"GO WEST" - Fußballfankulturen in Wien

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„GO WEST“ Fußballfankulturen in Wien

Endbericht der Lehrveranstaltung: „Forschungswerkstatt“, WS 2006/07 - WS 2007/08

Studentische ForscherInnen: Heidemarie Bachleitner Martina Ender Nicole Kecskemeti Silvia Pammer Verena Pelz Christina Schilling Deborah Schmid Julia Staudinger Sabrina Wallner Mathias Wiener Maria Wimmeder Jaqueline Wolf Angelina Zöchmeister Lehrveranstaltungsleitung: DSAin Maga. Sabine Etl & Dr. Roman Horak

Wien, im Oktober 2007


Danksagung Unser Dank gilt den beiden Wiener Vereinen, Sportklub Rapid und FK Austria Magna, für die Gewährung der Möglichkeit, über eine komplette Saison freien Zugang ins Stadion zu haben sowie in den Fansektoren Interviews führen zu dürfen. Insbesondere danken wir Herrn Andreas Marek (SK Rapid) und Herrn Martin Schwarzlantner (FK Austria). Weiters danken wir der Stadt Wien für die finanzielle Unterstützung unserer Forschungsaktivitäten, im besonderen Herrn Wolfgang Prochaska, nunmehriger Generalsekretär des Wiener EURO’2008-Organisationskomitees. Für mathematische Hilfestellung bei der Auswertung der Fragebögen danken wir Herrn Michael Hrdlitschka. Auf Seiten der Exekutive danken wir dem Leiter der Fanbetreuung, Dr. Peter Jedelsky, und dem WEGA-Leiter, Oberst Ernst Albrecht. Auf Seiten der Sozialarbeit danken wir dem Team von Streetwork Wien um Frau DSAin Manuela Synek und der ehemaligen Fan-Streetworkerin Frau DSAin Gabriele Ziering.

Und ganz besonders danken wir natürlich den Allerwichtigsten:

DEN FANS VON AUSTRIA UND RAPID.

2


Inhaltsverzeichnis EXECUTIVE SUMMARY – ZENTRALE ERGEBNISSE ............................................... 7 1

EINLEITUNG.............................................................................................................. 9

2

METHODOLOGIE UND METHODEN ...................................................................10

3

FUßBALLFANS .........................................................................................................13 3.1

BEGRIFFSKLÄRUNGEN ............................................................................................13

3.2

FANKULTUREN.......................................................................................................15

3.2.1

Die italienische Fankultur .............................................................................15

3.2.2

Die englische Fankultur ................................................................................15

3.3

DIE (FAN-)KURVE..................................................................................................16

3.4

FORMEN DER INSZENIERUNG ..................................................................................16

3.4.1 3.5

FANCLUBS – DER ORGANISIERTE SUPPORT ..............................................................24

3.5.1

Fanclubs bei Austria Wien.............................................................................24

3.5.2

Fanclubs beim SK Rapid ...............................................................................31

3.6

WICHTIGE THEMEN DER FANSZENE ........................................................................36

3.6.1

„Fußballfans sind keine Verbrecher“ – Das Verhältnis der Fans zur Polizei.36

3.6.2

Die Kommerzialisierung des Fußballs ...........................................................38

3.6.3

Politik oder besser: „Politik hat am Platz nichts verloren“ ...........................40

3.6.4

Die Beziehung der Fans zu ihrem Verein .......................................................40

3.7

DIE SAISON 2006/ 07 .............................................................................................41

3.7.1

Was hat die Fans des FK AustriaWien in der Saison 2006/2007 bewegt? ......43

3.7.2

Was hat die Fans des SK Rapid Wien in der Saison 2006/2007 bewegt? ........48

3.8

4

Die Selbstdarstellung und Inszenierung .........................................................16

DAS WIENER DERBY ..............................................................................................51

3.8.1

Historisches und Hintergründe ......................................................................51

3.8.2

23. Runde der T-Mobile Bundesliga 2006/07 .................................................53

3.8.3

33. Runde der T-Mobile Bundesliga 2006/07 .................................................55

FRAGEBOGENUNTERSUCHUNG .........................................................................57 4.1

EINLEITUNG ...........................................................................................................57

4.2

TEILUNGSKATEGORIEN ..........................................................................................58

4.3

BESCHREIBUNG DER ALTERSGRUPPEN ....................................................................66

4.3.1

Bis 16-Jährige - „Teenies“............................................................................66 3


4.3.2

17 bis 20-Jährige - „Jugendliche“.................................................................67

4.3.3

21-25-Jährige „junge Erwachsene“ ..............................................................68

4.3.4

26-30-Jährige „Erwachsene“........................................................................68

4.3.5

Über 31 Jährige „Fußball - Oldies“..............................................................69

4.4

5

ALTERSGRUPPENÜBERGREIFENDE INTERPRETATIONEN ...........................................69

4.4.1

Altersverlauf im Fansektor ............................................................................69

4.4.2

Bemerkenswerter Anstieg des Frauenanteils..................................................70

4.4.3

Abwesenheit von Fans mit migrantischem Hintergrund .................................70

4.4.4

Vater als zentrale Fan-Sozialisationsfigur .....................................................71

4.5

DIE KULTUR DES FANSEKTORS ...............................................................................72

4.6

GEWALTLATENZ IM FUßBALLZUSAMMENHANG .......................................................78

4.6.1

Verhalten bei Konflikten im Fußballzusammenhang ......................................83

4.6.2

Zusammenhang zwischen Gewalt und Alkohol...............................................84

4.6.3

Politische Orientierung .................................................................................87

INTERVENTIONSSTRATEGIEN INNERHALB DER FANKULTUR .................95 5.1

POLIZEI..................................................................................................................95

5.1.1

Polizeiarbeit im Fussballstadion....................................................................96

5.1.2

Selbstwahrnehmung.....................................................................................100

5.1.3

Fans aus dem Blickwinkel der Polizei..........................................................101

5.1.4

Weibliche Fans aus dem Blickwinkel der Polizei .........................................103

5.1.5

Gewalt aus dem Blickwinkel der Polizei ......................................................104

5.1.6

Alkohol aus dem Blickwinkel der Polizei......................................................106

5.1.7

Rechtsextremismus aus dem Blickwinkel der Polizei ....................................106

5.1.8

EM 2008 aus dem Blickwinkel der Polizei ...................................................106

5.2

SOZIALARBEIT .....................................................................................................107

5.2.1

Die Geschichte der Sozialarbeit mit Fußballfans .........................................108

5.2.2

Ziele und Auftrag der Sozialarbeit damals...................................................109

5.2.3

Ziele und Auftrag der Sozialarbeit heute......................................................110

5.2.4

Interventionen seitens Streetwork ................................................................115

5.2.5

Zusammenarbeit aus dem Blickwinkel von Streetwork .................................115

5.2.6

Gewalt aus dem Blickwinkel von Streetwork ................................................116

5.2.7

Good Practice – Soziale Arbeit mit Fußballfans in Deutschland ..................118

5.2.8

Das Fanprojekt Berlin .................................................................................119

5.3

SCHLUSSWORT.....................................................................................................121

LITERATUR ....................................................................................................................124 4


ANHANG: FRAGEBOGEN ............................................................................................128

5


Abbildungsverzeichnis ABBILDUNG 1: CHOREOGRAPHIE AUSTRIA .............................................................................17 ABBILDUNG 2: CHOREOGRAPHIE RAPID .................................................................................17 ABBILDUNG 3: FAHNEN UND DOPPELHALTER AUSTRIA ..........................................................19 ABBILDUNG 4: FAHNEN UND DOPPELHALTER RAPID ..............................................................19 ABBILDUNG 5: RAUCHFEUER AUSTRIA ..................................................................................20 ABBILDUNG 6: RAUCHFEUER RAPID ......................................................................................20 ABBILDUNG 7: TRANSPARENT AUSTRIA .................................................................................21 ABBILDUNG 8: TRANSPARENT RAPID .....................................................................................21 ABBILDUNG 9: VEREINS-LOGO AUSTRIA ...............................................................................22 ABBILDUNG 10: VEREINS-LOGO RAPID..................................................................................22 ABBILDUNG 11: LOGO FANATICS ...........................................................................................22 ABBILDUNG 12: LOGO TORDOS .............................................................................................22 ABBILDUNG 13: LOGO BULLDOGS .........................................................................................22 ABBILDUNG 14: LOGO ULTRAS..............................................................................................22 ABBILDUNG 15: SKIZZE DER WESTTRIBÜNE DES HORR-STADIONS NACH FANCLUBS ...............26 ABBILDUNG 18: SKIZZE DER WESTTRIBÜNE DES HANAPPI-STADIONS NACH FANCLUBS...........32 ABBILDUNG 20: FANZINE AUSTRIA ........................................................................................36 ABBILDUNG 21: FANZINE RAPID ...........................................................................................36

6


Executive Summary – Zentrale Ergebnisse Die Fan-Kurve ist sehr jung. Der Anteil der bis 20 jährigen Fans beträgt über 50%, die 10 bis 16 jährigen stellen ein Drittel der Gesamtpopulation dar. Der Frauenanteil ist hoch. Ein Viertel aller Befragten sind weiblich. Bei den bis 16 jährigen beträgt der Mädchenanteil sogar 40%. Es ist zu konstatieren, dass die traditionell männlich dominierte Subkultur für Frauen anscheinend zugänglicher geworden ist und neue Strukturen im Entstehen sind. Die Vereinsbindung der Fans ist groß. Es zeigt sich das Bild einer fußball- und vereinsbezogenen Fankultur, deren Aktivitäten in erster Linie darauf ausgerichtet sind, den Verein engagiert zu unterstützen und dabei eine zentrale und anerkannte Rolle zu spielen. Große Bedeutung der Fanclubs. Die Fanclubs haben eine große Bedeutung. Ihre Zahl ist gegenüber den Untersuchungen aus den 80ern angestiegen. Fast die Hälfte aller Fans sind in Fanclubs organisiert. Auch hier zeigt sich das Phänomen von weiblicher Fancluborganisation. Vater als zentrale Figur beim Einstieg ins Fantum. Der Einstieg ins Fantum wird nach wie vor zu einem Gutteil über die Figur des Vater vermittelt. Was die Präsenz in der Kurve betrifft, findet sie wesentlich über Freunde (peergroups) statt. Gewaltlatenz verlangt differenzierte Sichtweise. Gewaltlatenz zeigt sich vor allem in zwei Aspekten: Einerseits über Solidarität zwischen den Fans mit der Kameradschaft als zentraler Motivation und andererseits in einer Häufung bei den ganz jungen Fans. Hier drängt sich ein Bedarf an sozialpädagogischen/sozialarbeiterischen Interventionen auf. Zusammenhang zwischen Alkohol und Gewaltlatenz. Beim Zusammenhang zwischen Alkohol und Gewaltlatenz wird eine Ambivalenz zwischen empirischer Datenerhebung (subjektive Sichtweise der Fans) und Beobachtungen im Feld sichtbar. Rechtsradikale Parteien kein Thema. Zum Phänomen der Rechtsorientierung bzw. des Rechtsextremismus lässt sich sagen, dass keine rechtsradikalen Parteien als Bezugsgruppen genannt wurden. Auffällig ist der hohe Anteil an FPÖ SympathisantInnen vor allem bei den sehr jungen Fans, wobei der Zuspruch zur FPÖ mit zunehmendem Alter deutlich abnimmt. Die Aussagen zu den politischen Orientierungsfragen weisen auf das vorherrschende Grundverständnis unserer Gesellschaft hin, wobei die Zustimmung zu autoritären Konfliktlösungsmustern und rechtskonservativen Wertorientierungen etwas höher liegt.

7


Hooligans. Das Bild in der Öffentlichkeit ist fast ausschließlich vom gewaltbereiten Hooligan geprägt, sodass für andere Aspekte des Fantums im öffentlichen Diskurs kein Platz mehr bleibt. Dieses Bild ist auf Grund der Ergebnisse der vorliegenden Studie (Beobachtungen und Aussagen von wichtigen ExpertInnen, Interviews, Fragebogenuntersuchung) nicht haltbar. Allgemeine Aspekte der Fankultur. Gewaltbereitschaft wird übertrieben, Vereinsnähe unterschätzt, Kommunikation der neuen Medien (Internet) hat zentrale Bedeutung, mehr Frauen (eigene Fankleidung, eigene Fanclubs), Fußball ist eigene Religion/ Verein ist Gott. Unterschiede in der Fankultur zwischen Rapid und Austria. Rapid ist italienischer und von einer Fangruppierung, den einheitlich auftretenden Ultras dominiert. Die Westtribüne des Hanappi-Stadions ist auf Grund der vielen AbonnentInnen (2.600 Dauerkarten) immer ausverkauft. Das sog. Fandorf hat wichtige Funktionen vor dem Match und vermittelt Dorfcharakter, familiäre Strukturen und Volksfeststimmung., Anzahl der Fans im Vergleich zur Austria deutlich höher (ca. Faktor 4). Austria ist inhomogener und wirkt wie ein buntes Gemisch an Fans. Im Vergleich zum Ultrasdominierten Rapid-Fansektor sieht man hier mehr Individualität, aber auch mehr Uneinigkeit nach außen. Es gibt kein Fandorf, ein Fanzelt wird kaum besucht. Die Westtribüne des HorrStadions ist eine reine Stehplatztribüne, die gegenüberliegende Osttribüne meist gesperrt. Die durchschnittliche Besucherzahl der Westtribüne liegt bei 2.459 (Saison 2006/07). Gemeinsamkeiten in der Fankultur von Rapid und Austria. Der Verein wird als Familie gesehen. Die Gesänge und die Art des Supports sind ähnlich. Da wie dort kommt es zu eigenständiger Produktion fanclubspezifischer Utensilien. Differenziertes Auftreten der Polizei. Polizei ist nicht gleich Polizei, da verschiedene Einheiten der Polizei im Stadion tätig werden. Interventionen der Polizei erfordern bessere Koordination innerhalb der verschiedenen Exekutiveinheiten. Seitens der polizeilichen Fanbetreuung findet eine Konzentration auf Gewaltprävention statt. Polizei hat hohe Definitionsmacht im Stadion, was von den Fans z.T. kritisch gesehen wird (insb. Kategorisierung der Fans durch die der Polizei). Generell ist die Investition in repressive Vorgehensweisen hoch. Untergeordnete Rolle der Sozialarbeit. Sozialarbeit spielt innerhalb der Fanszene eine geringe Rolle. Sie hat keinen offiziellen Auftrag zur Fanarbeit, Fanprojekte fehlen gänzlich. Hier besteht ein hoher Handlungsbedarf.

8


1 Einleitung Einschlägige Zeitungsartikel und Fernsehberichte vermitteln von den Fußballfans nicht selten das Bild eines einheitlichen, monolithischen Blocks, der in seiner Gestalt keinerlei Differenzierung erlaubt. Gleiches gilt für die Bewertung des Verhaltens der Fans, das in aller Regel als überzogen und ungebührlich wahrgenommen und auf die Gesamtheit der Fußballfans projiziert wird. Knapp 20 Jahre nach der ersten (und bis zur vorliegenden Arbeit gleichzeitig letzten) empirischen Untersuchung über Fußballfans in Wien und kurz vor der im nächsten Jahr von Österreich und der Schweiz veranstalteten Fußball-Europameisterschaft EURO’2008, wurde die Thematik „Fußballfankulturen in Wien“ im Rahmen einer „Forschungswerkstatt“ am FH Campus Wien erneut aufgegriffen. Anhand der Fans der beiden Wiener Großklubs, SK Rapid Wien1 und FK Austria Wien2, wurden über einen Zeitraum von vier Semestern eine Vielzahl von Fragestellungen im Zusammenhang mit den aktuell dort anzutreffenden Fankulturen untersucht. Die nun vorliegenden Ergebnisse erlauben einen differenzierten Blick auf das Phänomen Fußballfans, das sich weitaus vielschichtiger darstellt, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Anhand von ExpertInnen-Interviews mit Vereinsverantwortlichen, Stadion-PolizistInnen, SozialarbeiterInnen und vor allem den Fans in den Fankurven wurde ein weiter Bogen gespannt, der sich von der Definition des Fans, über Inszenierungsformen, den Organisationsformen von Fans bis zu den wesentlichen Themen und Anliegen der Fans erstreckt. Nicht zuletzt wurde der Frage nachgegangen, wie Polizei und Sozialarbeit im Fußballzusammenhang agieren und wo Stärken und Schwächen liegen. Ein wesentlicher Bestandteil der Untersuchung ist eine Fragebogenerhebung, die in den Fansektoren des Horr- und Hanappi-Stadions durchgeführt wurden und die neben soziodemographischen Daten auch Aussagen zu den Themen Gewaltlatenz oder politische Orientierung erlaubt.

1

Eigentlich: Sportklub Rapid; im weiteren Text: SK Rapid

2

Eigentlich: FK Austria Magna; im weiteren Text: FK Austria Wien 9


2 Methodologie und Methoden Die methodologischen Grundüberlegungen der Forschungswerkstatt orientierten sich am Paradigma der Cultural Studies. Dies bedeutete von Beginn an eine Wechselwirkung theoretischer und empirisch-feldforscherischer Praxis. Im Unterschied zu einer eher traditionellen Art der Forschung, wo ein bestimmtes theoretisches Modell dem Forschungsgegenstand gleichsam ’übergestülpt’ wird, ging es hier darum, in der vielgestaltigen Annäherung an den Gegenstand, kontextuell und dessen Verfasstheit eingedenk, theoretisierend sich über ihn überhaupt erst zu verständigen. Dies bedeutete, dass die angewandte Methodologie nicht bereits vorab fest stand, sondern sich im Zuge der Arbeit heraus zu kristallisieren hatte. Lektüre theoretischer und deskriptiver Texte, ging Hand in Hand mit der ethnographischen Praxis, das heißt, dass vom Beginn der Forschungswerkstatt an, die StudentInnen zugleich im Felde präsent waren – wiewohl zu aller erst nur als Beobachter – und sich mit den vorliegenden Arbeiten zum Thema ‚Fußballfans’ vertraut machten. Dies beinhaltete allerdings auch eine eingehende Beschäftigung mit dem breiten Spektrum methodischer Zugänge, das die empirische Forschung zu bieten hat. Um es nochmals zu betonen, diese Arbeit an den Texten zur Methodik wurde so organisiert und betrieben, dass in ihrem Mittelpunkt die Frage nach der konkreten Anwendbarkeit in dem von der Forschungswerkstatt zu bearbeitenden Feld stand. Nicht abstrakte Methodenkundigkeit war das Ziel, sondern die Fähigkeit, aus dem breiten Fundus methodischer Möglichkeiten, jene zu finden (und sich auf sie zu verständigen), die für die zu klärenden Fragen das bestmögliche Instrumentarium bereitstellten. Bald wurde klar, dass im sich gegebenen Fall ein Mix aus quantitativen und qualitativen Methoden als bestens geeignet heraus stellte. Dies bedeutete eine Struktur zu finden, die die bestmögliche Anwendung der zwei methodischen Zugänge gewährleistete, also geeignet war, über die ideale Kombination beider Zugänge dem Forschungsgegenstand gerecht zu werden.

Was nun den konkreten Einsatz konkreter Methoden angeht, ist festzuhalten, dass sich besagter Mix als Methodenspektrum darstellte:

Qualitative Methoden: Beobachtung 10


Nicht-Teilnehmende Beobachtung

Teilnehmende Beobachtung

ExpertInneninterview Biographisches Interview Gruppengespräch/Gruppendiskussion

Quantitative Forschungsmethode Fragebogen

Der Ablauf der eingesetzten empirischen Methoden stellte sich – schematisch skizziert folgendermaßen dar: Auf die nicht-teilnehmende Beobachtung der Kultur der Fans an ihren Orten (vor allem in den Fankurven der Stadien von Rapid und Austria), die der ersten Annäherung an den Forschungsgegenstand galt, folgte die Phase der teilnehmenden Beobachtung. Diese diente, als ein weiterer Schritt, dem vertraut werden mit der Kultur des Sektors und involvierte erste Gespräche mit den Vertretern dieser Kultur, aber ermöglichte auch, einen genaueren Blick auf andere im Stadion präsenten Kräfte, die mit den Fans befasst sind, wie z.B. Polizei und Ordner, zu werfen. Der zunehmende Grad der Vertrautheit, ja die Bekanntheit der Forscherinnen und des Forschers der Forschungswerkstatt mit den jugendlichen Fans ermöglichte auch den nächste methodischen Schritt, den Einsatz der Fragebögen als Erhebungsinstrument. Es ist dies ein wichtiger Punkt, da es wohl wenig sinnvoll gewesen wäre, die Fans, gleichsam unvorbereitet, mit den Fragebögen zu konfrontieren. Wichtig ist es in diesem Zusammenhang aber auch zu betonen, dass gerade die Vertrautheit mit den Fans durchaus ein Problem darstellte, dem sich die Forschungswerkstatt bewusst stellte. Hier hatten wir es mit jener Problematik zu tun, mit der empirische Forschung immer zu kämpfen hat. Zu große Nähe zum Gegenstand kann den Blick der Forschenden trüben, genau so wie andererseits, mangelnde Nähe zu ihm, im besten Falle, falsche Fragen stellen lässt, beziehungsweise, im schlechteren Fall, falsche Schlüsse ziehen lässt. Dies wurde im Rahmen der Forschungswerkstatt explizit problematisiert.

11


Parallel zu den Beobachtungen und Fragebogeninterviews wurden auch Experteninterviews v.a. mit Polizei und Sozialarbeit durchgeführt. Schließlich

wurden

auch

noch

zur

Vertiefung

Gruppengespräche mit den Fans durchgeführt.

12

biographische

Interviews

und


3 Fußballfans Im folgenden Abschnitt geht es um Zuschreibungen, mit denen fußballbegeisterte Personen konfrontiert werden und deren theoretische Beschreibungen. Missbräuchlich bzw. aus einem zu wenig informierten Status heraus verwendete Bezeichnungen führen oft

zu

Verallgemeinerungen, die Fußballfans in einem negativen Licht erscheinen lassen. Über eine mediale Berichterstattung, die sich hauptsächlich auf Ausschreitungen bei diversen Spielen beschränkt, entsteht der Eindruck, dass Fußballfans allgemein zu Gewaltbereitschaft tendieren, wobei dies nur vereinzelt zutrifft. Weiteres wird auf zwei unterschiedliche Fankulturen eingegangen, die ihren Ursprung einerseits in Großbritannien und andererseits in Italien finden, und denen in unterschiedlicher Art und Weise in den „Kurven“ Ausdruck verliehen wird.

3.1 Begriffsklärungen Aufgrund der verschiedenen Begrifflichkeiten ist es im Folgendem notwendig eine klare Abgrenzung der Begriffe zu ziehen. Damit wird nicht nur ein Einblick in die Fanszene gewährt, sondern auch eine differenzierte Klärung der Termini abgegeben. Fan: ist eine englische Abkürzung für „fanatic“ (Fanatiker) und beschreibt jemanden, der sich für etwas oder jemanden sehr begeistert.3 Fußballfans unterstützen ihre Mannschaft leidenschaftlich, indem sie maßgeblich für die Stimmung im Stadion sorgen. Oft werden auch jene, die in guten und schlechten Zeiten ihren Verein unterstützen, als „wahre Fans“ beschrieben.4 Tifoso/ Tifosi: ist die italienische Bezeichnung für den Fan und wird meist in der Mehrzahl verwendet.5 Der Ursprung dieses Wortes liegt im Wort Typhus (Infektionskrankheit); man hatte sich mit der „Krankheit Fußball“ infiziert.6 Hooligans bzw. Hools: ist ebenfalls ein Begriff aus dem englischen und bedeutet Halbstarker, Rowdy, Randalierer, die hauptsächlich bei Massenveranstaltungen in der Öffentlichkeit auftreten.7 Die Gruppe der Hooligans gilt als eine gewaltbereite und

3 vgl. Duden, Das Fremdwörterbuch, 2006:245 4

vgl. Michael Gabriel, 2004 online unter: www.kos-fanprojekte.de [13.03.07]

5

vgl. Duden, Das Fremdwörterbuch, 2006:780

6

vgl. http://www.fussballmafia.de/category/tifosi/ [10.06.07]

7

vgl. Duden, Das Fremdwörterbuch, 2006: 317 13


provozierende Subkultur, die in großen Industriestädten in Großbritannien ihren Ursprung findet. Für Hooligans ist das Fußballspiel selbst nebensächlich; im Mittelpunkt steht das gezielte Aufsuchen anderer Hooligangruppen um gewalttätige Konfrontationen zu provozieren, die auch z.B. vor dem Stadion vonstatten gehen. Auch die Anerkennung in der Gruppe ist für einen Hooligan wichtiger als das Spielergebnis bzw. der Spielverlauf. Ultras: Einen Ultra könnte man auch als „Extremfan“ bezeichnen, der sehr viel Zeit und Geld investiert um „seine Mannschaft“ zu unterstützen. Ein Ultra ist man nicht nur während eines Spiels, sondern 7 Tage die Woche8. Ultras zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf ihre Unabhängigkeit dem Verein gegenüber plädieren, festgefahrene Vereinsstrukturen verachten und in Eigenregie kreativ tätig werden um Fanartikel herzustellen. Weiter ist es den Ultras ein großes Anliegen für eine gute Stimmung im Stadion zu sorgen und sie sprechen sich explizit gegen eine Verstärkung der Kommerzialisierung des Fußballs aus („Gegen den modernen Fußball“).9

Nicht allein das Ergebnis und der Verlauf eines Spiels stehen für einen Ultra im Vordergrund des Interesses, was auch am Beispiel des Vorsängers (Capo), der mit dem Rücken zum Spielfeld steht, sehr deutlich wird. Sie repräsentieren sich selbst als Gruppe indem sie ihren Verein „supporten“. Dadurch identifizieren sie sich mit ihrer Rolle als Fan und haben ein sehr stark ausgebildetes Gruppen- bzw. Zusammengehörigkeitsgefühl.10 Die europäische Ultraszene ist in den späten 60er Jahren in Italien entstanden. Basierend auf der Arbeiterbewegung 1969 und linksgerichteten Studentenprotesten nutzten die italienischen Fußballfans die Stadien, um sich bezüglich sozialen Ungerechtigkeiten im Land Gehör zu verschaffen. Im Zuge dessen wurden Banner, Doppelhalter, Fahnen und das Megaphon bzw. der Lautsprecher als wichtige Hilfsmittel der Fangruppen verwendet, um ihre Anliegen präsentieren zu können11.

8 vgl. http://www.das-fanmagazin.de/forum/thread.php?postid=323279 [13.03.07} 9

vgl. http://www.jugendszenen.com/ultras [13.03.07]

10

vgl. http://www.jugendszenen.com/ultras [13.03.07]

11

vgl. http://www.jugendszenen.com/ultras [13.03.07] 14


3.2 Fankulturen Sowohl in der Literatur als auch im Feld werden immer wieder die Termini „italienische“ bzw. „englische“ Fankultur verwendet. Hier wird ein kurzer Abriss dieser beiden unterschiedlichen Kulturen der Fans gegeben. 3.2.1

Die italienische Fankultur

Befragte Fans meinten: “… wir sind italienisch“. Auf die Frage, wie sich „italienisch“ äußere, antworteten sie: “… hupfen, tanzen, bewegen, Fahnen, Doppelhalter, Choreos, Megaphon, Microanlage, Vorsängerpodest, Pyrotechnisches Material…“ (Interview Austriafan) Bezeichnend für die von ihnen angesprochene italienische Fankultur ist eine sehr hohe Präsenz der Fangruppen im Stadion. Anhand von aufwändigen Choreographien, die einer sehr genauen und oft zeitintensiven Planung bedürfen, wird der Beginn eines Spiels zelebriert. Doppelhalter, übergroße Fahnen und Banner sowie pyrotechnische Mittel (bengalische Fackeln und Rauch) sind weitere wichtige Utensilien zur Präsentation und Inszenierung einer italienischen Fankultur.12 Ein Vorsänger („Capo“) steht auf einem Podest und kündigt mit Hilfe eines Megaphons oder über Lautsprecher an, welche Lieder zur Unterstützung der Mannschaft gesungen werden. Diese Gesangseinlagen sind oft bekannte Melodien, die zu Hymnen für den Verein umgedichtet werden. 3.2.2

Die englische Fankultur

Befragte Fans äußerten sich wie folgt: “…Die Engländer stehen nur und schauen….klatschen und singen nur… des interessiert uns ned …des is ka Fankultur …zuwenig Action …des stirbt aus mit der Zeit…die Italiener machen viel mehr…“ (Interview Austriafan) Die englische Fankultur, die im obigen Zitat als wenig attraktives Gegenstück präsentiert wird, stellt jedoch einen wichtigen kulturhistorischen Teil von Fankultur dar. Sie verzichtet weitgehend auf die aus Italien kommenden Choregraphien und verfolgt aber dennoch eine ähnliche Philosophie, nämlich den Verein als Teil des persönlichen Lebens zu definieren und mit diesem durch „Dick und Dünn“ zu gehen. Diese Philosophie manifestiert sich u.a. in Slogans wie „you“ll never walk alone“ oder „one corner of the world is forever England“. Die Unterstützung des jeweiligen Vereins beschränkt sich in der Regel auf stimmliche und rhythmische Gesangs- und Klatscheinlagen, auf Instrumente wird verzichtet.

12

vgl. Heidi Thaler 2007: S 61f 15


3.3 Die (Fan-)Kurve Die (Fan-) Kurve kann als jener Ort im Stadion bezeichnet werden, an dem sich die aktivsten Fans eines Vereins einfinden, um ihre Mannschaft zu unterstützen. Bei SK Rapid Wien und bei FK Austria Wien befindet sich die Fankurve jeweils auf der Westtribüne des Stadions. Über die örtliche Beschreibung dieses bestimmten Platzes im Stadion hinaus, kann die Kurve auch als sozialer Raum gesehen werden. Vor allem die in Fanclubs organisierten Fans verfügen über ein sehr intensives Vereinsleben. Sie verbringen einen großen Teil ihrer Zeit damit, für den Verein bzw. für den Fanclub aktiv zu sein (Teilnahme an Auswärtsfahrten, Arbeiten

an

Choreographien

etc.)

und

treffen

einander

auch

außerhalb

des

Fußballzusammenhangs. Immer wieder werden in den Interviews mit Fans die persönlichen Beziehungen untereinander betont und es wird von einer „großen Familie“ gesprochen. Bestätigend

hierzu

spricht

auch

Thaler

vom

Fanclub

als

„identitätsstiftender

Gesellungsform“.13 Das Umfeld rund um den Verein bzw. die Kurve wird so zu einem sozialen Bezugsrahmen und zum wichtigen sozialen Netzwerk für die Fans. Neben ihrer Funktion als Treffpunkt und als Ort, an dem soziale Beziehungen geknüpft und gepflegt werden, wird die Kurve von den Fans auch als „ihr“ Freiraum14 oder als „Heimat“ bezeichnet („Unsere Heimat ist die Kurve, unser Stolz Rapid,….“, Gesang der Fans von SK Rapid Wien). Einschränkungen dieses Freiraumes beispielsweise durch den Verein oder die Polizei werden von den Fans äußerst negativ aufgenommen.

3.4 Formen der Inszenierung 3.4.1

Die Selbstdarstellung und Inszenierung

Auch die Art der Selbstdarstellung und der Inszenierung stellt für die Fans ein wichtiges Thema dar. Deutlich wird dies in erster Linie dadurch, dass der eigene Support vielfach in den jeweiligen Fanzines dargestellt und kommentiert wird bzw. auch Choreographien oder Spruchbänder auf den Fanclub-eigenen Homepages präsentiert werden. Aber auch die Abgrenzung der eigenen Fangruppierung insbesondere in Hinblick auf die Fangruppen anderer Vereine kann als Ausdruck der Bedeutung des eigenen Supports interpretiert werden (bspw. Die Sprechchöre „Wir wollen keine grünen Parasiten, raus mit

13

Heidi Thaler 2007: 51

14

vgl. Heidi Thaler 2007: 51 16


diesem Pack“ von den Fans des FK Austria Wien oder „Viola merda“ von den Fans des SK Rapid Wien). Die verschiedenen Teile der Inszenierung werden innerhalb der Fanszene ebenfalls mit eigenen Fachtermini bezeichnet. Zum besseren Verständnis wird im folgenden eine eindeutige Erklärung über das gemeinsame Verständnis der Termini abgegeben. Des weiteren folgt ein Versuch, Teile der Inszenierungen mittels Fotografie und Beschreibung darzustellen. Support: Unter Support versteht man die Unterstützung einer Mannschaft durch die Fans. Es gibt unterschiedliche Formen und Möglichkeiten, wie die Fans ihrer Mannschaft beistehen und sie anfeuern können. Choreos: Choreographien werden immer schon im Vorfeld eines Spiels von den Fans geplant. Diese werden vor Spielbeginn und nach der Pause präsentiert und zeichnen sich durch riesige wie aus Mosaikstücken zusammengesetzte Bilder, aber auch durch ein Massenaufgebot an wehenden Fahnen und Rauchfeuern, aus. Eine einheitliche Choreographie zu organisieren, in der sich der Großteil der Fans inhaltlich, als auch in ihrer Umsetzung wiederfindet, erfordert ein hohes Maß an Diplomatie, Disziplin und Gemeinschaftsgefühl.15 Bei FK Austria Wien sind zu einem großen Teil die Viola Fanatics für die Inszenierung verantwortlich. Hingegen bei SK Rapid Wien übernimmt diese Aufgabe hauptsächlich die Ultras Rapid.

Abbildung 1: Choreographie Austria

15

Abbildung 2: Choreographie Rapid

vgl. Thaler 2007 :68 17


Gesänge: Die Fans von beiden Teams haben spezifisch auf die Mannschaft, den Verein, die Spieler und die Vereinsfarben abgestimmte Gesänge. Diese werden in Fankreisen auch als Schlachtgesänge bezeichnet und durch den Rhythmus von Trommeln und Klatschen unterstützt. Mit Hilfe dieses akustischen Supports kommuniziert die Kurve auch mit Fans auf den anderen Tribünen. Die Gesänge haben meistens mannschaftsunterstützenden Inhalt, jedoch benutzen sie diese Form der Kommunikation auch um den Gegner zu verhöhnen bzw. ihren Unmut kund zu tun. Viele Lieder und Sprechchöre wiederholen sich von Match zu Match und sind fester Bestandteil des Supports.

Beispiele FK Austria Wien:

„Hier regiert der FAK“

“we are from violet army we are come to win the match...win the match when you really shake it up austria wins uefa cup Austria is the greatest football team”16

Beispiele SK Rapid Wien:

“Forza Rapid Wien” “Wien ist unsere Stadt Grün/Weiss sind unsere Farben! Wir sind die Fans von Rapid – und fahren immer auswärts mit!!”17

16

vgl. http://teamchefforum.tonline.apa.net/viewtopic.php?p=60256&sid=a6f96f2287ec906e9e0095215906f854

[11.06.07] 17

vgl.

http://www.fangesaenge.de/international/oesterreich/detail/sk-rapid-wien/2122/songtext/index.html

[11.06.07] 18


Fahnen: Sind ein wichtiger Teil des Supports und beinhalten meist die Vereinsfarben und Aussagen die für Fans von Bedeutung sind. Diese werden von den Fans selbst hergestellt. Dazu treffen sie sich in der Freizeit, um gemeinsam an den Fahnen zu arbeiten. Doppelhalter: Dieser ist eine andere Form von Fahne, die rechts und links mit einer Stange befestigt wird. Doppelhalter sind ebenfalls zumeist mit Bildern und Aussagen geschmückt, um die Anregungen und Wünsche der Fans zu verdeutlichen. Die Anfertigung erfolgt wieder durch die Fans selbst.

Abbildung 3: Fahnen und Doppelhalter Austria

Bengalen:

Sind

Rauchfeuer

in

den

Abbildung 4: Fahnen und Doppelhalter Rapid

jeweiligen

Vereinsfarben.

