Diplomarbeit

Page 1


2

Vorwort Thema und Absicht

ÜBER DIE DIPLOMARBEIT Das vorliegende Magazin ist die gemeinsame Diplomarbeit von Bettina Lohmann und Susanne Benker. Wir studieren Kommunikationsdesign an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Würzburg. „Essen“ ist essentiell und allgegenwärtig. Da wir uns, mehr oder weniger gezwungenermaßen, mit dem Thema Ernährung beschäftigen mussten, sei es aufgrund eigener Lebensmittelallergien oder durch Kundenaufträge, entstand nach und nach der Wunsch unser Wissen zu vertiefen und Anderen zugänglich zu machen. Wir verstanden, dass man nur durch fundiertes Wissen, Selbstbeobachtung und Einsehen etwas ändern kann, natürlich nur sofern man das auch will. Je mehr wir in Erfahrung brachten, je tiefer wir in die komplexen Abläufe in Körper und Lebensmittelindustrie blickten, desto klarer wurde uns, was wir selbst „falsch“ machen bei dem was wir zu uns nahmen – und zugegeben immer noch manchmal nehmen – und wo wir gezielt eingreifen und unsere Lebensqualität nur durch anderes Essen erhöhen können. Dieses Wissen wollen wir weiter geben.

HOCHSCHULE UND DOZENTEN Fachhochschule/Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg Diplomstudiengang Kommunikationsdesign Diplomarbeit im Wintersemester 2007/2009 Erstprüfer: Prof. Carl Frech Zweitprüferin: Heike Czerner

KONTAKT Wir sind keine geschulten Experten, sondern Gestalter. Bei inhaltlichen Fehlern sind wir über Berichtigungen dankbar und freuen uns auch über weitere Anregungen und Fragen. Bettina Lohmann tinalohmann@freenet.de Mobil: 0176 22 66 13 60 Susanne Benker mail@piratesk.de Mobil: 01577 60 40 300 Aktuelle Anschrift unter: www.piratesk.de

DIE PROBLEMATIK HEUTE Dass wir zu viel, zu fett und zu süß essen wissen wir mittlerweile alle. Zeitschriften sind voll mit Diäten und neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, Ärzte schlagen Alarm wenn schon Kinder zu dick oder dünn sind und raten Erwachsenen meist sich an das Normal- oder Idealgewicht heran zu essen. Für unsere Groß- und Urgroßeltern stellten sich viele Probleme, vor denen wir heute stehen, schlicht und einfach nicht. Erst in den letzten Jahrzehnten erschloss sich für uns als Bewohner einer Wohlstandsgesellschaft ein kaufbares Schlaraffenland. Nahrung ist jederzeit, immer und fast überall erhältlich. Wir müssen uns weder viel bewegen noch anstrengen um zu Essen. In einem Prozent der Menschheitsgeschichte änderten sich 100 Prozent des Umgangs mit Nahrung. An genau diesem Punkt stehen wir vor einer völlig veränderten Welt und unsere Körper weigern sich zunehmend mitzuspielen. Was wir tun können und müssen, um möglichst ohne Folgeschäden aus dieser Veränderung herauszugehen, ist schwer zu beantworten. Mit dem vorliegenden Magazin wollen wir eine Diskussionsgrundlage schaffen, dokumentieren, analysieren und informieren.


3

KONFRONTATION Wir werden täglich mit Aufforderungen zum Essen bombardiert. Symbole stehen folgend für eine visuelle Essens-Information, wie etwa die Auslage beim Bäcker, Plakate, Waren im Supermarkt, der eigene Kühlschrank oder ein Werbespot. Diesen Reizen zu widerstehen ist gar nicht so leicht, und zu gerne geben wir nach, auch wenn wir gar nicht hungrig sind. Ein Tag eines Büroangestellten als Beispiel.

IM VORÜBERGEHEN Oft ist uns gar nicht richtig bewusst, wie oft wir wirklich mit Essen konfrontiert werden. Die Tüte Gummibärchen auf dem Schreibtisch können wir wegpacken, in den Werbepausen umschalten, allerdings beim Einkauf kann man schlecht wegschauen.


Inhalt

GESCHICHTE DER ERNÄHRUNG Vom Beerensammeln zum Biogemüse

6

Zeittafel

8

6

DER MENSCHLICHE KÖRPER Kraftwerk Mensch

12

Eiweiß

14

Fett

16

Kohlenhydrate und Zucker

22

Stevia, Insulin und Diabetes

28

Beweg Dich!

30

12

KONSUM HEUTE Überfluss wohin man blickt

36

Einkaufsmuster

40

Dein Kühlschrank

44

36


ERNÄHRUNGSINDUSTRIE

48

Globalisierung und ihre Folgen

48

Das Ei als Massenware

52

Das „glückliche“ Huhn

56

Nahrungsergänzung und Geschmack

60

Biokraftstoffe

64

„Bio“ als Marke

65

AUSBLICKE Was die Zukunft auf den Teller bringt

66

66


6

Ernährungsgeschichte Evolution des Essens

VOM BEEREN SAMMELN ZUM BIOGEMÜSE Über 50.000 Generationen, also rund 2 Millionen Jahre, haben die Menschen als Jäger und Sammler gelebt. In kleinen Sippen folgten unsere Vorfahren auf ihren ausgedehnten Wanderungen den „Lebensmitteln“. Sie konnten sich nur dort zeitweise niederlassen, wo es ausreichend Wild und eßbare Pflanzen gab. Erschöpften sich die Nahrungsressourcen der Jagd- und Sammelterritorien zogen die Nomaden auf der Suche nach unverbrauchten Nahrungsgründen weiter. Vor etwa 10.000 Jahren, gegen Ende der letzten Eiszeit, entdeckten die Menschen in der Region zwischen Euphrat und Tigris die Möglichkeiten des Ackerbaus und begannen vor allem Getreide in größerem Stil zu kultivieren. Ab 3.000 v. Chr. wurde erstmals systematisch Salz gewonnen. Ein erhöhter Salzbedarf entstand durch das Pökeln, das Konservieren von Fisch, Fleisch, Käse. Lebensmittel konnten damit erstmals über längere Strecken transportiert werden. Die Voraussetzung für einen Lebensmittelhandel über die Region hinaus war geschaffen. Um 2.000 v. Chr. ist im Nahen Osten die Lebensmittelverarbeitung bereits hochentwickelt. Rund 1.500 Jahre später erfanden die Kelten die „Instantsuppe“. Damit stand erstmals ein getrockneter, zerstoßener und gewürzter Reiseproviant zur Verfügung. Die Lebensbedingungen und Lebensgewohnheiten der Menschen, gerade in den Industrieländern haben sich in den letzten 200 Jahren vollkommen verändert. Doch diese Veränderung kam nicht von Heute auf Morgen, sondern fließend von Generation zu Generation. Auf die gesamte Menschheitsgeschichte bezogen haben sich in nur einem Prozent der gesamten Geschichte fast 99 Prozent an Veränderungen unserer Lebensbedingungen vollzogen. Die Sicht auf die Entwicklungen des 19. Jahrhunderts, in welchem der Industrialisierungsprozess die Gesellschaft grundlegend veränderte, macht deutlich, wie stark sich die Ernährungssituationen geändert haben.


7


8

Ereignisse aus Politik und Wirtschaft Produkte und Lebensmittel Einkaufen (Handel und Konsum)

Kartoffelmissernten: Hungersnot in ganz Europa

Ladens Öffnun Uhr an

Aufnahme des Dampfschiffverkehrs zwischen Bremen und New York

Erste Leuchtreklame für Lebensmittel am Potsdamer Platz, Berlin

Erste deutsche Eisenbahn zwischen Führt und Nürnberg

Gewerbefreiheit in ganz Deutschland

Erste Werbefilme für Lebensmittel im Kino

„Erbswurst“ von Knorr - Inbegriff von Marschverpflegung

Label „Made in Germany“ ensteht

Erste Säuglingsnahrung: Kindermehl von Henri Nestlé Erstes Backpulver im Handel. Hersteller: Justus von Liebig

8. Mai: John S. Pemberton erfindet Coca Cola

Erfindung von Margarine als preisgünstiger Butterersatz in Frankreich

Ältestes LebensmittelFilialunternehmen der Welt: „A&P“, USA

Fertiges Puddingpulver von Dr. Oetker

Bahlsens „Leibnitz Keks“ ist oftgekaufter Reiseproviant

Eröffnung von Einzelhandelsgeschäften durch O. Tietz, später Hertie Gründung des Spar- und Konsumvereins in Chemnitz

Erstmals „Rotkäppchen“ Sekt, Gebrüder Koss

Circa 185 000 Kolonialwarenläden existieren

Erster Warenautomat: Automatischer Verkaufsbehälter für Zigarren

Warenhäuser bekommen große Lebensmittelabteilungen Erstes deutsches Warenhaus: Karstadt eröffnet

Circa 300000 Kolonialwarenläden existieren

Milchhä Berlin v nen Lit


9

Ladenschlussgesetz: Öffnungszeiten 5 bis 21 Uhr an Werktagen

Machtergreifung Hitlers

e für ts-

Höhepunkt der Krise in Deutschland

6 Mio. Arbeitslose, 70000 Konkurse

Margarine „Rahma“ (seit 1929: Rama) kommt auf den Markt

Goldene Ära der Verpackunsästhetik

Erste „Milka“ Schokolade von Suchard (Schweiz)

„Kaffee HAG“, weltweit erster koffeinfreier Kaffee erscheint

Aufruf zum Boykott und Verbot des Verkaufs ausländischer Früchte

Beginn der Weltwirtschaftskrise

Erster Weltkrieg

Erste quadratische Tafelschokolade der Firma Ritter

„Coca Cola“-Abfüllung in Deutschland der Coca Cola GmbH in Essen

Markteinführung von Haribo Fruchtgummi

Beginn zweiter Weltkrieg

Nach 8-jähriger Entwicklungszeit: Erster Instantkaffee von Nestlé

Erste gebrauchsfertige Säuglingsmilchnahrung von Alete

„Quelle“ wird in Köln gegründet

Beginn täglicher Obst- und GemüseAuktionen in Bremen

Erste Selbstbedienungsläden in den USA

Milchhändler Bolle in Berlin verkauft 29 Millionen Liter Milch pro Jahr

Erste Filialen der Firma Otto Reichelt in Berlin

Durchsetzung der Handelsmarke EDEKA

REWE eGmbH wird mit Sitz in Köln gegründet

F.W. Wollworth Co. GmbH wird in Berlin gegründet

Erster Kaffeeversand durch Eduscho/Bremen

Verbreitung der Supermärkte in den USA

Eröffnung des ersten Supermarktes/Discounters in den USA

Erstes Selbstbedienungsgeschäft Deutschlands eröffnet Erste fahrbare Einkaufskörbe von Sylvan N. Goldmann in den USA


10

Blockade der Berliner Westsektoren bis 1949

Wiederzulassung erster Bananen- und Südruchtimporte

Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft EWG

Einführung der DM in den drei westlichen Besatzungszonen

Das Wunder von Bern, Deutschland wird Fußballweltmeister

Beginn der amerkikanischen Finanzhilfen; Wiederaufbau Westeuropas Kapitulation Deutschlands, Aufteilung in 4 Besatzungszonen

17.Juni: Militärische Niederschlagung des Volksaufstandes

Gründung der BRD und Aufbau einer freien Marktwirtschaft

Gründung der Roten Armee Fraktion als linksterroristische Gruppe

31% der Verbraucherhaushalte besitzen einen Kühlschrank Freie Konvertibilität der Währung der BRD und weiterer 11 Staaten

Erster Mikrowellenherd, 750 Kg schwer, aus den USA

Elektronenrechner mit neuartiger Speichereinteilung von IBM

13. August: Bau der Berliner Mauer

Abschaffung der Lebensmittelkarten und Lebensmittelrationierung

Bohnenkaffee wird erstmals mehr konsumiert als Ersatzkaffee

Thomys Tomatenketchup

Werbung gewinnt an Bedeutung

Käse „Scheibletten“ von Kraft

H-Milch im Tetrapak

„Livio“ von Unilever: erstes dt. Markenspeiseöl für Salate

„Nutella“ Brotaufstrich aus der Firma Ferrero

Iglo Fischstächen aus der Tiefkühltruhe

Alete Babykost im Handel

Konsumgenossenschaften erhalten ihr Vermögen zurück

Gründung der Otto Versand GmbH & Co

Halbfettmargarine „Du darfst“ von Unilever erscheint

Erste Pampers Höschenwindeln

Erste „Chiquita“ Banane

22,4% aller Verpackungen sind aus Kunststoff

Erste Tiefkühlpizza „Pizza Deliciosa“ von Dr. Oetker erscheint

„Sunkist“ im Tetrapak

Gründung der Eisman Tiefkühl-Heimservice GmbH

Größtes SB-Warenhaus Europas: Wertkauf München mit 20000m2

Start des Versandhauses Neckermann

Eröffnung des ersten Selbstbedienungsladens in der BRD

Erste Ölkrise mit Sonntagsfahrverbot

„Coca Cola“ erstmals in Dosen erhältlich

Gründung von SPAR in Deutschland

Erstes Vollautomatisches Lebensmittelgeschäft in den USA

Erste Rezession und Arbeitslosigkeit nach dem Wirtschaftswund

Einführung der ec-Karte als Scheckgarantiekarte für Eurocheques

Erstes Nudelfertiggericht „Mirakoli“ von Kraft

„Milufit“ von Milupa

Bluna Limonade

Sensibilisierung f[r Umweltbelange durch Chemieunfall Seveso

Erste Mondlandung durch die USA

MwSt ersetz UsSt

Gefriermöglichkeiten erst in 3% der deutschen Haushalte

Gefriermöglichk über 50 % der deutschen Hau

SB-Läden erzielen 4,4% des Umsatzes im LM-Einzelhandel Circa 130000 Bedienungsläden und erst 750 SB-Läden Eröffnung des möglicherweise ersten dt. Supermarktes - Duisburg

