Schattendasein / Schattenwelten

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Schattendasein / Schattenwelten


Schattendasein / Schattenwelten von Prof. Jo Achermann Der Schatten verfolgt uns immer auf Schritt und Tritt, er ist somit unser steter Begleiter. Ohne Licht kein Schatten, der jeder Form die Gestalt gibt. In den beiden Seminaren ging es nicht darum, wie in Peter Schlemihls wundersamer Geschichte, in welcher der junge Mann für Reichtum dem Teufel seinen Schatten verkauft, sondern sich dem Thema Schatten sowohl zweidimensional als auch dreidimensional zu nähern. Studenten im 1. Semester Architektur an der BTU Cottbus hatten die Aufgabe, sich dem Thema zu stellen. Um zu Resultaten zu kommen, gab es mehrere Übungen, welche in einer größeren Arbeit am Ende das Thema abschlossen. Die Seminare Schattendasein und Schattenwelten sind kontinuierlich aufgebaut, damit der Schatten in den diversen Medien zu verstehen war. Zum Einsatz kamen Pappe, Kleber, Gips, Ton, Draht, Buntstift, Kreide und verschiedenfarbiges Papier. Im Seminar Schattendasein diente das in die Kartonbox einfallende Licht als Formgeber. Eigenwillige Objekte entstanden durch das Zusammenfügen mitgebrachter Gegenstände und dem entstandenen Schatten, bis hin zum inszenierten Schattentheater, in dem die Form, damit meine ich die Figuren und deren Bewegung im Raum, vor einer Leinwand einen wichtigen Teil in der Inszenierung übernahm. Ein einfaches Blatt und dessen Faltung war der erste Schritt im Seminar Schattenwelten. Im Verlauf des Semesters kombinierten die Studenten mit Buntstift eine Nahsicht und Fernsicht zusammen; dabei entwickelte sich eine eigenwillige Komposition, in der sich das ursprüngliche Objekt widerspiegelte. In der Schlussaufgabe wurde durch Motivwahl, Ausführung und Komposition die gesamte Situation und Tageszeit zeichnerisch auf dem Würfel umgesetzt. In den einzelnen Aufgaben lernten die Studenten Material und Technik in differenzierter Herangehensweise kennen. Das Resultat war ein vielschichtiges Entdecken vom Inhalt des vorgegebenen Themas, welches durch Diskussionen vor dem Modell oder der Zeichnung erörtert wurde und demzufolge präziser dem Studenten in seiner Ausbildung zugute kam.

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Schattenwelten - Zeichnen und Malen Teil 1: Schatten macht dick Drei aufeinander folgende Lehrveranstaltungen begannen mit dem Falten, Schneiden, Biegen und Umformen eines DIN A3 Blattes. Am entstandenen Papierobjekt untersuchten die Studenten, wie die Darstellung des Schattens einer Zeichnung Plastizit채t verleiht. Sie arbeiteten mit Tuschelavur und Zeichenkohle, um von vornherein das Augenmerk auf die Bearbeitung der gesamten Bildfl채che zu richten.

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Teil 2: Schatten organisiert die Komposition und schafft Raum In zwei Lehrveranstaltungen sollte die Vielfalt der Schattendichte untersucht werden. Transparente Gegenstände wurden mit Schreibtischlampen ausgeleuchtet. Die entstandenen Schattenwürfe wurden, losgelöst von den Objekten, in ihrer Verdichtung und Auflösung mit verschieden Schraffurtechniken gezeichnet. Im Anschluss zeichneten die Studenten Räume im Universitätsgebäude und wandten diese Techniken und die Auffassung des Chiaroscuro auf den Tiefenraum an. Mit Bleistift und schwarzer Kreide skizzierten und zeichneten sie in flächiger Weise die Schatten- und Lichtformen.