Die

Anzahl

ist

anmeldepflichtig, da sie gesundheitsschädigend und gefährlich sind. Das Anzünden direkt auf der Tribüne ist auf Grund der hohen Verletzungsgefahr (Verbrennungen) und den schädlichen Dämpfen verboten. Trotzdem schaffen die Fans es fast bei jedem Spiel, die Leuchtkörper in den Westsektor von Horr- bzw. Hanappi-Stadion zu schmuggeln. Erlaubt ist der Gebrauch ausschließlich unter der Aufsicht von speziell geschulten Einsatzkräften vor der Tribüne und auf der Spielfeldseite des Zaunes bzw. der Absperrung.

19


Abbildung 5: Rauchfeuer Austria

Abbildung 6: Rauchfeuer Rapid

Transparente: Es gibt zwei Arten von Transparenten. Auf der einen Seite befestigen die Fanclubs vor jedem Spiel ihre individuellen Transparente („Fetzen“)18, welche sich auch nicht ändern, in einer bestimmten Reihenfolge am Zaun vor der Kurve. An Hand dieser Anordnung ist ersichtlich, wo sich der jeweilige Fanclub auf der Westtribüne befindet. Jeder Fanclub hat seinen speziellen Platz dafür. Nach dem Spiel werden diese abmontiert und bis zum nächsten Match aufgehoben. Diese eigenen Fanclubtransparente werden zu Heiligtümern ernannt und deswegen ist ein Verlust derer ein fataler Fehler. Denn so kann das Ansehen und der Ruf auf der Tribüne und innerhalb der Szene beschädigt werden. Auf der anderen Seite gibt es Transparente oder auch Spruchbänder, die während des Spiels für einen kurzen Zeitraum gezeigt werden. Meist befinden sich darauf negative Sprüche oder Bemerkungen. Diese beziehen sich auf den Gegner oder es sind Worte des Unmutes bezüglich einer bestimmten Sache. Die Fans benutzen diese unteranderm auch um Jubiläums bekannt zu geben oder um bestimmte Spieler besonders zu ehren. Oftmals enthalten diese Spruchbänder eine Reaktion der Fans auf ein kürzlich vorangegangenes Ereignis, sowohl positiver als auch negativer Natur.

18

Ausdruck aus dem Feld 20


Abbildung 7: Transparent Austria

Abbildung 8: Transparent Rapid

Fanutensilien: Aus der Fragebogenerhebung geht hervor, dass es für Fans von großer

Wichtigkeit ist, sich mit seiner Mannschaft zu identifizieren und zu unterstützen, Fanartikel zu tragen und Farbe zu bekennen. Diese Fanartikel werden von den Mitgliedern der Fanclubs selbst entworfen, in Auftrag gegeben und zum Verkauf angeboten. Hauptsächlich erfolgt der Vertrieb im eigenen Fanclub, als Zeichen der Mitgliedschaft und um sich von anderen Gruppen abgrenzen zu können. Viele große Fanclubs bieten ausgewählte Artikel aber auch für Nichtmitglieder an. So wird zusätzlich Geld für Fanaktivitäten beschafft. Der Verkauf erfolgt entweder direkt auf der Westtribüne oder übers Internet.19 •

Kleidung: Schals, Trikots, Mützen, Kapperl, Haube, T-Shirts, Pullover, Jacken, Socken, Unterwäsche uvm.

Utensilien: Aufnäher, Feuerzeuge, Ketten, Schlüsselanhänger, Armbänder uvm.

Symbole: Fast jeder Fanclub, sowohl bei FK Austria Wien als auch bei SK Rapid Wien, hat

ein eigenes Symbol als individuelles Erkennungszeichen.

19

vgl. Thaler, 2007: 52 21


Beispiele Austria:

Beispiele Rapid:

Abbildung 9: Vereins-Logo Austria

Abbildung 10: Vereins-Logo Rapid

Abbildung 11: Logo Fanatics

Abbildung 12: Logo Tordos

Abbildung 13: Logo Bulldogs

Abbildung 14: Logo Ultras

22


Rituale: Hier sei als bekanntestes Beispiel die „Rapid-Viertelstunde“ genannt: Bei jedem

Spiel des SK Rapid Wiens wird traditionell zu Beginn der letzten 15 Minuten von den Anhängern die legendäre "Rapid-Viertelstunde" eingeklatscht. Nach Überlieferungen soll dieses Einklatschen im Jahr 1919 erstmals erfolgt sein. Tatsächlich dürfte der Begriff "RapidViertelstunde" sogar noch einige Jahre älter sein. Auch wenn dadurch nicht immer der Sieg in dieser Phase herbeigeführt wird, konnte diese Tradition sich bis heute bewahrt werden. Denn das Einklatschen der letzten 15 Minuten ist seit fast einem Jahrhundert ein fixer Bestandteil jedes Rapid-Spiels und damit untrennbar mit SK Rapid Wien verbunden.20 Von den Fans des FK Austria Wiens wurden keine vergleichbaren Rituale beschrieben. Legenden: Aus der Fragebogenerhebung und den geführten Interviews ist ebenfalls

ersichtlich, dass bei beiden Vereine ehemalige Spieler die besondere Leistungen erbracht haben oder ihre ganze Karriere bei diesem Verein spielten, zu Legenden wurden und somit einen besonderen Stellenwert genießen. Dies ist zum Beispiel daran ersichtlich, dass die Namen der Stadien, Horr-Stadion bei FK Austria Wien und Hanappi-Stadion bei SK Rapid Wien, nach ehemaligen Vereinslegenden benannt wurden. Homepage: Auf der jeweiligen offiziellen Vereins-Homepage kann sich der Fan über nahezu

alles bezüglich seiner favorisierten Mannschaft und den Verein informieren. Hier kann alles gefunden werden, angefangen von Spieldaten, Transfers, Mannschaft bis hin zu Fanaktivitäten, speziellen Angeboten für Fans und den Erwerb von vereinsbezogenen Fanartikeln. •

FK Austria Wien:

www.fk-austria.at

SK Rapid Wien:

www.skrapid.at

Zusätzlich zu den offiziellen Web-Auftritten der Vereine selbst, hat fast jeder Fanclub eine eigene Homepage mit einem Forum bzw. einem eigenen Chatroom. Einige Seiten sind für jedermann zugänglich, doch genauere Informationen bekommt man nur als eingeloggtes Mitglied des jeweiligen Fanclubs. Diese Foren dienen dem Austausch innerhalb der Szene und sind daher ein wichtiger Ort des Zusammenseins. Fanzines: Diese werden zumeist vor einem Spiel verteilt und beinhalten Informationen und

Artikel zu vorherigen aber auch zukünftigen Matches sowie aktuelle Informationen zum Verein. Die Produktion dieser Fanzins ist sehr aufwendig und vor allem teuer, daher können sich nur große Fanclubs eine Kommunikation auf diesem Weg leisten.

20

vgl.http://www.rapidarchiv.at/spezial/rapidviertelstunde.html [12.06.07] 23


3.5 Fanclubs – der organisierte Support Das aktive Geschehen in den Sektoren ist von den verschiedensten Fanclubs auf den Tribünen abhängig. Der Schwerpunkt bzw. der Motor von dem Treiben ist, sowohl bei FK Austria Wien als auch bei SK Rapid Wien, die Westtribüne. Die Nord- und Südtribünen spielen bei einigen Wechselgesängen eine Rolle, allerdings ist die Westtribüne die Schaltzentrale des Geschehens. Im Hanappi-Stadion ist mittlerweile sogar schon ein Teil der Osttribüne, die ursprünglich für Auswärtsfans reserviert war, den Fanclubs des SK Rapid zugänglich. Bei FK Austria Wien ist diese meist gesperrt und ansonst nur für den gegnerischen Fananhang reserviert. In den Westsektoren der beiden Vereine treten solche Fanclubs in verschiedener Gestalt in Erscheinung. Sie stellen eine zentrale Strukturierung gegenwärtiger Fankultur dar. Im folgenden Abschnitt werden die jeweiligen Fankurven anhand der dort beheimateten Fanclubs beschrieben, einige Fanclubs werden exemplarisch einer eingehenden Betrachtung unterzogen. 3.5.1

Fanclubs bei Austria Wien

Die Westtribüne im Horr-Stadion ist das Zuhause der „wahren“ Fans. In der letzten Saison 2006/07 konnte eine Durchschnittsbesucherzahl von 245921 erreicht werden. Anders als bei Rapid, wo es einen dominierenden Fanclub, nämlich die Ultras, gibt, hat FK Austria Wien derzeit 75 ungefähr gleichgestellte Fanclubs mit insgesamt über 2000 Mitgliedern. Unter den Fanclubs herrscht ein großteils, ausgewogenes Kräfteverhältnis. Die Bekanntesten bzw. jene die laut Fans am häufigsten auf der Westtribüne vertreten sind, heißen:

21

Absolut Violett

Altspatzen

Austria 80

Aztgersdorf

Boys Viola 2003

Bulldogs

Fedayn Vienna 1995

Kampfastlln Inzersdorf (KAI)

Lt. Martin Schwarzlantner/ FK Austria Wien 24


Maniacs

Soccerholics (SHAW)

Unsterblich Wien

Viola Fanatics

Beim FK Austria Wien gibt es auch zwei organisierte Fanclubs von Frauen. Diese nennen sich „Forza Viola Girls“ und die „Ladies Austria Wien 2005“. Die Gründungen dieser beiden Fanclubs bestätigen die zunehmende Präsenz von Frauen im Fansektor und die vermehrte Teilnahme von weiblichen Fans an der Fankultur. Anhand dieses bunten Gemischs an Fanclubs und Supportstilen, ist die Vielfalt der Westtribüne im Horr-Stadion erkennbar. Das Wechselspiel zwischen italienisch, englisch und manchmal einfach „wienerisch“ angelegten Stilen, verlangt immer wieder eine gegenseitige Rücksichtnahme der Fanclubs. Jeder Fan kann ein Lied anstimmen, jedoch entscheidet schlussendlich die Mehrheit, welches sich durchsetzt. Gerade durch diese Vielfalt kann allerdings oft der Eindruck entstehen, dass hier keine Einigkeit herrsche. Jedoch ist in den Gesprächen mit den Fans erkennbar, dass es nicht so sehr um die Fanclubs an sich geht, sondern vielmehr um den FK Austria Wien als Mannschaft und auch als Verein. Der Fankoordinator Martin Schwarzlantner meinte in einem Gespräch, dass die Westtribüne ein Abbild der Gesellschaft darstelle, insofern als hier jeder anzutreffen sei, vom Hilfsarbeiter bis zum Rechtsanwalt und möglicherweise sind diese auch noch im gleichen Fanclub vertreten. Auf der Westtribüne des FK Austria Wien haben viele Fanclubs ihren Stammplatz, auf welchem sie bei jedem Spiel stehen und von dem aus sie ihren Verein unterstützen. Diese Standorte werden durch das Aufhängen der jeweiligen Transparente der einzelnen Fanclubs am Zaun, bei jedem Spiel markiert und sichtbar gemacht. Anbei ein Soziogramm, welches im Laufe der Forschung im Zuge der Beobachtungen und Gespräche entwickelt wurde. Genau in der Mitte hinter dem Tor steht ein violettes Stahlgerüst. Hier sind immer zwei Vorsänger positioniert, wobei manchmal noch andere Fans hinzukommen. Direkt hinter dem Podest haben ein bis zwei Trommler ihren Platz. So wird ein Zusammenspiel von Rhythmus und Gesang leichter hergestellt, weil die Kommunikation sonst sehr schwierig ist. Rund um das Podest versammelt sich der FC Viola Fanatics 01. Die Vorsänger und auch die Trommler sind Mitglieder dieses Fanclubs. Links davon ist der FC Fedayn Vienna 1995 positioniert. Hier mischen sich die Fanclubs noch mit Mitgliedern von den Boys Viola. Diese drei genannten Fanclubs sind italienisch orientiert. Oberhalb der Fanatics steht der FC Boys Viola. 25


Dieser FC hat sowohl englisch als auch italienisch orientierte Mitglieder. Links neben den Boys Viola stehen die Soccerholics (Shaw). Diese sind eher englisch orientiert und fallen vor allem durch ihren sehr lauten Gesang auf. Rechts neben den Boys Viola steht der FC Absolut Violett, welcher auch eher englisch orientiert ist. Rechts neben den Fanatics steht der FC Kai. Auch bei diesem Fanclub stellen die englische und die italienische Fankultur einen großen Einflussfaktor dar. Rechts neben den Kai stehen die Bulldogs, Maniacs, Atzergsdorf und Unsterblich. Diese vier Fanclubs bilden die sog. Urgesteine der Austria Fanszene. Die Mitglieder sind zumeist über 30 Jahre alt und schon sehr lange in das Geschehen der Westtribüne involviert. Innerhalb der Szene kann man sie als „die Alten“ bezeichnen. Aufgrund dieser Aufzeichnung ist erkennbar, dass sich die Fanclubs mit den italienisch orientierten Fans, hinter dem Tor befinden. Die englisch orientierten Fans haben sich oben positioniert, möglicherweise um die Akustik besser auszunutzen. Auffallend ist des weiteren, dass „die Alten“ sich zu einem Mob zusammengefunden haben und sich möglicherweise auf diese Art von den Jungen ein wenig abzugrenzen versuchen.

Aufgang 1

Aufgang 2 BIER

BIER

SHAW Boys Viola Absolut Violett Bulldogs

Fanatics

Atzgersdorf Fedayn Podest

KAI

Zaun – mit Transparenten

Abbildung 15: Skizze der Westtribüne des Horr-Stadions nach Fanclubs

26

Maniacs


3.5.1.1 Viola Fanatics Die Fanatics wurden am 29. September 2001, im Bus bei der Heimreise von Graz nach einer 2:1 Niederlage, gegründet. Zu dieser Zeit befand sich die Mannschaft des FK Austria Wien in einem Tief. Der Verein und die Mannschaft befanden sich in einer Krise und es folgten Skandale, welche großen Unmut hervorbrachten. Das war die Stunde von anfangs zehn Leuten, die aktiv dazu beitragen wollten, dass die Wiener Austria wieder auferstehe. Der Begriff „Viola“, steht für die Vereinsfarbe, die Bezeichnung „Fanatics“ steht für einen fanatischen Unterstützungsstil.22 Die Fanatics sind in kurzer Zeit zu einem fixen Bestandteil der Kurve geworden und sie verstehen sich sozusagen als ein Gegenstück zu den Ultras beim SK Rapid Wien. Schon nach kurzer Zeit wurden sie in den Kreis der „Mentalità Freaks“23 aufgenommen. Mittlerweile umfasst der italienisch orientierte Club ca. 60 Personen. Er ist bei der Durchführung verschiedenster Choreographien stark beteiligt und ist für einen Teil des „Supports“24 auf der Westtribüne verantwortlich. Von einem Podest aus, hinter dem Tor, werden die Fans von zwei Vorsängern mit einem Megaphon animiert ihre Mannschaft mit Gesängen und Sprechchören zu unterstützen, zwei Trommler geben den Rhythmus vor. Zu Beginn hatten die Vorsänger Schwierigkeiten alle Fans anzusprechen. Mittlerweile sind sie Routiniers geworden und haben ein „gewisses Feingefühl“ und Können entwickelt, um zwischen den Fanclubs gesanglich zu vermitteln. Der Rest der Mitglieder hat während des Spieles ihren Standort rund um dieses Podest ganz vorne in der Mitte. Nur so kann für sie die Mannschaft richtig „supportet“ und die anderen Fans motiviert werden. Nach außen wird so ein sehr einheitliches und starkes Bild der Fanatics vermittelt. Für die Organisation des Fanclubs sind drei Personen verantwortlich, das sog. „Direttivo“25. Diese drei „Chefs“ entscheiden auch darüber, wer ein neues Mitglied werden darf und wer nicht, wobei die Zustimmung von zwei ausreichend ist. Es gibt spezielle Kriterien für eine Aufnahme. Diese sind zum Beispiel eine ständige Präsenz auf der West, regelmäßiger Besuch von Auswärtsspielen und prinzipielles Interesse an den Aktivitäten des Clubs. Ein Markenzeichen dieses Fanclubs ist eine einheitliche Fankleidung in der Kurve. Es gibt eigene

22 23

vgl. INSIME Fanzine der Fanatics - , 06/03.07, 5 Jahre Fanatics: 29 Ausdruck aus dem Feld – Gruppe von Fans die für das Malen von Transparenten, gestalten von Choreographien etc. zuständig ist.

24

Ausdruck aus dem Feld – Die Unterstützung der Mannschaft durch die Fans

25

Ausdruck aus dem Feld - Vorstand 27


Pullover, T-Shirts, Hosen, Kappen, Socken, Schals usw. die von jedem Mitglied getragen werden sollten. Frauen haben zu diesem Fanclub keinen Zugang. Der Fanclub finanziert sich selbst durch den Verkauf von Mitgliederfanartikeln und Mitgliedsbeiträgen. Zusätzlich werden eigene Fanartikel für Nichtmitglieder produziert, um eine weitere Einnahmequelle zu schaffen. Der Verkauf von Fanartikeln passiert entweder direkt auf der Westtribüne des Horrstadions oder es gibt die Möglichkeit, sich die Sachen auch übers Internet auf ihrer Homepage, www.fanatics2001.at.tf zu bestellen. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 50,- Euro pro Jahr oder 5,- Euro pro Monat. Zusätzlich wird das Fanzine „INSIEME“ verkauft. Dieses erscheint drei bis vier Mal pro Jahr in einer Auflage von ca. 200 Stück pro Ausgabe und kostet 3,- Euro pro Heft. Slogans wie „Lautstark für Wien“, “Szene Wien“ und „Stolz der Hauptstadt“ wurden von den Fanatics in der Fanszene etabliert.26 Sie sind auch international engagiert und pflegen unter anderem Fanfreundschaften zu den Ultrá Boys Basel (Schweiz), Collettivo Autonomo Viola (Italien), Ultra Viola Bulldogs (Ungarn) und SGD Supporters Bautzen (Deutschland).27 Ebenso ist ein weiterer wichtiger Grundgedanke, dass Politik im Stadion nichts verloren hat. Das einzig Wichtige im Stadion sind der FK Austria Wien und die Farbe violett, alles andere „bleibt bei der Kassa draußen“. Vor allem sprechen sich die Fanatics gegen die Kommerzialisierung des Fußballs aus. Durch ihre aktive „Arbeit“ im Stadion versuchen sie so den Geist des FK Austria Wien am Leben zu erhalten. Der Fanclub steht allerdings nicht nur für die Unterstützung des Vereins Austria Wien, sondern auch für Freundschaft, Kampf und Zusammenhalt. Einige Mitglieder sehen in diesem Zusammenhalt sogar mehr als nur Freundschaft, nämlich eine Lebensgemeinschaft für den FK Austria Wien.28

3.5.1.2 Boys Viola 2003 Die Gründung dieses Fanclubs erfolgte im November 2003. Zunächst versuchten sich einige wenige durch Anfertigung von Transparenten, Malen von Doppelhaltern und Basteln von Fahnen, auf der West einen Namen zu machen. Mit der Zeit suchten sie Kontakt zu anderen Fanclubs und begleiteten andere wie Austria 80 oder die Altspatzen in ihren Bussen zu Auswärtsspielen. Der Fanclub besteht aus sehr jungen Mitgliedern, die meisten sind ungefähr 16 Jahre alt.

26

vgl. INSIME Fanzine der Fanatics - , 06/03.07, 5 Jahre Fanatics: 29

27

vgl. http://www.fanatics2001.at [12.06.07]

28

vgl. INSIME Fanzine der Fanatics - , 06/03.07, 5 Jahre Fanatics: 31 28


Der Fanclub ist nicht speziell organisiert, das heißt es gibt Mitglieder, welche die englische Stilrichtung bevorzugen und andere, welche eher italienisch- bzw. ultraorientiert sind. Eine genaue Mitgliederzahl gibt es nicht, da die Fluktuation groß ist, aber man spricht von ca. zwanzig Personen. Wenn man den Boys Viola beitreten möchte, muss man mindestens 16 Jahre alt sein. Es muss eine Beitrittserklärung ausgefüllt werden, welche dann im Stadion dem Capo gegeben wird. Diese Beitrittserklärung kann auf der Homepage der Boys unter http://www.boys-viola.at herunter geladen werden. Danach folgt eine dreimonatige Probezeit, in der sich das mögliche zukünftige Mitglied durch Aktivitäten im Stadion, Malen von Doppelhaltern, Mitmachen bei Choreographien und Besuchen von Heim-, Amateur- und Auswärtsspielen, beweisen muss. Der Vorstand, welcher aus sieben Personen besteht, entscheidet dann über die Aufnahme. Ist man unter 16 Jahre, gibt es die Möglichkeit gemeinsam mit den Boys die Amateure des FK Austria Wien zu supporten. Das Ziel der Boys Viola ist daher nicht nur die Unterstützung der Kampfmannschaft, sondern auch die Begleitung der Amateure. Die Boys versuchen durch den Support der Amateure den neuen, jungen Mitgliedern den Einstieg in die Fanszene zu erleichtern.29 Mittlerweile wollen einige Fans in den Boys Viola das Gegenstück zu dem Fanclub Gioventu des SK Rapid Wien sehen (Feldgespräche mit Austriafans). Der Aufbau dieses Fanclubs ist ähnlich und vor allem kann genauso der „sanfte Einstieg“ in das Fußballfanleben gewährleistet werden. Die Mitglieder dieses Fanclubs sind nicht nur Anhänger des FK Austria Wien, sondern auch Freunde. Die Fans bezeichnen sich selber als „große Familie“30, sie treffen sich auch privat mehrmals die Woche und unternehmen gemeinsame Freizeitaktivitäten. Das einheitliche Auftreten ist den Boys Viola auch ein wichtiges Anliegen. Damit der Fanclub auf der Westtribüne erkannt wird, tragen sie Kleidung mit ihrem Logo, auch auf den Fahnen und Doppelhaltern befindet sich ihr Markenzeichen. Die Kleidung wird von einer kleinen Gruppe der Mitglieder in Eigenregie entworfen und gedruckt. Der Verkauf erfolgt nur an die Mitglieder des Clubs. Bestimmte Strukturmerkmale, die aus den skizzierten Fanclubs zu erkennen sind, können als allgemeine Charakteristika von jugendlichen Fanclubkulturen definiert werden: Die Fanclubs sind männlich orientiert, Mädchen werden explizit ausgeschlossen. Als eine Reaktion darauf könnte man die Entwicklung von Frauenfanclubs interpretieren, die sich beim FK Austria

29

vgl. http://www.boys-viola.at [12.06.07]

30

Interview Austriafan,männlich 15a 29


zeigt. In welcher Rolle Mädchen in solchen rein männlich ausgerichteten Fanclubs vorkommen, falls sie anwesend sind, müsste einer weiteren Studie unterzogen werden. Es zeigt sich eine adoleszente männlich geprägte peer group, die eine Entwicklung zu einer wichtigen identitätsstiftenden Bezugsgruppe durchläuft. Man verfolgt ein gemeinsames Ziel, den Verein zu unterstützen, ja oft ist die Gründungsmotivation darauf abgezielt, dem Verein aus einer Misere zu helfen. Es geht darum, mit seinen Anliegen im Stadion präsent zu werden und es wird ein hoher Arbeitsaufwand betrieben, mittels bestimmter Symbolik und Inszenierung zu kommunizieren. Die Gruppe der gleichgesinnten Fans, die als eine Freundesgruppe einen wichtigen Teil auch im Leben jenseits des Stadions einnimmt, wird durch bestimmte Zugangsschwellen aufgewertet. Solche Aufnahmerituale sind darauf abgezielt, Werte wie Engagement für den Verein und Präsenz innerhalb der Kurve zu verstärken. Die Gruppen entwickeln einen beträchtlichen Organisationsgrad, wenn man bedenkt, dass eigene Fanutensilien bis hin zu einer regelmäßig erscheinenden Zeitung gemacht werden. Interessant ist auch die Tatsache, dass man sich stark auf den sog. gegnerischen Anhang bezieht, sich an ihm und an einzelnen Gruppierungen darin orientiert. Es ist nicht nur die Konkurrenz und die Gegnerschaft, sondern auch der Vorbildcharakter, der die Fanclubs dieser beiden Vereine in einer Art Wechselwirkung verbindet. Die Dynamik von „Wir und die anderen“ dient den meist jugendlichen Fans als eine ideale Abgrenzungs- und Orientierungsstrategie in einem Feld, wo es auch möglich ist, selbst zu gestalten und sich selbst zu organisieren. Hier zeigt sich die zentrale Bedeutung solcher Fanclubs für Jugendliche als eine Form subkultureller Jugendkultur. Es muss hier angemerkt werden, dass es darum geht, solche Formen in einem positiven Sinne zu unterstützen, z.B. durch Aktivitäten der Vereinsverantwortlichen oder durch SozialpädagogInnen/SozialarbeiterInnen. Ein Umgang mit diesen Fanclubs, der sie in erster Linie als Gefahr definiert und in Folge kriminalisiert, verringert die Chancen, dass diese subkulturellen Gruppen positive Entwicklungschancen für ihre Mitglieder entfalten können. Dies wirkt sich generell auf die Kultur eines Sektors aus und wie oben bereits angesprochen auch auf die gesamte Fankultur, die ja in einer Art Wechselwirkung steht. Die zentrale Frage ist also, wie man mit diesen Fanclubs umgeht, was man in sie, in ihre Entwicklung investiert und wie man sie in das Gesamtsystem Fußball integriert.

Beim SK Rapid lässt sich der zentrale Stellenwert des Fanclubs für die Fans, aber auch die Wechselwirkung mit dem Verein besonders gut beobachten. Hier hat ein Fanclub in den letzten Jahren eine steuernde Funktion übernommen. Wie sich dieses Phänomen auf die Dynamik der Fankurve auswirkt, soll in den folgenden Zeilen nachgegangen werden. 30


3.5.2

Fanclubs beim SK Rapid

Insgesamt zählt der SK Rapid Wien derzeit 126 registrierte Fanclubs.31 Die Fankurve befindet sich im Westsektor des Gerhard-Hanappi-Stadions. Zu den mitgliederstärksten Gruppen auf der Westtribüne zählen in erster Linie folgende Fanclubs:

Ultras Rapid

Gioventù

Tornados

Xindl

Alte Garde

Spirits

Jede dieser Fangruppierungen bzw. ihre Mitglieder verfügen über einen Stammplatz im „Block West“, der mittels des Transparents des Fanclubs, befestigt am Zaun des Sektors am Spielfeldrand, gekennzeichnet wird. Neben den Fanclubs im „Block West“ finden sich auch auf der Nordtribüne (hier insbesondere die „Flo’town Boys“) und der Osttribüne (hier vor allem die „Lords“, „Truppe Rapid“ und „Infanterie Hütteldorf“) für den Support des Vereins bzw. für die Fanszene wichtige Fanclubs. Bei der Osttribüne handelt es sich, sowohl was die Gründung der Fanclubs als auch ihre Mitglieder betrifft, um einen sehr jungen Sektor. Es gilt als erklärtes Ziel der Fanclubs, die Osttribüne als zweite Fankurve im Hanappi-Stadion zu etablieren. Die Fanszene des SK Rapid, hier im Speziellen die oben dargestellte Westtribüne des Stadions, wird vor allem von den „Ultras Rapid“ stark geprägt und gestaltet. Durch ihre zahlenmäßige Überlegenheit und ihr einheitliches Auftreten (Ultras- eigene Fanartikel), sowie durch das Zeigen von aufwendigen Choreographien bei jedem Heimspiel und das Vorgeben der Gesänge und Sprechchöre durch die Capos (Vorsänger) bestimmen die Ultras Rapid maßgeblich das Geschehen und die Art des Supports im „Block West“ des Hanappi- Stadions.

31

vgl. http://www.skrapid.at/9661.html [19.06.07] 31


Aufgang

Aufgang

Xindl

Tornados

Alte Garde Ultras Rapid Gioventù Podest

Spirits

Zaun

1 1 TOR

Abbildung 16: Skizze der Westtribüne des Hanappi-Stadions nach Fanclubs

3.5.2.1 Ultras Rapid Der Fanclub „Ultras Rapid“ wurde am 1. Februar 1988 als erste Ultras-Gruppierung Österreichs gegründet. Als Vorbild dienten hierbei in erster Linie bereits bestehende UltraGruppen in Italien (im Besonderen die Gradinata Sud von Sampdoria Genua). Das Symbol der Ultras Rapid bildet ein Indianerkopf. Die Anmeldung erfolgt über einen Antrag auf Mitgliedschaft und über die Einzahlung des jährlichen Mitgliedsbeitrags von 25 Euro. Die Mitgliedschaft ermöglicht den Erwerb von Ultras- eigenen Fanartikel bzw. Vergünstigungen bei Auswärtsfahrten. Im Herbst 2006 zählten die Ultras Rapid knapp 500 Mitglieder. Die Sektion Gioventù, als Fangruppierung ungefähr seit der Saison 2001/ 02 aktiv, bildet eine Untersektion (oder „Nachwuchssektion“) der Ultras. Fanfreundschaften, die durch gegenseitige Besuche gepflegt werden, bestehen in erster Linie mit den Gruppierungen „Gate 13“ von Panathinaikos Athen, den „Ultras Nürnberg“ vom 1. FC Nürnberg und „Nuova Guardia“ von Veneziamestre. 32


Fanspezifische Informationen werden über das Fanzine „Go West!“, das bei jedem Heimspiel bzw. das Magazin „Block West Echo“, das jeweils in der Winter- bzw. Sommerpause erscheint und über die eigene Homepage weitergegeben. Beide Publikationen sind auch Nicht-Mitgliedern zugänglich. Ein Kellerlokal im 14. Bezirk dient als gemeinsamer Treffpunkt und als Clublokal.32 Im Weiteren bietet dieses Kellerlokal Raum für das Arbeiten an den Choreographien und für die Gewährleistung eines aktiven Vereinslebens der Mitglieder.33 Für die Organisation des Fanclubs bzw. der Fanaktivitäten der Ultras Rapid gelten in erster Linie zwei Capos als die Verantwortlichen („das Direttivo“) und nehmen durch ihren massiven Einsatz sowohl für die Ultras als auch für den Verein SK Rapid Wien eine Sonderstellung ein. Als Ausweis des hohen Organisationsgrades der Ultras können die Veröffentlichung einer eigenen Stadionzeitung („Go West!“), das eigenständige (vom Verein unabhängige) Organisieren von Auswärtsfahrten oder der Vertrieb von Fanclub-eigener Kleidung und Fanutensilien herangezogen werden. Thaler spricht in Bezug auf die Organisationsform bzw. die Struktur vom Vorherrschen von hierarchischen Strukturen in ultra-orientierten Gruppierungen. Und zwar erlangen jene Mitglieder Ansehen und Anerkennung innerhalb der Gruppe, die besonderes Engagement und außergewöhnlichen Einsatz für die Gruppe und den Verein zeigen.34 Neben den zwei Capos kann im Weiteren von einem „harten Kern“ gesprochen werden, von denjenigen also, die sich am aktivsten für den Fanclub und den Verein engagieren. UltrasMitglied F. zählt ca. 100 Mitglieder zu diesem „inneren Kreis“. Ansonsten würden Entscheidungen sehr „basisdemokratisch“ getroffen und die Hierarchie sei „wirklich flach“, wie F. weiter zu verstehen gibt. Die Ultras haben zwar eine steuernde Funktion im Anhang inne, jedoch versucht man mit den anderen Fanclubs zu kooperieren, was aber nicht immer gelingt. Das Verhältnis zu den anderen Fanclubs im „Block West“ bzw. zu den anderen Tribünen (insbesondere zur Nord- und zur Osttribüne) wird grundsätzlich als ein gutes beschrieben. Entscheidungen bezüglich Aktionen würden in Absprache und unter Einbeziehung aller wesentlichen Fanclubs insbesondere der West- bzw. Nordtribüne getroffen, auch Anregungen

32

vgl. www.ultrasrapid.at [19.06.07]

33

Information aus einem Interview mit Ultras- Mitglied F.

34

vgl. Thaler 2007: 52f 33


hinsichtlich der Gestaltung des Supports würden gerne entgegengenommen und zum Teil auch von den Ultras aufgenommen und umgesetzt. Insbesondere im Herbst 2006 wurde die führende Rolle der Ultras innerhalb der Fanszene des SK Rapid Wien deutlich spürbar: Aktionen wie bspw. das 31minütige Nicht-Erscheinen der Fans im Westsektor beim Spiel gegen Superfund Pasching am 11. November 2006 wurde von den Fans der Nordtribüne negativ aufgenommen, die Ultras gerieten in die Kritik, die Stimmung und das Geschehen innerhalb der Fanszene zu dominieren. Definitiv kann den Ultras durch die große Zahl an Mitgliedern und die starke Präsenz im Stadion eine zentrale Stellung innerhalb der Fanszene eingeräumt werden. Zu den Fanaktivitäten der Ultras zählen die Organisation und die Teilnahme an den Auswärtsspielen des Vereins, das Arbeiten an Choreographien, der Vertrieb eigener Fanutensilien (der Verkauf erfolgt ausschließlich an Mitglieder), der einerseits der Refinanzierung dient bzw. andererseits Symbol für die Gruppe als Einheit darstellt und insbesondere das Entwerfen und Erstellen des Fanzines „Go West!“. Als zentrale Momente für das Selbstverständnis der Ultras können in erster Linie folgende Punkte gesehen werden: •

Die Unabhängigkeit vom Verein: Die Unabhängigkeit gegenüber dem Verein zu bewahren gilt als ein wichtiges Prinzip der Ultras. Vor allem finanzielle Unterstützung wird strikt abgelehnt bzw. gilt ein Annehmen einer solchen Unterstützung als absolut verpönt. Auf ihrer Homepage äußern sich die Ultras in Bezug auf ihre Beziehung zum Verein wie folgt: „Das Verhältnis zur Vereinsführung hat sich nach den Spannungen im Sommer 2002 wieder normalisiert. Trotzdem sind wir weiterhin bemüht unsere Unabhängigkeit gegenüber den Vereinsoberen zu bewahren. Jegliche finanzielle Unterstützung wird strikt abgelehnt.“35

Das bewusste Entstehen und Artikulieren von Eigeninteressen: Das Bezugnehmen auf Geschehnisse, die aus Sicht der Fans von Relevanz sind, ist ein weiterer wesentlicher Aspekt, der ultra- orientierte Fangruppen auszeichnet. Mittels Aktionen und Protesten wird von den Fans auf Forderungen der Fanszene aufmerksam gemacht und auf Anliegen hingewiesen.36 Eine klare Positionierung der Ultras Rapid erfolgt in Bezug auf die Kommerzialisierung des Fußballs („Gegen den modernen Fußball“) bzw. bezüglich polizeilicher Maßnahmen („Gegen die Repression“).