Erster Wal Mart in den USA

Eröffnung eines Lebensmitteldiscounters durch Willi Leibbrand SB-Läden und Supermärkte führen knapp 1000 Artikel

Eröffnung des ersten Aldi nach strengem Discounterprinzip

Test des ersten privaten Werbefernsehens

271 Intershops existieren

Boom von ConvenienceStores in den USA: Öffnungszeiten von 24 h

Verständigung zwischen Industrie und Handel auf Strichcode

Tonfilmwerbung und Infotonbänder in Supermärkten 60% des Sortiments in SB-Läden sind Markenartikel

Gründung der DiscountLinie Plus

Erster Bioladen „Peace Food“ Berlin

2742 Discount tieren; davon h circa 1000 Fili


11

1.Stufe Verpackungsverordnung: Rücknahme Transportverpackungen

ermöglichkeiten in 50 % der bundesschen Haushalte

3. Oktober: DDR tritt BRD bei, D-Mark für alle Deutschen

Erstmals Smogalarm Stufe III im Ruhrgebiet

ung f[r nge durch ll Seveso

Erfindung des Internets als Netzwerk verbundener Computer

sion und keit nach haftswunder

Erster großer Smogalarm in der BRD

9. November Fall der Berliner Mauer

Erstes Kabelfernsehen in Ludwigshafen

Mikrowelle setzt sich durch

Erschütterung der Bioszene durch Nitrofenskandal

Zulassung kommerzieller Tätigkeiten im Internet

Bundesweite Einführung von Electronic Cash

CD löst Vinyl-Schallplatte ab

Vierte Stufe Verpackungsverordnung: Zwangspfand

Erste BSE-Krise in Deutschland

3. Stufe Verpackungsverordnung: Rücknahme von Verpackungen 2. Stufe Verpackungsverordnung: Entsorgungszwang Umverpackungen

Zweite BSE-Krise in Deutschland

Talking Food, EU weite Kampangne zur Lebensmittelsicherheit

Aufhebung des Sonntagsbackverbotes für Bäckereien

35% aller Haushalte sind Ein-Personen-Haushalte

Planung einer EUAgentur für Lebensmittelsicherheit in Brüssel

Du

„Kaffemix“ mit Ersatzkaffeeanteilen „Erich Krönung“ erschient

er Eismannmservice

1988 Umfrage: Coca Cola ist bekanneste und beliebteste Marke 100 Tote durch produktionsvergiftetes Olivenöl in Spanien

Markteinführung: „Lätta“ Margarine von Unilever

2 Discounter exisn; davon hat Aldi a 1000 Filialen

Dioxin in Eiern und Geflügel aus Belgien entdeckt

Greenpeace führt mit Tengelmann Gespräche über Massentierhaltung Durchschnittlich 12000 Produkte in Supermärkten erhältlich

Bioprodukte erstmals im Supermarkt

chen l auf

unt-

„LC1“ Joghurt von Nestle als Functional Food Pionier

Beginn der Tiefkühllogistik

Hertzog verschickt 400000 Pakete und 1,5 Millionen Versandkataloge SB- Läden und Supermärkte mit 4000 Artikeln

ALDI-PC erstmals im Angebot

Erstmals mehr Discounter als Supermärkte

Erster Bio-Supermarkt von Alnatura

DIN-Norm für Bierkästen

Angabe der „Nutritional Facts“ bei allen abgepackten LM in den USA

Shopping-Center boomen

Erstmals Bio-Produkte bei Aldi

Eigener Bio-Supermarkt von REWE

Verkauf von 159571 Tonnen tiefgekühlter Pizza

250 Bio-Supermärkte existieren

Innerstädtische Einkaufs-Center im Aufwind

2500 Naturkost-Fachgeschäfte existieren


12

Der menschliche Körper Kraftwerk Mensch

WARUM WIR ESSEN Wir essen um zu leben. Ohne Nahrung würde unser Körper nach wenigen Wochen seine vitalen Funktionen einstellen, da ihm die nötige Energie dazu fehlt. Die aufgenommene Nahrung wird in komplexen Abläufen in Energie umgewandelt und dahin verteilt, wo sie gebraucht wird. Das Gehirn beansprucht dabei prozentual gesehen einen sehr großen Teil, es ist „Stromfresser“ Nummer Eins. Immerhin leistet es die komplette Koordination der Nährstoffverteilung, steuert Bewegungsabläufe und befindet sich sogar im Schlaf in ständiger Aktivität. Sinkt das Energieniveau, schlägt das Gehirn Alarm und fordert rasch Nachschub an – wir bekommen Hunger, wir essen und der Kreislauf beginnt von Neuen. Aus unterschiedlichen Nährstoffgruppen gewinnen wir lebensnotwendige Energie. Die drei Hauptbestandteile der Nahrung sind Eiweiße, Fette und Kohlenhydrate. Vitamine und Mineralstoffe sind in den Mahlzeiten zusätzlich enthalten und erleichtern oder ermöglichen sogar erst die biochemischen Prozesse, die im Stoffwechsel ablaufen.

Eiweiß, Fett und Kohlenhydrate sind die Hauptnährstoffe


13


14

Der menschliche Körper Nahrungsbaustein Eiweiß

EIWEISSE – DIE GRUNDBAUSTEINE Eiweiß ist der umgangssprachliche Begriff für Protein. Darunter versteht man die Grundbausteine aller Zellen, nämlich aus Aminosäureketten aufgebaute Makromoleküle. Zur Stoffgruppe der Proteine gehören unter anderem das im Blut für den Sauerstofftransport zuständige Hämoglobin, Infektionen abwehrende Antikörper und Enzyme mit den unterschiedlichsten Funktionen. EIWEISSMANGEL In Industrienationen kommt Eiweißmangel so gut wie nicht vor. Man müsste konsequent monatelang auf alle Eiweißlieferanten verzichten, um Mangelerscheinungen an den Tag zu legen. Ein Symptom des Eiweißmangels ist Haarausfall, denn diese bestehen zu fast 100 % aus dem Protein Kreatin. In Entwicklungsländern kommt es, häufig bei Kindern, zur Mangelerscheinung Kwashiorkor und der Krankheit Marasmus. Die Kinder haben einen so genannten „Hungerbauch“ durch Wassereinlagerungen und leiden an Muskelschwäche, Wachstumsstörungen und Fettleber. EIWEISSREICHE NAHRUNG Ein durchschnittlicher erwachsener Mensch sollte täglich etwa 1 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht zu sich nehmen. Durch normale Mischkost nimmt man ca. 100 Gramm Proteine pro Tag auf, das ist selbst für Sportler genug. Der Körper benötigt über 20 verschiedene Aminosäuren, die er aus den gegessenen Proteinen gewinnt oder gegebenenfalls selbst daraus herstellt. Essentielle Aminosäuren sind die, die unser Körper nicht selbst herstellen kann und die wir uns unbedingt über die Nahrung zuführen müssen. Dazu zählen unter anderem Phenylalanin, Leucin und Lysin. Arginin und Histidin müssen Kleinkinder noch gezwungenermaßen mit der Nahrung aufnehmen, Erwachsene können sie selbst bilden. Alle essentiellen Aminosäuren kommen in Pflanzen vor, daher kann auch vegetarische Ernährung den Menschen ausreichend mit allen Aminosäuren versorgen. Eiweißreiche Nahrungsmittel sind Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte, aber auch Nüsse und Hülsenfrüchte wie Erbsen und Bohnen.


15


16

Der menschliche Körper Nahrungsbaustein Fett

FETTREICHE NAHRUNG GUTE FETTE, BÖSE FETTE… Sehr lange fristeten Fette ein Schattendasein in der Ernährung. Völlig zu unrecht, wie Ernährungsexperten nun erklären. Ohne Fett funktioniert unser Körper nicht. Warum essen wir überhaupt Fett? Fett ist der Energiespeicher Nummer eins, und liefert doppelt so viel Energie wie Kohlenhydrate. Darüber hinaus ist Fett nötig um fettlösliche Vitamine aufzunehmen. Die Frage nach gutem und bösem Fett lässt sich kaum beantworten. Tierisches Fett ist weder besser noch schlechter als pflanzliches, und schon 1972 entdeckte Professor V. Petkov, dass die Herz schützende Substanz im Olivenöl das darin enthaltene Oleuropein ist, und nicht das Öl an sich. Dieser Stoff findet sich auch in Heilkräutern wie Baldrian und Enzian, lässt sich über Olivenöl aber ganz einfach nebenbei mit aufnehmen. In raffinierten Produkten, wie etwa Margarine, werden praktisch all diese „verunreinigenden“ Stoffe entfernt, alleine das sollte man bedenken wenn man zur Halbfettmargarine greift, statt zu Butter oder Öl. Alles an überschüssiger Energie lagert unser Körper im Fett ab – es könnten ja schlechte Zeiten kommen. So wandert auch zu viel Zucker, umgewandelt in Fett, als eiserne Ration in den Speck an Hüfte, Bauch und Po. Verzichten wir komplett auf Fett in der Ernährung, braucht der Organismus erst alles an verfügbarer Energie auf, dann knackt er die Fettzellen. Bis es soweit ist kann es aber durchaus etwas länger dauern. Hat ein Körper keine Fettreserven mehr, muss man ihm mindestens soviel Energie zuführen wie er zum Funktionieren benötigt. Alles darüber lagert er sofort wieder in Fett an. Kommt zu wenig Energie, schränkt er die nicht-überlebenswichtigen Funktionen ein. Darunter leidet schnell die Konzentration und man bekommt kalte Füße am fettfreien Leib.


17


18

WAS IST FETT? Fette sind Triglyceride, diese bestehen aus dem Ester des Alkohols Glycerin, an den drei Fettsäuren gebunden sind. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist „Fett“ der Sammelbegriff für eine Mischung aus verschiedenen Fettsäuretriglyceriden. Auch Speiseöl gehört zu den Fetten. Fette sind mit einem Energieinhalt von 38,9 kJ/g der wichtigste Energiespeicher. In Pflanzen findet man Fette vornehmlich in Samen oder Keimen, im tierischen und menschlichen Organismus im Fettgewebe. Für den menschlichen Körper sind genau zwei Fettsäuren essentiell, nämlich Linolsäure, die Omega-6-Fettsäure, und Linolensäure: Omega-3-Fettsäure.

VERSTECKSPIELE UND DIE LIGHT-FALLE Normalgewichtige Menschen, die nicht auf Diät sind, können etwa 80 Gramm Fett pro Tag aufnehmen. Zur Kontrolle: Ein Esslöffel Butter, Margarine oder Öl bringt es auf 10 Gramm Fett. Vergessen werden gerne versteckte Fette in Wurst, Käse oder Gebäck, die aber den Großteil des aufgenommenen Fettes pro Tag ausmachen. Blätterteig etwa besteht zirka zur Hälfte aus purem Fett. Gut zwei Drittel des täglichen Fettbedarfs sollte aus einfach und mehrfach ungesättigten Fetten bestehen, weniger als ein Drittel aus gesättigten Fettsäuren. Eine Avocado, als fettreichste Frucht die auf unserem Speisezettel zu finden ist, ist besser als ihr Ruf: denn das enthaltene Fett ist nur zu rund 21 Prozent gesättigt. Sie enthält viel Linolsäure, eine der als super-gesund geltenden Omega-3-Fettsäuren. Also lieber ein Brot mit Avocado als ein Brötchen mit Leberkäse. Light-Produkte unterbieten sich oft mit dem Fettgehalt. 0,1% Fett im Pudding, und schon wird die „Süße Sünde“ gar nicht mehr so schlimm. Das Fatale dabei: eingespartes Fett fehlt auch im Geschmack und wird oft durch Zucker oder Zuckeraustauschstoffe und künstlichen Aromen ersetzt. Der Begriff „Light“ ist europaweit nicht geschützt, daher sollte man die Zutatenliste vermeintlich kalorienarmer Lebensmittel intensiv studieren.


19

GESÄTTIGTE UND UNGESÄTTIGTE FETTE Bei gesättigten Fettsäuren sind alle Bindungen der Kohlenstoffatome (C) durch Wasserstoffatome (H) besetzt. Eine einfach ungesättigte Fettsäure hat eine Doppelbindung zwischen zwei Kohlenstoffen, die sie aber aufgeben und so zwei zusätzliche Wasserstoffe aufnehmen kann. Mehrfach ungesättigte Fettsäuren haben also mehrere Doppelbindungen statt zusätzlicher Wasserstoffatome. Je mehr Doppelbindungen, also je ungesättigter, desto flüssiger wird das Fett. Für den Körper wichtig sind sowohl gesättigte als auch ungesättigte Fette. Tierische Fette sind überwiegend gesättigt, pflanzliche eher ungesättigt, daher meist flüssiger. Will man Pflanzenfette härten, um etwa Margarine herzustellen, muss man also

Glycerin

Gesättigte Fettsäuren

Mittlere Werte aus 100ml

dafür sorgen dass die Doppelbindungen aufgegeben werden und die Moleküle Wasserstoff anreichern. Dies geschieht bei hohen Temperaturen unter Druck und Zugabe eines Nickel-Katalysators. Dabei kann es passieren, dass Doppelbindungen an der falschen Stelle entstehen, diese nennt man dann Transfettsäuren. Diese wirken anders als normale Fettsäuren, daher geriet Margarine in den Verdacht eher dem Herzen zu schaden als tierisches Fett. Sie gelten als gesundheitlich problematisch. Heutzutage arbeitet die Industrie darauf hin, alle Transfettsäuren aus raffinierten Fetten zu entfernen. Dazu wird ein anderes und teureres Verfahren mit Enzymen statt Katalysatoren angewandt. 2002 enthielten nur sechs von 40 Margarinen die unerwünschten, da in ihrer Wirkung nicht einschätzbaren, „Herstellungsunfälle“.

