FIVE #168

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BASKETBALL FOR LIFE

#STAYHOME

JULIUS ERVING

05/2020

168

DIE BESTEN NBA-STORYS

DER MANN, DEN SIE DOC NANNTEN

DIE KRASSE SEITE DER ASSOCIATION

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DIE GESCHICHTE DES DUNKS

DIE WILDEN JAHRE DER ABA

DIE GEILSTE AKTION IM GESAMTEN SPORT

WIE DIE DISCO-LIGA DAS MODERNE SPIEL ERFAND

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ABSCHIED VON EINEM UNVOLLENDETEN

Österreich 5,00 € Schweiz 7,80 SFR BeNeLUX 4,60 € Italien 5,25 € Spanien 5,25 €

+ ISSUE 168 ISSN 1614-9297 WWW.FIVEMAG.DE

DEVONTE' GRAHAM // ADAM MORRISON DEVIN BOOKER VS. BUDDY HIELD MARKELLE FULTZ // NBA-AWARDS 2020 MORITZ WAGNER // JAKA LAKOVIC KILLIAN HAYES // LEFTERIS MANTZOUKAS


SUMMER 2020

P L AY H A R D - D O N ’ T E M B A R R A S S O U R P R O D U C T S

WWW.K1X.COM



editorial

FIVE

IMPRESSUM

168

Redaktion: redaktion@fivemag.de Verlag: KICKZ.COM GmbH Landwehrstr. 60 80336 München Tel.: +49-89-324 781 70 Fax: +49-89-324 781 99 Chefredakteur: André Voigt (verantw.) Grafik: Patrick „Mochokla“ Ortega Fotos: Getty Images Lektorat: Thomas Brill

Fotos: Andrew D. Bernstein/Ezra Shaw/Getty Images

LIEBE FIVE-GEMEINDE, eigentlich sollte es an dieser Stelle um die schönste Zeit des Jahres gehen. Um die Playoffs. Doch die NBA, Euroleague, BBL … alle Ligen stehen still. Nichts ist gerade so, wie es sein sollte. Covid-19 hat unser aller Leben verändert. Höchstwahrscheinlich hat es uns auch die Basketball-Saison 2019/20 genommen. Dass es in absehbarer Zeit weitergehen kann – wer mag daran wirklich glauben? Alle Pläne, die NBA fortzusetzen, scheinen nicht mehr als Wunschdenken zu sein. Selbst wenn Spiele in leeren G-LeagueArenen durchgeführt werden würden … sobald sich einer der Profis, Trainer, Physios oder Referees infizieren würde, wäre die Spielzeit sofort wieder bis auf Weiteres unterbrochen. Niemand kann derzeit sagen, was die Zukunft bringen wird. Vor allem in den USA, wo die Gefahr, die von Covid-19 ausgeht, lange Zeit fahrlässig unterschätzt wurde. Gefühlt müssen wir alle froh sein, wenn die Saison 2020/21 überhaupt planmäßig starten kann. Viele von euch werden unter dieser Krise nicht nur leiden, ihr werdet in eurer Existenz bedroht sein.

Ähnlich geht es uns. Die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Welt und eben auch FIVE kann niemand vorhersagen, auch wir bangen um unsere Existenz. Aber solange es weitergeht, werden wir für Basketballdeutschland jeden Monat das verdammt nochmal beste Heft machen, das wir auf Papier drucken und vielleicht bald in ein eMag pressen können! Als 2011 der Lockout kam, nutzten wir die Zeit ohne Basketball, um euch SpecialAusgaben zu bringen. Wir beleuchteten die 80er, 90er und 2000er Jahre in jeweils einem Heft – es waren FIVE-Ausgaben, die von euch gefeiert wurden! Startend mit der #169 werden wir euch wieder mit Specials versorgen, die euch richtig flashen werden! Michael Jordan wird den Anfang machen, und für die Monate danach haben wir so viele geile Ideen … selbst wenn es ganz dicke kommt, werden wir euch versorgen, das versprechen wir euch! Die #168 beginnt diesen Weg zu gehen, allerdings hatten wir durch die Corona-Krise einfach nicht die Zeit, mitten in der Produktion der PlayoffVorschau plötzlich alles neu zu schreiben – es ging einfach nicht. Deshalb bringen wir euch in diesem Heft ein Special,

BESTEN DUNK

nächste aUSGABE

Dré dunkt allen, die mit ihrer Arbeit dafür gesorgt haben, dass unsere Gesellschaft nicht zusammengebrochen ist!

Die FIVE #169 erscheint am 22. Mai 2020 oder liegt schon bis zu vier Tage vorher bei allen Abonnenten im Briefkasten.

das sich um den Dunk dreht. Mit Cover-Athlet Vince Carter, der Geschichte des Dunks, der ABA, Julius Erving etc. Die FIVE-OGs werden einige dieser Texte kennen, leider war es aber in dieser Ausnahmesituation nicht möglich, die Seiten anders zu füllen. Allerdings sind diese Texte teilweise so alt … selbst wir in der Redaktion hatten beim Lesen viel Freude und konnten uns nicht immer an sie erinnern. Deshalb: Viel Spaß mit FIVE #168 und an dieser Stelle ein besonderer Dank an die aktuellen und zukünftigen Abonnenten, die in diesen schweren Monaten wichtiger sind denn je. Ihr sichert unser Überleben. Ihr sichert unsere Jobs. Ihr seid die real MVPs! Wir hier in der Redaktion hoffen, dass ihr gemeinsam mit euren Lieben diese schwere Zeit schadlos übersteht. Wir werden unser Bestes tun, um euch mit jeder FIVE ein Stück Normalität zu geben. Wir schaffen das!

Mitarbeiter dieser Ausgabe: Christian Orban Moritz Wagner Marcel Nadim Aburakia Manuel Baraniak Peter Bieg Jan Hieronimi Jens Leutenecker Ivan Beslic Robbin Barberan Aboservice: KICKZ.COM GmbH E-Mail: abo@fivemag.de Tel.: +49-89-324 781 70 Druck: Dierichs Druck + Media GmbH & Co. KG Frankfurter Straße 168 34121 Kassel Vertrieb: MZV GmbH & Co. KG Ohmstr. 1 85716 Unterschleißheim Für unverlangt eingesandtes und nicht mit einem Urhebervermerk gekennzeichnetes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Beiträge, die namentlich gekennzeichnet sind, geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Vervielfältigung, Speicherung sowie Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlages. Gerichtsstand ist München.

ISSN 1614-9297

Stay home und stay safe, FIVE_MAG

André Voigt

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Dann im Heft: das ultimative MichaelJordan-Special!

FIVE-ABOSERVICE Ausgabe verpasst? Kein Thema. Scannt den nebenstehenden Code mit eurem Smartphone ein oder

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schaut auf www.kickz.com/de/five vorbei und ordert einfach nach.

Heft noch nicht da? Dann mailt an abo@fivemag.de ...


FIVE

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inhalt

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24 SECONDS

JULIUS ERVING

STREETBALL

IN-DRÉ-SSANT

Moritz Wagner, Prospect, Legenden-

Dr. J war mehr als ein Basketballer. In

Adidas prägte den Begriff, doch unter

Auch wenn die Saison wohl leider

Liebling, Einwurf, NBA-Gossip etc.

einer Zeit vor Livespielen im Fernsehen

freiem Himmel wurde schon immer

vorbei ist: Hier werden die NBA-

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war er halb Mensch, halb Mythos!

Basketball gespielt. Eine Ode an die

Awards 2019/20 vergeben!

Seele unseres Sports.

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ONE-ON-ONE: BOOKER VS. HIELD

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Devin Booker und Buddy Hield sind

DIE BESTEN NBA-STORYS

elitäre Shooting Guards in der NBA. Wer aber ist besser?

Ein Tiger in der Kabine? Koks unter dem Handtuch? Larry Legends Garantie?

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WARENKORB

MARKELLE FULTZ

Styles, Styles, Styles … drip, drip, drip!

Er galt als abgeschrieben, als Bust.

Der KICKZ-Warenkorb ist wieder mal

Langsam, aber sicher arbeitet sich

so richtig lit!

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Storys aus der NBA-Geschichte, die zu krass sind, um wahr zu sein!

Markelle Fultz jedoch zurück.

VINCE CARTER

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AMERICAN BASKETBALL ASSOCIATION

INTERVIEW: KILLIAN HAYES

Charles Barkley gewann nie den Titel.

Das NBA-Talent von ratiopharm Ulm

Ist er deswegen ein Loser? Nein. Der

im Exklusivinterview über sein Spiel,

„Chuckster“ lag zwar nicht immer

seine Pläne und die NBA.

richtig, aber er war immer real und

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einer der ganz Großen!

Er war der „Next Jordan“, wurde es aber nie. Trotzdem fasziniert Vince Carter bis heute. Abschied von einem unvollendeten Superstar.

30 DIE GESCHICHTE DES DUNKS Nichts flasht so sehr wie ein Dunk. Warum? Wo kommt er her? Das große Special erklärt es euch!

Die ABA war eine Chaosliga voller Stars. Die Geburtsstätte des modernen Basketballs und der krassesten Geschichten aller Zeiten!

IVAN BESLIC

INTERVIEW: JAKA LAKOVIC Die Point-Guard-Legende über das neue Leben als Trainer.

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ECHTER FAN ODER BANDWAGON-FAN:

CELEBRITY-EDITION Text: Marcel Nadim Aburakia

W

ir alle kennen das Phänomen: Eine Mannschaft wird – plötzlich – erfolgreich, und schon strömen massenhaft Fans in die vorher leeren Stadien, ändern ihre IG-Bio auf #dubnation oder kaufen sich ein Jersey ihres neuen Lieblingsspielers, den sie ja schon seit Jahren geil finden. Ihr braucht Beispiele? Die Golden State Warriors und Stephen Curry und jetzt gerade erst die Teams aus L.A. mit LeBron oder Kawhi. So sehr ich solche WechselFanschaften normalerweise verurteilen würde, kann ich den meisten Fans nicht böse sein, denn ich bin genauso. Mein Fanerlebnis erzählt sich sehr ähnlich, denn was immer LeBron James anfasst, das unterstütze ich. So wie ich sind viele Anhänger in der NBA – man mag eben, was man mag. Solange man halbwegs ehrlich bleibt und nicht so tut, als wäre man etwas, was man nicht ist: beispielsweise Experte. Für eine gewisse Sorte Mensch habe ich jedoch gar kein Verständnis: „Edelfans“, die sich die Tickets in der ersten Reihe leisten können, ganz besonders Celebs. Egal ob Rapper, Schauspieler oder RealityStar – wer so viel Geld ausgibt, um das Spiel aus nächster Nähe zu betrachten, der muss einfach hinterfragt werden. Was sucht er dort? Ist er/sie loyale*r Team-Supporter*in, Bandwagoner*in oder einfach nur wegen des Insta-Fames dort? Viele Fragen – und hier sind die Antworten, die Celebrity-FanEnzyklopädie der NBA!

Die Hards Echte Fans sind sehr selten, gerade weil es fast keine Franchise schafft, über eine längere Dauer Supporter in ihren Bann zu ziehen. Meistens fehlt es an der nötigen Strahlkraft, Superstars oder eben dem Erfolg. Zwei Männer, die ganz unabhängig von all dem ihre Mannschaft unablässig unterstützt haben, sind Jack Nicholson und Spike Lee. Was beide verbindet: jahrelange Unterstützung für eine Franchise inklusive Trashtalk mit gegnerischen Trainern und Spielern bei den Heimpartien. Was sie unterscheidet: viele Siege. Nicholson durfte in seinen 30 Jahren courtside zig Erfolge mitfeiern. Von den

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Showtime-Lakers im Forum über Shaqs und Kobes dreifachen Meisterschaftslauf bis zum legendären Duell gegen den Erzrivalen aus Boston. Der Schauspieler konnte sich immer darauf verlassen, dass der Erfolg irgendwie ins Staples Center kommt. Auch jetzt, 2020, in der Ära LeBron James, darf er wieder Siege feiern und bleibt ein sehr gern gesehener Gast. Ganz im Gegensatz zu Spike Lee, dessen Saison Anfang März zu Ende ging, noch bevor Adam Silver aufgrund der CoronaPandemie eine Zwangspause anordnete. Weil man ihn beim Heimspiel nicht durch den Personaleingang gelassen hatte, kündigte der Regisseur den Knicks die Unterstützung am Spielfeldrand für diese Saison auf. „Ich benutze seit mehr als 20 Jahren denselben Eingang“, sagte der 62-Jährige. „Ich komme nächstes Jahr wieder, aber für diese Spielzeit bin ich durch.“ Erfolg und New York Knicks gehen seit Langem getrennte Wege, das Team aus Manhattan gehört zu den schlechtesten der letzten Jahrzehnte. MVP: Spike Lee (Knicks) Honorable Mentions: Jack Nicholson, Ice Cube (Lakers), DJ Khaled (Heat), Quavo (Hawks)

For the gram Für Celebrities ist jeder Tag ein Tag, um auf Social Media mit den Fans zu connecten. Und wo lässt sich besser Content kreieren als bei Sportveranstaltungen. Niemandem soll hier seine/ihre Fanschaft abgesprochen werden. Wer aber irgendwann nur noch zu NBA-Games geht, um auf Instagram damit angeben zu können, der macht etwas falsch. Der Prototyp-IG-Fan unterstützt keine der spielenden Mannschaften wirklich, taucht besonders häufig in Los Angeles oder New York auf und glaubt, dass er mindestens so wichtig ist wie die Spieler auf dem Parkett. Besonders in Hollywood gilt: Wenn du halbwegs erfolgreich im Fernsehen, in Filmen oder den sozialen Medien warst und noch kein Foto bei einem Lakers-Spiel gemacht hast, bist du dann wirklich halbwegs erfolgreich in Hollywood gewesen? Der bekannteste dieser Fans ist (und damit auch der MVP – der Most Valuable Poster) Justin

Bieber. Öffentlich wechselt er seine Teams wie seine Unterhosen. Lakers, Heat, Cavaliers und Warriors … JB kann sich nicht auf ein Team festlegen. Muss er das? Nein, schließlich sind auch seine Follower bunt gemischt aus Los Angeles, Miami, Cleveland oder Oakland. Und um die geht es ja eigentlich. MVP: Justin Bieber Honorable Mentions: Logan Paul, Kendall Jenner

Bandwagon Ein echter Sportfan zu sein bedeutet, in Zeiten der Siege und in Zeiten der Niederlagen an einer Mannschaft festzuhalten. Sobald man anfängt, für eine andere Seite zu jubeln, wird es schon kritisch. Bandwagoner fangen bei einem Meisterschaftsteam an (aktuell Bucks?), und bevor sie es wissen, sind sie Fans der Hälfte aller Franchises in der NBA. Es heißt „wir“, wenn das Team gewinnt, aber „die“, wenn es verliert. Schuldig im Sinne der Anklage ist Aubrey Drake Graham aka Drake. Klar, er ist zwar Botschafter der Toronto Raptors (mit seiner eigenen „Drake Night“), aber seine Fan-Allianz wird oft von Freundschaften beeinflusst. 2013 feierte er ausschweifend den Titel der Heat mit LeBron James. Nachdem der zurück nach Cleveland wechselte, gab Drake zu, er würde jetzt „Spiele in Cleveland schauen“ und sich definitiv „mit Immobilien in Cleveland“ befassen. Als es dann zum Trend wurde, Golden State zu feiern, besuchte er ein Heimspiel und ging anschließend mit Steph und Ayesha Curry einen Burger essen. Ganz ähnlich wie Rihanna. Klar, als Fan wäre es sicher geiler, à la Spike Lee eine lange Historie mit einem Team zu haben. Aber Edelsupporter von LeBron zu sein, ist für Riri sicher auch sehr erfüllend. Egal wo der „King“ spielt, die Sängerin sitzt in der ersten Reihe und trashtalkt jeden JamesGegner in Grund und Boden. MVP: Drake Honorable Mentions: Rihanna (LeBron James), John Cena (Celtics & Lakers), Justin Bieber (Heat, Cavaliers & Lakers), Jessica Alba (Lakers & Clippers)

Fotos: Mike Lawrie/Getty Images

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NBA-Gossip


mixtape

DAS FIVEMIXTAPE DES MONATS!

FIVE #168 A Freddie G ibbs – Fak e Names Nine feat. Smooth D a Hustler Masta Ac – Make or e & Marco take Polo – Get Megaloh – Shot Hotbox Rakim – When I B On Tha M ic Murs & 9t h Wonder – God Bla Adam Sno ck/Black w – 9 to God 5 The Game – Stainles s Jay Rock – Shit Rea l

„Bball is Jazz“, sagt Holger Geschwindner, und da hat der Mann recht! Trotzdem gibt es ab sofort an dieser Stelle das FIVEMixtape des Monats, damit ihr euch beim nächsten Heimspiel nicht zu den Greatest Hits von Queen warmmachen müsst, nur weil „der Anschreiber die so gerne hört“. Einfach den QR-Code einscannen, und schon landet ihr bei den FIVE-Playlists auf Spotify.

