Akzente 1/2018

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Akzente Das Magazin der Pädagogischen Hochschule Zürich

Führung von Klassen – über Beziehungen Regeln definieren Seite 10

Beratung: Anfang Jahr melden sich besonders viele Lehrpersonen bei der Hotline der PH Zürich Seite 27 Serie: Sezieren im Experimentierkurs «Natur und Technik» Seite 32 blog.phzh.ch/akzente


Inserate

Gewerbemuseum Winterthur

Ausstellung

Cupboard Love 3. Dezember 2017 bis 22. April 2018 Ohne ihn geht es kaum, und doch wollen wir ihn oft loswerden. Ob Repräsentationsobjekt oder unliebsame Notwendigkeit, immer ist der Schrank praktisches Behältermöbel in unterschiedlichsten Formen und Funktionen. Er dient als Ort der Aufbewahrung und der Ordnung, nicht nur von Dingen, sondern auch von Wissen, Erinnerungen oder Geheimnissen. «Cupboard Love» rückt das sperrige Möbel ins Rampenlicht und beleuchtet es aus der Perspektive von Design, zeitgenössischer Kunst, Film und Kulturgeschichte. Dabei wird seine Gestaltung und sein metaphorisches Potenzial erforscht und ein Blick in sein Inneres geworfen, das viele Geschichten zu erzählen weiss.

Angebote für Schulen

Alle Tassen im Schrank? Workshop für Unter- und Mittelstufe, 2.–5. Klasse Eine Kooperation von Museums- und Theaterpädagogik der Stadt Winterthur, für Klassen des Kantons Zürich vergünstigtes Angebot von schule&kultur

Kafi, Gipfeli 3 .—

Cupboard Love Der Schrank, die Dinge und wir Dialogische Führung für die Sekundarstufe I + II

Material-Archiv Interaktives Labor für Materialrecherchen Zahlreiche thematische Workshops für alle Stufen

Material-Archiv Schwerpunkt Farbe Begleitheft & Lehrer/innendokumentation für alle Stufen für den selbstständigen Besuch mit der Klasse, kostenlos erhältlich an der Museumskasse, Download ab www.gewerbemuseum.ch / Angebote für Schulen & Lehrpersonen

Zmit tag 7.—

Öffnungszeiten Di bis So 10 –17 Uhr, Do 10 – 20 Uhr, Mo geschlossen Öffnungszeiten Feiertage www.gewerbemuseum.ch Anmeldung und Informationen Gewerbemuseum Winterthur Kirchplatz 14, 8400 Winterthur Telefon 052 267 51 36 E-Mail gewerbemuseum@win.ch www.gewerbemuseum.ch

www.hirschli.net


Inhalt 1/2018

10 Leitartikel: Beziehungsarbeit als A und O der Klassenführung.

32 Serie: Studierende sezieren in 20 Reportage: Ein neuer Ansatz zur «Natur und Technik» Tierorgane. Klassenführung in Sri Lanka.

4 Vermischtes Tagesschulen – Kinder und Jugendliche im Fokus

Titelbild: Christian Droz, Schule Männedorf, Foto: Dieter Seeger

7 Eine Frage, drei Antworten Wie schaffen Sie gleiche Chancen für alle? 9 Seitenblick Wir sind die Guten!

10 Schwerpunkt Klassenführung

Leitartikel: Die Klasse zum Lernen hinführen Porträts: Wie Lehrpersonen ihre Klasse führen Interview: Heinz Russheim, Leiter FCZ Academy Reportage: Mit Spielen lernen und führen in Sri Lanka

24 Studierendenseite Porträt, Masterarbeit, Kolumne 27 PH Zürich Beratung: Hotline der PH Zürich – eine Nummer für neue Vorsätze

Ausbildung: Befragung zeigt Zufriedenheit mit dem Studium Lernmedien-Shop: «Gedruckte Lernmedien bleiben weiter unentbehrlich» Ausbildung: « Schreiben und Denken gehen Hand in Hand» 32 Serie «Das Modul» Experimentieren mit Kopf, Herz und Hand 34 Medientipps 37 Unter vier Augen Macht Fehler!? 38 Instagram #takeover 38 Impressum

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Das Thema Klassenführung ist in der Schule allgegenwärtig. Darauf weist auch die hohe Anzahl an Anfragen hin, die bei der Beratungshotline der PH Zürich dazu eingehen. Dabei geht es in den Beratungsgesprächen oft um den Umgang mit Störungen im Klassenzimmer. Sieht sich eine Lehrperson beispielsweise mit einem schwierigen Schüler oder einer schwierigen Schülerin konfrontiert, kann dies zu erheblichen Belastungen führen. Die Botschaft der drei Lehrerinnen, die sich in diesem Heft zur Frage nach den Faktoren einer erfolgreichen Klassenführung äussern, ist deutlich: Führung im Klassenzimmer gelingt dann, wenn die Lehrerin oder der Lehrer in jeder neuen Klasse von der ersten Stunde an eine eigene Linie verfolgt. Konkret bedeutet dies: Verbindliche Rahmenbedingungen für den Unterricht zu setzen und gute Beziehungen zu den Schülerinnen und Schülern aufzubauen. Besonderes Gewicht hat bei der Beziehungsgestaltung die Persönlichkeit und die Empathie der Lehrperson. «Kinder wollen gesehen werden, im Guten wie im Schlechten», sagt dazu die Dozentin Heidi Keller-Lehmann von der PH Zürich. Dies bestätigt die Aussage einer der drei Lehrerinnen. Sie bringt diesen Aspekt in ihrem Statement so auf den Punkt: «Manchmal muss man den Schülerinnen und Schülern einfach nur zuhören». – Christoph Hotz

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In haltsverzeich nis/Editorial

Interesse zeigen und zuhören


Tagesschulen – Kinder im Fokus

Ende Januar fand an der PH Zürich die Tagung «Tagesschule 2018 – Kinder und Jugendliche im Fokus» statt. Den Auftakt machten die eingeladenen Funktionsträgerinnen und Funktionsträger aus Schule, Betreuung, Amt und Elternvertretung. Maria Aebi, Leiterin der Berner Tagesschule Schwabgut, hielt fest, dass gute Beziehungen massgebend für die Leistungs- und Lernfähigkeit der Kinder sind. Zudem sei das aktive Mittragen der «Philosophie Tagesschule» aller Involvierten essenziell: der Betreuungs- und Lehrpersonen, jedoch auch der Kinder, Familien und Gemeinden. Andreas Baumann, ehemaliger Schulleiter der Zürcher Tagesschule Albisriederplatz, wies darauf hin, dass die Tagesstrukturen nicht parallel zum Unterricht entwickelt werden sollten. Lehrpersonen und Betreuungspersonen sollten stattdessen interdisziplinär agieren. Die Sicht der Bildungsbehörden vertrat Rachel Guerra vom Schulamt des Fürstentums Liechtenstein. Auch sie betonte die Wichtigkeit einer wertschätzenden und fördernden Zusammenarbeit. Bei den Tagesschulen ginge es nicht allein um ein Angebot für arbeitende Eltern, sondern vielmehr um eine «qualitative Mehrzeit», bei der die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen im Zentrum stehen. Als Präsidentin der Kantonalen Elternorganisation Winterthur brachte Gabriela Kohler-Steinhauser die Sicht der Eltern ein. Sie 4

Kommende   Ver­ anstaltungen 7. März Workshops Holocaust Education Das Programm besteht aus einer Lehrmitteleinführung und einem Workshop zur Ausstellung «The Last Swiss Holocaust Survivors».

18. Mai Lerncoaching in der Berufsbildung Den Schwerpunkt bildet die Frage, wie «Lernen» und «Coaching» kombiniert werden können.

25. Mai Symposium Personalmanagement Die diesjährige Austragung findet unter dem Titel «Berufsbiografische Entwicklung - Führung - Förderung» statt. Weitere Infos:  phzh.ch/ veranstaltungen

schilderte die nicht immer einfache Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie und wies auf die Wichtigkeit hin, dass auch die Bedürfnisse der Kinder und ihrer Eltern bei der Einführung der Tagesschulen abgeholt werden sollten. Im folgenden Programmpunkt stellte Frank Brückel, Dozent und Berater an der PH Zürich, das kürzlich abgeschlossene Projekt «Qualität in Tagesschulen» (QuinTaS) vor. Das Team um Frank Brückel widmete sich darin der Frage, was gute Qualität in Tagesschulen bedeutet. Aus dem Projekt ging hervor, dass sich gute Tagesschulen unter anderem durch gemeinsam erarbeitete, schulspezifische Ziele sowie durch interessenorientierte Angebote für Kinder und Jugendliche auszeichnen. Basierend auf seinen Erkenntnissen entwickelte das Projektteam praxisnahe Unterlagen. Diese unterstützen Tagesschulen dabei, die Qualität ihrer Angebote partizipativ weiterzuentwickeln. Anschliessend hatten die 300 Teilnehmenden die Möglichkeit, einen von insgesamt 13 Workshops zu besuchen. Im Rahmen von Vorträgen und Diskussionsrunden wurden dabei der Aufbau und die Weiterentwicklung von Tagesschulen, aber auch Aspekte wie Raumdesign, altersgerechte Angebotsgestaltung oder Personalplanung thematisiert. – Angela Roos AKZENTE 1/2018

Foto: Reto Klink

Ver mischtes

Vielseitige Perspektiven auf das Thema Tagesschule: Maria Aebi, Gabriela Kohler-Steinhauser, Rachel Guerra, Andreas Baumann (v.l.).


Engagement der PH Zürich bei der Einführung des Lehrplans 21.

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Fotos: Christoph Hotz, Christian Wagner, Olivia Rigoni

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Mitarbeitende sind an der Entwicklung und Umsetzung der Einführungsmassnahmen beteiligt

Zentren und Bereiche haben zur Umsetzung beigetragen

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Jahre flossen in die Planung und Entwicklung ein

750

Schulleiterinnen und Schulleiter besuchten 2017 die Weiterbildung zum LP 21

2400

Lehrpersonen nehmen bis September 2018 an den Impulsveranstaltungen zum LP 21 teil

350

Schulen nutzen die online unterstützten Weiterbildungen

3200

Lehrpersonen werden für die Grundlagenkurse Medien und Informatik bis Sommer 2021 erwartet

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Aktuelles Neue Prorektorin Ausbildung Silja Rüedi ist zur neuen Prorektorin Ausbildung der PH Zürich ernannt worden. Die Juristin, promovierte Erziehungswissenschaftlerin und derzeit stellvertretende Generalsekretärin der Bildungsdirektion des Kantons Zürich war zuvor unter anderem als Bereichsleiterin der Weiterbildungsstudiengänge «Bildung und Lernen» an der PH Zürich tätig. Zukunftstag an der PH Zürich Rund 75 Kinder und Jugendliche nahmen im vergangenen November am Zukunftstag teil. Sie machten Interviews, bewirtschafteten den Instagram-Account der PH Zürich und schlüpften in die Rolle einer Lehrperson.

musikalischen Könnens. Das Stück handelt von einer rauschenden Neujahrsparty, die live im Radio übertragen wird.

Insgesamt beteiligten sich rund 20 Studentinnen und Studenten an der Theater-Produktion.

Religionen: neues Netzwerk Die PH Zürich setzt mit einem neuen Netzwerk einen Schwerpunkt in der Fachdidaktik «Religionen, Kulturen, Ethik». Ende November fand die Auftaktveranstaltung statt. Im Zentrum stand die Frage nach der Bedeutung von religionsspezifischen Kompetenzen im Unterricht.

Einsatz in der Praxis: Ein Teil der Kinder unterrichtete am Zukunftstag in einer 1. Klasse.

Drei neue Professuren Die PH Zürich hat drei neue Professuren in den Bereichen Lehr-/ Lernprozesse, Berufspraktische Ausbildung sowie Schulentwicklung verliehen. Die Professuren erhielten Annelies Kreis, Enikö Zala-Mezö und Wassilis Kassis. Musiktheater-Produktion In zwei vollbesetzten Vorstellungen gaben Studierende der Sekundarstufe I im Stück «Fish’n’ Wish» eine Kostprobe ihres szenischen und

Podium zum Thema Regeln Unter dem Titel «Welche Regeln für alle?» diskutierten an der Podiumsveranstaltung der Stiftung Pestalozzianum Vertretende aus Politik, Schule und Medien, wie Vielfalt und Normen vereinbar sind.

Engagierte Diskussion auf dem Podium: Dieter Rüttimann, Leiter der Gesamtschule Unterstrass.

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Ver mischtes

PHZH in Zahlen


Inserate

Illustration: Studio Nippoldt; Bilder: NASA/JPL

EXPEDITION SONNENSYSTEM • Führungen und Workshops für Schulklassen • Unterrichtsmaterial und Aufgabenblätter • Weiterbildungen für Lehrpersonen Informationen und Buchung unter www.focusterra.ethz.ch Öffnungszeiten focusTerra: • Montag bis Freitag 9 - 17 Uhr • Sonntag 10 - 16 Uhr

Erdwissenschaftliches ForschungsErdwissenschaftliches Forschungsund und Informationszentrum derZürich ETH Zürich Informationszentrum der ETH

«Wir sehen die Dinge nicht so,

wie sie sind, sondern so, wie wir sind.» GRUNDLAGEN IN MEDIATION Fundamentale Aspekte der Mediation, praxisbezogen und mit vielen Trainingsmöglichkeiten. Das grundlegende Handwerkszeug für die Mediationstätigkeit wird vermittelt und trainiert. So können die Teilnehmenden die Mediation in verschiedenen Arbeitsfeldern konkret anwenden. IEF-Zertifikat, Anerkennung durch SAV und SKWM. Leitung: Raymund Solèr, lic. iur., Coach und Mediator SDM Nächster Beginn: 15. März 2018, Dauer: 18 Tage

SYSTEMISCHES ELTERNCOACHING Die Weiterbildung beschäftigt sich mit Problematiken in der Familie: Lebenseinstellung, Komplexität, Sucht, Krankheit, unterschiedliche Modelle, Gewalt und andere mehr. Sie werden nicht nur lernen, sondern erleben, wie Sie sich verschiedenen Situationen flexibel anpassen können. Leitung: Marianne Egloff, Familienmediatorin und Erziehungsberaterin Nächster Beginn: 19. März 2018, Dauer: 11 Tage

e Le t z t e z Plät IEF Institut für systemische Entwicklung und Fortbildung Schulhausstrasse 64, 8002 Zürich, Tel. 044 362 84 84, ief@ief-zh.ch, www.ief-zh.ch

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Eine Frage, drei Antworten: Wie schaffen Sie gleiche Chancen für alle? vielleicht weitgehend eine Illusion bleiben, aber man kann sich ihr auf jeden Fall annähern, davon bin ich überzeugt.

individuelle Wesen sind, besser berücksichtigt.