Doppelbindungen

Einfach ungesättigt

Mehrfach ungesättigt


20

MARGARINE Der Vater der Margarine ist der Chemiker Hippolyte Mège-Mouriés, der 1869 von Napoléon III. den Auftrag erhielt, einen billigen Ersatz für Butter zu finden, der auch länger haltbar war als das leicht verderbliche tierische Fett. Bereits 1871 etablierten zwei holländische Familien die ersten Margarinefabriken am Niederrhein und begründeten so die industrielle Herstellung. Daraus entstand der Weltkonzern Unilever. Zeitgleich gründete Benedict Klein das erste Margarinewerk in Deutschland – gehört heute ebenfalls zu Unilever. Laut der europäischen Gesetzgebung ist Margarine ein „aus pflanzlichen und/oder tierischen Fetten gewonnenes Erzeugnis mit einem Fettgehalt von mindestens 80 % und weniger als 90 %“. Pflanzenmargarine muss zu 97 % aus Pflanzenfetten bestehen und mindestens 15 % Linolsäure enthalten. Das heißt, dass in Margarine heutzutage hauptsächlich gehärtete und ungehärtete Pflanzenfette, Wasser und Magermilch vermischt werden. Dazu kommt der Emulgator Soja-Lecitin, der dafür sorgt, dass sich Fett und Wasser verbinden. Der Geschmack wird durch Zugabe von Säuerungsmitteln, Milch- und Zitronensäure, Sauermolke oder Joghurtkulturen verbessert. Für die Farbe sorgt BetaCarotin. Der Fettanteil von handelsüblicher Margarine liegt – genau wie der von Butter – bei etwa 80 %. Der Energiegehalt ist bei Butter und Margarine gleich: rund 3.000 kJ pro 100 Gramm.

FETTHÄRTUNG Siehe Seite 14: GEHÄRTETE UND UNGEHÄRTETE FETTE


21

CHOLESTERIN Unter Cholesterin (oder auch Cholesterol) versteht man einen natürlichen Stoff, der in allen tierischen Zellen vorkommt. Der Name leitet sich vom griechischen „chole“ (Galle) und „stereos“ (fest) ab. Zusammen mit Protein sorgt es für Festigkeit und Elastizität von Zellmembranen. Cholesterin findet beim Aufbau von Immunzellen Verwendung und schützt rote Blutkörperchen vorm Zerfließen. Sexual- und Stresshormone sowie Vitamin D, oder Gallsäuren für die Fettverdauung und Proteine für den Fetttransport im Blut, werden aus Cholesterin hergestellt. Ohne Cholesterin wäre auch eine Übertragung von Nervensignalen nicht möglich. Ein gesundes Herz besteht zu etwa zehn Prozent aus Cholesterin, ein Gehirn aus zehn bis zwanzig Prozent, Nebennieren sogar bis zur Hälfte. Das meiste Cholesterin sitzt also fest in den Organen, nur ein kleiner Teil findet sich im Blut und ist gerade auf dem Weg dahin, wo er gebraucht wird. Weil Cholesterin so wichtig ist, produziert es der Körper selbst: etwa ein bis eineinhalb Gramm pro Tag werden in Leber und Dünndarm hergestellt. Nimmt man viel Cholesterin zu sich, schraubt der Körper die Produktion zurück. Ernährt man sich bewusst cholesterinarm, steigt die Herstellung an, um einen konstanten Pegel zu halten. Mit der täglichen Nahrung nehmen wir etwa 500 bis 800 Milligramm Cholesterin auf. Essen wir übermäßig viel Cholesterinhaltiges, drosselt der Körper von selbst die Aufnahme. Durch dieses ausgeklügelte körpereigene System lassen sich die Cholesterinwerte bei den meisten Menschen gar nicht – und wenn dann nur kurzfristig – mit einer veränderten Ernährung beeinflussen. Eine Studie der Universität Missouri-Columbia belegt, dass ein Verzehr von 24 Eiern pro Woche den Cholesterinspiegel der Testpersonen nicht über die als normal geltenden Werte steigern konnte. Auch Völker wie die Massai, die sich zu einem sehr großen Teil von Milch und Fleisch ernähren, zeigen keine erhöhten Werte. Dass langfristig eine Senkung des Cholesterinspiegels durch Verzicht auf fettreiche Nahrung beobachtet werden kann liegt vermutlich daran, dass sich im Zuge der „Diät“ allgemein gesundheitsbewusster ernährt und mehr bewegt wird. Begriffe, beziehungsweise Abkürzungen, die im Zusammenhang mit Cholesterin fallen, sind LDL und HDL. LDL heißt Low Density Lipoprotein, und ist ein Transportprotein im Blut für wasserunlösliche Substanzen, etwa Cholesterin, Fettsäuren und die fettlöslichen Vitamine E und A. LDL ist also der „böse“ Stoff, weil er Cholesterin transportiert. Die Bezeichnung hinkt etwas, bezieht man seine anderen Aufgaben mit ein. Weiterhin kann LDL mit Verbrauch von Vitamin E zu einem anderen Stoff, dem oxidierten LDL werden. Dieses lagert sich in den Arterienwänden ab, was zu „Schaumzellen“ führt, die als Verursacher von Arteriosklerose betrachtet werden. HDL, das High Density Lipoprotein, hat die gleiche Aufgabe wie LDL, nämlich den Transport von fettlöslichen Stoffen. Weiterhin transportiert es überschüssiges Cholesterin aus den Geweben, wie beispielsweise der Arterienwand, zurück zur Leber, wo das Cholesterin dann über die Galle ausgeschieden wird. Weil HDL alleine Cholesterin zurücktransportiert wird es als das „gute Cholesterin“ beschrieben.


22

Der menschliche Körper Nahrungsbaustein Zucker

KOHLENHYDRATE Kohlenhydrate, auch Saccharide genannt, sind neben Fetten und Proteinen Hauptbestandteil der Nahrung. Chemisch betrachtet sind sie Oxidationsprodukte mehrwertiger Alkohole. Kohlenhydrate sind Energielieferanten für den Organismus. Alle Kohlenhydrate sind umgangssprachlich „Zucker“, da sie, bis auf die Polysaccharide, süß schmecken. Der kleinste Baustein aller Kohlenhydrate ist das Glucosemolekül. Es ist klein, im Körper leicht transportierbar und verbrennt sofort, liefert also sehr schnell Energie. Gehirn und Nerven funktionieren ausschließlich mit Glucose. Nur im absoluten Notfall steigt das Gehirn auf andere Möglichkeiten der Energiegewinnung um. Daher ist es auch nicht verwunderlich, wenn das Gehirn sofort Nachschub fordert, wenn die Geschmacksknospen auf der Zunge „Süß“ melden. Der Hunger des Gehirns nach Energie lässt uns daher bei einer Tafel Schokolade schwach werden. Brot, Kartoffeln, Getreide, Reis und Nudeln, aber auch Gemüse und Obst enthalten Kohlenhydrate. BALLASTSTOFFE Oft werden Kohlenhydrate fälschlicherweise mit den Ballaststoffen gleichgesetzt. Unter Ballaststoffen versteht man dabei die unverdaulichen Nahrungsbestandteile, die unverändert durch den Körper wandern und wieder ausgeschieden werden. Pflanzen enthalten viele Ballaststoffe, daher gehört zu einer guten Ernährung eine gute Basis aus Gemüse und Obst. Alle Ballaststoffe sind Kohlenhydrate, aber nicht alle Kohlenhydrate sind Ballaststoffe. Ein Teil der aufgenommenen Ballaststoffe wird im Dickdarm fermentiert und durch Enzyme unter anderem in Fettsäuren umgewandelt. Diese kann der Körper aufnehmen und verwerten. Man unterscheidet zwischen wasserlöslichen Ballaststoffen wie etwa Johannisbrotkernmehl, Pektin und Dextrine, und wasserunlöslichen wie Cellulose. ZUCKER Unter den Begriff „Zucker“ fallen alle bereits genannten Saccharide. Meist meint man mit „Zucker“ jedoch die Saccharose, den Haushaltsoder Kristallzucker.


23


24

MONOSACCHARIDE Monosaccharide sind Einfachzucker wie Fruchtzucker. Diese werden in Pflanzen durch Photosynthese aus Sauerstoff, Kohlenstoff und Wasserstoff hergestellt. Zur Speicherung werden die Einfachzucker zu Ketten zusammengeschlossen, bilden so Mehrfachzucker. Glucose ist der wichtigste Vertreter der Monosaccharide, denn rote Blutkörperchen und das Nierenmark beziehen ihre Energie ausschließlich daraus. Das Gehirn kann, wenn nicht genügend Glucose vorliegt, bis zu 80 % der benötigten Energie auch aus Ketokörpern beziehen, bevorzugt aber reine Glucose, da diese sofort in Energie umgesetzt werden kann. Der Glucosegehalt des Blutes beträgt etwa 0,1 % und wird durch die Hormone Insulin und Glucagon geregelt, wobei Insulin das einzige Hormon ist, das eine senkende Wirkung ausüben kann. In der Natur kommt ausschließlich D-Glucose vor, die im Sprachgebrauch Traubenzucker oder Dextrose genannt wird. Neben D-Glucose gibt es die Form der L-Glucose, diese wird ausschließlich synthetisch hergestellt. Der Traubenzucker im Handel kommt nicht, wie der Name vermuten lässt, aus Trauben, sondern wird meist durch enzymatische Spaltung aus Kartoffel- oder Maisstärke gewonnen. Als Baustein ist er auch in Zwei- und Vielfachzuckern enthalten.

DISACCHARIDE Zu den Disacchariden, also Zweifachzuckern, gehören unter anderem Kristallzucker – also Saccharose, Lactose (Milchzucker) und Maltose (Malzzucker). Zwei MonosaccharidMoleküle bilden eine Kette und damit ein Disaccharid. Sie kommen in tierischen wie menschlichen Organismen sehr selten vor, in Pflanzen dagegen sehr häufig. Sie sind leicht in Einfachzucker zu spalten, dazu dient das Enzym Amylase, das bereits in der Mundschleimhaut produziert wird.

OLIGOSACCHARIDE Oligosaccharide, die Mehrfachzucker, schließen etwa Raffinose ein, eine Kette aus Glucose, Fructose und Galactose. Auch andere Kombinationen von Einfachzuckern sind möglich, so entsteht eine große Vielfalt an möglichen Kombinationen. POLYSACCHARIDE Die Vielfachzucker wie Stärke, Cellulose und Chitin sind im Gegensatz zu Mono-, Di- und Oligosacchariden geschmacksneutral und nicht süß. Sie bestehen, wie Oligosaccharide, aus einer langen Kette von Monosacchariden, sind schlecht oder gar nicht in Wasser löslich und müssen erst in verwertbare Zucker gespalten werden. Die Moleküle der Kartoffelstärke bestehen etwa aus rund 1000 Glucoseteilchen. Poly- und Oligosaccharide werden durch Enzyme im Verdauungsprozess bis zu Einfachzuckern gespalten. Kann der Körper die Ketten nicht aufbrechen, verlassen die Saccharide unverdaut den Organismus wieder.


25

DER ABBAU VON ZUCKER BEI EINER MAHLZEIT Nehmen wir eine Portion Nahrung zu uns, beginnt bereits im Mund die Verwertung. Beim Kauen zerkleinern und durchmischen wir den Nahrungsbrei mit Spucke. Das darin enthaltene Enzym Amylase spaltet kleinere Saccharidketten in einzelne Glucosemoleküle auf. Diese wandern über die Mundschleimhaut sofort ins Blut und werden direkt an Körperzellen geliefert, die Energiebedarf haben. Wir schlucken. Im Magen angekommen wird die Nahrung langsam weiter verdaut, dabei primär die Kohlenhydrate, erst später Proteine und Fette. Im Dünndarm werden die Molekülketten weiter aufgespaltet. Fehlt dort die Amylase, etwa durch anhaltend ungesunde Ernährung, fangen unverdaute Kohlenhydrate in tieferen Darmabschnitten an zu gären. Das Ergebnis kann sich sicher jeder selbst ausmalen.