8 A FIVE #16

B wn #168 s Do FIVE et Na L im – le ja Sl es J. Co Soul Echo f – o d t y Flo Ghos Pink ica – ctron Chill e l E Jay Ball n – im Rock g ja Sl Youn Soul dy To a e R ittle – L e – s e . G sines Oddis & Edo an Bu e e c M A a – I Mast trict d Dis n o – 1995 m Dia inute M d Su Paris

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einwurf

EINWURF

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Fotos: Ned Dishman/NBAE via Getty Images

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VORFREUDIGES WARTEN In seiner Kolumne „Einwurf“ schaut Christian Orban über den Spielfeldrand hinaus und schreibt über die weniger beachteten Aspekte der Basketballkultur. Text: Christian Orban

ährend der Spielbetrieb in hochvirulenten Zeiten ruht und ungewiss ist, wann er wieder aufgenommen werden kann, bleiben zwei Konstanten bestehen: die einnehmende Hoffnung und die Vorfreude auf die Rückkehr des Profibasketballs. Das gilt auch für die WNBA, deren kommende Saison viel Spannung verspricht. Schließlich hat „The W“ im vergangenen Winter die wohl ereignisreichste Offseason seit ihrer Gründung vor 24 Jahren erlebt. Denn zunächst verständigten sich die Liga und die Spielerinnengewerkschaft Mitte Januar auf einen neuen Tarifvertrag, der gleichermaßen als basislegend und bahnbrechend einzuschätzen ist (siehe FIVE #167). Im Februar folgte dann eine Free Agency, die auch aufgrund der signifikant angestiegenen Gehaltsobergrenze die aufregendste Spielerinnenbewegung der WNBAHistorie bereithielt. So wechselten mit Skylar DigginsSmith, DeWanna Bonner, Kristi Toliver und Angel McCoughtry allein vier All-Star-Akteurinnen die Franchise. Derweil kann die zwölf Teams umfassende Liga nun mit einigen imposanten Starensembles aufwarten, die in diesem Jahr hoffentlich um den Titel konkurrieren werden. Es lohnt sich daher, im Sinne eines vorfreudigen Wartens hier einen ersten Blick auf die Topteams der „W“ zu werfen. Die Washington Mystics um LigaMVP Elena Delle Donne und Finals-MVP Emma Meesseman sind die amtierenden Champs, die es zu schlagen gilt. 2019 stellten die „’Stics“ eines der besten Teams sowie die effizienteste Offensive der WNBA-Historie. Unter Erfolgscoach Mike Thibault spielten sie beispielhaften Teambasketball und brachen nicht weniger als 15 Saisonrekorde (etwa bezüglich der erzielten Dreier und Assists sowie der höchsten TrueShooting-Quote). Während „EDD“ dabei als erste WNBASpielerin in den erwählten „50-40-90-Klub“ eintrat, verbuchte die Truppe von „Coach T“ ihre Saisonsiege mit einer Durchschnittsdifferenz

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von 19,5 Punkten. Der erste Titelgewinn für die Hauptstädterinnen war demnach hochverdient. Heuer müssen sie indes auf Combo-Guard Kristi Toliver verzichten, die zu den Los Angeles Sparks zurückgekehrt ist. Spielerisch wird ihr Abgang durch die Verpflichtung von Veteranin Leilani Mitchell ansatzweise aufgefangen. Dank ihrer Wurfstärke sollte sich die meistverbesserte Akteurin der Vorsaison (mit 34 Jahren!) in das Offensivsystem mühelos einfügen, zumal aufstrebende Jungprofis wie Aerial Powers und Shatori Walker-Kimbrough bereitstehen. Wie die Führungsqualitäten von Toliver repliziert werden können, bleibt jedoch abzuwarten. Hohe Erwartungen herrschen kultürlich auch bei den Seattle Storm vor. So können die dominanten Champs von 2018 (Finals-Sweep gegen D.C.) Point-GuardLegende Sue Bird und Ex-MVP Breanna Stewart aufbieten, nachdem beide vergangene Saison verletzungsbedingt fehlten. Umgeben von AllStar-Guard Jewel Lloyd, Three-and-D-Wing Alysha Clark, „Verteidigerin des Jahres“ Natasha Howard, Aufbaudynamo Jordin Canada sowie weiteren fähigen Ergänzungsspielerinnen zählen die Storm fraglos zu den Favoritinnen auf den (erneuten) Gewinn der Meisterschaft. Das können auch die starbesetzten und titelhungrigen L.A. Sparks von sich behaupten. Schließlich wissen sie mit Candace Parker und Nneka Ogwumike zwei ehemalige MVPs in ihren Reihen. Hinzu kommt nun Toliver, die mit All-WNBA-Guard Chelsea Gray einen beachtlichen Backcourt bilden und dem tiefen Team als Schützin, Spielmacherin und Anführerin helfen wird. Gemeinsam mit den Genannten holte sie bereits 2016 mit L.A. den Titel. Eine Frage bleibt aber die Gesundheit von Toliver und Parker (beide 33 Jahre), die 2019 mit Verletzungen zu kämpfen hatten. Die Vorjahresfinalistinnen der Connecticut Sun haben mit DeWanna Bonner ebenso eine meisterschaftserfahrene Schlüsselspielerin hinzugewonnen – allerdings

auch etwas an Offensivpunch eingebüßt. Besonders die Abgänge von Korbjägerin Courtney Williams und Scharfschützin Shekinna Stricklen schmerzen. Dafür hat das Team um Star-Centerin Jonquel Jones die ohnehin elitäre Abwehr nochmals verstärkt. Neben Bonner auch mit Three-andD-Guard Briann January, die sich an der Seite von Jones sowie Alyssa und Jasmine Thomas in einer All-Defensive Starting Five wiederfindet. Mit den Sun wird also zu rechnen sein, wenngleich die Bank (wohl zu) dünn besetzt bleibt. Diese Baustelle haben die hypertalentierten Las Vegas Aces mitnichten. Vielmehr stellt sich die Frage, ob das tiefe Team um vier vormalige Nummer-eins-Picks gut zusammenpasst. Denn Neuzugang Angel McCoughtry ist zwar eine Edelscorerin, doch trifft sie wie der Star-Frontcourt um Liz Cambage, A’ja Wilson und Top-Reservistin Dearica Hamby den Dreier nicht. Auf die Schützinnen Kayla McBride und Kelsey Plum wird also sehr viel Arbeit zukommen, um für die Asse genügend Spielraum zu schaffen. Im erweiterten Kreis der Mitbewerberinnen um die Meisterschaft befinden sich zudem die Chicago Sky und Phoenix Mercury, die jeweils mit einer offensivstarken Big Three aufwarten können: Courtney Vandersloot, Allie Quigley und Diamond DeShields sowie Brittney Griner, Diana Taurasi und Skylar Diggins-Smith. Wer sich überdies für die fünf Franchises im Neuaufbau interessiert – die Minnesota Lynx, Atlanta Dream, Indiana Fever, New York Liberty und Dallas Wings –, sollte auf die WNBA-Draft schauen (wann und in welcher Form sie auch immer stattfindet). Denn dann werden unter anderem die vielversprechenden Profikarrieren von KobeProtegé Sabrina Ionescu und FIVE-Autorin Satou Sabally ihren Anfang nehmen. Früher oder später dürfte sich das Ausharren für die Teams und Fans sonach lohnen. Bis dahin gilt: am Ball bleiben!


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DISTANCIN’ Wusste Kyle Kuzma schon von Corona und Covid-19, bevor es wirklich ernst wurde? Auf jeden Fall zeigte er mit diesem Outfit schon vor dem Outbreak, dass er den Home-Office-Style draufhat. Bucket Hat, Sweatpants … fehlen nur noch die Slipper. Aber gut, dafür sind die Ärmel eben etwas kürzer. PUMA X RHUDE RALPH SAMPSON 129,95 € bei KICKZ.COM

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Legenden-Liebling des Monats

LEGENDEN-LIEBLING DES MONATS MJ, Magic, Larry, Kobe … sie sind die unsterblichen Legenden, die jeder kennt. An dieser Stelle wird aber ab sofort der Baller gedacht, die keine Überstars waren, aber auf die eine oder andere Art einfach Kult – die Legenden-Lieblinge des Monats!

ADAM MORRISON A

dam Morrison. Es gibt NBA-Profis, deren Namen direkt eine Assoziation hervorrufen. Sie sind unweigerlich mit irgendeinem Begriff, einem Gefühl, einem Urteil verbunden. Bei Adam John Morrison ist es das Wort „Bust“. In der Draft 2006 an dritter Stelle von den (damals noch) Charlotte Bobcats gezogen, absolviert er in der Folge nur 161 Partien in drei Saisons. Der 2,03 Meter große Flügel erzielt in dieser Zeit 7,5 Punkte bei einer Quote von 37,3 Prozent aus dem Feld. Wie gesagt: Bust! Denn die Erwartungen waren ganz andere. Morrison hatte für die Gonzaga University die NCAA in Brand geschossen. 28,1 Punkte legte er als College-Junior auf – so viele wie kein anderer Student Athlete in der Saison 2005/06. Dabei war er kein wilder Gunner in einem untalentierten Team. Er traf 49,6 Prozent aus dem Feld, 42,8 Prozent von der Dreierlinie. Morrison war der Typ Scorer, der einen vom Sofa aufspringen lässt, wenn alles bei ihm klickte. Dann fielen unmögliche Sprungwürfe, „NBA Jam“ wirkte plötzlich realistisch – denn dieser Kerl war wirklich minutenlang on fire! Die Bulldogs zogen in die dritte Runde des NCAA-Tournaments 2006 ein,

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wo sie nur unglücklich 71:73 gegen die UCLA Bruins verloren, bei denen mit Darren Collison, Arron Afflalo, Jordan Farmar, Luc Richard Mbah a Moute und Ryan Hollins gleich fünf künftige NBA-Profis im Kader standen. UCLA unterlag später im Finale gegen Florida. Morrison? Der weinte bitterlich auf dem Parkett der Oracle Arena liegend, als seine College-Karriere endete. Michael Jordans Bobcats sollte er dann in der NBA in eine neue Ära führen, neben den soliden Emeka Okafor, Gerald Wallace und Raymond Felton der fehlende Scorer auf dem Flügel sein. Er hatte sogar das Zeug zum kultigen Antihelden. Die ungekämmten Haare, der schnodderige Schnauzer, der Fakt, dass Che-Guevara-Poster in seinem Wohnheimzimmer hingen und er am liebsten Rage Against The Machine hörte. Es war, als wäre Larry Bird in der Grunge-Ära aufgewachsen. Adidas nahm ihn noch vor seinem ersten NBA-Spiel unter Vertrag und zahlte einen siebenstelligen Betrag dafür. Doch Morrison kam nie in der NBA an. Seit er 13 Jahre alt war, lebte er als Diabetiker. „Es war so, dass er während der Spiele und im Training seinen Blutzuckerspiegel checken musste“, erinnert

sich sein damaliger Teamkollege Matt Carroll bei „Bleacher Report“. „Es gab Tage, da hatte er einfach keine Energie.“ Und dann kam der Kreuzbandriss. In der Preseason 2007 verteidigte Morrison den heutigen Coach der Sacramento Kings, Luke Walton. Er rannte auf den Laker zu, versuchte die Richtung zu wechseln und fiel zu Boden. „Die Verletzung machte es in der Verteidigung für ihn sehr viel schwerer“, sagt Carroll. „Er hatte ja so schon kaum genug Kraft für die NBA. Die nach dem Kreuzbandriss reduzierte Athletik machte den Unterschied … Teams attackierten ihn danach gnadenlos.“ Und so endete Morrisons NBAKarriere 2010, nachdem er als quasi zwölfter Mann zwei Meisterschaften mit den Lakers gewonnen hatte. Insgesamt zwei Saisons spielte er bei Roter Stern Belgrad und Besiktas Istanbul. 2012 zeigte er jedoch noch einmal im NBA-Setting, was möglich gewesen wäre. In der Summer League explodierte er für die L.A. Clippers in zwei Partien. 22 Punkte gegen die Lakers, 26 gegen die Celtics. Die Fans in Las Vegas ließen „M-V-P“-Rufe auf ihn herabregnen. Ein reguläres Saisonspiel in irgendeiner Basketballliga absolvierte er danach nicht mehr …

Morrison war zu aktiven Zeiten kein Freund übermäßiger Körperhygiene. Jared

Wenn er als Jugendlicher auf den Freiplatz ging, trug Morrison ein T-Shirt, das sein

Dudley erzählte vor Jahren, dass der Youngster damals in Charlotte sogar von einem

Vater ihm gegeben hatte. Darauf stand: „Wenn es die Offense nicht geben würde,

Mitspieler gezwungen werden musste, unter die Dusche zu springen.

würde ich auch verteidigen.“


five-prospects Prospects

LEFTERIS MANTZOUKAS

Fotos: Marko Metlas/Euroleague Basketball via Getty Images/Rocky Widner/NBAE via Getty Images

O

bwohl er erst 16 Jahre alt ist, war Eleftherios „Lefteris“ Mantzoukas bester Werfer beim Adidas Next Generation Tournament (ANGT) der Euroleague im Januar in München. Mit Abstand: 32 Punkte brachte der Grieche für Promitheas Patras – im Schnitt. Mit 49 Zählern im Spiel gegen ALBA Berlin stellte Mantzoukas einen neuen AllTime-Scoring-Rekord für das ANGT auf. Bei diesem 93:87-Sieg spielte der Grieche fast die gesamten 40 Minuten und lieferte unglaubliche 49 Punkte, traf fünf von zwölf Dreiern, 20 von 23 Freiwürfen, legte 19 Rebounds und drei Steals auf. „Das Wichtigste ist, dass wir dieses Spiel gewonnen haben“, sagte Mantzoukas im Anschluss bescheiden, um dann anzufügen: „Dieser Rekord ist für mich ein Ansporn, noch härter zu arbeiten. Ich bin sehr glücklich darüber.“ Lefteris Mantzoukas ist einer der vielversprechendsten Spieler seiner Generation in Europa. 2,07 Meter groß, technisch beschlagen, ehrgeizig, fokussiert. Der große Grieche ist ein vielseitiger Scorer mit stabilem Wurf – insbesondere aus der Mitteldistanz – und bereits ausgeprägten Führungsqualitäten. Kein Wunder, sah der Teenager für Promitheas Patras in dieser Saison doch bereits erste Einsatzzeiten in der griechischen Liga sowie im Eurocup. Nicht nur beim Scoring, sondern auch beim Rebound gehörte

Jeden Monat stellt euch Peter Bieg an dieser Stelle die größten Talente Europas und Deutschlands vor. Text: Peter Bieg

Mantzoukas zu den auffälligsten Spielern beim ANGT in München: 12,8 Abpraller sammelte er im Durchschnitt und rechtfertigte auch damit seine Wahl unter die besten fünf Spieler der gesamten Veranstaltung. Mit seiner Mischung aus körperlicher und spielerischer Überlegenheit stellte er einzelne Verteidiger immer wieder vor unlösbare Probleme und sah sich somit häufig Double-Teams gegenüber. In solchen Situationen bewies Mantzoukas vielfach sein gutes Auge für die Mitspieler und ein natürliches Gespür für die richtigen Entscheidungen auf dem Basketballfeld. Während er in Sachen Körperbau an seine Landsleute Ioannis Papapetrou (Panathinaikos Athen) und Kostas Papanikolaou (Olympiakos Piräus) erinnert, ist Mantzoukas spielerisch bereits weiter, als es diese Spieler in seinem Alter waren. Wo Papapetrou und Papanikolaou seit Jahren spielen, dort wird auch Mantzoukas über kurz oder lang zu finden sein: in der Euroleague. Ob es für die NBA reicht, darüber wird auch die Entwicklung seines Wurfs entscheiden. In München traf der Grieche nur 24,3 Prozent seiner Dreier, bei allerdings absolut solider Mechanik und vielen späten Notwürfen in einzelnen Angriffssequenzen. Solide ist auch Mantzoukas’ Athletik, sodass eine Zukunft in der NBA definitiv nicht ausgeschlossen ist. redaktion@fivemag.de

LEFTERIS MANTZOUKAS Geburtstag: 08.07.2003 Größe: 2,07 Meter Gewicht: 100 Kilogramm Position: Small Forward Verein: Promitheas Patras

Stats: 32,0 PPG, 12,8 RPG, 2,5 SPG, 65,1 FG% (ANGT 2020)

QR-code: Mantzoukas im Interview mit David Hein beim ANGT in München. http://bit.ly/LefterisM

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#STAYHOME #STAYSAFE #STAYHEALTHY BLEIBT GESUND UND ACHTET AUFEINANDER

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Moe-diary

MOE DIARY Moritz Wagner absolviert momentan

seine zweite NBA-Saison in Washington, D.C. In FIVE nimmt er euch mit auf seine Reise, die ihn von Alba Berlin über die University of Michigan bis zu den Wizards geführt hat. Text: Moritz Wagner

Fotos: Alika Jenner/Andrew D. Bernstein/NBAE via Getty Images

D

ie Welt ist schon verrückt manchmal. Aber dass sie jetzt auf einmal so verrückt wird, hätte ich nicht gedacht. Seit zwei Wochen sitze ich jetzt schon zu Hause. „Amazon Prime Now“ und „Uber Eats“ sind meine meistgenutzten Apps … Jack Bauer und ich sind mittlerweile beste Freunde. Wer Jack Bauer nicht kennt, MUSS sich unbedingt „24“ anschauen … wenn nicht jetzt, wann dann? Wenn ich auf den Anfang dieser ganzen Sache zurückblicke, dann fühlt sich das schon jetzt ziemlich lange her an. Mittlerweile ist es schwierig für mich, den ganzen Tag zu Hause zu verbringen. Zum Glück ist meine Familie hier. Das macht die ganze Geschichte ein wenig einfacher. Ich verbringe viel Zeit mit meinem Bruder. Wir zocken Videospiele (in denen ich unglaublich schlecht bin), essen und quatschen. Sport kann man ja leider nicht gucken. Die Wizards haben mich mit ein bisschen Equipment aus dem Trainingszentrum ausgestattet, sodass wir ordentlich Krafttraining machen können. Das machen wir auch fast jeden Tag, denn so richtig was anderes gibt es halt nicht, um sich auszupowern. Meine Eltern genießen es sehr, dass die Familie so zusammen sein kann. Meine Mutter meinte letztens, dass es sich fast so anfühle wie an Weihnachten, und wenn ich darüber nachdenke, hat sie völlig recht. In den vergangenen fünf Jahren gab es wenige Möglichkeiten

für uns als Familie, so eng zusammen zu sein wie früher. Außer halt an Weihnachten. Selbst im Sommer war es immer schwierig, alle unter einen Hut zu bekommen. Dementsprechend genießen wir den Nebeneffekt dieser doch schon ziemlich komischen Situation sehr. Was mir allerdings jetzt immer mehr fehlt, ist der Basketball. Die erste Woche war noch okay, da habe ich einfach so getan, als wäre Offseason. Aber dann irgendwann wurde ich ungeduldig. Ich hab irgendwie das Gefühl, als ob die Zeit stehen geblieben ist. Also überall in der Welt. Mit dem Basketball ist das auch mental so eine Sache, denn so richtig abschließen mit der Saison konnte ich bis jetzt noch nicht. So wie es aussieht, wird ja versucht, die Saison 2019/20 zu retten, was heißen würde, dass die Spiele bis in den August gehen würden. Damit habe ich jetzt erst einmal grundsätzlich kein Problem, solange der Beginn der nächsten Saison nach hinten verschoben wird. Es ist nur schwierig, sich auf etwas einzustellen, weil halt so viele Fragen offen sind. Wird der Rest der regulären Saison nachgeholt, oder fangen wir direkt bei den Playoffs an? Diese Unsicherheit erlaubt es mir halt gar nicht, mental zu relaxen. Die ganze Situation ist ziemlich komisch. Übrigens glaube ich persönlich nicht, dass es eine optimale Situation für

die Spieler ist, direkt in die Playoffs einzusteigen. Es gibt ja einen gewissen Performance-Zyklus, auf den sich jeder Spieler einstellt, und der ist normalerweise genau dann am Höhepunkt, wenn die Playoffs beginnen. Wenn wir jetzt direkt in die Playoffs einsteigen und nach einer drei Monate langen „Pause“ nur ein kleines Trainingscamp vorgeschoben wird, dann entspricht das dem Fitnesszustand der Preseason. Ich bin kein Arzt, aber da scheint mir das Verletzungsrisiko doch schon deutlich höher, wenn man jetzt sofort in den Playoffs ums Do-or-Die spielen muss. Ich bin mir allerdings auch bewusst, dass ohne Spiele die Geldeinnahmemöglichkeiten der NBA so dermaßen limitiert sind, dass sich das auf unser Gehalt auswirken kann. Wie gesagt, das ist alles nicht optimal. Bis dahin dauert es aber wahrscheinlich noch ein bisschen. Geduld ist eine Tugend, wie mein Vater sagen würde. Und jeder, der mich kennt, weiß, dass das nicht meine große Stärke ist … Ich hoffe sehr, dass ich, wenn ich euch das nächste Mal schreibe, in einem sonnigen Café in Prenzlauer Berg sitze und alle wieder gesund sind. Bis dahin … M #stayhome

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Bei der geburt getrennt

twenty four seconds

Bei der geburt getrennt ned flanders

kurt rambis 14

kollisionskurs

- kollisionskurs Held wider Willen

R

udy Gobert war der erste NBASpieler, der positiv auf das CoronaVirus getestet wurde. Und obwohl der 27-jährige Franzose nicht zu den allergrößten Basketballstars auf der Welt gehört, hätte seine Infektion allein vielleicht schon gereicht, um den Spielbetrieb in der NBA stillzulegen. Aber die Beachtung, die Empörung und die daraus resultierende Lawine an Medienberichten kamen nicht wegen der Infektion selbst, sondern weil Gobert – wie Millionen andere Menschen auch – sich noch Stunden vor seinem Test über das Virus lustig gemacht hatte. Das Video kennt ihr alle, und Gobert wurde innerhalb von wenigen Minuten zur globalen Lachnummer. Aber wisst ihr, was das Video noch bewirkt hat? Die Pandemie wurde auf einmal ernst genommen und setzte eine Kettenreaktion in Gang, wie es sie in den USA noch nie gab. Binnen weniger Tage stellten die NBA, NHL, MLB und NCAA sämtliche Spielbetriebe bis auf Weiteres ein. Wer die Amerikaner kennt, weiß, dass das einer Nuklearexplosion gleicht. In kaum einem Land ist Sport kulturell so tief verwurzelt wie in den Vereinigten Staaten. Selbst in Kriegszeiten gehen hier die großen Sportereignisse weiter. Beispiel Pearl Harbor. Ein einschneidender Moment in der amerikanischen Geschichte, möchte man meinen. Hat aber den Sport in den USA nicht zum Stillstand gebracht. Nach dem Angriff der Japaner spielten die Amerikaner weiter Baseball. Und das, obwohl knapp 500 MLB-Spieler zum Kriegsdienst eingezogen wurden. Eine Frauenliga („A League of their Own“) wurde gegründet, Spieler aus dem Ruhestand reaktiviert, mindertalentierte Akteure rekrutiert, aber Baseball ging weiter. Auch die laufende Saison im College-Football wurde nach Pearl Harbor nicht unterbrochen und zu Ende gespielt. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass der Rose Bowl von Pasadena nach North Carolina verlegt wurde. Für den Fall, dass Japan in Kalifornien einmarschiert wäre, hätte man dann wenigstens einen College-Champion gehabt.