Anna Siegrist-Ronzani, Primarlehrerin in der Schule Aussersihl

Möglichkeiten, Gelegenheiten oder auch Glücksfälle, die sich im Laufe unseres Lebens ergeben oder einem «zufallen». Da ich selbst Migrationshintergrund habe und von engagierten Lehrerinnen und Lehrern gefördert wurde, weiss ich, wie wichtig, ja sogar entscheidend die Einstellung und Haltung von Lehrpersonen sein können. Als Klassenlehrperson in einer QUIMSSchule in der Stadt Zürich organisiere und strukturiere ich meinen Unterricht so, dass meinen Schülerinnen und Schülern jene Möglichkeiten und Gelegenheiten «zufallen», die sie in ihrem Lernprozess optimal stützen und fördern. Dazu gehört meines Erachtens unbedingt ein sprachsensibler Unterricht, und zwar nicht nur im Fach Deutsch, sondern genauso in den anderen Schulfächern. Diesem widme ich – auch dank meiner Zusatzausbildung in «Deutsch als Zweitsprache» – ganz besondere Aufmerksamkeit. Denn aufgrund meiner eigenen persönlichen und schulischen Biographie weiss ich, wie zentral die Sprache für den Schulerfolg der Kinder und Jugendlichen ist. Chancengleichheit mag AKZENTE 1/2018

Susanne Meier Leuenberger, Kooperationsschulleiterin an der PH Zürich und Primarlehrerin

Ganz   einfach:   Das   schaffe ich   nicht!   «Gleiche Chancen Je   älter   ich   werde, sei es als Pädagogin oder als Mutter, desto mehr wird mir bewusst, wie schwierig diese berechtigte Forderung an die Volksschule umzusetzen ist. Klar kenne ich die Tricks der Binnendifferenzierung, arbeite mit offenen Lernaufgaben, stärke die Stärken jedes und jeder Einzelnen mit dem persönlichen Stärkenportfolio, lasse die Schülerinnen und Schüler kooperativ arbeiten, so dass sie auch voneinander lernen können, und gebe differenzierende Hausaufgaben, weil ich weiss, dass zuhause nicht alle Kinder Unterstützung bekommen. Auch meine Unterrichtsmethoden wechsle ich sorgfältig ab, um möglichst alle Lerntypen zu berücksichtigen. So läuft es bei mir einigermassen gut. Ich weiss, dass ich mein Möglichstes als Pädagogin tue. Das Ziel «Chancen für alle!» – ohne den Zusatz «gleiche» – ist jedoch realistischer. Die Herausforderung bleibt so weiterhin anspruchsvoll, jedoch wird der Umstand, dass wir Menschen höchst

für alle» mag in meiner Arbeit als schulische Heilpädagogin zwar ein Fernziel sein, doch erfordert es eine unermüdliche Zusammenarbeit aller beteiligten Personen. In meiner Arbeit unterstütze ich Schülerinnen und Schüler der Heilpädagogischen Schule, die integrativ die Regelschule besuchen, in ihrem sozialen, emotionalen und schulischen Lernen. Die Kooperation sämtlicher Menschen ihres Umfeldes – der Lehrpersonen, Klassenkameraden, Eltern, Therapeuten und Schulleitenden sowie der Schülerin beziehungsweise des Schülers selber – ist dabei unablässig. Gemeinsam versuchen wir, den Kindern und Jugendlichen möglichst gute Chancen in ihrem aktuellen und zukünftigen Leben zu ermöglichen. Wir bauen zusammen etwas auf und hoffen, dass die Kinder durch unsere Arbeit bessere Möglichkeiten im späteren (Berufs-)Leben erhalten. Doch «bessere Chancen» sind halt tatsächlich nicht «gleiche Chancen».

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Meinu ngen

Unter   dem   Begriff   «Chancen»   verstehe   ich   primär

Esther Schuster, Schulische Heilpädagogin an der Heilpädagogischen Schule der Stadt Zürich


Inserate

Schloss Au – Das Tagungszentrum mit Charme am Zürichsee www.schloss-au.ch

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Reduzier te Tarife fü r Schulen

Ein Betrieb der Pädagogischen Hochschule Zürich

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Karin Zopfi Bernasconi – Seitenblick

Illustration: Elisabeth Moch

Ich wohne in jener Gemeinde der Nordwestschweiz, die als erste in allen Privathaushalten das Kunststoffrecycling eingeführt hat. Mit Pauken und Trompeten wurden vor knapp zwei Jahren in alle Haushaltungen gelbe Säcke verteilt. Eine Umweltpädagogin leistete in den Schulhäusern unermüdlichen Einsatz, indem sie von Klasse zu Klasse pilgerte und die Kinder dazu erzog, Joghurtbecher, Plastikbeutel und Fleischpackungen vom Restmüll zu trennen. In der privaten Recyclingstation muss nun neben Altglassack, Petflaschenbehälter, Batteriensäckchen, Altpapierkiste, Grünabfuhr und dem Restabfall auch noch dieser neue, gelbe Kollege seinen Platz finden. Beim Kochen und Aufräumen haben die Automatismen ausgedient, denn jeder Griff in Richtung Müll erfordert ab sofort eine aktive Denkleistung: grauer oder gelber Sack? Falls es die Grossen nicht so genau nehmen, schaltet sich das geschulte Kindergewissen ein, das die Eltern gerne nochmals auf die Relevanz der Thematik hinweist. Wer bei der Umgewöhnung ohne kindlichen Fingerzeig, dafür aber budgetbewusst funktioniert, kommt mit dem neuen AKZENTE 1/2018

Beutel auch auf seine Kosten, denn er lohnt sich sogar auf dieser Ebene. So zieren diese gelben Säcke nun alle zwei Wochen die Strassen meines Wohnorts. Egal mit welcher Motivation sie verwendet werden, das Resultat ist für alle dasselbe: Wir fühlen uns etwas grüner, ja, eigentlich einfach etwas besser. Wir achten ein Quäntchen mehr auf unsere Umwelt und meinen damit die ökologische Bilanz deutlich zu verbessern. Dagegen gibt es gar nichts einzuwenden. Schliesslich muss man im Kleinen beginnen. Umwelterziehung mit Kindern zu betreiben, ist eine unterstützenswerte Sache: Sie sind unsere Zukunft! Was bei dieser Thematik aber gerne aussen vor gelassen wird, ist die Frage des effektiven Nutzens und der Relationen. Auswertungen zum privaten Plastikrecycling weisen nämlich darauf hin, dass dem verhältnismässig kleinen ökologischen Nutzen hohe Kosten gegenüberstehen. So kann potenziell pro Person und Jahr lediglich eine 30 km lange Autofahrt gespart werden. Es ist also fraglich, ob sich dieser grosse Aufwand lohnt. Diese harten Fakten lassen die Vermutung aufkommen, dass noch andere Mecha-

nismen im Spiel sein müssen. Helfen diese vermeintlich sinnvollen Handlungen, mit dem schlechten Gefühl der kollektiven ÖkoBilanz umzugehen? Können wir damit die Dissonanz, die das Leben in unserer Wegwerf-Gesellschaft auslöst, etwas reduzieren oder spielt das Verantwortungsgefühl zukünftigen Generationen gegenüber eine entscheidende Rolle? Falls es mit solchen Projekten gelingt, das Bewusstsein für einen nachhaltigeren Umgang mit unseren Ressourcen zu schärfen, wird sich der Aufwand längerfristig auszahlen. In diesem Zusammenhang wäre es aber wichtig, gerade unsere Kinder nicht in einem blind geschulten Gehorsam nur Abfall trennen zu lassen. Ihnen sollte das Verständnis für die grösseren Zusammenhänge vermittelt werden, so, dass der Fingerzeig in diesem Beispiel bereits beim Einkaufen erfolgt. Dass man dabei fröhlich von der nächsten, fernen Feriendestination träumen kann, gehört zu den Widersprüchen unserer Zeit. Karin Zopfi Bernasconi ist Dozentin für Pädagogische Psychologie an der PH Zürich.

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Seitenblick

Wir sind die Guten!



Klassenführung gelingt, wenn die Prävention vor der Reaktion steht. Dies erfordert an erster Stelle eine gute Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern. Angesichts der zunehmenden Heterogenität und Individualisierung in der Schule ist die Klassenführung anspruchsvoller geworden und stärker als Teamaufgabe zu betrachten. Text: Melanie Keim, Fotos: Dieter Seeger

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Schwer pu nkt Klassenf ü hr u ng

Die Klasse zum Lernen hinführen


Schwer pu nkt Klassenf ü hr u ng

Eine Lektion, die voll und ganz nach den Vorstellungen der Lehrperson abläuft, ist eine Illusion. Irgendwann lenkt immer ein Kind ein anderes kurz ab, fällt ein Stift zu Boden, wird bei einer Gruppenarbeit gestritten. Wie Unterrichtsbeobachtungen zeigen, wird der Unterricht sogar beinahe konstant leicht gestört: Etwa alle 10 Sekunden tritt gewöhnlich eine Störung auf. Störungsfreier Unterricht ist aber nicht nur unrealistisch, sondern auch nicht wünschenswert. «Störungsfreier Unterricht ist nicht gleichbedeutend mit guter Klassenführung», sagt Heidi Keller-Lehmann, die an der PH Zürich Studierende im Bereich Klassenführung ausbildet und Lehrpersonen berät. So kann eine Auseinandersetzung bei der Gruppenfindung beispielsweise nötig sein, damit Kinder auch wirklich zur Gruppe zusammenfinden. «Bei der Klassenführung geht es auch nicht um Disziplinierung, sondern darum, dass Schülerinnen und Schüler in einem angstfreien, der Konzentration förderlichen Klima lernen können.» Dass gute Klassenführung weniger eine Frage der Intervention als vielmehr der sorgfältigen Prävention ist,

Michaela Norrmann

Kindergärtnerin in Flaach

Eine gute Klassenführung ist zentral für das Lernen im Kindergarten. Das Thema ist für mich äusserst vielschichtig. Wichtig sind die Beziehung zu den Kindern, die Unterrichtsqualität sowie Routinen, Rituale und Regeln. Eine gute Beziehung zu den Kindern schaffe ich mit einem klaren, liebevollen, interessierten und respektvollen Führungsstil. Die Kinder werden gesehen und wahrgenommen und müssen sich nicht negativ bemerkbar machen. Der Unterricht muss inhaltlich spannend gestaltet sein und die Kinder in ihrem jeweiligen Entwicklungsstand abholen. Nebst den geführten Sequenzen bietet hier die Freispielzeit ausgezeichnete Möglichkeiten zur Förderung der Kinder. Dabei beobachte ich die Kinder bewusst und gebe gezielte Spielund Lern-Impulse. Unser Klassenraum animiert die

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Kinder zum selbständigen Spielen und gewährleistet mir als Lehrperson gleichzeitig eine bestmögliche Übersicht, damit ich falls nötig jederzeit unterstützen kann. Wenig, aber gut durchdachte Regeln, die ich konsequent einfordere, sind ebenfalls bedeutend. Neu in den Kindergarten eintretende Kinder haben manchmal Mühe, sich daran zu halten.Sie können zum Beispiel noch nicht warten, bis sie im Kreis an der Reihe sind. Hier arbeite ich mit visuellen Signalen, zum Beispiel mittels Bildkarten zu den geltenden Regeln. Zudem weise ich einzelne Kinder vor Kreissequenzen nochmals individuell auf das gewünschte Verhalten hin. Fortschritte mache ich sichtbar, indem ich den Kindern positives Feedback gebe. Gute Klassenführung hilft mir, im Schulalltag gesund und zufrieden zu bleiben.

ist bereits seit längerem bekannt. Anfang der 1970er Jahre suchte der US-amerikanische Erziehungswissenschaftler Jacob Kounin, der heute als Gründer des modernen Classroommanagements gilt, nach der wirksamsten Reaktion auf Störungen im Klassenzimmer. Bei der Analyse der erhobenen Unterrichtssituationen zeigte sich, dass die gleichen Interventionen bei verschiedenen Lehrpersonen und Klassen eine sehr unterschiedliche Wirksamkeit aufwiesen. Woran lag es, dass eine Klasse ruhiger wurde, wenn die Lehrerin bei einem hohen Lärmpegel zu sprechen aufhörte, während die gleiche Intervention bei einem Kollegen nicht zur erwünschten Beruhigung führte? Video-Analysen des Unterrichts offenbarten schliesslich, dass nicht die konkrete Intervention entscheidend war. Massgebend war vielmehr, was dieser vorausging. Klarheit und Vertrauen «Präventive Klassenführung hat zum Ziel, dass weniger Störungen auftauchen und die Lehrperson auf einem tiefen Eskalationsniveau intervenieren kann», erklärt KellerLehmann. Konkret bedeutet dies, klare und verbindliche Rahmenbedingungen für den Unterricht zu schaffen und gute Beziehungen zu den Schülerinnen und Schülern aufzubauen. Dies beginnt mit einer geeigneten Raumorganisation, klar und präzise formulierten Aufträgen, die dem Niveau der einzelnen Schülerinnen und Schüler angepasst sind, sowie mit wenigen, dafür transparenten und durchsetzbaren Regeln. Keller-Lehmann beobachtet im Schulfeld, dass oft zu viele und zudem standardisierte Regeln aufgestellt werden. Eine Regel wie «Wir begegnen einander immer respektvoll» trägt wenig zu einer lehrund lernförderlichen Atmosphäre bei. Sie stellt weder eine konkrete Verhaltensanweisung dar, noch kann sie konsequent eingehalten oder eingefordert werden. «Für etwas so Komplexes wie einen respektvollen Umgang gibt es meiner Meinung nach keine sinnvolle Regel. Dieser kann nur vorgelebt und eingeübt werden», sagt Keller. Stattdessen gilt es, mit der Klasse klar verständliche und einhaltbare Regeln auszuhandeln – etwa, dass man vor dem Sprechen in der Klasse die Hand hebt –, die nicht nur gemeinsam eingeübt, sondern von der Lehrperson auch konsequent eingefordert werden. Im Falle eines Regelverstosses gilt es, unmittelbar, aber ruhig und unspektakulär zu reagieren, rät Heidi Keller-Lehmann. Meist reichen dabei nonverbale Mittel wie ein Blick, wenn beispielsweise ein Handy auftaucht, oder eine Positionierung der Lehrperson im Raum, die Präsenz markiert. Dabei ist von der Lehrperson nicht nur Konsequenz und Verbindlichkeit gefragt, sondern auch viel Flexibilität und Kreativität im Umgang mit den zahlreichen Unbekannten, die der Schulalltag mit sich bringt. Keller-Lehmann erwähnt dazu ein Beispiel von einem Schulbesuch, bei dem eine Schülerin ihren Kaugummi sofort herunterschluckte, als dieser entdeckt wurde. Als AKZENTE 1/2018


Durch die zunehmende Heterogenität und die wachsende Individualisierung ist die Klassenführung anspruchsvoller geworden.