35

vgl. www.ultrasrapid.at [19.06.07]

36

vgl. Thaler 2007:54 34


Die Selbstdarstellung und Inszenierung: Der eigene Support, also die Choreographien, das für Ultra- Gruppierungen charakteristische Einsetzen von pyrotechnischem Material, die übergroßen Fahnen, Doppelhalter und Banner, wird neben dem fußballerischen Kräftemessen am Spielfeld für Ultras zu einem weiteren Wettbewerb. Nicht nur die sportliche Leistung des Clubs, auch das eigene Engagement sollen zum Ansehen des Vereins beitragen. Auch wird die Attraktivität von gegnerischen Mannschaften nicht nur an deren sportlichem Können gemessen, sondern auch an der Qualität des Supports der Fans. 37 Erkennbar wird die Wichtigkeit der eigenen Inszenierung beispielsweise bei der Analyse der Fanzines. In den Ausgaben des Ultras- Fanzines „Go West!“ der Saison 2006/07 wird neben einer Beschreibung des Spielverlaufs der letzten Spiele auch auf den eigenen Support eingegangen, es werden Fotos der Choreographie gezeigt und es finden sich immer wieder Kommentare die Unterstützung und Anfeuerung betreffend. Im „Go West!“ Nummer 8/ 2007 vom 17. Mai 2007 wird beispielsweise die Unterstützung durch die Fans beim Wiener Derby wie folgt reflektiert: „Voll motiviert und in extremer Lautstärke initiierten wir die ersten Gesänge und siehe da, nach 4 Minuten wurden wir dafür schon belohnt! (…) Unglaublicher Jubel in Wien/ Hütteldorf. (…), alle Gesänge schallten in phänomenaler Lautstärke Richtung Spielfeld! Mit einer Ausnahme! Die äußeren Blöcke waren an jenem Derby einfach zu schwach! Lag es an der Nervosität, wir mussten das Derby unbedingt gewinnen oder einfach daran, dass man sich so auf das Spiel konzentrierte???“38

Ultra zu sein kann also einerseits als eine bestimmte Art des Supports verstanden werden, der sich durch die Verwendung der Mittel für die Anfeuerung kennzeichnen lässt: Spektakuläre, aufwendige Choreographien werden ebenso gezeigt wie schlagkräftige Spruchbänder oder Doppelhalter und übergroße Fahnen, auch das Einsetzen von pyrotechnischem Material (Rauchtöpfe, bengalische Fackeln) ist charakteristisch für Ultra- Gruppierungen. 39 Andererseits bedeutet ultra zu sein eben mehr als nur Fan einer Mannschaft zu sein. Es kann als Lebenseinstellung bezeichnet werden, es bedeutet bedingungslose Unterstützung des Vereins (ausnahmslose Teilnahme an jedem Spiel der Mannschaft) und stellt für die

37

vgl. Thaler 2007: 62f

38

Go West! Fanzine der UR - 08/07: 2

39

vgl. Thaler 2007: 62 35


Mitglieder und jene, die sich selbst als Ultras definieren, einen großen und wichtigen Teil ihres Lebens dar.40

Abbildung 18: Fanzine Rapid

Abbildung 17: Fanzine Austria

3.6 Wichtige Themen der Fanszene Die Fankurve ist der Ort, an dem zentrale Handlungen der Fankultur zum Ausdruck gebracht werden. Hier werden die Anliegen in einer ritualisierten Art und Weise inszeniert, die in oft wochenlangen Vorbereitungen innerhalb der Fanclubs entwickelt werden. Das folgende Kapitel widmet sich diesen Anliegen der Fans, wie sie sich den Forschenden im Laufe der Untersuchung dargeboten haben. Werden sie zunächst auf einer allgemeineren Ebene beschrieben, so werden sie in einem weiteren Abschnitt bei der Beschreibung einzelner Aktivitäten von Fans im Laufe einer Fußballsaison 2006/07 konkretisiert. 3.6.1

„Fußballfans sind keine Verbrecher“ – Das Verhältnis der Fans zur Polizei

Ein für die Fußballfans wichtiges Thema, das sowohl im Rahmen der Interviews mit Fans als auch durch unsere eigenen Beobachtungen sichtbar wurde, stellt die Polizei durch ihre Präsenz im und rund um das Stadion dar. Durch Sprechchöre und Gesänge, Transparente und

40

Informationen aus dem Interview mit F. 36


Banner sowie durch Artikel in den Fanzines äußern die Fans ihre Meinung und beziehen Stellung zu diesem Thema. Das wiederholte Aussprechen von Stadionverboten, eine von den Fans als unangemessen erlebte Präsenz der Polizei im Stadion und ihr gewaltsames Einschreiten wird von den Fans als massive Einschränkung in der Ausübung ihrer Fanaktivitäten empfunden und als Provokation wahrgenommen41. Bei der Betrachtung und Analyse des vorhandenen Materials wird deutlich, dass die Fans sich entschieden dagegen wehren, ausschließlich unter dem Sicherheitsaspekt gesehen und als potentielle Gewalttäter abgestempelt zu werden. Der Slogan „Fußballfans sind keine Verbrecher“, der immer wieder lautstark von den Fans gesungen wird, stellt beispielsweise einen deutlichen Ausdruck ihres Protests dar. M., ein 17jähriger SK Rapid Wien Anhänger, erzählt von einer geplanten Choreographie, bei der auch pyrotechnisches Material hätte verwendet werden sollen und an der wochenlang gearbeitet wurde: „Und donn kummt a so a bleda Kibara und sogt, wir derfn des ned mochn. Wegn Brandgefahr oda wos. Des gonze Zeig liegt jetzt imma nu bei mir daham und i konns ned brauchn.“

Den Unmut, der durch diese Einschränkungen und die restriktiven polizeilichen Maßnahmen bei den Fans entsteht, bringen sie durch Choreographien (bspw. „A.C.A.B“42 – Choreographie vom Spiel SK Rapid Wien gegen SV Ried am 21.10.0643), „A.C.A.B“- Sprechchöre oder durch die Gestaltung diverser Fanutensilien (Pins mit dem Aufdruck „Scheiß Kibarei“) zum Ausdruck. Die eigens für Fußballspiele eingesetzten FanbetreuerInnen der Polizei44 werden von den Fans ebenfalls kritisch betrachtet. Gespräche mit Fans erweckten den Eindruck, dass die Rolle der FanbetreuerInnen für die Fans nicht deutlich genug zu erkennen ist. Es scheint zwar klar zu sein, dass FanbetreuerInnen eben auch PolizistInnen und somit Verstöße gegen strafrechtliche Normen anzuzeigen verpflichtet sind, aber wie SK Rapid Wien Fan dann beschreibt, „donn braucht er vorher ned auf leiwand doa.“ (Feldgespräch mit Fan des SK Rapid Wien)

F., ist Mitglied bei den Ultras Rapid und meinte in Bezug auf die FanbetreuerInnen der Polizei: „I find sie mochn a gonz a wichtige Funktion monchmoi, so wos Deeskalation betrifft, des is gonz kloa. Oba wenn’s sie si beim März- Derby am Horr- Plotz donn ned durchsetzn

41

vgl. hierzu auch Gabriel; Schreiber 2004

42

Abkürzung für All Cops Are Bastards

43

vgl. www.ultrasrapid.at [19.06.07]

44

vgl. Kapitel «Interventionsstrategien im Feld/Polizei und Sozialarbeit » 37


können, und durchgedrehte WEGA- Leute nicht davon abhalten (zu) können, auf Leit die eh scho am Bodn liegn weiter einzuschlogn mitn Schlogstock, jo, donn brauch i’s a ned.“

Die zu vernehmende klare Botschaft der Fußballfans in Bezug auf Polizei ist: „Gegen die Repressionen der Polizei, gegen die Kriminalisierung von Fußballfans!“

3.6.2

Die Kommerzialisierung des Fußballs

Die Kommerzialisierung des Fußballsports lässt sich in erster Linie durch nachstehende Punkte beschreiben:45 •

Fußball entwickelt sich zum bloßen Medienspektakel: TV- Sender entwickeln sich durch den Erwerb von Übertragungsrechten von Fußballspielen zu den wichtigsten Einnahmequellen der Vereine. Dementsprechend wird es zum Anliegen der Vereine, Spiele auch medienwirksam aufzubereiten und für das Fernsehpublikum zugänglich zu machen. Es entsteht der Eindruck, dass der Fußball zunehmend „fernsehgerechter“ gemacht werden soll und sich zunehmend an den Bedürfnissen des TV- Publikums orientiert.

Fanfeindliche Spielansetzungen: Eine Folge der oben beschriebenen Tendenz, dass TV- Sender zu den „wichtigsten Kunden“ der Vereine werden, ist die Tatsche, dass sich Spieltermine in verstärktem Maß nach den Wünschen des Fernsehpublikums richten (höhere Einschaltquote, Steigerung des Werts von Fernsehwerbeminuten etc.) und dabei die Interessen der aktiven Fans außer Acht gelassen werden. So werden zum Beispiel an Werktagen spät abends ausgetragene Bundesligaspiele von den Fans (vor allem von jenen, die ihre Mannschaft auswärts unterstützen wollen) als Zumutung erlebt.

Abschaffung der Stehplätze in den Stadien: Vermehrt werden vor allem von den internationalen Fußballverbänden wie UEFA und FIFA die Abschaffung von Stehplatztribünen gefordert (Europacupspiele und Spiele der Nationalmannschaften dürfen bereits nur mehr in Stadien mit ausschließlich Sitzplatztribünen durchgeführt werden; in England gilt für alle Spiele der Premier League bereits Sitzplatz- Pflicht). Diesen Forderungen liegen vor allem sicherheitstechnische Überlegungen zugrunde, die von den Fans allerdings äußerst kritisch betrachtet und als „Alibi- Argumente“ interpretiert werden. Fußballfans sehen in diesem eingeschlagenen Weg der Vereine

45

vgl. http://aktive-fans.de/01a9d793ed0d8ca08/01a9d793ed0d90011/index.html [14.06.07] 38


bzw. der FIFA und UEFA den Trend, „ihren“ Fußball zu einer „sauberen“ Sache werden zu lassen, der vor allem anständiges, gesittetes Publikums ins Stadion bringen und sich vom negativen Image des „rauen proletarischen Volksvergnügens“ loslösen soll. Traditionelle Fangruppen und ihre Art des Supports werden so aus den Stadien gedrängt. •

Entwicklungen auf dem Transfermarkt: Den international erfolgreichen Profispielern werden von finanzstarken Vereinen horrende Gehälter bezahlt. Allerdings haben nur große,

erfolgreiche

und

zahlungskräftige

Vereine

die

Möglichkeit,

diese

Spitzengehälter für Profis zu bezahlen und so den Erfolg des Clubs zu gewährleisten. Als Folge dieser Transferpolitik kann bspw. genannt werden, dass der Kampf um die Meisterschaft ausschließlich zwischen denjenigen Vereinen ausgetragen wird, die über genügend finanzielle Mittel verfügen, um sich „Stars“ in ihrem Team leisten zu können. Die so erworbenen Spieler verfügen oftmals einen für die Fans zu geringen Bezug zum Verein. Die häufigen Wechsel der Spieler und Trainer zwischen Vereinen sind die Folge dieser geringen Vereinsverbundenheit. Die Möglichkeit der Identifikation mit einzelnen Spielerpersönlichkeiten wird somit erschwert. Aktive Fans sehen durch diese Kommerzialisierung ihre eigene Art des Supports und die Attraktivität des Fußballsports gefährdet und setzen sich bewusst gegen diesen Trend der Modernisierung des Fußballs ein. Als ein Beispiel für den Kommerzialisierungstrend des Fußballs, durch den die Fans immer mehr ihre Beteiligung an den Entscheidung der Meisterschaften etc. einbüßen, kann die Vergabe der Lizenz vom Superfund Pasching an den FC Kärnten (durch die Änderung des Vereinssitzes in den Statuten) betrachtet werden. Von den Ultras Rapid wird die „Lizenzverschenkung“ per Spruchband beim Spiel gegen Superfund Pasching am 17. Mai 2007 im Hanappi- Stadion wie folgt kommentiert: „VEREINE WIE ORTSTAFELN VERSCHOBEN. DEN FUSSBALL UM SEINE WERTE BETROGEN!“46 Auch die Übernahme des Clubs Austria Salzburg durch Red Bull-Magnat Mateschitz, die mit einer Änderung der Vereinsfarben des Clubs einherging, wird von den Fans als Ausdruck der fortschreitenden Kommerzialisierung erlebt und dementsprechend negativ aufgenommen. Die Ultras Rapid sprechen sich in diesem Zusammenhang auf ihrer Homepage sehr deutlich gegen die Kommerzialisierung des Fußballs aus: „GEGEN DEN MODERNEN FUSSBALL!“47

46

vgl. www.ultrasrapid.at [19.06.07]

47

vgl. www.ultrasrapid.at [19.06.07] 39


3.6.3

Politik oder besser: „Politik hat am Platz nichts verloren“

Das Thema Politik gestaltet sich für die Fans, als dass es ihnen wichtig ist, die Kurve nicht zu einer Plattform für politische Inhalte werden zu lassen. Weder in unseren Beobachtungen, noch in den Gesprächen mit den Fans konnten wir Aktivitäten oder Äußerungen bemerken, die auf tages- oder weltpolitisches Geschehen Bezug nehmen bzw. „politisch gefärbt“ sind. Dazu der 42jährige SK Rapid Wien -Anhänger F.: „Wenn’s rund um den Match-Besuch zu politischen Diskussionen kummt, jo eh, warum ned (…). Oba es soi nie jetzt die Kurve oda die Ultras söbst jetzt bestimmen. Oiso i würd mi ned gern politisch vereinnohmen lossn. Weder links noch rechts.“

Im Gegensatz zur Ablehnung der Auseinandersetzung mit tages- bzw. weltpolitischem Geschehen im Fußballzusammenhang kann allerdings definitiv festgestellte werden, dass Fans insofern nicht als unpolitisch bezeichnet werden können, als sie ganz bewusst in Bezug auf Themen, die für sie als Fans relevant sind Stellung beziehen bzw. ihre Forderungen äußern. Es kann also durchaus von einer „Politik der Kurve“ gesprochen werden. Denn fanpolitische Entscheidungen werden thematisiert, kommentiert und in Folge werden Forderungen gestellt. Ein Beispiel findet sich diesbezüglich in einem Mitteilungsblatt der Ultras Rapid, in dem sie über die repressiven Maßnahmen der Polizei gegen Fans in Frankreich berichten.48 Abschließend kann festgehalten werden, dass für die Fans in erster Linie nicht parteipolitische, sondern die Farben ihres Vereins von Bedeutung sind: „Jeda von uns hot sicha a politische Einstellung und da mag es Rechte gebn, oba auch Linke. (…) In diesen neunzig Minuten Fußball is uns des oba egal, weil do gibt’s ka rot und ka braun, sondern gibt’s grün-weiß.“ (Interview Rapidfan)

3.6.4

Die Beziehung der Fans zu ihrem Verein

Die starke Verbundenheit der Fans zu ihrem jeweiligen Verein wurde auch im Rahmen unserer Fragebogenerhebung klar ersichtlich. Dass die aktiven Fans das Geschehen rund um den Verein bzw. im Verein sehr beschäftigt und sie in ihren Aktionen und in den Fanzines immer wieder darauf eingehen, verdeutlicht die Wichtigkeit des Clubs für die Fans. Über

48

vgl. Mitteilungsblatt der Ultras Rapid 06/06 [21.10.07] 40


Spruchbänder wird beispielsweise versucht, Wünsche an den Verein zu richten oder die eigene Meinung in Bezug auf vereinspolitische Entscheidungen kund zu tun. Die emotionale Bedeutung des Vereins für die Fans kommt auch in den Fanzines bzw. den Gesängen und Sprechhören zum Ausdruck. So wird der „Block West“ im Ultras- Fanzine „Go West!“ immer wieder als „Heimat“ bezeichnet. Sprechchöre wie „Wir haben Austria Wien tief im Herzen drin“ der Fans von FK Austria Wien oder „Rapid, das ist der Club für den ich lebe, grün- weiß die Farben für die ich alles gebe...“ der Fans des SK Rapid Wiens verdeutlichen die starke emotionale Bindung der Fans zu ihrem Verein. Trotz dieser starken Bindung wird das Verhältnis der Fans zum Verein als ein schwieriges gesehen. Dazu im Interview mit einem Rapidfan: „Oiso des Vahötnis is ans, des wirklich schwierig is, ned, wei anaseits unterstützt du den Verein und versuchst, dass der Erfoig hot, und dass olles gelingt, ondererseits wüßt du die nie in die Abhängigkeit begeben, beziehungsweise eben a Richtlinien übernehmen müssen und ähnliches.“ Die Ambivalenz,

den Verein mit aller Kraft zu unterstützen und gleichzeitig in der Ausübung, der eigenen Fanaktivitäten autonom bleiben zu wollen kommt hier deutlich zum Ausdruck. Vor allem für ultra - orientierte Fangruppen stellt die Unabhängigkeit gegenüber dem Verein einen wesentlichen Teil ihres Selbstverständnisses dar49 , wie bereits mehrmals darauf hingewiesen wurde. Der Kontakt der Fans zum Verein besteht beim SK Rapid Wien über Clubservice-Leiter Andy Marek und bei FK Austria Wien über den Fankoordinator des Clubs, Martin Schwarzlantner. Ihre Aufgabe besteht in erster Linie darin, zwischen den unterschiedlichen Interessen von Fans und Verein zu vermitteln und gegebenenfalls zu intervenieren bzw. Anlaufstelle für Fragen der Fans zu sein. Sowohl Herr Marek als auch Herr Schwarzlantner betonen in ihren Gesprächen mit uns die Bemühungen um einen guten Kontakt zu den Fans und die Wichtigkeit ihrer Funktion.

3.7 Die Saison 2006/ 07 Die Themen der Fans, ihre Anliegen und Bedürfnisse, wie sie oben beschreiben wurden, spiegeln sich wieder in ihren Aktivitäten. Um eine differenziertere Sicht der Fanaktivitäten und -aktionen in der Saison 2006/ 2007 zu ermöglichen, empfiehlt es sich, diese vor dem Hintergrund der in dieser Saison prägenden Rahmenbedingungen zu betrachten:

49

vgl. hierzu auch Thaler 2007: 62 41


EURO 2008: Die nächstes Jahr in Österreich und in der Schweiz auszutragende

Europameisterschaft rückt das Thema Fußball verstärkt ins Licht des öffentlichen Interesses. Vor allem unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit in den und rund um die Stadien wird über Fußballfans in Politik und Medien diskutiert und debattiert. Die Ausschreitungen in Italien (beim Spiel Catania gegen Palermo in Italien Anfang Februar dieses Jahres) bzw. beim Wiener Derby im Horr-Stadion im März 2007 intensivieren den Diskurs. So dachte Innenminister Günther Platter eine Präventivhaft für alle Hooligans an, und ließ dazu die Gesetze prüfen um hier eine eventuelle Möglichkeit zu schaffen.50 In Deutschland konnte diese bereits bei der Weltmeisterschaft 2006 durchgeführt werden. Allerdings musste festgestellt werden, dass eine Durchführung aufgrund der gesetzlichen Lage in Österreich nicht möglich ist. Aus diesem Grund wurde die Strategie dahingehend verändert, dass bekannte Randalierer bereits jetzt personifiziert werden. Des Weiteren wird eine Meldepflicht während der Spiele bei Polizei von den Betroffenen verlangt. Kommt jemand dieser Verpflichtung nicht nach, können Geldstrafen oder auch Haftstrafen verhängt werden.51 Merkwürdig erscheint in diesem Zusammenhang, dass in dieser „Datei“ viele Fans registriert werden die nicht unbedingt Randalierer sind. Aus Interviews mit Fans konnte entnommen werden, dass vor allem jene Fans, die aktiv in der Fanszene stehen, personifiziert werden, unabhängig von ihrer Gewaltbereitschaft. Eine Austriafan meinte dazu: „Ich finds ur unnötig, weil bei die ungefähr 1000 Leuten, müssen´s jetzt alle 1000 nehmen, und da kommt jeder momentan rein und da musst ja auch melden wenn irgendwas wo auf die Spiele gehen willst. Ur uninteressant.“(Zitat Austriafan männlich, 22a)

Aus einigen Gesprächen konnte festgestellt werden, dass den Fans die Freude und Lust an der EURO 2008 entsprechend genommen wurde. Ein weiterer Fan wollte zur sogenannten „Hooligansdatei“ noch folgendes sagen: „Na dann schreib aine, dass ned jeder Fußballfan, oiso der jetzt so ah Einstellung hod wia wir, automatisch a Hooligan is, weu von dem distanzieren wir uns eigentlich, weitläufig sog i jetzt amoi, zum mindestens im Stadion und so, und des wos wir mochen is hoid afoch unser Lebenseinstellung und ja, unsa Liebe, Hobby, je nachdem. Und hod a nix mit, das ma jetzt depat san oder was i ned, nix in da Birn´ hobn. Weu is gibt a Vursänger, die boid ... san. Aber des is a andere Gschicht“(Zitat Austriafan männlich, 23a). Tabellensituation: Zu Ende der Herbstsaison 2006 befinden sich die beiden Wiener Clubs

FK Austria Wien und SK Rapid Wien im unteren Drittel der Tabelle. Der drohende Abstieg

50

vgl. http://news.orf.at/?href=http%3A%2F%2Fnews.orf.at%2Fticker%2F252126.html [17.06.2007]

51

vgl. http://www.diepresse.com/home/sport/fussball/303717/index.do [17.06.2007] 42


aus der T- Mobile- Bundesliga in die zweite Leistungsstufe (Red-Zac-Liga) stellt für beide Clubs eine äußerst prekäre Situation dar. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass nicht nur die fehlende Toren zum Bangen um den Klassenerhalt beigetragen haben. Während der Saison kam es bei beiden Mannschaften zu einem Trainerwechsel: Ende August wurde der Rapidtrainer Georg Zellhofer gegen Peter Pacult getauscht. Auch FK Austria Wien wechselte ihren Meistertrainer Frenk Schinkels im Oktober gegen Georg Zellhofer ein. Die Fans litten auf beiden Seiten sichtbar und versuchten durch die diversesten Aktionen, Choreographien, Spruchbänder etc. die Mannschaften wach zu rütteln. Zu einem wirklichen Aufatmen kam es jedoch erst nachdem die Bundesliga und die FIFA dem GAK insgesamt 28 Punkte abzog52, und dieser damit de facto zum Fixabsteiger gemacht wurde. Erst danach konnte eine merkbare Leistungssteigerung beider Vereine registriert werden. Lizenzvergabe durch den ÖFB: Da die Vereine Sturm Graz und GAK in dieser Saison

Konkurs anmelden mussten, konnten sie die Vorgaben für eine Lizenz für die nächste Saison in der T-Mobile Bundesliga nicht erfüllen. Durch die „Runterwirtschaftung“ der beiden Vereine in den letzten Jahren konnte die für eine Lizenz erforderlichen finanziellen Mittel nicht vorgewiesen werden. Es ist anzunehmen, dass diese Situation aufgrund überhöhter Gehälter der Spieler und Transfers entstand. Das Ergebnis war allerdings in der gesamten Bundesliga spürbar. Dem Verein Sturm Graz gelang es letztendlich doch noch eine Lizenz zu erlangen und somit den Klassenerhalt sicherzustellen. Dem GAK gelang dies nicht mehr. Aber auch bei den beiden Wiener Großvereinen war eine Lizenzvergabe nicht sicher.53 Diese Gerüchte wurden zwar von den Vereinen mehrmals dementiert, aber die Schlagzeilen der Medien erzählten das Gegenteil. Gegen Ende der Saison konnte eine Lizenzierung für die Saison 07/08 für FK Austria Wien und SK Rapid Wien verkündet werden. Somit ist die Teilnahme an der T-Mobile Bundesliga in der nächsten Saison gesichert.

3.7.1

Was hat die Fans des FK AustriaWien in der Saison 2006/2007 bewegt?

3.7.1.1 ÖFB-Stiegl-Cup - Sieg 2006/2007 Am 1. Mai 2007 war es soweit. Die Mannschaft des FK Austria Wien konnte sich im Finale gegen SV Mattersburg durchsetzen und gewinnt damit den Stiegl-Cup. Damit rettete der 52 53

vgl. http://www.bundesliga.at/bewerbe/index.php?&sub1=1&sub2=1_2&sub3=1_2_1 [17.06.2007] Vgl.

http://www.bundesliga.at/news/index.php?&sub1=101&sub2=101_21793&sstring_a=Lizenz

[17.06.2007] 43


Verein eine total verkorkste Saison, in der er erstmals in der Vereinsgeschichte auf dem letzten Platz der T-Mobile Bundesliga hatte überwintern müssen, und qualifizierte sich für den UEFA-Cup. Für die Fans war dieses Spiel das Bedeutendste dieser Saison. Da in der Bundesliga kein Platz unter den ersten drei erreicht werden konnte, war dies die letzte Chance international zu spielen. Die Fans waren an diesem Tag fest entschlossen ihre Mannschaft zum Sieg zu führen, eine zusätzliche Motivation war der Austragungsort. Durch die baubedingte Sperre des Ernst Happel-Stadions wurde heuer in den Westen Wiens, ins Gerhard Hanappi-Stadion, ausgewichen. Also gerade im Stadion des Erzrivalen SK Rapid Wien sollte gespielt werden. Bereits Stunden vor dem Spiel trafen sich tausende Austriafans und marschierten singend, tanzend und mit Fahnen, Transparenten und Doppelhaltern bewaffnet die Hütteldorferstraße hinauf Richtung Stadion der „Grünen“. Pünktlich um 17:00 begann das Spiel vor 15.000 Zuschauern und die Austriafans gaben ihr Bestes. Trotz einem Führungstor der Mattersburger in der 23. Spielminute gaben die Fans nicht auf. Dieses Engagement wurde doppelt belohnt. David Lafata und Andreas Lasnik trafen in den Minuten 54 und 56 für die Violetten. Bereits jetzt waren die Austriafans vor Freude kaum mehr auf den Rängen zu halten, und sie supporteten weiter. Nach 90 Minuten war es gewiss. Der FK Austria Wien hat zum dritten Mal hintereinander, insgesamt zum 26. Mal den Stiegl-Cup gewonnen und schickt den SV Mattersburg mit 2:1 nach Hause. Jetzt gab es für die Fans kein Halten mehr. Rund 300 Austriafans stürmten aufs Spielfeld um gemeinsam mit ihrer Mannschaft den Triumph in der Pilgerstätte des SK Rapid Wiens zu feiern.

Exkurs ÖVB-Stiegl-Cup Der Cup ist im österreichischen Fußball ein Bewerb mit langer Tradition. Der Bewerb ging ursprünglich aus dem Niederösterreichischen Cup (1915–1918) hervor und wurde erstmals im Jahre 1919 ausgetragen. Erster Sieger wurde SK Rapid Wien, bis heute erfolgreichste Mannschaft ist FK Austria Wien mit 26 Cupsiegen. Der Sieger darf in der folgenden Saison im UEFA-Cup antreten. Der ÖFB-Cup wurde lange Zeit ohne eigene Bezeichnung ausgetragen, so bürgerte sich die Nennung nach dem Verband, dem ÖFB, ein. Seit den 1990er Jahren wird der Cup jedoch nach den jeweils aktuellen Hauptsponsor benannt, zurzeit Stiegl-Cup, einem Salzburger Bierunternehmen. Die Teilnahme ist verpflichtend, in der Saison 2006/07 galt diese Verpflichtung für die Mitglieder des Vereins Österreichische Fußball-Bundesliga (22) sowie die bestplatzierten Klubs aus den neun Landesverbänden. Die Anzahl der Verein pro Landesverband ist allerdings unterschiedlich: 2008 wird der Bewerb ausnahmsweise 44


nur mit Amateur-Teams ausgetragen, um mehr Spieltermine für die Meisterschaft frei zu haben. Der dadurch mögliche frühere Abschluss der Meisterschaft soll der österreichischen Fußballnationalmannschaft mehr Zeit zur Vorbereitung auf die Europameisterschaft geben.54 Der ÖFB-Cup ist auch Vorbild des ÖFB-Ladies Cup, der österreichische Cupbewerb der Frauenfußballvereine, bei dem 1973 zum ersten Mal ein Sieger ermittelt wurde.

3.7.1.2 Austria Fans unterstützen die Initiative FairPlay Die Initiative FairPlay. Viele Farben. Ein Spiel - Fußball gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wurde 1997 am Wiener Institut für Entwicklungsfragen und

Zusammenarbeit im Rahmen des EU Jahres gegen Rasissmus gestartet. Von Anfang an hat FairPlay mit

Fanclubs verschiedener österreichischer und internationaler Vereine

zusammengearbeitet. FairPlay hat Workshops, Symposien mit und für Fanclubs organisiert, Vorträge bei Fanclub-Treffen gehalten, Materialien verschickt und Artikel für Fanzins geschrieben. Auch bei Stadionaktionen wird neben Prominenten, dem Verein und Spielern auch mit den Fans kooperiert. Das Hauptziel ist es, die Fußball-Community für den gemeinsamen Kampf gegen Ausländerfeindlichkeit zu sensibilisieren. Dabei kommt den Vereinen, den Spielern und Fanclubs eine besondere Vorbildfunktion zu. Letztendlich waren 16 Fanclubs als Unterstützer der Aktion auf den FairPlay-Manschaftspostern präsent, auch die Fans der Wiener Austria. Bereits am 23. September 2000 zeigten die Fans des FK Austria Wien dem Rassismus im Wiener Horr-Stadion beim Spiel gegen Admira Wacker Mödling die „Rote Karte“. Beteiligt waren damals die Fanclubs AWAK, Invasione, Austria 80, Austria Fans Bad Vöslau und Absolut Violett. Insgesamt wurden bei schlechtem Wetter 3.000 FairPlay-Magazine und 3.000 Austria-Mannschaftsposter unter den 4.000 ZuschauerInnen verteilt. Zitat eines Fans damals: „Wer glaubt, im Stadion Parolen bis hin zu rassistischen Beschimpfungen eigener Spieler vertreten zu müssen, sollte damit rechnen, dass dies sowohl vom Verein als auch von der Exekutive nicht hingenommen wird. Fußball ist unabhängig von Hautfarbe, Herkunft oder Religion alle sind gleich ”

Ein großer Erfolg war auch die FARE Aktionswoche im Oktober 2006. Beim Spiel zwischen Red Bull Salzburg und FK Austria Wien am 25. Oktober 2006 beteiligten sich über 3000 Fans

54

vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Stiegl-Cup [12.06.07} 45


an einer „Zeig Rassismus die Rote Karte“ - Choreographie. Damit setzten die Fans ein starkes Zeichen gegen Rassismus und Diskriminierung im Fußball. In allen Stadien und während der TV-Liveberichterstattung wurde überdies erstmals der neue FairPlay-Spot gezeigt, der von Premiere gemeinsam mit der Bundesliga produziert wurde. In allen Fansektoren wurden 17.000 Fanzines zur FARE Aktionswoche verteilt.55 (Download unter www.fairplay.or.at).

3.7.1.3 Austria Fans starten Onlineplattform www.austriafans.at Einige Jahren lang gab es die Internetplattform westtribüne.at, welche ein Versuch war, den Fansektor zu vereinheitlichen und ihm eine gemeinsame Stimme und Interessensvertretung zu geben. Diese Seite wurde kürzlich allerdings geschlossen. Neben dieser Plattform haben sich bereits Wochen vor dem 96. Geburtstag des FK Austria Wiens einige kreative und engagierte Austria-Anhänger zusammen getan und unter www.austriafans.at die Idee einer OnlinePlattform für alle Veilchen in die Tat umgesetzt. Rechtzeitig zum Jahrestag wurde die Seite symbolhaft um 19:11 Uhr für alle Violetten zugänglich gemacht. Die Idee hinter der Internetplattform, die von Fans für Fans erstellt wurde, ist es, die Kommunikation und Information unter den Fans und Fanclubs aber auch zwischen den Fans und dem Verein FK Austria Wien zu fördern. Die Betreiber der Seite wollen ein "MehrService" für den Fan bieten. In der jetzigen Anfangsphase bietet das Projekt „www.austriafans.at“ ein Forum und wird Zug um Zug zu einem Online Fanmagazin weiter ausgebaut. Die Mitgliedschaft ist für jeden frei zugänglich und vollkommen kostenlos. 56 Eine Idee, welche von den Fans auf dieser Seite aufgegriffen wurde, ist zum Beispiel ein eigenes Liederbuch zu gestalten. In diesem Buch sollen alle Sprechchöre und Lieder welche für die Westtribüne relevant sind, für alle Fans zugänglich gemacht werden.

3.7.1.4 FANATICS-Informationsblatt – Positive Support Diese Aktion beweist, dass die Fans gewillt sind, einen positiven Support in den Vordergrund zu stellen und bereits sind auf negative Aktionen zu reagieren.

55

vgl.

http://www.kultureninbewegung.org/fairplay/fairplay/fairplay.htm?stadionaktionen.htm~content

[18.03.2007] 56

vgl. http://www.austriafans.at [12.06.07] 46


Originaltext aus dem Informationsblatt: 57 !AUSTRIANER - TREUE VEILCHEN - FANATISCHE WESTTRIBÜNE! 4. März 2007. Wir erinnern uns zurück! - Derby in Wien X. Während dem Spiel kam

es

zu

einigen

in

Frage

gestellten

Aktionen,

welche

sowohl

Vereinsverantwortlichen als auch uns ein Dorn im Auge waren und bis heute immer noch sind. Da seit dem 4. März nun das Thema „Fangnetz vor der Westtribüne“ sehr hoch im Kurs steht und immer wieder die Runde macht, fordern wir, FANATICS, nun lautstark auf:

UNTERLASST SOWOHL BEI HEIM- ALS AUCH BEI AUSWÄRTS SPIELEN DAS MITBRINGEN VON PYROTECHNISCHEN ARTIKELN UND WURFGEGENSTÄNDEN! UNTERLASST, TROTZ RIVALITÄT ZU ALLEN ANDEREN VEREINEN, DAS WERFEN VON GEGENSTÄNDEN (FEUERZEUGE, BECHER ETC.) UND WURFATTACKEN GEGEN SPIELER UND ORDNER!

DAS ZÜNDEN VON BÖLLERN UND LEUCHTSTIFTEN IST AUSNAHMSLOS VERBOTEN! BÖLLER UND ANDERE KNALLKÖRPER KÖNNEN ZUR FOLGE HABEN, DASS EIN ÖSTERREICHWEITES STADIONVERBOT (2 JAHRE!) AUSGESPROCHEN WIRD UND IST AUSSERDEM AUS GESUNDHEITLICHEN GRÜNDEN ALLES ANDERE ALS HARMLOS! ZUDEM SIND DIESE ARTIKEL FÜR UNS BURSCHEN IN DEN UNTERSTEN REIHEN ENORM GEFÄHRLICH, DA SIE VEREINZELT AUCH VON DEN OBEREN REIHEN ZU UNS RUNTER GEWORFEN WERDEN!

Veilchen nehmt Euch unsere Forderungen und Anregungen zu Herzen, denn sowohl der Verein als auch die Exekutive wird nicht länger mehr oder weniger tatenlos zusehen, wobei sie durch das moderne Videokamerasystem in unserem Horr-Stadion auch bestens unterstützt werden! Wir denken, dass es in unserem gemeinsamen

Interesse

ist,

sowohl

ein

Fangnetz,

Geldstrafen,

Regressforderungen, Verwaltungsstrafen (Verstoß gegen das Pyrotechnikgesetz) und weitere Haus- und Stadionverbote zu vermeiden!

57

vgl. http://www.austriafans.at/board/wbb/index.php?page=Thread&postID=1015&highlight=Aktion#post1015

[18.03.07] 47


Lasst und das Problem gemeinsam lösen!

3.7.2

Was hat die Fans des SK Rapid Wien in der Saison 2006/2007 bewegt?