Hauptbestandteile einer Mahlzeit: Fett, Eiweiß und Kohlenhydrate

Die Glucose wird per Blut zu allen Zellen verteilt, die sich soviel nehmen, wie sie im Moment benötigen. Der überschüssige Zucker im Blut wird in der Leber in wenigen Schritten zu Fettmolekülen umgebaut und wieder über den Blutkreislauf zu den Adipozyten, den Fettzellen transportiert. Dort wird gespeichert – und wenn zu viel Fett ankommt eben angebaut. Ein kleiner Teil bleibt als schnelle Energiereserve in der Leber. Bei einer ausgewogenen Mahlzeit liefert die Nahrung beim Verdauungsprozess kontinuierlich Energie, und das über Stunden hinweg. Die meiste Energie wird sofort gebraucht und umgesetzt. Der Überschuss wird in Leber und Muskeln in Form von Glykogen „zwischengespeichert“. Erst wenn diese Speicher voll sind, wird der Rest in die Fettzellen transportiert.

Mahlzeit aus Kohlenhydraten, Eiweiß und Fett

Verfügbare Energie

Mahlzeit aus kurzen Zuckerketten und -Molekülen

WEISSMEHL VS. VOLLKORN Die aus Weißmehl gewonnene Energie wird, bedingt durch die kürzeren Stärkeketten, schneller freigesetzt und verbrannt. Bis volles Korn komplett verdaut ist dauert es länger, deswegen machen Vollkornprodukte auch schneller und langfristiger satt. Sie bestehen außerdem zu einem höheren Prozentsatz als Weißmehlprodukte aus Ballaststoffen.

Dauer der Verdauung

Wir beginnen zu Essen

Ende der Mahlzeit; Kurze Zuckerketten werden schnell gespalten und liefern sofort Energie

Alle verwertbaren Stoffe sind der Nahrung entzogen


26

EINBAHNSTRASSE ZUCKER Auch wer wenig oder kaum Süßes isst, wundert sich oft darüber, dass kein Gramm Fett von den Hüften verschwindet. Der Grund dafür liegt im ausgezeichneten Zusammenspiel von Fettzellen, Enzymen und Hormonen. Meldet die Zunge die Ankunft von Süßem, produziert die Mundschleimhaut Amylase um den Zucker sofort in Glucose zu spalten. Gleichzeitig melden Hormone an die Fettzellen, dass bald mit Nachschub an Fettsäuren zu rechnen ist. Die Fettzellen veranlassen darauf hin die Produktion von Stoffen, die den Einbau der zu erwartenden Triglyceriden ermöglichen. Ab der ersten Meldung von Zunge an Gehirn steht der Weg direkt in die Fettzellen offen und das für etwa eine Stunde. Dabei warten sie nicht nur auf den umgewandelten Zucker, sondern nehmen auch gerne gleich direkt Fett auf und wachsen so auf bis zu 300fache Größe an.

ZU WENIG ZUCKER – HEISSHUNGERATTACKEN Hypoglykämie, also der ständige Mangel an Zucker, wird langsam von Glucose zurück in den Blutkreislauf. Mit diesem Rest an Energie aber sicher zur Modekrankheit. schüren sich Hunger und Aggression, wir wollen unbedingt etwas essen. Ignoriert man diesen Impuls weiterhin, saugen Gehirn- und Wer konsequent auf jeden Zucker verzichtet tut seinem Körper nichts Nervenzellen auch den allerletzten Rest Glucose aus dem Blut. Wir Gutes, denn wir brauchen die Energie, vor allem bei Stress. Wir ver- verfallen in depressive Stimmung, nach weiterer Zeit können sich sobrauchen unglaubliche Mengen Glucose wenn wir stark gefordert wer- gar Angst- und Panikzustände zeigen. den. Eine ausgewogene und regelmäßige Ernährung liefert sie uns, auch ganz ohne Süßigkeiten. Dass uns etwas fehlt merken wir erst Daher ist rechtzeitige und stetige Versorgung mit Energie dringend von an unerklärlicher innerer Unruhe und leichter Unkonzentriertheit. Sinkt Nöten. Eine Süßigkeit ist genau so schnell wieder verheizt, wie wir der Glucosespiegel weiter, fühlen wir uns lustlos, niedergeschlagen sie gegessen haben. Aber, bis ein Wurst- oder Käsebrot vollständig und müde. Jetzt kommt der unbewusste Drang nach schnell löslichen verdaut ist, dauert es eine ganze Zeit, während der wir konstant mit Kohlenhydraten und wir greifen zu Süßigkeiten. Energie versorgt werden. Wer weiß, dass ein anstrengender Tag auf Unterdrücken wir diesen Drang und führen auch keine andere Nah- ihn zukommt, sollte regelmäßig und rechtzeitig langsam verdauliche rung zu, sorgen Hormone dafür, dass wir gereizt und aggressiv sind Nahrung zu sich nehmen. So geht man auch nicht mitten im Meeting und urplötzlich an die Decke gehen. Der Körper versucht gegenzu- dazu über, sein Gegenüber anzuschreien, sondern beobachtet konsteuern und holt den kleinen Glykogenspeicher aus der Leber in Form zentriert, wie sich die Kollegin heimlich ein Bonbon auswickelt.

Verfügbare Energie

Energiekurve mit Nahrungszufuhr

Oberhalb dieser Linie ist der Körper mit ausreichend Energie versorgt, wir fühlen uns wohl und arbeiten konzentriert.

Energiekurve ohne Nahrungszufuhr Zeit

Der Körper verlangt nach Nahrung, wir haben Hunger

Letzte Reserven aus der Leber werden mobilisiert und im Blutkreislauf verteilt


27

ZU VIEL DES GUTEN Unser Stoffwechsel ist auf wenig Süßes programmiert. Seit Jahrtausenden kennt er schnell verwertbaren Zucker nur in Form von reifen Früchten und sehr selten Honig. Erst in den letzten 50 bis 100 Jahren ist Zucker überall günstig zu haben – und damit auch in sehr vielen Lebensmitteln zu finden. Innerhalb der letzten 60 Jahre ist der tägliche Zuckerverbrauch von etwa 5 auf 50 Gramm gestiegen. In Folge von explodierendem Zuckerkonsum kommt das Gleichgewicht im Körper gehörig durcheinander. Die Folgen sind Blähungen und Durchfall, Nervosität, Stimmungs- und Blutzuckerschwankungen, Pilzerkrankungen, Ekzeme, Sehschwäche, Fettleibigkeit und vieles mehr. Dabei macht der von uns selbst verwendete weiße Haushaltszucker nur knapp 17% des gesamten Zuckerverbrauchs aus. Niemand braucht daher auf einen Löffel Zucker im Kaffee verzichten. Der aufgrund seiner geschmacksverstärkenden, konservierenden und färbenden Eigenschaften gern verwendete Zucker wird von der Industrie gerne und großzügig eingesetzt. In Fischkonserven sorgt er für längere Haltbarkeit, in Brot für eine schöne braune Kruste. So nehmen wir täglich die bis zu 40fache Menge an Zucker zu uns, die der Körper eigentlich verkraftet. Natürlich will niemand bewusst seinem Körper Schaden in diesem Ausmaß zufügen wie es zu viel Zucker mit sich bringt. Daher hat die Industrie findige Köpfe engagiert, die neue Namen für Zucker erfinden. Ob man nun „Mit verdammt viel Zucker drin!“ oder aber „Mit der Süße aus Früchten!“ wirbt, hat auf den Inhalt des Lebensmittels keinen Einfluss.

ZUCKER UND SEINE VIELEN NAMEN Dass Zucker in Massen schädlich ist hat sich Auch Zuckeraustauschstoffe (E950-999) und herumgesprochen. Hier eine Liste mit einigen künstliche Süßstoffe tragen unterschiedliche Namen, die alle das gleiche bedeuten: Zucker Namen. Die langfristigen Auswirkungen der Stoffe sind nach wie vor umstritten. Einige  Dextrose  Maltodextrin davon:  Dextrin  Isomaltit  Traubenzucker  Isomalt  Sorbit (E420)  Traubenfruchtsüße  Malzzucker  Mannit (E421)  Fructose  Hexose  Isomalt (E953)  Laevulose  Galactose  Maltit (E 965)  Glukose/Glucose  Saccharose  Lactit (E 966)  Isoglucose  Invertzucker  Xylit (E967)  Glucosesirup  Stärkesirup  Aspartam (E 951)  HFCS: High Fruc-  Lactose tose Corn Sirup  Lactit  Maltose

KÜNSTLICHER SÜSSSTOFF: ASPARTAM Aspartam wurde 1965 per Zufall von James Schlatter, ein Chemiker der Firma G.D. Searle Company entdeckt. Die chemische Bezeichnung lautet L-Aspartyl-L-Phenylalaninmethylester. Aspartam hat – wie Zucker – 4 kcal/g (16,8 kJ/g), besitzt aber die 200-fache Süßkraft. Nutra-Sweet, Equal, Spoonfull, Canderel, Sanecta sind andere Handelsnamen des Stoffes. Er wird gerne dem Saccharin, ebenfalls ein künstlicher Süßstoff, vorgezogen, da Aspartam dem natürlichen Zuckergeschmack sehr nahe kommt, Saccharin hingegen oft einen bitteren Beigeschmack hat. Superaspartam ist ein Derivat des Aspartams und ca. 14.000 mal süßer als Saccharose. Beide Stoffe haben eine große Bandbreite an negativen Auswirkungen auf den Organismus, dazu zählen Durchfall, Sehbeschwerden und Übelkeit. Über 90 Symptome einer durch Aspartam ausgelösten Vergiftung wurden von der amerikanischen Zulassungsbehörde für Lebensmittel und Medikamente bestätigt und veröffentlicht. Die gleiche Behörde, die den Süßstoff als Nahrungsmittelzusatz erlaubte. Der Grund: Im Körper wird Aspartam in seine Bestandteile zerlegt:  Methanol (10%)  Asparaginsäure (40%)  Phenylalanin (50%) Methanol zerfällt weiter in Formaldehyd und Ameisensäure; Asparginsäure ist ein Gift, das im Gehirn Nervenzellen zerstört sofern es dorthin gelangt. Produkte mit Aspartam müssen mit dem Hinweis „Enthält Phenylalanin“ gekennzeichnet werden. Diese Aminosäure kann für Menschen lebensgefährlich sein, die unter der seltenen angeborenen Stoffwechselkrankheit Phenylketonurie (PKU) leiden. Sie können Phenylalanin nicht abbauen und so reichert es sich im Gehirn an. Bei gesunden Menschen verhindert eine natürliche Schranke größtenteils, dass die Giftstoffe ins Gehirn gelangen. Bei Kindern muss diese allerdings erst noch aufgebaut werden. Trotz der körpereigenen Schutzfunktion weisen Menschen, die viel Aspartam zu sich nehmen, ein erhöhtes Vorkommen der Säure im Gehirn auf. Der EU-Grenzwert wurde auf 40 mg/kg Körpergewicht/Tag festgesetzt. Praktisch bedeuten 40 mg/kg Körpergewicht für einen 70 kg schweren Menschen etwa 266 Süßstofftabletten, oder 26,6 Liter Cola light.


28

STEVIA - ERSATZ FÜR DEN ERSATZ Da mehr und mehr Zweifel an der Verwendung von synthetisch hergestellten Süßstoffen aufkommen, sucht man nach weiteren Alternativen. Hierbei entdeckte man Stevia, auch Honigkraut genannt. Ihren Ursprung hat die Pflanze im südamerikanischen Paraguay und ist etwa 300 mal so süß wie Zucker. Japan, die USA und Israel haben den Einsatz von Stevia als Süßungsmittel bereits erlaubt, in Deutschland bleibt die Pflanze in Nahrungsmitteln nach wie vor verboten, da Langzeitstudien und „die notwendigen Sicherheitsunterlagen“ fehlen, wie das Bundesamt für Verbraucherschutz erklärt. Auch den Herstellern von Zucker und Zuckerersatzstoffen dürfe daran gelegen sein die Zulassung zu verzögern. Hierzulande sind nur Badezusätze und ähnliche nicht-Nahrungsmittel mit Steviazusatz erhältlich. Selbst der Coca-Cola-Konzern setzt sich mittlerweile für die Zulassung der Pflanze als Lebensmittel ein und plant bei Erfolg eine Produktpalette mit dem Wunderkraut.

Ein gesunder Mensch hat mit nüchternem Magen Werte von 70 bis 100 Milligramm Glucose pro Deziliter Blut. Nicht an jeder Stelle des Körpers ist der Wert gleich, da an unterschiedlichen Stellen Glucose aufgenommen und abgegeben wird. Auch muss zwischen der Konzentration im Blut und Blutplasma differenziert werden. Liegt eine Störung der Insulinproduktion vor, so dass zu viel oder zu wenig produziert wird, gerät das Gleichgewicht des Blutzuckerspiegels ins Wanken. Bei ständigen Werten von unter 40 mg/dl spricht man von Hypoglykämie. Ist der Blutzuckerspiegel dauerhaft erhöht, liegt also bei kontinuierlich über 180 mg/l Blut, weist es auf die Krankheit Diabetes mellitus hin. Bei dieser Krankheit bleibt die Glucose durch fehlendes Insulin im Blut und wird nicht in die Zellen aufgenommen, oder aber die Zellen werden immun gegen Insulin. Den Mangel an Glucose in den Zellen versucht der Körper durch weitere Erhöhung des Blutzuckers zu beheben. Viele Betroffene müssen sich deswegen Insulin zuführen. Sie steigende Zahl der Diabeteserkrankungen, vor allem bei Kindern, liegt vermutlich darin, dass die Zellen, ständig konfrontiert mit Insulin in Folge hohen Zuckerkonsums, versuchen sich vor ständiger Glucoseaufnahme zu schützen, indem sie resistent gegen Insulin werden.

Menschen mit Diabetes weltweit in Millionen.