In der NFL wurden aufgrund mangelnder Spieler – über 900 zogen in den Krieg – einfach Teams zusammengelegt. Die Steelers und die Eagles zum Beispiel traten als Steagles an. No kidding! Es musste halt weitergehen. Krieg hin oder her. Was am 07. Dezember 1941 sechs japanische Flugzeugträger, zwei Schlachtschiffe, neun Zerstörer, sechs U-Boote und 448 Kampfflugzeuge nicht schafften, ist Rudy Gobert gelungen. Ein Mann legte auf einen Schlag die gesamte amerikanische Sportlandschaft lahm. Bewaffnet nur mit Ignoranz und Naivität, die zu dem Zeitpunkt aber noch Millionen andere Menschen besaßen, die nicht im Rampenlicht standen. All diesen Leuten hielt Gobert an diesem Tag völlig unfreiwillig den Spiegel vor. All Star oder nicht, „Defensive Player of the Year“ hin oder her, als NBAProfi ist man unweigerlich einer der fittesten Menschen auf dem Planeten (Ausnahmen: siehe Barkley, Charles). Wenn so jemand von der einen auf die andere Sekunde vor laufenden Kameras vom Zweifler zu einem Infizierten wird, dann horchen die Menschen auf. Dann reagieren auf einmal auch die Leute, die das Virus wochenlang als „Hoax“ abgetan haben. Die Beratungsresistenten stellen auf einmal besorgte Fragen. Das rettet Leben. Ich gehe stark davon aus, dass die NBA immer noch im Shutdown ist, wenn ihr das hier lest. Wer weiß, wie lange noch. Wahrscheinlich noch Wochen. Wer weiß, wie viele Infizierte es mittlerweile gibt. Wie viele Tote. Ich weiß nur, dass es ohne Rudy Gobert wahrscheinlich um einiges mehr wären. Auch in Deutschland kenne ich ein paar Leute, die durch den Gobert-Vorfall erst realisierten, wie ernst die Lage ist. Basketball muss erst mal ruhen. Aber für die Zukunft will ich folgenden Vorschlag machen. So wie ihr bei einem Jumpshot „Kobe“ ruft, ruft bei einem Block „Rudy“. Der Mann hat es verdient. Irgendwie. Ein bisschen. Robbin Barberan (Editor-in-Chief, KICKZ.com)


sneakers

SNEAKER HALL OF FAME:

REEBOK QUESTION

FIVE hat eine eigene Hall of Fame eröffnet! Ab sofort nehmen wir jeden Monat einen herausragenden Sneaker der Basketballschuhgeschichte in unsere Ruhmeshalle auf. Der „Inductee“ in diesem Monat? Der „Reebok Question“.

Fotos: Nathaniel S. Butler/Lou Capozzola/Alex Goodlett/Getty Images

Q

ue Gaskins und Todd Krinsky hatten eine Menge zu verlieren. Ersterer war im Jahr 1996 Vice President of Marketing bei Reebok, der andere Global Head of Product. Gaskins war berufsbedingt auf der Suche nach neuen Wegen, Reebok marketingtechnisch voranzubringen. Und privat war er sehr gut befreundet mit den Söhnen des legendären CollegeCoaches John Thompson. Thompson coachte Mitte der 90er Jahre an der legendären Georgetown University, und so wurde Que Gaskins auf Allen Iverson aufmerksam. „Er hatte diesen Swagger. Sein Spiel, sein Style … all das passte perfekt zu unserer Marke“, erklärt der Manager. Als „A.I.“ als Sophomore die Big East mit 25,0 Punkten pro Partie dominiert und klar wird, dass er in die NBA gehen wird, ist Gaskins klar: Reebok will Allen Iverson. Auch Krinsky sieht das so, und die beiden beginnen das Werben um „The Answer“. Natürlich geht es um Geld. Viel Geld und all die anderen Dinge, die in lukrativen Schuhdeals zwischen Athlet und Ausrüster festgelegt werden. Doch das Manager-Duo weiß auch, dass bei der zu erwartenden starken Konkurrenz um Iversons Dienste vor allem eines geliefert werden muss: ein geiler Schuh. „Wir wussten, dass diesem Jungen am Ende nur eine Sache wichtig sein würde: ‚Wie sieht mein Schuh aus?‘“, erinnert sich Krinsky. Und damit lag er goldrichtig … „Ich wollte einfach gut aussehen für die Mädels und cool für die Typen. So wie Michael Jordan. So cool, wie er aussah. Wie ein Superheld“, erinnert sich „A.I.“ in einer Kurzdoku des US-Sneaker-Stores Champs. „So wollte ich aussehen. Ich wollte so cool aussehen wie möglich und der böseste Mutterf****r auf dem Parkett sein!“

DID YOU KNOW?

Name: Question Hersteller: Reebok Designer: Scott Hewett Jahr: 1996 Preis: 100 Dollar OG-Farben: weiß/rot/blau

Als Inspiration für den „Question“ fungierte der „Jordan 11“, den Iverson am College in Georgetown getragen hatte. Deshalb hat er die markante Zehenkappe.

Das Design des „Question“ haute Iverson regelrecht um. Dabei hatte der Designer Scott Hewett, der den Schuh vom ersten Prototypen bis zur Serie entwarf, zunächst gar keine Ahnung, wer Iverson war. Hewett wusste nur, dass er einen Basketballschuh für einen College-Spieler entwerfen sollte, der den „Jordan 11“ extrem geil fand, dass dieser Spieler sehr schnell war und dass die neueste Technik von Reebok wie die Hexalite-Sohle verarbeitet werden sollte. Input von Iverson gab es nicht, zumal es damals unüblich war, Rookies einen Signature Sneaker zu geben. Fragt sich aber: Warum hieß der Schuh von „The Answer“ am Ende „The Question“? „,Er ist zu klein. Er ist ein Ostküsten-Guard. Sein Stil wird in der NBA nicht funktionieren.‘ Es gab Kritik an zwei Fronten. Die Leute glaubten nicht an den Typen, den wir unter Vertrag genommen hatten, und waren deshalb auch nicht an dem Produkt interessiert. Es gab halt viele Fragen“, erklärt Krinsky. „Deshalb der Name.“

Zusammen mit dem US-Versandhändler Eastbay brachte Reebok eine „Bling Bling“-Version des „Question“ heraus. Allerdings gab es nur ein einziges Paar zu kaufen. Mit 246 Diamanten besetzt, kostete das Teil 65.000 Dollar. Ob jemand die 65 Riesen investierte, ist bis heute nicht klar.

Für das All-Star-Game 2000 designte Reebok den „Question“ in den Farben des Heimteams, der Golden State War­riors. Weil Iverson jedoch beim Training am Vortag von seinen Mit-All-Stars ob der gelb-blauen Schuhe massig Trashtalk bekam und die Farben ihm sowieso nicht zusagten, trug er sie kurzerhand nicht. Dabei waren 75.000 Paar dieses Colorways produziert worden, die dann wie Blei in den Regalen liegen blieben.

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Devonte’

Graham

Devonte’ Graham

Devonte’ Graham ist die Überraschung dieser NBA-Saison und spielt erfrischenden Basketball mit Oldschool-Wurftechnik. Coach Jens erklärt euch verschiedene Wurfkonzepte und warum Graham möglicherweise so spät gedraftet wurde. Text: Jens Leutenecker Position: Point Guard Geburtstag: 22. Februar 1995 Größe: 1,85 Meter Gewicht: 83 Kilo Verein: Charlotte Hornets Erfahrung: 1 Saison

Stats 2019/20:

M

it 17,5 Punkten und 7,5 Assists im Schnitt gilt Devonte’ Graham als heißer Kandidat für den „Most Improved Player“-Award 2019/20. Wie konnte es zu dieser Leistungsexplosion kommen, nachdem der 25-Jährige in der Vorsaison auf lediglich fünf Punkte in 15 Minuten kam? Und wieso haben sich so viele NBA-Teams bei der Draft 2018 gegen den ehemaligen Kansas Jayhawk entschieden? Genau drei NBA-Spieler dürfen in dieser Saison mehr Pick-and-Rolls als Graham laufen: Trae Young, Luka Doncic und Damian Lillard. Bei vergleichbarer Effizienz gehört der 1,85 Meter große Aufbauspieler zu den absoluten Playmakern in der NBA, und das liegt an seiner klaren Spezialisierung: Graham spielt das Pick-and-Roll, trifft seine Würfe aus der Distanz und erledigt seinen Job in der Defensive. Aber vor allem macht er eine Sache richtig, und dies ist das Pick-and-Roll-Spiel. Oder um noch präziser zu sein: Graham trifft vor allem seine Sprungwürfe aus dem Dribbling nach dem Pick-and-Roll! Ganze 42 Prozent seiner Jumper verwandelt er nach einem direkten Block und befindet sich damit in einer Liga mit Lillard, Young und Kemba Walker. Diese Trefferquote hängt auch mit der „traditionellen“ Sprungwurftechnik von Graham zusammen. Viele NBA-Guards haben sich in den vergangenen Jahren von den Wurfkonzepten à la Stephen Curry, James Harden und Damian Lillard inspirieren lassen. Das Grundprinzip ist, mit einer möglichst schnellen Wurfbewegung den Verteidiger immer zu verunsichern und durch verschiedene Handwechsel- bzw. Schrittkombinationen Raum zu gewinnen. Bei Graham gestaltet sich das anders. Der Verteidiger des Blockstellers

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kann die Wurfentscheidung bei ihm deutlich früher als beispielsweise bei Curry erkennen. Das liegt daran, dass Graham sich aus einem starken Stemmschritt nach oben drückt, die Wurfbewegung kurzzeitig „einfriert“ und dann am höchsten Punkt abdrückt. Das dürfte Teambesitzer Michael Jordan sehr gut gefallen, da er einst diese Wurftechnik („Jump – Hang – Shoot“) wie kein anderer perfektioniert hat! Die gegnerische Verteidigung bringt dies in ein klassisches Dilemma, da Center- und Guardverteidiger den Wurf zwar beeinflussen, aber kaum blocken können. Tatsächlich wirft Graham gegen den Mann fast zehn Prozent besser, als wenn er komplett ungedeckt ist. Wenn Graham also möchte, bekommt er seinen Wurf jederzeit gegen den Mann los, und genau das macht ihn so gefährlich – sein Spielstil ist „old, but gold“! Etwas mehr als die Hälfte seiner Pick-and-Roll-Angriffe enden in einem präzisen Pass zu den Mitspielern, die mit einer Trefferquote von 48 Prozent ordentliche Zahlen abliefern. Dabei rangieren die Hornets bei den direkten Würfen im unteren Drittel, und keine Centerriege schließt schlechter ab als Cody Zeller, P.J. Washington und Bismack Biyombo. Mit stärkeren Werfern und hochprozentigeren Centerabschlüssen könnte Grahams Pick-and-Roll-Offensive noch um einiges besser sein. Die Frage nach der Leistungssteigerung sollte mit Grahams außerordentlichen Wurffähigkeiten und den daraus resultierenden taktischen Vorteilen beantwortet worden sein. Vorteilhaft für den 25-jährigen Aufbauspieler ist ebenfalls die Tatsache, dass mit Terry Rozier der nominelle Hauptakteur deutlich unter seinen Möglichkeiten bleibt.

Für knapp 20 Millionen Dollar Grundgehalt wird vom Ex-Celtic mehr als eine unterdurchschnittliche Pick-and-RollOffensive und eine grundlegend schwache Verteidigung erwartet. Mit Graham (und ohne Rozier) als primäre Angriffsoption auf dem Feld ist das Team von Coach James Borrego deutlich effizienter, und dies wirft erneut die Frage auf: Wieso wurde Graham 2018 erst an 34. Stelle gezogen? Devonte’ Graham schließt in Korbnähe unterirdisch ab: Lediglich zwei von fünf Korblegerversuchen finden ihr Ziel – damit gehört er zu den schlechtesten zehn Prozent der NBA. In Isolationen überspielen die Verteidiger seinen Wurf und zwingen ihn zum Drive oder einem sehr schwierigen Abschluss. Im Fastbreak, nach Handoffs oder aus indirekten Blöcken trifft er ebenfalls nur unterdurchschnittlich. Vergleichbare Zahlen legte er am College bei den Kansas Jayhawks unter Coach Bill Self auf: Auch da zeigte sich Graham als Pick-and-Roll-Spezialist mit guter Defense, aber limitierten weiteren Fähigkeiten. Im Gegensatz zum Großteil der NBA-Jungstars absolvierte Graham zudem die vollen vier Universitätsjahre. Bedeutet: Sein Potenzial wurde als überschaubar angesehen. Devonte’ Graham ist trotzdem in der NBA angekommen, hat sich einiges von Kemba Walker und Tony Parker abgeschaut und sein Spiel auf drei taktische Grundpfeiler (Pick-and-Roll, Dreier, Defense) spezialisiert. Wenn er jetzt noch seine Schwachstellen Schritt für Schritt zu passablen Offensivoptionen verbessert, kann er definitiv behaupten, dass er es allen, die ihn unterschätzt haben, gezeigt hat. redaktion@fivemag.de

Fotos: Michael J. LeBrecht II/NBAE via Getty Images

18,2 PPG || 3,7 RPG 7,9 APG || 3,0 TO 0,9 SPG || 37,6 3P% (PER 36 MIN.)


social media

FOLGT UNS AUF SOCIAL MEDIA Ihr folgt nur Accounts mit lahmen Memes? Eure Timeline ist voller selbstverliebter Hot-Take-Artists? Kommentarspalten sind für euch der Vorhof zur Hölle? Das muss doch nicht sein … denn die FIVE ist auch im Internet. Kommt vorbei, wir warten auf euch!

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BASKET BALL FOR LIFE


one-on-one

Devin

Devin Booker

Geburtstag: 30. Oktober 1996 Größe: 1,96 Meter Gewicht: 95 Kilo Erfahrung: 4 Saisons

Stats 2019/20*: 26,4 PPG || 4,2 RPG 6,4 APG || 0,7 SPG 3,8 TPG || 49,5 FG% 35,5 3P% || 92,1 FT%

Advanced Stats: 20,7 PER (4.) || 29,8 USG (8.) || 62,4 TS% (4.) || 6,5 RBR (56.) 20,3 AST (22.)**

Booker

vs.