Präventive Beziehungsarbeit Grundsätzlich gilt: Je breiter das Handlungsrepertoire der Lehrperson, desto besser die Klassenführung. Dabei gilt, dass die Wirksamkeit von Interventionen massgeblich von der Beziehung der Lehrperson zu ihrer Klasse abhängt. Besteht ein gegenseitiges Vertrauen, kommt es auch im Umgang mit schwierigen Schülerinnen und Schülern weniger zur Eskalation. Prävention steht folglich in einem engen Zusammenhang mit der Beziehungsarbeit. «Eine gute Beziehung setzt sich aus zahlreichen kleinen Begegnungen im Alltag zusammen», sagt Keller-Lehmann. So kann die Lehrperson einem Kind oder Jugendlichen beispielsweise bei der Begrüssung über eine kurze Bemerkung zum Resultat seines Lieblingsfuss-

Weiterbildungsangebote der PH Zürich zur Klassenführung stossen stets auf grosses Interesse. Neu wird das Thema mit einer Reihe von praxisorientierten Abendveranstaltungen aufgegriffen. Im Fokus stehen dabei Aspekte wie Teamteaching, Auftrittskompetenz oder das Thema Achtsamkeit in der Klassenführung. In einem ebenfalls neuen dreitägigen Modul können Lehrpersonen zudem Erfahrungen mit kollegialem Coaching sammeln.

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ballclubs Interesse signalisieren. «Kinder wollen gesehen werden, im Guten wie im Schlechten», so Keller-LehMichael mann. Dabei hat die Beziehungsbildung weniger mit Zahnd Technik als vielmehr mit der Persönlichkeit und dem Primarschule Menschenbild der Lehrperson zu tun. So lässt sich beiBirmensdorf, 5. Klasse spielsweise Empathie nicht kontrollieren. Berichtet etwa ein Kind vom Tod seines Hamsters, merkt es sofort, ob die Anteilnahme der Lehrperson echt oder nur gespielt Meine Klassen werden genommen fühlen. Hier ist. Was für die Führung in der Berufswelt gilt, hat denn zu Beginn eines neuen bildet die BeziehungsKlassenzugs jeweils mit gestaltung einen massge- auch für die Führung von Kindern Gültigkeit: Führung Kindern aus verschiede- benden Faktor. Eine Lehrsteht und fällt mit der Persönlichkeit und Haltung der nen Unterstufenklassen person soll den Schülezusammengesetzt. Die rinnen und Schülern Lehrerinnen und Lehrer. Hat eine Lehrperson das GeSchülerinnen und Schüler nicht nur Wissen vermitfühl, alles richtig zu machen, während die Kinder sich sind sich folglich verteln, sondern muss ein schiedene Führungsstile echtes Interesse an gewohnt. Entsprechend ihnen als Persönlichkei- querstellen, fruchtet auch ein breites Handlungsrepertoiprallen dadurch beim Ein- ten zeigen. Dazu gehört, re kaum. tritt verschiedene Welten mich regelmässig nach Weil erfolgreiche Klassenführung stark von der aufeinander. Meine Aufihren Freizeitaktivitägabe ist es, in den ersten ten und Hobbys zu erkunPersönlichkeit abhängt und zudem individuelle StrategiWochen gemeinsam mit den digen. Die Schule darf en und Lösungen verlangt, gehört Klassenführung zu Kindern neue Regeln für kein abgeschlossenes den Umgang miteinander System ohne Bezug zum jenen Aspekten des Unterrichts, die sich nur schwer thezu erarbeiten. Hier bin Privatleben der Kinder oretisch vermitteln lassen. Das individuelle Handlungsich sehr streng. Einer bilden. Entgegen der meiner Grundsätze lautet, aktuellen Entwicklung repertoire lässt sich erst in der Praxis festigen und erweidass niemand lacht, wenn bevorzuge ich in meinen jemand einen Fehler Lektionen den Frontalun- tern. In der Ausbildung an der PH Zürich wird das macht. Denn nur wenn wir terricht. Gruppenunteralle am gleichen Strick richt führt meinen Erfah- Thema Klassenführung im Mentorat während des Beziehen, kann eine Lernrungen nach zur Bildung rufspraktikums meist ausgiebig besprochen. Dabei begemeinschaft entstehen. von in sich abgeschlosDiese Regeln teile ich senen «Mini-Gemeinschaf- steht jedoch das Manko, dass Studierende in den Praktika auch den Eltern am ersten ten», was sich oft negativ kaum mit schwierigen Klassen konfrontiert sind. Umso Elternabend mit. Damit auf Lernfortschritte wichtiger sind die Fachbegleitung in der Schule durch die Kinder mich als Lehr- einzelner Schülerinnen person respektieren und und Schüler und somit eine erfahrene Lehrperson sowie die Beratungsangebote sie motiviert sind, müsauch auf das Lernklima der PH Zürich in den ersten zwei Jahren des Berufseinsen sie sich von mir ernst auswirkt. stiegs. Dass das Thema Studierende stark beschäftigt, zeigt sich zudem daran, dass immer wieder Bacheloroder Masterarbeiten zum Umgang mit schwierigen Schülerinnen und Schülern geschrieben werden. Auch die ihre Banknachbarin mahnte, dieser bleibe nun fünf Jahre im Magen, forderte die Lehrerin die beiden Mädchen kurzum dazu auf, diese Behauptung im Internet zu überprüfen. «Die Lehrerin hat gelassen und souverän auf den Regelübertritt reagiert und diesen sogar in eine sinnvolle Lernsituation überführt», erklärt Keller-Lehmann.


Schwer pu nkt Klassenf ü hr u ng

Bei der Beratungsstelle der PH Zürich ist die Klassenführung ebenfalls ein Dauerbrenner. «Das Thema ist äusserst facettenreich und wirft bei Lehrpersonen viele Fragen auf», sagt Catherine Lieger, die sich als Dozentin und Beraterin mit der Klassenführung beschäftigt. Fühlt sich eine Lehrperson der Klasse oder beleidigenden Schülerinnen und Schülern im Alltag ausgeliefert, nagt dies meist stärker am Selbstbewusstsein als etwa Kritik von der Schulpflege. «Klassenführung gehört zu den höchsten Belastungsfaktoren des Unterrichts», sagt Catherine Lieger. Dabei hätten Konflikte oft bereits eine hohe Eskalationsstufe erreicht, wenn eine Lehrperson die Beratungsstelle aufsucht. Vielen Lehrpersonen hilft in solchen Situationen bereits die Gewissheit, dass es andern häufig genauso geht. «Unterstützend wirkt zudem oft nur schon, wenn die Lehrerinnen und Lehrer über das Erlebte sprechen können», so Catherine Lieger. Sie weist diesbezüglich auf die wichtige Funktion der Schulleitung hin, die auch einmal durch eine Unterrichtsassistenz Entlastung bieten kann. Auch der Austausch im Team kann Sicher-

Simone Zoppi

Sekundarlehrerin Schule Lindau

Ich setze in meiner Klassenführung stark auf die Eigenverantwortung der Schülerinnen und Schüler. Dies erfordert einen intensiven Zusammenhalt unter den Jugendlichen. Damit die Klasse zu einer Einheit verschmelzen kann, muss ich sie als Lehrerin in wichtige Entscheidungen miteinbeziehen. So erarbeiten wir zum Beispiel unsere Regeln für den Umgang miteinander immer gemeinsam. Nur auf diesem Weg werden diese Prinzipien von allen akzeptiert. Meiner Erfahrung nach funktioniert diese Form der Selbstregulierung gut. Störende Schüler oder Schülerinnen werden so von den Kolleginnen und Kollegen selber gestoppt. Ein wichtiger Erfolgsfaktor dabei ist, dass die Regeln gleich zu Beginn eines neuen Klassenzugs definiert werden. Sonst ist es zu spät. Meinen Stil beschreibe ich als bestimmt und hilfsbereit. Ich lege

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grossen Wert darauf, meine Linie in der Klassenführung von der ersten Lektion an konsequent durchzusetzen. Dies erfordert insbesondere in der ersten Zeit mit einer neuen Klasse eine hohe Aufmerksamkeit von meiner Seite. Läuft etwas nicht entsprechend meinen Vorstellungen, interveniere ich sofort. Voraussetzung dazu ist eine ständige Präsenz. Die Schülerinnen und Schüler schätzen dies. Sie spüren dadurch, dass ich ihnen echtes Interesse entgegenbringe. Damit ich mit den Jugendlichen eine gute und individuelle Beziehung aufbauen kann, führe ich regelmässig Einzelgespräche. Dabei besprechen wir häufig schulische Themen, es haben aber auch private Anliegen der Schülerinnen und Schüler Platz. Denn das ist auch ein Teil der Klassenführung: dass man den Jugendlichen manchmal einfach nur zuhört.

heit geben, wobei Ideen von Kolleginnen und Kollegen nie eins zu eins auf die eigene Praxis übertragbar sind. Auch in der Beratung können nach einem Unterrichtsbesuch lediglich Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt werden, die die Lehrperson nach dem «Trial and Error»-Prinzip selbst ausprobieren muss. Auf der Sekundarstufe 1 wird Lehrpersonen bisweilen auch ein Neustart mit einer anderen Klasse oder in einem anderen Schulhaus empfohlen, da Sekundarschülerinnen und -Schüler ihren Lehrpersonen nur selten eine zweite Chance geben. Dies hat auch damit zu tun, dass auf der Oberstufe die Peers wichtiger werden und sich Jugendliche vor ihren Kolleginnen und Kollegen keine Blösse geben wollen. Haben sie die Autorität der Lehrperson erfolgreich in Frage gestellt, werden sie später nicht mehr so leicht kooperieren. Tücken der Individualisierung Tatsächlich ist Klassenführung durch die zunehmende Heterogenität, den erhöhten gesellschaftlichen Leistungsdruck, aber auch durch eine wachsende Individualisierung auf allen Stufen anspruchsvoller geworden. Die zunehmende Ich-Bezogenheit von Kindern äussert sich im Kindergarten besonders stark. Hier bedeutet Klassenführung zunächst, dass Kinder überhaupt lernen, sich in eine Gruppe zu integrieren und sich an gemeinsame Regeln zu halten. Doch bereitet dies immer mehr Kindergartenkindern Mühe. Als Grund für die Entwicklung wird oft das Eintrittsalter der Kinder genannt, das im Vergleich zu früher tiefer liegt. Catherine Lieger sieht dafür jedoch hauptsächlich eine veränderte Sozialisierung von Kindern verantwortlich: «In den vergangenen 30 Jahren hat sich der Fokus in vielen Familie stark auf das Kind verschoben», so Lieger. Dies beginnt im Kleinen, wenn Kleinkinder beim Einkauf die Pastasorte für die Familie auswählen dürfen, und äussert sich in gezielten ausserschulischen Förderprogrammen. «Dreht sich alles um das Kind, entwickelt dieses meist eine tiefe Frustrationsgrenze», so Lieger. Ist sich ein Kind gewohnt, volle Aufmerksamkeit zu erhalten und stets selbst entscheiden zu dürfen, ist es schwierig, in der Gruppe eigene Bedürfnisse zurückzustecken. Erhält es zuhause laufend gezielte Spiel- und Förderangebote, ist auch seine intrinsische Motivation und die Fähigkeit beschränkt, sich alleine zu beschäftigen. «Ich höre von vielen Kindergartenlehrpersonen, dass Kinder schlicht nicht wissen, wie sie in einer Gruppe spielen können», sagt Lieger. Diesen Kindern fehle oftmals die grundlegende Erfahrung des einfachen Funktionsspiels. Darunter sind einfache Sinneswahrnehmungen mit unstrukturiertem Material wie Sand, Tüchern oder einem Baumstamm zu verstehen. Dass ein Kind wenig solche elementaren Erfahrungen macht, kann gerade aus einem besonders starken Bemühen der Eltern AKZENTE 1/2018


um die optimale Förderung resultieren. «Viele Kinder erhalten heute zu viele Inputs. Ihnen wird stets gesagt, was sie tun müssen», sagt Lieger. Das freie Funktionsspiel bildet die Basis für die späteren Entwicklungsschritte des Konstruktions-, Rollen- und Regelspiels, welche ein Kind beim Eintritt in den Kindergarten eigentlich schon erreicht haben sollte. Zeigt ein Kind in einem gemeinsamen Rollenspiel überhaupt keine Fantasie, kann es die Lehrperson im Funktionsspiel mit sehr einfachem Material wie einem Sandbecken, in dem es Dinge ertasten kann, einfach spielen lassen. «Je früher man ansetzt, desto besser klappt später die Integration in der Gruppe», so Lieger. Möglicher Kritik von besorgten Eltern gilt es mit einer proaktiven Kommunikation zuvorzukommen. Begründete Lieger solche Entscheide in Kindergartenklassen mit Erkenntnissen aus der Forschung, erlebte sie Eltern stets als sehr offen. Klassenführung als Teamaufgabe Der Zusammenarbeit mit Eltern kommt im Hinblick auf eine erfolgreiche Klassenführung auf allen Klassenstufen grosse Bedeutung zu. «Es ist wichtig, dass die Eltern die Werte, die in der Schule gelebt werden, kennen und das Vorgehen der Lehrperson unterstützen», so Lieger. Sie betont, dass der Informationsbedarf keineswegs nur Eltern mit Migrationshintergrund betreffe. Lehrpersonen AKZENTE 1/2018

dürften grundsätzlich nicht davon ausgehen, dass Eltern heutige pädagogische und erzieherische Konzepte kennen und auch unterstützen, so Lieger. Zudem stellt die Pluralisierung von Werten und Erziehungsvorstellungen eine Herausforderung für die Zusammenarbeit mit den Eltern dar. Catherine Lieger und Heidi Keller-Lehmann sind sich einig, dass Klassenführung aufgrund zahlreicher neuer Herausforderungen heute viel stärker als Teamaufgabe betrachtet werden muss. Dabei geht es einerseits um die vermehrte Absprache und die gegenseitige Unterstützung, aber auch um Formen des Teamteachings, wo man sich gegenseitig den Rücken stärkt. Heidi KellerLehmann: «Unterrichten wird immer noch zu wenig als Teamaufgabe betrachtet, obwohl man die heutigen Herausforderungen eines individualisierten Unterrichts mit sehr heterogenen Klassen eigentlich nur gemeinsam meistern kann.»