2025: Schätzungen des International Diabetes Institute, der WHO und des IDF Diabetes Atlas 2006

INSULIN UND DIABETES Insulin ist ein Peptidhormon, besteht also aus Eiweißen und wird in der Bauchspeicheldrüse gebildet, verstärkt nach Genuss kohlenhydratreicher Nahrung. Es ist das einzige Hormon, das den Blutzuckerspiegel senken kann. Das Gegenstück dazu ist Glucagon, verantwortlich für den Anstieg des Blutzuckers. Auch Adrenalin, Kortison und Schilddrüsenhormone haben Blutzuckerspiegel steigernde Funktionen. Insulin wirkt als „Schlüssel“ für die Zellen und sorgt dafür, dass diese die Glucose aus dem Blut aufnehmen und der Blutzuckerspiegel so wieder sinkt. Es ist das einzige Hormon im ganzen Körper, das dafür sorgt, dass Fettzellen aufgebaut werden und eingelagertes Fett darin bleibt.


29


30

Energieabgabe Beweg Dich!

TRENDSPORT BEWEGUNGSMANGEL Keine eigentliche Krankheit, aber ein Laster unserer modernen Welt ist der Bewegungsmangel. Er ist einer der Gründe für viele überflüssige Pfunde, aber auch für Kreislauf- und Blutdruckprobleme sowie diverse Krankheiten. Wir sitzen gerne und oft gezwungenermaßen viel und bewegen uns zu wenig.


31

39936508 SCHRITTE pro Person pro Leben in Deutschland


32

ENERGIEKREISLAUF An und für sich ist es recht einfach: Was rein kommt, muss auch wieder raus. So verhält es sich auch mit Energie. Die nehmen wir und Form von Nahrung zu uns, und geben sie durch Bewegung wieder ab. Nehmen wir zuviel Energie auf, speichert sie der Körper zwischen, es könnten ja nach wie vor schlechte Zeiten kommen. Die Folge: wir nehmen zu. Essen wir zu wenig, greift unser Organismus auf genau diese Reserven zurück und wir nehmen nach und nach Gewicht ab. Wie viel Energie man braucht um genau den Bedarf zu decken, ist von Mensch zu Mensch verschieden, zu viele Faktoren spielen eine Rolle dabei. Deswegen scheitern auch oft Diäten aus Zeitschriften. Prinzipiell lässt sich sagen: Wir haben 100 % Energie zur Verfügung, die der Körper komplett verbraucht. Der Verbrauch teilt sich in drei Bedürfnisgruppen:  Ruheenergieverbrauch  Verdauung  Körperliche Aktivität RUHEENERGIEVERBRAUCH Das ist die Energiemenge, die ein Mensch bei Ruhe für die Aufrechterhaltung der lebenswichtigen Körperfunktionen (Atmung, Herzschlag, Drüsenfunktionen) pro Tag benötigt. Dieser „Grundumsatz“ ist vor allem abhängig von Geschlecht, Alter, Größe, Gewicht, Muskelmasse sowie bestimmten Hormonen. Der Ruheenergieverbrauch beansprucht 50 bis 75 % des täglichen Energieverbrauchs. VERDAUUNG Die Verwertung von Essen kann bis zu 10 % des täglichen Gesamtumsatzes ausmachen. Dabei kommt es auf die Art und die Menge der Nahrung an die ein Mensch zu sich nimmt. Die Verdauung verschiedener Nährstoffe verbraucht unterschiedlich viel Energie. Eiweiß zu verdauen kostet am meisten Kraft, Kohlenhydrate, je nach Struktur etwas weniger, und Fette werden sehr leicht aufgenommen. LEISTUNGSUMSATZ Als Leistungsumsatz wird die Energie bezeichnet, die über den Grundumsatz hinausgeht. Das sind zwischen 15 und 40 Prozent. Der Leistungsumsatz ist abhängig von körperlicher Aktivität, erforderlicher Wärmeproduktion und besonderem Bedarf, etwa bei Wachstum, Schwangerschaft und Stillzeit.


33


34

AUF FÜSSEN DURCH EIN GANZES LEBEN Und bis vor gar nicht all zu langer Zeit hatten sie noch ganz schön etwas zu tragen. Körperliche Arbeit war normal, wenn man ein Ziel hatte musste man dahin laufen. Autos waren sehr lange unerschwinglich und öffentliche Verkehrsmittel waren den Städtern vorbehalten. Sport und Fitnesscenter waren kein Thema, nach getaner Arbeit in Ruhe zu sitzen und zu entspannen war der Lohn nach einem harten Tag.


35

BEWEGUNG IM BÜROZEITALTER Der durchschnittliche Deutsche bewegt sich heute weitaus weniger als früher. Erst seit ein bis zwei Generationen bestimmt der Computer unseren Lebensrhythmus und damit auch unsere Bewegungen. 45 % von uns sind kaum noch körperlich aktiv. Eine Rezeptionistin legt durchschnittlich 1.200 Schritte am Tag zurück, ein Grafikdesigner 1.400, ein Manager 3.000, ein Verkäufer 5.000, eine Hausfrau mit Kindern 13.000, und Postboten gehen immerhin 18.000 Schritte

pro Tag. Das sind zwischen 840 Metern und 12,6 Kilometern. Weitaus mehr Strecke legen wir mit Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln zurück, denn wir sind mobil. Die Empfehlung, 10.000 Schritte pro Tag zu machen, erfüllen immer weniger. Krankenkassen und Bund verteilen bereits Schrittzähler und werben für „3.000 Schritte extra“, um Gesundheit und Wohlbefinden zu steigern. Mit 3000 Schritten kommt man knapp 2,5 Kilometer weit. Zeit nachzumessen, wie weit der Weg vom Sofa zum Kühlschrank ist.


36

Konsum heute Überfluss wohin man blickt

VIELFALT UND KEIN ENDE Ganz selbstverständlich laufen wir durch volle Regalreihen und natürlich können wir zwischen mehreren Sorten und Herstellern eines Produktes wählen. Frische Früchte im Februar, endlose Varianten an Milchprodukten und ein scheinbar grenzenloses Sortiment an Nudeln, Reis und Snacks wird selbst im Discounter mit der kleinsten Ladenfläche geboten. Wir sind nicht mehr darauf angewiesen Nahrung selbst herzustellen, oder gar zu bevorraten. Wir schöpfen ohne schlechtes Gewissen aus den Vollen und haben lediglich die Qual der Wahl. Es muss ja auch gekauft werden, sonst würde man es doch nur wegwerfen, oder?


37


38

STÜCK ÄPFEL pro Person pro Leben in Deutschland

LITER MILCH pro Person pro Leben in Deutschland

KILOGRAMM KARTOFFELN pro Person pro Leben in Deutschland


39

STÜCK KÜHE pro Person pro Leben in Deutschland

STÜCK SCHAFE pro Person pro Leben in Deutschland

STÜCK SCHWEINE pro Person pro Leben in Deutschland


40

EINKAUFSTYPOLOGIE An einem Samstagnachmittag im Supermarkt lassen sich schon fast Sozialmillieustudien anstellen. Man unterschiedet den FertiggerichtSingle, die ernährungsbewusste Mutter, die überwiegend Obst und Gemüse, aber auch einige Öko-Produkte kauft, den genügsamen Rentner und so weiter. Beim Discounter am anderen Ende der Straße schieben sich Reihen von voll gestapelten Einkaufswagen durch die Kassenschleuse. Möglichst viel, und das möglichst günstig, so lautet hier die Devise. Unter den Käufern findet sich der gut situierte Familienvater ebenso wie ein Arbeitsloser, der jeden Cent zweimal umdreht, bevor er ihn ausgibt. Der Kampf um die Käufer ist schon lange im Gang: Hersteller und Verkäufer liefern sich einen harten Kampf untereinander. Es lassen sich zwei Hauptaspekte herausfiltern: Einerseits steigt die Nachfrage nach Bio- und Ökoprodukten, mehr als die Hälfte der Verbraucher wünscht sich ein größeres Angebot an Waren, die regional erzeugt und vermarktet werden. Auch der Faire Handel verzeichnet hohe Umsatzsteigerungen. Auf der anderen Seite die Discounter, die mehr und mehr Käufer mit Tiefstpreisen locken und auf pure Massenproduktion setzen. „Der enorme Preisdruck im Einzelhandel hat dazu geführt, dass bei vielen Verbrauchern das Gefühl für faire Preise verloren gegangen ist“ sagt der Vorstand der Verbraucherzentrale des Bundesverbandes, Gerd Billen. Und damit hat er Recht. Wir Deutschen geben über die letzten

Jahrzehnte kontinuierlich weniger für unsere Lebensmittel aus. 1963 investierte ein Haushalt durchschnittlich 40,3 % eines Monatslohnes in Nahrung, Getränke und Genussmittel, heute sind es nicht einmal mehr 2 %. Dabei sind die Lebensmittel in Deutschland auf einem sehr niedrigen Preisniveau. Noch günstiger kann man nur in vier anderen Ländern der EU essen. Vor allem bei Milch, Käse, Eiern und Fetten sind die Preise rekordverdächtig niedrig. Dabei ist es oft nicht einmal eine Frage des Geldes, ob man zu Bio oder Masse greift. Auch wenn wenig Geld in der Kasse ist, wird gerne ökologisch Erzeugtes gekauft. Dann vor allem Saisonales und wenig Fleisch. Je mehr man sich mit Ernährung beschäftigt, desto bewusster wird einem, dass gesundes und genussvolles Essen auch ein wenig Verzicht, beziehungsweise Umstellung bedeutet. Meist hängen die gekauften Waren auch davon ab wer einkaufen geht. Frauen bevorzugen Bio eher als Männer, und je höher der Schulabschluss desto größer auch die Zahl der Öko-Lebensmittel im Einkaufskorb. Man kann sich also auch mit wenig finanziellen Mitteln für Bio entscheiden, und umgekehrt mit viel Geld in der Tasche knausern und weiterhin beim Discounter kaufen. Auch täglicher Fleischkonsum ist durch das große Angebot selbstverständlich möglich. Bei beiden Möglichkeiten sollte man sich aber auch um die Folgen der Produktion bewusst sein.

GELD IM ÜBERBLICK Die Deutschen geben heute prozentual gesehen viel mehr für Wohnen, Energie, Verkehr, Telefon und Freizeitvergnügungen aus als vor 40 Jahren. Dagegen wird beim Essen gespart. Gingen 1962 noch zwei Fünftel aller privaten Ausgaben für Lebensmittel drauf, ist es heute noch nicht einmal ein Siebtel.

NAHRUNGSMITTEL, GETRÄNKE UND TABAKWAREN

KÖRPER- UND GESUNDHEITSPFLEGE

BEKLEIDUNG UND SCHUHE

VERKEHR UND NACHRICHTENÜBERMITTLUNG

WOHNEN, ENERGIE, INSTANDHALTUNG

BILDUNG UND UNTERHALTUNG

INNENAUSSTATTUNG, HAUSHALTSGERÄTE UND -GEGENSTÄNDE

SONSTIGES


41


42

Konsum heute Die Macht der Marke

GEWOHNHEIT UND BEWUSSTSEIN Marken sind in aller Munde. Jeder hat seine Bevorzugte, zu der er gerne immer wieder greift und auch solche die man nicht im Traum kaufen würde. Marken helfen beim Orientieren und verkaufen gleichsam mit ihrem Namen ein bestimmtes Lebensgefühl und Status. Fragt man sich worin die Verbindung zwischen Marke und Einkaufen besteht, empfiehlt es sich – ein Interesse an historischen Zusammenhängen vorausgesetzt – einen Blick in die „Soziologie der Prosperität“ von Ernest Zahn zu werfen. Darin unternimmt Zahn den Versuch, einen wesentlichen Teil der Gesellschaftsfragen seiner Gegenwart am Thema der Wohlstandszunahme systematisch darzustellen. Dabei beschäftigt er sich auch mit der Frage, wie die wohl revolutionärste Erscheinung im Einzelhandel, die Selbstbedienung, das Einkaufen änderte. Kaufen ist seitdem kein Gespräch an der Ladentheke mehr, bei dem der Händler berät und plaudert, sondern ein stummer und mechanischer Vorgang. Uns trennt nichts mehr von den Waren, wir greifen einfach zu. Das ermöglicht uns auch eine andere neue Erscheinung, nämlich die abgepackten und vorportionierten Waren. Heute übernimmt die Verpackung das Verkaufsgespräch, muss demnach auch mehr leisten als früher. Einzelartikel waren zu Beginn dieser Entwicklung auch schon fast immer Markenartikel. Mit Blick auf die Verbindung von Marke und Einkaufen beschränkt sich die Funktion von Marken überwiegend darauf, Orientierungs- und Entscheidungshilfe zu geben. Meist vertraut man bei der Qualität eines Produktes nicht dem Preis, sondern vielmehr der Marke. Marken sind die Ikonen, „das goldene Kalb“ der modernen Marktwirtschaft, sie genießen weltweite Beachtung und sind die eindeutig stärksten Umsatzbringer vieler Unternehmen. Von daher stellen Marken einen echten Machtfaktor dar, und sei es nur in dem Sinne, wie man die Massenmedien als vierte Macht im Staate bezeichnet.