Buddy

Hield

D

er Basketball ist in den Händen von Devin Booker sehr gut aufgehoben – dass mehr als 30 Suns-Angriffe mit ihm als Playmaker oder abschließendem Spieler gelaufen werden, ist ein hoher Wert in der heutigen NBA. Sein absolutes Steckenpferd ist dabei die Pick-and-Roll-Offense: Knapp 13 Angriffe spielt Phoenix mit ihm pro Spiel und punktet dabei in fast jedem zweiten Angriff! Damit steht die Bookersche Offensive auf dem 17. Platz von 46 Spielern, die mehr als zehn dieser Aktionen vorzuweisen haben. Oder anders ausgedrückt: Kawhi Leonard, Jamal Murray und Fred VanVleet sind in dieser Saison weniger effiziente Pick-and-Roll-Spieler als der 23-jährige Booker. „Book“ hat trotz junger Jahre eine ausgereifte Balance zwischen Wurf, Zug zum Korb und Pass zum Mitspieler gefunden. Knapp 60 Prozent seiner Aktionen sind Sprungwürfe, tendenziell aus dem Dribbling, die restlichen 40 Prozent verteilen sich auf Floater, Abschlüsse am Brett oder Postups. Mit 1,96 Meter und 95 Kilogramm gehört Booker zu den robusteren Guards und weiß seine körperlichen Vorteile im „Oldschool-Stil“ per Postup umzusetzen: Einzig Russell Westbrook agiert unter den Guards häufiger (aber deutlich ineffizienter) mit dem Rücken zum Korb. Wenn die Gegner größere Centerspieler per Switch auf ihn ansetzen, kann Booker das inzwischen regelmäßig per Drive oder Wurf bestrafen. Bookers Spiel abseits des Balles, meistens mit Ricky Rubio als nominellem Aufbauspieler, ist für die Mannschaft von Coach Monty Williams ein exzellentes Rezept: Auf 100 Rubio-Booker-Angriffe erzielen die Suns starke 115 Punkte bei lediglich 109 gegnerischen Zählern – für eine Startkombination in der Western Conference ist das durchaus beachtlich!

one-on-one

In diesem One-on-One vergleicht Coach Jens mit Devin Booker und Buddy Hield zwei ausgezeichnete Shooting Guards. Welcher der beiden Jungstars kann sich im Leistungsvergleich durchsetzen? Text: Jens Leutenecker 20


Buddy hield

Fotos: Michael J. LeBrecht II/NBAE via Getty Images

B

uddy Hield ist ein Shooting Guard im klassischen Sinne: Genau vier von fünf Korbabschlüssen sind Wurfversuche aus dem Dreier- oder Mitteldistanzbereich. Dabei ist es dem 27-Jährigen relativ egal, ob die Sprungwürfe aus dem Dribbling oder direkt genommen werden – nur fünf NBA-Spieler erzielen mehr Jumpshot-Punkte als er. Einen großen Schritt hat er bei der Entwicklung seines Wurfs aus dem Dribbling gemacht: Bei konstant starker Trefferquote von 39,0 Prozent nimmt er in dieser Saison 6,5 Würfe pro Spiel, das sind fast zwei mehr als in der Vorsaison. Coach Luke Walton setzt im Warriors-Style auf viele Aktionen aus indirekten Blöcken und HandoffVarianten, Hield ist für diese Spielanlage der perfekte Akteur und kann jederzeit heiß laufen. Gegen die Boston Celtics netzte er elf Dreier ein, und wenn seine Teamkameraden ordentliche Blöcke mit perfektem Timing stellen, sind diese Wurfversuche von der Defensive kaum zu verhindern. Zudem ist sein „Release“, also die Geschwindigkeit von Anfang bis Ende der Wurfbewegung, einfach zu schnell. Dennoch hat „Buddy Love“ in einer Kategorie noch Platz für Verbesserung, nämlich bei den sogenannten „Screen-Assists“. Stephen Curry und J.J. Redick stellen ihren Mitspielern häufig gute indirekte Blöcke, damit diese zu einfachen Cut-Punkten gelangen und sie selbst einen Screen-Assist zugeschrieben bekommen. Dadurch bringen sie den eigenen Verteidiger in ein klassisches Dilemma: Eigentlich müsste der beim Mann des Geblockten kurz helfen, aber dann ist der Shooter für eine halbe Sekunde offen. Genau das nutzen Top-Werfer gnadenlos aus, und das sieht man bei Buddy Hield nicht häufig genug!

fazit *Auf 36 Minuten Spielzeit hochgerechnet **In Klammern steht der Rang unter allen Shooting Guards der Saison 2019/20. PER – Player Efficiency Rating, USG – Usage Rate, TS% – True Shooting Percentage, AST – Assistrate, RBR – Reboundrate

Geburtstag: 17. Dezember 1992 Größe: 1,93 Meter Gewicht: 99 Kilo Erfahrung: 3 Saisons

Stats 2019/20*: 22,1 PPG || 5,4 RPG 3,5 APG || 1,0 SPG 2,6 TPG || 43,1 FG% 38,5 3P% || 84,2 FT%

Advanced Stats: 16,3 PER (15.) || 26,5 USG (10.) || 56,4 TS% (28,4.) || 8,4 RBR (28.) 13,7 AST (70.)**

„Locate him early, no transition

mittelmäßig sind, muss die

Lage, als alleiniger Spielmacher

threes“ – das steht in den

Entscheidung in der Offensive fallen:

eine Offensive zu entwickeln, ob

gegnerischen NBA-Scouting-

Buddy Hield ist ein klassischer

in Transition, im Pick-and-Roll,

Reports hinter den Namen von

Distanzschütze, der viel abseits

in der Isolation oder im Postup.

Devin Booker und Buddy Hield.

des Balles agiert.

Die Sacramento Kings hingegen

Beide Spieler sind im Umschaltspiel

verfügen über keine Aufstellung, die

extrem gefährlich und müssen

ein Werfer, der jedoch häufig als

Buddy Hield als Hauptkreativspieler

sofort vom Gegner aufgenommen

Playmaker eingesetzt wird. Während

verwendet. Und zweitens ist das

werden, um ihr Heißlaufen zu

Booker mit seinem breiten Mix

Scoring-Arsenal des vier Jahre

verhindern. Hield erzielt vier, Booker

regelmäßig auch die Mitspieler

jüngeren Booker breiter aufgestellt:

fünfeinhalb Punkte pro Spiel im

in Szene setzt, ist von Hield ein

Fastbreak, damit gehören sie zu den

konstantes Scoring zu erwarten.

findet aber immer wieder auch den

oberen zehn Prozent der NBA!

Weg zum Korb oder zur Freiwurflinie

Devin Booker aufgrund von zwei

(fünf Freiwurfversuche mehr) und

Aspekten: Erstens ist er in der

hat deshalb mehr Asse im Ärmel!

Während beide Spieler

in der Verteidigung vergleichbar

Booker ist ebenfalls

Dieses Duell gewinnt

Er kann exzellent werfen,

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5

retro-five

Vince

Carter

Vince Carter ABSCHIED VON EINEM UNVOLLENDETEN

Corona hat uns wohl Vince Carters letzte Spiele gekostet. Die Chance, gebührend Abschied zu nehmen. Abschied von einem Unvollendeten, der sich als Spieler neu erfand. Text: Jan Hieronimi

E

s war März, und das Ausmaß der Corona-Krise sickerte nur gemächlich in das kollektive Bewusstsein. In jenen Ländern, deren Fallzahlen ein- oder zweistellig waren, konnte man sich noch einbilden, nichts zu tun zu haben mit dem Chaos aus Italien oder China. Es war eine Illusion, die nur langsam verschwand – Schlagzeile um Schlagzeile, Pressemitteilung um Pressemitteilung. Am 12. März erreichte Covid-19 die NBA: mit Rudy Gobert als Patient Zero und der bald folgenden Ankündigung, die Saison 2019/20 auszusetzen. In manchen Hallen wurde noch gespielt, während die Entscheidungsträger Chancen und Risiken abwägten und recht bald die traurige Botschaft vom vorzeitigen Ende der Spielzeit verkündeten. Dass diese Saison vielleicht niemals zu Ende gespielt werden würde, schwang schon damals mit. Das Virus saß nun ein wenig tiefer im

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kollektiven Bewusstsein der USA. Wer die Liebe der NBA zu Eintrittsgeldern, TVDollars und Merchandising-Einnahmen kennt, der musste erkennen: Es ist ernst. In der State Farm Arena zu Atlanta schritt an diesem sonderbaren Abend Vince Carter kurz vor dem Ende der Partie ein letztes Mal an den Anschreibetisch. 19,5 Sekunden blieben noch in einer maximal belanglosen Partie gegen die New York Knicks, die bereits faktisch uneinholbar mit 135:128 führten. Der Swingman der Hawks betrat lächelnd unter lautem Applaus der heimischen Fans den Court, die Mitspieler an der Seitenlinie feuerten ihn an wie einen Läufer auf den letzten Metern eines Marathons. Was ja irgendwie passend klingt. „We want Vince! We want Vince!“, hatten die Fans gefordert, und nicht nur deshalb war unverkennbar, dass diese Einwechslung ein Abschied sein sollte. Weil die Einsicht gedämmert war, dass die

vorzeitige Absage der Restsaison auch die Karriere eines Großen unverhofft auf die Schlussgerade geführt hatte. Julius Randle traf seinen Freiwurf, niemand verteidigte mehr, Vince Carter nahm einen allerletzten Wurf von knapp hinter der Dreierlinie, ein filmreifes Swish, Publikum und Spieler feierten, und während die Sekunden von der Uhr tickten, herzte Vince Carter Gegen- und Mitspieler, lächelnd – auch wenn er es sich vollkommen anders ausgemalt haben dürfte, das Ende seiner Karriere. 15 Spiele wären verblieben. Carters letzte Saison war bisher keine Abschiedstournee gewesen, wie sie Dwyane Wade oder Kobe Bryant inszeniert hatten, und doch hätten die letzten Begegnungen Anlass geboten, sich noch einmal zu besinnen, was hier bald zu Ende gehen würde: die längste NBA-Karriere aller Zeiten mit 22 Spielzeiten. Und eine ungewöhnliche in jedem Fall.


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Fotos: George Gojkovich/Getty Images


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retro-Five

Vince

Stattdessen kam das Ende im Zeitraffer. „Seltsam“ sei das, sagte Carter. „Immerhin habe ich meinen letzten Wurf versenkt. Wenn es das gewesen sein sollte, passt das für mich.“ Und so ging er: 43 Jahre alt, als viertältester aktiver NBA-Profi aller Zeiten, ein Bankdrücker bei einem Lottery-Team. Ein Liebling von Fans und Mitspielern, ein Profi, ein echter Baller noch auf die alten Tage. Aber er ging als ein anderer Spieler als der, der er einst hatte werden sollen. Lange Jahre schien Vince Carter Richtung Basketball-Olymp einzufliegen und der Hype beinahe grenzenlos. Damals hätte man sich Carters Abschied vom Profi-Basketball als monatelange Abschiedstournee vorgestellt, mit tränenrührigen Highlight-Videos überall und salbungsvollen Ansprachen vor jedem Spiel. Dass es anders kommen würde – diese Erkenntnis dauerte eine Weile. Bis die Entzauberung eingesetzt hatte und FIVE sich mit dieser Einsicht auseinandersetzte, dass „Air Canada“ eben nicht als Wiedergänger von „Air Jordan“ unterwegs war ...

DESTINATION UNKNOWN

„Be like Mike.” Wir alle wünschen uns, dass Vince Carter es irgendwann sein wird. So wie Mike. Seit Langem lebt dieser Wunsch in uns. Doch langsam müssen wir der Realität ins Auge sehen: Er wird es nie sein. Nein, wir haben nicht zu viel Hatorade getrunken. Wir meinen es nicht böse. Doch es ist einfach Zeit, die Illusionen zu zerstören. Der Wunsch existiert in jedem von uns, der einmal erlebt hat, wie es ist, einem der ganz Großen bei dem zuzusehen, was er am besten kann. Die Erfahrung ist eine seltene. Wir haben Picasso nicht malen, Mozart nicht komponieren und Shakespeare nicht schreiben sehen. Michael Jordan dagegen konnten wir beobachten, wenn er aus einem Ball, einem Korb, vier Mit- und fünf Gegenspielern vor unseren Augen Kunstwerke kreierte. Als MJ sich verabschiedete, hinterließ er eine Lücke im Leben von uns, die wir Basketball leben und atmen. Eine Lücke, die Vince Carter füllen sollte. Seit Vince Carter 1998 in die Liga kam, wünschen wir uns, dass er irgendwann Mike sein würde. Wünschen ihm, dass er schafft, was andere, denen die PR-Abteilung der NBA den Stempel „Next Jordan“ auf die Stirn gedrückt hat, nicht schaffen konnten: die Erwartungen erfüllen, die Liga dominieren, Basketball ins nächste Jahrtausend führen. Harold Miner, Grant Hill, Penny Hardaway, Jerry Stackhouse – alle Pseudo-Next-Jordans vor ihm waren gescheitert, doch sie waren nicht so sehr MJ wie Vince, waren Mike nicht so ähnlich wie er: dasselbe College, dieselbe Position, dieselbe Größe, ähnliche Spielanlage. Wie seine Vorgänger verfügte Vince über athletische Fähigkeiten, die

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Carter

ihn vom Rest der Liga absetzten, die ihm Waffen gaben, die andere Spieler nicht haben. Doch „Air Canada“ schaffte alleine, was alle anderen gerade mal zusammen erreicht hatten: Er flog im Überschalltempo durch die Liga, wurde „Rookie of the Year“ (wie Grant Hill), gewann den Slam-DunkContest (wie Harold Miner), führte seine Raptors in die Playoffs (wie Penny seine Magic). Der Traum schien so greifbar. Vince Carter als Next MJ. Wir hätten es so gerne wahr werden sehen.

Like Mike?

Dieser Wunsch beseelt uns alle, Fans und Journalisten – uns alle, die Vince über die Jahre gesehen haben. Bei

„Immerhin habe ich meinen letzten Wurf versenkt. Wenn es das gewesen sein sollte, passt das für mich.“ -----------

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jedem Buzzerbeater, den Nummer 15 trifft, jedem defensiven Play, das Vince zwischen den 30-Punkte-Spielen und Highlights einstreut, jedem Dunk, der die Zeit stillstehen und die Dinge in SlowMo ablaufen lässt, hoffen wir, dass die Transformation zu Mike begonnen hat. Doch genauso ist jedes Spiel, in dem er die unsäglich hohen Erwartungen verfehlt, so ganz und gar nicht „like Mike“ spielt, Hochverrat an uns. Dementsprechend hart wurde er kritisiert. Zwei Jahre lang kämpfte er mit Knie- und Knöchelverletzungen (2001 bis 2003) – eine Zeit, in der seine Raptors zum zweitschlechtesten Team im Osten wurden und zwei Spielzeiten in Folge die Playoffs verpassten. In der Vince nacheinander in Sachen Feldwurfquote (42,8) den schlechtesten Wert überhaupt und in Sachen Punkteschnitt (20,6) die mieseste Marke seit seinem Rookiejahr einfuhr. Mikes Erbe mutierte zur MillenniumVersion von Dominique Wilkins: nicht mehr als ein Dunker, nicht mehr als eine HypeBlase, die zerplatzt war. „Die vergangenen beiden Jahre waren Rückschläge, aber ich habe aus ihnen gelernt“, sagt Carter. Doch trotz Zweckoptimismus: Seinen Platz im Olymp der NBA-Superstars hat er verloren.

Doch der Traum war damit nicht vergessen. Als Carter in diesem Sommer im Trikot des Team USA dunkte und punktete wie in den Zeiten vor der Vertreibung aus dem Hype-Paradies, wie damals in Sydney, als er über Frederic Weis dunkte und den Franzosen weltberühmt machte – da war er wieder da, der Traum. Der Wunsch. „Vinsanity is back“, schreiben seitdem die Zeitungen in Toronto und in den USA. Vinsanity heißt auch: der Traum vom Next MJ. Vergesst es. Auch wenn es hart ist. Vince Carter wird nie so werden wie Mike. Andere haben es schon geschrieben, er selbst sagt es im Interview bereitwillig: „Jeder erfolgreiche Spieler ist diesen Vergleichen ausgesetzt. LeBron James passiert gerade dasselbe. Doch es ist wichtig, dass du dir selbst als Spieler treu bleibst. Es ist eine Ehre, mit Spielern wie MJ oder Dominique verglichen zu werden, aber ich werde immer Vince Carter bleiben.“ Diese Botschaft ist schon in die Köpfe vieler vorgedrungen, aber noch nicht in ihre Herzen. Die harte Wahrheit bleibt aber dieselbe. Denn Jordan ist mehr als die Summe seiner athletischen Fähigkeiten und seines unglaublichen Talents. Mehr als Punkterekorde und Statistiken. Was Jordan – und jeden anderen großen Spieler von Magic bis Bird – groß machte, waren Skills, die mit der Fähigkeit, einen Ball verdammt oft in einen kleinen Korb zu werfen, nicht viel zu tun hatten. Und dieses komplette SkillPaket geht Vince Carter ab. Schon immer. Was Jordan auszeichnete, war seine Entschlossenheit zu gewinnen, um jeden Preis. Seine unnachgiebige Härte gegenüber sich selbst und seinen Teamkollegen, sein Killerinstinkt in Bezug auf seine Gegenspieler, der Wille, sich auf ewig in die Geschichtsbücher einzubrennen – als der Beste, den es je gab. All das fehlt Vince Carter. Ron de Angelo weiß das. Er war von 1997 bis 2003 der Strength and Conditioning Coach der Raptors, verantwortlich für die Fitness von Carter und Co. – und erlebte zumindest zu Beginn von dessen NBA-Karriere einen arbeitswilligen Rookie. „Er hat alles getan, was von ihm verlangt wurde“, erinnert er sich. „Vielleicht hat es ihm nicht gefallen, aber er war nicht in der Position, zwischen Ja und Nein entscheiden zu können.“

Wohlbehütet

Doch das sollte sich ändern. Aus dem ambitionierten Rookie wurde ein Star mit eigenem Schuhmodell, jeder Menge Kohle, Werbespots. Im gleichen Maße, wie sein Stern stieg, sank seine Arbeitsmoral. Weniger Einheiten im Kraftraum, weniger Schweiß, weniger Schufterei. Doch wenn er im Kraftraum vorbeischaute, drückte er trotzdem drei- oder viermal mit Leichtigkeit Gewichte, an denen andere, schwerere Spieler wochenlang verzweifelt waren. „Er musste dafür nur halb so hart arbeiten wie andere“, erinnert sich


Fotos: Nathaniel S. Butler/NBAE via Getty Images

de Angelo. „Jeder schüttelte früher darüber den Kopf. ‚Wow, dieser Junge ist unglaublich. Was könnte er sonst noch anrichten?‘ Es ist dabei nicht so, als würde er nicht hart arbeiten. Sein Problem ist, dass er nie um etwas kämpfen musste. Nicht wie die Jungs, die einen ganzen Sommer lang fünf Tage die Woche arbeiten müssen, um auch nur halbwegs auf dem Level von Vince spielen zu können. Wenn er herausgefordert würde und so wie sie bis zur Erschöpfung arbeiten müsste – er wäre beängstigend gut.“ Carter ist als Kind in den Topf mit dem Gametrank gefallen. Sein Talent hat immer ausgereicht, um ihn in Höhen zu katapultieren, die andere Baller nie sehen. Das Spiel kam von ganz allein zu ihm, alles war so einfach. Erst rissen sich die Colleges um ihn, so heftig, dass sein Highschool-Coach nach Carters SeniorJahr zweimal seine Telefonnummer ändern musste. Dann rissen sich die NBA-Teams um ihn, auch wenn sein Spiel nach drei Jahren College noch immer nicht komplett war. Andere Talente müssen durch die Hölle gehen, um es irgendwann – vielleicht nur für ein paar Spiele, ein paar Spielminuten – in die Liga zu schaffen. Vince Carter wurde dagegen auf einer kuschelweichen Wolke direkt bis vor das basketballerische Himmelstor chauffiert. Die meisten NBA-Spieler blicken auf eine bewegte Vergangenheit zurück. Eine Jugend im Ghetto, aufgewachsen in kaputten Familien, aufgezogen von alleinerziehenden Müttern, die jung genug sind, um eine ältere Schwester zu sein. Das ist kein Zufall. Der Struggle macht hart –

nur die schaffen es aus der Gosse, in denen ein Feuer brennt, das ein Leben lang lodert und jeden Rückschlag übersteht. Vince Carter wuchs als behütetes Kind auf. Er lernte sieben Musikinstrumente, spielte in der Highschool-Band das Saxophon, schrieb Poesie, verdiente sich gute Schulnoten. „Er war einfach ein netter, normaler, gut angepasster junger Mann“, sagt sein alter Highschool-Coach Charles Brinkerhoff. Anpassung war sein Mittel, um mit der Scheidung seiner Eltern klarzukommen. Seine Eltern trennten sich, als Vince sieben Jahre alt war, sein neuer Dad war ein Lehrerkollege seiner Mutter Michelle namens Harry Robinson. Wo viele Kids auf Konfrontation schalten, versuchte Carter, sich mit der Situation zu arrangieren, den Schmerz zu vergessen und die Harmonie zu bewahren. „Vince tut alles, um Konfrontationen zu vermeiden“, sagt Robinson heute über seinen Stiefsohn. „Wir haben ihm oft gesagt: ‚Vince, du musst manchmal einfach für deine Bedürfnisse einstehen!‘ Doch er meinte nur: ‚Whatever.‘ Vince steckt die Schläge ein und hofft, dass sich die Dinge irgendwie einrenken werden.“ Vince, der perfekte Sohn, der auf gute Vibes steht, der jeden Stress vermeidet. Die Meinung anderer war ihm immer sehr wichtig. Egal, wie berühmt er im Laufe seiner Highschool-Karriere an der Mainland High in Daytona Beach, Florida wurde, er war immer darauf bedacht, nicht zu sehr aufzufallen. Auf dem Court dominierte er, in seinem Senior-Jahr erzielte er 20,0 Punkte, 10,5 Rebounds und 4,1 Assists

pro Spiel und führte sein Team zur State Championship, in 34 Spielen hämmerte er 92 Dunks durch den Ring. Doch abseits des Courts hielt er sich im Hintergrund. „Jeder liebte Vince, weil er nicht arrogant wurde“, sagte Dick Toth, der Athletic Director seiner Schule, vor Jahren in der kanadischen Zeitung „National Post“. Bloß nicht auffallen. VCs bester Kumpel Joe Biddens machte sich immer wieder einen Spaß daraus, ihm die Fans auf den Hals zu hetzen. In der Mall suchte er sich eine Gruppe Mädchen aus, erzählte ihnen, wer sein groß gewachsener Kumpel hinter ihm war, und lachte, während Vince die Girls abwimmelte. „Mann, das hat er ständig abgezogen“, erinnert sich Carter. „Ich wollte nie auffallen, aber Joe hat dafür gesorgt, dass ich es trotzdem tat. Ich fühlte mich nie wohl dabei.“

Zu nett?