3.7.2.1 Von der Gefahr zum ersten mal in der Geschichte Letzter zu werden! Am 19. Juli 2006 begann die Saison für SK Rapid Wien auswärts gegen den SV Mattersburg. Das erste Spiel der Bundesligasaison wurde sehr zum Bedauern der Fans verloren. Bis zur 7. Runde in der Bundesliga mussten vier Niederlagen und ein Unentschieden eingesteckt werden. Nach dem ersten Derby dieser Saison (0:0) belegte SK Rapid Wien den 4. Tabellenplatz. Nach drei weiteren unentschieden und einem mittlerweile 8. Tabellenplatz sahen sich die Ultras gezwungen, etwas gegen die schlechten Leistungen ihrer Mannschaft zu unternehmen. Sie wollten nach dem Motto, dass auch die Geduld der Fans nicht ewig währe und sie Rapid endlich wieder siegen sehen wollen, beim Spiel gegen SV Mattersburg ein Banner mit der Aufschrift „Heute zählt nur siegen“ präsentieren. Das Spiel wurde 4:1 gewonnen, aber aufgrund der bisher schlechten Leistungen wurde im Kollektiv darauf verzichtet, nach dem Sieg die Spieler mit einer Welle zu feiern. Die Ultras hielten den Block West dazu an, den Leistungen ihrer Mannschaft immer kritisch gegenüberzustehen und sich nicht von einem(!) Sieg beeindrucken zu lassen. Das nächste Spiel gegen Sturm Graz wurde wieder verloren. Dies veranlasste die Ultras sich mit allen anderen aktiven Gruppen des Block West zusammen zu schließen und ein Zeichen zu setzen. Es wurde beschlossen, beim nächsten Spiel gegen SV Ried die ersten 45 Minuten zu schweigen, nichts zu tun, so wie die Mannschaft auch! Mit Spruchbändern „Was ihr könnt können wir auch: 45 nix!“ und „Zeigt endlich Herz für Rapid Wien“ untermauerten sie ihr Anliegen.58 In der zweiten Halbzeit wurden der Situation angepasste Gesänge wie „Kämpfen und Siegen“ und „Zeigt endlich Herz für Rapid Wien“ angestimmt. Den restlichen Zuschauern bot sich in der ersten Halbzeit ein völlig ungewohntes Bild, da sie mit einem sitzenden und schweigenden Block West konfrontiert wurden. Alle 4 Tribünen beteiligten sich an diesem 45 Minuten Streik und das Hanappi Stadion war gespenstig ruhig.59 Beim nächsten Auswärtsspiel gegen Altach wurde beim Spielstand 3:1 alle Hoffnung auf einen Sieg begraben, der Support eingestellt und alle mitgebrachten Transparente abmontiert. Bei der Vorbereitung auf das Derby wurde von den Ultras wieder ein Streik angedacht, der jedoch in Absprache mit den anderen aktiven Fanclubs unter dem Motto der Mannschaft noch

58

vgl. Go West! Fanzine der UR – 15/06-05.11.2006, SCR – FK Magna

59

vgl. Go West! Fanzine der UR – 15/06-05.11.2006, SCR – FK Magna 48


eine letzte Chance zu geben einstimmig abgelehnt wurde. Diese Abweichung vom „Streikkurs“ der Ultras wurde als Vertrauensvorschuss an die Mannschaft deklariert, um zu verhindern dass SK Rapid Wien zum ersten mal in der Vereinsgeschichte den letzten Tabellenplatz belegen könnte. Zwei weitere Unentschieden veranlassten alle Fanclubs auf der West ein weiteres Zeichen zu setzten. Beim Spiel gegen Pasching wurde der West Sektor für 31 Minuten (entspricht der Zahl der bisher gewonnenen Meisterschaften und in Sekunden ungefähr dem Gründungsjahr 1899) gesperrt und mit einem Banner mit der Aufschrift „An alle Verantwortlichen, wir schauen nicht mehr zu wie ihr das zerstört was uns am meisten am Herzen liegt!“ Nach 31 Minuten füllte sich der Block West wieder und die Mannschaft wurde lautstark unterstützt. Das 1:1 war in den Augen der Ultras aber doch zu wenig und es wurde eine Krisensitzung in Hütteldorf abgehalten. Der Verein lud die Verantwortlichen aller Gruppen und Fanklubs ein, gemeinsam an einem Strang zu ziehen, um SK Rapid Wien vor dem Tabellenkeller zu bewahren. Dies ließ sich leider nicht vermeiden und auswärts in Salzburg gab es nicht verschiedene Fanclubs die ihren Verein unterstützen, sondern die Fans präsentieren sich als Einheit mit dem selben Ziel. Es wurde nur ein Banner mit der Aufschrift „SK Rapid Wien“ aufgehängt um Geschlossenheit für „die Sache“ zu demonstrieren.60 Auch bei den folgenden Spielen gab es nur ein Transparent für alle Gruppen, Klatschen, Gesänge und eine Schalparade; auf Doppelhalter und diverse andere Fahnen wurde verzichtet. Die letzten zwei Spiele des Jahres 2006 wurden gewonnen und SK Rapid Wien überwinterte auf dem 8. Tabellenplatz. Die Streikstrategie und der Zusammenhalt der Fans („Wir alle sind Rapid“61). Im Frühjahr begann eine Aufholjagd mit dem Ergebnis die Saison am 4. Tabellenplatz beenden zu können. Diese Aktion lässt deutlich erkennen, dass die Ultras ihrem Verein sehr kritisch gegenüber stehen und auch Stellung beziehen, wenn es für sie notwendig erscheint. Sie kommentieren das Vereinsgeschehen, zweifeln Vereinsentscheidungen an und demonstrieren so ihre Unabhängigkeit gegenüber dem Verein.

3.7.2.2 Freiheit für die Jungs! Beim 280. Wiener Derby in einem ausverkauften Horr-Stadion kam es zu Ausschreitungen nachdem SK Rapid Wien Tormann Helge Payer mit einer Leuchtrakete attackiert wurde. Die Grün-Weißen machten ihrem Ärger Luft, in Folge kam es zu Rangeleien, Bänke der Tribüne 60

vgl. Go West! Fanzine der UR – 17/06-02.12.2006, SCR – SK Sturm

61

vgl. Go West! Fanzine der UR – 17/06-02.12.2006, SCR – SK Sturm

49


wurden abmontiert und es kam zu einem einschreiten der Polizei. 12 Leute wurden festgenommen und es gab ein paar Verletzte. Diese Vorkommnisse veranlassten den Block West zu der Aktion „Freiheit für die Jungs“. Um Solidarität den Inhaftierten gegenüber zu beweisen wurde das Spiel gegen den GAK mit einer Choreographie eingeleitet, die ein Spruchband mit der Aussage „Proud to be Part of it“ zeigte. In der zweiten Halbzeit wurde ein Transparent am Zaun befestigt mit der Aufschrift „Freiheit für die Jungs“. Spruchbänder gegen WEGA und Polizei wurden präsentiert um zu einem aus ihrer Sicht völlig überzogenen Polizeieinsatz und einer daraus resultierenden Medienhetze Stellung zu nehmen62. Auch in den folgenden Spielen wurden riesige ACAB (All Cops Are Bastards) Fahnen geschwenkt und auf das „Freiheit für die Jungs“ Transparent wurde sowohl bei Auswärtsspielen als auch bei Heimspielen nicht verzichtet. Die Thematik ging auch am Merchandising der Ultras nicht spurlos vorüber. Es wurden T-Shirts mit dem Aufdruck „Freiheit für die Jungs“ gestaltet und der Reinerlös kam den Inhaftierten zu gute. Diese Aktion wurde bis zum Ende der Saison fortgeführt und in den Fanzines immer wieder darauf hingewiesen, dass trotz gegebener Erfolge von SK Rapid Wien nicht auf die Verhafteten vergessen werden darf.

Anhand dieser Solidaritätsbekundungen, die sich über einige Spiele hinzogen, lässt sich gut erkennen, dass die Ultras sich gegen vermehrt aufkommende, repressive Maßnahmen der Polizei wehren, in dem sie öffentlich dazu Stellung nehmen und diese thematisieren. Sie sprechen sich gegen eine Kriminalisierung von Fußballfans aus und kritisieren unverhältnismäßige Vorgehensweisen der Exekutive, die oft als Provokation verstanden werden.

3.7.2.3 1977-2007 – 30 Jahre Hanappi Stadion Zu gegebenem Anlass wurde eine Abstimmung bezüglich des größten Spiels in 30 Jahren Hanappi-Stadion initiiert. Über ein Rapidforum (www.rapidfans.at) konnte mittels Vorauswahl die von URBW (Ultras Rapid Block West) getroffen wurde, abgestimmt werden. Als größte Spiele der Geschichte wurden folgende auserkoren:63

1. SK Rapid –D.Dresden 5:0, 20.03.1985

62

vgl. Go West! Fanzine der UR – 03/07-31.03.2007,SCR – Red Bull Salzburg

63

vgl. Go West! Fanzine der UR – 08/07-17.05.2007, SCR – Pasching/Beilage 50


2. SK Rapid – Austria 3:1, 6.08.2005 3. SK Rapid – Partizan B. 5:1, 27.09.2001

Die Ergebnisse wurden in einem Fanzine als Beilage veröffentlicht und zusätzlich gab es eine genauere Beschreibung der größten Spiele. Beim letzten Derby der Saison 2006/2007 wurde zu Beginn der zweiten Halbzeit eine Choreographie zu Ehren des Jubiläums gestaltet. Es wurde ein Banner aufgezogen mit der Aufschrift „30 Jahre Hanappi-Stadion! 30 Jahre Titel und Triumphe“ und dahinter wurden mit kleineren Bannern die schönsten Momente „ihres geliebten Stadions“64 aufgezählt. Diese Aktion zeigt die tiefe Verbundenheit der Ultras dem „Heimstadion“ gegenüber. Auch als „unsere Arena“, „unser Mausoleum“ oder als „heiliger Rasen“ bezeichnet, stellt das Hanappi-Stadion so etwas wie eine „zweite Heimat“ für die Ultras dar, die gefeiert und verteidigt wird.

3.8 Das Wiener Derby Das Wiener Derby ist eine um 1950 entstandene Bezeichnung für das Aufeinandertreffen der beiden Fußballvereine SK Rapid Wien und FK Austria Wien. Bislang gab es insgesamt rund 400 Spiele zwischen den beiden Teams, davon waren 281 Pflichtspiele und hiervon wieder 249 Aufeinandertreffen in der Bundesliga. Nach dem in Schottland gespielten und auch immer noch stattfindenden Derby zwischen Celtic Glasgow und Glasgow Rangers ist das Wiener Derby das am zweithäufigsten gespielte Fußballderby Europas.

3.8.1

Historisches und Hintergründe

Die Rivalität zwischen SK Rapid Wien und FK Austria Wien bezieht sich gleichermaßen auf den

Kampf um eine

lokale

Vorherrschaft

wie

dem Aufeinandertreffen zweier

Klassenunterschiede. Der SK Rapid Wien wurde 1898 als erster Arbeiter-Fußballverein Österreichs gegründet, während es sich bei dem FK Austria Wien um einen bürgerlichen Verein handelt.

64

vgl. Go West! Fanzine der UR-08/07-17.05.2007,SCR - Pasching 51


Weiters stammten beide Vereine aus Hietzing – SK Rapid Wien spielt(e) in Hütteldorf (seit 1938 zu Penzing), der FK Austria Wien in Ober St. Veit, und hatten überdies jeweils ihre Wurzeln in Rudolfsheim. So hatte dieses, teils sehr hitzig geführte Duell der beiden Clubs zwar große lokale Bedeutung, jedoch hatten diese Begegnungen noch keinen großen Einfluss auf die Meisterschaft. Nach Kriegsende konnten sich die beiden Vereine, die längst nicht mehr im selben Bezirk spielten, zusehends als führende österreichische Vereine etablieren. So machten sie beispielsweise die 11. Meisterschaftssaisonen von 1978 bis 1988 nur unter sich aus. Dies führte dazu, dass sich im Wiener Derby oft auch die österreichische Meisterschaft entschied. Das daraus resultierende Zuschauerinteresse bezüglich dieser sportlichen Begegnung übersteigt damals wie heute andere Paarungen in der österreichischen Bundesliga und genießt einen ganz besonderen Stellenwert bei Fans und Vereinen. „...Ja, irgendwie stand immer die Frage im Raum,...das war so Bestandteil des Wieners, das war ähhmm violett oder grün. Das gehört einfach zu den Standardfragen, die einfach definiert sein mussten. Warum weiß ich nicht. Und das war eigentlich nie eine Frage...“ (Zitat Austriafan, weiblich 49a)

In den neunziger Jahren flaute das Interesse am Wiener Derby ab, da damals andere österreichische Mannschaften wie Austria Salzburg oder Sturm Graz die Bundesliga dominierten und auch internationale Erfahrungen bzw. Erfolge sammeln konnten. Die in den vergangenen Jahrzehnten teilweise abgeflauten ideellen Unterschiede und Rivalitäten wurden durch den Einstieg von Frank Stronach beim FK Austria Wien im Jahre 1999 wieder belebt und angeheizt. Dies ist darauf zurück zu führen, dass, abgesehen vom historischen Hintergrund, unterschiedliche Absichten und Überzeugungen über den Einfluss von Geld und Politik bezüglich Fußball und Vereinen vorherrschen und dies zu einer neuerlichen Verhärtung der Fronten führte. Aus diesen Gründen war und ist das Wiener Derby erneut Schauplatz von Ausschreitungen beider Fangruppen, worauf das Polizeiaufgebot zurückzuführen ist, dass das höchste der ganzen Liga ist. Um dieses Konfliktpotential und Auseinandersetzungen aufzeigen und untermauern zu können werden anschließend Beobachtungen von zwei Derbies der Saison 2006/07 angeführt.

52


3.8.2

23. Runde der T-Mobile Bundesliga 2006/07

Das 280. Derby in der Sommersaison wird am 4. März 2007 im Horr-Stadion ausgetragen. Den Anpfiff durch Schiedsrichter Stefan Meßner um 15:30 Uhr verfolgen insgesamt 10.534 ZuschauerInnen65. Spielerisch steht viel am Spiel, denn der Abstiegskampf der zwei Wiener Großvereine ist noch nicht geklärt. SK Rapid Wien befindet sich am 7. Platz in der Tabelle mit 26 Punkten und der FK Austria Wien gar nur am 10. Platz mit 22 Punkten66. Das Team des FK Austria Wien macht von Anfang an sehr viel Druck und kann bereits in der 6. Minute durch Markus Kiesenebner mit einem 1:0 in Führung gehen. Das Spiel geht zügig weiter und der FK Austria Wien hat doch einige Chancen. In der 14. Minute gelingt es David Lafata ein weiteres Tor für den FK Austria Wien zu verzeichnen. So kann die Führung auf ein 2:0 ausgebaut werden. Aus spielerischer Sicht bleibt die erste Hälfte sehr flüssig und der FK Austria Wien bedrängt den SK Rapid Wien. Nach der Pause setzen die Violetten auf Konterchancen und so gelingt SK Rapid Wien durch Josef Valachovic in der 82. Minute noch der Anschlusstreffer67. Die fußballerische Überlegenheit in diesem Spiel kann der FK Austria Wien diesmal mit einem 2:1 für sich verbuchen. Doch aufgrund der Vorkommnisse rund um das Spielfeld kann keine Feierlaune im Horr-Stadion aufkommen. An diesen Tag passierte im und um das Horr-Stadion vermutlich einiges nicht so wie es sein sollte. Erstens hatten die Fans des SK Rapid Wien einen Marsch angesetzt, um gemeinsam als Fanblock im Stadion des FK Austria Wien anzukommen. Zweitens wollten die Grün-Weißen Fans mit dem Marsch gegen die Verkommerzialisierung im Fußball eintreten. Ein Fanclub des FK Austria Wien namens „Bulldogs“ hatte für diesen Tag eine spezielle Choreographie angemeldet. Damit sollte das 15 jährige Bestehen des Fanclubs offiziell gefeiert werden. Dazu wurde am Beginn des Spieles bengalische Feuer am Spielfeld gezündet und ein Transparent über die ganze Westtribüne gespannt. Vielleicht waren diese beiden Aktionen, zusätzlich zur angespannten Tabellensituation, Provokation genug für die Fans beider Vereine. Der folgende Verlauf hatte wenig mit Fairness zu tun.

65

vgl.

www.bundesliga.at/bewerbe/index.php?&sub1=1&sub2=1_30&sub3=1_30_27&sub4=1_30_27_2&runde_displ ay=23&saison=20062007 [18.06.2007] 66

www.bundesliga.at/bewerbe/index.php?&sub1=1&sub2=1_2&sub3=1_2_1&sub4=&runde_display=22&saison =20062007 [18.06.2007] 67

vgl. www.fk-austria.at/magnoliaPublic/Austria-Home/News/Archiv-ab-12-02-2007/Austria-gewinnt-280--

Wiener-Derby-mit-2-1--2-0-.html [18.06.2007] 53


Des weiteren hatten sich die Bulldogs noch eine Einlage, die während des Spiels passieren sollte überlegt. Weil die Bulldogs ihr 15- jähriges Bestehen feierten, zündeten Anhänger dieses Fanclubs genau in der 15. Minute Rauchtöpfe. Zuvor wurde dies mittels Transparent angekündigt. Ein bengalisches Feuer, welches von einem Fan aus dem mittleren Fanblock geworfen wurde, traf den Tormann Helge Payer von SK Rapid Wien am Bein. Der Schiedsrichter musste aufgrund dessen und auch aufgrund der starken Rauchentwicklung das Spiel für einige Minuten unterbrechen. Inzwischen ereignete sich auf der Osttribüne ebenfalls ein befremdendes Schauspiel. Laut Andy Marek dürfte ein Betrunkener, der sich auf der Tribüne befand, einen Exekutivbeamten mit Bier beschüttet haben. Er selbst war zu weit weg, um noch deeskalierend in die Situation einzugreifen.68 Die Folge war, dass manche Rapidfans mit Bänken auf Beamte der Einsatzgruppe WEGA warfen. Diese versuchten die Situation mit dem Einsatz von Schlagstöcken zu klären. Diese Ausschreitung verlagerte sich nach dem Match vor das Stadion in Richtung Verteilerkreis und es kam erneut zu einer Eskalation. Von den drei D´s (Dialog, Deeskalation und Durchgreifen – genaueres siehe Kapitel Polizei) der Polizei war lediglich das letzte D sehr stark erkennbar.69 Das Fazit von diesem 280. Derby ist eine unglückliche Aneinanderkettung mehrerer Zufälle. Der gemeinsame Marsch der Rapidfans zum Horr-Stadion, das Jubiläum des Austriafanclubs Bulldogs, die schlechten Tabellenplätze beider Vereine, ein Bengale der als Wurfgerät umfunktioniert wurde, ein Betrunkener Rapidfan, der mit Bier um sich schüttet. Die Folgen sind mehrere Verhaftungen, einige Verletzte und vor allem eine Rufschädigung der Fans, der Vereine, des österreichischen Fußballs, aber auch der Wiener Polizei. Nach diesem Vorfall muss sich die Einsatzeinheit der WEGA enorme Vorwürfe gefallen lassen. Der österreichische Fußball leidet gerade unter der erhöhten internationalen Aufmerksamkeit bezüglich der EURO 2008. Über bleiben viele Frage, vor allem eine, ob diese Vorkommnisse nicht verhindert werden können. Für die Fans sind vor allem die ExekutivebeamtInnen schuld: „...Sie schaffen ka Deeskalation, sondern a Abwehrsituation. Das hast jo bei Rapid gsehn. Woar ur unnedig. Wann da ka anziger Kiewera aine geht, passiert afoch nix...“ (Zitat

Austriafan, männlich 23a)

68

vgl. http://www.skrapid.at/9605+M5e33ea273df.html [18.06.2007]

69

vgl. http://www.kominform.at/article.php?story=20070315170418806 [18.06.2007] 54


„...Aber beim Derby wird man eh wieder sehen, da wird’s beim Derby eh sehn wie viel Polizei es da gibt, (...) aber eine zeitlang ist nix passiert aber jetzt...“ (Zitat Austriafan, männlich 18a)

„...Ja, wir wollen einfach, dass die Polizisten nicht in unseren Sektor reinkommen und wir verteidigen uns einfach in unserem Sektor, und wir wollen das einfach nicht, und da kommts schon manchmal zu Ranglerein...“ (Zitat Austriafan, männlich 15a) „...Und wenn man dann am Verteilerkreis auf alles, und jeden einfach nur einhaut, egal was und wer was gmacht hat,...“ (Zitat Austriafan, männlich 18a) „... hot g’sogt, losst’s des, geht’s ned in Block eine, zaht’s de zwa Trottln ned außa, die bis unter die Huatkrempn fett woan, jo, und hoit im Herumtammel des Bier ausg’schitt hom und hoit von da Tribüne owi auf die Kibera ong’schitt hom, jo, ob’s obsichtlich oda unobsichtlich woa waß i jo ned amoi, oba, und die hom des hoit besänftign woin, jo, und der hot g’sogt: Nana, des regln wir, wie wir des woin. Und donn san’s hoit z’erst amoi zu fünft oda segst eine, hom die zwa außazaht und hinausgeprügelt, und ah, wie des hoit de Leit mitkriagt hom, dass do eing’haut wird auf Leit, donn hot’s a Gegenreaktion gebn, dass die Bulln attakiert wordn san, ned. Oba on und für sich stört mi Polizeipräsenz ned. I man, i brauchad’s übahaupt ned im Stadion, wei drinnen gibt’s eh kaum wirkliche mmm…Wickel...“ (Zitat Rapidfan, männlich 42a)

3.8.3

33. Runde der T-Mobile Bundesliga 2006/07

Das am 8.5.07 gespielte 281. Derby, fand ebenfalls im Rahmen der Feier zum 30. Geburtstag des Hannapi-Stadions statt. Aufgrund der Ereignisse beim letzten Derby im Horr-Stadion war ein außerordentliches großes Aufgebot an PolizeibeamtInnen festzustellen, um die Sicherheit der BesucherInnen und des Ablaufes des Spiels zu gewährleisten und Ausschreitungen zu vermeiden. Verglichen mit dem zuvor stattgefundenen Derby verlief dieses weitaus ruhiger und gesitteter, denn skandalträchtige Situationen blieben aus und es hatte den Anschein als wäre es ein Anliegen der Fans beider Mannschaften ihr Team zu unterstützen und „nach vorne zu treiben. Ein Schlagabtausch war außer in verbaler Form auf Transparenten und in Sprechchören nicht zu vernehmen. Vor 17.000 Zuschauern deutete die erste große Chance des SK Rapid Wien, nach nicht einmal 120 Sekunden schon an, in welche Richtung dieser Abend verlaufen würde. Und derselbe Spieler köpfte in der vierten Minuten einen Freistoß von Steffen Hofmann ins Tor des FK 55


Austria Wien. Danach war der SK Rapid Wien die überlegene Mannschaft, lediglich Andreas Lasnik konnte einmal gefährlich vor dem SK Rapid Wien-Tor auftauchen. Nach einer halben Stunde fiel dann auch das verdiente 2:0 für den SK Rapid Wien. Auch nach der Pause spielten die Gastgeber wie entfesselt, vergaben aber beste Torchancen. Das Spiel endete 3:0 für den SK Rapid Wien und war somit die 117te, auf Pflichtspiele bezogene Niederlage in einem Derby für den FK Austria Wien. „...Und des schene woa jo donn, dass ma a Wochn späta gegn sie gwunnen hom, ned nur des, sondan ah, dieser Wolkenbruch, der do woa in da erstn Hoibzeit, jo, der hot des wieda, wieda, ... reingewaschen...“ (Zitat Rapidfan, männlich 42a)

56


4 Fragebogenuntersuchung 4.1 Einleitung Die Fragebogenerhebung fand in der Herbstsaison 2006, von September bis Dezember, statt. In den Fansektoren (der Fankurve) des SK Rapid und des FK Austria wurden insgesamt 252 Fragebögen bei Heimspielen beider Vereine von Fans ausgefüllt. Die Mitglieder der Forschungsgruppe haben bei

insgesamt

18

Fußballbegegnungen

ihre Erhebungen

durchgeführt. Von den 252 Fragebögen konnten 202 ausgewertet werden. Neben der Linearauswertung wurden themenspezifische Fragenbereiche ausgewählt. Diese betrafen demographische

Merkmale

wie

Alter,

soziale

Herkunft,

Bildung,

Beruf

und

fankulturspezifische Themenfelder wie Besonderheiten der Fankultur (Fanclubs, Vereinsnähe, Kultur der Kurve), die Problematik der Gewaltlatenz und Fragen der politischen und weltanschaulichen Orientierungen. Die Ergebnisse der Fragebogenuntersuchung werden in der Folge beschrieben. In einem 1. Schritt werden die untersuchten Fans aus den jeweiligen Fankurven in fünf Altersgruppen geteilt. Bezogen auf diese Altersgruppen werden folgende Variable untersucht: Geschlecht, Schulbildung,

erster

Matchbesuch,

Erstbesuch

mit

Vater,

Vereinszugehörigkeit,

Fanclubmitgliedschaft. In einem weiteren Schritt werden die fünf Altersgruppen anhand der Ergebnisse dieser Variablen beschrieben. Anschließend werden altersgruppenübergreifende Erkenntnisse generiert und auf der Grundlage der Daten interpretiert. Als Hintergrundfolie dienen die Beobachtungen und Erkenntnisse aus der qualitativen Untersuchung, die zu einem tieferen Verständnis der vorliegenden Daten beitragen. Die Kultur des Fansektors wird u.a.anhand von Fragen zu Fanclubmitgliedschaft, Charakteristika eines richtigen Fans und Stimmungsfaktoren untersucht. Der Problematik von Gewalt im Fußballzusammenhang wird anhand eines eigenen Fragenkomplexes besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Abschließend beantwortet dieses Kapitel Fragen zu politischen Orientierungen und Werthaltungen von Fußballfans der beiden Wiener Großvereine.

57


4.2 Teilungskategorien Auf Grund des sehr breiten Altersspektrums der befragten Fans erwies es sich als notwendig, die Gesamtpopulation in bestimmte Alterskategorien zu teilen. Es ging darum, ein Altersspektrum der Fans in der Kurve zu zeichnen und mögliche unterschiedliche Werthaltungen und Orientierungsmuster von älteren und jüngeren Fans zu erhalten. Zu diesem Zweck wurden folgende Teilstichproben gebildet.

Gesamtpopulation Fans bis zu 16 Jahren

30,7%

Fans zwischen 17 und 20 Jahren

21,3%

Fans zwischen 21 und 25 Jahren

21,3%

Fans zwischen 26 und 30 Jahren

11,8%

Fans über 31 Jahre

14,9%

Alterspektrum der Fans

14,90%

30,70%

11,80%

21,30%

21,30%

58

bis 16 Jahre 17 - 20 Jahre 21 - 25 Jahre 26 - 30 Jahre über 31 Jahre


Geschlecht/Mädchenanteil Eine weitere Frage betrifft den Mädchenanteil in den Fankurven, der in der öffentlichen Wahrnehmung von Fußballfans häufig negiert wird. Wie auch in den nachfolgenden Kategorien wurde nach 5 Altersklassen differenziert.

Fans bis zu 16 Jahren

40,3%

Fans zwischen 17 und 20 Jahren

27,9%

Fans zwischen 21 und 25 Jahren

15,8%

Fans zwischen 26 und 30 Jahren

10,3%

Fans über 31 Jahre

16,7%

Anteil der Mädchen in den Altersgruppen

16,70% 40,30%

10,30%

15,80% 27,90%

59

bis 16 Jahre 17 - 20 Jahre 21 - 25 Jahre 26 - 30 Jahre über 31 Jahre


Schulbildung In dieser Kategorie wurden Pflichtschule und Berufsschule zusammengefasst, weiteres wurden berufsbildende höhere und mittlere Schulen und allgemeinbildende höhere Schulen als weiterführende Schulen kategorisiert.

Pflicht-/Berufsschule

weiterführende Schule

Fans bis zu 16 Jahren

45,2%

54,8%

Fans zwischen 17 und 20 Jahren

41,9%

58,1%

Fans zwischen 21 und 25 Jahren

34,2%

65,8%

Fans zwischen 26 und 30 Jahren

37,9%

62,1%

Fans über 31 Jahre

53,3%

46,7%

Prozent

Schulbildung der Fans 70,00% 60,00% 50,00% 40,00% 30,00% 20,00% 10,00% 0,00% bis 16 Jahre 17 - 20 Jahre 21 - 25 Jahre 26 - 30 Jahre

über 31 Jahre

Alter der Fans Pflichtschule/Berufsschule

60

Weiterführende Schule


Beruf des Vaters In der Kategorie Beruf des Vaters wurde nach Arbeiter, Facharbeiter, Angestellter, Selbständiger und Beamter differenziert. Hiermit soll Herkunft und sozialer Background der Fußballfans in der Kurve beleuchtet werden. Arbeiter

Facharbeiter

Fans bis zu 16 Jahren

21,0%

8,1%

Fans zwischen 17 und 20 Jahren

12,5%

10,0%

Fans zwischen 21 und 25 Jahren

16,2%

10,8%

Fans zwischen 26 und 30 Jahren

4,0%

8,0%

14,8%

29,6%

Fans über 31 Jahre

Angestellte

Selbständig

Beamte

Fans bis zu 16 Jahren

32,3%

19,4%

19,4%

Fans zwischen 17 und 20 Jahren

52,5%

22,5%

2,5%

Fans zwischen 21 und 25 Jahren

21,6%

32,4%

18,9%

Fans zwischen 26 und 30 Jahren

44,0%

16,0%

28,0%

Fans über 31 Jahre

18,5%

7,4%

29,6%

61


Alter des ersten Matchbesuches Mit der Frage nach dem Alter, das die Befragten bei ihrem ersten Matchbesuch hatten, soll der Zugang zum Fan-Sein hinterfragt werden. Hierbei wurde das Alter von zehn Jahren als Differenzierungskriterium herangezogen, es wird also abgefragt, ob man schon als Kind oder erst als Jugendlicher zum Fußball gekommen ist.

bis 10 Jahre

über 10 Jahre

Fans bis zu 16 Jahren

64,5%

35,5%

Fans zwischen 17 und 20 Jahren

65,1%

34,9%

Fans zwischen 21 und 25 Jahren

60,5%

39,5%

Fans zwischen 26 und 30 Jahren

72,4%

27,6%

Fans über 31 Jahre

73,3%

26,7%

Prozent

Erster Matchbesuch

80,00% 70,00% 60,00% 50,00% 40,00% 30,00% 20,00% 10,00% 0,00% bis 16 Jahre 17 - 20 Jahre 21 - 25 Jahre 26 - 30 Jahre Alter der Fans bis 10 Jahre

62

über 10 Jahre

über 31 Jahre


Erstbesuch mit Vater Hier wird der Frage nachgegangen, mit wem die Befragten zum erstenmal ein Stadions bzw. einen Fußballplatzes besucht haben. Hintergrund dieser Frage ist die Annahme einer traditionellen Vater-Sohn-Sozialisierung zum Fan, in welcher der Vater die zentrale Bezugsperson in Richtung Zugang zum Fußballplatz (und häufig auch zum Verein) darstellt. Alternativ wird der Fußballplatz das erstemal mit Freunden besucht.

Vater

Freunde

Fans bis zu 16 Jahren

51,1%

48,9%

Fans zwischen 17 und 20 Jahren

60,0%

40,0%

Fans zwischen 21 und 25 Jahren

57,6%

42,4%

Fans zwischen 26 und 30 Jahren

68,0%

32,0%

Fans über 31 Jahre

69,6%

30,4%

Erstbesuch eines Spieles

80,00% 70,00%

Prozent

60,00% 50,00% 40,00% 30,00% 20,00% 10,00% 0,00% bis 16 Jahre

17 - 20 Jahre

21 - 25 Jahre

26 - 30 Jahre

Alter der Fans mit Vater

63

mit Freunden

über 31 Jahre


Vereinszugehörigkeit Um mögliche Unterschiede zwischen den Fanszenen der beiden Wiener Großklubs feststellen zu können, wurde auch nach Vereinszugehörigkeit untersucht. Das hohe Ausmaß, sich einem der beiden Vereine zugehörig zu fühlen, ist dahingehend differenziert zu betrachten, dass die Befragungen in den Fankurven der jeweiligen Vereine durchgeführt wurden.

Fans des SK Rapid

47,8%

Fans des FK Austria

51,2%

3 Personen machten keine Angaben.

Vereinszugehörigkeit

47,80% 51,20%

64

Fans des SK Rapid Fans des FK Austria


Fanclubmitgliedschaft Im Zuge der Besch채ftigung mit der Thematik stellte sich heraus, dass organisierte Fanclubs ein wesentlicher Bestandteil der Fankurve und der dort vorherrschenden Kultur sind. Daher wurde nach

Ja

Nein

Fans bis zu 16 Jahren

41,0%

59,0%

Fans zwischen 17 und 20 Jahren

59,5%

40,5%

Fans zwischen 21 und 25 Jahren

47,4%

52,6%

Fans zwischen 26 und 30 Jahren

58,6%

41,4%

Fans 체ber 31 Jahre

60,0%

40,0%

Fanclubmitgliedschaft 70,00% 60,00% Alter der Fans

50,00% 40,00% 30,00% 20,00% 10,00% 0,00% bis 16 Jahre 17 - 20 Jahre 21 - 25 Jahre 26 - 30 Jahre 체ber 31 Jahre Prozent Fanclubmitglieschaft ja

65

Fanclubmitglieschaft nein


4.3 Beschreibung der Altersgruppen 4.3.1

Bis 16-Jährige - „Teenies“

Die Altersgruppe der bis 16-Jährigen stellt fast ein Drittel aller befragten Fans dar, wobei der Anteil der Mädchen mit 40,3% sehr hoch ist. Im Vergleich zu allen anderen Altersgruppen sind die Mädchen hier am stärksten vertreten. 79% der Teenies gehen noch zur Schule; über 50% davon besuchen eine weiterbildende Ausbildungsstätte. Die übrigen Befragten genießen eine Ausbildung in einer Pflicht- bzw. Berufsschule. Bezüglich dessen, wie die Befragten zu Fans geworden sind, kristallisierte sich heraus, dass bereits 65,0% in einem Alter von unter 10 Jahren ihr erstes Fußballspiel besucht haben. Der Erstbesuch erfolgte zu 51,0% mit dem Vater. Derzeit unterstützen 13% der Befragten ihre Mannschaft bei einem Meisterschaftsspiel mit einem Familienmitglied, wobei unklar bleibt, ob damit der Vater gemeint ist. 86% geben an, mit Freunden aufs Spiel zu gehen. Den Ergebnissen nach erscheint es wenig attraktiv, alleine ein Fußballspiel zu besuchen. Der Freundeskreis der Befragten besteht zu 90% aus Fußballfans; dies lässt die große Bedeutung einer der fußballorientierten peergroup erkennen. Das Ergebnis deckt sich mit den Aussagen, dass der Großteil der „Teenies“ „Fußballfan durch Freunde oder die Familie“ geworden ist. Gefragt nach der Mitgliedschaft in einem Fanclub, geben 41% aller Befragten in dieser Altersgruppe eine Mitgliedschaft an. Die Väter der „bis 16 - Jährigen“ arbeiten zu einem Drittel als Angestellte und jeweils zu einem Fünftel als Arbeiter, Selbstständige oder Beamte. Der Anteil der Facharbeiter mit 8% ist sehr gering. Es zeigt sich ein großes Potential an sehr jungen Fans (Burschen und Mädchen) bis 16 Jahre. Die Gruppe weist eine soziale Inhomogenität auf. Hier wird eine speziell abgestimmte Fanbetreuung sozialpädagogischer Natur angeraten. Eine solche Begleitung der Fans in ihrer weiteren Sozialisation zum Fan kann präventive Angebote machen, die vor allem alternative Formen von Konfliktlösung aufzeigen. Unsere Untersuchungen zeigen auf, dass der Polizei eine

große

Bedeutung

eingeräumt

wird.

Einerseits

als

sicherheitschaffende

und

kontrollierende Instanz vonseiten der Betreiber, als auch als Bezugsinstanz für die Fans. Es muss

aber

betont

werden,

dass

Polizeiarbeit

keinerlei

sozialpädagogische

und

sozialarbeiterische Befugnisse und Aufgaben übernimmt und übernehmen soll. Junge Fans 66


ausschließlich polizeilichen Konzepten zu überlassen, verschärft die ohnehin vorhandene Einengung auf eine

Sichtweise

und

Behandlung der

Fans

als ausschließliches

Sicherheitsrisiko.

4.3.2

17 bis 20-Jährige - „Jugendliche“

Ungefähr ein Fünftel der Fans sind im Alter zwischen 17 und 20 Jahren zu verorten, davon sind 28,0% weiblich. Mehr als die Hälfte, nämlich 58% der Befragten, besuchen weiterbildende Schulen. 45,0% sind SchülerInnen oder StudentInnen. Somit ergibt sich, dass mehr als die Hälfte der Personen dieser Altersklasse bereits berufstätig sind. Der Mädchenanteil sinkt auf 27,9%. Bezüglich des Erstbesuchs decken sich die Ergebnisse der Untersuchung mit den Angaben der bis 16 jährigen Personen. 65,1% besuchten das erste Spiel mit dem Vater in einem Alter unter 10 Jahren. Der überwiegende Teil dieser Jugendlichen, nämlich 75,0% stehen ihrem Verein bei einem Meisterschaftsspiel mit Freunden oder Familienmitgliedern zur Seite. Erstmals werden in dieser Altersgruppe auch der Partner bzw. die Partnerin als Begleitpersonen genannt. Der Freundeskreis besteht auch hier zu annähernd 100,0% aus Fußballfans; beim Zugang zum Feld ist allerdings der Sport mit über 50,0% federführend. Familie und Freunde werden jeweils nur zu 23,0% als Motiv warum Mann/Frau Fußballfan geworden ist angegeben. Was die Berufstätigkeit des Vaters betrifft, so überwiegt der Anteil der Angestellten mit 53,0%, gefolgt von den Selbstständigen mit 22,5%. Die restlichen Prozentwerte stellen Arbeiter, Facharbeiter und Beamte dar. Anmerkung: Sport lässt sich hier als zentralen Punkt festmachen, was den Zugang und die Motivation ein Fan zu werden betrifft. Wenn man weiteres in Erwägung zieht, dass der Anteil der Väter, die sich in einem Angestelltenverhältnis und in einer selbständigen Tätigkeit befinden zusammen über 75,0% beträgt, kann man von einer sozial eher aufsteigenden Gruppe sprechen.