43


44

Konsum heute Kühlschränke und Einkäufe

DU BIST WAS DU KAUFST Unser Kühlschrank verrät viel über unsere Essgewohnheiten. Wer sich zum kochen keine Zeit nimmt, oder keinen Wert auf das legt was er (oder sie) in sich stopft, hat dementsprechend kaum etwas oder eben Fertigprodukte vorrätig. Wohingegen eine Familie mit Kindern einen gut gefüllten Eisschrank haben dürfte. Im Folgenden der Blick in drei Kühlschränke mit dem Versuch den oder die Besitzer zu analysieren, auch zum Nachmachen zu Hause geeignet. Die Kategorien:

FAMILIENSTAND

AUSGABEN FÜR HOCHWERTIGES ESSEN

FÜLLSTAND

VIELFÄLTIGKEIT

ERNÄHRUNGSBEWUSSTSEIN


45


46


47


48

Ernährungsindustrie Globalisierung und ihre Folgen

DIE WELT WÄCHST ZUSAMMEN Bis ins 16. Jahrhundert stieg die Weltbevölkerung kontinuierlich, aber sehr langsam an. Etwa 545 Millionen Menschen lebten um 1600 auf der Erde. Bis zum Jahr 2008 vermehrten sich die Menschen in unglaublichem Tempo auf eine Zahl von rund 6,7 Milliarden. Bewahrheiten sich die Zukunftsprognosen, werden im Jahr 2050 neun Milliarden Menschen leben und versorgt werden müssen. Dieses explosionsartige Wachstum wurde im Zuge des technischen Fortschrittes und dem Ausbau der Landwirtschaft möglich. Lange Strecken zurück zu legen wurde immer leichter, der Transport von Mensch und Gütern sicherer, zuverlässiger und schneller. Heute ist es für uns vollkommen normal geworden, dass wir Lebensmittel aus tropischen Gebieten auch in nördlichen Breiten ganzjährig zur Verfügung haben. Wenn nichts unvorhergesehenes mehr passiert und die Zukunftsprognosen Realität werden, wird sich die Menschheit schon sehr bald noch intensiver damit beschäftigen müssen, wie wir ohne die Umwelt weiter zu schädigen, die Nahrungsmittelproduktion gestalten müssen. Dabei wird das Schlagwort „Globalisierung“ eine große Rolle spielen wenn es daran geht Erzeuger und Verbraucher noch näher zusammen zu bringen.


49


50

MULTI-KULTI IM DISCOUNTER Das Obstregal ist immer gefüllt und lädt mit seiner bunten Vielfalt zum Zugreifen ein. Dass Bananen, Kiwis, Zitronen und Äpfel mitten im Winter nicht auf der Wiese der örtlichen Gärtnerei wachsen, dürfte jedem Käufer bewusst sein. Eine Mango hat unter Umständen mehr Weg zurückgelegt als der Käufer in drei Auslandsurlauben und ist dementsprechend verantwortlich für Treibstoffverbrauch und CO2-Ausstoß. Dafür kann die Frucht nichts, wohl aber der, der sie kauft. Exemplarisch zeigt die Grafik dieser Doppelseite die Ursprungsländer der Früchte einer deutschen Obstauslage im Januar 2009.


51

Litschi: Madagaskar Bananen: Dominikanische Republik Pomelo: China Kiwi: Griechenland Sharon: Israel Physalis: Kolumbien Babyananas: Elfenbeink端ste Mango: Equador Grapefruit: T端rkei Zitrone: Uruguay Mandarine: Spanien Apfel: Italien


52

Ernährungsindustrie Eierproduktion

EI EI EI! Wir verbrauchen viel. Sehr viel. Exemplarisch für unsere Konsumfreudigkeit wollen wir Huhn und Ei vorstellen. Die Eiermassen, die man heutzutage in einer Eierfabrik vorfindet, stören die Illusion von auf Mist kratzenden Hühnern. Omas „putt, putt“ aus dem Hühnerstall macht das Land nicht satt, und auf sein Frühstücksei will auch niemand verzichten - darum geht es aber nur am Rande. Eigelb oder -weiß sind in jedem zweiten Lebensmittel enthalten, von der Praline bis zur Nährlösung am Krankenbett, vom Brötchen bis zu Mayonnaise. In Deutschland werden jährlich 7 Milliarden Eier in die Pfanne gehauen, in Kuchen gerührt oder zum Frühstück gekocht.


53

16200 EIER

pro Person pro Leben in Deutschland


54

GEBURTSURKUNDE Die Hälfte aller Eier in Deutschland wird direkt im Supermarkt gekauft. Eine eindeutige Kennzeichnung gibt die Möglichkeit bereits an der Ladentheke zu entscheiden, welche Hühnerhaltung man mit dem Kauf unterstützen möchte. Der Stempel auf jedem Ei gibt Auskunft darüber, wie die Legehenne ihr Leben verbringt.

EIERKENNZEICHNUNG ÖKOLOGISCHE ERZEUGUNG Es gilt das gleiche Prinzip wie bei der Freilandhaltung, nämlich Bodenhaltung mit Aufenthaltsmöglichkeiten im Stall und draußen. Einige Ausnahmen, wie zum Beispiel, dass die Anzahl der Gruppengröße auf 3.000 Hühner beschränkt ist, sind charakteristisch für ökologische Haltung. Biohennen dürfen nur gemäß Biorichtlinien aufgezogen werden, die Ernährung erfolgt ausschließlich mit Biofutter. Durch jährliche Kontrollen wird eine Einhaltung der strengen Auflagen sichergestellt. FREILANDHALTUNG In der Freilandhaltung haben die Legehennen neben dem Stall, der den gleichen Anforderungen an die Bodenhaltung entsprechen muss, tagsüber uneingeschränkt Zugang zu einer Auslauffläche von 4m2 pro Henne. Da sich die Hühner bevorzugt in Stallnähe aufhalten, wird hier der Boden sehr stark beansprucht und mit dem Kot der Tiere belastet. Bei der Freilandhaltung können sich die Hühner frei bewegen, dafür aber kommt es zu Rangordnungskämpfen, Kannibalismus sowie der Infektionsgefahr durch den Kot der Hühner. Durch den Kontakt zu frei lebenden Tieren und deren Ausscheidungen entstehen ebenfalls Risiken. Die Freilandhaltung erfordert daher ein angepasstes Management, insbesondere auch hinsichtlich der Tiergesundheit. BODENHALTUNG Bodenhaltung bedeutet, dass die Legehennen in einem geschlossenen Stall leben. Dabei können bis zu vier Ebenen übereinander angeordnet sein, die aus Sitzstangen und höher gelegenen Laufflächen bestehen. Der maximale Tierbestand beträgt 9 Hennen pro m2 Nutzfläche, bei Haltung mit mehreren Ebenen maximal 18 Hennen pro m2 Stallgrundfläche. Es dürfen nicht mehr als 6000 Legehennen in einer Gruppe gehalten werden. Die Hennen können zur Eiablage Nester aufsuchen und Sitzstangen für die Ruhephasen nutzen. Ein eingestreuter Bereich im Stall oder an der Stalllängsseite, Kaltscharrraum genannt, steht den Legehennen mindestens zwei Drittel des Tages zur Verfügung. Die Versorgung mit Futter und Wasser erfolgt automatisch. Fast 70 % der nutzbaren Fläche sind mit Gitterrosten aus Kunststoff ausgelegt, durch die Ausscheidungen auf Entsorgungsbänder oder in Kotgruben fallen. Bei der Bodenhaltung ist die Bildung einer festen Rangordnung aufgrund der Gruppengröße erschwert, so dass es häufig zu Rangordnungskämpfen und damit häufig zu Verletzungen der Legehennen kommen kann. KÄFIGHALTUNG In einem Käfig befinden sich je nach Größe 4 bis 6 Hühner. Die Eier werden mittels Förderbändern automatisch eingesammelt. Futterrinnen und Nippeltränken versorgen die Tiere mit Nahrung und Wasser. Um den Raum optimal auszunutzen, stehen mehrere Käfige übereinander. Diese Haltungsform hat sich in der Vergangenheit aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und der Hygiene sehr bewährt. Auch wenn die Anschaffung mit einer hohen Investition verbunden ist, ersparen sich die Landwirte später durch die hohe Automatisierung viel Zeit. Weiterhin wird der Kontakt zu den Ausscheidungen vermieden, das beugt Krankheiten vor. Da durch mangelhaften und fehlenden Platz typische Verhaltensweisen nicht ausgelebt werden können, wird EU-weit bis spätestens 1. Januar 2012 die konventionelle Käfighaltung mit 550 cm2-Käfigen verboten. Die neuen „ausgestalteten Käfige“ sind mit 750 cm2 Fläche pro Tier, Sitzstangen und Nestern vorgesehen.


55

BUNDESLAND HALTUNGSFORM

BETRIEBS- UND STALLNUMMER HERKUNFTSLAND


56

Ernährungsindustrie Tierproduktion

BRATHÄNCHEN UND CHICKENWINGS „Wer essen will muss auch schlachten können“, so ein weiser Satz aus deutschen Landen. Doch heutzutage will sich kaum jemand bewusst machen, dass ein Tier getötet und ausgenommen werden muss, will man es essen. Küchenfertig zerlegt und sauber verpackt kommt das Huhn aus der Kühltheke in den Einkaufswagen, oder auch schon fertig frittiert in einer Pappfaltschachtel. An Blut, das Rupfen und Zerlegen will keiner denken, es ist nicht „schick“. Außerdem könnte es den Appetit verderben. Die Gesellschaft hat den Bezug zum Fleisch in kürzester Zeit verloren. Gab es bei den Urgroßeltern nur selten Fleisch, weil es dauerte bis das Tier groß genug zum schlachten war, ist es heute selbstverständlich, dass es immer verfügbar und vor allem billig ist. In unserer Vorstellung laufen glückliche Hühner in kleinen Gruppen auf einem Bauernhof herum, scharren im Dreck und erfreuen sich ein paar Jahre an einem glücklichen Leben, bis sie über einen dicken, freundlich lächelnden Metzger in die Styroporschale der Kühlregals gelangen. Ein wenig naiv, bedenkt man dass jeder Deutsche 18,5 Kilogramm Hühnerfleisch im Jahr verspeist. In diesen Durchschnitt sind auch Vegetarier und Veganer mit eingerechnet, was den Verbrauch der Fleischliebhaber in der Statistik noch etwas drückt. Alle Biobauernhöfe zusammen könnten nicht die benötigten 1,6 Millionen Tonnen Hühnerfleisch erzeugen, und dann auch noch zu Tiefstpreisen verkaufen. Der einzige Ausweg, diese immense Nachfrage zu befriedigen, ist die Massentierhaltung, von der aber am liebsten niemand etwas wissen möchte. Genau deshalb zeigen wir sie.


57

926 HĂœHNER pro Person pro Leben in Deutschland


58

DAS „GLÜCKLICHE“ HUHN Links und rechts stehen große Brutschränke. Dort beginnt das Leben eines jeden Masthähnchens. Nach brütenden Hennen zu fragen wäre in einer Brutstätte heutzutage etwas einfältig. Diese Aufgabe hat die Henne längst an den so genannten „Chickmaster“ abgegeben. Der Automat garantiert gleich bleibende Temperaturen, klinische Hygiene und vor allem eines: totale Kontrolle über die Produktion. Ca. 250.000 Eier werden in den vollautomatisierten Brutschränken täglich bebrütet, und in der Woche werden so 1,1 Millionen Küken produziert. Fast so natürlich wie einst die Glucke im Nest wendet heute der Chickmaster die Eier. Nach und nach legt der Automat sie auf die Seite, damit die Küken das Licht der Welt erblicken können. Nach genau 21 Tagen schlüpfen sie – alle gleichzeitig. Wichtig ist dann, ob die Qualität des Produktes ausreichend ist für den nächsten Schritt. 200.000 Küken schlüpfen pro Schicht. 1,1 Millionen in der Woche, 78 Millionen im Jahr. In einer einzigen Brüterei. Auch der zweite Schritt im Leben eines Masthähnchens folgt dem Takt einer Maschine. Am laufenden Band trennt der Kükenseparator die Küken von ihrer Schale. Dann werden sie gemessen und gewogen, denn exakte Zahlen sind wichtig in der industriellen Tierproduktion für einen reibungslosen Ablauf. Zu genau 100 Stück werden sie in Kisten verpackt und abtransportiert. Die „schlechten“ Produkte, also die, die nicht die Vorgaben erfüllen, sind wertlos und müssen entsorgt werden.

TAG 21 Alle Eier im Chickmaster schlüpfen alle gleichzeitig. Am Tag des Schlüpfens wiegen die Küken um die 40g.