Themenreihe Klassenführung Die Weiterbildung «Themenreihe Klassenführung» der PH Zürich beleuchtet die Thematik an mehreren Abenden aus unterschiedlicher Perspektive. Die Anlässe sind praxisorientiert gestaltet und bieten Gelegenheit, sich mit aktuellen Fragen und möglichen Handlungsansätzen auseinanderzusetzen. Die Reihe startet im März und dauert bis im Mai. phzh.ch/themenreihen > Klassenführung

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Verbindliche Rahmenbedingungen im Unterricht erleichtern die Klassenführung. Dazu gehören präzis formulierte Aufträge, die dem Niveau der einzelnen Schülerinnen und Schüler angepasst sind.


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«Die Führung im Fussball ist einfacher, weil alle freiwillig kommen» Heinz Russheim ist für die Trainings von rund 500 Fussballerinnen und Fussballern zwischen acht und 21 Jahren verantwortlich. Der Nachwuchschef der FCZ Academy bezeichnet Kreativität, Geduld und Konsequenz als wesentliche Merkmale von guter Führung im Nachwuchsbereich. Text: Melanie Keim, Fotos: Nelly Rodriguez

Was sind die Kriterien für eine gute Führung von Kindern und Jugendlichen im Fussball? Das ist stark altersabhängig. Je jünger die Kinder sind, desto mehr muss die Freude im Zentrum stehen. Das Spielen ist dabei zentral, weil es implizites Lernen ermöglicht. Bei kleinen Kindern, die sich nicht lange auf eine taktische Aufgabe konzentrieren können, muss ich diese Aufgabe clever in ein Spiel verpacken. Um die Orientierung zu schulen, stellen Trainerinnen und Trainer beispielsweise auch einmal vier Tore auf den Platz. So müssen sie den Kindern nicht erklären, dass sie sich umzusehen haben, sondern sie lernen dies automaAKZENTE 1/2018

Über Heinz Russheim Heinz Russheim, Jahrgang 1962,wuchs in Unterkulm (AG) auf und spielte bereits mit 17 in der Nationalliga B beim FC Aarau. Das Highlight seiner Spielerkarriere war ein Nationalmannschaftsspiel gegen Deutschland 1980, in dem er ein Tor erzielte. Ein Jahr später begann Russheim die Ausbildung zum Sportlehrer an der ETH Zürich, nach dem Abschluss folgte die Ausbildung zum Berufsschullehrer. Jahrelang fuhr Russheim beruflich zweigleisig. Er unterrichtete gleichzeitig an der Berufsschule Rüti und arbeitete als Juniorentrainer. 2009 folgte mit dem Angebot für eine Vollzeitstelle als Technischer Leiter bei GC Zürich der schmerzliche Abschied von der Berufsschule. Seit 2011 coacht Russheim die Junioren des FC Zürich, seit 2013 als Nachwuchschef der FCZ Academy. Der Vater von zwei Söhnen und einer Tochter spielt nur noch clubintern Fussball und ist oft mit seiner Frau auf dem Motorrad unterwegs.

tisch. Spielformen müssen mit viel Kreativität der Gruppe der Situation entsprechend weiterentwickelt werden, damit sich die Spielkompetenzen der Kinder verbessern, während die Freude am Spiel aufrecht bleibt. Inwiefern verändert sich die Führungsaufgabe, wenn die Kinder älter werden? Je mehr sich die Jugendlichen der Pubertät nähern, desto mehr Verständnis braucht es für grosse Leistungs- und Stimmungsschwankungen. Ab dem 13. Altersjahr wird die Führung schwieriger, klare Regeln und Konsequenz werden wichtiger. Ein banales Beispiel: Wenn ich einen Top-Spieler im Team habe, der aber immer nur 70 Prozent seiner möglichen Leistung erbringt, dann gehört er auf die Bank. Viele Trainer werden hier schwach, weil sie gewinnen wollen. Dabei geht es nicht nur um Fairness den anderen Teammitgliedern gegenüber, die sich immer voll einsetzen, sondern auch um Erziehung und Förderung. Nur wenn wir eine Leistung in Relation zum Potenzial belohnen, können wir das Beste aus dem Einzelnen herausholen. Was zeichnet einen guten Coach aus? Auf der Kinder- und Jugendstufe sind dies Kreativität und das Verständnis, dass es an bestimmten Tagen einfach nicht läuft. Die Einstellung, dass man nur genug hart üben muss, bringt nichts bei Kindern. Wenn die Kinder etwas nach 100 Mal üben zwei Prozent besser können, aber zehn Prozent frustrierter sind, habe ich als Trainer verloren. Läuft es im Training einmal nicht wie es sollte, muss man Geduld haben, statt etwas erzwingen zu wollen. Sie haben fast 30 Jahre parallel als Lehrer und Fussballtrainer gearbeitet. Inwiefern unterscheidet sich die

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Akzente: Im Teamsport gilt es, die Balance zwischen brillanten Einzelspielern und -spielerinnen und dem starken Teamplayer zu finden. Ist es bei Kindern und Jugendlichen schwieriger als im Erwachsenenalter, Einzelne zum Team zusammenzubringen? Russheim: Im Gegenteil. Es ist einfacher, aus den Kindern eine funktionierende Gruppe zu bilden, weil sie einfach nur Fussball spielen wollen. Natürlich gibt es solche, die grosse Träume haben, das gehört dazu. Doch es wollen überhaupt nicht alle berühmte Stürmer werden, die Kinder spielen auch gerne als Verteidiger. Die Verklärung des Torschützen ist ein mediales Problem. Vielleicht hört man in den Medien noch von jenem Spieler, der den Pass zum Tor gespielt hat, aber dass die entscheidende Aktion drei Stationen vorher stattfand, davon vernimmt man nichts. Als Coach muss ich deshalb die Wertigkeit aller Positionen immer wieder unterstreichen und auch den Verteidiger für ein erzieltes Tor mitverantwortlich machen.


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«Die grosse Heterogenität beeinflusst im Fussball die Führungsaufgabe weitgehend nicht.» Heinz Russheim auf der Sportanlage Heerenschürli in Zürich-Schwamendingen.

Führung auf dem Platz von der Führung einer Schulklasse? Die Gruppenführung ist im Fussball einfacher, weil alle freiwillig kommen und deshalb im Gegensatz zur Schule immer die Option besteht, dass ein Kind aufhört. Im Teamsport besteht dafür die Gefahr, dass die Gruppe zu stark in den Blick gerät. In der Schule erhalten die Kinder und Jugendlichen mit Prüfungen immer ein individuelles Feedback. Im Fussball gibt es jedoch nur Teamresultate. Während der Tennisspieler stets weiss, wer schuld ist, hat der Fussballspieler immer zehn 18

andere mögliche Schuldige. Die Schwierigkeit liegt im Fussball also darin, den Fokus auf die individuelle Entwicklung nicht zu verlieren und den Kindern verständlich zu machen, dass nur sie für ihre Leistung auf dem Platz verantwortlich sind. In der Schule haben Kinder teilweise zunehmend Schwierigkeiten, sich in Gruppen zu integrieren. Zeigen sich solche Folgen der Individualisierung unserer Gesellschaft auch im Fussball? Im Fussball ist auch eine zunehmende IndividualisieAKZENTE 1/2018


«Sobald Mädchen in der Gruppe sind, wird der Umgang untereinander respektvoller.» die in einer Mannschaft Führungsfunktionen übernehmen können. Weil die Spieler häufiger getrennt nach Positionen trainieren und weniger im Team um Hierarchien kämpfen müssen, bilden sich keine Teamleader mehr heraus, die die Gruppe wachrütteln. Hier hat sich das Pendel etwas zu stark in Richtung der Individualisierung bewegt, dies muss nun korrigiert werden. Solche Korrekturen kann man auch nach Schulreformen, die sich zu stark in eine bestimmte Richtung entwickelt haben, beobachten. Die zunehmende Heterogenität wirkt sich erschwerend auf die Klassenführung aus. Beobachten Sie dies auch im Fussball? Im Hinblick auf die kulturellen Hintergründe besteht im Fussball heute eine sehr grosse Heterogenität. Dies beeinflusst die Führungsaufgabe aber weitgehend nicht. Wenn jedoch in Krisensituationen Jugendliche mit verschiedenen kulturellen Hintergründen aufeinanderprallen, kann dies den Problemlösungsfindungsprozess erschweren. Solche Diskrepanzen treten im Spitzenfussball aber weniger auf als im Breitenfussball, weil bei uns mehr auf dem Spiel steht. Können Jugendliche aus religiösen Gründen wie beispielsweise während des Ramadans nur limitiert trainieren, unterstützen wir sie ganz klar. Gleichzeitig zeigen wir ihnen aber auch die Auswirkungen auf ihre Leistung auf. Wenn diese sinkt, können wir ihnen bei der Zusammenstellung des Kaders nicht entgegenkommen.

Was im Fussball neu ist, sind die finanziellen Erwartungen. Als noch keine grossen Geldsummen im Spiel waren, war Erfolg lediglich eine Prestigefrage. Heute erleben wir, wie wirtschaftlich schlechter gestellte Familien sich vom Erfolg des Sohnes finanzielle Absicherung erhoffen. Ab dem 16. Altersjahr ist es beim FCZ möglich, einen Vertrag zu erhalten mit einem Lohn, der vergleichbar ist mit dem Lohn in einer Berufslehre. Manche Familien rechnen fest mit diesem Einkommen, was zu Schwierigkeiten führen kann. Verheerend ist auch, wenn Eltern von ihrem Kind etwas erwarten, das sie selbst nicht erreicht haben. Die Orientierung vieler Eltern ist von kurzfristigem Denken geprägt. Verfügt ein Jugendlicher beispielsweise über Talent, ist aber körperlich noch weniger weit entwickelt als seine gleichaltrigen Kollegen, kann ein Wechsel zu einem Partnerclub mit tieferen Leistungsanforderungen eine Chance darstellen. Dies ermöglicht dem Jugendlichen, allfällige Defizite aufzuholen. In solchen Situationen protestieren die Eltern jedoch häufig. In den Kinder- und Jugendteams des FCZ trainieren auch Mädchen. Sind durchmischte Teams einfacher oder schwieriger zu führen? Durchmischte Teams sind das Beste, was einem Club passieren kann. Werden Jungen- und Mädchenteams gemischt, ergibt sich ein ganz anderer sozialer Umgang. Die Persönlichkeitsentwicklung der Mädchen ist in der Regel weiter fortgeschritten. Sie sagen den Jungs, wo es langgeht. Sobald Mädchen in der Gruppe sind, wird der Umgang untereinander respektvoller und das Macho-

«Ab dem 13. Altersjahr wird die Führung schwieriger, klare Regeln und Konsequenzen werden wichtiger.»

Spüren Sie auch eine erhöhte Erwartungshaltung von Seiten der Eltern?

Verhalten gewaltig abgeschwächt. Mit reinen Frauenteams habe ich als Trainer selber keine Erfahrung. Wer jedoch ein wirklich konzentriertes Training erleben will, schaut am besten einmal bei der Nationalliga A der Frauen zu. Die Trainingsqualität ist im Frauenfussball enorm hoch. Das liegt auch daran, dass Mädchen nicht aus Prestigegründen oder wegen des Geldes Fussball spielen, sondern nur wegen des Spiels und der Gruppe. Über Frauenfussball wird immer noch selten berichtet, dadurch entwickeln sich bei den Spielerinnen kaum Starallüren.

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rung zu spüren, doch hängt diese mehr mit einer veränderten Ausbildungsphilosophie zusammen und ist damit hausgemacht. Zuerst haben die Torhüter ein separates Training erhalten, dann kamen das Stürmertraining und die Verteidigungsausbildung, auch im Konditionstraining und in den Morgentrainings trainieren die Spieler heute individuell. Durch die Spezialisierung wird der Einzelne zwar besser, das Team aber nicht unbedingt gestärkt. Der Preis der Individualisierung ist, dass wir über weniger Leadertypen verfügen,


Mit Spielen lernen und führen Ausgestattet mit Hunderten von Holzklötzen beschreitet die PHZH-Dozentin Catherine Lieger in Sri Lanka im Rahmen des Projekts «Spielen Plus» neue Wege in der Klassenführung. Ihre Erfahrungen wird sie auch zur Integration von Kindern mit Migrationshintergrund in der Schweiz nutzen.