67


4.3.3

21-25-Jährige „junge Erwachsene“

Ungefähr ein Fünftel aller Befragten gehören dieser Altersgruppe an. Der Anteil der Frauen dieser Gruppe sinkt weiter auf 15,8%. 65,8% aller Befragten besuchen oder besuchten eine weiterbildende Schule. Festzuhalten ist jedoch, dass bereits 70,0% einer Beschäftigung nachgehen. Die Erhebungen deuten darauf hin, dass die Familie mit zunehmendem Alter als Begleitfunktion an Bedeutung verliert, da nur mehr 3,0% angegeben haben mit einem Familienmitglied aufs Meisterschaftsspiel zu gehen. Der Großteil, nämlich 74,0 % dieser Altersgruppe, befindet sich mit Freunden im Fansektor. Alle Übrigen geben zu jeweils 5,0% an mit dem Partner oder alleine ein Fußballspiel zu besuchen. Auffallend erscheint, dass die Freunde in dieser Altersgruppe eine große Rolle spielen, da auch der Zugang zum Fantum zu 42,4% über diese erfolgt. Hinsichtlich des Eintritts in die Fanszene sind der Sport und die Familie weniger maßgebend, jedoch mit 35,0% und 23,4% nicht unbedeutend. Was die väterliche Erwerbstätigkeit anbelangt, so zeigt sich, dass die Selbstständigen mit 32,4% die häufigste Berufsgruppe darstellen, gefolgt von Angestellten mit 21,6% und Beamten mit 18,9%. Arbeiter und Facharbeiter sind nur zu einem geringen Anteil gegeben.

4.3.4

26-30-Jährige „Erwachsene“

Ungefähr jeder 7. der Befragten ist zwischen 26 und 31 Jahre alt, also rund 11,8%. In dieser Altersgruppe ist der Frauenanteil auf 10,3% weiter gesunken. Auch in der Gruppe der „Erwachsenen“ hat der Besuch einer weiterbildenden Schule mit über 62,1% eine große Bedeutung, wobei der Anteil der Berufstätigen auf 85,0% weiter angestiegen ist. 72,0% der Fans besuchten ihr erstes Spiel mit unter 10 Jahren. Bei 68,0% aller „Erwachsenen“ fungierte der Vater als Begleitperson beim ersten Feldkontakt bzw. dem ersten Fußballspiel. Der Zugang zum Feld wurde zu über 50,0% durch die Familie geschaffen. Der Sport war nur bei einem Drittel der Befragten für die Fußballbegeisterung ausschlaggebend. Auch die Freunde waren nur zu einem geringen Teil beteiligt, was den Einstieg in die Fanszene betrifft.

68


Die Fans in dem Alter von 26-30 gehen derzeit zu 76,0% mit Freunden gemeinsam auf Meisterschaftsspiele und wie die jüngeren Fußballanhänger nur zu einem geringen Prozentsatz mit der Familie oder dem Partner. Das Berufsbild der Väter zeigt folgendes Bild: 44,0% arbeiten als Angestellte, 28,0% als Beamte und 16,0% sind selbstständig. Arbeiter und Facharbeiter wurden kaum genannt.

4.3.5

Über 31 Jährige „Fußball - Oldies“

Jeder 7. aller Befragten ist in dieser Altersklasse zu verorten, wobei der Frauenanteil im Gegensatz zu der vorherigen Gruppe auf 16,7% wieder angestiegen ist. Die über 31 Jährigen Befragten gaben als einzige mit 53,0% an, eine Pflicht- bzw. Berufsschule besucht zu haben. Aus den Ergebnissen geht hervor, dass 100,0% derzeit berufstätig sind. Der Erstbesuch eines Spieles fand bei 73,0% der „Oldies“ unter 10 Jahren statt. Darüber hinaus stimmt auch die Anzahl der Personen, die erstmalig mit dem Vater auf ein Match gegangen sind, nämlich 69,6% mit den Ergebnissen aller anderen Altersgruppen überein. Maßgeblich für den Eintritt in die Fanszene war auch hier zu 50,0% die Familie, gefolgt von den Freunden und der Attraktivität des Sportes. Wie in allen anderen Gruppen bevorzugen auch diese Personen, sich die Meisterschaftsspiele live mit Freunden anzusehen. Sowohl die Familie als auch der Partner/ die Partnerin sind als Begleitpersonen weniger gefragt.. Erwähnenswert ist, dass beim Beruf des Vaters vorrangig der Facharbeiter und der Beamte zu je 30,0% angegeben wurden. Die Angestellten sind erstmalig an die dritte Stelle gerückt.

4.4 Altersgruppenübergreifende Interpretationen 4.4.1

Altersverlauf im Fansektor

Mehr als die Hälfte aller Fans in der Fankurve sind unter 20 Jahren, ein Drittel aller Fans sind zwischen 10 und 16 Jahren. Aus diesen Zahlen wird deutlich, dass die Fanszene eine sehr junge ist. Tendenziell zeigt das Ergebnis, dass Fans mit zunehmendem Alter im Sektor weniger häufig anzutreffen sind. Ein möglicher Grund könnte sein, dass ältere Fans den Komfort der Sitzplatztribünen vorziehen oder der jugendlichen Fankultur entwachsen sind. Dies lässt den möglichen Schluss zu, dass ältere AnhängerInnen vermehrt auf die Süd- oder Nordtribünen abwandern. Auch ist es oft schwer möglich, den kompletten Spielverlauf zu 69


verfolgen, da auf der Westtribüne immer wieder Fahnen und/oder Rauchbomben den Blick versperren.

4.4.2

Bemerkenswerter Anstieg des Frauenanteils

Betrachtet man die Gruppen insgesamt, so kann ein Frauenanteil von einem Viertel festgestellt werden, wobei eine Häufung bei den bis 16-Jährigen auffällt. Im Vergleich zu einer Studie aus den frühen 90er Jahren (Horak/Marschik 1997) ist das ist ein signifikanter Anstieg von rund 10,0%. Ob ein spezieller sozialer Hintergrund der Mädchen bzw. Frauen vorhanden ist, konnte nicht erhoben werden. Ebenso sind die realen Gründe der verstärkten Präsenz der weiblichen Fans im Sektor unklar. Jedoch kann man vermuten, dass sowohl die Männerdomäne „Fußball“ für Frauen zugänglicher wurde als auch, dass sich die Geschlechterrollen umstrukturiert haben. Laut Angaben der befragten Frauen, sind sie zu 33,3% Mitglieder in einem Fanclub. Hier bleibt zwar unklar, ob es sich hierbei um die Frauen-Fanclubs beim FK Austria handelt oder ob manche Fanclubs auch Mädchen aufnehmen. Jedenfalls handelt es sich um eine bemerkenswerte Entwicklung, dass Frauen und Mädchen sich offenbar vermehrt in der bislang männlich dominierten Fanszene engagieren und sich dies in aktiver Beteiligung an Fanclubs manifestiert. Dies eröffnet neue Ansatzpunkte nicht nur für den Verein, sondern auch für die Exekutive und die Sozialarbeit. Generell wirft diese Entwicklung eine Reihe von Fragen auf, die in der vorliegenden Studie nicht beantwortet werden konnten. Hier empfiehlt sich eine weitere Untersuchung mit dem Schwerpunkt „Frauen“.

4.4.3

Abwesenheit von Fans mit migrantischem Hintergrund

Besonders aufgefallen ist, dass im Fansektor in allen Altersgruppen fast zu 100,0% Personen mit deutscher Muttersprache anzutreffen sind. Unter den Befragten befanden sich lediglich vereinzelt

slowenisch-,

polnisch-

und

englischsprachige

Fußballinteressierte.

Die

Beobachtungen der ForscherInnen bestätigen dieses Bild, wobei man nicht feststellen konnte, ob es in anderen Sektoren des Stadions vermehrt Fans mit Migrationshintergrund gibt. Ob die Gründe dafür möglicherweise an einer feindlichen Einstellung der anderen Fans liegen oder ob Personen mit anderer Muttersprache eher auf Fußballplätzen der unteren Ligen anzutreffen sind, wurde nicht hinterfragt. Gerade vor dem Hintergrund österreichischer Nationalspieler 70


mit migrantischem Hintergrund (z.B. Ivica Vastic, Muhammet Akagündüz, Veli Kavlak, Yüksel Sariyar oder Cem Atan) sowie zahlreicher solcher Spieler in den Wiener Nachwuchsund Unterligen, muss das Fehlen dieser Personengruppe in der Fankurve näher hinterfragt werden. In der vorliegenden Studie konnte dieser Aspekt nicht mehr aufgegriffen werden, sodass sich eine weitere Untersuchung mit dem Schwerpunkt „Fans mit migrantischem Hintergrund“ anbieten würde.

4.4.4

Vater als zentrale Fan-Sozialisationsfigur

Vorliegendes Ergebnis zeigt, dass der Vater nach wie vor eine zentrale Rolle, was den Einstieg ins Fantum betrifft, darstellt. Der Erstbesuch lässt sich durchgehend hauptsächlich vor dem 10. Lebensjahr beobachten. Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass der Vater immer noch (vgl. 80er, 90er Studie) die erste zentrale Sozialisationsfigur in Bezug auf eine „Fußballfan-Karriere“ darstellt. Mit zunehmender Fan-Intensität der Kinder rückt die Vaterfigur bzw. die Familie in den Hintergrund und die Freunde gewinnen an mehr Bedeutung.

71


4.5 Die Kultur des Fansektors In diesem Abschnitt werden weitere Fragen zur Fanmitgliedschaft, zu den Charakteristika eines richtigen Fans, zur Stimmung im Stadion und zur Mediennutzung der Fans in der Kurve gestellt. Fanclubmitgliedschaft Hier wird nochmals ein Blick auf die Fanclubmitgliedschaft geworfen, diesmal mit dem Fokus auf die beiden Vereine SK Rapid und FK Austria bzw. auf die zeitliche Entwicklung seit den letzten Untersuchungen in den 80er und fr端hen 90ern.

SK Rapid

FK Austria

war Fanclubmitglied

13,8%

8,8%

ist Fanclubmitglied

39,4%

42,7%

war nie Fanclubmitglied

46,8%

48,5%

Gesamtpopulation 2007

1991

1988

war Fanclubmitglied

11,0%

10,0%

13,0%

ist Fanclubmitglied

40,5%

30,0%

14,0%

war nie Fanclubmitglied

48,5%

60,0%

73,0%

Fanclubmitgliedschaft/Verein 60,00% 40,00% 20,00% 0,00% Gesamtpopulation war in einem Fanclub

Rapid

bin in einem Fanclub

72

Austria war nie in einem Fanclub


Das wesentliche Strukturelement einer Fankultur sind die Fanclubs. Auf die Frage „Warst du bzw. bist du Mitglied in einem Fanclub?“ erhielten wir folgende Antworten: 51,5% der Befragten gaben an Mitglied in einem Fanclub gewesen zu sein oder einem solchen zum Zeitpunkt der Befragung anzugehören. Vergleicht man diese Ergebnisse mit Studien aus den Jahren 1991 und 1988 (Horak/Reiter/Stocker) ist ein deutlicher Anstieg erkennbar. 48,5% sind keine Mitglieder und gehörten nie einem Fanclub an. In vergangenen Studien betrug jener Anteil an Fans die nie einem Fanclub angehörten 60,0% (1991) und 73,0% (1988). Durch die Auswertung der Ergebnisse wird nach wie vor eine Männerdomäne ersichtlich, denn 84,0% aller Mitglieder in Fanclubs sind männlich. Jedoch geben immerhin 34,0% der befragten Frauen an Mitglied zu sein bzw. Mitglied gewesen zu sein. Daraus lässt sich schließen, dass Frauen zu einem nicht geringen Teil am Fangeschehen teilnehmen und sich die Rolle der Frau im Fansektor deutlich zu verändern beginnt. Fanclubmitglieder sind eher berufstätig, anders als jene Fans, die sich nicht in Fanclubs organisieren. Dies bestätigen auch Ergebnisse der Fragebogenerhebung, die darauf hinweisen, dass kaum Schüler in Fanclubs eingebunden sind. Dies kann damit zusammenhängen, dass es Jugendlichen unter 16 Jahren, aufgrund statutengemäßer Bestimmungen der einzelnen Fanclubs, nicht gestattet ist, diesen beizutreten.

73


Was einen richtigen Fan ausmacht Einigkeit besteht auch hinsichtlich der Frage was einen Fan ausmacht: Für einen „richtigen“ Fan scheint es wichtig zu sein, Fankleidung zu tragen, möglichst alle Heimspiele sowie möglichst viele Auswärtsspiele zu besuchen und vor allem alles zu tun, um die Mannschaft zum Sieg zu treiben. Was die gute Stimmung im Sektor betrifft, so müssen laut Fußballfans folgende Aspekte unbedingt gegeben sein (Zustimmung in Prozentzahlen):

viele Fans im Sektor

96,0%

ein volles Stadion

91,0%

Fahnen und Transparente, um die Mannschaft anzuspornen 87,5% ein spannendes Spiel

86,6%

viele Tore, möglichst für die eigene Mannschaft

76,1%

das Spiel gemeinsam ausklingen lassen

64,1%

gegnerische Fans und Zuschauer verhöhnen

56,3%

genug zum Trinken

43,8%

gegnerische Mannschaft muss attraktiv sein

40,5%

Raketen abschießen

35,8%

Polizei provozieren

31,5%

Stänkereien untereinander

7,5%

Hier zeigt sich, das die Fankultur beider Wiener Vereine eine lebendige und vielfältig geprägte Inszenierung darstellt. Diese sind mit Transparenten, Gesängen, etc. sehr kreativ gestaltet. Im Vergleich dazu stellen aggressive Handlungen eine eher untergeordnete Rolle da.

74


Was eine gute Stimmung im Fansektor ausmacht Stänkerein untereinander Polizei provozieren Raketen abschießen gegnerische Mannschaft muss attraktiv sein genug zum Trinken gegnerische Fans und Zuschauer verhöhnen das Spiel gemeinsam ausklingen lassen viele Tore, möglichst für die eigene Mannschaft ein spannendes Spiel Fahnen und Transparente, um die Mannschaft anzuspornen ein volles Stadion viele Fans im Sektor 0,00 20,00 40,00 60,00 80,00 100,0 120,0 % % % % % 0% 0%

75


Informationsbeschaffung allgemein Um zu erfahren, wie die Fans sich bezüglich des Fußballgeschehens am laufenden wurden folgende Möglichkeiten abgefragt, Mehrfachnennungen waren möglich.

Fanzines

31,2%

Homepages von Fanclubs und Mannschaften 77,7% Chatrooms

11,4%

Liveticker

19,8%

Fernsehen und Sportzeitungen

74,3%

Sonstige

10,4%

Informationsbeschaffung

Prozent

100,0% 50,0% 0,0% 1 Medien Fanzins Homepages von Fanclubs und Mannschaften Chatrooms Liveticker Fernsehen und Sportzeitungen Sonstige

76


Hauptsächliche Informationsbeschaffung nach Alter Dieser Punkt gibt Antwort auf die hauptsächliche Informationsquelle der Fans.

Homepage

TV/Zeitung

Fans bis zu 16 Jahren

77,4,%

66,1%

Fans zwischen 17 und 20 Jahren

81,4%

67,4%

Fans zwischen 21 und 25 Jahren

84,2%

78,9%

Fans zwischen 26 und 30 Jahren

82,8%

82,8%

Fans über 31 Jahre

63,3%

90,0%

Prozent

hauptsächliche Informationsbeschaffung/Alter 100,0% 90,0% 80,0% 70,0% 60,0% 50,0% 40,0% 30,0% 20,0% 10,0% 0,0% Homepage

TV/Zeitung Medien

Fans bis zu 16 Jahren Fans zwischen 21 und 25 Jahren Fans über 31 Jahre

Fans zwischen 17 und 20 Jahren Fans zwischen 26 und 30 Jahren

Es ist deutlich zu erkennen, dass die Fans sich hauptsächlich über Homepages von Fanclubs und Mannschaften (77,7%) sowie über Fernsehen und Sportzeitungen (74,3%) informieren. Altersspezifisch fällt auf, dass über 80% der Fans im Alter von 17 bis 30 Jahren das Internet, hier speziell Homepages, nutzen. Bei der Nutzung von Fernsehen und Sportzeitungen ist ein Anstieg mit zunehmendem Alter zu erkennen. Am häufigsten beziehen die über 31 jährigen Fans (90%) ihr Wissen über Fußball aus diesen Medien. 77


4.6 Gewaltlatenz im Fußballzusammenhang Die vordergründig hohe Gewalterfahrung wurde anhand vertiefender Fragen näher untersucht. Wie die nachfolgenden Ergebnisse zeigen, konnte auf diese Art und Weise eine differenzierte Sichtweise auf die Problematik Gewaltlatenz im Fußballzusammenhang geworfen werden.

Schlägereien Warst du im Zusammenhang mit einem Fußballspiel schon einmal in eine Schlägerei verwickelt? Ja Allgemein

47,5%

Fans bis zu 16 Jahren

45,0 %

Fans zwischen 17 und 20 Jahren

59,5%

Fans zwischen 21 und 25 Jahren

42,1%

Fans zwischen 26 und 30 Jahren

48,3%

Fans über 31 Jahre

43,3%

Prozent

Verwicklung in eine Schlägerei im Fußballkontext 70,0% 60,0% 50,0% 40,0% 30,0% 20,0% 10,0% 0,0% Ja Zustimmung Allgemein Fans zwischen 17 und 20 Jahren Fans zwischen 26 und 30 Jahren

Fans bis zu 16 Jahren Fans zwischen 21 und 25 Jahren Fans über 31 Jahre

78


Gesetzesübertretung Die Frage nach einem persönlichen Gesetzeskonflikt im Zusammenhang mit einem Fußballspiel wird von 78,0% aller Fans mit „nein“ beantwortet, das beinhaltet weder eine Verwarnung, eine Anzeige, eine Geldstrafe noch eine Haftstrafe. Auch außerhalb des Fußballzusammenhanges wird diese Frage von 76,0% der Fans verneint.

Verhalten im Falle einer Schlägerei Was würdest du tun, wenn es zwischen deinen Freunden bzw. Freundinnen unter den Fans und den Anhängern bzw. Anhängerinnen einer anderen Mannschaft zu einer Schlägerei kommt? Raushalten

mit

Worten Hilfe holen

schlichten Allgemein

23,8%

31,2%

11,9%

Fans bis zu 16 Jahren

22,6 %

32,3%

9,7%

Fans zwischen 17 und 20 Jahren

14,0%

7,0%

23,3%

Fans zwischen 21 und 25 Jahren

28,9%

31,6%

13,2%

Fans zwischen 26 und 30 Jahren

20,7%

24,1%

6,9%

Fans über 31 Jahre

36,7%

46,7%

26,7%

Verhalten im Falle einer Schlägerei im Fußballkontext

Prozent

50,00% 40,00% 30,00% 20,00% 10,00% 0,00% Raushalten

mit Worten schlichten

Hilfe holen

Verhalten Allgemein Fans zwischen 17 und 20 Jahren Fans zwischen 26 und 30 Jahren

79

Fans bis zu 16 Jahren Fans zwischen 21 und 25 Jahren Fans über 31 Jahre


Persönliche Beteiligung an Schlägereien Hier wird die Frage gestellt, ob die Fußballfans bei Schlägereien auf jeden Fall eingreifen und mitmischen würden oder nicht. Allgemein

35,1%

Fans bis zu 16 Jahren

33,9 %

Fans zwischen 17 und 20 Jahren

53,5%

Fans zwischen 21 und 25 Jahren

34,2%

Fans zwischen 26 und 30 Jahren

34,5%

Fans über 31 Jahre

16,7%

rozent

Auf jeden Fall mitmischen 60,00% 50,00% 40,00% 30,00% 20,00% 10,00% 0,00% Ja Zustimmung Allgemein Fans zwischen 17 und 20 Jahren Fans zwischen 26 und 30 Jahren

Fans bis zu 16 Jahren Fans zwischen 21 und 25 Jahren Fans über 31 Jahre

80


Hilfestellung für Freunde Hier wird nachgefragt, ob Fußballfans helfend eingreifen würden, wenn Freunde in einem Konflikt unterlegen wären.

Allgemein

43,6%

Fans bis zu 16 Jahren

45,2 %

Fans zwischen 17 und 20 Jahren

46,5%

Fans zwischen 21 und 25 Jahren

52,6%

Fans zwischen 26 und 30 Jahren

44,8%

Fans über 31 Jahre

26,7%

Prozent

Freunde 60,00% 50,00% 40,00% 30,00% 20,00% 10,00% 0,00% Ja Zustimmung Allgemein Fans zwischen 17 und 20 Jahren Fans zwischen 26 und 30 Jahren

Fans bis zu 16 Jahren Fans zwischen 21 und 25 Jahren Fans über 31 Jahre

81


Zusammenhang mit Alkoholeinfluss Dieser Punkt geht der Frage nach, ob eine Beteiligung an Konflikten mit dem Einfluss von Alkohol in Zusammenhang steht.

Ja Allgemein

12,9%

Fans bis zu 16 Jahren

9,7 %

Fans zwischen 17 und 20 Jahren

20,9%

Fans zwischen 21 und 25 Jahren

7,9%

Fans zwischen 26 und 30 Jahren

17,2%

Fans 端ber 31 Jahre

10,0%

Prozent

Kommt auf Alkoholspiegel an 30,00% 20,00% 10,00% 0,00% Ja Zustimmung Allgemein Fans zwischen 17 und 20 Jahren Fans zwischen 26 und 30 Jahren

Fans bis zu 16 Jahren Fans zwischen 21 und 25 Jahren Fans 端ber 31 Jahre

82


4.6.1

Verhalten bei Konflikten im Fußballzusammenhang

Wenn es um Freunde geht, zeigen sich die 21-25 jährigen bereit mitzumischen, hingegen zeigen sich die 17-20 jährigen auf jeden Fall bereit, sich an einer Auseinandersetzung zu beteiligen. Käme es nun tatsächlich zu einer Schlägerei zwischen Freunden der befragten Personen und gegnerischen Anhängern, würden sich 35% aller befragten Fußballinteressierten auf jeden Fall einmischen, wobei, wie bereits erwähnt, besonders die Gruppe der 17 bis 20 jährigen Fans (53,5%) eine erhöhte Bereitschaft zeigt, einzugreifen. Allerdings muss der Begriff der „erhöhten Bereitschaft“ und des „Mitmischens“ vor dem Hintergrund der Fankultur betrachtet werden. Hier zeigt sich, dass die Bereitschaft gewaltförmige Handlungen zu setzen mit der Deutung von „Freunden helfen“ bzw. „Fußballkameradschaft“ begründet wird. Es geht nicht um die Gewaltausübung per se, sondern darum, Freunden beizustehen. Es wurde von Fans unisono angegeben, dass sie sich bei Schlägereien, bei denen Freunde beteiligt sind, nicht raushalten würden. Aus den Daten lässt sich, was die Solidarisierung betrifft, kein Unterschied zwischen Fanclubmitgliedern und anderen Fans aus der Kurve erkennen. Das zeigt, dass nicht ausschließlich die Mitgliedschaft in einem Fanclub ausschlaggebend ist, sich Freunden gegenüber solidarisch zu verhalten, sondern dass es sich um einen kulturell verankerten Wert innerhalb der Fanszene handelt. Eindeutig lässt sich erkennen, dass Gewaltlatenz und erhöhte Aggression mit zunehmendem Alter der befragten Fans tendenziell abnehmen. Besonders die Altersgruppe der 17-20 Jährigen zeigt höhere Bereitschaft zu Gewalt als alle anderen Altersgruppen, allerdings macht diese Gruppe nur ein Fünftel der Besucher der Kurve aus. Dies könnte damit zusammen hängen, dass sich diese Altersgruppe einen Rang in der Hierarchie der Kurve erkämpfen will/muss, stärker ein jugendliches Imponiergehabe wirksam wird oder eine besonders starke Identifizierung mit dem Verein (in einer Phase der Ablösung von der Herkunftsfamilie) vorherrscht. Am wenigsten häufig eingreifen und sich bei einer Schlägerei zwischen Freunden und gegnerischen Anhängern aktiv beteiligen, würden sich Personen über 31 Jahren. Knapp 50,0% der Befragten, die sich in dieser Altersgruppe befinden, geben an, die oben beschriebenen Streitigkeiten mit Worten schlichten zu wollen. Weiteres meint eine überwiegende Mehrheit der Befragten, bei besagten Schlägereien von der Kontaktaufnahme zu Polizei und Ordner absehen zu wollen, wobei die über 30 jährigen Fans diesbezüglich noch am ehesten eine Ausnahme darstellen. 11,9% der untersuchten Fans würden OrdnerInnen oder Polizei im Konfliktfall zu Hilfe zu holen. Für insgesamt 14,9% käme es in Frage auch andere Fans in den Konflikt mit einzubeziehen. Hier zeigt sich die

83


Tendenz, dass Fans eher Hilfe untereinander suchen, als die dafür offiziell betrauten Instanzen um Hilfe zu bemühen. Prinzipiell ergab die Auswertung des Fragebogens, dass der Gewalt am Fußballplatz, und hier speziell in den Fankurven, von anderen Teilen der Gesellschaft eine überproportional hohe Bedeutung zugeschrieben wird, die den Match-Alltag des überwiegenden Teils der Fans nicht widerspiegelt. Zudem muss in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext festgestellt werden, dass die absoluten Zahlen der untersuchten Fangruppen in Wien im niedrigen vierstelligen Bereich liegen und fallweise auftretende Probleme auch in dieser Relation zu bewerten sind. Betrachtet man isoliert die Gruppe der potenziellen „Troublemaker“, so ist klar festzuhalten, dass es sich hierbei nicht um einen unkontrollierbaren und unüberschaubaren Mob handelt, sondern um Einzelpersonen, deren Aktionsradius mit herkömmlichen Methoden wie StadionVerboten, Anzeigen und Gerichtsverfahren ausreichend eingeschränkt werden kann. Das allgemeine Vorurteil weiter Kreise der Bevölkerung und mancher Medien, Fußballfans hätten per se ein erhöhtes Aggressionspotential, wird durch die vorliegende Studie jedenfalls nicht bestätigt.

4.6.2

Zusammenhang zwischen Gewalt und Alkohol

Die Menge des konsumierten Alkohols spielt im Zusammenhang mit Gewaltbereitschaft laut Aussagen der Fans lediglich eine geringe Rolle (12,9%). Für eine gute Stimmung im Sektor, gehört Alkohol allerdings für 43,8% der Fußballbegeisterten dazu. Auch wenn die subjektive Sicht der Befragten die Bedeutung des Alkohols weitestgehend negiert, sprechen sowohl die Aussagen von Polizei und Streetwork, aber auch die Beobachtungen der Forschungsgruppe eine andere Sprache. Hier wird sehr wohl ein Zusammenhang zwischen Gewalt und Alkohol hergestellt bzw. war ein solcher zu beobachten. Nicht zuletzt reagierten auch die Vereine und die Bundesliga schon seit Jahren mit Alkoholverboten oder dem Ausschenken von Leichtbier auf diese Problematik.

84


Kontakt zu Berufsgruppen am Fußballplatz Im Fansektor befinden sich neben den Fans auch Vertreter der Vereine, der Polizei und der Sozialarbeit. Hier wird der Frage nachgegangen, inwieweit Fans Kontakt mit diesen Berufsgruppen haben.

Fanbetreuung

Sozialarbeit

Allgemein

27,7%

5,0 %

Fans bis zu 16 Jahren

24,2 %

1,6%

Fans zwischen 17 und 20 Jahren

34,9%

4,7%

Fans zwischen 21 und 25 Jahren

21,1%

7,9%

Fans zwischen 26 und 30 Jahren

31,0 %

6,9%

Fans über 31 Jahre

33,3%

6,7%

Polizei

Keine

Allgemein

25,2%

58,9%

Fans bis zu 16 Jahren

29,0%

56,5%

Fans zwischen 17 und 20 Jahren

32,6%

48,8%

Fans zwischen 21 und 25 Jahren

21,1%

68,4%

Fans zwischen 26 und 30 Jahren

27,6%

62,1%

Fans über 31 Jahre

13,3%

63,3%

85


Kontakt zu Berufsgruppen am Fußballplatz 80,0% Prozent

60,0% 40,0% 20,0% 0,0% Fanbetreuung

Sozialarbeit

Polizei

Keine

Berufsgruppen Allgemein Fans zwischen 17 und 20 Jahren Fans zwischen 26 und 30 Jahren

Fans bis zu 16 Jahren Fans zwischen 21 und 25 Jahren Fans über 31 Jahre

Über ein Viertel der Befragten gibt an, Kontakt mit FanbetreuerInnen (27,7%) (sowohl von Polizei als auch vom Club) und PolizistInnen (25,2%) gehabt zu haben. Es konnte nicht erhoben werden, ob diese Erfahrungen positiv oder negativ eingeschätzt werden. Mit StreetworkerInnen/SozialarbeiterInnen kamen 5,0 % aller befragten Fans in Berührung und auch hier lässt sich nicht erkennen, ob diese Kontakte als positiv oder negativ empfunden werden. 48,9% gaben an noch nie Kontakt zu einen der oben angeführten Berufsgruppen gehabt zu haben.

86


4.6.3

Politische Orientierung

Hier wird gefragt, welche politischen Gruppierungen unter den Fans im Vordergrund stehen und welche Ideologien damit verbunden werden. Weiteres soll die möglicherweise unterschiedliche Bewertung der österreichischen Parteien mit den Studien aus den Jahren 1988 und 1991 verglichen und ein aktuelles Abbild der Verteilung dieser erstellt werden.

Parteipräferenz ÖVP

9,9%

SPÖ

16,8%

FPÖ

40,1%

Grünen

3,5%

BZÖ

1,5%

KPÖ

3,0%

LIF

1,0%

Keine

9,4%

Sonstige

0,5%

Keine Angabe

14,4%

Österreichische Parteien

87

be ng a

e eA

sti g ke in

So n

ke

F

in e

45,00% 40,00% 35,00% 30,00% 25,00% 20,00% 15,00% 10,00% 5,00% 0,00% LI

Prozent

Parteipräferenz der Fans


Als am stärksten vertretene Partei zeigt sich die FPÖ mit 40,1%, gefolgt von der SPÖ mit 16,8% und der ÖVP mit 9,9%. Alle anderen politischen Parteien wurden nur zu einem geringen Teil genannt (Grüne 3,5%, BZÖ 1,5%, KPÖ 3,0%, LIF 1,0%). Explizit gaben 9,4% der Befragten an, keine Parteipräferenz zu haben, 14,4% machten zu dieser Frage keine Angaben. Aufgrund der statistischen Auswertbarkeit wurden die Grünen, LIF und die KPÖ bzw. die FPÖ und das BZÖ zu jeweils einer Kategorie zusammengefasst. Im Vergleich zu den bisherigen Studien der Jahre 1988 und 1991 (Horak/Reiter/Stocker) stellte sich heraus, dass die FPÖ einen deutlichen Aufstieg erlebte, wohingegen die Parteien der Grünen, LIF und KPÖ sich leicht rückfällig zeigten. Die SPÖ blieb in ihrem Ergebnis annähernd gleich und die ÖVP nahm gering zu.

Parteipräferenz bezogen auf Alter Hier wird die Parteipräferenz nach dem Alter der Befragten differenziert.

ÖVP

SPÖ

FPÖ/BZÖ

Fans bis zu 16 Jahren

9,8%

9,8%

57,4%

Fans zwischen 17 und 20 Jahren

0,0%

21,4%

45,2%

Fans zwischen 21 und 25 Jahren

13,5%

13,5%

37,8%

Fans zwischen 26 und 30 Jahren

21,4%

21,4%

21,4%

Fans über 31 Jahre

10,0%

26,7%

23,3%

Grünen/LIF/KPÖ Fans bis zu 16 Jahren

keine/keine Angabe

3,3%

19,7%

Fans zwischen 17 und 20 Jahren

11,9%

21,4%

Fans zwischen 21 und 25 Jahren

10,8%

24,3%

Fans zwischen 26 und 30 Jahren

14,3%

21,4%

3,3%

36,7%

Fans über 31 Jahre

Differenziert man allerdings die genannte Parteipräferenz nach Altersgruppen ergibt sich, dass die FPÖ vor allem bei jüngeren Fans sehr stark vertreten ist und mit zunehmenden Alter 88


der Befragten tendenziell abnimmt. Die SPÖ ist vor allem bei den ab 31 jährigen die am häufigst genannte Partei (26,7%) unter den befragten Fans, tendenziell steigt damit die Parteipräferenz alterspezifisch. Bei der ÖVP lässt sich tendenziell kein eindeutiges Bild erkennen, es gibt Schwankungen von 0,0% - 21,4%. Die Parteien der Grünen, LIF und KPÖ spielen lediglich im Alter von 17 bis 30 Jahren (10,8% - 14,3%) einen nennenswerte Rolle. In der Altersgruppe bis 16 bzw. ab 31 sind sie mit jeweils 3,3% nur marginal vertreten. „Politikverdrossenheit“ zeigt sich vor allem bei den über 30 jährigen (36,7%), diese machten keine Angaben bzw. nannten explizit keine Partei.

89


Bildung nach Parteipräferenz Hier wird die höchste abgeschlossene Schulbildung mit der Parteipräferenz gekreuzt.

Pflicht-/Berufsschule

weiterführende Schule

ÖVP

15,0%

85,0%

SPÖ

50,0%

50,0%

FPÖ/BZÖ

55,6%

44,4%

6,3%

93,7%

Grünen/LIF/KPÖ

Grünen/LIF/ KPÖ

FPÖ/BZÖ

SPÖ

100,0% 80,0% 60,0% 40,0% 20,0% 0,0% ÖVP

Prozent

Parteipräferenz/lezter Schulbesuch

österreichische Parteien Pflicht-/Berufsschule

90

weiterführende Schule


Parteipräferenz Schüler/Student vers. Berufstätigkeit Eine weitere Frage beschäftigt sich mit der Parteipräferenz von Berufstätigen und vergleicht diese mit jener von SchülerInnen und StudentInnen.

Schüle/Studenten

Berufstätige

ÖVP

47,4%

52,6%

SPÖ

23,3%

76,7%

FPÖ/BZÖ

40,3%

59,7%

Grünen/LIF/KPÖ

62,5%

37,5%

Grünen/LIF /KPÖ

FPÖ/BZÖ

SPÖ

100,0% 80,0% 60,0% 40,0% 20,0% 0,0% ÖVP

Prozent

Parteipräferenz - Schüler/Studenten vers. Berufstätige

österreichische Parteien Schüle/Studenten

Berufstätige

Die Ergebnisse bezüglich der Aus- und Weiterbildung der Befragten erbrachten, dass bei der Unterteilung in Pflicht-/Berufsschule und weiterführende Schule die Wähler von den Grünen, KPÖ und LIF mit zusammen 94,0% deutlich eher eine weiterführende Schule besuchen. Bei Nennungen der Pflicht-/Berufsschule steht die FPÖ mit 55,6% an erster Stelle, gefolgt von der SPÖ mit 50,0%. Weiteres fand in der Erhebung eine Zuteilung zu den Gruppen SchülerIn/StudentIn und Berufstätige/r statt. Hier ergab die Umfrage, dass SchülerInnen/StudentInnen am meisten in der Gruppierung der Grünen, LIF und KPÖ zu finden sind (62,5%). Die Berufstätigen finden sich am deutlichsten unter den Fans mit SPÖ Präferenz (76,7%).