Eine moderne Masthalle ist für 38.000 Küken ausgelegt. Um die 40 Gramm wiegt eines am ersten Tag. Innerhalb von 30 Tagen werden sie über ein Kilo Schlachtgewicht auf die Waage bringen. Am Ende der vorgegebenen Zeitspanne werden sich in einer Masthalle etwa 22 Hähnchen einen Quadratmeter Stall teilen. Das sind etwa 35 kg Lebendgewicht, und die zugelassene Höchstgrenze für den Mäster. Das Leben eines Masthähnchens ist kurz in Deutschland: Es dauert 30 Tage. Dabei hat ein Huhn eigentlich eine Lebenserwartung von bis zu 15 Jahren. Nur angenommen, man würde diese Zeitspannen auf einen Menschen umrechnen, es wäre nicht mal ein halbes Jahr. Aber zurück zum Huhn. Das Letzte, das ein solches Masthähnchen sieht, ist Schwarzlicht. Im Dunkeln stirbt es sich leichter, sagt die Wissenschaft. Schutzbebrillte junge Männer schicken die Hähnchen auf ihre letzte Reise. Kopfüber eingehängt im rastlos rotierenden Schlachtband geht es in Richtung Elektrobad. Todesschreie hört man keine. Die Köpfe der Hähnchen werden durch ein unter Strom stehendes Wasserbad gezogen, blitzschnell sind alle Tiere betäubt. Das automatische Messer, das die Halsschlagader aufschlitzt, spürt kein Hähnchen mehr, heißt es. Die Tiere sterben durch Ausbluten. Weiter werden die Hähnchen durch warmes Wasser geführt - so lassen sich die Federn besser abrupfen. Vollautomatisch, natürlich. Die computergesteuerte Maschine ist der Stolz eines jeden Schlachters. Und sie kann noch mehr. In der nächsten Abteilung werden die Hühner bratfertig gemacht. Zunächst köpft ein Automat die leblosen Körper, dann werden die Tiere ausgenommen. Das Darmpaket läuft dann mit dem dazugehörigen Tierköper zur Veterinärstation, dort werden die Hähnchen auf mögliche Krankheiten hin überprüft. Alle für tauglich befundenen Tiere werden fertig bearbeitet und enden hübsch gefaltet im Schockfroster. Tiefgefroren werden die küchenfertigen Hühner nun ausgeliefert, damit man auch morgen wieder frisches Huhn in der Kühltheke findet.

30 Tage später bringen die Masthähnchen mehr als ein Kilogramm Schlachtgewicht auf die Waage


59

TAG 51 Kopf체ber eingeh채ngt im Schlachtband durch ein Elektrobad.


60

Ernährungsindustrie Essen Plus

GESCHMACKSSACHE Nicht umsonst sitzt unser Geschmacksempfinden da, wo Nahrung aufgenommen wird: in Mundraum und Rachen. Die Zunge warnt uns vor giftigen oder verdorbenen Lebensmitteln, die meist bitter oder sauer schmecken. Man denke an einen herzhaften Schluck sauere Milch. Der „Geschmack“ an sich entsteht durch eine Kombination von Geschmacks- und Geruchssinn, gemeinsam mit Tast- und Temperaturinformationen aus der Mundhöhle. Wir können fünf grundlegende Geschmacksrichtungen unterscheiden:     

süß sauer salzig bitter umami

Umami umschreibt den Geschmack des Herzhaften. Erstmals umschrieben und definiert 1908, wird das Wort heute auch in unserem Sprachgebrauch in seiner japanischen Aussprache zur Umschreibung von Geschmäckern genutzt. Besonders protein- und fettreiche Nahrung, also die, die viel Energie liefert, schmeckt „umami“. Der Träger dieses Geschmacks ist Glutaminsäure – und auch deren Salz Glutamat. Momentan untersuchen Forscher inwieweit „fettig“ als Geschmacksrichtung ergänzend aufgenommen werden kann. Unser Körper ist darauf ausgerichtet sich Nahrungsmittel zuzuführen, die eine möglichst hohe Energiedichte aufweisen. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn wir bevorzugt zu süßen und oder herzhaften Speisen greifen. Diesen Instinkt macht sich auch die Industrie zunutze, wenn sie der Tütensuppe geschmacklich auf die Sprünge hilft, indem sie diese mit Zucker und Glutamat versetzt. NAHRUNGSERGÄNZUNG Bei einseitiger Ernährung merken wir schnell, dass etwas nicht stimmt. Ob Verstopfung oder das Gegenteil, ständige Müdigkeit oder Konzentrationsschwäche, in irgendeiner Form macht sich der Körper bemerkbar und fordert Aufmerksamkeit. Unser Gewissen beruhigen wir mit Pulvern und Tabletten, die unsere Mängel an Vitaminen und Mineralstoffen schnell und effektiv beseitigen sollen. Joghurt, das gleichzeitig wetterfest macht, gegen Verdauungsbeschwerden; Brot, das glänzende Haare und Nägel verspricht, und teuere Pulver, die uns laut Werbung verloren geglaubte Energie zurückgeben. Hat man keine Zeit um einen Apfel zu kaufen, zu waschen, zu schälen und zu essen kann man alternativ trinkfertig püriertes Obst im Plastikfläschchen kaufen. Smoothie, zu Neudeutsch. Schnell, einfach, aber auch genauso wirksam? Meist nicht, denn der Großteil der Präparate und Pulver enthält zwar Ballaststoffe und diverse Mineralien und Vitamine, aber auch oft viel Zucker und Koffein in Form von Guarana. Das gibt schnell Energie und macht wach. Zuviel an Mineralstoffen und Vitaminen scheidet unser Körper entweder aus, oder aber sie machen sogar krank. Mit einer ausgewogenen Ernährung und möglichst häufiger Bewegung an frischer Luft kann kein Pulver mithalten. Krankheitsbedingte Mängel sollten auf jeden Fall von einem Arzt diagnostiziert und entsprechend behandelt werden.


61


62

E 620 - E 625: GLUTAMAT Die Liste der zugelassenen Zusatzstoffe in der Europäischen Union, und damit auch für Deutschland, umfasst derzeit über 300 Substanzen. Die E-Nummern umfassen die Zahlen zwischen E 100 bis E 1520. Glutaminsäure oder (Mononatrium-)Glutamat ist mit einer Welt-Jahresproduktion von 1,7 Millionen Tonnen der am häufigsten eingesetzten Geschmacksverstärker, weswegen er besondere Beachtung verdient. Als Lebensmittelzusatzstoff werden L-Glutaminsäure sowie deren verschiedene Salze als Geschmacksverstärker als E 620 bis E 625 unseren Lebensmitteln zugesetzt und sorgt für einen herzhaften Geschmack von Nahrungsmitteln. In seiner Reinform ist es ein weißes Pulver. Durch den Zusatz des billig herstellbaren Glutamates kann die benötigte Menge an Gewürzen um ein Vielfaches verringert werden. In Fleisch- und Fischkonserven, Fertiggerichten ist generell der Zusatz von einem Prozent Glutamat erlaubt. Bei Saucen ist die doppelte Menge zugelassen, Würzmittel dürfen bis zu 50 % aus Glutamat bestehen. Aber Glutamat ist kein synthetischer Stoff. Die Glutaminsäure kommt in den meisten Proteinen, und damit in fast allen Lebensmitteln vor. Viele Lebensmittel, zum Beispiel Quark, Getreide, reife Tomaten und Parmesankäse enthalten von Natur aus relativ hohe Anteile Glutamat. Es ist in jedem eiweißhaltigen Lebensmittel enthalten, auch in Muttermilch. Bei normaler Mischkost liegt die tägliche Glutamataufnahme daher bei 8-12 g. Gleichzeitig stellt der Organismus 50 g Glutamat selbst her. Glutamat übernimmt Neurotransmitter im zentralen Nervensystem im menschlichen Organismus wichtige Funktionen bei der Übermittlung, Speicherung und Verarbeitung von Informationen im Gehirn. Studien zur Wirkung von erhöhter Glutamataufnahme liefern offiziell bisher kein einheitliches Ergebnis. In Tierversuchen in den 1960erJahren erkannte man, dass Glutamat einen direkten Einfluss auf die Stoffwechselvorgänge von Nervenzellen hat. Überhöhte Konzentration von Glutamat in den Nervenzellen beeinträchtigte diese und führte im Extremfall zu deren Absterben. Es steht seitdem im Verdacht, bei der Entstehung von Parkinson und Alzheimer eine Rolle zu spielen und die Sehkraft zu beeinträchtigen.


63

DAS CHINA-RESTAURANT-SYNDROM Sensible Menschen klagen bei erhöhter Glutamataufnahme häufig über Kopf- und Magenschmerzen und Übelkeit. Vor allen die europäisierte asiatische Küche verwendet viel und reichlich Glutamat, weswegen die in Zusammenhang mit Glutamat stehende „Krankheit“ als „China-RestaurantSyndrom“ bezeichnet wird. Das Syndrom beschreibt Kopfschmerzen, Magenprobleme, einen trockenen Mund, Kribbeln im Nacken, Müdigkeit und plötzlichen starken Durst nach dem Genuss glutamatreicher Mahlzeiten. 1968, als ein Brief von Dr. Robert Ho Man Kwok im New England Medicine Journal mit Beschreibung von vermuteter Ursache und Auswirkungen veröffentlicht wurde, meldeten sich immer mehr vermeintlich ebenfalls daran Erkrankte zu Wort und gingen an die Öffentlichkeit. Eine über 20 Jahre dauernde Hysterie um Glutamat war die Folge, obwohl nicht eindeutig bewiesen werden konnte, dass der Stoff den alleinigen Auslöser darstellte. In letzter Zeit ist es ruhig um Glutamat geworden, und es wird wieder verstärkt in Produktion und Küche eingesetzt, ohne dass vermehrt Menschen mit dem China-Restaurant-Syndrom beobachtet wurden. Die meisten Menschen vertragen Geschmacksverstärker ohne Probleme, sensible Personen sollten mit zusätzlichem Glutamat angereicherte Speisen meiden.

SMOOTHIES - OBST 2 GO Wer dem konventionellen Fast-Food oder Straßenimbissen skeptisch gegenübersteht, greift gerne zu vermeintlich gesunden Alternativen wenn es schnell gehen soll. Die neumodische Form des Obstgenusses kommt smooth daher, also fein, gleichmäßig, und cremig. Verarbeitet werden ganze Früchte, allerdings ohne Schale und Kerne. Aus Fruchtmark und -püree entsteht zusammen mit Saft das Getränk, meist dient Bananenmark als Basis. Es gibt bisher weltweit noch keine Vorschrift, wann und mit welchem Inhalt sich ein Erzeugnis „Smoothie“ nennen darf. Die meisten der Smoothies sind geballte Energie. Die verarbeiteten Früchte haben durch das Pürieren einen Großteil ihrer Ballaststoffe eingebüßt, den fruchteigenen Zucker aber behalten. Damit hat das Ergebnis etwa um die Hälfte mehr Kalorien als Cola und einen hohen Säuregehalt, der auf Dauer sogar Zähne schädigen kann. Nur wenn ein Smoothie mindestens zur Hälfte aus Mark, Püree oder Fruchtstücken besteht kann er ab und an zwei Portionen Obst ersetzen, ansonsten sollte schon alleine aus Preisgründen „echtem“ Obst der Vorzug gewährt werden.


64

Ernährungsindustrie „Bio“ als Marke

NAHRUNG IN DEN TANK Bisher wurde erklärt, wie Nahrung in Energie ungewandelt wird und uns antreibt, wir uns aber immer weniger bewegen. Nein, halt. Wir bewegen uns sehr wohl, nur nicht durch Muskelkraft. Auto, Bus, Bahn und Flugzeug bringen uns schnell und bequem ans Ziel. Dabei verbrauchen sie Energie, und diese in Form von Kraftstoff. Wie auch wir ohne Nahrung nicht funktionieren können, so steht ein Transportmittel ohne Benzin ebenfalls schnell bewegungslos da. Ganz zu Beginn der muskelfreien Mobilität stand der Dampfantrieb, der dann relativ zügig von benzinbetriebenen Motoren und Generatoren abgelöst wurde.

FLÄCHENAUFTEILUNG 53,5 Prozent der Fläche Deutschlands wird zur Nahrungserzeugung genutzt. Davon ist die reine Ackerfläche etwa so groß wie Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und mehr als die Hälfte von Schleswig-Holstein zusammen.

Im Zuge eines neuen Umweltbewusstseins wurden in jüngster Vergangenheit Kraftwerke aus dem Boden gestampft, die die hoch gelobten „erneuerbaren Energien“ wie Sonne, Wind und Wasser nutzen. Die Erkenntnis, dass fossile Brennstoffe wie Öl und Kohle irgendwann erschöpft sein werden, tat sein Übriges um Panik aufkommen zu lassen. Abhilfe aus dem absehbaren Engpass sollen jetzt Elektro- oder Hybridautos, und vor allem der hoch gepriesene Biosprit bringen. Etwa 20 % des CO2-Ausstoßes in Deutschland geht auf das Konto der Autofahrer. 2005 verschlang der Personen- und Güterverkehr 65 Milliarden Liter Treibstoff. Seit 2007 muss deutsches Benzin einen Biokraftstoff-Anteil von 1,2 Prozent haben, Diesel 4,4 Prozent, und bis 2020 soll EU-weit jeder Kraftstoff zu zehn Prozent biologisch erzeugt sein. Die Schattenseite des grünen Treibstoffes liegt in der Produktion. Ein Aufschrei ging durch Deutschland, als die Lebensmittelpreise für viele völlig unvermittelt und aus unerfindlichen Gründen stiegen. Die Verbindung zu den „umweltfreundlichen“ Kraftstoffen, wie uns die Sachverständigen sie schmackhaft machten, sahen nur wenige, erst jetzt wird es vielen nachhaltig bewusst. In Deutschland werden knapp zwölf Millionen Hektar Land als Ackerfläche genutzt, das sind rund 33 Prozent der Landesfläche. Auf etwa zwei Millionen Hektar davon wachsen die so genannten nachwachsenden Rohstoffe. Das sind Pflanzen, aus denen sich Treibstoff herstellen lässt, hierzulande vor allem Raps. Pro Hektar beträgt die „Ausbeute“ 1600 Liter Bio-Diesel. Je mehr die Nachfrage nach Biokraftstoffen steigt, desto mehr Fläche zum Anbau muss dafür genutzt werden. Diese fehlt dementsprechend zur Nahrungsmittelproduktion. Wie in Deutschland, so werden auch in vielen anderen Ländern Ackerflächen von nahrungs- auf treibstoffproduzierende Pflanzen umgestellt. Die Kraftstoffindustrie zahlt oftmals weitaus höhere Preise als Lebensmittelproduzenten, für die Bauern wird so die meist auch subventionierte Biosprit-Pflanzen-Produktion rentabler. Vor allem ärmere Länder nutzen die Möglichkeit, und verkaufen den gesamten Ertrag ihrer Ernte an die immer hungrigen Treibstoffhersteller. Daraus resultieren steigende Preise für Grundnahrungsmittel, wenn nicht sogar Nahrungsmittelknappheit und Hunger.