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Text: Dorothea Riecker, Fotos: Tharaka Basnayaka

Spielerisches Lernen: Catherine Lieger arbeitet mit den Kindern mit Holzklötzen.

Es ist die erste Stunde an diesem Tag im Kindergarten «Rahula» in Aluthgama, 20 km von Colombo entfernt. In der 2. Klasse werden gerade einfache Holzbauklötze verteilt. Der 5-jährige Usith zögert kurz, setzt den letzten Bauklotz auf die Spitze seines Turms, fischt ein Zebra aus einem Haufen von Plastiktieren, konzentriert sich und setzt das Tier dann auf die Spitze. Catherine Lieger sitzt gemeinsam mit den Kindern an einem der fünf bunten Rundtische. Sie forscht im Rahmen eines Projekts der Abteilung Internationale Bildungsentwicklung (IPE) der PH Zürich darüber, wie der Einsatz von spielerischen Elementen den Lernprozess begünstigen. Zielgruppe sind Kinder von vier bis acht Jahren. Mit wachsamen Augen beobachtet die Forscherin die Spielszene. Vom anderen Ende des Klassenzimmers tönt unterdessen Tanzmusik. Catherine Lieger erklärt mit Blick auf die eben erlebte Szene: «Dies ist eine interessante Entwicklung punkto Spielgestaltung.» Bisher seien hier spielerische Elemente kaum im Unterricht eingesetzt worden. Dies mag nicht verwundern, gab es doch kaum Spielmaterial. Gespielt wurde in den vier Kinder20

gärten nur draussen in den Pausen. Also griff Catherine Lieger zu einer unorthodoxen Lösung. Aus der Schweiz brachte sie Holzklötze mit. Holz war bis zu diesem Zeitpunkt in Sri Lanka als Spielmaterial gänzlich unbekannt und galt als Abfall. Die Kinder konnten aufgrund ihrer fehlenden Erfahrung zuerst wenig damit anfangen. Inzwischen bauen die Schülerinnen und Schüler dreidimensional in die Höhe. Statt das Spielmaterial nur zu benützen, wählen sie die Spielsachen bewusst aus und mischen die Materialien. «Die Kinder lassen dem Spiel jetzt freien Lauf und entdecken ihre Kreativität.» Was nun spielerisch aussieht, ist das Ergebnis intensiver Arbeit. Einen Monat lang zeigte Lieger den Lehrerinnen und Lehrern neue Möglichkeiten in der Spielbegleitung und in der Klassenführung: beobachten, vorsichtige Intervention und Impulse setzen. Abbau von Vorurteilen gegenüber dem Spielen Jahrelang hat Catherine Lieger zu der Frage geforscht, wie sich Kinder erfolgreich entwickeln können. Ihre Erkenntnis lautet vor allem: weg vom erwachsenengesteuerAKZENTE 1/2018


Bereits von weit her erkennbar: Der Kindergarten ÂŤRahulaÂť liegt 20 Kilometer ausserhalb von Colombo.

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Traditionelles Ritual: Das gemeinsame Einturnen am Morgen ist fester Bestandteil im Tagesablauf.

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ten Wissen. Kinder, die spielen, lernen leichter und sind konzentrierter. Zusätzlich entwickeln sie Eigeninitiative und Verantwortung. Bis vor kurzem lag der Schwerpunkt ihrer Studien im Umfeld von Kindergärten in der Schweiz und in Deutschland. Seit 2017 arbeitet Lieger an dem Projekt «Spielen Plus» in Sri Lanka. Geplant ist, dereinst ein Lehrmittel für Lehrpersonen und zur Elternbildung zum pädagogischen Nutzen vom Spielen zu entwickeln. Eine weitere Einsatzmöglichkeit des Materials bietet sich im spezifischen Unterricht von Kindern mit Migrationshintergrund. Nicht nur bei den 65 000 Migrantinnen und Migranten aus Sri Lanka, sondern auch bei Kindern, die aus anderen Ländern stammen. Die Kooperation mit den Partnern in Sri Lanka begann bereits im Jahr 2014. Während einer ihrer Studienreisen dorthin lernte Catherine Lieger die Schulleiterin Jimutti Fernandez kennen. «Ich habe mich dafür interessiert, wie der Unterricht in den Kindergärten in Sri Lanka funktioniert.» Anfangs war es nicht leicht, die Schulleiterin vom Konzept «Spielen Plus» zu überzeugen – und davon, dass Spielen nicht im Widerspruch zum Lernen steht. In Sri Lanka, wie vielerorts in Asien, bestehen dem Spielen gegenüber häufig Vorurteile. Die kritische Einstellung ist die Folge eines harten Überlebensund Konkurrenzkampfs in der Gesellschaft. Als das Bildungsministerium in Sri Lanka die Einwilligung zur Umsetzung des Projekts im Kindergarten in Aluthgama gab, ging es sofort los. In einem ersten Schritt brachte Catherine Lieger die Idee ein, die Klassenraumgestaltung mit dem Pult an der Spitze und die

Als das Bildungsministerium die Einwilligung gab zur Umsetzung des Projekts in Sri Lanka, ging es sofort los. Holzschulbänke dahinter in Reih und Glied aufzubrechen und stattdessen farbige Rundtische einzusetzen. «Die lose und weniger geradlinige Anordnung des Schulmobiliars ermöglicht insbesondere auf der Kindergartenstufe mehr Flexibilität in der Klassenführung», erklärt Catherine Lieger. Das Spielzeug sollte dabei allen Kindern einfach zugänglich sein. «Dies ist meiner Erfahrung nach eine wichtige Grundvoraussetzung für die Integration von spielerischen Elementen in den Unterricht.» Anfangs fehlte es dabei den Kindern an Ideen, wie sie mit Sand, Steinen, Wasser und Holz spielen können. Auch 22

umklammerten sie das Spielmaterial und horteten es, sobald sie es in den Händen hatten. «Die Angst, dass man zu kurz kommen könnte, dass man nichts Eigenes besitzt oder bekommt, ist tief verankert», erklärt die Dozentin. Sie löste die Verkrampfung, indem sie die Spielsachen

Eine Herausforderung bleibt die Überwindung der Vorstellung, Spielen sei nutzlos und ohne Wert für die Bildung. wieder einsammelte und neu verteilte. Durch Vor- und Mitspielen zeigte sie den Kindern in der Interaktion Spielvarianten mit dem vorhandenen Material auf. «Ich möchte den Lehrpersonen nicht das Gefühl vermitteln, dass ich alles besser weiss. Es geht mir lediglich darum, die in meinen Untersuchungen erhaltenen Erkenntnisse zum Einsatz von Spielen beim Lernen und zur Klassenführung weiterzureichen.» Erster Schritt ist erfolgreich verlaufen Am Abend nach dem Unterricht im Kindergarten macht sich Catherine Lieger Gedanken über die Nachhaltigkeit des Projekts. Um langfristig etwas zu verändern, brauche es eine intensive Kooperation mit den einheimischen Lehrkräften. «Ich sehe mich dabei in der Rolle eines Coaches. Die wesentliche Umsetzungsarbeit muss die jeweilige Lehrperson jedoch selber leisten.» Eine Herausforderung bleibt die Überwindung der Vorstellung, Spielen sei nutzlos, ohne Wert für die Bildung. «Das ist die grosse Aufgabe, die Eltern und Lehrpersonen davon zu überzeugen, dass man durch Spielen lernen kann.» Im Kindergarten «Rahula» ist der erste Schritt in diese Richtung erfolgreich verlaufen. Schulleiterin Jimutti Fernandez bewertet die gemachten Erfahrungen als sehr positiv. Neben den Lehrpersonen seien auch die Eltern der Kinder zufrieden. Inzwischen hat Catherine Lieger die Erkenntnisse zum Spiel im Kindergarten und die erhaltenen Ideen zur Klassenführung an einer Regionaltagung weiteren Lehrpersonen vorgestellt. Langsam weitet sich der Kreis der Anhänger sogar über das Schulfeld hinaus. In ihrem Übersetzer Saman Da Silva hat Catherine Lieger einen weiteren Unterstützer gefunden. Er klappert in Aluthgama die Abfallhalden der Schreiner ab, um weggeworfene Holzstücke vor den Flammen zu retten. Sie alle lassen sich hervorragend als Bauklötze für weitere Kindergärten verwenden. AKZENTE 1/2018


In einem der Räume findet der Unterricht statt, im anderen Zimmer tanzen die Kinder mit der Lehrerin.

Die Lehrerin bespricht mit einem Kind eine Zeichnung, während die Klasse an den neuen Rundtischen arbeitet.


Studierendenporträt

Studierendenseite

Sergio Muggli studiert an der PH Zürich auf der Primarstufe.

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Einerseits ist er es gewohnt, mit Druck umzugehen, andererseits verfügt er über ein gutes Zeitmanagement und viel Disziplin. Gerne erinnert sich der Zweitsemestrige an seine bisherigen sportlichen Highlights: Die Schweizermeisterschaft und die Teilnahme an Welt- und Europameisterschaften mit der Junioren-Nationalmannschaft sind prägende Erlebnisse des SchwamenNeben  dem  Studium  investiert dingers. Im Hinblick auf seine TätigSergio Muggli viel Zeit in den Sport. keit als Lehrer sagt er: «Kindern Bis zu 16 Stunden in der Woche etwas mit auf den Weg geben, sie für widmet er seiner Leidenschaft: die Schule motivieren, das erfüllt «Wenn ich nicht an der PH bin, bin mich.» Sergio Muggli hat auch grosich am Trainieren.» Glücklicherwei- se Freude daran, vor der Klasse zu se war es möglich, seinen Stundenstehen und Wissen zu vermitteln. plan so anzupassen, dass er mit dem Doch ganz egal, wie zufrieden ihn Training vereinbar ist. In der Schule der Lehrberuf macht, ist für ihn kann Sergio Muggli viel von seinem eines klar: «Ich könnte ohne Sport sportlichen Engagement profitieren. nicht leben.» – Samanta Gribi er mit dem Verein einige Jahre später mehrmals in Kindergärten und Schulen unterrichtete, regte sich in ihm das Bedürfnis, stärker in die Lehrerrolle einzutauchen. Nach seiner Lehre als Hochbauzeichner mit BMS absolvierte er ein Praktikum in einem Kindergarten, das ihm den Weg an die PH Zürich ebnete.

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Foto: Nelly Rodriguez

Sergio  Muggli  ist nicht nur Student auf der Primarstufe, er ist zugleich auch Handballprofi. Der 24-Jährige spielt seit rund 20 Jahren Handball und hat es bis in die Schweizer Nationalmannschaft geschafft. Heute spielt er zwar nicht mehr in der Nati, jedoch in der höchsten Schweizer Liga, der Nationalliga A, wo er im Team von GC / Amicitia Zürich antritt. Schon als kleiner Junge hegte Sergio Muggli eine grosse Begeisterung für den Sport. Sie wurde einerseits durch seine drei älteren Brüder ausgelöst, die alle Handball spielten. Andererseits faszinierten ihn die Stars, die ihm ab und zu im Turnen den Ballsport näher brachten. Damals dachte Sergio Muggli nicht, dass er einmal selber als Handballprofi Schulbesuche abhalten würde. Als


Die Masterarbeit dem Titel «Bekämpfung von Schulabsentismus – Ansätze und Ideen aus der Sicht von Jugendlichen» mit dem Thema Schwänzen befasst. Die Ergebnisse der PISA-Studie aus dem Jahr 2015 haben gezeigt, dass fast jeder zweite Schüler und jede zweite Schülerin in der Schweiz im Verlauf der Schulkarriere schon einmal die Schule geschwänzt hat. Massnahmen dagegen zu ergreifen sei jedoch schwierig, da die Gründe fürs Blaumachen sehr individuell sind, so Sarina Bernhard. Die Schülerschaft und der grösste Teil der Lehrerinnen und Lehrer seien der Meinung, dass das «Schwänzverhalten» von Schülerinnen und Schülern nur limitiert beeinflusst werden könne. Zudem herrsche unter den Pädagoginnen und Pädagogen teilweise eine gewisse Ratlosigkeit, wie auf Abwesenheit reagiert werden solle. Man sei sich jedoch einig, dass gehandelt werden müsse.

Ziel   der   mit   dem   diesjährigen   Studienpreis   d  er Stiftung Pestalozzianum und der Pädagogischen Hochschule Zürich ausgezeichneten Abschlussarbeit war es, die Problematik des Schulabsentismus aus der Sicht der Schülerinnen und Schüler zu betrachten. Sarina Bernhard wollte die Umstände benennen, die innerhalb einer Institution verändert werden müssen, um die Schule attraktiver zu gestalten. Dadurch solle das Schulschwänzen weniger und im besten Fall gar nicht mehr vorkommen. In der Fragestellung thematisiert die Autorin einerseits, welche Gründe aus Sicht der Schülerinnen und Schüler zu Schulabsentismus führen und andererseits, welche PräventionsmassnahAKZENTE 1/2018

men auf der institutionellen Ebene als wirkungsvoll erachtet werden. Um verschiedene Meinungen und Vorschläge zum Thema einzuholen, hat die Autorin Gruppeninterviews durchgeführt. Vier bis sechs Schülerinnen und Schüler aus der Volksschule, der Berufswahlschule oder Lehrlinge der Berufsschule gaben dabei Auskunft über ihre Erfahrungen mit dem Schwänzen. Anschliessend haben die Befragten einen Fragebogen zu ihrer Person und dem persönlichen Schwänzverhalten ausgefüllt.

Das   Ergebnis   der   Befragung war eindeutig: «Kein Bock auf Schule!» und «Die Schule ist langweilig!» hiess es, wenn nach dem Grund fürs Blaumachen gefragt wurde. Bei genauerem Nachfragen stellte sich jedoch heraus, dass tiefer liegende Ursachen dafür verantwortlich sind: Zum einen kann eine schlechte Schüler-Lehrer-Beziehung zu Absentismus führen, zum anderen wirken sich mangelndes Interesse an der Schule oder eine Über- oder Unterforderung negativ auf die Schulmotivation aus. Um die Absenzen zu reduzieren, schlagen die Jugendlichen vor, dass die Lehrerin oder der Lehrer mit den «Schwänzenden» das Gespräch sucht. Gleichzeitig beschreiben die Befragten aber auch Bestrafungen, wie zum Beispiel das Schulzimmer putzen oder Nachsitzen, als gute Massnahmen. Wichtiger ist ihnen jedoch, dass die Schul- und Unterrichtsqualität gesteigert wird, eine gute Beziehung zur Lehrerin oder zum Lehrer aufgebaut wird und eine angenehme Atmosphäre herrscht.

