als Mogelpackung. Warum? Bei den Familienberatungsstellen beispielsweise, die seit Jahren mit einem stagnierenden bzw. gekürzten Budget zu kämpfen haben, scheint das Geld in längst fällige Erhöhungen der Sätze und Valorisierungen zu fließen. Für Täterarbeit sollen sechs Stunden Pflichtberatung reserviert werden – ein sinnvoller erster Schritt, jedoch laut Expert:innen zu wenig für eine tatsächliche Verhaltensänderung von Tätern. Außerdem ist der Bedarf immer noch größer als das Angebot. Lange Wartezeiten sind deshalb der Regelfall.

Keine Basisfinanzierung für Beratungsstellen

Die Autorin:

Ein großer Kritikpunkt sind außerdem die laufenden Projektfinanzierungen. Das heißt, dass viele Beratungsstellen kein fixes Budget erhalten, mit dem sie Personen anstellen und Beratungen vornehmen können, sondern Projekte einreichen müssen, um Gelder zu lukrieren. Das bedeutet auch einen riesigen, zusätzlichen administrativen Aufwand. Eine Basisfinanzierung wäre notwendig, um geschultes, kompetentes Personal gut und sicher anstellen und auch den Betroffenen fixe Beratungen und Hilfestellungen ermöglichen zu können.

„Eine Basisfinanzierung

wäre notwendig, um den Betroffenen fixe Beratungen und Hilfestellungen ermöglichen zu können.

Eva-Maria Holzleitner ist Bundesvorsitzende der SPÖ Frauen und SPÖ-Bereichssprecherin für Frauen, Kinder und Jugend im Nationalrat.

SPÖ Frauen unterstützen Forderung nach 228 Millionen für Gewaltschutz

Die unzähligen Femizide in Österreich müssen Anlass genug sein, die Warnungen und Appelle der Gewaltsowie Opferschutzeinrichtungen ernst zu nehmen. Diese fordern 228 Millionen Euro für die Umsetzung der Istanbul Konvention, die unter anderem den Ausbau von Frauenhausplätzen vorsieht, und zusätzliche 3.000 Mitarbeiter:innen im Opferschutzbereich. Die SPÖ-Frauen unterstützen diese Forderung, denn: Wir müssen handeln, bevor es zu spät ist!

Für eine zusätzliche Bewerbung der Frauenhelpline fehlt essentielles Geld für Kampagnen im öffentlichen Raum. Die sogenannten Hochrisikofallkonferenzen, wo Polizei und Gewaltschutzeinrichtungen gemeinsam über konkrete Fälle beraten, wurden unter Sebastian Kurz und Herbert Kickl abgeschafft. Sie wurden zwar wieder eingeführt, aber finden nach wie vor viel zu selten statt. Dafür braucht es mehr Mittel, um Polizei und Gewaltschutzeinrichtungen die Durchführung der Konferenzen zu ermöglichen. Das sind nur ein paar Kritikpunkte am aktuellen Gewaltschutzpaket. Das aktuelle Gewaltschutzpaket der Bundesregierung reicht nicht aus. Die SPÖ Frauen fordern deshalb mehr Geld für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen.

November 2021 / Bildungskurier 13


Bildungssplitter

Zeit für Gerechtigkeit! Am 25. Oktober war Equal Pay Day. Seither arbeiten Frauen für den Rest des Jahres gratis. Frauen verdienen im Durchschnitt 19% weniger als Männer. Das wirkt sich wiederum auf die Pensionen aus. Frauen erhalten am Ende ihres Arbeitslebens um die Hälfte weniger Pensionszahlungen als Männer. Woran liegt das? In welchen Bereichen sind Frauen noch benachteiligt? Und durch welche anderen Lebensbereiche zieht sich die Ungleichheit durch die Gesellschaft? Die neue Broschüre „Ungerechte Verteilung: Wie Ungleichheit unser Leben prägt“ von der Arbeiterkammer Wien

und dem Marie Jahoda – Otto Bauer Institut gibt auf alle diese Fragen Antworten mit Zahlen, DaU N G E R E C H TE ten, Fakten und Analysen. V E R TE IL U N G WIE UNGLEICHHE Die Broschüre belässt es aber IT UNSER LEBEN PRÄGT nicht nur bei der Problembenennung. In ihr finden sich außerdem noch viele Ansatzpunkt und Vorschläge für eine gleichere und gerechtere Gesellschaft. Sie kann auf unserer Homepage www.jbi.or.at gratis heruntergeladen werden. Wir senden Dir aber auch gerne Druckexemplare kostenlos zu. Einfach eine Bestellung an office@jbi.or.at schicken.