Landwirtschaftlich genutzte Fläche

Wälder, Wasser- und sonstige Flächen

Die besiedelte und für Verkehr genutzte Fläche entspricht ungefähr der Größe von Bayern und Baden-Württemberg


65

BIO HEISST GENUSS OHNE REUE? Bio ist gesund, Bio ist natur, Bio ist fair. Vertrauen wir den Biosiegeln, kaufen wir mit dem damit etikettierten Produkt etwas, das gut für uns und die Natur ist, so wird es versprochen. Doch auch dieses „Bio“ ist kein Freifahrtschein für ungetrübten Genuss ohne Maß. Die Bioprodukte enthalten ebenso wie die herkömmlichen Lebensmittel auch unterschiedliche, manchmal fragwürdige Inhaltsstoffe. Ein Biomüsli wird zwar unter strengen Auflagen, und damit möglichst schonend für Natur und Zutaten hergestellt, enthält aber immer noch zugesetzten Zucker. Ein Blick auf die Zutatenliste schafft auch hier Durch- und Überblick. Es gibt in Deutschland über 100 Bio- und Ökosiegel. Am bekanntesten im Zusammenhang mit Nahrung sind das staatliche deutsche Biosiegel und Bioland. BioBio, die Plus-Eigenmarke, kennt fast die Hälfte der Deutschen, und ist damit sogar bekannter als die Anbauverbände Demeter und Naturland. Würden wir alle ab sofort nur noch „Bio“ kaufen wollen, so müssten wir uns schon sehr bald um die letzten Packungen streiten. Die Nachfrage steigt stetig, aber die produzierenden Betriebe kommen kaum noch mit der Produktion hinterher. Auch aus anderen Ländern werden Bioprodukte bereits importiert, lange und Kraftstoff verbrauchende Transportwege sind die Folge. Da Biohersteller zum Beispiel bei Obst und Gemüse auf Konservierungsstoffe verzichten, bleiben die Produkte manchmal nicht bis zum Ende der Haltbarkeitsfrist genießbar. Stärkerer Keimbefall als bei konventioneller Produktion ist ebenfalls oft an der Tagesordnung, da Schädlinge ausschließlich mit natürlichen Mitteln bekämpft werden. Dafür sind die Lebensmittel aber auch eben „bio“, und vor allem bei der artgerechten Tierhaltung kann kein Massenprodukt dem Bio-Fleisch das Wasser reichen. Bio-Produkte können oft nicht mit der optisch uniformen Massenware mithalten, auch preislich liegen sie weitaus höher als die Discount-Lebensmittel, garantieren aber dafür auch eine möglichst naturnahe Erzeugung. Das schont den Boden, spart Düngemittel und damit Energie. Die Lebensmittel sind infolge dessen weniger mit Schadstoffen belastet.

STAATLICHES DEUTSCHES BIOSIEGEL Das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung vergibt dieses Siegel an Produkte, die nach der EG-Öko-Verordnung hergestellt wurden und mindestens deren Richtlinien einhalten. BIOLAND-SIEGEL Bioland ist der führende ökologische Anbauverband in Deutschland. Das Siegel vergibt der Verband, die Kontrollstellen sind staatlich anerkannt. Bioland-zertifizierte Produkte erfüllen ebenfalls die EG-Öko-Verordnung, in einigen Punkten sind die Bioland-Anforderungen sogar wesentlich strenger. Die Produkte werden überwiegend regional vermarktet. BIOBIO Seit 2002 existiert die Bio-Eigenmarke der Discounterkette Plus. Die BiBio-Produkte erfüllen mindestens die Anforderungen der EGÖko-Verordnung. DEMETER Das Symbol wird seit 1928 verwendet und wird schon seit seinem Bestehen kontrolliert. Demeter-Betriebe unterhalten eine biologisch-dynamischen Landwirtschaft. Die Demeter-Richtlinien sind sehr viel strenger als die EU-Richtlinien und beziehen den ganzen erzeugenden Hof, inklusive und vor allem die Tierhaltung, ein und werden vom internationalen Verband kontrolliert. NATURLAND Der Verband wurde 1982 in Gräfelfing bei München gegründet. Die Richtlinien von Naturland sind dementsprechend älter als die der EU, wurden immer wieder aktualisiert, und decken dabei auch Bereiche ab, die in der EG-Öko-Verordnung nicht geregelt sind, wie zum Beispiel die ökologische Aquakultur, Textil- und Kosmetika-Herstellung. ALLE SIEGEL GARANTIEREN UNTER ANDEREM  den Verzicht auf synthetische Pflanzenschutzmittel und mineralische Stickstoffdünger  keine radioaktive Bestrahlung zur Konservierung der Lebensmittel  keine Geschmacksverstärker, künstliche Aromen, Farbstoffe und Emulgatoren in den Produkten  die Fütterung von Tieren mit ökologisch produzierten Futtermitteln ohne Zusatz von Antibiotika und Wachstumsmitteln  artgerechte Tierhaltung  eine Kreislaufwirtschaft mit geschlossenen Nährstoffzyklen

Die komplette Liste der EG-Öko-Verordnung ist auf der Internetpräsenz des Bundesministerium abrufbar: http://www.bmelv.de/


66

Ausblick Was die Zukunft auf den Teller bringt

DIE ENTWICKLUNG UNSERER ESSGEWOHNHEITEN In den 50er Jahren waren die Hungerjahre endlich vorbei. Die Gesellschaft fing an den neu gewonnenen Wohlstand zu genießen und zu feiern. Erstmals begann eine Zeit des ‘Genuss ohne Grenzen.’ In den 60er Jahren fingen die Menschen an viel zu Reisen, die Menschen entdeckten neue Länder, bekamen Lust auf Exotisches. In den 70er Jahren gewinnt nun die Gesundheit immer mehr an Bedeutung. Gesundheit durch gesundes Essen. So entwickelte sich in den letzten zwei bis drei Generationen eine Gesellschaft, die sich zu Größten Teil keine Sorgen um das Essen machen musste. Das Angebot wurde immer mehr und mehr. Nach einer Studie des Zukuftsinstitut spiegelt sich in unserem Essverhalten der gesamte gesellschaftliche Wandel wider. Themen wie Gesundheit, Globalisierung, Neo-Ökologie, Neue Arbeitswege die Individualisierung der Menschen sind Themen, die den ganzen Alltag unserer Gesellschaft beeinflussen und verändert. Die beiden Autorinnen Anja Kirig und Hanni Rützler liefern mit "Food-Styles" einen Einblick in unser zukünftiges Essverhalten und konnten dabei acht Food-Trends analysieren.

ABSEHBARES Betrachtet man die Entwicklung der Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten, so lassen sich für die nahe Zukunft einige Prognosen stellen:  Der Erfolg der Discounter wird wahrscheinlich weiterhin zunehmen, und alle Gesellschaftsschichten werden sich dort mit Lebensmitteln versorgen.  Das Verlangen nach Vertrauen und qualitativ hochwertigen Produkten wird wachsen. Im Zuge dessen werden gesunde und umweltverträgliche Lebensmittel unaufhaltsam in den Mittelpunkt der Ernährung rücken. Der Wunsch nach Qualität, Regionalem und BioProdukten wird stetig wachsen, und Transparenz über Herkunft und Herstellung von Lebensmitteln wird zwingend vorgeschrieben.  Durch die Veränderungen der Lebenssituationen in Familie und Arbeitswelt wird der Außer-Haus-Verzehr und die schnelle Küche weiterhin stark zunehmen.


67

100-MEILEN-DIÄT – Das neue Bedürfnis nach Region

FOOD´N´MIND – Essenswahl anhand des Mehrwerts

Trend und Gegentrend. Die Welt steht offen und bietet all ihre Schätze – egal woher sie stammen, sie sind verfügbar. Doch die stetig zunehmende Globalisierung lässt den Wunsch nach dem Vertrauten wachsen. Nicht nur Bio und Öko sind auf dem Vormarsch, sondern Label wie „Terroir“, „Region“ und „CO2-frei". Der Bauer von Nebenan wird wieder interessant.

Das sogenannte Phood wird weiter auf dem Vormarsch sein. Essen um gesund zu sein oder zu bleiben ist eine Aufgabe, die die Lebensmittel der Zukunft auf sich nehmen müssen. Dabei wird auch viel Wert auf maßgeschneiderte Ernährung gelegt, die an ein Individuum angepasst ist. SEN-SATT-ION – Die neue Lust am Inszenieren

ESSTHETIK – Wie das Design die Food-Branche erobert Design wird sich branchenübergreifend durchsetzen und damit für den Konsumenten zum selbstverständlichen Alltagsgut. Essen ist weit mehr als nur Nahrungsaufnahme. Essen mutiert zur Kultur- und Kunstform und ist Ausdruck eines Lebensstils. Der Wocheneinkauf wird in Zukunft nicht mehr nur Erledigung, sondern Erlebnis sein, der Gang zum Supermarkt nicht mehr Last, sondern Lust.

Ein Trend der aufkommt um unserem Bedürfnis nach sozialen Kontakten nachzukommen. Durch die zunehmende Zeitnot wird das gemeinsame Essen immer mehr verdrängt. Je abstrakter unsere Arbeit wird, je flexibler und eigensinniger wir unser Leben und unsere Beziehungen organisieren (müssen), desto mehr wollen wir das gemeinsame Essen wenigstens ab und zu mit Freunden und Familie zelebrieren.

PLEASURE FOOD – Genuss ist der Neue Luxus NEW FUSION FOOD – Wie der Aufstieg Asiens die globalen FoodEssen ist der Luxusmarkt der Zukunft. KaviMärkte verändert ar und Stopfleber werden nicht nur aus ethAsien vs. USA. Asien wird zum wichtigsten nisch-ökologischen Bedenken immer mehr Impulsgeber für die Systemgastronomie. Für ins Abseits gedrängt. Das zukünftige LuxusEuropa und Amerika ist die Attraktivität der verständnis ist ein aufgeklärtes, bei dem es asiatischen Küchen groß. Es eröffnet sich nicht länger um Prestige, sondern um einen eine neue Welle der Fusionsküche, die rund „epikurischen Mehrwert“ geht. um den Globus Anhänger finden wird. CONVENIENCE 2.0 TRUSTED FOOD – Die Metamorphose der Tütensuppe zum – Das steigende Bedürfnis der Konsumenten gesunden Deli-Fertiggericht nach Transparenz, Vertrauen und Sicherheit Schnelllebigkeit, Hektik und Zeitnot. Aus der Nach immer wieder auftauchenden Essskan- Not heraus, oder auch aus Bequemlichkeit, dalen und dem großen Austausch von Lebens- wird immer mehr zum Fertig- oder Halbmitteln über die ganze Welt ist der Wunsch fertiggericht gegriffen. Doch die Ansprüche nach einer lückenlosen Rückverfolgbarkeit wachsen. Die Produkte müssen höchsten von Nahrungsrohstoffen groß. Transparenz Qualitätsanforderungen entsprechen, schließund Informationen über die Standards bei lich müssen sie die Küche von Mama ersetder Produktion schafft Vertrauen. Eine neue zen. Während vor nicht allzu langer Zeit noch Produktqualität entsteht, und Dank ehrlicher in Schulen das Unterrichtsfach „Kochen“ auf Kommunikation wird auch der Online-Handel dem Stundenplan stand, gibt es heutzutage mit Lebensmitteln deutlich zunehmen. viele junge Frauen und Männer, die kaum noch frische Gerichte kochen können.


68

DANKE Wir bedanken uns herzlich bei Allen, die uns bei unserer Arbeit unterstützt haben! Dazu gehören unsere Dozenten, Familien, Freunde und Bekannte, die uns mit Rat und Tat zur Seite standen und sehr viel Geduld mit uns hatten. Besonderer Dank gilt: (Bettina) Eugen, Irmgard und Jessica (Susanne) Robert, Stefan, Eva, Biggi, Nadine und Daniela

Fachmagazin für Mensch und Umwelt. Ausgabe 2/09 Erscheint im Juli 2009

PSYCHOLOGIE PLUS

IMPRESSUM Satz & Layout: Susanne Benker, Bettina Lohmann Texte: Susanne Benker, Bettina Lohmann Fotos: Bettina Lohmann (Seiten 7, 15, 17, 23, 37, 41, 43, 45, 46, 47, 49, 55, 63) Susanne Benker (Seiten 13, 18, 22, 27, 29, 61, 62) Robert Zimmermann (Seite 24) Kontakt: impious_design@yahoo.de 3D-Illustration Seite 14: Stefan Wagner Kontakt: www.un3x.net 1. Auflage: 6 Stück Januar 2009 Druck: Firma REHAU Umschlag und Bindung: Firma Scheiner, Würzburg



Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.