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Teil 3: Schatten und Ding/Fläche und Form Ein mitgebrachtes Werkzeug oder ein anderer kleiner bis mittelgroßer technischer Gegenstand sollte überdimensioniert auf Makulaturbögen von 100 x 140 cm Größe gezeichnet werden. Dabei sollte der Gegenstand rein linear, sein Schatten flächig schwarz erfasst werden. Die Aufgabe erforderte von den Studenten eine vereinfachte Darstellung des Gegenstandes und eine Verdichtung der Komposition. Die gewonnene Erfahrung wurde in zwei weiteren Lehrveranstaltungen vertieft und ins Räumliche erweitert.

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Teil 4: Der Schatten als Formerfinder, farbige Schatten und alles zusammen In drei Lehrveranstaltungen wurde die Umformung der Erscheinung durch das Licht und das Entdecken neuer Formen untersucht. Von den Studenten mitgebrachte Gegenstände wurden zu Stillleben arrangiert, danach mit schwarzer Kreide zeichnerisch durch Konzentration auf das Spiel des Lichts zu neuen Einheiten vereinfacht. Darauf aufbauend wandten sich die Studenten Raumsituationen auf dem Unigelände zu, die sie mit schwarzer und weißer Kreide auf farbigem Papier vereinfachend festhielten - unser einziger Schritt in Richtung Farbe in diesem Seminar. In einer abschließenden Übung kombinierten die Studenten eine Nahsicht und eine Fernsicht zu einem aufeinander bezogenen Bildpaar auf einer winkelförmigen Zeichenfläche.

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Abschlussaufgabe Auf den sechs Seiten eines selbst gefertigten Papp-W端rfels portraitierten die Studenten einen Tag aus ihrem Leben in sechs Zeichnungen von sechs verschiedenen Raumsituationen zu sechs verschiedenen Zeiten mit sechs verschiedenen Zeichenmethoden. Jede der in den einzelnen Lehrveranstaltungen erworbenen Zeichenstrategien durfte verwendet werden. Die Zeichnungen sollten in Motivwahl, Ausf端hrung und Komposition die gemeinte Situation und Tageszeit treffend erfassen. Die einzelnen Zeichnungen sollten formal aufeinander bezogen sein. Der W端rfel sollte auf allen Seiten von einem gestalterischen Gedanken getragen sein.

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Schattendasein - Plastisches Gestalten Schlagschattenobjekt 1, 2, 3 Ein kubischer und ein nichtkubischer, frei gewählter Gegenstand wurden von den Studierenden als Vorlage zum Modellieren verwendet. Durch den Einsatz einer Schreibtischlampe oder direkt durch das Sonnenlicht wurde ein Schlagschatten erzeugt, welcher in zwei unterschiedlichen Materialien räumlich „nachgebaut“ wurde. 1. Der kubische Gegenstand und der Schlagschatten wurden in Draht als Raumzeichnung konstruiert. 2. Der Schlagschatten wurde als dreidimensionales Objekt in Ton modelliert. 3. Von einigen der entstandenen Tonmodelle wurde ein Gipsabguss gefertigt.

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Schlagschattenobjekte, Gips

Schlagschattenobjekte, Draht

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Schattenbox I / Emotionale Räume 1. Eine geschlossene Kiste wurde aus Pappe gebaut. Größe ca. 30 x 30 x 90 cm (H/B/T), Innenfarbe: Weiß. Verschiedenartige Lichtschlitze konnten in das Objekt eingefügt werden. An der vorderen Seite wurde ein kreisrunder Ausschnitt für das Kameraobjektiv freigelassen. Die verschiedenen Licht-Schattensituationen sind mittels einer Fotokamera festgehalten worden. 2. Die Pappschachtel wurde durch Anbauten und Einfügungen erweitert. Insgesamt sind drei Räume mit jeweils einer eingeschobenen Wand gebaut worden. 3. Die einzelnen drei Räume wurden so weit verändert, dass jeder eine spezifische Atmosphäre erhält: aggressiv, ruhig, fantastisch. Anders als im 1. und 2. Schritt wurde diesmal nur mit internem Kunstlicht gearbeitet. Wichtig war, nicht Gegenstände zu beleuchten, sondern diese als Schattenspender zu nutzen. Alle atmosphärischen Zuschreibungen sollten nur durch Licht und Schatten evoziert werden.