Als Mensch macht ihn das irgendwie sympathisch. Für einen Basketballstar dagegen ist er einfach nur zu nett. Denn echte Gewinner sind nicht nett. Sie gehen über Leichen, um irgendwann im Konfettiregen die Championship-Trophäe emporrecken zu können. Sie leben für die großen Momente, für die Anerkennung durch die Fans, lieben das Rampenlicht. Sie besitzen einen Drive, der sie Tag für Tag und Stunde um Stunde motiviert. Nicht so bei Carter. Zu Beginn seiner NBA-Karriere bei den Raptors sorgte mit Veteran Charles Oakley ein echter Tough Guy dafür, dass VC bei der Stange blieb. „Wenn er Stress macht, gehen wir zwei in den Boxring“,

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Vince

Carter


Fotos: Nathaniel S. Butler/NBAE via Getty Images

versprach „Oak“. „Schwergewicht gegen Fliegengewicht, das wäre witzig.“ Logisch, dass Carter schön tat, was ihm befohlen wurde. Und wenn Oakley mal nicht bereitstand, wartete mit Butch Carter ein Headcoach an der Seitenlinie, dem bei jedem Fehler die Halsschlagader platzte. Lag bei dem besonnenen Gentleman Dean Smith – Carters Coach am College – die Grenze des Unaussprechlichen noch kurz vor dem schlimmen Wort für Mist, so reichte BCs Vokabular bis weit hinter den Ausdruck, der mit „Mother“ anfängt und dessen Ende sich auf „Acker“ reimt. Coach Carter und Oak, die beiden bildeten ein Drill-Duo, das aus Vince erst den „Rookie of the Year“ und kommenden Superstar machte. Und auch nachdem Carter durch Trainerlegende Lenny Wilkens ersetzt worden war, sorgte Oakley auf seine Art für die Motivation bei Nummer 15. So wie in den Playoffs 2001, Erstrunden-Matchup gegen die New York Knicks. Vince hatte einen miesen Start erwischt. Mit 1-2 lagen seine Raptors gegen die Knicks zurück, für Carter notierten die Statistiker nur 18,3 Punkte pro Spiel – fast zehn weniger als während der regulären Saison – und eine Trefferquote von knapp unter 31 Prozent. „Vince hat kein Herz, ich schon“, brüllte Knicks-Backup Rick Brunson schon nach Spiel eins durch die Katakomben. Während Carter sich bei Interviews in knappe Antworten flüchtete und von Teamplay schwafelte, fand Oakley klare Worte. „Das ganze Jahr über liefen alle Plays über Vince, davor kann er sich jetzt nicht auf einmal verstecken“, sagte er. „Als sie vergangenen Sommer das Dream Team aufstellten, ist keiner von uns nominiert worden, nur Vince. Wenn Nike Werbespots drehen will, dann fragen sie ihn, nicht uns.“ Deutliche Worte. „Oak will mir damit sagen, dass ich endlich Leistung bringen muss, so wie er mir immer in den Ohren liegt“, kommentierte Carter – und führte seine Raptors bis ins Conference-Finale, wo sie trotz seiner 30,4 Punkte pro Partie im siebten Spiel gegen die 76ers verloren. Echte Leader sehen anders aus. Sie brauchen nicht die Hilfe anderer, um sich zu motivieren, sie reißen ihr Team mit. Doch Vince Carter ist kein geborener Anführer, der von Natur aus Gehorsam einfordert und die Richtung vorgibt. Vince Carter musste nie so sein. An der Highschool machte ihn sein gottgegebenes Talent zum klaren Leader des Teams, an der Uni bei den Tar Heels fiel diese Rolle anderen Spielern zu: Als Freshman war VC noch zu unerfahren und nicht respektiert genug unter den Mitspielern, um den Mund aufzureißen. Doch auch in den Jahren danach, als er sich zu einem der besten Collegespieler des Landes mauserte, trat er seine Ansprüche bereitwillig ab. Antawn Jamison, Ademola Okulaja, Aufbau Ed Cota, mit ihnen teilte er sich die Führungsrolle.

„In unserem Team war damals am ehesten Ed Cota derjenige, der vorgab, wo es langging“, erinnert sich Bill Guthridge, Ex-Coach der Tar Heels. „Vor allem, da er als Point Guard von Natur aus das Team lenken musste. Vince und Antawn waren auch gute Anführer. Aber bei uns setzen wir auf das Konzept der Senior-Leadership, und da keiner der beiden bei uns seine Senior-Saison gespielt hat, ist ihnen diese LeaderRolle auch nicht zugefallen. Vince verfügt sicherlich über solche Qualitäten, aber wenn ich mich für einen Namen entscheiden muss, dann war Ed Cota der Anführer, nicht Vince.“

„Wenn er Stress macht, gehen wir zwei in den Boxring. Schwergewicht gegen Fliegengewicht, das wäre witzig.“ Charles Oakley -----------

„Jeder junge Spieler, der in dieser Liga älter wird, wird automatisch besser“, sagt Team-USA-Kollege Jason Kidd. Zudem hat Carter nach dem entspannten Lenny Wilkens mit Kevin O’Neill wieder einen Coach, der von der weichen Welle nicht besonders viel hält, der ihn an der kurzen Leine führt. Einen weiteren Motivator, so wie Oak und Coach Butch Carter vor ihm. Solche Leute braucht Vince. „Air Canada“ wird seinen Weg gehen, einen Weg, der durchaus irgendwann zum Erfolg führen kann. Doch er wird nie so sein, wie wir ihn uns erträumt haben: like Mike.

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Jahrelang haben wir gehofft, dass sich all das ändern würde. Umsonst. Vince Carter hat zu lange unter unseren Träumen vom nächsten Jordan leiden müssen. „Durch meinen Background als Tar Heel und den Gewinn des Slam-DunkTitels haben viele Leute hohe Erwartungen gehabt. Aber ich konzentriere mich nur darauf, das Spiel zu spielen, das ich beherrsche – und ansonsten interessiert es mich nicht, was die Leute sagen“, sagt er. Vince Carter ist Vince Carter. Nicht Michael Jordan, nicht sein Erbe, nicht sein Nachfolger. Das heißt nicht, dass er nicht besser werden, dass die Zukunft von „Air Canada“ nicht golden sein kann. Sein Team ist talentierter als 2001, als Vince zum letzten Mal wirklich fit war: Chris Bosh steuert das InsideGame bei, Small Forward Lamond Murray ist neu im Kader, Shooting Guard Morris Peterson kann dank VC wieder die Rolle des Co-Stars ausfüllen. Und auch Vince ist besser als zuvor, das haben seine ersten Saisonspiele gezeigt und sein Saisondebüt mit 39 Punkten gegen die Nets.

Re-Education

Dieser Artikel ist heute fast zwei Jahrzehnte alt. Darin lag eine längst überfällige Wahrheit: Es war der Abschied von der Idee eines Superstars, ein trauriges „Auf Wiedersehen“ von dem Wunsch nach der späten Erfüllung seines Schicksals. Kurz darauf sollte der Absturz greifbarer werden: 2002/03 hatte Vince Carter bereits in nur 43 Begegnungen auf dem Parkett gestanden, in den folgenden anderthalb Jahren traf er nur 41 Prozent seiner Würfe aus dem Feld, 2004/05 wurden aus dem soliden ZwanzigerSchnitt nur noch 15,8 Zähler. Toronto war damals vom Titelaspiranten zum Mitläufer geworden, Frust regierte. Sich und das Team am eigenen Kragen aus dem Dreck zu ziehen, die Depression abzuschütteln, „like Mike“ so lange Ärsche zu treten, bis die Kollegen über sich hinauswachsen – das war nicht das Profil des Beinahe-Superstars. Später gab Carter zu, in diesen Tagen nur noch mit halbem Einsatz gespielt zu haben, genervt von den Niederlagen und zu wenig Qualität im Kader. „Two Face Vince“ oder „Korrektur einer Karriere“ hießen die FIVEGeschichten, die wir damals folgerichtig über ihn schrieben. Carter ertrotzte sich den Wechsel nach New Jersey, wo 2004 an der Seite von Jason Kidd seine vermeintliche Wiedergeburt folgte: 27,5, 24,2 und 25,2 Punkte pro Spiel in den ersten zweieinhalb Jahren. Es waren Stats und Highlights wie früher, einige der legendärsten NBADunks seiner Karriere erfolgten im NetsTrikot, und wer nicht schon den Glauben verloren hatte, der durfte noch einmal kurz hoffen auf die späte Ankunft des echten Superstars. Skeptiker indes sahen in Jason Kidd das eigentliche Herz des Teams – und in Vince nurmehr einen bestens eingesetzten Schönwetter-Scorer. 2006 gewann New Jersey noch 49 Spiele, im Jahr darauf nur noch 41 Begegnungen. Danach stürzte das Team radikal ab, und erneut verlor der erfolgsverwöhnte Carter die Lust. Er stemmte sich immerhin mit soliden Stats gegen die Niederlagen, doch die Ambitionen der Nets verabschiedeten sich endgültig, als Jason Kidd 2008 das Team verließ.

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Fotos: Will Newton/Joe Murphy/NBAE via Getty Images

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Vince

Ein Jahr später schaffte auch Carter den Absprung in seine alte Heimat Florida. Die Orlando Magic waren damals wieder so ein Team, dem Carter mit seinem immensen Talent hätte helfen können. Was brauchte „Team Dwight Howard“ mehr als einen vielseitigen Zweier, der zum Spielende jeden Wurf treffen, noch immer über gegnerische Center dunken konnte, der Pässe spielte wie ein Aufbau? Es war die alte Geschichte von Verheißung und Realität. Es fehlte die Fähigkeit, in den großen Momenten zu wachsen, sich durchzubeißen, Verletzungen zu ignorieren, mit einem Wort: zu gewinnen. Und wie schon in New Jersey, so waren die Manager bald hinreichend genug enttäuscht, um Tatsachen zu schaffen. Spätestens hier in Orlando beginnt der zweite Teil seiner Karriere – „the re-education of Vince Carter“. Oder ist es eher die Umerziehung der Öffentlichkeit, in ihm keinen Starspieler mehr zu erkennen, sondern nur einen soliden NBA-Veteranen, einen „Star light“? Irgendwo zwischen hier und dem Trade nach Phoenix zu Beginn der Saison 2010/11 wird aus dem verhinderten Supertalent der verlässliche Vollprofi. Jemand, den man gerne in der Ersten Fünf oder auf der Ersatzbank hat, jemand, dessen Erfahrung und Arbeitseinstellung ein Team besser machen kann als sein purer statistischer Output. In Phoenix, Dallas, Memphis, Sacramento und Atlanta spielt Carter fortan diese Rolle. Zu Beginn geht es noch um lange Playoff-Ritte und Titelambitionen, später um Wiederaufbau und das Etablieren einer Gewinnerkultur. Je ferner die Erinnerung an die enttäuschten Superstar-Hoffnungen rückt, umso mehr stehen die vorbildliche Einstellung und die für das stetig zunehmende Alter stets außerirdische Athletik im Fokus. Dass Carter selten nennenswerte Playoff-Erfolge erringt, wird ihm angesichts der limitierten Rolle nicht länger zum Nachteil ausgelegt. Mit 37 Jahren punktet Carter für Dallas noch immer zweistellig. Während seine Altersgenossen Schatten ihrer selbst werden und in die wohlverdiente Rente abtreten, bleibt Carter da. Bleibt dem Sport und dem Sportlerleben treu. Er muss nicht gehen, seine außergewöhnliche Physis bleibt ihm treu. Noch mit 41 Jahren präsentiert er beim Warmmachen Dunkings, die mit etwas Wohlwollen als 360° gelten dürfen. Carter will aber auch nicht gehen – das große Unbekannte ist lange Zeit zu furchteinflößend. Es ist ausgerechnet Kobe Bryant, der ihm die Angst vor dem drohenden Abschied nimmt. Zu sehen, wie der einstmals siegesbesessene Lakers-Star im Ruhestand seinen Frieden gefunden zu haben scheint, mindert die Sorge vor dem Karriereende. „Er sagte, er sei glücklicher als je zuvor. Als ich ihn später wieder traf,

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Carter

„Er sagte, er sei glücklicher als je zuvor. Als ich ihn später wieder traf, fragte er mich, ob ich bereit dafür sei, das Karriereende zu verarbeiten.“ -----------

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fragte er mich, ob ich bereit dafür sei, das Karriereende zu verarbeiten. Er sagte, ich würde es genießen. Es sei so friedlich“, erinnert sich Carter. Schließlich spricht er die großen Worte aus: dass diese, seine 22. Spielzeit, seine letzte NBA-Saison sein wird.

Das Ende

Früher als gedacht war die Saison 2019/20 zu Ende – und lässt uns zurück mit der schaurig-schönen Aufgabe nach der Einordnung in den historischen Kontext. Selten fiel das schwerer als bei Vince Carter: einst Jordans Erbe, „Vinsanity“, Slam-Dunk-Wahnsinn, dann normalsterblicher All Star. Schließlich der Rollenspieler und Ziehvater. Was bleibt von Vince? Vince Carter geht als 19.-bester Scorer aller Zeiten in Ruhestand und traf – ganz im Widerspruch zum einstigen Dunker-Image – bis zur Rente die sechstmeisten Dreier der NBA/ABAGeschichte. Er geht als achtfacher All Star, zweimaliges Mitglied eines All-NBATeams, als Topscorer einer US-Auswahl, die 2000 olympisches Gold gewann. Er geht als wohl bester Dunker der NBAGeschichte, insbesondere „in game“. Doch Vince Carter geht auch ohne NBA-Titel, ohne NBA-FinalsAuftritt, mit einer genau 50-prozentigen Erfolgsquote für Playoff-Teilnahmen – also mit elf NBA-Saisons, in denen er die Postseason nur als Zuschauer verfolgte. Carter wurde nicht Jordan, aber auch nicht Kobe, Iverson, McGrady, Paul Pierce, Ray Allen. Seine KarriereStats – 16,7 Punkte, 4,3 Rebounds, 3,1 Assists im Schnitt – riechen nach Durchschnitt. Gleichzeitig sind diese Stats jedoch die Reflexion einer einzigartigen Langlebigkeit und einer außergewöhnlichen Liebe zum Spiel. All das dürfte uns am Ende mit warmem Blick auf Vince Carter schauen lassen. Die Enttäuschungen sind lange her. Es bleiben Erinnerungen, wie sie nur die wenigsten NBA-Spieler hinterlassen haben: die Jahre der „Vinsanity“ in Toronto. Die legendären Dunks über Alonzo Mourning, Frederic Weis, Dikembe Mutombo oder auch Freestyle-Kunst „Eins-gegen-den-Ring“ im Fastbreak. Seine 50 Punkte im Eastern-Conference-Halbfinale gegen Philadelphia 2001, zwei Spiele mit je 51 Punkten gegen Phoenix und Miami, sein spielentscheidender Dreier in den Playoffs 2014 gegen San Antonio mit der Schlusssekunde im Trikot der Mavericks. Niemand hat je solch einen ungewöhnlichen Weg durch die NBA genommen, niemand blieb der Association so lange treu. Dieser Weg wird Carter am Ende wohl in die Hall of Fame führen. Wenn auch nicht auf Augenhöhe mit den ganz Großen. Nicht „like Mike“. Eher „unlike anyone ever“. jan@fivemag.de


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Der

Dunk

DUNKS EINE KLEINE GESCHICHTE DES

Woher kommt die spektakulärste Aktion im Basketball? Was macht ihre Faszination aus? Wie ist das … zu dunken? Dies ist die Geschichte des Dunks! Text: André Voigt

Fotos: Stacy Revere/Getty Images

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eben wir es zu. Jeder von uns will dieses Gefühl. Den Ball fangen, schauen, realisieren, dass genau jetzt der Moment ist. Ein Dribbling, vielleicht zwei. Abheben, den Verteidiger in der Luft treffen. Die Körperspannung spüren, die Höhe wahrnehmen. Zu merken, dass einen der Gegner so hoch springen lässt, wie es beim Training ohne Widersacher nie der Fall war. Im Adrenalinrausch den Ball mit der eigenen Hand in den Korb trümmern. Landen, die Flut der Endorphine wirken lassen. Ist das wirklich passiert? Es ging alles so schnell … Yes! Ja! Oui! Da! Si! Sim! Das ist es! Das ist das Gefühl.

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Wer es je geschafft hat, der spürt es auf die gleiche Weise – egal, in welcher Sprache er denkt und träumt. Egal, wie oft er es erlebt hat. Es wird nie langweilig, nie gewöhnlich. „Wenn du das erste Mal spürst, wie du über Ringniveau steigst und den Ball durchstopfst … es gibt nichts Vergleichbares“, sagt Julius Erving. „Danach willst du es immer, immer, immer wieder machen.“ Würde es den Dunk nicht geben, er müsste für den Basketball erfunden werden, und auf die eine oder andere Weise wurde er das sogar. Kein anderer Spielzug, keine andere Aktion auf dem Feld bedeutet so viel, löst solche Emotionen aus.