Das Menschenproblem Ich mag Menschen. Ja, ich mag sie wirklich. Ich mag Menschen, wenn sie: gut duften, ein wenig Abstand halten, sich schön kleiden, sich im Zug auf den von mir am weitesten entfernten Platz setzen und anständig sind – Anstand ist mir sehr wichtig. Freundlich sollten die Menschen auch sein, «Bitte», «Danke» und «Grüezi» sagen. Lächeln sollten sie und positiv, immer positiv in die Welt schauen. Ich mag Menschen, die aus Überzeugung handeln, keine Show abziehen und deren Musik ich in der Öffentlichkeit nicht hören muss. Ich mag Menschen, die lesen und mit mir über ihre Lektüre sprechen. Ich mag Menschen, die nicht rülpsen, spucken und furzen, wenn ich in der Nähe bin. Ich mag Menschen, die Menschen mögen und Gutes tun. Ich mag Menschen, die in der Bibliothek leise sind. Ich mag Menschen, die sich für die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau einsetzen. Ich mag intelligente Menschen, die sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern und spontan anderen helfen – empathisch sind, wenn nötig. Ich mag Menschen, die oft ins Theater gehen und sich dafür rausputzen. Ich mag Menschen, die klassische Musik hören, Bordeaux trinken und Bücher schreiben. Ich mag Menschen, die Patent Ochsner live sehen wollen. Ich mag Menschen, die lernen und die Nächte durchtanzen. Ich mag Menschen, die lieben – ich sehe es in ihren Augen. Ich mag Menschen, die mich mögen. Mag ich Menschen wirklich?

– Samanta Gribi

Die Masterarbeit von Sarina Bernhard ist online publiziert: blog.phzh.ch/akzente

Carmen Luzi ist Studentin auf der Sekundarstufe I und Tutorin im Schreibzentrum der PH Zürich.

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Studierendenseite

Sarina   Bernhard   hat   sich in   ihrer   Masterarbeit   mit

Ausstudiert – die Studierendenkolumne


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Beratungstelefon der PH Zürich – eine Nummer für neue Vorsätze Rund 600 Mal pro Jahr kontaktieren Lehrpersonen das Beratungstelefon der PH Zürich. Regula Schümperli ist eine von insgesamt fünf Telefon-Beraterinnen und -Beratern. Sie beobachtet, dass die Ratsuchenden Anfang Jahr besonders häufig anrufen.

«Die Anzahl der Anrufe auf unsere Beratungsnummer reflektiert vielleicht die allgemeine Gemütslage in der Gesellschaft. Ich habe den Eindruck, dass im Winter mehr Personen anrufen als in den Sommermonaten», sagt Regula Schümperli. Sie ist Supervisorin und Dozentin an der PH Zürich und seit vielen Jahren Mitglied des Beratungstelefon-Teams. Dabei sei an manchen Tagen beinahe gar nichts los, an anderen klingle es beinahe pausenlos. Hinter der Häufung der Anrufe in den Wintermonaten steckt jedoch mehr als eine allgemeine Unzufriedenheit aufgrund der dunklen Jahreszeit. So fassen viele Lehrpersonen nach den Weihnachtsferien neue Vorsätze und streben eine Veränderung für das neue Schuljahr an. Regula Schümperli: «Im Januar und Februar häufen sich Anfragen zu Themen wie der eigenen Ressourceneinteilung oder der persönlichen Standortbestimmung. Die Beraterinnen und Berater suchen am Telefon dann gemeinsam mit der Lehrperson nach einem passenden Angebot an der PH Zürich.» So können rechtzeitig die entsprechenden Vorbereitungen für eine Weiterbildung oder einen Kursbesuch im bevorstehenden Schuljahr vorgenommen werden. Dabei umfassen die Möglichkeiten neben Kursbesuchen, Einzel- oder Teamsupervisionen auch Intensivberatungen am Arbeitsplatz mit Unterrichtsbesuchen und Coaching-Gesprächen. Äusserst beliebt seien in dieser Zeit auch Laufbahnberatungen, so Regula Schümperli. Klassenführung und Belastung als Dauerbrenner Der Blick in die Statistik zeigt: Rund drei Viertel der Anruferinnen und Anrufer sind Lehrpersonen aus Volksund Berufsfachschulen. Auch Schulleitende nutzen die Anlaufstelle gerne. So werden etwa Beratungen zu Personal- oder Teamentwicklungen insbesondere von Führungspersonen in Anspruch genommen respektive beauftragt, während bei Lehrpersonen die Themen Klassenführung und der Umgang mit Belastung DauerAKZENTE 1/2018

brenner sind. Dabei hat das Interesse an Beratungsleistungen rund um die Themen Stressbewältigung, Burnout, Prävention sowie zu weiteren Gesundheitsthemen in den vergangenen Jahren sogar noch zugenommen. Ähnlich viele Anfragen wie in den ersten Monaten des Jahres gehen jeweils im September ein. In dieser Zeit – kurz nach Beginn des Schuljahres – beschäftigen die Lehrerinnen und Lehrer insbesondere Fragen zu Kooperation und Zusammenarbeit. Dringende Anliegen machen wesentlichen Teil aus In der Regel versuchen die Beraterinnen und Berater, weniger komplexe Anliegen in einem Kurzgespräch zu klären. Eine solche Kurzberatung dauert maximal dreissig Minuten und steht allen Anruferinnen und Anrufern kostenlos zur Verfügung. Je nach Bedürfnis und Anliegen werden anschliessend Folgegespräche mit einer auf das Thema spezialisierten Person des rund 30-köpfigen Beratungsteams vermittelt. Einen kleinen, aber wesentlichen Teil der Arbeit am Beratungstelefon machen Anrufe mit dringenden Anliegen aus. In solchen Situationen versucht die Beratungsstelle rasch Unterstützung zu bieten. Regula Schümperli: «Uns ist es ein Anliegen, die Beratungsleistungen flexibel an den Bedürfnissen unserer Kundinnen und Kunden auszurichten und bei dringendem Handlungsbedarf schnell zu reagieren.»

Beratungshotline der PH Zürich Das Beratungstelefon der PH Zürich steht Lehrerinnen und Lehrern, Schulleitenden der Volks- und der Berufsfachschulen sowie weiteren Personen aus dem Schulumfeld zur Verfügung. Es ist von Montag bis Freitag von 15 bis 18 Uhr besetzt: 043 405 50 50 oder per Mail: beratungstelefon@phzh.ch. Zum Team des Beratungstelefons gehören: Dagmar Bach, Bruno Egloff, Heidi Keller-Lehmann, Catherine Lieger und Regula Schümperli. Weitere Informationen zu den Beratungsangeboten: phzh.ch/beratung

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PH Zürich – Beratu ng

Text: Angela Roos


Inserate

Ein «Bestatter» liest vor Reto Stalder aus der erfolgreichen SRF-Serie am ersten Schweizer Vorlesetag zu Gast an der PH Zürich Mittwoch, 23. Mai, 12.30–13.30 Uhr Campus PH Zürich

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Befragung zeigt Zufriedenheit mit dem Studium Die Absolventinnen und Absolventen der PH Zürich stellen dem Studium ein positives Zeugnis aus. Dies zeigt die Auswertung der Befragung des Bundesamts für Statistik (BFS) von 2015.

Alle zwei Jahre führt das BFS bei den Absolventinnen und Absolventen von Schweizer Hochschulen eine Befragung durch. Diese hat zum Ziel, detaillierte Informationen zum Studium, den dabei erworbenen Kompetenzen sowie zum Berufseinstieg und den damit verbundenen Arbeitsbedingungen ein Jahr nach Abschluss des Studiums zu gewinnen. Rund 414 Absolventinnen und Absolventen der PH Zürich haben an der letzten Befragung des BFS teilgenommen. Das sind rund 60 Prozent aller Personen, die 2014 ihr Studium an der PH Zürich abgeschlossen haben. Studium wird positiv beurteilt Die PH Zürich hat die Daten der Befragung des BFS ausgewertet. Aus den Ergebnissen geht hervor, dass das Studium eine gute Grundlage für den Berufseinstieg, die Bewältigung der gegenwärtigen Arbeitsaufgaben, für die persönliche Entwicklung sowie für die zukünftige Karriere bietet. Die Befragung zeigt ausserdem, dass sich die Studierenden der PH Zürich über alle Stufen hinweg gut auf den Lehrberuf vorbereitet fühlen. Am besten vorbereitet fühlen sich die Absolvierenden der Sekundarstufe II, knapp gefolgt von den Absolvierenden der anderen Stufen. «Diese Ergebnisse sind äusserst erfreulich», sagt Heinz Rhyn, Rektor der PH Zürich. «Sie sprechen für die Qualität und die Inhalte unserer Ausbildung und sind eine Bestätigung unseres Bestrebens, Kompetenzen zu vermitteln, die von den Studierenden später im Lehrberuf als hilfreich erachtet werden.» Rückblickend betrachtet würden vier von fünf aller befragten Absolventinnen und Absolventen dasselbe Studium an der PH Zürich erneut absolvieren. Die Prozentanteile haben sich hier gegenüber der Befragung von 2013 kaum verändert.

Berufstätigkeit mit einem Zusammenhang zum Studium ausgeübt. Nur 12,1 Prozent aller Studierenden der Eingangs- und Primarstufe und 5,5 Prozent der Sekundarstufe I gaben im Rahmen der Befragung an, während des Studiums keiner bezahlten Arbeit nachgegangen zu sein. Diese Anteile sind gegenüber der Befragung von 2013 grösser geworden. Rund 97 Prozent der befragten Absolvierenden sind ein Jahr nach Abschluss ihres Studiums an der PH Zürich berufstätig – 98 Prozent davon als Lehrperson. Nur eine Person gab an, auf Stellensuche zu sein, die übrigen erwerbslosen Personen waren entweder auf Reisen oder kümmerten sich um Haushalt und Kinder. Die Erwerbslosenquote liegt damit unter dem schweizerischen Durchschnitt der Absolventinnen und Absolventen einer Pädagogischen Hochschule. Die befragten Absolventinnen und Absolventen der PH Zürich beurteilten in der Befragung über alle Stufen hinweg persönliche Eigenschaften als wichtigsten Faktor zur Bewältigung ihrer Arbeitsaufgaben. Als wichtig bis sehr wichtig für einen erfolgreichen Berufseinstieg betrachten sie zudem berufliche Erfahrungen während des Studiums, die absolvierte Ausbildung und berufliche Erfahrungen vor dem Studium sowie das Studium selbst.

Erfahrungen entsprechen Berufsvorstellungen Knapp 94 Prozent der Befragten bezeichnen ihre gegenwärtige Tätigkeit als feste, längerfristige Berufstätigkeit. Dies lässt den Schluss zu, dass die überwiegende Mehrheit das Studium zielgerichtet absolvierte und ein Jahr nach Studienabschluss berufliche Erfahrungen machen konnte, die den Vorstellungen zur beruflichen Tätigkeit entsprechen. «Wir erachten es als unsere Aufgabe, unseren Studierenden ein realistisches Bild des Lehrberufs zu vermitteln, sodass sie nach ihrem Abschluss längerfristig im Lehrberuf tätig sind», sagt Heinz Rhyn. «Das Ergebnis Ein Grossteil arbeitet während des Studiums zeigt, dass wir diesbezüglich auf einem sehr guten Weg Je nach Stufe haben zwischen 57 und 93 Prozent eine sind.» AKZENTE 1/2018

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PH Zürich – Ausbildu ng

Text: Olivia Rigoni


«Gedruckte Lernmedien bleiben weiter unentbehrlich»

uns selber ständig weiterentwickelt haben seit der Gründung.

Wie hat sich der Lehrmittel-Shop entwickelt in diesen zwei Jahrzehnten? Ursprünglich waren wir ein Ausstellungsraum für unsere drei Verlagspartner, in dem Lehrpersonen neue Lehrmittel in Augenschein nehmen konnten. Neben den Lehrpersonen erschlossen wir mit der Gründung der PH Zürich 2002 zuerst Studierende als neue Kundengruppe und später Eltern, die ihre Kinder beim Der Lernmedien-Shop feiert diesen Monat Lernen unterstützen möchten. Für alle Kundensegsein 20-jähriges Jubiläum. Monique Renold mente erweiterten wir unser Sortiment sukzessive und baute den Shop damals auf und leitet ihn noch heute. Im Interview gibt sie Auskunft führen seit einigen Jahren auch eine kleine Papeterie über die Geschichte und Zukunft des Shops für den Notbedarf. Heute sind wir im Bereich Lernmedien und Fachliteratur für Lehrerinnen und Lehrer und weshalb er in den rauen Zeiten für der grösste Fachhändler der Schweiz. Bei uns gibt es Buchläden trotzdem prosperiert. wirklich fast alles und darauf bin ich stolz. Text und Foto: Christian Wagner

PH Zürich – Ler n medien-Shop

Der bequeme Onlinehandel hat viele Buchhandlungen zur Aufgabe bewogen. Weshalb ist euer Laden dennoch gut besucht? Wir führen ebenfalls einen Online-Shop. Der Anteil am Umsatz aus dem Ladengeschäft überwiegt jedoch weiterhin und nimmt tendenziell eher wieder zu. Dies lässt sich teilweise durch die eben beschriebene Marktführerschaft erklären oder durch die privilegierte Lage direkt beim Hauptbahnhof sowie die Nähe zu Bildungsstätten mit tausenden Studierenden. Den wesentlichsten Grund sehe ich jedoch in den besonderen Bedürfnissen unserer Kundschaft.

Monique Renold, Leiterin des Lernmedien-Shops.