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Schattenbox I

Kiste mit Lichtschlitzen

Raum -und Wanderweiterung

ruhig, fantastisch, aggressiv


Schattenbox II / Emotionale Räume: Für eine zweite Seminargruppe wurde die Schattenbox I vereinfacht. Die Gegenstände, welche in der ersten Schattenbox noch notwendig waren, um Schatten zu werfen, wurden zugunsten von einfachen geometrischen Lichtöffnungen und einer Projektionsfläche aus transparentem Papier verändert. Fotos dokumentierten die Raumwirkungen. 1. Die Schattenbox II wurde so konstruiert, dass an drei Seiten sogenannte Schiebemasken angebracht werden konnten. In das Pappobjekt wurde ein weiterer Raum aus Transparentpapier eingebaut, sodass dieser umlaufend etwa 4 - 5 cm Abstand zu den Lichtöffnungen besaß. Vorn und hinten wurde der transparente Körper mit dem Karton verbunden. 2. Verschiedene Lichtschlitze, abgeleitet aus Grundformen wie Kreis, Quadrat, Dreieck konnten in die Masken eingefügt werden. Untersucht wurden die unterschiedlichen Licht- und Schattensituationen hinsichtlich ihrer emotionalen Qualität. Aufgabe war es, einen ruhigen, einen aggressiven und einen fantastischen Raum durch Licht- und Schattenprojektionen zu erzeugen. Je nach verwendeter Lichtquelle und Lichtöffnungen waren unterschiedlichste Raumatmosphären zu beobachten.

Schattenbox II

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Schattenspiel (fantastisch, aggressiv, ruhig) Drei Personen bildeten ein Team. Jede Studentin, jeder Student baute sich ein eigenes Schattenkostüm. Die Zuschreibung von emotionalen Zuständen wurde auf die drei zu bauenden Figuren angewandt. Die erste Figur verkörperte durch ihren Schatten Ruhe, die zweite Aggression und die dritte Figur sollte fantastisch wirken. Vorgaben waren: 1. Alle Figuren funktionieren räumlich, d.h. sie können sich durch die Bewegung im Raum verändern und bleiben trotz allem in ihrer Erscheinungsweise konstant. 2. Die Schattenkostüme bedecken den ganzen Körper des Spielers. Kopf, Beine und Arme werden überformt. 3. Das Kostüm wird jeweils aus einer der drei Grundformen Kreis, Rechteck und Dreieck konstruiert. Eine Mischung sollte vermieden werden. Alle Figuren wurden vorab als Figurinen gebaut, um so die Schattenwirkung zu überprüfen. Ziel war es, eine Choreografie zu erstellen und diese vorzuführen. Das Thema des Spiels ergab sich aus der Form des Kostüms. Die Aufführungen wurden selbstständig von den Studierenden anhand eines Storyboards erarbeitet. Die einzelnen Aufführungen sollten eine Gesamtlänge von drei Minuten nicht überschreiten. Die Präsentationen erfolgten vor einer 6 x 4 Meter großen Leinwand im Atelier für Plastisches Gestalten.

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Kost체mpr채sentation

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Die Herausforderung der Aufgabe, dem Schatten eine bestimmte emotionale Qualität zu verleihen, ließ sich am klarsten umsetzen, indem wir die Möglichkeiten der Formenvielfalt stark reduzierten. Durch die Vorgabe, emotionale Zuschreibungen maßgeblich durch Kreise, Dreiecke

und Rechtecke zu erzeugen, ließen sich viele Beliebigkeiten ausschließen. Das vermeintlich Subjektive einer Grundform konnte so diskutiert und in seinen unterschiedlichen Ausprägungen untersucht werden.