Eigentlich ist keine Aktion in der gesamten Sportwelt mit dem Dunk wirklich vergleichbar. Ein Fallrückzieher ist ein Fallrückzieher. Varianten: Fehlanzeige. Dasselbe gilt für den Homerun im Baseball. Der beeindruckt höchstens durch die Weite des geschlagenen Balles. Etwas anders sieht es beim Touchdown aus, aber selbst im Parademoment des American Football steckt nicht die Kreativität eines Dunks. „Dunking ist besser als Sex! Es setzt das Ausrufezeichen hinter das Wort ,Basketball‘!“, sagt Shawn Kemp, der eigentlich nur durch seine Gewaltakte in der Stratosphäre bekannt wurde. So


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Der

Dunk

weit wollen wir nicht gehen, aber auf dem Court gibt es nicht Besseres. Punkt! Wer was anderes behauptet, lügt, ist nur 1,60 Meter groß oder hat das Spiel einfach nicht verstanden. Als Youngster träumst du immer davon, es irgendwann zu schaffen. Du hoffst auf den Wachstumsschub als Teenie, auf schnelle Muskelfasern. Erst springst du, um das Netz zu berühren, später den Ring. Wenn du ihn irgendwann greifen kannst, kannst du nicht mehr warten. Du willst es hier und jetzt. Ein Blick ins Internet auf die vielen Video-Download-Seiten oder ein Griff ins DVD-Sortiment der NBA genügt. Der Dunk ist allgegenwärtig. Sicher, die Crossover-Dribblings sowie Zauberpässe, die Jason Williams einst in die NBA und die AND1-Mixtapes in die Welt brachten, sind schön anzusehen. Ab und an bringen sie dem Betrachter auch einen „Oh mein Gott, spul zurück“-Moment, am Ende ist der Slam dennoch King. „Der Dunk ist so populär, weil viele Leute, die Basketball schauen oder in ihrer Freizeit spielen, diese Dinge nicht tun können“, erklärt Vince Carter die Anziehungskraft des Jams. „Fast jeder hat die Möglichkeit, einen Pass hinter dem Rücken zu spielen, einen Crossover zu machen oder von der Mittellinie zu treffen. Wie viele Leute können einen 360er hinlegen?“ Richtig. Der Dunk lädt zum Träumen ein. Für viele bleibt er auf ewig unerreicht – und sogar die, die immer mal wieder in den Genuss kommen, selbst am Ring Hand anzulegen, erblassen ob der Leistungen eines Vince Carter, Michael Jordan oder Dominique Wilkins. Im Dunk vereinen sich die Kreativität des Dribblings, die Kraft des Rebounds und die Respektlosigkeit eines Blocks. Er symbolisiert im Spiel absolute Überlegenheit, nicht nur gegenüber dem Gegner, der noch so hoch springen, den Dunk aber nicht verhindern kann, sondern auch in Bezug auf den Sport selbst. Der Ball soll in den Korb geworfen oder gelegt werden, deshalb verbannte ihn Dr. James Naismith einst auf 3,05 Meter – in eine damals unerreichbare Höhe.

Established 1936

„Nimm erst mal einen Tennisball“, hörst du die Älteren sagen, und dass du danach einen Fußball nehmen sollst,

DIE DUNK-TIMELINE Damit ihr wisst, woher der Dunk eigentlich kommt. Hier die Geschichte des Jams in aller Kürze.

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1891 – Dr. James Naismith erfindet den Basketball. Dribbeln ist noch verboten. Wenn ein Ball nach einem Wurf aus den unten durch einen Boden verschlossenen Körben herausspringt, zählen die Punkte nicht – was den Dunk so ziemlich unmöglich macht.

1892 – Körbe nun unten „offen“, sodass der Ball durchfallen kann. 1907 – Jack Inglis, Mitglied der über das Land ziehenden BasketballShowtruppe Troy Trojans, springt in der Zone während eines Spiels nach einem – zu hoch

angesetzten – Pass seines Mitspielers. Inglis hält sich dabei am Netz fest, zieht sich nach oben, fängt den Ball mit der anderen Hand und vollendet den ersten dokumentierten Dunk aller Zeiten – und erfindet den Alley-Oop.

1908 – Der Dribbler darf auf den Korb werfen. Der Dunk ist möglich. 1936 – Die „New York Times“ berichtet über die McPherson Oilers, eine Showtruppe, die die Fans beim Training und beim Aufwärmen durch einen „umgekehrten Korbleger“


Fotos: Robert Lewis/Zach Beeker/Nathaniel S. Butler/NBAE via Getty Images

denn diese Pillen kannst du ja greifen. Das ist einfacher, gibt Motivation durch Erfolgserlebnisse. Und wirklich, es geht immer höher hinaus. Langsam zwar, aber es wird. Irgendwann schaffst du es zum ersten Mal, nach tausend Versuchen. Und du hängst direkt nochmal tausend dran, bis deine Beine leer sind … So sehr sich das Spiel auch heute über den Dunk definiert, Basketball gibt es seit 115 Jahren, den Slam als offiziell akzeptierten Teil erst seit 1967. Davor? Verpönt, verboten, verabscheut … Doch gehen wir zurück, direkt zum Anfang. Der Begriff „Dunk“ tauchte erstmals 1936 in der Tageszeitung „New York Times“ auf. Dort titelte der Journalist Arthur Daley über ein von ihm beobachtetes Training der McPherson Oilers: „Unglaubliche Riesen aus Kansas drehen den Korblegerprozess um.“ Daley schrieb weiter: „Ihre Version des Korblegers ließ die Fans entgeistert zurück. Joe Fortenberry, ein 2,03 Meter großer Center, sowie William Schmidt, ein 2,06-Meter-Flügel, benutzten keinen normalen Unterhandkorbwurf. Diese Riesen verließen das Parkett, reckten sich nach oben und warfen den Ball von oben durch den Ring – und zwar in etwa so, wie ein Kunde in einem Café seinen Keks in den Kaffee tunkt.“ Da „tunken“ auf Englisch „to dunk“ heißt, war ein neuer Basketballterminus geboren. In den 30er Jahren gab es noch keinen regulären Ligabetrieb. Teams zogen übers Land, wo sie in Showspielen gegen andere Mannschaften antraten. Aber auch wenn das Entertainment im Vordergrund stand, der gute alte Gedanke des englischen Fairplay war noch immer allgegenwärtig. So beschwerten sich die Gegenspieler der Oilers über deren Größe. Da sie einfach so mal eben über alles hinwegdunken konnten, hatten andere Teams keine Chance. Also wurde McPherson verboten, während der Spiele zu slammen. Auch wenn sie es weiterhin während des Aufwärmens taten, was die Zuschauer schwer beeindruckte und für Einschüchterung beim Gegner sorgte. Du stehst vor dem Badezimmerspiegel und machst, während du dir die Zähne putzt, Wadenheben. Jetzt geht es nur noch um Zentimeter. Du willst nicht immer nur auf Hallen hoffen begeistert – anstatt den Ball nach oben zu werfen, werfen sie den Ball einfach von oben nach unten durch den Korb. 1942 bis 1946 – Bob Kurland (2,13 Meter) von der Oklahoma State University wird zum ersten bekannten Game-Dunker.

müssen, wo die Körbe ein bisschen tiefer hängen. Dass deine Unterschenkel brennen, stört dich nicht. Du willst nicht mehr nur beim Aufwärmen den einhändigen Dunk bringen. Das ist so, als würdest du vom Dreier ständig die Dame und nicht den Seemannsköpper machen. Bei den Offiziellen, den Entscheidern und sogar den NBA-Spielern konnte davon keine Rede sein. „Als ich mit Basketball anfing, gab es noch diese Korbanlagen, wo der Ring einfach an einem geraden Pfahl befestigt war“, erinnert sich Oscar Robertson, einer der ersten Guards, die auch über Ringniveau agierten. „Damals sprang ich mal zum Dunk hoch, und so ein Kerl stieß mich in den Pfahl. Ich ging beinahe k.o. Zu slammen war großartig, aber ich wollte mich einfach nicht verletzen. Ein Jam gibt auch nur zwei Punkte. Selbst für einen Dunk-Contest würde ich vielleicht gerade mal drei Cent Eintritt zahlen.“ Neben den Problemen mit der gefährlichen Ausrüstung gab es aber vor allem eine Art Ehrenkodex unter den Profis. Der Slam galt als respektlos und bestrafenswürdig, wenn er dennoch

Die 60er Jahre – Viele Spieler können dunken, der Jam ist aber verpönt, gilt als billig, angeberisch. Selbst Wilt Chamberlain bringt vor allem den Fingerroll, weil er nicht als brutaler, talentfreier Riese gelten will.

ausgeführt wurde. „Wenn du damals über jemanden gedunkt hast, war dir klar, dass du später auf deinem Arsch landen würdest“, erklärt Al Attles, der zwischen 1969 und 1971 bei den Philadelphia bzw. San Francisco Warriors als Aufbau beschäftigt war. Niemand wollte auf eigene Kosten zur Belustigung des Publikums herhalten, deshalb gab es diese Abschreckungstaktik. So verstecken Sprungwunder wie Jim Pollard, Spitzname „Kangaroo Kid“, der seit 1949 in Minneapolis spielte, ihre Kunst vor der Basketballwelt. In den Spielen dunkt er fast nie, im Training jedoch verblüfft er seine eigenen Kollegen sogar mit Slams von der Freiwurflinie! Wo heute – zum Beispiel mit der Abschaffung des Berührens des Dribblers in der NBA – alles getan wird, um den Athleten eine dreispurige Autobahn gen Korb zu teeren, wurde damals der Dunk sogar verboten! Die Manager des College- und Schulbasketballs eliminierten ihn vor der Saison 1967/68 komplett – mit dem Ziel, die potenzielle Dominanz Lew Alcindors

1967 bis 1976 – Dunkverbot am College und an den Highschools wegen der drohenden Dominanz Lew Alcindors. Als Antwort entwickelt Alcindor den Skyhook und gewinnt mit UCLA drei NCAA-Titel.

1967 – Die American Basketball Association (ABA) wird gegründet. Der Dunk ist erlaubt, sogar gewollt, weil er die Fans in die Arenen locken soll. 1976 – Erster Slam-DunkContest der Geschichte beim ABA-All-Star-Game in Denver. Dr. J dunkt von der

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Der

(später Kareem Abdul-Jabbar) bei UCLA zu verhindern. Zudem soll die Verbreitung eines Wurfes gestoppt werden, „für den es kein Talent braucht“. Keines der Ziele wird erreicht. Alcindors Universität holt trotzdem in jedem seiner Collegejahre den Titel, auf den Freiplätzen New Yorks und anderswo wird der Dunk zu dem Stoff, aus dem noch heute dort Legenden sind – die NCAA indes wird um eine magische Zeit gebracht … Das Dunk-Verbot legt vor allem zwei Spielern Ketten an: Julius Erving von der University of Massachusetts und David Thompson von der North

Dunk

Carolina State University. Sie sind Spieler einer neuen Bauart. In ihnen gehen die natürliche Sprungkraft eines „Kangaroo Kid“, die ersten zarten Versuche im Athletiktraining sowie die Kreativität der 70er Jahre in den USA eine Symbiose ein. Thompson erfindet quasi den Alley-Oop, indem er sich immer wieder von seinen Teamkollegen über Ringniveau anspielen lässt – nur um dann per Korbleger vollenden zu müssen. Erving zieht unzählige Male zum Korb, überspringt Center und darf doch nicht stopfen …

Endlich frei

Beide finden erst in der 1967 gegründeten

Freiwurflinie. Erster öffentlicher 360°-Dunk von David Thompson.

übertragen. ESPN etabliert tägliche Highlightshows.

1976 – Arthur Ehrat erfindet auf einer Farm in Illinois „The Rebounder“, den ersten „Breakaway Rim“ der Welt.

1979 – Darryl Dawkins zerschmettert zwei Bretter innerhalb von 22 Tagen. Der Abriss gilt als Beweis ultimativer Power. NBA-Boss Larry O’Brien droht zukünftigen Tätern mit Strafen.

1979 – Der US-Sportfernsehkanal ESPN geht auf Sendung. Fortan werden viel mehr Spiele

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American Basketball Association ihre dunkerische Erfüllung. Im rebellischen Gegenentwurf zur NBA stehen Individualität und Funk im Vordergrund. „Es war wie … ich fühlte mich endlich frei! Die Ketten waren plötzlich weg“, sagt Thompson. „Ich konnte endlich allen zeigen, was ich wirklich draufhatte. Vier Jahre lang hatte ich nicht dunken dürfen, also versuchte ich es in meinem ersten ABA-Jahr in jedem Angriff.“ Dem Doctor geht es ähnlich. „Wenn jemand in der NBA über dich dunkte, musstest du ihm eine reinhauen“, lacht Erving. „Aber der Dunk war ein Teil der ABA. Wir waren kreativ und innovativ. Wir nahmen einen Dunk nicht persönlich.“ Er wird zum Aushängeschild der ganzen Liga. Trotz fehlender TVÜbertragungen wird er landesweit zur Legende, so spektakulär sind seine Jams, so böse seine „In your face“-Slams. „Dr. J rückte den Dunk erst in den Fokus der Fans. Er dunkte einfach alles! Er war der Hochseilakt der ABA. Der Doctor war eine ganz andere Art Spieler“, erklärt Rod Thorn, damals Assistenztrainer der New York Nets. „Zu seinen Hochzeiten brachte er dich mit seinen Dunks vier-, fünfmal pro Spiel dazu, aus dem Sitz zu springen. Dafür bekam er eine Menge Publicity, und das Spiel begann sich zu verändern.“ Amerika will damals den Dunk. Er ist die Droge der Fans – und die ABA neben dem Spiel auf den Playgrounds ist ihr Dealer. Das bemerkt spätestens 1976 auch die NBA. Irgendwann kannst du es dann. Ein- oder zweihändig, sogar reverse. Du springst von immer weiter weg ab. Die Jam Sessions mit den Kumpels nach dem Training werden länger und länger. Egal, wie hart das Training war, für ein paar Dunks reicht die Kraft immer noch. Doch das Ultimative fehlt: der Jam im Spiel. „Er wird kommen“, sagst du dir – die Frage ist nur, wann es so weit sein wird. 1976 liegt die ABA im Sterben. Kurz vor dem Zusammenschluss mit der NBA jedoch gibt sie ein letztes starkes Lebenszeichen. Sie verabschiedet sich mit einem Knall. „It’s better to burn out than to fade away“ – und wenn das Feuer als erster Slam-Dunk-Contest (SDC) der Geschichte daherkommt, ist es umso besser! Damals stehen sich unter anderem in Denver Thompson und Erving gegenüber.

1981 – Arthur Ehrats BreakawayKörbe werden in der NBA eingeführt. 29.01.1984 – Larry Nance von den Cavs gewinnt den ersten NBA-Slam-Dunk-Contest (SDC) im Finale gegen einen 34-jährigen Julius Erving.


DIE BESTEN RETRO-DUNKER Die aktuellen Dunk-Artisten kennt ihr. Doch wer diese Jungs hier entweder nicht kennt oder sie direkt auf YouTube sucht … den können wir nicht ernst nehmen! Und ja: Vince Carter ist so alt, dass er schon retro ist! 1. Vince Carter Wer über Jahre neben allgegenwärtigen Jam-Unglaublichkeiten einen der besten Dunks (siehe: Frederic Weis) der BasketballHistorie liefert, wird mit Platz eins belohnt. Verfügt als Einziger über die Über-Kombination aus Hangtime, Flugweite und Power. Wie geil wäre ein SDC zwischen ihm und Jordan gewesen? 2. Michael Jordan Der junge MJ beförderte den Dunk (samt NBA) in die MainstreamMedien, womit er Dr. Js Werk vollendete. Nur wegen ihm stecken weltweit Nachwuchs-Baller beim Slam die Zunge raus. Das Frühwerk von „His Airness“ ist noch heute atemberaubend! 3. Dominique Wilkins Der „Human Highlight Film“ – Untertitel: pure Power. Ein großartiger Dunker, der mit schöner Regelmäßigkeit unterbewertet wird. Nicht von uns. Trotzdem gibt es nur Platz drei, weil ihm einfach die Hangtime fehlte. 4. Julius Erving Der „Doctor“ kultivierte die Dunk-Kultur, ob in der ABA oder in der NBA – nur leider bekam das erst niemand so richtig mit. Dennoch: Dr. J vereinte Hops, Kreativität und Eleganz, dazu gibt’s den Vorreiter-Bonus. Denn ohne Docs Dunks gäbe es seine Nachfolger nicht. Hätte es in den 70ern schon Handykameras gegeben, wäre er wohl die Nummer eins …

Fotos: Andrew D. Bernstein/Nathaniel S. Butler/Barry Gossage/NBAE via Getty Images

5. David Thompson Der „Skywalker“ wandelte gerne auf der bösen Seite der (Drogen-) Macht und ruinierte sich beim Sturz auf der Treppe der Edeldisco „Studio 54“ die Knie. Bis dahin lieferte er dank 1,12 Meter aus dem Stand unzählige Highlights. Sie zeigen der Welt, was sonst nur durch Mundpropaganda und DunkerLatein bekannt war. 360er, Tomahawks und der Dunk von der Freiwurflinie … „Ich dachte, ich hätte eine gute Chance zu gewinnen. Aber dann hob Dr. J von der Freiwurflinie ab. Das war schwer zu toppen“, sagt Thompson, der an diesem Tag Zweiter wird. „Sein Afro wiegte beim Anlauf und während des Sprungs hin und her, was das Ganze sogar noch besser aussehen ließ, als er mit seinen Riesenhänden durch die Luft flog.“ Der SDC wird zum letzten Lebenszeichen der ABA, läutet aber gleichzeitig eine neue Ära ein. Das NCAA21.12.1984 – Georgeann Wells von der University of West Virginia dunkt als erste Frau in einem NCAASpiel gegen die University of Charleston. 1986 – Spud Webb (1,68 Meter) gewinnt den SDC gegen Dominique Wilkins. Der verletzte Michael

Dunkverbot wird im selben Jahr wieder aufgehoben, es kommt zur Vereinigung von ABA und NBA. Jetzt stehen die Dunker auf der großen Bühne, wo ihnen das Establishment noch immer skeptisch gegenübersteht. Doch der Dunk ist eine Idee, dessen Zeit gekommen ist, es gibt kein Zurück. „Als ich in die NBA kam, nahm mich Dave Cowens von den Celtics zur Seite und sagte: ‚Wenn du hier über jemanden dunkst, schlagen sie dir danach den Schädel ein‘“, lacht Erving. „Ich erwiderte, dass ich weitermachen würde, weil der Dunk ein hochprozentiger Wurf und Teil meines Spiels sei. Aber er hatte

Jordan schaut zu. 1988 – Michael Jordan gewinnt seinen zweiten SDC gegen Dominique Wilkins mit seinem (zweiten) Dunk von der Freiwurflinie. Die 90er Jahre – Der Dunk wird zum

recht. Sie versuchten, mir den Schädel einzuschlagen, aber sie schafften es am Ende nicht!‘“ Zum Ende der 70er Jahre ist der Dunk angekommen, versumpft aber im Morast der Drogenskandale, die die NBA erschüttern. Das Interesse an der Association ist an einem Tiefpunkt angelangt, trotz der Flugeinlagen. Denn die Liga versteht es noch nicht, sich bzw. den Dunk zu vermarkten. Erst als Magic Johnson und Larry Bird die NBA-Bühne betreten und mit ihrer Rivalität den Basketball aus seinem Dornröschenschlaf reißen, steht auch der Dunk vor seinem globalen Siegeszug.

HauptmarketingInstrument der NBA. Er beherrscht die Highlightshows und -videos.

Februar 2000 – Kaum ist der SDC zurück, bieten Vince Carter, Steve Francis und Tracy McGrady den besten Contest aller Zeiten!

1997 – Nach einigen schwachen Vorstellungen Mitte der 90er Jahre streicht die NBA den SDC aus dem Programm.