Akzente: Gibt es im Lernmedien-Shop einen Artikel, der vor 20 Jahren auch schon in der Auslage stand? Renold: Das würde mich sehr erstaunen. Einerseits ist der Lernmedien-Markt dafür viel zu dynamisch. Neue Technologien und Erkenntnisse aus der Lernforschung, Bildungsreformen und veränderte Ansprüche im Schulfeld halten das Veränderungstempo hoch. Andererseits hängt das aber auch damit zusammen, dass wir 30

Welche Bedürfnisse sprechen Sie hier an? Studierende der PH Zürich, der BMS und der HWZ finden hier ihre Literatur wenige Schritte von ihrem Studienort entfernt, zuverlässig und sofort bereit vor. Lehrerinnen und Lehrer profitieren von der Vollständigkeit des Sortiments und dass sie in Ruhe und gemütlicher Atmosphäre in Fachbüchern und Lernmedien schmökern können. Eltern schätzen vor allem die fachkundige Beratung. Sind die Mitarbeitenden im Lernmedien-Shop ehemalige Lehrpersonen? Nein. Das ist aus meiner Sicht auch nicht nötig. Wir führen als Fachbuchhandlung ausschliesslich Lernmedien. Unsere langjährigen Mitarbeitenden verfügen in diesem Genre über herausragende Kenntnisse. Die Digitalisierung der Medien und der Klassenzimmer schreitet voran. Wie spüren Sie das? Der Anteil an Lernmedien mit beigelegten Datenträgern oder Zugangscodes zu ergänzenden Online-Inhalten nimmt seit Jahren zu. Ebenso steigen die Auswahl AKZENTE 1/2018


«Schreiben und Denken gehen Hand in Hand»

und die didaktische Qualität von Lernsoftware kontinuierlich an und werden wohl weiter zunehmen. Dennoch glaube ich nicht, dass diese Entwicklung ewig weitergeht. Gedruckte Lernmedien werden unentbehrlich bleiben. Spricht hier nicht eine nostalgische Verklärung aus Ihnen? Nein. Und zwar nicht nur, weil das handschriftliche Schreiben auch in der Schule der Zukunft Bedeutung behalten wird. Alle Methoden und Medien zur schulischen Wissensvermittlung – der Unterricht, gedruckte und digitale Lehrmittel – verfügen über unterschiedliche Stärken und Schwächen für den Lernerfolg. Gefragt ist folglich der richtige Mix. Für die Verarbeitung von komplexen Lerninhalten beispielsweise sind gedruckte Lehrbücher unschlagbar. Das sehen wir an der Lernmedienwahl der Studierenden: Mit wenigen Ausnahmen entscheiden sie sich immer für die gedruckten Studienbücher, obwohl sie auch digital verfügbar wären.

Akzente: Das Schreibzentrum besteht inzwischen seit rund 14 Jahren. Es bietet verschiedenen internen und externen Ansprechgruppen professionelle Schreibberatung an. Wie profitieren die Studierenden der Pädagogischen Hochschule Zürich von Ihrem Angebot? Honegger: Oft gehen Studentinnen und Studenten davon aus, dass der Text bereits vor dem eigentlichen Schreiben im Kopf sein muss. Dies widerspricht den Erkenntnissen der Forschung. Schreiben und Denken gehen Hand in Hand. Menschen lernen am meisten, wenn sie beim Schreiben individuell begleitet werden und sich immer wieder Feedback holen. So erleben sie, wie sich ihre Gedanken schärfen und ihre Texte sich Schritt für Schritt verbessern. Das Schreibtraining machen bei uns weitgehend studentische Tutorinnen und Tutoren nach dem Prinzip: Ausgebildete Peers beraten Peers.

«Die Auswahl und didaktische Qualität der Lernsofware steigen kontinuierlich an und werden künftig wohl weiter zunehmen.»

Akzente: Auf welche Textformen ist die Beratung ausgerichtet? Honegger: Wir beraten zu allen Textsorten. Studierende beraten wir hauptsächlich zu Textformen im Studium wie etwa Praktikumsberichten oder Masterarbeiten. Mitarbeitende lassen sich zu Berichten, Anträgen, Artikeln, Ausschreibungen und effizienten Redaktionsprozessen beraten sowie dazu, wie sie andere beim Schreiben begleiten können.

Welches Lernmedium sollte in keinem Haushalt fehlen? Der «Schweizer Weltatlas» bildet seit über 100 Jahren ein absolutes Glanzlicht unter den Lernmedien und gehört deshalb in jedes Bücherregal. Im Sommer 2017 wurde er neu aufgelegt.

Akzente: Wie können die Studentinnen und Studenten das Gelernte im Berufsalltag nutzen? Honegger: Sämtliche Kundinnen und Kunden erleben bei uns, dass Schreib- und Denkprozesse und das «Schreibenlernen» hochindividuell sind. Indem sie sich früh Feedback zu Textentwürfen holen, sparen sie im Berufsalltag Zeit und optimieren die Wirkung ihrer Texte. Zudem überwinden sie Schreibblockaden routinierter. Lehrerinnen und Lehrer mit persönlicher Erfahrung in Schreibberatung begleiten Lernende gezielter beim Schreiben. Zudem helfen jedem Team routinierte Schreiberinnen und Schreiber, die andere professionell beraten.

Wie sieht das Sortiment des Lernmedien-Shops in 20 Jahren aus? Das hängt stark von der didaktischen und technologischen Entwicklung ab. Gewiss ist für mich lediglich: Es wird eine grosse Auswahl an gedruckten Büchern umfassen, weiterhin auf die Bedürfnisse unserer Kundschaft ausgerichtet und deshalb so vielfältig sein wie heute. lernmedien-shop.ch

– Christoph Hotz

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PH Zürich – Ausbildu ng

Monique Honegger, bis Ende 2017 Leiterin Schreibzentrum PH Zürich


Experimentieren mit Kopf, Herz und Hand Der Experimentierkurs in «Natur und Technik» der PH Zürich stellt das praktische, naturwissenschaftliche Arbeiten ins Zentrum. Beim Präparieren von Tierorganen lernen Studierende der Sekundarstufe I zudem das Vermitteln eines lernwirksamen Erkenntnisprozesses. Ein Laborbesuch.

Serie – Das Modul

Text: Claudia Merki, Fotos: Niklaus Spoerri

Es ist Freitagnachmittag und die Mittagspause soeben beendet. Langsam tröpfeln die Studentinnen und Studenten im Labor der PH Zürich ein. Während der nächsten Stunden werden die sechs Frauen und sechs Männer im Biologieteil des Experimentiermoduls in «Natur und Technik» praktisch Hand anlegen. Dozentin Judith Lanka hat Herzen, Augen, Lungen von Rindern und von Schweinen besorgt. Es gilt nun, diese Organe zu präparieren und Augen- beziehungsweise Lungenmodelle zu testen. Der Kurs hat zum Ziel, die angehenden Sekundarlehrpersonen für schultaugliche Experimente im «Natur und Technik»-Unterricht an der Volksschule fit zu machen. Das Modul umfasst neben Biologie die Fächer 32

Physik und Chemie. In einem weiteren Teil diskutieren die Studierenden fachdidaktische Studienergebnisse zum Experimentieren und lernen, wie sie daraus praktische Lerngelegenheiten schaffen können. Mit Silikonhandschuhen und Sezierbesteck ans Werk Als Einstieg zeigt Judith Lanka am Flipchart die Unterrichtsziele auf, gegliedert in Sach-, Methoden- und fachdidaktische Kompetenzen. Für Letztere steht das an der PH Zürich von den drei Modulverantwortlichen entwickelte Raster zur Vorbereitung eines Experiments zur Verfügung. «Mit diesem Raster zeigen wir den Studentinnen und Studenten auf, dass es nicht ausschliesslich um die praktische Handlung geht, sondern ebenso um die fachliche sowie die fachdidaktische Kompetenz der Lehrerinnen und Lehrer», sagt Judith Lanka. Nach dem Kurzvortrag zweier Studenten über das Ohr und den Hörvorgang geht es handfest zur Sache. Die Klasse versammelt sich um den grossen Labortisch und inspiziert gemeinsam einen Schweinelungenblock samt Herz. Mit einem Glasstab sondiert Judith Lanka im Organ und fragt anschliessend in die Runde: «Wie heissen diese Röhren?» Anschliessend fasst eine Studentin den Auftrag, die Lunge mittels Schlauch mit Luft anzureichern. Das Organ schwillt bedrohlich an. Lanka: «Was passiert mit der Lungenfarbe?» Nach dieser Einführung ist es an den Studierenden, das Organ ihrer Wahl zu präparieren und sich mit Augen- oder Lungenmodellen zu beschäftigen. Mit Silikonhandschuhen und Sezierbesteck machen sie sich ans Werk. Dem Experimentierkurs gehen im neuen und seit 2017 gültigen Curriculum während drei Semestern Fachkurse an der Universität Zürich voraus. Nach altem Modell fand der fachliche Unterricht nach der Fachdidaktik-Ausbildung statt. «Jetzt kommen die Studentinnen und Studenten erst nach Abschluss der Fachausbildung zu uns. Dies ist ein Vorteil, da sie nun mit den Fachinhalten noch besser vertraut sind», erklärt Judith Lanka. Über den Zweck des Präparierens von Tierorganen sagt sie: «Es geht um das Erlernen naturwissenschaftlicher Arbeitsweisen und das Vermitteln von Erkenntnisprozessen.» Beim Präparieren könnten die Zusammenhänge zwischen Bau und Funktion von Organen gut herausgearbeitet werden. «Originalbegegnungen bleiben erfahrungsgemäss immer länger haften als der Unterricht mit Arbeitsblättern.» Fettherz erschwert die Aufgabe Die Studierenden David Leuthold und Pascal Gantner haben sich für die Präparation eines Rinderherzens entschieden. «Aus der Theorie wissen wir, wie wir diese Aufgabe mit den Schülerinnen und Schülern durchführen können», sagt Gantner, während er mit dem Skalpell vorAKZENTE 1/2018


sichtig den Herzbeutel entfernt. Die beiden Männer erkunden das Organ ganz ohne Berührungsängste, lokalisieren mit dem Glasstab Aorta und Lungenvenen. Die Dozentin tritt hinzu und stellt fest: Die Gefässansätze hätten die zwei nicht ganz wegschneiden dürfen, denn sie bieten Orientierung bei der Präparation. Einer anderen «Herzgruppe» stellt sie die Aufgabe, den Vorhof zu suchen. Die zwei Studentinnen drehen und wenden das Organ, sondieren mit dem Glasstab. Die Lokalisierung gelingt nicht. Biologin Lanka legt jetzt selber Hand an und stellt fest, dass Fettschichten die Arbeit erheblich erschweren. An einem anderen Tisch präparieren ein Mann und eine Frau ganz entspannt die Strukturen eines frischen sowie eines gefrorenen Rinderauges, derweil ein Frauenduo an zwei Augenmodellen der Funktionsweise von Kurz-, Langsichtigkeit und dem Brennpunkt auf der Spur ist. Es wird konzentriert gearbeitet und hin und wieder auch gelacht und gescherzt. Die Erkenntnisse haben die Studierenden im persönlichen Laborjournal festgehalten.

«Originalbegegnungen bleiben länger haften.» Dozentin Judith Lanka bei der Arbeit mit Studierenden.

Serie «Das Modul» In der Serie «Das Modul» stellen wir in diesem Jahr verschiedene Ausbildungsmodule der PH Zürich vor. Die insgesamt vier Beiträge bilden exemplarisch die Vielfältigkeit des Studienangebots ab.

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Serie – Das Modul

«Stellen Sie eine kognitiv aktivierende Frage» Die letzte Unterrichtsstunde bricht an, die Studentinnen und Studenten stellen ihre Erkenntnisse vor. Immer wieder streut Judith Lanka Fragen ein, gibt hilfreiche Tipps und nimmt dabei Bezug zu deren künftigen Rolle als Sekundar-Lehrpersonen: «Welches Augenmodell würden Sie anschaffen und warum?» Die Herzpräparatoren David Leuthold und Pascal Gantner fragt sie: «Stellen Sie uns eine kognitiv aktivierende Frage, wie Sie sie den Schülerinnen und Schülern stellen würden.» Oder, an andere gerichtet: «Was war schwierig bei der Präparation? Wie war es, das Auge aufzuschneiden? Wie viel Vorwissen muss vorhanden sein, um eine gute Erkundungsarbeit zu erzielen?» Es geht dem Unterrichtsende zu, die Arbeitsplätze werden aufgeräumt. Dozentin Judith Lanka ist sichtlich zufrieden: «Ich denke, der Experimentierkurs ist eines der beliebtesten Module an der PH Zürich, weil die Studentinnen und Studenten praktisch arbeiten dürfen. Zudem sind sie dankbar, dass wir ihnen hier zeigen, was später im Unterricht an der Volksschule gut funktionieren wird.»

Im Zentrum des Moduls steht der Zusammenhang zwischen Bau und Funktion der Organe.


Medientipps LESEN AUS LEIDENSCHAFT

Lesen macht uns zu besseren Menschen, davon ist Neil Gaiman fest überzeugt. Wer seinen bezaubernden Ausführungen «über die Kunst, das Erzählen und wieso wir Geschichten brauchen» folgt, kauft ihm das ohne Widerrede ab. Der viel­ seitige Autor von Comics, Drehbüchern, Kinderund Erwachsenenromanen berichtet in diesen gesammelten Vorworten, Reden und Reminiszenzen von seiner unstillbaren Leidenschaft für Geschichten. Er huldigt persönlichen Heldinnen und Vorbildern wie Jack Kirby, Terry Pratchett oder Dianne Wynne Jones. Besonders eindrücklich sind die autobiografischen Rückblenden, in denen er erzählt, wie er als Junge Bibliotheken und Buchhandlungen für sich entdeckte. Er hat alles an Lesestoff verschlungen, was ihm in die Finger kam. Diesen unvoreingenommenen Zugang zu den Künsten hat er sich bis heute bewahrt. Das steckt an und setzt Impulse für Leseanimation und das Erfinden eigener Geschichten. – Daniel Ammann

N. Gaiman. Beobachtungen aus der letzten Reihe. Aus dem Englischen von Rainer Schu-­ macher und Ruggero Leò. Köln: Bastei Lübbe, 2017. 571 Seiten.