SPÖ Frauen OÖ

Der Equal Pay Day – jener Tag, ab dem Frauen statistisch gesehen gratis arbeiten – ist heuer in Oberösterreich der 9. Oktober nach Vorarlberg. Im Bund findet er am 25. Oktober 2021 statt. Demnach verdienen Frauen in Österreich für die gleiche Arbeit im Schnitt um 18,5 Prozent weniger als Männer. In Oberösterreich sind es sogar 22,9 Prozent weniger. Es ist höchste Zeit für eine feministische Trendwende in unserem Land. Wer in einem Beruf arbeitet, in dem Arbeitsplätze verloren gehen, muss die Chance bekommen, umzusteigen. Es muss daher jetzt in Weiterbildung, Umschulung und Qualifizierung investiert werden. Frauen haben das Recht auf ein Gehalt, von dem sie leben können. Dafür müssen in Branchen wie z.B. dem Handel, dem Tourismus und der Pflege die Gehälter steigen. Auch die Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten müssen dringend verbessert werden. Die SPÖ Frauen OÖ setzen sich seit Jahren konsequent

Foto: Reinhard Winkler

Equal Pay Day 2021

dafür ein, dass es beim Einkommen endlich Gleichberechtigung zw. den Geschlechtern gibt – nicht nur am Papier, sondern im realen Leben! Bei einer Aktion zum Equal Pay Day fordern die SPÖ Frauen: Gleiche Löhne für gleichwertige Arbeit, höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen in frauendominierte Branchen, Qualifizierungsgeld: 70 Prozent des Gehalts, Lohntransparenz: Effektivere Einkommensberichte und kostenlose, ganztägige und ganzjährige Kinderbetreuung.

SPÖ Frauen OÖ

Wir wissen, dass Frauen und Männer anders krank sind. Doch was genau bedeutet Gendermedizin und warum ist es in der Medizin so wichtig auf die Geschlechter Bezug zu nehmen? Und was hat es eigentlich mit der unbekannten Erkrankung Endometriose, die als eine der wichtigsten Ursachen für weibliche Unfruchtbarkeit gilt, auf sich? Darüber und mehr diskutierten Priv.-Doz. Mag.a Dr.in Anna Maria Dieplinger (Sozialwissenschaftlerin und Gendermedizinexpertin), Univ.-Prof. Dr. Peter Oppelt (Gynäkologe, Endometriosezentrum), Mag.a Elke Kieweg (Sexualpädagogin und Medienkünstlerin) und Vbgm.in Renate Heitz (Landesfrauenvorsitzende) im Lentos in Linz. Begleitet wurde die Diskussion durch Mag.a Wiltrud Hackl und als Ehrengäste durften wir Dr.in Pamela Rendi-Wagner, SPÖ Vorsitzende und Landesrätin Birgit Gerstorfer, SPÖ Oberösterreich Vorsitzende recht herzlich begrüßen. Das Männliche wird zur menschlichen Norm und bildet die Grundlage für Forschung, Behandlung und Therapiemöglichkeiten und das kann für Frauen schwerwiegende Folgen haben. Für eine bestmögliche Gesundheitsversorgung muss sich die 14 Bildungskurier / November 2021

Foto: Violetta Wakolbinger

Diskussion: Gendermedizin und Endometriose

Medizin auf die spezifischen Bedürfnisse von Frauen ausrichten. Sowohl im Medizinstudium als auch in der Forschung muss Gendermedizin zum Schwerpunktthema werden, sind sich die Expert*innen einig. Die Aussichten auf mehr Gendermedizin sind nicht besonders rosig, doch es gibt also Hoffnung in mehr Forschung. Aber es muss sich auch gesellschaftlich etwas verändern. Es braucht neben der Forschung, soziale Aspekte wie die Entlastung durch Kinderbetreuung und die faire Aufteilung der unbezahlten Arbeit zwischen Frauen und Männer.


