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Wo der Glaube uns unverhofft begegnet

Die karge Berglandschaft auf über 2500 Meter über Meer sprach zu mir. Auf dem Weg zur Passhöhe rief sie etwas in meinem Kopf hervor und vermittelte eine verheissungsvolle Stimmung. Mit jedem Schritt weiter und höher zog eine Ruhe in meinen Kopf ein, mit der ich nicht gerechnet hatte. Denn noch vor wenigen Stunden machten sich Gedanken breit, die ein Kopfkino auslösten: «Oh, packen für die Kinderlager und ja, am Abend noch an den Stanser Sommer und der Winkelried erwartet meine Präsenz bei seiner jährlichen Feier.» Und jetzt diese Stille.

Diese Stille wurde ein paar Meter unterhalb des Passes durchbrochen. Über die Lippen meiner Frau kam eine für sie – ja auch für mich – intime Frage: «Wie betest du eigentlich?» In diesem Moment stand ich vor dem ersten Schneefeld und überlegte, wie ich es überqueren sollte. Ich musste stehen bleiben, denn eine so komplexe Frage zu beantworten und gleichzeitig zu gehen, das forderte mich zu sehr.

Auf dem Grat – mit offener Sicht auf beide Talseiten – diskutierten wir diese Frage bei herrlich frischem Wind. Der Glaube hatte uns unerwartet getroffen und diesen Moment zwischen Felsen, Schnee und Himmel bereichert. Momente wie dieser schaffen eine besondere Atmosphäre. Diese Verdichtung des Augenblicks hilft uns, dass ein Gespräch zu einer Berührung wird und nicht bei einer Begegnung stehen bleibt.

Für mich war es wieder eine Erkenntnis mehr, was Leben und Glauben ausmacht. Es sind unter anderem die täglichen Berührungen. Und es scheint, dass wir tatsächlich Lehrlinge des Lebens sind, ohne jemals die Meisterprüfung zu bestehen. Wir werden nie den Meisterbrief in Empfang nehmen, aber wir werden mit jedem Lebensschritt reifer. Und das freut mich.

Vielleicht erleben Sie demnächst einen solchen Moment. Geniessen Sie ihn, denn eine Meisterprüfung steht nicht bevor.

Thomas Keiser Präsident Kirchenrat