30.07.2002 – Lisa Leslie dunkt als erste Frau in einem WNBA-Spiel. 25.09.2000 – Vince

Carter springt bei Olympia 2000 in Sydney über den Franzosen Frederic Weis (2,18 Meter) und dunkt. März 2004 – Candace Parker (1,93 Meter) gewinnt als erste Frau den SDC des „McDonald’s AllAmerican Game“.

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Der

Denn in den frühen 80ern stehen sich in der NBA zwei Arten von Spielern gegenüber. Auf der einen Seite sind die unathletischen Arbeiter, die aufgrund ihrer Größe Basketball spielen, von Kraft- oder gar Fitnesstraining aber nichts wissen wollen. Auf der anderen Seite stehen Überathleten, die dem Vorbild eines Dr. J nacheifern wollen, dafür trainieren und sich jeden Vorteil der Sportwissenschaft zunutze machen. Zu Letzteren gehören Michael Jordan und Dominique Wilkins. Sie fallen über die Liga her wie eine Horde Raptoren über eine Herde Nilpferde. Sie sind die Ersten, deren Dunks mit voller NBAMarketingwucht in die Welt geschickt werden. Sie unterwandern mit ihren VHSHighlighttapes den ganzen Globus, in der Vor-WWW-Zeit, wie es einst die ABA in den USA tat. Vor allem der neu aufgelegte Slam-Dunk-Contest fasziniert. „Dominique und ich brachten den Contest auf ein neues Level, weil wir so ehrgeizig waren“, sagt Jordan. „Damals gab es Zeitlupen, was dem Event sehr half. Wenn wir in der Folge gegeneinander spielten, versuchten wir, einander zu toppen – das war dann oft wie in einem Highlight-Film.“ Plötzlich wollen nicht mehr nur Kids, die zufällig einen Dr. J live spielen sehen, immer höher hinaus – ein ganzer Basketballplanet erklärt den Dunk zum Goldenen Kalb. Und genau hier, am Höhepunkt seiner Faszination, zeigt sich die dunkle Seite des Dunks …

Fotos: Darren McNamara/Allsport/Andrew D. Bernstein/NBAE via Getty Images

Dunken über alles

Dein erster Game-Dunk will einfach nicht kommen. Wenn ihr hoch führt, s ­ chicken deine Mitspieler dich mittlerweile nach jedem Wurf bereits an die Mittellinie, um dich mit einem langen Pass für den Fastbreak-Dunk in Position zu bringen. Das ist peinlich, aber es ist dir egal. Du willst nichts anderes mehr … Plötzlich will jeder dunken, höher springen, mehr Drehungen, mehr Power. Der Dunk gilt als höchstes Gut der Basketballkultur. Dabei braucht es lediglich Athletik, Kraft und ein bisschen Dribbling, um ihn zu bringen. „Zu dunken ist das Einfachste,­ was du auf dem Feld machen kannst. Jeder in der NBA kriegt das hin. Längst nicht jeder kann werfen, dribbeln oder passen“, sagt George Irvine, Ex-Coach der Pacers und Pistons. Trotzdem gilt nur noch jemand etwas, der auch im Fahrstuhl zum Korb die obersten Knöpfe drücken kann. Fundamentals? Warum soll ein Talent den Sprungwurf oder Defense lernen? Damit kommt keiner in die allabendlichen Highlightshows der USFernsehsender. Selbst die NBA tappt in diese Falle. Sie übersieht, dass Jordan, Wilkins oder auch Erving keine reinen Leichtathleten waren, denen jemand

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Dunk

zufällig einen Ball in die Hand gedrückt hatte. Sie waren Basketballer, die zufällig athletisch waren. Deshalb begeht sie den Fehler, junge Spieler hervorzuheben, die das Spiel nicht verstanden haben – egal, wie hoch sie auch springen mögen. Harold Miner, Isaiah Rider oder sogar Shawn Kemp werden als kommende Superstars angepriesen, als Vorbilder verkauft. Doch sie sind Dunker, keine Basketballer. Das merken die Kids nicht. „Du musst wirklich aufpassen, dass du nicht als reiner Dunker wahrgenommen wirst. In diese Schublade wollte ich nie gesteckt werden. Mein Spiel hatte immer noch viele andere Facetten“, versichert Jordan, der den Spielern selbst allerdings auch eine Teilschuld an diesem Stigma gibt. „Der Dunk ist eine Kunstform, aber in keiner Weise machte er den Großteil meines Könnens aus. Andererseits liegt es aber auch immer in der Verantwortung jedes Einzelnen, den Fans andere Eigenschaften des eigenen Spiels zu zeigen, damit die Leute einen nicht für einen reinen Dunker halten.“ Trotz solcher Appelle ist der Slam für den Basketball noch heute beides: größtes Spektakel und größte Gefahr. „Der Dunk ist für das Spiel beides: Segen und Fluch. Er ist ein Segen für die Fans, weil er das Spiel spektakulärer macht“, erklärt Knicks-Legende Walt „Clyde“ Frazier. „Für den Basketball und

die Spieler an sich ist er ein Fluch, weil die Jungs das Spiel nicht mehr so lernen, wie sie es eigentlich müssten.“ Genau dort steht der Dunk heute. Er fasziniert, vielleicht sogar zu viel. Die Gründerväter der Liga hatten recht. Die ABA hatte recht. Die Kids, die ihn unbedingt beherrschen wollen, haben recht. Die Trainer, die ihnen Fundamentals beibringen wollen, haben recht. Wir, die ihn sehen wollen, haben recht. Es gilt, einen Mittelweg für die Zukunft zu finden. Und vielleicht gibt es den ja schon. Dwyane Wade ist Meister geworden und kann viel mehr als nur springen. LeBron James hat ein komplettes Spiel plus Dunks. Dirk Nowitzkis Dunks sind eher abschreckend als schön, dafür ist sein komplettes Game eine Augenweide. Und: Außerhalb der USA wird das Spiel eh noch gelehrt, wie es sein soll, mit OldschoolAttitüde zwar, aber mit modernsten Methoden. Der Dunk wird den Basketball nicht kaputtmachen, im Gegenteil. Seien wir froh, dass wir ihn haben. Als du den Ball fängst und dich zum Korb drehst, siehst du es. Drei Meter Platz. Dein Training übernimmt, alles geht wahnsinnig schnell. Ein Dribbling, die Schrittfolge. Du springst so hoch, wie du noch nie gesprungen bist. Dann schlägt der Ball ein. Du bist wie betäubt. Du zitterst. Du hast es geschafft. dre@fivemag.de


DIE TOP-FIVE-RETRO-DUNKS Die Qual der Wahl, aber wir haben sie trotzdem gekürt: die fünf besten Retro-Dunks, die je in einem Spiel gezogen wurden. 1. „Vince over Weis“ - Vince Carter, Team USA Alles, was über diesen Dunk gesagt werden muss, ist, dass der Be-Dunkte, Frederic Weis, ebenfalls weltberühmt wurde. „Vince ist Vince“, sagte Gary Payton, Mit-Olympionike Carters. „Deshalb nennen wir ihn ,Half Man, Half Amazing‘.“ 2. „Der Ausbruch“ - Michael Jordan, Bulls Charles Oakley und John Starks hatten MJ an der Baseline in der Falle. Doch dann dribbelte „His Airness“ einmal kurz gen Seitenlinie, schon war die Baseline offen – Patrick Ewing auf einem weiteren Poster … 3. „Knie ins Gesicht“ - Tom Chambers, Suns Mark Jackson dachte, er könnte das Charge annehmen, als Tom Chambers im Break an der gestrichelten Linie absprang. TC dachte anders. Für diesen Dunk wurde am VHSRekorder das Standbild erfunden: Chambers’ Augen sind auf RINGHÖHE! 4. „Send it in, Jerome!“ - Jerome Lane, University of Pittsburgh So fies, dass wir mehr darüber schreiben müssen, weil ihn kaum einer kennt: Der beste Dunk, den ihr nie gesehen habt, passierte am 25. Januar 1988. Die Providence University stand Pittsburgh gegenüber. Beim Stand von 8:5 (es waren gerade 3:24 Minuten gespielt) bekam Panthers-Star Jerome Lane den Ball im Break. Aus vollem Lauf sprang er knapp außerhalb des rechten Zonenrands ab. Mit dem rechten Arm holte der Small Forward zum Tomahawk aus, als sich ihm ein Verteidiger in den Weg stellte … Zuerst strukturierten Lanes Knie die Zahnleiste des furchtlosen Collegeboys aus Providence neu, dann zertrümmerte er – ohne sich auch nur eine Zehntelsekunde an den Ring zu hängen – das Brett! Glas spritzte auf den Boden, der Verteidiger fand sich auf dem Rücken außerhalb der Zone wieder, der Ring hing nur noch an einem seidenen Glasfädchen, die Zuschauer liefen Amok! Bis heute legendär ist der Live-Kommentar von Bill Raftery. Mit voller Stimmbandkapazität brüllte er ins Mikrofon: „Ohhh, oho … Send it in, Jerome!“ Das bis dahin ausgeglichene Spiel endete 90:56 für Pittsburgh und wurde unter dem Namen „The Night the House Came Down“ berühmt. 5. „KJ over Dream“ - Kevin Johnson, Suns 1,85 Meter gegen 2,13 Meter. Braucht es da noch mehr Infos? Ein ebenfalls prominentes Opfer von KJ wurde der 2,11 Meter große Cleveland Cavalier John „Hot Rod“ Williams.

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DR. DUNK Julius

Erving

Julius „The Doctor“ Erving war eine urbane Legende, bevor er ein Superstar wurde. Dies ist die grandiose Geschichte von einem, den die moderne Basketballwelt gerade noch so genießen durfte und der für viele Vertikalakrobaten den Weg in die Lüfte ebnete. Text: André Voigt 38


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Fotos: Jim Cummins/NBAE via Getty Images


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Fotos: Dick Raphael/NBAE via Getty Images

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ie Legende vom Mann, der den Basketball retten sollte, beginnt nicht dort, wo es vielleicht viele vermuten würden. Nicht der Rucker Park oder die hart umkämpften Freiplätze Philadelphias können für sich beanspruchen, dass sie die Keimzelle der Revolution waren, die den Basketball der Neuzeit hervorbrachte. Diese Ehre gebührt einzig und allein einem kleinen Städtchen namens Campbell im Bundesstaat New York. Die Geschichte beginnt so, wie alle guten Basketballlegenden beginnen. Ein kleiner Junge, ein Korb, ein Ball und ein Traum. Es ist das Amerika der frühen 60er Jahre. Der Junge heißt Julius Winfield Erving Jr., sein Korb steht auf einem Freiplatz, und in seinem Traum geht es ums Fliegen. Die Legende wird später von Kreativität handeln, von den Fesseln, die sie zu bändigen versuchen, und schließlich von einem, der den Basketball (fast) im Alleingang rettete. Campbell Park in Hempstead, Long Island. Von seinem Zimmer in den Housing Projects auf der Beech Avenue sieht Julius Erving durch sein Fenster die Courts des Parks. Dort macht er seine ersten Erfahrungen mit dem Spiel und wird süchtig nach dem Ball. Schon früh kann er auch gegen physisch stärkere Gegner bestehen – nicht weil er größer ist, sondern weil er versteht. Der Junge ist wissbegierig und lernt schnell. Einmal auf etwas hingewiesen, vergisst Julius seine Lektion nicht mehr – und wenn die Älteren frei stehen, tut er sein Möglichstes, um den Ball genau dorthin zu passen. In Campbell fällt dem ParkDirektor Andy Haggerty dieser Junge mit den langen Beinen namens Julius auf, und er stellt ihn seinem Freund Don Ryan vor. Ryan leitet das Jugendprogramm der örtlichen Division der Heilsarmee und fungiert als Trainer des Basketballjugendteams, in dem Julius fortan spielt. Bei den Auswärtsfahrten der Mannschaft verlässt der Elfjährige erstmals die Grenzen des einfachen Viertels, in dem er aufwächst. Er sieht die andere Seite des Zauns, das Leben in den bürgerlichen Vororten, und beginnt Fragen zu stellen. „Ich sah die sauberen Häuser und wollte wissen, wie man so etwas bekommt“, erinnert sich Erving. „Die Leute sagten mir dann immer, dass man einen gut bezahlten Job bekommen könne, wenn man in der Schule und am College einen guten Abschluss macht. Also setzte ich mir in den Kopf, genau das zu tun.“ Wenige Jahre später zieht die Familie Erving ins nahe gelegene Roosevelt um, doch es ändert sich nichts an Ervings Fokus. Julius verfolgt zwei Ziele: Schule und Basketball. Täglich zieht er nach den Hausaufgaben los – immer auf der Suche nach dem nächsten Spiel. Auf den beiden nagelneuen „Full-CourtPlätzen“ im Roosevelt Park sucht er die

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Herausforderung gegen Gleichaltrige und Ältere im Eins-gegen-eins. So entwickelt er seinen Jumpshot, legt sich ein paar zuverlässige Fakes zu und lernt Stück für Stück das Game. Doch oft ist der Teenager, der damals gerade mal 1,80 Meter groß ist, auch allein mit sich, seiner Fantasie und einem Korb, der nur 2,50 Meter hoch hängt. Allein mit den Bildern, die sich auf dem Heimweg, am Essenstisch oder auf dem Schulhof in seinem Kopf einbrennen. Ohne Gegner beginnt er, das Spiel selbst herauszufordern. Wenn schon lange keiner mehr auf den Freiplätzen spielt, trainiert Julius Erving Bewegungen, die bis dahin nur in seiner Fantasie existieren. Er springt aus allen möglichen Winkeln ab, dreht sich in der Luft, wirbelt mit den Armen, probiert es mit zwei Beinen, zwei Händen und – als diese endlich groß genug sind – sogar mit Handwechseln während des Fluges. „Wenn du das erste Mal über dem Korb bist und den Ball durch den Ring drückst ... es gibt nichts Vergleichbares. Dann willst du es immer wieder machen“, beschreibt Erving. Zu dieser Zeit entsteht auf dem Freiplatz auch sein Spitzname. Ein Freund Ervings, dem er selbst den Namen „Professor“ gibt, weil dieser immer über alles diskutieren will, nennt ihn im Gegenzug den „Doctor“ – und der Name bleibt haften.

No Dunks Allowed!

So kreativ Julius allerdings auch auf dem Freiplatz sein kann, im strikten Regelkorsett des Basketballs der 60er darf er sich nicht ausleben. Zwar zeigt der Youngster dieselbe Akrobatik in der Luft wie auf dem Freiplatz, doch die Schul- und Collegeregeln verbieten den Dunk. Er gilt als Wurf der Center, als ein unfairer Vorteil der Langen, als unschön und Beleidigung des Gegners. Selbst in der NBA, wo der Jam erlaubt ist, wird er nicht gern gesehen. Wer dort zum Dunk ansetzt, muss damit rechnen, schon in der Luft dafür bestraft zu werden. Reduziert auf das Spiel „Below The Rim“ ist Erving als Junior trotzdem der beste Spieler seiner Highschool, doch der Coach lässt fünf Seniors starten. So sind die Regeln, und Julius versteht. Anstatt mehr Spielzeit zu fordern, arbeitet er weiter an seinem Game und führt das Team trotzdem als Topscorer sowie bester Rebounder an. In seinem letzten Schuljahr ist Julius der unumstrittene Go-to-Guy seiner Mannschaft. Der Doc ist ein in allen Facetten des Spiels sauber ausgebildeter, 1,98 Meter großer Small Forward mit riesigen Händen, langen Beinen und einer sagenhaften Sprungkraft. Die Angebote der großen Colleges bleiben trotzdem aus. Long Island ist Basketballprovinz, und nur wenige Scouts machen auf dem Weg nach New York einen Abstecher nach Roosevelt.

Also nimmt Erving 1969 das Stipendium der University of Massachusetts an, der der Ruf vorauseilt, kein Basketball-College zu sein. Die Studenten kümmert es wenig, ob das Team im alten „Curry Hicks Cage“ mit dem undichten Holzdach aufläuft oder nicht. Die Mannschaft spielt schlecht und langweilig. Außerdem darf Erving, wie alle Freshmen dieser Zeit, nicht an den Partien der ersten Mannschaft teilnehmen. Die Regeln schließen ihn, der immer mehr den Basketball an sich und die eigenen physischen Fähigkeiten verstehen lernt, noch von der großen Bühne aus.


Zwar führt er das Freshman-Team zu einer ungeschlagenen Saison, doch das ist zu einfach, zu leicht. Als es dann im dritten Semester endlich so weit ist und Julius Erving endlich in den richtigen NCAA-Partien auf das Parkett darf, bricht das aufgestaute Potenzial aus ihm heraus. „Ich erinnere mich noch an mein erstes Spiel im College“, erzählt Erving. „Ich hatte 27 Punkte und 28 Rebounds. Ich war zwar nicht groß, aber ich holte mir einfach die Boards und stellte so direkt einen neuen Schulrekord auf.“ Schnell sprechen sich die Wundertaten herum,

und Karten für UMass-Spiele sind nur für die zu bekommen, die stundenlang vor den Tickethäuschen ausharren. Auch ohne Kabelfernsehen, ohne Internet und ohne Dunk wird Julius Erving zum Phänomen. Die Mundpropaganda macht ihn zur urbanen Legende. In zwei Jahren absolviert er 52 Spiele für UMass, in 51 davon bringt er ein Double-Double. Als er dem Campus nach zwei Jahren den Rücken kehrt, hinterlässt er einen Karriereschnitt von 26,3 Punkten und 20,2 Rebounds – nur sechs andere Spieler schafften in der Geschichte der NCAA die Aufnahme in den exklusiven 20/20-Club.

Auch im Rucker Park, wo der Doctor im Sommer mit den größten Streetballlegenden seiner Zeit operiert, löst er eine wahre Massenhysterie aus. Nur dort können die Fans den echten Julius Erving sehen. Auf dem Asphalt der 155. Straße spielt er ohne Fesseln. Doc springt, hängt, dunkt. „Wenn ich die Chance habe, mit beiden Beinen abzuspringen, kann ich mich drehen, die Richtung ändern, dunken oder zu einem freien Mann passen“, erklärt Erving. „Mit anderen Worten: Ich bin vielleicht in der Luft, aber ich habe immer noch eine gewisse Kontrolle über

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das, was ich da tue.“ Der Rucker sieht das ganze Arsenal des Doc – und er sieht die Zukunft. Während Erving am College und in New York seine Wundertaten vollbringt, versuchen einige Geschäftsleute, eine eigene Basketballliga neben der NBA zu etablieren. Doch die American Basketball Association kämpft seit ihrer Gründung 1967 mit Finanzproblemen, durchgeknallten Spielern und windigen Teambesitzern. Jährlich gehen Teams pleite oder wechseln die Stadt. Profis prügeln sich vor leeren Rängen, Trainer schwänzen einfach die Partien ihrer Franchises.