IMPRESSUM Brandenburgische Technische Universität Cottbus Lehrstuhl Plastisches Gestalten Seminar Schattendasein / Schattenwelten Grundstudium Architektur WS 2011/12

Professor:

Jo Achermann

Künstlerische Mitarbeit: Sven Kalden Bodo Rott Lehrauftrag:

Megan Sullivan

Tutoren: Jil Schroth Oliver Lehmann Martin Maleschka Werkstattleiter:

Stephan Kaiser

Druckwerkstatt:

Marko Kliem

Sekretariat:

Marleen Minde

Fotos: Lehrstuhl Plastisches Gestalten Irina Hoppe Studierende Druck:

Adtower, Cottbus

Weitere Publikationen des Lehrstuhls Plastisches Gestalten: Best of Papa Jo‘s, Verlag Martin Wallimann, 2011, ISBN 3-905969-02-5 Akute Poesie, Yvonne Wahl, Hrsg. Lehrstuhl Plastisches Gestalten, 2009 Die Welt ist Schwarz/Weiss, Verlag Martin Wallimann, Alpnach 2006, ISBN 3-908713-60-9 Die Welt ist rund, Verlag Martin Wallimann, Alpnach 2004, IBSN 3-908713-33-1 Apfelorange, Lilahelden, Steinrot, Verlag Martin Wallimann, Alpnach 2003, IBSN 3-908713-32-3 Kaffeefahrt 3000, Verlag Donaukurier Ingolstadt 2000, ISBN 3-920253-47-7

© 2012 LS Plastisches Gestalten an der BTU Cottbus

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Beteiligte Studierende: Emine Balci, Judith Banitz, Anastasia Beshans, Julia Bieber, Jovia Brodacki, Frank Buchta, Claudia Clausnitzer, Caius Couers, Mario Drelas, Elizabeth Feldmann, Marylin Groch, Laura Grüber, Kerstin Heseding, Bich Vuong Hoang, Anna Höfer, Josephine Jordan, Piotr Kalbarczyk, Tatjana Kern, Maria Köhler, Joy Koppatz, Jule Kuckuck, Toni Kunau, Linh Le Thuy, Pantelis Lekakis-Kerkyraios, Mario Lindner, Phuong Ly Ly, Mario Dragusica, Jens Mattick, Maximilian Merkt, Julia Mohneke, Oliver Mummert, Christopher Porsche, Sandra Rogge, Carolin Schwietzke, Erik Sirman, Monika Katarzyna Solinska, Bastian Malte Stoehr, Nina Strauß, Jaksa Uzur, Laura Weichhold, Blanca Weil, Maxim Welsch, Alina Wilkending, Ecem Sarigayir, Francesco Di Camillo, Manon Alinat, Francesco Mattioli, Cem Soyer, Muratean Kazanci, Ina Klein, Alexander Bahlo, Sebastian Bartl, Anastasia Bloehm, Ben Brundage, Simon Sebastian Dietrich Buesche, Gamze Celikbas, Stefania De Rosa, Quirin Dilling, Johannes Dueber, Neele Ewert, Kassandra Gorn, Maria Dolores Grau Lorenzo, Max Groth, Stefan Gruhne, Dennis Harbig, Philipp Hildebrandt, Florian Hotzkow, Nadine Hunzinger, Jakob Husemann, Magdalena Karbach, Kristina Kellner, Joanna Kosowicz, Valentin Krase, Jonas Krenz, Franziska Krueger, Barbara Ewa Maciejewska, Kristina Mager, Julian Maier, Agela Mavridou, Alexander Melcher, Claudia Meyer, Seyedbardya Mir Rashed, Moritz Moessnang, Svenja-Nadine Mueller, Florian Neske, Emmi Panter, Laura Pfarr, Bruno Poss, Dana Pristaff, Diana Schaefer, Stefanie Schanze, Nadine Schimmelpfennig, Theresa Schirmer, Paula Schuetz, Florian Schulz, Sabrina Schulze, Marta Skrzypek, Marta Sobon, Lena Sterneborg, Weronika Szymanska, Philipp Weigert, Andre Wilbald, Martin Zschieck, Ayse Bilkay, Susna Miah, Sonia Sobol, Charlotte Weidner, Elisa Garcia-Penuuela, Karol Fichtel, Markella Tzachrista


BTU Cottbus Lehrstuhl Plastisches Gestalten ISBN 978-3-981-4236-4-8


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