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VON ATMEN BIS ZAUBERN

Wie denkt und fühlt ein Kind? Wie entdeckt es die Welt? Was beschäftigt es dabei? Kurzum: Wie ist das kindliche Wesen zu fassen? Dieser und vieler anderer Fragen nimmt sich die Autorin mit ihrem breiten erziehungswissenschaftlichen Hintergrund und ihrer reichen Lebenserfahrung an. Beim Durchwandern der Kindheit bilden die 26 Buch-

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staben des Alphabets das Gerüst. 130 subjektiv ausgewählte Einträge enthalten sowohl Erwartetes (Bindung) wie Unerwartetes (Honig), beschreiben die magischen Seiten der Kindheit (Zaubern) sowie deren Abgründe (Quälen). Das Buch lässt sich nicht in die vielen Regalmeter von Erziehungsratgebern einreihen. Es ist ein Handbuch, das keine einfachen Antworten

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enthält, sondern mit seinen literarischen, philosophischen sowie philanthropischen Gedanken zum Nachdenken anregt. Es widmet sich vielen feinen Tönen dieser Lebensphase und lässt damit die Musik der (eigenen) Kindheit erklingen. – Karin Zopfi Bernasconi

H.-U. Hyams. Das Alphabet der Kindheit. Berlin: Berenberg Verlag, 2017. 448 Seiten.

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Foto: Christoph Hotz

Medientipps

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ANSICHTEN EINES FÖTUS

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BILDERBUCH­ ANALYSE

Was tut man, wenn man aus dem aufregenden London nach Slowleigh zieht, wo es «sich leer anfühlt, der Wind versucht einen vom Hügel zu wehen» und man von einem sozialen Desaster ins nächste schlittert? Man redet darüber mit Gonzo, dem Ungeborenen der eigenen Teenagerschwester. G bietet Oz, dem 15-jährigen Protagonisten, emotionalen Rückhalt, fungiert als moralische Stimme in Oz’ Kopf und zeigt sich für einen Fötus erstaunlich sarkastisch. Der Jugend­ roman von Dave Cousins, 2017 nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis, schafft es geschickt, das Thema Schwangerschaft aus einem ungewöhnlichen Blickwinkel darzustellen und dabei auch Themen wie Musik, Freundschaft, Identitätsfindung oder das eine oder andere wilde Abenteuer einzuflechten. Alles in allem: Ein Buch für Jungen, für Mädchen und für alle, die eine spannende Klassenlektüre suchen.

Das Bilderbuch hat längst Eingang in den Unterrichtsalltag auf allen Stufen der Volksschule gefunden, und im Lehrplan 21 erhält der Umgang mit literarischen Texten nun ein höheres Gewicht. Grund genug, das vielschichtige Medium ein bisschen genauer zu betrachten. Tobias Kurwinkel stellt in seiner Monographie hierfür nützliches Rüstzeug bereit: Im Modell der «narratoästhetischen Bilderbuchanalyse» führt er literatur-, sprach- und bildtheoretische sowie didaktische Aspekte der Betrachtung zusammen. Seine breitgefächerten theoretischen Darstellungen werden konsequent an vielfältigen Primärtexten veranschaulicht. Vier Beispielanalysen zeigen, wie eine wissenschaftlich fundierte Bilderbuchanalyse aussehen könnte, und die kommentierten Bibliographien, ein Glossar sowie ein Sach­ register vervollständigen den Einführungsband. Ein sehr inspirierendes und nützliches Buch!

– Viola Dubach

– Stefan Schröter

D. Cousins. Warten auf Gonzo. Aus dem Englischen von Anne Brauner. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben, 2016. 304 Seiten.

T. Kurwinkel. Bilderbuchanalyse: Narrativik – Ästhetik – Didaktik. Tübingen: A. Francke Verlag, 2017. 306 Seiten.

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VERFÜHRUNG ZUM LESEN

Krieg und Frieden be­zeich­ net Karin Schneuwly als das erste richtige Buch, das sie gelesen hat – nicht ganz freiwillig, ihre damalige Lehrerin hat sie moti­viert, einen Vortrag darüber zu machen. Sie solle etwas aus dem Buch nehmen, das sie interessiere, und nur darüber sprechen, rät ihr ein Liebhaber von Tolstois Werk, dem sie bei ihrer Lektüre auf dem Üetli­berg zufällig begegnet. Schneuw­ly entscheidet sich für Natascha und deren Liebe zu Andrej. Geschickt spinnt die Autorin ihre Leseerfahrungen zu einem Faden durch ihr Leben, erzählt von ihrem Studentenjob in der Zentralbibliothek und wie sie sich dort in ihren Arbeitskollegen Marek verliebt. Sie kauft jedes Buch, von dem er ihr erzählt, liest ihm hinterher, ohne ihn je zu erreichen. Sein Suizid erschüttert sie. Ihre Liebe zu den Büchern bleibt. An einer Stelle beschreibt sie die so: «Einmal eine junge Frau das Handy weglegen und Was ich sonst noch verpasst habe lesen sehen – und schon möchte ich sie in den Arm nehmen.» – Martina Meienberg

K. Schneuwly. Glück besteht aus Buchstaben. Zürich: Nagel & Kimche, 2017. 208 Seiten.

Brave neue Welt? Die künstliche Wirklichkeit ist im Vormarsch. Das merken wir spätestens dann, wenn uns am Schalter ein Roboter bedient oder wir uns in eine Person verlieben, die keine Blutgruppe, dafür jede Menge Speicherplatz hat. Oder wir merken es eben nicht. Die Hubots in der schwedischen TV-Serie «Real Humans – Echte Menschen» (2012–) und deren britisch-amerikanischem Remake «Humans» (2015–) sehen uns jedenfalls sehr ähnlich und werden bald zu unersetzlichen Familienmitgliedern. Die Androiden mutieren zu praktischen Haushaltshilfen, gestrengen Pflegerinnen und ersetzen in der Dystopie zunehmend Freunde, Mitarbeiterinnen, Spielund Lebensgefährten. Aber ganz so düster muss die Zukunft vielleicht nicht sein. Als der pensionierte Juwelendieb Frank im tragikomischen Spielfilm «Robot & Frank» (USA 2012) von seinem besorgten Sohn einen humanoiden Roboter zur gesundheitlichen Überwachung bekommt, sorgt das vorerst für viel Verdruss. Doch der gewiefte Rentner weiss sich zu helfen. Er freundet sich mit dem klobigen Gefährten an und bringt ihn dazu, mit ihm einen raffinierten Einbruch zu planen. Ob Roboter die besseren Menschen sind, untersucht auch die Dokumentation «Die Macht der Maschinen» (NZZ Format 2017). Laut Experten soll es schon in 30 Jahren mehr Roboter als Menschen auf der Erde geben. Visionäre Science­-Fiction wird greifbare Realität. Da stellt sich die Frage: Werden die smarten Maschinen brav unsere Arbeit erledigen oder erheben sie demnächst Anspruch auf menschliche Rechte? – Daniel Ammann

Besprechungen weiterer Titel: blog.phzh.ch/akzente/rubrik/medientipps AKZENTE 1/2018

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Medientipps

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Mario Bernet und Ruedi Isler – Unter vier Augen

Illustration: Elisabeth Moch

Mario Bernet: Jüngst erlebte ich auf einem Praktikumsbesuch in der Stadt Zürich Folgendes: Der Student gab der Klasse einen Auftrag und ermutigte die Kinder mit den Worten «Und habt keine Angst vor Fehlern. Aus Fehlern lernt ihr nämlich.» Darauf meldete sich ein Schüler: «Zuhause schimpft mein Vater mit mir, wenn ich Fehler mache.» Der Student beruhigte: «Du hast Glück – wir sind hier in der Schule.» Worauf der Bub insistierte: «Aber ein Fehler ist schlimm. Dann hat man mehr Hausaufgaben.» Ein wacher Junge, finde ich. Bist du für oder gegen Fehler? Ruedi Isler: Da kommt mir eine Geschichte in den Sinn. Mit 15 war ich keine Kanone in Französisch, aber dann habe ich einmal für einen Kurztest alles gegeben und es geschafft, nur zwei Fehler zu machen. Leider hatte ich in den Verbesserungen der vorausgehenden Prüfung drei Fehler. Die wurden dazu gezählt. Da pro Fehler eine halbe Note abgezogen wurde, reichte es wieder nicht für eine 4. Daraus habe ich meine Konsequenzen gezogen. Bernet: Nämlich? Isler: Französisch interessiert mich nicht – und wer Fehler macht, der wird bestraft. Bernet: Somit tratst du dank dieser AKZENTE 1/2018

schulischen Gemeinheit «ausgerüstet mit soliden Kenntnissen über die Natur des Menschen ins Leben ein», um es mit Bertolt Brecht zu formulieren. Aber wenn ich richtig rechne: Das war in den 1960er Jahren. Seither hat sich einiges getan, auch in der Schule. Es kam auch eine neue Fehlerkultur zur Sprache. Blosse Rhetorik oder Paradigmenwechsel? Isler: Dichter und Denker loben den Fehler, und die pädagogische Rhetorik lässt keinen Zweifel daran, dass Fehler machen zum Lernen gehört. In den Schulzimmern ist aber eine negative, für die Kinder unangenehme Fixierung auf das Fehlerhafte noch weit verbreitet. Kompetenzorientierung und Leistungstests, die schon in unteren Klassen immer häufiger werden, fördern die von dir gewünschte Fehlerkultur aber auf keinen Fall. Bernet: Kehren wir zur Szene im Praktikum zurück. Wenn ich dich richtig verstehe, haben hier beide recht: der Student, der zum unbefangenen Ausprobieren einlädt – und der Erstklässler, der ahnt, dass Fehler zu seinen Ungunsten ausgelegt werden könnten. Was würdest du den beiden raten? Isler: Was – im Gegensatz zu meinen Schulerfahrungen – ein produktiver Umgang mit Fehlern

wäre, ist klar. Lehrpersonen müssen mit Fehlversuchen der Lernenden wohlwollend umgehen und individuell darauf eingehen, was ein hohes Engagement erfordert. Gleichzeitig sollte man den Kindern, die übrigens überhaupt nicht gerne Fehler machen, versichern, dass man ihnen aufhilft, keine Fehler mehr zu machen – und perfekt zu werden. Am Ende ist das das Ziel. Bernet: Immerhin habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Kinder sich dann auf Fehler einlassen, wenn sie als «Fehlerdetektive» Irrwege entdecken und entwirren können. Das ist vielleicht sogar mehr als ein didaktischer Trick. Isler: Ja, aber irgendwie hat der Bub deines Praktikanten recht. Er fängt eine gesellschaftliche Realität ein, die beim Lernen zwar problematisch sein kann und von uns Pädagogen gebrochen werden muss. Für unsere Zivilisation ist sie aber ein Segen: Wir alle lieben präzise Uhren, pünktliche Züge und eine perfekt funktionierende Post! Fehler sind da wirklich nicht willkommen. Mario Bernet (links) war 15 Jahre Primarlehrer und ist jetzt wissenschaftlicher Mitarbeiter an der PH Zürich. Ruedi Isler ist Pädagogikprofessor. Sie unterhalten sich an dieser Stelle über ein aktuelles Schulthema.

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Unter vier Augen

Macht Fehler!?


Instagram #takeover 1

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Manfred Pfiffner ist Professor für Fachdidaktik der Berufsbildung an der PH Zürich.

Zur Rubrik 1 — Was für ein Start in 4 — Ein farbenfroher die neue Arbeitswoche! Eingang zum Uni-Campus in Graz 2 — Arbeit am For5 — Weitblick von der schungsprojekt BELMI Terrasse der Fachhoch3–6, Uni Graz schule Technik Wien 3 — Ganz zufällig an nach einem Intensivder Uni Graz getroffen: austausch Prof. Dr. Philipp 6 — Was für ein StudienGonon, UZH – Wie klein gangsmotto ... die Welt doch ist. 7 — Kurz das Zimmer lüften - und schon ist der Herbst wieder da.

8 — «Weihnachtsessen» – in unserer Buurebeiz 9 — Austauschsequenz im Dissertationskolloquium

Jeweils für zwei Wochen übernimmt eine Person aus dem Bildungsumfeld den Instagram-Account der PH Zürich (@phzuerich) und fotografiert während dieser Zeit in ihrem Berufsalltag – in diesem Fall von Anfang bis Mitte Januar 2018. Die besten Bilder erscheinen an dieser Stelle in der Rubrik «Instagram #takeover».

Impressum «Akzente» erscheint viermal jährlich, 25. Jahrgang, Nr. 1, Februar 2018, ISSN 2296-7281 (Print), 2296-732X (Online). Herausgeberin: Pädagogische Hochschule  Zürich. Redaktionskommission: Christoph Hotz (Redaktionsleitung), Daniel Ammann, Anne Bosche, Reto Klink, Martina Meienberg, Michael Prusse. Redaktionelle  Mitarbeit: Samanta Gribi, Melanie Keim, Claudia Merki, Dorothea Riecker, Olivia Rigoni, Angela Roos, Christian Wagner. Adresse: Pädagogische Hochschule  Zürich, Redaktion «Akzente», Christoph Hotz, Lagerstrasse 2, 8090 Zürich, akzente@phzh.ch, phzh.ch/akzente. Grafisches Konzept: Raffinerie AG für  Gestaltung, Zürich. Layout: Regi Müller, Typografische Gestalterin PH Zürich. Druck: FO-Fotorotar, Egg ZH. Inserate: IEB AG, Gewerbestrasse 18,  8132 Egg, Tel. 043 833 80 60, Fax 043 833 80 44, info@ieb.ch, ieb.ch. Abonnemente: Jahresabonnement CHF 20.– inkl. Porto, phzh.ch/abo. Gedruckt  auf FSC-zertifiziertem Papier.

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Fotos: Manfred Pfiffner, SRF Oscar Alessio

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