91


Parteipräferenz nach sozialer Herkunft (Beruf Vater) Hier wird untersucht, wie die Parteipräferenz mit der sozialen Herkunft zusammenhängt.

ÖVP

SPÖ

15,0%

19,4%

Facharbeiter

5,0%

12,8%

Angestellte

5,0%

35,5%

Selbständige

40,0%

6,5%

Beamte

35,0%

25,8%

FPÖ/BZÖ

Grüne/LIF/KPÖ

Arbeiter

16,8%

13,3%

Facharbeiter

14,3%

6,7%

Angestellte

32,5%

53,3%

Selbständige

22,1%

6,7%

Beamte

14,3%

20,0%

Arbeiter

m te

e

Be a

te llt A ng es

Fa ch

ar b

ei te

ei te

r

r

60,0% 50,0% 40,0% 30,0% 20,0% 10,0% 0,0% A rb

Prozent

Parteipräfernz/ Beruf Vater

Arbeitsverhältnis ÖVP

SPÖ

FPÖ/BZÖ 92

GRÜNE/LIF/KPÖ


Bei den Fans mit ÖVP Parteipräferenz fällt auf, dass unter den Vätern die Selbständigen (40,0%) und die Beamten (35,0%) deutlich dominieren. Bei potentiellen SPÖ und FPÖ Wählern finden sich deutlich mehr Söhne und Töchter von Arbeitern bzw. Facharbeitern. Im Vergleich zur FPÖ fällt eine geringe Nennung der selbständigen Väter bei der SPÖ (6,5%) auf. Umgekehrt finden sich im Vergleich zur SPÖ deutlich weniger Beamtenkinder unter den potentiellen FPÖ Wählern. Auffallend ist weiteres, dass über 50,0% der Fans mit der Präferenz die Grüne Partei, LIF oder KPÖ zu wählen, Angestellte als Väter haben.

Verein Von den Fans des Vereins FK-Austria würden 23,9% die SPÖ wählen, das ist deutlich mehr als bei den Anhängern des SK-Rapid, wo dieser Wert nur bei 15,7% liegt. Dieses Ergebnis erscheint verwunderlich, da eher der SK-Rapid als der FK-Austria als traditioneller „Arbeiterverein“ gilt. Die übrigen Parteien sind in beiden Vereinen annähernd gleich vertreten.

Wertvorstellungen und Ideologien Der Fragebogen enthält verschiedene aussagekräftige Stellungnahmen, welche es zu bewerten galt. Ziel dabei war, Wertvorstellungen, Ideologien und Grundhaltungen der Fans näher zu beleuchten und daraus möglicherweise auf ihr Verhalten schließen zu können. Interessant dabei war, dass die Bewertung der Wichtigkeit bzw. Richtigkeit der Aussagen teilweise stark positiv mit einer bestimmten Parteizugehörigkeit korrelierte. Todesstrafe für Terroristen, Rauschgifthändler und Sexualmörder! Diese Aussage wurde von immerhin 40,7% derjenigen, die FPÖ als bevorzugte Partei angaben, als „sehr gut“ beurteilt und von 25,9% als „gut“. Als die stärksten Gegner dieser Behauptung erwiesen sich die Fans welche die Grünen, LIF und KPÖ wählen würden, die mit 62,5% „überhaupt nicht gut“ angaben. Auch die Fans welche die SPÖ nannten, befanden zu 23,5% diese Aussage als „sehr gut“ und 35,3 als „gut“. Das heißt, jeweils über 50,0% der Anhänger der SPÖ und FPÖ dieser Aussage zustimmen. Ausländer raus! Der Spruch „Ausländer raus!“ wurde zu fast 85,0% von den FPÖZugeneigten als „sehr gut“ und „gut“ beurteilt. Die anderen Parteianhänger distanzierten sich in unterschiedlichem Ausmaß klar von dieser Stellungnahme. Keiner der Fans, welche SPÖ, die Grünen, LIF oder KPÖ wählen würden stimmen dieser Aussage mit „sehr gut“ zu.

93


Frauen zurück an den Herd! Die Aussage „Frauen zurück an den Herd!“ lehnten quer durch die Parteipräferenzen beinahe alle Befragen ab. Hier ist zu erwähnen, dass ein Viertel der Befragen Frauen sind. Homosexualität ist widernatürlich und sollte streng bestraft werden! Ein weiteres Ergebnis des Fragebogens lässt sich aus der Bewertung der Aussage „Homosexualität ist widernatürlich und sollte streng bestraft werden!“ schließen. Und zwar stimmt eine große Mehrheit nicht zu, aber ein Drittel (28,8%) der FPÖ-Anhänger halten diese Ansicht als „völlig richtig“ oder „teilweise richtig“. Die stärksten Gegner dieses Ausspruches finden sich bei den Befürwortern der Grünen, LIF und KPÖ wieder, und zwar mit einer 100,0%igen Ablehnung. Wenn man vom Krieg absieht, hätten wir es unter Hitler eigentlich besser als heute! Die Zustimmung zu diesem Spruch ist mit Abstand am stärksten bei der Parteipräferenz FPÖ festzustellen, wo 55,1% mit „völlig richtig“ oder „teilweise richtig“ angaben. Ansonsten distanzierten sich die Befragten sehr deutlich von dieser Aussage. Zivildienst statt Bundesheer. Weitgehend einig waren sich die Fans bei der Thematik „Zivildienst statt Bundesheer“. Über 90,0% der potentiellen ÖVP, Grüne, LIF und KPÖ Wähler bewerteten diese Möglichkeit positiv. Die Befürworten der SPÖ war zu 76.4% dem Thema positiv zugeneigt und die FPÖ zu 61,3%.

94


5 Interventionsstrategien innerhalb der Fankultur In diesem Teil der Forschungsarbeit wird die Vorgangsweise der beauftragten Berufsgruppen Polizei und Sozialarbeit vorgestellt. Obwohl sie beide am Fußballplatz tätig werden und die Fans aus der Kurve zu ihrer Zielgruppe gehören, arbeiten sie grundsätzlich von unterschiedlichen Ausgangspunkten aus, mit unterschiedlichen Methoden und Zielsetzungen. Außerdem ist es interessant zu erfahren, wie sich die Wahrnehmung und daher auch die Einstellung zu bestimmten Themen verändert, je nachdem welchen Auftrag man im Fußballzusammenhang mit den Fans hat. Im Folgenden wird erläutert, wer „die Polizei“ im Stadion ist und welche Gruppierungen innerhalb dieser Organisation wofür zuständig sind. Es wird ausgeführt, was unter Polizeiarbeit mit Fans zu verstehen ist und wie sich diese gestaltet. Anhand von ExpertInneninterviews mit Vertretern der Polizei wird deren Sichtweise zu verschiedenen Themen wie beispielsweise das eigene Selbstverständnis, Auswirkungen innerhalb der Fanszene auf Grund der steigenden Anzahl von Mädchen am Fußballplatz, Alkohol, Gewalt und Provokationen eingeholt. Weiters wird ein Ausblick auf die Europameisterschaft 2008 skizziert und auf mögliche Problemlagen hingewiesen. Anschließend wird auf die Gruppe der SozialarbeiterInnen, die unter der Bezeichnung „Streetwork“ am Fußballplatz tätig sind, eingegangen. Hierbei wird ein Überblick gegeben, wie die Arbeit mit Fußballfans im Lauf der letzten Jahrzehnte entstanden ist, wie sie sich verändert hat und wie sie gegenwärtig stattfindet. Auch aus der Perspektive von Streetwork wird auf die bereits erwähnten Themen eingegangen. Ein weiteres Kapitel behandelt Vernetzungen mit anderen AkteurInnen und einen etwaigen Entwicklungsbedarf in Hinblick auf die Europameisterschaft 2008. Die Ausführungen über ein Fanprojekt aus Deutschland sollen als ein „good-practise“-Beispiel zeigen, welche Faktoren und Aspekte Fanarbeit im internationalen Verständnis ausmachen.

5.1 Polizei Im Zusammenhang mit Fußball ist Gewalt ein immer wiederkehrendes Thema. Im Folgenden werden verschiedene Interventionsstrategien von Seiten der Polizei beleuchtet. Es wird auf die spezielle Rolle der Polizei in und rund um das Stadion eingegangen. Auch wird ein Fokus auf die Selbstwahrnehmung und Selbsteinschätzung von sog. „szenekundigen BeamtInnen“,

95


und Mitgliedern der Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung (WEGA) gelegt. Des Weiteren wird thematisiert, wie die Fans von der Polizei definiert werden. Neben den zahlreichen Besuchen am Fußballplatz, wo die Interaktionen in der Fankurve als auch im Fanbereich70 vor und nach einem Match beobachtet wurden, dienten Experteninterviews mit dem Kommandanten der WEGA, Oberst Ernst Albrecht71 und dem Leiter des kriminalpolizeilichen Beratungsdienstes und Leiter der Abteilung für Prävention, Dr. Peter Jedelsky72 als Grundlage gesammelter Erkenntnisse und nachfolgender Ausführungen. 5.1.1

Polizeiarbeit im Fussballstadion

In Stadien treten PolizistInnen in unterschiedlichen Funktionen mit unterschiedlichen Aufgabenbereichen auf. Die rechtliche Grundlage für die Sicherheitsbehörden und deren Organe, also die Polizei, ist das österreichische Sicherheitspolizeigesetz (SPG)73. Das SPG regelt die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit in Österreich. Im Stadion treten „Inspektionskräfte“ auf – das sind PolizistInnen in Polizeiuniform, welche von den Fußballclubs angefordert und bezahlt werden. Sie befinden sich überall im Stadion, beobachten und sollen ganz allgemein für Ruhe und Ordnung sorgen. Je nach Spiel kommen zwischen 40 und 130 BeamtInnen zum Einsatz. Weiters gibt es die polizeiliche Fanbetreuung, die szenekundigen BeamtInnen, die keine Polizeiuniformen tragen und durch ein Gilet, mit dem Aufdruck „Polizei Fanbetreuer“ auf der Rückseite erkennbar sind. Die Bezeichnung „Polizeifanbetreuer“, die auch heute noch auf den Gilets steht, ist lt. Aussagen des Leiters überholt. Die korrekte Bezeichnung lautet „szenekundige BeamtInnen“. Europaweit

70

gäbe es Bestrebungen, eine einheitliche

Beim SK Rapid dient das sog. Rapiddorf (eine Art großes Zelt außerhalb des Stadions mit Gastronomie und

Heurigenbänken und Tischen als Treffpunkt), beim FAK Austria ist es der Platz hinter der Nordtribüne. 71

Kommandant der WEGA seit 2006; er hat Kommandofunktion für knapp 250 Beamte, mit dem

Aufgabenbereich, den die WEGA abdeckt - besondere Einsätze mit besonderen Gefährdungslagen, überlagernder

Streifendienst

zur

Unterstützung

der

KollegInnen

in

den

Bereichsabteilungen/

Stadtpolizeikommandos, Unterstützung für Kriminaldienststellen, Bereiche in ordnungsdienstlichen Lagen wie Demonstrationseinsätzen und bei Fußballeinsätzen 72

Vorstand des Büros Kriminalpolizeilicher Beratungsdienst und Jugendpolizei; Leiter der Dienststelle für

Jugendpolizei und Prävention – Rechtsauskünfte; Leiter des Fanprojektes der Wiener Polizei 73

Die

genaue

Bezeichnung

dieses

Gesetzes

lautet

„Bundesgesetz

über

die

Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei“, Stand BGBl. I Nr. 104/2002 96

Organisation

der


Bezeichnung zu finden. Der Ausdruck „Spotter“ (BegleiterInnen, UnterstützerInnen), der in den Niederlanden verwendet wird, ist im Gespräch. FanbetreuerInnen befinden sich mitten unter den Fans der West- und Osttribüne und sind auch schon vor einem Spiel unter den Fans anzutreffen. Sie treten nicht nur bei Heimspielen in Erscheinung, sondern begleiten die Fans auch zu Auswärtsspielen. Ihre Aufgabe besteht darin, Eskalationsgefahr rechtzeitig zu erkennen und vorbeugende Maßnahmen zu treffen. Sie sind bei jedem Spiel dabei und versuchen mittels persönlicher Beziehungen ein Vertrauensverhältnis zu den Fans aufzubauen. Derzeit gibt es pro Verein mit größerem Fanpotential acht bis zehn FanbetreuerInnen, bei jedem Verein der 1. und 2. Spielklasse zumindest zwei, insgesamt derzeit 120. Laut Aussagen von Dr. Jedelsky wurde in Wien vor neun Jahren eine eigene Polizeieinheit aufgestellt, um präventiv gegen Gewalt am Fußballplatz zu arbeiten. Zu den Aufgaben von polizeilichen FanbetreuerInnen meint Dr. Jedelsky, „..des wird europaweit a bissl unterschiedlich gehandhabt, jeder einzelne Beamte macht sowas a bissl anders, äh, weil er jetzt entweder aner is der mehr auf die Fans einwirken kann, der a persönliche Beziehung hat und so weiter, der halt mit eaner reden kann oder aner der immer dabei is und immer der ist, der halt dann irgendwo a Anzeige schreibt.“

Die

Wirkungsweise

eines/r

FanbetreuerIn

ist

die

eines/r

PolizistIn,

der/die

lt.

Selbstbeschreibung nur in Ausnahmefällen anzeigt und sich sonst als jemand versteht, der /die durch Dialog und Gespräch auf die Handlungen von Fans präventiv einwirken möchte. Dazu Jedelsky: „Sinn und Zweck der ganzen Gschicht ist es, Gewalt zu verhindern, Prävention zu machen. Unsere Hauptaufgabe ist sicher NICHT, ah – die Sachen anzuzeigen – zu sagen, „DER hat was gmacht, DER hat was gmacht“, wobei wir natürlich ein Offizialprinzip haben – das heißt ich muss, wenn ich eine strafbare Handlung sehe, nur – pff – bei den Verwaltungsstrafen gibt’s immer die Möglichkeit der Abmahnung

- es gibt a im

Gerichtsverfahren den klaren Grundsatz i muss was genau und hundertprozentig beweisbar sozusagen haben, den anzuzeigen, im Zweifel muss ich’s nicht machen.“ „Da muss man schauen, wir müssen nicht mit aller Gewalt Anzeigen produzieren.“

Deeskalation durch Dialog: Dr. Jedelsky sieht regelmäßige Präsenz am Fußballplatz als äußerst wichtig an. Einerseits können nur so Beziehungen zu einzelnen Fans aufgebaut werden, Smalltalk ist nötig, um persönliche Beziehungen herzustellen und nur so kann Einfluss genommen werden. Andererseits sind die BetreuerInnen sonst nicht informiert, wo gerade Konfliktherde am Entstehen sind. Oberstes Credo der FanbetreuerInnen lautet Deeskalation und Dialog. „Wir haben vor gar nicht allzu langer Zeit mit einem gerauft … wir 97


sind zu zweit an dem ghängt … der hat immer wieder hin wollen zu dem Ordner und jetzt ist halt die Frage: was mach ich? Da ham wir natürlich schon schnell gschaut, dass der Ordner woanders hin geht, weil das die einfachste Lösung doch war.“ (Zitat Jedelsky)

In diesem Bereich wird versucht sehr sensibel vorzugehen. Wenn es der Deeskalation nützt, wartet man eventuell auch bis Spielende beim Ausgang, um möglichst unauffällig den betreffenden Fan zu isolieren. Damit soll der Solidarisierungseffekt innerhalb der Fans unterbunden werden. Kommt massiv Pyrotechnik zum Einsatz, geht es darum, einen Spielabbruch zu verhindern. Ein Spielabbruch würde von den Fans als zusätzliche Provokation angesehen werden und zu weiterer Eskalation führen. „Wir san zu 90 % erfolgreich, indem wir reingehen, auf so einen, der was anstellt, zum Beispiel mit einem pyrotechnischen Gegenstand halt, dann haben wir die Information, gehen rüber zur Videozentrale, holen uns das Bild, gehen rein in den Sektor und holen uns den da raus.“

(Zitat Jedelsky). Im Notfall können die szenekundigen BeamtInnen auch die WEGA-Beamten zu Hilfe holen. Dies wird von Seiten der Fanbetreuung allerdings nicht immer als zielführend angesehen, da hier sowohl unter den Fans als auch innerhalb des Corps der WEGA-Beamten ein Solidarisierungseffekt hervorgerufen werden könnte und dies zu einer weiteren Eskalation führen könnte (siehe auch Kapitel Saison 2008/7 über das Wr. Derby). Grenzen der Arbeit: Grenzen der Deeskalationsarbeit sieht die Fanbetreuung dann, wenn 20 bis 30 Leute aufeinander treffen oder aufmarschieren, um ihre Präsenz gegenüber den anderen zu demonstrieren. Wenn sich Fans nicht an vereinbarte „Friedensabkommen“ mit der Polizei halten, haben die BetreuerInnen keine Chance mehr. Ebenfalls ist eine Grenze erreicht, wenn der Einsatzleiter der WEGA die Anweisung zum Eingreifen gibt - ab diesem Zeitpunkt können die FanbetreuerInnen auf das weitere Geschehen keinen Einfluss mehr nehmen. Die drei D`s - Dialog, Deeskalation, Durchgreifen: Für Einsätze mit einem erhöhten Gefährdungsgrad werden die Beamten der Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung (WEGA) eingesetzt. Es handelt sich dabei um 200 bis 250 Kräfte. Diese speziell geschulten Beamten unterscheiden sich von der Stadionpolizei durch ihre Adjustierung, sie verfügen über eine Sonderausrüstung, tragen Vollkörperschutz und Vollvisierhelme. Laut dem Leiter der Truppe gelten die sog. „drei „D“s“, nämlich Dialog, Deeskalation und Durchgreifen in der Vorgangsweise auch der „WEGA“ als Richtlinien. Nach diesem Konzept werden in der Dialogphase überhaupt alle Polizeikräfte dazu angehalten, sympathisch und freundlich zu wirken und jederzeit hilfsbereit zu sein. Auch der WEGA Beamte hat die Anweisung freundlich zu sein und die Körpersprache soll nicht Angst vermitteln, selbst wenn diese Beamten einen Vollkörperschutz tragen.

98


In einer zweiten Phase der Dialogphase wird davon ausgegangen, dass kleinere Problemlagen und Auseinandersetzungen noch mittels Dialog ausgeräumt werden können. In der Deeskalationsphase geht es primär darum, vermehrt WEGA Kräfte zu einem Brennpunkt zu schicken. Bei größeren Auseinandersetzungen mit Ausschreitungen oder massiven Problemen ist das „Zuführen“ von Sondereinsatzkräften für die Durchsetzungsmaßnahmen geplant. Die Beamten nehmen dann eine „Fantrennung“ vor und führen qualitative Festnahmen durch. Damit ist das Aufgreifen einzelner störender Problemfans aus der Gruppe gemeint. In diesem Fall werden Massenfestnahmen verhindert, die zu weiteren Eskalationen führen könnten. Bei der Fanbetreuung sieht man Deeskalation als Hauptaufgabe an. Voraussetzung sind Dialog und persönlicher Beziehungsaufbau zu den Fans. Vom Durchgreifen hält man nicht viel, weil Gewalt immer Gegengewalt hervorrufe. FanbetreuerInnen sehen sich als eine Art Schutztruppe der Fans. Man ist davon überzeugt, guten Kontakt zu den Fans allgemein und auch zu den Problemfans zu haben. Die WEGA richtet sich ebenfalls nach dem Konzept der drei D`s (Deeskalation, Dialog, Durchgreifen), hier versteht man unter Deeskalation verstärkte Präsenz der WEGA–Beamten und Auftreten ohne Vollkörperschutz. Man sieht die WEGA als Spielfigur in einem interaktiven Spiel zwischen Fans und Polizei, wobei Rituale und Regeln zum Teil festgelegt seien. Bei Beobachtungen im Feld wurden Situationen erlebt, aus denen hervorgegangen ist, dass FanbetreuerInnen und WEGA Beamte unterschiedlich bei Eskalationen vorgehen. Auch die Reaktionen der Fans erschienen unterschiedlich. Wenn WEGA Beamte eingreifen, tun sie dies immer in einer größeren Gruppe. Hingegen gehen die FanbetreuerInnen einzeln oder zu zweit vor. In der beschriebenen Deeskalations- und Dialogphase konnten WEGA Beamte nicht wahrgenommen werden. Hingegen erfolgten beim Wiener Derby, Anfang März 2007, qualitative Festnahmen. Die WEGA Beamten entfernten einzelne Fans während der Ausschreitungen aus dem Ostsektor und arbeiteten nach dem Konzept des Durchgreifens. FanbetreuerInnen waren ebenfalls in diesem Sektor. Doch aufgrund der raschen Entwicklung der Ausschreitungen war es den FanbetreuerInnen nicht mehr möglich deeskalierend einzuwirken. Unserer Einschätzung zu Folge ist der Einsatz von FanbetreuerInnen und WEGA Beamten in einem Zusammenspiel wichtig, weil sie einen unterschiedlichen Zugang zum Feld haben. Allerdings scheint es einen Handlungsbedarf bei der internen Abstimmung der Vorgangsweisen zu geben.

99


5.1.2

Selbstwahrnehmung

Von Interesse scheint die jeweilige subjektive Wahrnehmung der eigenen Rolle, Funktion und ihre Auswirkung im Feld der Fußballfans zu sein. Wie wird das Verhalten der Fanszene von der Polizei interpretiert, wie wird die Interaktionen im Feld beurteilt und welche Interventionsstrategien entwickeln sich daraus? Von Seiten der Fanbetreuung beurteilt man die Beziehung zu den Fans als eine durchaus positive. Zur Aufrechterhaltung dieser Kontakte wird offensiv auf die Fans zugegangen. So verteilt der Leiter der Fanbetreuung während eines Fußballspiels beispielsweise Visitenkarten mit seiner Handynummer. Es ist auch einige Male vorgekommen, dass er bei Konflikten zwischen WEGA - Beamten und Fans als Vermittlungsperson von Fans zu Hilfe gerufen wurde. Bei Auswärtsspielen sieht man alle Fans, egal ob gewaltbereit oder nicht, als potentielle Opfer, für deren Sicherheit und Schutz zu sorgen ist. Wird z.B. ein Fan ins Wachzimmer mitgenommen, weil dieser angezeigt wird, achtet man darauf, dass die Amtshandlung so kurz wie möglich abläuft, damit dieser Fan mit allen anderen nach Hause fahren kann und nicht als einzelnes mögliches Angriffsziel für die Anhänger des gegnerischen Clubs zurückbleibt. International bemerkt man sehr wohl unterschiedliche Vorgangsweisen: „Da gibt’s europaweit unterschiedliche Ansätze, die Engländer gehen nur mit und sagen: „Des san die Gefährlichen“, und reden mit ihnen gar nicht mehr.“ (Zitat Jedelsky)

Für den Leiter der WEGA Abteilung stellt sich die Rolle seiner Sondereinsatztruppe wie „eine Spielfigur mit vielschichtigen Aufgaben“ (Zitat Albrecht) dar. Man sieht sich als ein Hindernis für Fans, weil man viele Auseinandersetzungen verunmöglichen würde. Die Fans fürchten sich nicht vorm einzelnen Polizeibeamten, sondern vor der Polizei als Institution, denn niemand möchte angezeigt werden. Insofern sieht sich diese Polizeieinheit als eine Art Ersatzgegner oder als „Spielpartner“ (Zitat Albrecht), wenn sich kein anderer Gegner findet. „Wir sind einerseits bei den ritualisierten Geschichten Spielpartner. Wir sind eine Figur am Schachbrett, wir san do, wir san irgendwo a Hindernis um Auseinandersetzungen innerhalb der Szene zu verhindern. Wir san teilweise auch relativ, weil wir beim Einschreiten die Möglichkeit geben zum Davonlaufen und irgendwo auch den Schiedsrichter spielen und sagen, jetzt is aus, jetzt kommt die Polizei, jetzt is es zu viel. Das heißt, man wird immer wieder hören von den Burschen, ja von dir bin i ned davoglaufen, i bin jo von da Polizei davogrennt. Weil es in der Kultur einer Subkultur afoch ned zuaglossen wird davon zu laufen, weil don host verlurn. Wenn jetzt die Polizei kummt, donn renn i ned vor dir davo, sondern von der Polizei, weil vor dir fürcht i mi ned, oba von da Polizei fiacht i mi.“ (Zitat Albrecht) 100


Die Sichtweisen der interviewten Experten unterscheiden sich wesentlich bezüglich der Selbstwahrnehmung. Die Fanbetreuung sieht sich in einer Beschützerrolle und in einer Vermittlungsfunktion. Man ist von einem guten Kontakt sowohl zu den „handlichen“ Fans, sowie zu den „Problemfans“ überzeugt. Des Weiteren ist man der Meinung, dass es großes Vertrauen von Seiten der Fans gibt und persönliche Beziehungen bestehen. Im Gegensatz dazu gibt es für Oberst Albrecht eine solche Beziehung zu den Fans nicht. Für ihn ist die WEGA eine unabdingbare Spielfigur, die sich in einer wechselseitigen Dynamik mit den Fans befindet. Unter diesen verschiedenen Sichtweisen der Selbstwahrnehmung kann vermutet werden, dass die Fans den WEGA Beamten gegenüber eher feindlich eingestellt sind und dass die FanbetreuerInnen eher akzeptiert und als unterstützend empfunden werden. Die FanbetreuerInnen, die vom Forschungsteam im Rapidzelt vor den Spielen angetroffen wurden, haben viele Fans Hände schüttelnd und Schulter klopfend begrüßt. Es konnte beobachtet werden, dass WEGA Beamte, obwohl sie von Fans verbal attackiert wurden, nicht darauf reagierten. Die Selbsteinschätzung beider Einheiten entspricht den Beobachtungen im Feld. Dem WEGA Beamten ist klar, dass er für Fans weder Betreuer noch Begleiter ist und den FanbetreuerInnen ist bewusst, dass sie trotz persönlicher Beziehungen in ihrer Funktion als PolizistInnen wahrgenommen werden. Auch wenn es einen Balanceakt darstellt, sich einerseits auf einer persönlichen Ebene als Vertrauensperson anzubieten und andererseits gemäß der Anzeigepflicht der Polizei dieser nachgehen zu müssen, konnte man im Zuge der Forschung den Eindruck gewinnen, dass die Fans hier gut differenzieren können in dem Sinne „Polizist bleibt Polizist“ (Zitat aus dem Feld). 5.1.3

Fans aus dem Blickwinkel der Polizei

Vonseiten der Polizei werden die Fans in drei Kategorien eingeteilt und es wird betont, dass sich diese Kategorisierung in der Definitionsmacht der Polizei befindet: „Wir definieren das, wir!“ (Zitat Jedelsky)

A-Fan: „normaler“ Stadionbesucher B-Fan: ist ein Risk-Fan, z.B. Ultras – sehr dem Verein verbunden, am Spiel ihrer Mannschaft interessiert, prinzipiell für Gewalt zu haben C-Fan: zählt zu den Risk-Fans, ist bewusst auf Gewalt aus, trägt keine Fankleidung, ist nicht am Verein oder Spiel interessiert = Hooligan Ein Hooligan wird folgendermaßen beschrieben: „Der C -Fan ist halt so der klassische Hooligan. Der wird immer so beschrieben, dass er an sich am Fußball überhaupt kein Interesse hat, nur hingeht weil er da raufen will und wenig Alkohol. Das stimmt für 101


Österreich ned so ganz, denn ich kenn kaum welche, die letztlich sich das Match nicht doch anschauen, die auch schimpfen über den Verein und auch sagen – heute spielens wieder schlecht. Die Zahl, die wirklich hinkommen, dort nur herumreden, gar ned aufs Spielfeld schauen, die ist sehr gering, des werden fünf bis zehn Leute vielleicht sein.“ (Zitat Jedelsky)

Ein Hooligan hätte kein Interesse am Verein und trage auch keine Fankleidung/Fanutensilien. Er ist überlegt auf Randale aus und weil er klaren Kopf behalten will, ist er eher nicht alkoholisiert. Hooligans hätten ein hohes Renommee bei manchen Fans. Es gäbe Stickers und T-Shirts mit dem Aufdruck „Ich bin ein C-Fan“. Zwischen Hooligans und den Ultras hingegen differenziert man klar. Ultras würden Fankleidung tragen, jedoch nicht nur aus dem offiziellen Fanshop, sondern auch eigene, selbstbedruckte T-Shirts und Schals, die sie nur in ihren eigenen Reihen verkaufen. Mit dem Erlös finanzieren sie die „Kriegskassa“, welche für Pyrotechnik, Fahnen, Material für Spruchbänder und auch zum Bezahlen von Geldstrafen zur Verfügung steht. Einen typischen Ultra definiert Jedelsky als sehr fanatisch und relativ jung. Es sind die, welche eineinhalb Stunden singen und Fahnen schwenken, auch wenn sie dadurch vom Spiel nicht alles sehen können. Ultras würden auch nicht dem Klischee des Unterschicht Jugendlichen entsprechen: „ … und da kommen schon welche mit ihren Eltern und so weiter und da sieht man dann schon durchaus, das das selber auch Chirurgen sein können. Der ist dann berühmter Chirurg in einem Spital und sei Bua is bei de Ultras.“ (Zitat Jedelsky)

Zwischen den Fans des FK Austria und des SK Rapid sieht Jedelsky kaum einen Unterschied. Die Fans in der jeweiligen Westkurve wären bei Rapid straff organisiert, bei der Austria gäbe es viele verschiedene Gruppen, die bei Choreographien und Gesängen oft nicht einheitlich agierten. Im Durchschnitt wäre latente Gewaltbereitschaft bei beiden Vereinen gleichermaßen gegeben – der Unterschied bestünde einfach darin, dass es in Summe viel mehr Rapid- als Austria Fans gäbe. Der WEGA Chef stellt eine Verjüngung der Szene fest. Das Stereotyp vom perspektivlosen Fan wäre auch für ihn nicht mehr zu erkennen und der überwiegende Anteil gehöre heute nicht mehr den „unteren Schichten“ an. Viele Fans kämen heute aus den „oberen Schichten“ und wären zu einem großen Teil erlebnisorientiert. Eine konkrete politische Ausrichtung ließe sich seiner Meinung nach nicht erkennen, jedoch wären sie für Feindbilder manipulierbar. Bei Vereinen mit einer großen Anzahl von Anhängern wäre die Strukturierung eher straffer als bei kleineren Gruppierungen. Untereinander bestünde eine laufende Kommunikation, die bei bestimmten Fangruppen mit informellen „Führern“ straff organisiert wäre. Der „Führer“ bestimme über Choreografien bis hin zu den Abläufen von verschiedenen Geschehnissen. Je 102


größer die Gruppe, umso schwieriger wäre es, die Kommunikation innerhalb dieser zu erkennen. Im Kern gäbe jedoch einer den Ton an. „Es gibt bei einigen Problemgruppen durchaus straffe Organisationsstrukturen. Wo wirklich Aufgabenfelder verteilt werden, wenn man so will, mit dem Jargon des organisierten Verbrechens zu sprechen, gibt’s Soldaten und Verhandler und Melder und unter Anführungszeichen Führer.“ (Zitat Albrecht)

Auch

hier

wird

zwischen

Ultras

und

Hooligans

klar

differenziert

und

die

Gestaltungsmotivation der Ultras betont. Bei Rapid, wie auch generell in Österreich, gäbe es kaum Hooligans. Hooligans hätten keine charakteristischen Parameter, das heißt, sie akzeptierten eher die Grenzen der Polizei, was Ultras sehr häufig nicht tun würden. Ultras wären

emotionaler,

mehr

euphorisiert

und

anfälliger

für

Entwicklungen

von

Auseinandersetzungen während des Spiels im Stadion. Bei der Austria gab es eine kurze Zeit „die Unsterblichen“, welche sich seiner Meinung nach noch am ehesten in die Rubrik der Hooligans einordnen ließen, jedoch gab es sie nicht in der Ausprägung wie „Die alte Garde“ bei Rapid. Beide unterscheiden genau zwischen Hooligans und Ultras, beide sind darüber einig, dass es in Österreich nur ganz wenige „klassische Hooligans“ gibt und dass latent gewaltbereite Fans keiner sozialen Schicht zuzuordnen sind. Auch in der Einschätzung über die Unterschiede zwischen Austria- und Rapidfans decken sich die Einschätzungen. Hier ist es uns wichtig darauf hinzuweisen, dass das in unserer Gesellschaft verbreitete Bild eines Hooligan oft ein Falsches ist. Es wird kein Unterschied zwischen Ultras und Hooligans gemacht und dadurch entsteht der Eindruck, dass es in Wien eine große Hooliganszene gibt. 5.1.4

Weibliche Fans aus dem Blickwinkel der Polizei

Weit verbreitet ist die Annahme, dass mehr Frauen im Stadion zu einer Art Befriedung der Fanszene beitragen würden. So versuchen vor allem die Clubs, Frauen und Mädchen durch besondere Angebote und Werbungen in die Stadien zu locken, weil durch deren Anwesenheit eine geringere Gewaltbereitschaft erwartet wird. Doch es gibt auch andere Meinungen. „Na ja, wir haben jetzt schon einen eher steigenden Anteil an Mädchen bei den Fans, ich seh da keine 4 – 5 Prozent …letztes Jahr … Wir haben noch keine Mädchen, die irgendwo was kaputt gemacht haben oder gerauft haben … es gibt also zunehmend den Verdacht, dass sie beim Einschmuggeln von Pyrotechnik sehr massiv - äh - mitmachen. Jetzt haben wir den Fall gehabt, dass ein Mädchen mit einem Schlagring erwischt worden ist beim Eingang. Des wird’s ja auch für jemanden mitbracht haben, ned selber zur Verteidigung, wie sie dann gesagt hat.“ (Zitat Jedelsky) 103


Vonseiten der Fanbetreuung bewirke die zunehmende Präsenz der Mädchen im Stadion eher Nachteiliges, es würde die latente Gewaltbereitschaft unter den jungen Burschen verstärkt werden - es käme vermehrt zu Auseinandersetzungen aufgrund von Eifersucht und Rangkämpfen. Szenetypische Auseinandersetzungen wären rein männliche. Die Frauen im Fußballstadion solidarisierten sich zwar mit der Gruppe, würden aber als Freundinnen von Mitgliedern dieser Problemgruppen auftreten. „Maximal dass sie als Freundinnen von Mitgliedern dieser Problemgruppen dabei sind. Dann natürlich sich solidarisieren oder sympathisieren, oba ned unbedingt nach unserer Einschätzung, mitmischen. Sie zeigen Empörung, aber gerade diese Auseinandersetzungen, die szenetypischen, wie sie bezeichnet werden, sind ähm männlich basierend. Da gibt’s ned wirklich Frauen die do mitmischen.“ (Zitat Albrecht)

Es wird festgestellt, dass Mädchen und junge Frauen immer mehr ins Stadion kommen und dass bis jetzt noch keine Mädchen in Raufereien verwickelt waren. Sie würden sich bei Anzeichen von Gewalt heraushalten. Mädchen am Platz wurden tendenziell als Begleiterinnen ihrer Freunde wahrgenommen, selten jedoch in reinen Mädchengruppen. Weiters kämen Frauen mit ihren minderjährigen Kindern ins Stadion, wobei diese größtenteils nicht auf der Westtribüne anzutreffen wären. Die Einschätzung von Dr. Jedelsky und Oberst Albrecht, was die Gewaltbereitschaft der Frauen betrifft, kann durch die Feldforschung bestätigt werden. Eine Auseinandersetzung, an der Mädchen beteiligt waren, konnte nie beobachtet werden. 5.1.5