Bildungssplitter

Renner Institut OÖ

Seminarbetrieb läuft – Workshops zum Nachhören

Trotz (Teil)Lockdown und eingeschränkten Möglichkeiten läuft der Seminarbetrieb im Renner Institut Oberösterreich. Die Erfahrungen aus dem Vorjahr erleichtern die Online-Durchführung unserer Bildungsangebote. Präsent, per Livestream, Teams oder Zoom – politische Weiterbildung ist möglich. Für neue Gemeinderät*innen haben sich die Aufzeichnungen der GVV Fachschulungen (Gemeindeordnung, Prüfungsausschuss, Gemeindehaushalt neu und Bau- und Raumordnung) als sehr wertvoll erwiesen. Für diese Workshops zum Nachhören kann jedes Mitglied einer SPÖ Gemeinderatsliste Link und Passwort bei alexandra.kneidinger@spoe.at anfordern.

Die Workshopreihe „Gemeinderat! – Was nun?“ bot neuen Gemeinderät*innen praxisbezogene Einblicke in die Kommunalpolitik. BGM Christian Denkmaier gab Inputs zum Wesen eines Gemeinderates bis hin zu erfolgsversprechenden Strategien auf kommunaler Ebene.

SPÖ-Bundesbildung

Bundesbildungs-Klausur

Am Gründungsort der ersten sozialdemokratischen Partei in Österreich, Neudörfl im Burgenland, fand die erste Klausur des neu gewählten SPÖ-Bundesbildungspräsidium statt. Bei einem Besuch mit dem Bürgermeister und Landtagsabgeordneten Dieter Posch an der Gründungsstätte der an diesem Ort am 6. April 1874 stattgefundenen Tagung der Sozialdemokraten wurde auf die lange Geschichte verwiesen. Zurzeit wird das Haus von der Caritas als Flüchtlingsunterkunft weiterhin sinnvoll genutzt. Anschließend kam es zum Zusammentreffen mit der SPÖ Burgenland: Landesgeschäftsführer und Landtagsabgeordneten Dr. Roland Fürst. Gemeinsam wurden die aktuellen Themen 1.700 € Mindestlohn im Landesdienst, Pflegekonzept neu sowie Wohnen besprochen. Am 2. Tag wurden die zukünftigen Projekte besprochen, die wir gemeinsam angehen möchten. So wurde eine Kampagne zu Europa beschlossen, wir stehen ja nun gerade in der Halbzeit der europäischen Wahlperiode. Ebenso werden wir eine

Vernetzungsplattform der Vortragenden im Bereich der „Geschichte der Arbeiter*innen-Bewegung“ initiieren. Die inhaltliche Weiterentwicklung soll rund um ein jährlich stattfindendes Symposium angesiedelt werden. Dazu dienen einerseits Zusammentreffen in Bregenz im Sommer 2022, andererseits eine Zusammenkunft im Bereich Bad Aussee. Die Erwachsenenbildungskommission soll „wiederbelebt“ werden, um auch weitere Bildungsverantwortliche noch einbinden zu können. Ebenso sollen die bestehenden Projekte weiter gelebt werden, etwa die Video- und Buch-Reihe der „Zeit.Gespräche“, das Prof. Rudolf-Gelbard-Symposium, die internationale Vernetzung sowie bereits eingeleitete Text- bzw. Musik-Projekte.