Gewalt aus dem Blickwinkel der Polizei

Vonseiten der Polizei zeigt man sich überzeugt, dass für den Fußballbesucher keine Gefahr drohe. „Es ist net wirklich so, dass das gefährlich ist für den Sportplatzbesucher im Stadion, weil sie suchen sich’s ja. Im Umfeld des Stadions gibt es so etwas wie „Schal wegnehmen“,

dies wird als Jagdtrophäe angesehen. Wenn aber jemand ohne eine Kennzeichnung als Fan auftritt, kommt es zu keinen Vorfällen.“(Zitat Jedelsky) Gewalt zeigt sich in internen Raufereien, mit anderen Fanclubs, mit Fans der gegnerischen Mannschaft und mit PolizistInnen. 2006 zeigte sich vermehrt Gewaltbereitschaft im eigenen Fanklub. Als Ursachen ortet man Rangkämpfe, Eifersucht wegen der Mädchen oder Schulden. Solche Vorfälle wären nicht nur als besonderes Phänomen am Fußballplatz zu sehen – gewisse Gruppen würden sowieso bei vielen Gelegenheiten wie beim Zeltfest, in der Disco, in anderen Gastronomiestätten raufen und dies setze sich dann im Stadion fort. Vorfälle im Stadion, wie das Bänkewerfen beim Derby, würden in den Medien übertrieben dargestellt. 104


Sich mit einem WEGA Beamten zu prügeln, bringe Ansehen, während FanbetreuerInnen betonen, dass bisher keine körperlichen. Attacken gegen sie erfolgten. Grund dafür könnten vorhandene persönliche Beziehungen und daraus resultierendes Vertrauen sein. Es bestünde auch eine Art Ehrenkodex gegenüber Beamtinnen – so würde es bei männlichen Fans nicht akzeptiert, eine Polizistin wegzustoßen oder gar zu schlagen. „Sind ja alles fast nur Machos!“ (Zitat Jedelsky). Mädchen würde man nicht angreifen, sie gingen auch alle zur

Seite, wenn es eine Prügelei gäbe Die Fanbetreuung sollte mit Beamtinnen aufgestockt werden. Diese hätten aufgrund anderer Umgangsweisen mehr Möglichkeiten, zu männlichen Fans Zugang zu finden und könnten eventuell mehr Einfluss nehmen. Untersuchungen aus Amerika würden zeigen, dass Polizeibeamtinnen wesentlich weniger Gewalt provozierten als ihre männlichen Kollegen. Diese Untersuchungen würden durch die heimische Praxis bestätigt. Allerdings wären Fanbetreuerinnen permanent

sexistischen Bemerkungen

ausgesetzt – damit umgehen zu können, müsse erst erlernt werden. Besonders problematisch scheint die verbotene Verwendung von pyrotechnischen Gegenständen zu sein. Als äußerst gesundheitsgefährdend werden die Rauchkörper beschrieben. Eingesetzt würden zurzeit zwei neue pyrotechnische Gegenstände, die zum Teil sehr gefährlich und deshalb in Österreich verboten sind. Der eine ist der so genannte „Leuchtstift“. Dabei handelt es sich um eine Rakete bzw. Patrone, deren Reichweite 60 bis 70 Meter beträgt. In Österreich ist, soweit bekannt, bisher lediglich damit in die Höhe geschossen worden. Vor allem in Italien würde direkt auf die gegenüberliegende Tribüne geschossen und es hätte in diesem Zusammenhang mindestens zwei Todesfälle in Europa gegeben. Weiters ortet man vermehrt den Einsatz von Knallkörpern mit extremer Lautstärke, so genannte „Supercobras“. Die Lautstärke ist vier bis fünf Mal so hoch wie die der bekannten „Piraten“. Von fünf Lärmstufen ist in Österreich lediglich die unterste Klasse eins legal zu erwerben. In den österreichischen Stadien werden „Supercobras“ derzeit bis Klasse drei verwendet, welche in Italien und Tschechien leicht erhältlich sind. Um diesen neuen Entwicklungen entgegen zu wirken, wurden in diesem Kontext bereits Stadionverbote in höchstem Ausmaß, nämlich über zwei Jahre, verhängt. Zunächst wird bei Gewalt zwischen verbaler und körperlicher Gewalt unterschieden. Wenn es um verbale Gewalt geht, ist die Bereitschaft der Fans sehr hoch. Bei körperlicher Gewaltbereitschaft liegt Österreich im internationalen Vergleich allerdings nicht weit vorne. Die Gewalt gegen PolizeibeamtInnen reicht von Provokationen bis hin zu aktiver Gewalttätigkeit. Wobei sich zeigt, dass die Bereitschaft zu verbaler Gewalt, im Gegensatz zu körperlicher Gewalt, sehr hoch ist. Beschimpft, bespuckt, mit Gegenständen beworfen oder 105


mit Bier angeschüttet zu werden, wird von der Polizei im Fußballstadion eher toleriert als in einem anderen Kontext. Eine spezielle Form der Provokation sollen die Buchstaben ACAB (= All Cops Are Bastards) darstellen. Aufgrund der zunehmenden Provokationen werde es immer schwieriger die Geduld zu bewahren, da die psychische Belastung für einzelne BeamtInnen immer mehr steige. Manchen BeamtInnen fiele es schwer, sich nicht provozieren zu lassen. 5.1.6

Alkohol aus dem Blickwinkel der Polizei

Die Polizei sieht übermäßigen Alkoholkonsum mancher Fans als Hauptauslöser für Konflikte an. Alkohol habe eine enthemmende Wirkung und ließe das Aggressionspotenzial steigen. Es wird zwar immer wieder über ein Alkoholverbot in den Stadien in der Öffentlichkeit diskutiert, jedoch stellt sich die Frage in wie weit das sinnvoll ist. Auch die Aktion „nur Leichtbier oder alkoholfreies Bier am Platz“ ist von keinem großen Erfolg gekennzeichnet. Denn manche Fans kommen bereits alkoholisiert auf den Platz und „das Vorher“ kann nicht beeinflusst werden. Auch die Feldbeobachtungen zeigten, dass Alkohol sehr wohl ein Thema am Platz ist. 5.1.7

Rechtsextremismus aus dem Blickwinkel der Polizei

Oft wird das Thema Gewalt am Fußballplatz sowohl von der Öffentlichkeit als auch in den Medien mit Rechtsextremismus in Zusammenhang gebracht. Vonseiten der Polizei sieht man keinen Zusammenhang zwischen Rechtsradikalen und Gewalt am Fußballplatz: „Na ja, es gibt immer diese Diskussion Rechtsextreme. Na, wir können bei de zwa Wiener Vereinen eigentlich die Rechtsextremen nicht wirklich bestätigen. Wir wissen zwar, dass welche da sind, die kenn ma a, die vielleicht außerhalb der Stadien durchaus diesem Gedankengut nachtun, nur im Stadion gibt’s die klare Vorgabe seitens der Fanclubs selbst keinerlei politischen Aktivitäten und da hat man durch diese Gschicht speziell bei Rapid das schon sehr gut geschafft, dass die rechte Gruppe dort ned wirklich dabei ist.“ (Zitat Jedelsky) Die

Meinung, dass Rechtsextremismus und Fußball zusammengehören, konnten auch durch Feldbeobachtungen nicht bestätigt werden. Tendenziell ist es sicher nicht auszuschließen, jedoch konnte mehrfach festgestellt werden, dass Fans am Fußballplatz politischen Strömungen keinen Platz einräumen und mit anderen Themen beschäftigt sind (siehe auch Kapitel Themen der Fans, Politik der Kurve) 5.1.8

EM 2008 aus dem Blickwinkel der Polizei

Die Polizei ist sich der Schwierigkeiten, welche bei der Europameisterschaft 2008 auf sie zukommen könnten, bewusst. Als eine der schwierigsten Aufgaben wird die Einschätzung der 106


so genannten „Problemkinder“ (Zitat Albrecht) hinsichtlich ihres Aggressionspotentials gesehen. Erfahrungsgemäß gilt jedoch, dass internationaler Fußball, also Begegnungen von Nationalmannschaften, weniger problembehaftet als der nationale Vereinsfußball sind. Eine weitere Herausforderung, welche die WEGA sieht, ist die interne Herausforderung im Bereich des Personals. Bei Spielen der österreichischen Bundesliga kommen viele Fans zum Fußballspiel, plus minus drei bis vier Stunden. Dann reisen die meisten Fans wieder ab und die Einsätze sind somit beendet. Bei der EM hingegen bleiben die Fans länger im Bereich des Stadions bzw. treffen sich an anderen Orten in der Stadt. Die Einsatzdauer verlängert sich und die Zeitpunkte, an denen es zu Auseinandersetzung kommen kann, treten häufiger auf. Die öffentlich geführte Debatte bezüglich Präventivhaft, in der die Meinungen weit auseinander klaffen, findet sich auch polizeiintern wieder. Es gibt sowohl Befürworter, als auch Stimmen, die eine Präventivhaft als gesetzeswidrig ansehen. Bezüglich des kommenden Großereignisses EM 2008 ist sich die Polizei auf jeden Fall bewusst, dass mit äußerster Sorgfalt und Umsichtigkeit vorzugehen ist, um Eskalationen möglichst in Grenzen zu halten.

5.2 Sozialarbeit Ein zentrales Anliegen der Forschungsgruppe war es auch, die Handlungsansätze der SozialarbeiterInnen (Streetworker) im Fußballkontext zu beleuchten. Um die Transparenz diesbezüglich zu erhöhen, wurden mitunter folgende Fragen herangezogen: „Welche Rolle hat die Sozialarbeit im Fußballkontext?“, wobei in diesem Zusammenhang die Entstehung und Entwicklung der Sozialarbeit am Fußballplatz zu berücksichtigen ist, um darstellen zu können, wie sich Sozialarbeit positionierte und welche Veränderungen im Laufe dieser Zeit zu verzeichnen sind. Dies lässt Rückschlüsse auf die derzeitige Lage bzw. Rolle der Sozialarbeit zu. Um die Frage „Wie kommt sie heute vor, was kann sie leisten?“ beantworten zu können, bedarf es der Auseinandersetzung mit den derzeitigen Handlungskonzepten, Methoden und Interventionsstrategien der Sozialarbeit am Fußballplatz. Ein weiteres Anliegen der Forschung ist die Selbstwahrnehmung der SozialarbeiterInnen bezüglich ihrer Rolle am Fußballplatz anhand der Fragen „Wie beschreibt sie sich selbst?“, „Wie beschreibt sie sich in dem was sie bewirkt?“ darzustellen.

107


Um die derzeitige Lage der „Fanarbeit“ in Österreich einschätzen zu können, stellt sich sowohl die Frage nach der „Relevanz der Sozialarbeit am Fußballplatz?“ als auch die Frage „Sind die derzeitigen Konzepte in Österreich ausreichend?“. Am Ende des Kapitels wird ein Fan-Projekt aus Deutschland vorgestellt, dessen Erläuterung der Darstellung eines gelingenden Fan-Projekts dient. 5.2.1

Die Geschichte der Sozialarbeit mit Fußballfans74

Um 1980 gab es erstmalig Sozialarbeit mit Fußballfans in Österreich. Motiviert durch Fanprojekte aus Deutschland, die mit großem Erfolg durchgeführt wurden, begann man auch in Österreich mit Fußballfans zu arbeiten. Um sich besser orientieren zu können, und dem Vorbild Deutschland folgen zu können, fanden damals Studienreisen nach München statt, wo ein Streetwork- Projekt Fans als Zielgruppe hatte. Auf einer dieser Studienreisen in München traf die Gruppe auf Fußballfans des Wiener Clubs Rapid Wien. Eine ehemalige Streetworkerin beschreibt die Situation folgendermaßen: „und dann war es in Wien eigentlich ganz leicht und es war ja „in“ für die Fans einen Streetworker zu haben und da sind wir ja schon weitergereicht worden. Kaum hat sich ein neuer Fanclub gebildet, waren die natürlich auf der Suche nach „ihrem“ Streetworker.“75

Unter dem Motto „Arbeit mit Jugendlichen am Rande der Kriminalität“ begann Streetwork 1979 im Wiener Prater. Finanziert wurden die Streetworker vom Verein „Rettet das Kind“. Der konstanteste Schwerpunkt ihrer Tätigkeit war die Arbeit mit Fußballfans. Vorwiegend wurde in dieser Zeit mit Fans des Wiener Fußballclubs Rapid Wien gearbeitet. Später kam auch die Arbeit mit Fans des zweiten großen Wiener Fußballvereins Austria Wien dazu. Vor allem an Matchtagen beobachtete man damals ein relativ neues Phänomen, welches nur aus England, Deutschland und Holland bekannt war. Fans dieser beiden Vereine waren an diesen Tagen besonders auffallend und gewaltbereiter als an anderen Tagen.76 Im Gegensatz zu heute, besuchten die StreetworkerInnen nicht nur die Heimspiele der beiden Wiener Bundesligavereine, sondern begleiteten die Fans auch zu Auswärtsspielen ihrer Teams. „Sie versuchen zu lernen, zu verstehen was dort passiert, welche Strukturen, welche Codes dort vorhanden sind, welche Leute dorthin kommen und wo diese Menschen

74

Als Quelle dienten ExpertInnengespräche, sowie schriftliche Literatur mit damaligen, sowie heutigen

MitarbeiterInnen. 75

Interview Ziering

76

Vgl. Interview Ziering 108


herkommen.“77 Als Ziel hatten StreetworkerInnen zunächst nur, „die Lebenswelt, die Rituale und Probleme dieser, in ihren Augen jugendkulturellen Subkultur zu erfahren und zu verbessern, und die Jugendlichen bei der Bewältigung ihrer Probleme zu unterstützen.“78 Die

Arbeit erfolgte zu dieser Zeit auf verschiedenen Ebenen, mit den Fans bzw. den Fanclubs selbst aber auch mit dem jeweiligen Verein. Außer an Matchtagen auf dem Fußballplatz arbeiteten die SozialarbeiterInnen in den 80er Jahren auch in einem Lokal, das als offene Anlaufstelle ein bis zwei mal in der Woche geöffnet hatte. Ursprünglich war dieses Lokal dafür gedacht, dass die Fußballfans ein Lokal haben, wo sie sich vor den Matches oder auch in ihrer Freizeit treffen konnten. Daraus wurde ein regelmäßiger Clubbetrieb, der zum fixen Bestandteil der Arbeit mit Fußballfans wurde.79 Jedoch einen expliziten Auftrag mit Fußballfans zu arbeiten, hatten die Streetworker damals wie heute nicht. 5.2.2

Ziele und Auftrag der Sozialarbeit damals

Mitte der 1980er Jahre wurden Veränderungen der Fanszene in Österreich sichtbar. Dadurch, dass die identitätsstiftenden Gruppenstrukturen der Fanclubs immer mehr in den Hintergrund traten und der gesamte Sektor somit einen Prozess durchlebte, änderten sich auch die Anforderungen an die SozialarbeiterInnen. Die Arbeit mit den Fußballfans wurde durch den Rückzug vieler Fans aus den Stadien zur Stadtteilarbeit. Vor diesen Veränderungen war die Sozialarbeit mit Fußballfans eine szeneorientierte. „Es wurde mit Szenen gearbeitet, die sich bereits zu einem bestimmten Anlass, dem Fußballspiel, formiert hatten. Die Mobile Jugendarbeit richtet sich an kleinere Orte, kleine Gemeinwesen, Stadtteile und versucht dort Jugendlich zu kontaktieren.“ 80 Durch die Veränderungen in den 80er Jahren arbeiteten die StreetworkerInnen in Wien vorrangig mit erlebnisorientierten Fans. Diese Fans wiesen verstärkte Bedürfnisse nach Selbstdarstellung auf und wurden unter dem Terminus „Hooligans“ zusammengefasst. Die negativen Auswirkungen, die mit dem Zerfall der Fußballsubkultur einhergingen, waren vor allem für junge Fans von Bedeutung. Es fiel ihnen immer schwerer eine positive Identität als Fußballfan aufzubauen. Auseinandersetzungen mit Polizei oder anderen „Obrigkeiten“ begünstigten diese Tatsachen. Dies war der Punkt an dem Streetwork zu dieser Zeit ansetzte. 77

Thaler 2007: 76

78

Thaler 2007: 75

79

Vgl. Interview Ziering

80

Thaler 2007: 78 109


„Es wird versucht ihr Bedürfnis nach Unterhaltung und Herausforderung in andere Erlebnisbereiche umzulenken, spannende Alternativen zu bieten.“81

Bis 1999 existierte das Projekt Streetwork des Vereins „Rettet das Kind“ mit der Arbeit mit Fußballfans. In diesem Jahr kam es zu einer Umstrukturierung. Die Situation veränderte sich dahingehend, dass die Finanzierung des Projekts nicht mehr durch das Amt für Jugend und Familie, sondern durch die MA 13 (dem ehemaligen Landesjugendreferat) erfolgte. Das Team bei Streetwork Wien wurde von sechs auf drei MitarbeiterInnen gekürzt und die Fanbetreuung wurde beendet. Die Stadt Wien wollte die beiden Fußballvereine SK Rapid und FK Austria und die Bundesliga in die Finanzierung einbeziehen. Die Vereine, die Stadt Wien und die Bundesliga sollten je ein Viertel finanzieren, was jedoch am mangelnden Interesse der beiden Fußballvereine scheiterte. 82 Dies war auch die Zeit, als die Bedeutung von Sozialarbeit im Feld der Fußballfans abnahm und die Bedeutung der Exekutive weiter zunahm und Fans ab diesem Zeitpunkt ausschließlich als Sicherheitsproblem wahrgenommen wurden.83 5.2.3

Ziele und Auftrag der Sozialarbeit heute

In der Sozialarbeit mit Fußballfans sind Jugendliche und junge Erwachsene die eigentliche Hauptzielgruppe. Im folgenden Kapitel soll durch die Darstellung einzelner Themen die Arbeit der StreetworkerInnen und ihre Handlungsweisen, sowie Methoden, insbesondere mit den Fans der Vereine FK Austria Wien und SK Rapid Wien näher gebracht werden. Ein wichtiger Punkt zu Beginn dieser Ausführung ist, dass es in Österreich keine Fan- bzw. Projektarbeit am Fußballplatz im eigentlichen Sinne gibt, sondern es sich um Sozialarbeit/Streetwork am Fußballplatz handelt. „Streetwork Wien arbeitet ausschließlich im Auftrag der Stadt Wien und die Fußballfanszene stellt neben anderen subkulturellen Szenen einen Teil der Zielgruppe dar. Dies hat zur Folge, dass die StreetworkerInnen im Stadion keinen offiziellen Status haben, was die Kontaktmöglichkeit und den Beziehungsaufbau langwieriger gestaltet.“84 Diesbezüglich ist eine strenge Unterscheidung zu machen, da

Fanprojekte in erster Linie mit ganzen Fanclubs oder Fangruppen und dem Verein zusammenarbeiten, wohingegen sich Streetwork gänzlich davon abgrenzt indem sie sich hauptsächlich auf die Methode der Einzelfallhilfe konzentriert. Sie befasst sich mit einzelnen

81

Thaler 2007: 80

82

Vgl Roßbacher 2007: 45

83

Vgl. Thaler 2007: 74

84

Roßbacher 2007: 86 110


Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Fußballkontext. Streetwork am Fußballplatz ist derzeit am Wiederaufbau ihrer Beziehungen, da es, wie schon beschrieben, seit ca. 2001 keinen bzw. nur sehr geringen Kontakt zu den Fans gegeben hat. Streetwork ist „laut Bescheid der Wiener Landesregierung ...´als Einrichtung der freien Jugendwohlfahrt geeignet, nichthoheitliche Aufgaben der öffentlichen Jugendwohlfahrt ... zu erfüllen`.“85 Ihre Aufgabe ist es also, „benachteiligte Jugendliche, deren Lebenssituation (...) zu verbessern ist, die aber von bestehenden Einrichtungen der Jugendarbeit nicht genügend erreicht werden, bzw. von diesen nicht erreicht werden wollen, zu unterstützen.“86 An dieser Stelle ist wichtig zu erwähnen, dass es, wie Roßbacher in einem Interview sehr ausführlich erklärte, in Österreich keinen offiziellen Auftrag zu sogenannter „Fanarbeit“ gibt, wo beispielsweise mit den Vereinen über verschiedene Belange wie Choreographien verhandelt werden würde. Fanbetreuung gab es laut Synek seit der Gründung von Streetwork 1979 bis zum Jahr 1999, wo dieser Arbeitsbereich auf Wunsch des Subventionsgebers beendet wurde. Allerdings gibt es die eben erwähnte „Streetwork am Fußballplatz“, welche sich auf den einzelnen (gewaltbereiten und/oder politisch extremen) Jugendlichen konzentriert. Es geht um die Verbesserung der Lebenssituation dieser Jugendlichen. Hierzu soll unter anderem die Selbsthilfefähigkeit der Jugendlichen gefördert werden sowie auch gesellschaftliche Akzeptanz von ausgegrenzten Jugendlichen erreicht werden.87 „Wir verstehen unsere Arbeit als einen Beitrag gegen Gewalt, Nationalismus, Extremismus und Sexismus für ein interkulturelles Miteinander von Jugendlichen.“88

5.2.3.1 Zielgruppen Die AdressatInnen der SozialarbeiterInnen von „Rettet das Kind“ – Verein Streetwork sind Jugendliche im Alter von 14 bis 25 Jahren. Diese aufsuchende Jugendarbeit ist überregional organisiert, daher ist Streetwork in ganz Wien tätig. Dabei wird nicht stadtteilorientiert gearbeitet, sondern zielgruppen- und szeneorientiert. Die Zielgruppe definiert sich als Arbeit „mit gewaltbereiten, und/oder politisch extremen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die oft auch einer der folgenden Szenen angehören: gewaltbereite, an Fußball interessierte Jugendliche und junge Erwachsene, Hooligans, Skinheads, Gabbers“.89 Für diese Zielgruppe

ist die sog. Niederschwelligkeit des Projektes ein weiterer wichtiger Ansatz, da es für diese

85

Flyer Leitbild Streetwork: 3

86

Flyer Leitbild Streetwork: 4

87

vgl. Flyer Leitbild Streetwork: 1ff

88

Flyer Leitbild Streetwork: 7

89

Jahresbericht Streetwork (2006): 5 111


Jugendlichen charakteristisch ist, viele bestehende Angebote auf Grund von Interesselosigkeit oder auf Grund von direkter oder indirekter Ausgrenzung nicht zu nützen.90 Die Gewichtung der Arbeit mit Fußballfans ist laut verschiedenen Interviews mit StreetworkerInnen ca. ein Drittel. Allerdings ist dies schwierig zu benennen, da zwischen den einzelnen Zielgruppen sehr viele Überschneidungen stattfinden. Die Arbeit am Fußballplatz nimmt also einen großen Teilbereich im Projekt Streetwork ein. 5.2.3.2 Die Fans aus dem Blickwinkel von Streetwork Nach den Angaben von Synek sind die Fans der beiden Wiener Großvereine FK Austria und SK Rapid zum Großteil österreichischer Herkunft, zwischen 14 und 21 Jahren alt und in ihrem Erscheinungsbild sehr unterschiedlich. Im Jahresbericht 2006 wird beschrieben, dass weit mehr Männer als Frauen anzutreffen sind (ca. 86% zu 14%), welche sich in Kleingruppen organisieren. Ausbildungsformen sind sehr viele vertreten, teilweise ist bei den jungen Erwachsenen auch Langzeitarbeitslosigkeit gegeben. Roßbacher charakterisiert diese spezielle Zielgruppe weiters als wertemäßig sehr konservativ und politisch unterschiedlich orientiert. Das Freizeitverhalten aus der Sicht der StreetworkerInnen ist von einem hohen Alkoholkonsum gekennzeichnet. Hierbei gibt es jedoch auch Gruppierungen, welche Alkohol im Stadion ablehnen, da sie sich völlig auf den Support der Mannschaft konzentrieren wollen. Teilweise sind auch illegale Substanzen ein Thema, allerdings ist hier die Häufigkeit nicht höher als in anderen Jugendszenen. Unter den Fans ist ein großes Aggressionspotential zu beobachten, welches jedoch oft vom aktuellen Spielstand abhängt. Kurz erwähnt werden sollte hier, dass es sich bei der genannten Aggression oder Gewaltbereitschaft nicht unbedingt um tätliche Angriffe handeln muss. Schon das Verhöhnen des Gegners in Sprechchören als eine frühe Form von Gewalt hilft Spannung abzubauen. Es besteht ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der einzelnen Gruppierungen und Treffen auch außerhalb vom Stadion sind für viele Jugendliche bzw. junge Erwachsene sehr wichtig. Das Fußballstadion hat sich zu einem Treffpunkt entwickelt, wo soziale Kontakte geknüpft oder gefestigt werden. Die Unterstützung der Mannschaft spielt eine große Rolle. Es wird für allfällige Materialien, Fanutensilien, Auswärtsfahrten verhältnismäßig viel Geld und Freizeit geopfert.91

90

vgl. Jahresbericht Streetwork (2006): 5ff

91

vgl. Jahresbericht Streetwork (2006): 13ff, Interview Synek und Roßbacher 112


Außerdem ist es wichtig anzumerken, dass es aus der Sicht der StreetworkerInnen in Österreich derzeit keine so genannten Hooligans gibt. Diese in den 80er und 90er Jahren vertretene Gruppe hat sich zu einer sehr kritischen Fankultur mir einer anderen Dynamik entwickelt. 5.2.3.3 Streetwork im Stadion Derzeit sind fünf StreetworkerInnen am Fußballplatz vertreten, wobei jeweils ein zweier Team die Spiele der SK Rapid Wien und der FK Austria Wien besucht und es einen Posten als SpringerIn gibt. Die Teams sind derzeit geschlechtsparitätisch aufgeteilt, womit eine geschlechtssensible Grundhaltung auch „in der Kurve“ vermittelt werden soll. Die Einsätze im Fußballzusammenhang erfolgen derzeit bei jedem Heimspiel der Vereine FK Austria Wien uns SK Rapid Wien. Die durchschnittlichen Kontakte pro Feldeinsatz können laut den Angaben sehr unterschiedlich sein. Von den Befragten wurden Angaben zwischen 25 und 80 Kontakte pro Match gemacht. Rund ein bis zwei Stunden vor Spielbeginn werden diverse Treffpunkte um die Stadien bei Heimspielen aufgesucht und bereits erste Kontakte geschaffen bzw. gepflegt. Der Kontakt zur Zielgruppe wird durch Ansprechen hergestellt. Dabei ist eine hohe Transparenz von großer Wichtigkeit. Doch nicht nur die Kontaktaufnahme, sondern auch die Aufrechterhaltung dieser Beziehungen wird durch das Aufsuchen der Jugendlichen und jungen Erwachsenen vor, während und nach den einzelnen Fußballspielen erleichtert. „Der Fußballplatz dient eigentlich vorrangig dazu den Kontakt zu halten.“92 Bei manchen Fans

entwickelt sich durch diesen Kontakt am Fußballplatz eine vertrauensvollere Beziehung, wodurch die Fans auch die StreetworkerInnne selbst aufsuchen oder im mobilen Büro anrufen und ihre Angebote wie Einzelberatung in Anspruch nehmen. Auch ein Kontakt außerhalb des Stadions ist für den Beziehungsaufbau und dessen Pflege von großer Wichtigkeit. Eine weitere Möglichkeit um die Fans zu erreichen sind Kontakte zu szenerelevanten Personen (sogenannte Schlüsselpersonen), über die im Anschluss viele Kontakte zu einzelnen Personen entstehen. Generell spielt die Präsenz am Platz, das „Sehen und gesehen werden“, eine wesentliche Rolle. 5.2.3.4 Methoden von Streetwork Streetwork selbst wird laut der klassischen Sozialarbeit nicht als eigene Methode oder Konzept angesehen. „Streetwork bezeichnet eine methodische Vorgehensweise innerhalb verschiedener Praxisfelder der Jugend- und Sozialarbeit. Streetwork ist eine Kontaktform im 92

Interview Synek 113


Sinne aufsuchender Arbeit. StreetworkerInnen arbeiten nicht (nur) in den Räumen einer Institution, sondern begeben sich (auch) in das unmittelbare Lebensumfeld ihrer Zielgruppe, indem sie deren informelle Treffpunkte aufsuchen.“93 Dennoch spielen im Rahmen der Arbeit der StreetworkerInnen am Fußballplatz die Methodik der Einzelfallhilfe („Casemanagement“, „Casework“), sowie auch zum Teil die Gruppenarbeit eine Rolle. Konfliktmanagement, sowie Mediation sind tragende Vorgehensweisen ihrer Arbeit. Die Gemeinwesenorientierung hat speziell in der Organisation Streetwork „Rettet das Kind“ keine Bedeutung, da sie überregional arbeitet. Es ist zu beachten, dass es nicht „das Streetworkkonzept“ gibt, dennoch gibt es einige Grundkompetenzen und -prinzipien mit denen auch Menschen Angebote zugänglich gemacht werden können, die ansonsten nicht erreicht werden wollen bzw. können: Parteilichkeit: Wichtig ist dabei eine genaue Begriffsbestimmung, denn gerade bei der Auslegung dieses Prinzips kann es zu Definitionsverschwimmungen kommen. „Die Schwierigkeit für Sozialarbeiter, sich einzulassen auf eine fremde Lebenswelt, mit anderen Regeln, Normen und Werten, bedeutet eine bewusste Auseinandersetzung mit der Nähe, aber auch der Grenze von Beziehung im Feld.“94 Vor allem unter dem Blickwinkel der

Authentizität ist diese Handlungsweise zu bedenken. Wie Gref anmerkt, erscheint etwa der Begriff der „kritischen Sympathie“ für die Arbeit im Streetwork nahen Bereich passend, bei der es zu einer grundsätzlich positiven Einstellung der Zielgruppe gegenüber kommt. Die Fähigkeit zur Abgrenzung ist dabei von besonderer Wichtigkeit im Arbeitsalltag.95 Freiwilligkeit: Auch die Freiwilligkeit ist ein wesentliches Anliegen der Streetwork, da dieser entscheidend für den Kontakt- und Beziehungsaufbau ist und nur so eine vertrauensvolle Beziehung zwischen StreetworkerIn und KlientIn hergestellt werden kann. Anonymität: Die Wahrung des Datenschutzes und die Anonymität sind entscheidend für die Arbeit in diesem Bereich. Die ermöglicht erst das Arbeiten an der Beziehung. „Qualitativ gute Streetwork verfügt in jedem Fall über fundierte Lebensweltkenntnisse und einen reichen Fundus an Handlungs- und Erfahrungswissen“96 Weitere Kriterien, die Roßbacher beschreibt, sind die Niederschwelligkeit, sowie die Zielgruppenorientierung und

93

Gref 1995: 13

94

Klose 2000: 6

95

vgl. Gref 1995: 19

96

Gref 1995: 21 114


die Szenenorientierung. Dabei ist es notwendig sich den KlientInnen nicht aufzudrängen, sondern eher einladend zu agieren.97 Die Beschreibung der Methoden des Streetworks lassen erkennen, dass sie sehr allgemein gehalten sind und nicht speziell an den Fußballkontext gebunden werden. 5.2.4

Interventionen seitens Streetwork

Die Faktoren wann und ob es zu Interventionen der StreetworkerInnen am Fußballplatz kommt sind vielfältig. Dabei spielt im jeden Fall die Einschätzung der Situation durch die StreetworkerInnen selbst eine große Rolle. Der Selbstschutz ist dabei vorrangig. Andere Faktoren sind auch wie sich die Situation in die eingegriffen werden könnte darstellt, welche Personen in die Situation verwickelt sind und ob, und wenn ja, welche Personen von den SozialarbeiterInnen bekannt sind, zusammenfassend gesagt: welche Beziehung zu dieser Person besteht. Einen hohen Stellenwert bei potentiellen Gewaltsituationen nimmt sicherlich die Prävention von Gewalt ein. Wenn nun beobachtet wird, dass die Polizei einen Fan von der Tribüne holt, versuchen sich die StreetworkerInnen unter den oben beschriebenen Bedingungen vorsichtig zu intervenieren und sich zum Beispiel als Begleitperson für die Einvernahme und Verhaftungen anzubieten. 5.2.5

Zusammenarbeit aus dem Blickwinkel von Streetwork

Zum Großteil arbeiten StreetworkerInnen mit all jenen Personen zusammen, mit denen die Jugendlichen Kontakt haben. Beispielsweise mit RichterInnen bei Verhandlungen, mit SozialarbeiterInnen im Sozialamt oder mit dem Arbeitsmarktservice. Die Problemlagen, Ziele und daher auch KooperationspartnerInnen der StreetworkerInnen hängen immer von der individuellen Situation der Jugendlichen ab, wodurch sich ein sehr differenziertes Arbeitsfeld ergibt. Explizit im Fußballzusammenhang ist laut den Interviews ein mäßiger Kontakt zu Ordnern, Fanbetreuung und Vereinen vorhanden. Zur Polizei wird kein Kontakt gepflegt. Es gibt keine Vernetzungstreffen oder dergleichen, da dies im Kontakt zu den Fans als äußerst störend empfunden wird und großes Misstrauen hervorbringen würde. Es gibt teilweise Gespräche mit einzelnen PolizistInnen, allerdings wird hier darauf geachtet, dass klargestellt bleibt, dass die StreetworkerInnen parteilich für sie sind und keine Informationen bekannt geben. Kontakt zur Polizei ist von ihrer Sichtweise aus also nur mit bestimmten Regeln und Grenzen möglich.

97

vgl. Interview Roßbacher 115


Die Arbeit mit Fußballfans wird als wirkungsvoll und berechtigt wahrgenommen, wodurch neben regelmäßigen kleinen Adaptierungen keine großen Veränderungen notwendig sind. Da Fußballfans immer wieder in strafbare Handlungen verwickelt sind besteht hier ein Bedarf an Unterstützung. Weiters ist es wichtig, dass den Jugendlichen bei möglicherweise ungerechtfertigten Sanktionen durch Polizei oder Verein Beratung und Information angeboten werden. Das hohe Aggressionspotential und der Alkohol- oder Drogenkonsum sprechen ebenso für eine Weiterführung der bisherigen Arbeit. Aufgrund der fehlenden Finanzierung wird es auch in Zukunft keine Fanprojekte geben. Die bevorstehende Europameisterschaft 2008 in Österreich und der Schweiz ändert an der grundlegenden Arbeit der StreetworkerInnen nicht besonders viel, da sie wie bereits öfters angesprochen keine Fanarbeit durchführen und ihr Klientel zum größten Teil auf Grund finanzieller Schwierigkeiten ohnehin nicht an der Europameisterschaftsspielen teilnehmen werden. . 5.2.6

Gewalt aus dem Blickwinkel von Streetwork

Nachdem dem Thema „Gewalt in der Fußballszene“ sowohl in den Medien als auch auf Seiten verschiedener AkteurInnen am Fußballplatz eine große Bedeutung zukommt, erschien es notwendig auch diesen Aspekt im Zuge der Forschung näher zu beleuchten. Die Relevanz dieses Themas innerhalb der Fußballszene basiert unter anderem darauf, dass die Existenz verschiedener AkteurInnen mit der Gewaltbereitschaft der Fans begründet wird. So ist zum Beispiel das Bestehen der Sozialarbeit am Fußballplatz hauptsächlich durch gewalttätige Auseinandersetzungen und Ausschreitungen legitimiert. Auch die Präsenz der Polizei sowie die Arbeit der FanbetreuerInnen ist in erster Linie auf die Gewaltbereitschaft bzw. auf gewalttätige Handlungen der Fans ausgerichtet. Es ist also diesen AkteurInnen gemeinsam, dass der Fokus und auch die Begründung ihrer Arbeit auf der Präsenz gewaltbereiter Fußballfans beruht. Dass diese Perspektive zur Folge hat, dass die Fans auf diesen Gewaltaspekt reduziert werden, ist durchaus nachvollziehbar. Ziel dieser Forschung ist es jedoch nicht weitere Beispiele für die in den Medien und in der Gesellschaft bekannt gewordenen gewalttätigen Fußballfans zu liefern, sondern eine differenzierte Darstellung über die derzeitige Fanszene in Österreich anhand der beiden Wiener Vereine FK Austria Wien und SK Rapid Wien zu geben. Doch es soll der grundsätzlich medialen Überbewertung der Fangewalt unter anderem durch die Ergebnisse des Fragebogens, sowie durch die geführten Interviews und Beobachtungen relativiert werden. Damit ist es sicherlich nicht ausgeschlossen, dass auch Gewalt ein Faktor am Fußballplatz ist, der zum Tragen kommt. Die Gewalt am Fußballplatz zeigt sich recht 116


unterschiedlich. Die Medienberichterstattung in Österreich, aber auch im restlichen Europa, konzentriert ausschließlich mit dem Ausdruck der physischen Gewalt der Fans und lässt verbale Gewalt völlig hinten aus. Dabei stellt sich die Frage, was als Gewalt definiert wird. Denn im alleinigen „Stimmung machen“ durch Sprechchöre für die favorisierte Mannschaft etwa ist bereits zum Teil auch schon Aggressionspotential enthalten. „Über andere Formen verbaler Gewalt, allen voran sexistische Schmähungen und die in allen Stadien verbreitete Homophobie wird allerdings meist großmütig hinweggesehen oder besser hinweggehört.“98 Laut diesem Zitat und auch durch Eindrücke, die während der Feldbeobachtung für diese Forschung eingebracht wurden, kommt es von allen Seiten zu einem Vergessen dieser Art der Gewalt, die bei näherem Nachfragen und Zuhören bei vielen Fans in der Kurve dennoch leicht ersichtlich wird. Laut Streetwork gibt es sowohl Aggressionspotential wie auch Gewaltpotential am Fußballplatz, jedoch ist eine Generalisierung des Themas Gewalt am Fußballplatz, wie sie oft durch Medienberichten beschrieben wird, viel zu oberflächlich. Ein Streetworker meint dazu: „Aggressionspotential haben viele, die dort sind. Gewaltpotential sicher auch. Man kann aber nie sogen: Der wird jetzt gewalttätig oder ned. Das hängt von der Situation ab. Das hängt auch davon ab wie der persönlich drauf is, wie die ganze Stimmung is, wie der Verein gspüht hat. Das es jetzt eine Gewaltbereitschaft vor Ort gibt!? Jo, die ist da. So is es einfach. Ob des jetzt für einen ganzen Sektor zutrifft, würd i jetzt so auch nicht unterschreibm. (…) Es braucht ganz, ganz viele kleine Aspekte, warums dann tatsächlich zu Ausschreitungen kommt.“99

Heidi Thaler fasst die derzeitige Situation und die darin enthaltende Problematik folgendermaßen zusammen: „Die Folgen dieses Gewaltverständnisses im praktischen Umgang mit Fußballfans zeigt die bekannten Ausprägungen. Anstatt strukturverändernde, präventive Maßnahmen zu setzen, oder zumindest ernsthaft zu diskutieren, werden auf das Individuum ausgelegte, repressive Lösungen angeboten. Lösung meint hier den Zu- und Eingriff durch Kontrollinstanzen. Dahinter verbirgt sich offensichtlich die fatale Einschätzung, das Problem der Fangewalt könne in erster Linie nur durch entsprechende polizeiliche Maßnahmen gelöst werden. Strukturelle Ursachenkomplexe werden dabei ebenso aus der Diskussion (und der Verantwortung) ausgeklammert, wie eine ernsthafte Diskussion über die Möglichkeiten sozialpädagogischer Angebote.“100

98

Thaler 2007: 31

99

Interview Synek

100

Thaler 2007: 31f 117


5.2.7

Good Practice – Soziale Arbeit mit Fußballfans in Deutschland

Nachdem in Österreich bisher lediglich nur ein „Konzept für Fanprojekte in Wien“ besteht, an dessen Umsetzung die InitiatorInnen bislang gescheitert sind, werden im folgenden Abschnitt Konzeptionen, Methoden und Ergebnisse hinsichtlich Fanprojekten in der Bundesrepublik Deutschland herangezogen, um eine erfolgreiche und gewinnbringende Fanarbeit aufzeigen zu können. Schließlich existieren in Deutschland bereits seit rund 27 Jahren unterschiedliche Fan-Projekte, nachdem sich 1981 das erste Fanprojekt in Bremen gründete.101 Fan-Projekte sind in der Bundesrepublik Deutschland in der Geschichte der aufsuchenden Jugend- und Sozialarbeit zu verorten. Sie stellen Einrichtungen der außerschulischen Jugendarbeit

dar102

und

verstehen

sich

selbst

als

„weitgehend

unabhängige

Drehpunkeinrichtungen zwischen jugendlichen und erwachsenen Erfahrungsmechanismen des organisierten Profifußballs. Neben jugendpädagogischen Ansätzen werden gleichrangig Anteile von Institutionen- und Öffentlichkeitsarbeit als spezifische Aufgabe angesehen. Hiermit wird insbesondere dem Umstand Rechnung getragen, dass die öffentlichen und institutionellen Reaktionen auf (auffälliges) Fanverhalten die Entwicklung dieser Jugendszene nicht unwesentlich beeinflussen.“103 In dieser Definition von Fanarbeit findet sich auch der

wesentliche Unterschied der Fanarbeit zur nachgehenden Jugendarbeit wieder – nämlich die Vernetzungstätigkeit gegenüber Institutionen und der Öffentlichkeit, die in der Konzeption von Fanarbeit explizit genannt wurde.104 Als Ziele dieser Fanprojekte gelten unter anderem: •

die Förderung der Fähigkeiten der Jugendlichen zur Bewältigung ihrer altersgemäßen Entwicklungsaufgaben,

das Anregen von Lernprozessen der Fans und ihrer Gruppierungen

sowie die Unterstützung der Jugendlichen in belastenden Lebenslagen und krisenhaften Situationen.105

Zielgruppe dieser Fanprojekte im Rahmen der Jugend- und Sozialarbeit stellen alle Ausdifferenzierungen der Fan-Szene dar, wie Hooligans, Skinheads, Kutten, etc. Es wird also keine Ausgrenzung von Jugendlichen vorgenommen. 106

101

vgl. Schneider 1995: 4

102

vgl. Schneider 1995:1

103

Schneider 1995: 1

104

vgl. Roßbacher 2007: 29

105

vgl. www.kos-fanprojekte.de/material/fanarbeit/soziale-arbeit-01p.html [27.11.06] : 3 118


Im Zentrum ihrer Arbeit steht das Aufsuchen der Jugendlichen an Plätzen und Orten, an denen sich diese im Fußballkontext aufhalten, so wie das Eintauchen in die Alltagswelt der Fans. Darüber hinaus bemühen sich die so genannten FanpädagogInnen um ein Verstehen der sich rasch wandelnden Szene.107 Als die wichtigsten Schwerpunktbereiche der Fanarbeit nennt Schneider: •

„die Hilfen zur Stabilisierung der Fan-Cliquen und Clubs und der regionalen FanGemeinde durch Begleitung und Teilnahme an Gruppenprozessen;

Förderung und Stützung von Eigeninitiativen und Selbstverantwortung von Fans;

Angebote von Freizeitangeboten nicht kommerzieller Art;

ganzheitliche Einzelberatungen;

und Hilfen in Notsituationen.“108

Was die Öffentlichkeitsarbeit betrifft, so sieht diese vorwiegend Information, Verständigung und Vermittlung vor und richtet sich an Sportvereine, Polizei, Profivereine, Medien, Bildungseinrichtungen, Profivereine, etc. Der Fokus wird in diesem Arbeitsbereich sowohl auf Vermittlungstätigkeiten in brisanten Konfliktsituationen und akuten Einzelfällen als auch auf situationsübergreifende, langfristige Vermittlungsarbeit gerichtet.109 Um diese allgemeinen Ausführungen zur Fanarbeit in Deutschland zu veranschaulichen, erfolgt nun die Darstellung eines praktischen Beispiels, nämlich dem Fan-Projekt Berlin. 5.2.8

Das Fanprojekt Berlin

„Von 1984 bis 1987 existierte ein erstes Fan-Projekt in Berlin (...), welches aus Mitteln des Bundesjugendministeriums gefördert wurde und einen wissenschaftlichen Auftrag hatte. 1990 kam es dann zur Neuauflage sozial-pädagogischer Fanbetreuung vor einer völlig veränderten politischen wie geographischen Struktur – zurückzuführen auf die Wiedervereinigung Deutschlands.“

110

Das Fan-Projekt

Berlin ist

heute eine Sozialeinrichtung des

Landessportbundes Berlin. Nachdem das Fan-Projekt Berlin neben 32 anderen Fan-Projekten

106

vgl. Schneider 1995: 3

107

vgl. www.kos-fanprojekte.de/material/fanarbeit/soziale-arbeit-01p.html [27.11.06] : 3

108

Schneider 1995: 4

109

vgl. Schneider 1995: 4

110

KOS – Koordinationsstelle Fan-Projekte 2007: 9 119


in Deutschland den konzeptionellen Grundlagen, wie sie im NKSS - Nationale Konzept Sport und Sicherheit - festgelegt wurden, unterliegen, gilt auch für das Fan-Projekt Berlin die darin vorgesehene

„Drittelfinanzierung“,

die

sich

hinsichtlich

des

Fan-Projekts

Berlin

folgendermaßen gestaltet: Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport, die Abteilung Jugend der Stadt Berlin und der örtlicher Lizenzverein.111 Zu Beginn der 90er Jahre bestand die Aufgabe bzw. der Zweck des Fan-Projekts Berlin vorwiegend darin, sich mit der zunehmenden Aggressivität und Gewalt im Fußballgeschehen auseinanderzusetzen

und

dieser

mit

zielgerichteten

Angeboten

entgegenzuwirken.

Inzwischen versteht sich das Fan-Projekt sowohl als Beratungseinrichtung als auch als Vermittlungsinstanz zwischen den Fans und den im Fußballzusammenhang tätigen Vereinen und Institutionen.112 Neben der Auseinandersetzung mit gewaltförmigen Verhalten bzw. rassistischen oder rechtsextremistischen Einstellungen in der Fanszene und dem Bemühen, alle weiteren im Fußball agierenden Institutionen zu mehr Verständnis und Engagement für jugendliche Fußballbegeisterte anzuregen, kommt auch der Unterstützung der Fans bei der Artikulierung, Wahrung und Umsetzung ihrer Bedürfnisse und Wünsche eine immer größere Bedeutung zu. Zielgruppe des Fan-Projekts Berlin sind 14 bis 27-jährige Fans aller sozialen Schichten von vier Berliner Vereinen.113 Wie bereits erwähnt besteht das Team des Fan-Projekts Berlin aus vier hauptamtlichen MitarbeiterInnen.114 Deren Arbeit auf folgenden Zielsetzungen basiert und sich daraus resultierend entsprechende Aufgaben ergeben: •

„zur Gewaltprävention beizutragen,

Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, indem die Fähigkeiten der Jugendlichen zur Bewältigung ihrer altersgemäßen Entwicklungsaufgaben gefördert, Lernprozesse der Fans und ihrer Gruppierungen vielseitig anregend herausgefordert (pädagogische Intervention) und die Jugendlichen in belastenden Lebenslagen und krisenhaften Situationen (Krisenintervention) unterstützt werden

zur Schaffung eines Klimas, indem die Vereine und weitere gesellschaftliche Institutionen zu mehr Engagement für Jugendliche bewegt werden können, beizutragen,

111

vgl. Roßbacher 2007: 31f

112

vgl. KOS – Koordinationsstelle Fan-Projekte 2007: 9

113

vgl. KOS – Koordinationsstelle Fan-Projekte 2007: 4f

114

vgl. Roßbacher 2007: 34f 120


ein authentisches und objektives Bild von Fankultur in der Öffentlichkeit zu schaffen, (...)“ 115

Zur Umsetzung dieser Zielvorstellungen und Aufgaben werden nachstehende Methoden eingesetzt:

sportorientierte Jugendarbeit / Streetwork

Konfliktmanagement und Krisenintervention

Soziale Beratungsarbeit sowie Cliquen- und Gruppenarbeit

Lobbyarbeit/ Kooperation mit zielgruppenrelevante Institutionen, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Parteiliche Interessensvertretung für die jugendlichen Fans116

Im folgenden Abschnitt werden die Angebote des Fan-Projekts Berlin angeführt: •

Organisation und Begleitung zu den Heim- und Auswärtsspielen sowie nationale und internationale Jugendbegegnungen

Vermittlungstätigkeiten

Allgemeine Beratungen bei Konflikten mit Eltern, Arbeitslosigkeit, etc.117

5.3 Schlusswort Durch die gesammelten Informationen lässt sich erkennen, dass sich die derzeitige Arbeit am Fußballplatz in einer Art Grauzone befindet. Der Auftrag, explizit mit Fußballfans zu arbeiten, besteht derzeit nicht. Hinsichtlich des Auftrages ist nur klar, dass mit gewaltbereiten Jugendlichen und jungen Erwachsenen gearbeitet werden soll. Diese Begrifflichkeit ist jedoch sehr weit gefasst und führt die SozialarbeiterInnen (StreetworkerInnen) neben anderen Tätigkeitsfeldern auch auf den Fußballplatz. Derzeit existiert in Österreich kein sozialarbeiterisches Fanprojekt. Der Verein „Rettet das Kind“ bietet zwar Einzelfallhilfe für Fußballfans an, leistet jedoch kaum Cliquen- und

115

Fan-Projekt Berlin 2007c:1 zit.n. Roßbacher 2007: 26f

116

vgl. Roßbacher 2007: 37

117

vgl. Roßbacher 2007: 37f 121


Gruppenarbeit, was am Beispiel der Fanprojekte als ein zentraler Bestandteil von Fansozialarbeit gesehen wird. Darüberhinaus sollte die Präventivarbeit verstärkt in den Mittelpunkt rücken, was allerdings in der Praxis zu wenig durchgeführt wird. In diesem Zusammenhang soll hervorgehoben werden, dass die derzeitige Arbeit, die am Fußballplatz geleistet wird, nicht ausreichend ist. Die Arbeit von Streetwork in Österreich ist klar von Fanarbeit in anderen Ländern, wie in Deutschland oder England, zu unterscheiden, es handelt sich, wie gesagt, um eine Form von Sozialarbeit, die auch Jugendliche auf dem Fußballplatz aufsucht, jedoch in keinster Weise um Fanarbeit wie sie z.B. in Deutschland im Rahmen der vielen Fanprojekte verstanden und betrieben wird. So sind das Angebot der Beziehungsarbeit und diverse andere Angebote zur Unterstützung r einzelner Jugendlicher, die sich am Fußballplatz bewegen, in Wien vorhanden. Eine ganzheitliche Unterstützung, die auch von einer Mehrheit der Fans als solche wahrgenommen werden sollte, ist nicht gegeben. Diese Situation spiegelt sich auch in den Ergebnissen der Fragebogenuntersuchung (siehe Kapitel Fragebogenuntersuchung/Kontakt zu Berufsgruppen) Angesichts der derzeitigen Auftragslage von Polizei und Streetwork kommt es zu einer Verengung bzw. Reduktion der Fans auf Gewalt. Gewalt scheint sozusagen das einzige Motiv und die einzige Legitimation zu sein, warum Streetwork und Polizei in diesem Feld tätig sind. Es erscheint unbedingt notwendig, ein umfassenderes Konzept zu erstellen und dahingehende Strategien zu entwickeln, vermehrt präventive Arbeit leisten zu können. Nicht nur am Problem der Gewaltausübung am Fußballplatz sollten sich zukünftige Interventionen orientieren, sondern an den Gegebenheiten und Charakteristika der Fankultur, die viele andere Aspekte beinhaltet. Die augenblickliche Ansicht über Fußballfans und ihr Umfeld ist verengt. Insofern ist die Relevanz von Sozialarbeit in diesem Feld nicht ausreichend herausgearbeitet, zumal sie in anderen Funktionen, in denen sie überaus wichtig sein könnte, bislang nicht erkannt wurde (siehe Beispiel des Fanprojekts Berlin). Allerdings müsste ein speziell auf die heimische Situation abgestimmtes Konzept entwickelt werden. Das vorgestellte Projekt in Deutschland und viele ähnliche Projekte beruhen auf langjährigen Erfahrungen praktischer wie wissenschaftlicher Arbeit und sie haben sich bewährt. Es stellt sich nun die Frage, warum in Österreich bislang derartige Projekt nicht existieren, warum bis heute keine Fan-Projekte gegründet wurden und was die Vereine und den ÖFB, sowie die Stadt Wien veranlasst, darauf zu verzichten. Heidi Thaler fasst das Problem folgendermaßen zusammen: „Ein Problem, dass sich vor allem in Österreich zeigt, ist das Nicht-Vorhandensein von pädagogischen Institutionen, die mit einer professionellen Fanarbeit betraut sind. Die, durch die Vereine geleistete 122


Fanbetreuung ist oft nicht, oder in zu geringem Maße vorhanden, was zumeist auf Geldmangel oder auf das prinzipielle Desinteresse an einer professionellen Fanbetreuung zurückzuführen ist.“118 Die vorliegende Studie versucht ein Bild gegenwärtiger Fankultur am Beispiel Wien zu vermitteln, in der sich ein breites Spektrum an Ansätzen für eine Fanarbeit findet. Seien es die steigende Anzahl an jungen Frauen, die auf den Fußballplatz drängen oder die vielen Fanclubs, die sich Fans als ihre Gesellungsform wählen und deren Zahl in den letzten Jahren angestiegen ist. Hier gibt es Bedarf an Unterstützung und Förderung im Sinne einer positiven, lebendigen Fankultur von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die sich den Fußballplatz als ihren wichtigsten sozialen Bezugsrahmen gewählt haben. Hier geht es auch darum und vor allem darum, eine zunehmend junge Subkultur (mehr als die Hälfte der Fans in der Kurve sind nicht älter als 20 Jahre) zu unterstützen, zu begleiten. Die Zeit ihres Fan-Seins soll möglichst unbeschadet, d.h. ohne Vorstrafen oder sonstige Probleme vonstatten gehen. Eine Kriminalisierung

dieser

Subkultur,

die

ihren

Anfang

in

einer

undifferenzierten,

stigmatisierenden Sicht auf Fans nimmt und sie unisono als gewaltbereiten Mob definiert, schadet nicht nur dem einzelnen Jugendlichen, sondern der gesamten Fankultur und damit dem österreichischen Fußballgeschehen. Die langjährige Praxiserfahrungen aus der Arbeit mit jugendlichen Fußballfans zeigen, dass es eine Neigung gibt, dem Fremdbild (hier der gewaltbereite Jugendliche) auch entsprechen zu wollen, vor allem wenn es mangelhafte Alternativen zur Selbstfindung und Selbstkonstruktion gibt. In dieser Hinsicht zeigen sich Jugendliche verführbar und hier geht es darum, von Seiten der verantwortlichen Erwachsenen in geeigneter Form zu reagieren und alternative Angebote zu machen. Ein Fanprojekt, das eine sozialarbeiterische und sozialpädagogische Kompetenz aufweist, wäre, neben anderen Strategien, eine geeignete Antwort, wenn es darum gehen soll, die jugendlichen Fankulturen nicht nur auf eine repressive Art und Weise zu befrieden, sondern den vielen Aspekten einer lebendigen Fankultur Rechnung zu tragen.

118

Thaler 2007: 86 123


Literatur Becker, Peter, Pilz, Gunter A., 1988: Die Welt der Fans. Aspekte einer Jugendkultur, München Benke, Michael, UTZ, Richard, 1989: Hools, Kutten, Novizen und Veteranen: Zur Soziologie gewalttätiger Ausschreitungen von Fußballfans; in: Kriminologisches Journal, JG. 21, 85-100 Bruder, Klaus-Jürgen, 1988: Die Bedeutung von Fan-Kultur; in L: Bruder et al. 1988, 3-8 Duden, 2006: Das Fremdwörterbuch. Mannheim: Dudenverlag Flick, Uwe., 2002: Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Reinbeck bei Hamburg Froschauer Ulrike/Lueger Manfred, 1992: Das qualitative Interview zur Analyse sozialer Systeme. Wiener Universitätsverlag: Wien. Gabriel, Michael, 2004: Ultras in Deutschland. Eine Antwort auf die Modernisierung des Fußballsports?, in: BAFF (Hrsg.): Ballbesitz ist Diebstahl. Werkstatt- Verlag, online unter: www.kos-fanprojekte.de [15.03.07] Gabriel, Michael: In der Falle. Die Konstruktion von Fußballfans als gefährliche Gruppe, online unter: www.kos-fanprojekte.de [14.06.07] Göbbel, Narciss, 1988: Fußballfans als gesellschaftlich definiertes Problem, in : Bruder et al. 1988, 8-12 Gref, Kurt, 1995: Was macht Streetwork aus?. Inhalte – Methoden – Kompetenzen, in: Becker, Gerd/Simon, Titus (Hrsg.): Handbuch aufsuchende Jugend- und Sozialarbeit. Weinheim und München: Juventa, 13 – 21 Heitmann, Friedhelm/Löffelholz, Michael, 1991: Rechte Tendenzen bei Fußballfans. Eine jugendliche Subkultur in der Risikogesellschaft, in: deutsche jugend, Jg. 39, 11-22 Horak, R., Reiter, W., Stocker, K., (Hrsg.), 1988a: Ein Spiel dauert länger als 90 Minuten. Fussball und Gewalt in Europa, Hamburg, Horak, R., Reiter, W., Stocker, K., 1988b: Im Abseits? Jugendliche Fussballfans in Wien. Abschlussbericht des Wiener Fan-Projekts, Wien Klose, Andreas, Steffan, Werner (Hrsg.), 1997: Streetwork und Mobile Jugendarbeit in Europa. Europäische Streetwork-Explorationsstudie. Votum Klose, Andreas, 2000: Parteilichkeit in der lebensweltorientierten aufsuchenden Sozialen Arbeit mit schwierigen Zielgruppen. Ein Balanceakt zwischen den Interessen von Szenen, 124


Auftraggebern und eigenen Ansprüchen [06.05.07] http://www2.fh-fulda.de/fb/sw/projekte/curs/curs2003/bibliothek/faelle/sozarbfaelle/KloseParteilichkeit.pdf

Lamnek, Siegfried, 1989: Qualitative Sozialforschung. Band 2: Methoden und Techniken. München: Psychologie Verlags Union. Lueger, Manfred, 2000: Grundlagen qualitativer Feldforschung. Wiener Universitätsverlag: Wien Richter, Rudolf, 1995: Grundlagen der verstehenden Soziologie. WUV: Universitätsverlag Schreiber, Martina (2004): Die Interaktion zwischen Fans und Ordnungsinstanzen und ihre langfristigen Auswirkungen. Vortrag bei der Bundeskonferenz für Fanprojekte in Leverkusen, 3.- 5. Mai 2004, online unter: www.kos-fanprojekte.de [15.03.07] Steffan, Werner (Hrsg.), 1989: Straßensozialarbeit. Eine Methode für heiße Praxisfelder. Edition Sozial: Beltz Thanner, Th./Vogl, M., 2006: SPG. Sicherheitspolizeigesetz. 2. überarbeitete Auflage. Neuer wissenschaftlicher Verlag. Wien, Graz

Jahresberichte Jahresbericht Streetwork Wien 2006 Jahresbericht des Vereins „Rettet das Kind“ 2007

Diplomarbeiten Rossbacher, Martin (2007): Soziale Arbeit mit Fußballfans anhand der Projekte Fan-Projekt Berlin und Streetwork Wien. Diplomarbeit Thaler, Heidi (2007): Rohfassung der Diplomarbeit WHY THE CAGED FAN SINGS. Fußballfanarbeit in Österreich am Beispiel Wien zur Erlangung des Magistergrades der Philosophie an der Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften der Universität Wien

Fanzines Go West! Fanzine der UR – 15/06-05.11.2006, SCR – FK Magna Go West! Fanzine der UR – 17/06-02.12.2006, SCR – SK Sturm Go West! Fanzine der UR – 03/07-31.03.2007,SCR – Red Bull Salzburg Go West! Fanzine der UR. Nr. 08/ 07, 17.05.2007, SCR – Pasching 125


Go West! Fanzine der UR – 08/07-17.05.2007, SCR – Pasching/Beilage INSIME Fanzine der Fanatics - , 06/03.07, 5 Jahre Fanatics: 29 Mitteilungsblatt der Ultras Rapid 06/06 Flyer Leitbild Streetwork

Internetquellen http://www.aktive-fans.de/ [14.06.07] http://www.austriafans.at [18.03.07] http://www.boys-viola.at [12.06.07] http://www.bundesliga.at [18.06.2007] http://www.das-fanmagazin.de [13.03.07} http://de.wikipedia.org [12.06.07] http://www.diepresse.com [17.06.07] http://www.fanatics2001.at [12.06.07] http://www.fangesaenge.de [11.06.07] http://www.fk-austria.at [18.06.2007] http://www.fussballmafia.de [10.06.07] http://www.jugendszenen.com [13.03.07] http://www.kominform.at [18.06.2007] http://www.kultureninbewegung.org [18.03.07] http://www.orf.at [17.06.07] http://www.rapidarchiv.at [12.06.07] http://www.skrapid.at [18.06.2007] http://teamchefforum.tonline.apa.net [11.06.07] http://www.ultrasrapid.at/ [14.06.07] www.kos-fanprojekte.de/material/fanarbeit/soziale-arbeit-01p.html [27.11.06]

Interviews Interview mit Dr. Peter Jedelsky am 9.5.2007 126


Interview mit DSAin Manuela Synek im Mai 2007 Interview mit Oberst Ernst Albrecht im Mai 2007 Interview mit Streetworker Martin RoĂ&#x;bacher am 5. Juni 2007 Faninterview C Faninterview F1 Faninterview BV Faninterview F2

127


Anhang: Fragebogen A: Fragen zur Person 1: Wie alt bist du? 2: Geschlecht? •

Weiblich

Männlich

3: Muttersprache? 4: Welchen Verein unterstützt du? •

Rapid

Austria

keinen

Sonstige

5: Welche Schule hast du zuletzt besucht bzw. besuchst du jetzt? •

Pflichtschule

Berufsschule

Berufsbildende mittlere Schule (HASCH)

Berufsbildende höhere Schule (HAK, HTL, HBLA)

Allgemeinbildende höhere Schule (AHS)

Sonstige

6: Was bist du von Beruf? Schüler/Student •

Lehrling

zur Zeit arbeitslos

schon fertig mit der Berufsausbildung als .................

fester Arbeitsplatz ohne Berufsausbildung 128


7: Welche Sportarten betreibst du aktiv? 8: Mit wem gehst du normalerweise zu den Meisterschaftsspielen? •

alleine

mit Familienmitgliedern

Freund/Freundin

Partner/Partnerin

Sonstige

9: Mit wem bist du das erste Mal ins Stadion bzw. auf einen Fußballplatz gegangen? •

alleine

mit meinem Vater

mit Freunden

Sonstige

10: Wie alt warst du da ungefähr? 11: Besuchst du regelmäßig Fußballspiele? •

Ja

Nein

11.1.: Wenn ja, wie oft pro Saison? 12: Warum bist du Fußballfan geworden? •

weil ich schon als Kind mit einem Familienmitglied zu Fußballspielen gegangen bin

weil ich selbst sehr viel Fußball spiele bzw. gespielt habe

weil ich Freunde kennen gelernt habe, die auch Fußballfans sind

weil ich aus den Medien erfahren habe, dass in der Kurve was los ist

Sonstige

13: Warst bzw. bist du Mitglied in einem Fanclub? •

ich war Mitglied

ich bin Mitglied

nein 129


14: Wie oft besuchst du Heimspiele? •

fast immer

häufig

nur bei attraktiven Gegnern

nur bei Spielen gegen .................

15: Was machst du normalerweise nach einem Heimspiel? •

Ich gehe nach Hause.

Ich gehe mit meinen Freunden in ein Beisl.

Ich verbringe noch einige Stunden mit anderen Fans.

Sonstiges

16: Welche Auswärtsspiele hast Du in der Frühjahrssaison 2006 besucht? 17: Wie oft besuchst du Fußballspiele anderer Mannschaften? •

Spiele der Nationalmannschaft o häufig selten nie

Spiele anderer Bundesligamannschaften (1. Division) o häufig selten nie

Spiele anderer Bundesligamannschaften (2. Division) o häufig selten nie

Spiele in den unteren Ligen o häufig selten nie

Spiele in internationalen Ligen o häufig selten nie

17.1.: Welchen Beruf hat/hatte dein Vater? •

arbeitslos

Hausmann

Arbeiter

Facharbeiter 130


Angestellter

Selbstständiger/Freiberufler

Beamter

17.2.: Welchen Beruf hat/hatte deine Mutter? •

arbeitslos

Hausfrau

Arbeiterin

Facharbeiterin

Angestellte

Selbstständige/Freiberuflerin

Beamtin

18: Sind deine Eltern.... •

verheiratet

in einer Lebensgemeinschaft

geschieden

allein erziehend

19: Ist außer dir in der Familie noch jemand fußballbegeistert? •

Vater

Mutter

Bruder

Großvater

niemand

Sonstige

20: Sind die Personen in deinem Freundeskreis vorwiegend Fußballfans? •

Ja

Nein 131


21: Warst du im Zusammenhang mit einem Fußballspiel schon einmal in eine Schlägerei verwickelt? •

Ja

Nein

22: Was würdest du tun, wenn es zwischen deinen Freunden bzw. Freundinnen unter den Fans und den Anhängern bzw. Anhängerinnen einer anderen Mannschaft zu einer Schlägerei kommt? (Mehrfachnennung möglich) •

Ich würde mich eher raushalten.

Ich würde versuchen den Streit mit Worten zu schlichten.

Ich würde Polizei und Ordner zu Hilfe holen.

Wenn meine Freunde unterlegen sind, würde ich ihnen helfen.

Es kommt ganz auf meinen Alkoholspiegel an, ob ich mitmache.

Ich würde andere Fans zu Hilfe holen.

Ich würde auf jeden Fall eingreifen und mitmischen.

Ich würde mich nur bei Auswärtsspielen beteiligen.

23: Bist du im Zusammenhang mit einem Fußballspiel schon einmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten? •

Ja, ich bin verwarnt worden.

Ja, ich habe eine Anzeige bekommen.

Ja, ich habe eine Geldstrafe bekommen.

Ja, ich habe eine Haftstrafe bekommen.

Nein.

24: Hast du schon einmal ein Stadionverbot bekommen? •

Ja

Nein

25: Bist du schon einmal außerhalb des Fußballzusammenhanges mit dem Gesetz in Konflikt geraten? •

Ja 132


Nein

26: Hattest du im Fußballzusammenhang bereits Kontakt mit ............. •

Fanbetreuer bzw. Fanbetreuerin

Sozialarbeit bzw. Sozialarbeiterin (Streetworker)

Polizei

nein, mit keinen von den angeführten Personen

27: Um mit anderen Fans in Kontakt zu treten, nutze ich ............. •

Internet

Handy

Sonstige

28: Wie hältst du dich am laufenden? •

Fanzines

Homepages von Fanclubs und Mannschaften

Chatrooms

Liveticker

Fernsehen und Sportzeitungen

Sonstige

29: Wo verbringst du deine Freizeit? •

in einem Jugendzentrum

in Gaststätten/Beisl

auf der Straße bzw. in Parks

in Spielhallen

zu Hause

bei Freunden

vorm PC

Sonstige 133


30: Hast du in den letzten 14 Tagen ........... 1…nie, 2…1-2 Mal, 3…3-4 Mal, 4…5-6 Mal, 5…täglich •

Kino besucht

Disco besucht

Buch gelesen

Internet gesurft

Videos/DVDs angeschaut

PC, Playstation, X-Box,...... gespielt

Ferngesehen

31: Wie viel Geld hast du im Monat zur Verfügung? 32: Wie viel Geld kannst du im Monat für Freizeitaktivitäten ausgeben? •

weniger als 50€

zwischen 50 und 100€

zwischen 100 und 200€

mehr als 200€

33: Verwettest du auch Geld auf Fußballspiele? •

Ja

Nein

33.1.: Wenn ja, um welchen Betrag wettest du ungefähr?

B: persönliche Einschätzung 1: Beurteile bitte folgende Aussagen: •

Die älteren Fans aus dem Fanclub waren für mich immer Vorbilder o stimmt o stimmt nicht

Was im Fansektor passiert, bestimmen die älteren Fans 134


o stimmt o stimmt nicht

2: Kennst du einige Namen früherer Fanclubs? 3: Was sagst du zu folgenden Aussagen? 1…stimmt genau, 2…stimmt, 3 .stimmt weniger, 4…stimmt überhaupt nicht •

Wenn ein Spiel direkt übertragen wird, schaue ich es mir lieber im Fernsehen an.

Wer wirklich an Fußball interessiert ist, muss ins Stadion gehen.

Für ein wichtiges Spiel schwänze ich auch einmal die Schule bzw. den Arbeitsplatz.

Ich nehme schon einmal eine Anzeige (durch die Polizei) in Kauf, einfach weil Randale wichtig ist.

Um meinen Verein zu unterstützen, gehe ich auch mit Fieber ins Stadion.

Wie das Spiel ausgeht ist egal. Hauptsache es gibt Randale.

4: Warum gehst du in erster Linie zu Fußballspielen? (maximal 2 Aussagen ankreuzen!) •

Weil meine Freunde bzw. Freundinnen hingehen

Mich interessiert Fußball, ich möchte ein schönes Spiel sehen.

Ich möchte meinen Verein unterstützen.

Das Spiel ist weniger wichtig, Hauptsache es ist was los.

5: Wie sollte deiner Meinung nach ein Fan sein? 1…sehr wichtig, 2…wichtig, 3…weniger wichtig, 4…unwichtig •

Fankleidung tragen

alle Heimspiele besuchen

alle Auswärtsspiele besuchen

Alkohol trinken

Alles tun, um die Mannschaft zum Sieg zu treiben

Mitglied in einem Fanclub sein

Bei Auseinandersetzungen mit anderen Fans zu seinen Leuten stehen

6: Wann gibt es im Sektor eine gute Stimmung? Was gehört unbedingt dazu? 135


1…sehr wichtig, 2…wichtig, 3…weniger wichtig, 5…unwichtig •

ein volles Stadion

viele Fans im Sektor

Stänkereien untereinander

viele Fahnen und Transparente

genug zum Trinken

gegnerische Fans und Zuschauer verhöhnen

Polizei provozieren

Raketen abschießen

das Spiel muss spannend sein

gegnerische Mannschaft muss attraktiv sein

viele Tore müssen fallen

sonstiges: ..................................

7: Was hältst du davon, dass es im Stadion kein Bier bzw. nur "Bier light" gibt? •

super

ist mir egal

schlecht

8: Gib an, ob folgende Spieler bei Austria (A) oder Rapid (R) spielten! •

Franz ‚Bimbo’ Binder

Ernst Happel

Michael Konsel

Andreas Ogris

Anton Polster

Andreas Herzog

Matthias Sindelar

Andreas Ivanschitz 136


Franz Wohlfahrt

9: Welcher politischen Gruppierung stehst du, alles in allem genommen, am nächsten? •

ÖVP

SPÖ

FPÖ

Die Grünen

BZÖ

KPÖ

LIF

keiner

Sonstige

keine Angabe

10: Diesen Spruch halte ich für: 1…sehr gut, 2…gut, 3…weniger gut, 4…überhaupt nicht gut •

Todesstrafe für Terroristen, Rauschgifthändler und Sexualmörder!

Ausländer raus!

Frauen zurück an den Herd!

Schluss mit der Entwicklungshilfe! Gegen das Verschenken unseres Geldes an das Ausland!

11: Wie stehst du zu folgenden Gruppen? 1…sehr gut, 2…gut, 3…weniger gut, 4…sind Gegner •

Skins

Punks

Neonazis

Linke

Gabber

Alternative 137


Biker

12: Beurteile bitte folgende Aussagen: 1…völlig richtig, 2…teilweise richtig, 3…eher unrichtig, 4…völlig unrichtig •

Wenn man vom Krieg absieht, hätten wir es unter Hitler eigentlich besser als heute

Gäbe es wieder Arbeitslager, kämen Zucht und Ordnung von alleine

Es ist gut, dass man statt dem Bundesheer Zivildienst machen kann

Der Einfluss der Juden auf unser Land ist auch heute noch groß

Homosexualität ist widernatürlich und sollte streng bestraft werden

C: Hinten dran noch die getrennten Quizfragen

für FAK-Fans Wann war Austria im Europacupfinale (Jahr Und wie hieß der Gegner Weißt du wo Joey Didulica derzeit spielt

für SCR – Fans Wie oft kam der SCR in ein Europacupfinale Wann war das? Wie oft war Rapid Meister?

138


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