Junge Generation OÖ

Im Rahmen der Landeskonferenz am 16. Oktober in Wels wurde der Vorstand der Jungen Generation Oberösterreich neu gewählt. Alle zwei Jahre findet unsere Landeskonferenz statt, zum zweiten Mal bereits konnten sich alle Mitglieder delegieren lassen und somit bei Anträgen und der Wahl des neuen Vorstands mitbestimmen. Im Zuge der Vorsitzwahl konnte sich Vizebürgermeister Michael Mollner aus St. Florian als neuer Landesvorsitzender durchsetzen. Er war bereits seit 2016 als JG-Landesvorsitzender-Stellvertreter tätig und als Teamplayer bekannt. Für seine neue Aufgabe als Vorsitzender hat er schon konkrete Vorstellungen und Pläne. „Unsere Politik soll Sicherheit bei Ausbildungen, Jobs und Wohnungssuche ermöglichen, sowie echte Zukunftschancen auch in herausfordernden Zeiten bieten. Mitspielen soll bei all diesen Themen immer der Klimaschutz, dabei ist die Frage

Foto: Junge Generation OÖ

Landeskonferenz

Michael Mollner mit seiner Vorgängerin Eva-Maria Holzleitner nach sozialer Gerechtigkeit ebenso nicht außer Acht zu lassen. Besonders möchte ich mich für leistbares Wohnen mit dem Modell 5X5 bei Startwohnungen einsetzen. Zusätzlich denke ich, dass sowohl eine geänderte Wohnbauoffensive als auch eine neue Wohnbauförderung notwendig sind“, sieht Michael Mollner Chancen für die Schaffung von leistbarem Wohnraum.

November 2021 / Bildungskurier 15


Bildungssplitter

Landesbildungsorganisation/ Renner Institut OÖ/Jahoda-Bauer-Institut

130 Jahre SPÖ Oberösterreich

Die SPÖ feierte im November ihr 130jähriges Bestehen in Oberösterreich. Mit der von Bernd Dobesberger verfassten Publikation „Die Roten im Bauernland“ und der Veranstaltung „130 Jahre SPÖ Oberösterreich – wie weiter?“ am 12. November in Steyr. Der Steyrer Bürgermeister Markus Vogl gab mit seinen Begrüßungsworten die Richtung der Veranstaltung vor, als er sagte, dass es Zeit sei, innezuhalten, sich zu sammeln, Kraft zu tanken und den historischen Auftrag der Sozialdemokratie in die Zukunft zu tragen. Die Jubiläums-Veranstaltung im Museum Arbeitswelt startete mit den von Bernhard Oppl und Wiltrud Hackl vorgetragenen politischen Forderungen in der Gründungszeit um das Jahr 1891, nahm den Weg in die Gegenwart mit Landesparteivorsitzender Birgit Gerstorfer und blickte in die Zukunft mit fünf Wissenschafter*innen und Politiker*innen (Tamara Ehs, Daniela Gruber-Pruner, Evi Holzleitner, Barbara Teiber und Jakob Kapeller). Diese formulierten Erkenntnisse und Forderungen, wie die Gesellschaft durch die SPÖ zum Besseren verändert werden kann.

Im Alter von 130 Jahren lohnt sich für die SPÖ OÖ die Selbstfindung und die Entwicklung neuer Perspektiven: Bernd Dobesberger, Tamara Ehs, Jakob Kapeller, Birgit Gerstorfer, Barbara Teiber, Evi Holzleitner und Daniela Gruber-Pruner haben in die Zukunft geschaut.

EN DIE RONTLA ND

IM BAUER

ZEIT & GRÜNDUNGS EMOKRATIE GRÜNDUNG EN SOZIALD TERREICHISCH

DER OBERÖS

Das von Landesbildungsvorsitzenden Bernd Dobesberger verfasste Buch „Die Roten im Bauernland. Gründung und Gründungszeit der oberösterreichischen Sozialdemokratie“ (limitierte Auflage) kann gern bestellt werden unter alexandra.kneidinger@spoe.at.

esbe rger Ber nd Dob

Weil beste Bildung moderne Schulen braucht! • Rasche Sanierung • Breitband & WLAN • Luftfilter Klubvorsitzender Michael Lindner

Dafür arbeiten wir im OÖ. Landtag.


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.