Topscorer-Titeln und wechselt nach der Spielzeit dann doch das Team. 1973 traden ihn die finanzschwachen Squires für zwei Profis und eine Million Dollar zu den New York Nets, wo seine Karriere in den nächsten Gang schaltet. 1974 und 1976 gewinnt er im Big Apple die Meisterschaft und wird zum alleinigen ABA-MVP gewählt – 1975 teilt er sich die Auszeichnung mit George McGinnis von den Indiana Pacers. Die Erfolge sind Ausdruck seiner Klasse zu dieser Zeit. Mitte der 70er Jahre ist der Doctor auf dem Höhepunkt seines Schaffens angelangt. „Wenn ich einmal mit dem Ball in der Zone bin, ist es vorbei“,

Fotos: Jim Cummins/NBAE via Getty Images

Die Liga

So wild und verrückt die ABA aber auch ist, sie ist ein Abbild dieser Zeit und eine Chance. Sie bricht mit den alten Werten. Sie etabliert den Dreier, den Dunk, den Fastbreak und stellt das Individuum in den Vordergrund. Das in der NBA und der NCAA weit verbreitete Mantra „Vier Pässe vor jedem Wurf“ gilt nicht mehr, der zweihändige Standwurf ist der ABA nicht „fly“ genug. Dort trifft der Collegebasketball auf die Jungs von der Straße, und die Stilarten vermischen sich. Dort entert der Funk den Basketball, sprengt die Fesseln, die Jungs wie Erving, David Thompson, Connie Hawkins oder vor ihnen Elgin Baylor einschränkten. 1971 versucht Erving deshalb, einen Vertrag bei den New York Nets in der ABA zu bekommen. Die New Yorker haben jedoch kein Interesse an dem Jungen aus Long Island, und so nimmt der Doctor das Angebot der Virginia Squires an. 500.000 Dollar soll der Small Forward dort in vier Jahren verdienen – und der Neuling ist jeden Cent wert. Seine 27,3 Punkte und 15,7 Rebounds reichen zwar nicht für den Titel des „ABA Rookie of the Year“ – den schnappt sich Artis Gilmore mit 22,3 Punkten und 17,1 Rebounds –, aber Ervings Game ist auf Anhieb einzigartig. In seinem ersten Spiel als Profi zieht der Doc zum Korb und trifft in der Zone auf Center Gilmore (2,19 Meter) und Power Forward Dan Issel (2,06). „Ich ging zwischen den beiden hoch, hing in der Luft und wartete, bis sie wieder nach unten fielen. Dann dunkte ich so hart, dass ich nach hinten über auf den Rücken klatschte“, beschreibt Erving. „Da wusste ich, dass ich es mit jedem, immer und überall, ohne Angst aufnehmen konnte.“ Am Ende der ersten Saison weiß Erving auch noch etwas anderes: dass er im Vergleich zu den anderen ABA-Stars krass unterbezahlt ist. Also unterschreibt Erving einen Vertrag bei den Atlanta Hawks der NBA, die bereit sind, ihm zwei Millionen Dollar zu zahlen. Doch dazu kommt es nicht. Die Squires ziehen vor Gericht, und ihrer Klage wird stattgegeben. Erving muss in Virginia bleiben. In der Saison 1972/73 ist der Doctor nicht zu stoppen. Mit 31,9 Punkten gewinnt er seinen ersten von drei

„Ich erwiderte nur, dass der Dunk ein sicherer Wurf und Teil meines Spiels sei. Aber Dave hatte recht. Sie versuchten, mir den Kopf abzuschlagen – nur schafften sie das nicht.“ -----------

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beschreibt Erving zu dieser Zeit seine Moves. „Ich bin wie ein Jazzmusiker. Wenn ich mit meinem Solo dran bin, spiele ich nicht immer dasselbe alte Riff.“ In New Yorks Medienlandschaft bekommt Erving endlich mehr Aufmerksamkeit als im ruhigen Bundesstaat Virginia. Wahrheit und Fabel vermischen sich nun nicht nur in Augenzeugenberichten, sondern auch in der Presse. Mal hat der Doc im Spiel von der Freiwurflinie gegen mehrere Verteidiger gedunkt, dann wieder soll er beim Aufwärmen aus dem Stand (!) von dort geslamt haben. „Es gab Spieler, die schon vor dem Doctor gedunkt haben, aber niemand tat es je so wie Doc. Es war so, als hätte er den Dunk neu erfunden“, sagt Rod Thorn, damals Coach der Spirits of St. Louis. Neben dem Dunk „erfindet“ Erving auch den „Fingerroll“ neu. Durch ihn und George

Gervin erlangt der Wurf bei den Kids eine bis dahin ungekannte Beliebtheit – sehr zum Leidwesen von Highschool-Coaches im ganzen Land. Während „Dr. J“ und „Ice“ den Wurf perfekt beherrschen, weil sie durch ihre Sprungkraft von einem viel höheren Punkt werfen können, scheitern viele Kids kläglich bei ihren Versuchen. Doch der Trend ist gesetzt, Basketballamerika muss damit leben. Auch der NBA bleibt das Phänomen Julius Erving nicht verborgen. Je mehr Dr. J sich in das kollektive (Unter-)Bewusstsein der Menschen spielt, desto schlechter scheint es der etablierten Liga zu gehen. Klagen und Vertragsstreitigkeiten zwischen Spielern und den Franchises beider Ligen sorgen für Chaos. Schlägereien auf dem Feld und die erstmals aufkommende Drogenschwemme erfassen sowohl ABA als auch NBA. Doch die Liga des rot-weißblauen Balles hat einen Vorteil: Dr. J. Er ist nicht nur der innovativste und beste Spieler der Liga, er fungiert gleichzeitig als Botschafter, als Vorzeigeathlet, wie es auch in der NBA keinen anderen gibt. Zu ihm und seiner Klasse schauen auch die weißen Basketballfans auf. Für sie und alle anderen ist Dr. J die ABA. „Viele Jungs waren schon einmal ‚die Franchise‘“, bringt es der damalige Commissioner der ABA, Dave DeBusschere, auf den Punkt. „Aber für uns ist Dr. J ‚the League‘.“ Den Status des Überstars einer sterbenden Liga hat Erving zu diesem Zeitpunkt indes schon lange hinter sich gelassen. Er ist eine Lichtgestalt, für viele der beste Spieler der Welt, ein Mysterium, von dem sich Basketballamerika und vor allem die NBA nichts sehnlicher wünscht, als dass sein Geheimnis endlich gelüftet wird. Als Einziger, das wissen die Manager in beiden Ligen, besitzt er die Starpower und das Charisma, den Sport aus der schwersten Krise seines Bestehens zu führen. Das Spiel, drogenverseucht, korrupt und ohne Visionen auf die 80er Jahre zutreibend, braucht Erving – und da die Nets ihn nicht freiwillig gehen lassen, braucht der Basketball die Vereinigung von ABA und NBA.

Freiwurflinie

1975 ist klar, dass die kommende Spielzeit die letzte der ABA sein wird. Nur sechs Teams sind finanziell gesund genug, um anzutreten und sich für einen Platz in der NBA zu empfehlen. Durch die geringe Anzahl an Franchises ist das Talentlevel der Liga so hoch wie nie. Wie es sich für die FunkLiga gehört, will sie nicht ohne Flair untergehen – und im Mittelpunkt des großen Abgesangs steht natürlich Julius Erving. Beim ABA-All-Star-Game gewinnt der Doc den ersten Slam-Dunk-Contest

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Fotos: Dick Raphael/NBAE via Getty Images

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der Geschichte mit einem Jam, der um die Welt geht. Die Entscheidung fällt, als er ca. sechs Zentimeter hinter der Freiwurflinie (nicht davor, wie viele glauben) abhebt und den Ball durch den Ring hämmert. Es ist Ervings erster Move, der der ganzen Basketballwelt bis heute zugänglich ist. Als schließlich die Finalserie 1976 folgt, gelingt dem Doctor die bis heute am wenigsten beachtete basketballerische Großtat aller Zeiten. In der Best-of-Seven-Serie stehen sich die favorisierten Nuggets und Ervings Nets gegenüber. Sechs Spiele dauert die Schlussrunde – und sie beinhaltet alles, was den Doctor in seiner Blütezeit ausmachte. In Denver spielt zu dieser Zeit Bobby Jones, ein 2,06 Meter großer Defensivspezialist mit Pferdelunge und Duracell-Hasen-Ausdauer. Coach Larry Brown verlangt von Jones, den er „den besten Verteidiger der Welt“ nennt, dass er Erving in etwa auf dessen Saisonschnitt von 29,3 Punkten halten müsse. Den Rest würde der mit den ABA-Superstars David Thompson und Dan Issel besetzte Kader der Nuggets alleine erledigen. Zumal die Nets wohl einfach nicht gegen das Team aus den Rockies gewinnen können – elf Spiele in Folge hat New York vor Beginn der Finals gegen Denver verloren. Als es dann jedoch so weit ist, hat der Doctor eine Medizin parat, die den Nuggets überhaupt nicht schmeckt. Die gesamte Serie über operiert Doc am offenen Herzen der Nuggets-Abwehr. Mit 37,7 Punkten, 14,2 Rebounds und 6,0 Assists pro Partie treibt er seine Nets zu einem 4-2-Erfolg. „Im Moment denke ich, dass ich so ziemlich alles tun kann, was ich will“, erklärt ein überglücklicher Erving nach dem Sieg. Die Ära der ABA ist zu Ende, und für Dr. J beginnt erst mit dem Eintritt der Nets, Pacers, Spurs und Nuggets in die NBA die Reise ins nationale Rampenlicht. War sein Name zuvor vornehmlich an der Ostküste bekannt, so bringt die NBA den Doc in die Zeitungen und TV-Kanäle des ganzen Landes. Jeder Basketballfan in den USA will diesen Übermenschen sehen. Der hat aber schon jetzt den Preis für die unzähligen Stunden auf den Betonplätzen und in den alten Hallen der ABA bezahlt. Zwar fliegt er noch immer höher als der Rest, seine Sprungkraft liegt aber bei „nur noch 75 Prozent“, wie er selbst sagt. „Wenn in der NBA damals jemand über dich dunkte, musstest du ihm eine reinhauen“, erinnert sich Erving. „In der ABA war der Dunk Teil des Spiels. Es war eine kreative Liga, sehr innovativ, niemand war nachtragend, wenn über ihn gedunkt wurde. Als ich in die NBA kam, nahm mich Dave Cowens zur Seite und sagte zu mir: ,Wenn du hier über jemanden slamst, dann werden sie versuchen, dir den Kopf abzuschlagen.’ Ich erwiderte nur, dass der Dunk ein sicherer Wurf und Teil meines Spiels sei. Aber Dave hatte recht. Sie

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versuchten, mir den Kopf abzuschlagen – nur schafften sie das nicht.“ Schwerer als die Unterschiede bei den Dunkgepflogenheiten macht Erving vor Beginn seiner ersten NBASaison der bittere Gehaltsstreit mit den New York Nets zu schaffen. Die Franchise hat zuvor acht Millionen Dollar an die Knicks zahlen müssen, um sich mit ihnen den Markt New York teilen zu dürfen. Die Startgebühr raubt der Franchise allerdings den finanziellen Spielraum, um Erving zu halten, und so wird Dr. J am Vorabend seiner ersten Saison in „the League“ für drei Millionen Dollar nach Philadelphia verschachert. „Dieser Trade hat mich beschmutzt“, tritt der Doc nach. In der „City of Brotherly Love“ spielt Erving mit George McGinnis, Lloyd B. Free, Darryl Dawkins, Joe Bryant und Doug Collins zusammen – einer Kollektion großer Offensivspieler mit mentalen Problemen. McGinnis beansprucht die Führungsrolle im Angriff für sich. Free, der seinen Namen später in World B. Free ändert, schießt Rainbow-Jumper – egal,

„Dieser Trade hat mich beschmutzt.“ -----------

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ob das nun in der jeweiligen Situation angebracht ist oder nicht. Die Bankspieler Dawkins und Bryant (Kobes Vater) beschweren sich über ihre Spielzeit. Deshalb nimmt sich der Doc von Beginn an zurück und spielt für das Team. Seine 21,6 Punkte, 8,5 Rebounds und 3,7 Assists sind noch immer spektakulär, die überzogenen Erwartungen der Öffentlichkeit befriedigt Erving aber nicht. „Die ABA war eine Minor League“, lästert sogar Trainer- und Managerlegende Red Auerbach. „Bei uns ist Erving nur ein normaler Small Forward.“ Trotzdem erreichen die Sixers das Finale gegen die Trail Blazers um Bill Walton. Philly gewinnt sogar die ersten beiden Spiele, bricht aber in der Folge komplett zusammen. Die brillanten Einzelkönner scheitern gegen das Teamkonzept Portlands, welches von Walton angeführt wird. Das Management in Philadelphia merkt schnell, dass Erving in einem Kader voller offensivzentrierter Akteure sein Talent nicht vollends entfalten kann. Also bauen sie um ihn herum durch Trades einen Kader zusammen, der zum Doc passt. Bobby Jones, Maurice Cheeks und Andrew Toney stoßen zur Franchise, die bis 1983 noch zweimal im Finale an den Lakers scheitert (1980 und 1982), zweimal in den Conference-Finals unterliegt (1978

und 1981) und einmal in der zweiten Playoffrunde (1979) ausscheidet. Dr. J kann, so scheint es, zwar immer noch die Fans mit seinen Moves verzaubern, aber nicht in der NBA den großen Titel gewinnen. Das nagt an ihm. „Ich versuche mir immer einzureden, dass es die Arbeit selbst ist, die zählt“, sagt er. „Und so hart es auch für mich ist, das zu glauben ... daran halte ich mich jedes Jahr und in jedem Spiel fest. Trotzdem – eine Meisterschaft ist das Einzige, was mir wirklich helfen kann.“ 1983 ist es so weit. LigaMVP Moses Malone wird zu den Sixers getradet. Dr. J hat endlich seinen genialen Partner gefunden, und die Sixers treffen in den Finals auf ihren Dauerrivalen aus Los Angeles. Das Duell heißt „Doctor und Moses“ gegen „Magic und Kareem“. Diesmal sind die Sixers nicht zu stoppen. In den Finals 1980 brachte Erving seinen weltberühmten Drive zur Grundlinie gegen die gesamte Lakers-Defense, als er vom rechten Zonenrand abhob und unter der Korbanlage hindurchtauchte, um dann gegen Kareem Abdul-Jabbar auf der anderen Seite des Bretts abzuschließen. Drei Jahre später sind solche Wunderdinge rar geworden. Der Doc spielt auf knirschenden Knien erdverbundener, aber auch effizienter – und neben Malone die zweite Geige. Nach vier Spielen ist die Serie vorbei. „Das ist alles für Doc“, jubelt Malone, der MVP der regulären Saison und der Finals. „Ich wollte unbedingt einmal sagen können, dass ich in einem Meisterteam mit dem Doc gespielt habe.“ Mit der Championship fällt eine immense Last von Erving ab. Noch vier weitere Saisons spielt er in der NBA, doch ab 1985 lässt ihn sein Körper endgültig im Stich. Oft ist Erving der Letzte, der die Kabine verlässt, weil seine Knie nach jeder Partie intensiv gekühlt werden müssen, um ein Anschwellen der Gelenke zu verhindern. „Draußen warten immer noch die Kids auf mich“, sagt er. „Aber jetzt wollen sie keine Autogramme mehr, sie wollen Andenken.“ Auf dem Feld wechselt Erving auf die Zwei, um im Angriff noch gegen kleinere Gegner scoren zu können. Das Finale erreichen die Sixers nicht mehr. Larry Bird und Magic Johnson übernehmen die Fackel als Botschafter der NBA. Dr. J hinterlässt ihnen ein Spiel, das er nicht nur verändert, sondern gerettet hat. Kreativität und das Spiel „above the Rim“ sind auf ewig mit dem Sport verbunden. Die Öffentlichkeit hat den Basketball lieben gelernt, die Medien berichten, die Industrie entdeckt die Spieler als Werbeträger – wichtiger noch: Erving hat denen, die nach ihm kommen, auch gezeigt, dass ein „guter Junge“ gewinnen kann. „Du warst eine Inspiration, ein Leader, ein perfektes Vorbild für mich und viele andere“, erklärt Isiah Thomas in einer Dankesrede an Erving. „Du hast den Weg, den wir gehen, geebnet.“ dre@fivemag.de


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DAFUQ? NBA-EDITION … Die NBA schreibt die besten Geschichten! Glaubt ihr nicht? Wir haben in Archiven, Büchern, auf YouTube und überall sonst gestöbert, wo wir kleine oder größere Storys finden konnten, die einen lachend oder mit runtergefallener Kinnlade zurücklassen … viel Spaß! Text: André Voigt

Nintendoritis. Lionel Simmons wurde als „L-Train“ bekannt. Seine Stats waren eher Durchschnitt (12,8 PPG), dafür ging er 1990/91 als erster Spieler in die NBAAnnalen ein, der durch übermäßiges Spielen mit dem Gameboy auf der Injured List landete. Die Diagnose: Sehnenscheidenentzündung am Handgelenk.

NBA-FRANCHISES, DIE ES NUR EINE SAISON LANG GAB: TORONTO HUSKIES, PITTSBURGH IRONMEN, DETROIT FALCONS, CLEVELAND REBELS (ALLE 1946/47), INDIANAPOLIS JETS (1948/49), WATERLOO HAWKS, SHEBOYGAN REDSKINS, ANDERSON PACKERS (ALLE 1949/50).

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alik Sealy (R.I.P.) war ein begnadeter Baller, der leider – wie so viele Talente – das Pech hatte, bei den Clippers spielen zu müssen. Nach drei Saisons in L.A. kommentierte er seinen Wechsel nach Detroit mit den Worten: „Ich bin glücklich, hier zu sein. Es ist großartig, wieder zurück in der NBA zu sein!“

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ie Frage musste irgendwann einmal gestellt werden. Vor allem einem, der in einer Saison 645 Dreier schießt (8,0 pro Partie!) – wie Antoine Walker. Journalist: „Antoine, warum schießen Sie so viele Dreier?“ Walker: „Weil es keine Vierer gibt!“

Fotos: Ken Regan/Robert Mora/ NBAE/ Getty Images

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er 04. April 1976 war der letzte Spieltag der regulären ABA-Saison. San Antonio empfing die Indiana Pacers in der altehrwürdigen (soll heißen: heruntergekommenen) HemisFair Arena. Als im zweiten Viertel ein schweres Gewitter über San Antonio hereinbrach, machten sich weder Fans noch Spieler großartig Gedanken. Zwar war der Donner deutlich auf dem Feld zu hören, aber was sollte schon passieren? „Das Dach war in so schlechter Verfassung, dass bald überall kleine Rinnsale auf die Fans und das Parkett flossen“, erinnert sich Wayne Witt, damals Sprecher der Spurs. Bald machte eine Riesenlache an der Mittellinie das Spielen unmöglich. Der Abbruch drohte. Das wollten die Gastgeber aber auf keinen Fall. Das Spiel hätte nicht neu angesetzt werden können, da die Playoffs am nächsten Tag begannen. Also wären die Spurs gezwungen gewesen, allen Fans das Eintrittsgeld zu erstatten – unmöglich in der notorisch klammen ABA. Also rannten Teamvertreter zu einem nahe gelegenen Catering-Unternehmen und borgten sich große Tischdecken. Diese wurden, nachdem das Feld aufgewischt worden war, mit Klebstreifen auf dem gesamten Parkett fixiert. Dann trafen sich Trainer und Schiedsrichter, um die Regeln für dieses Spiel festzulegen: kein Fastbreak und keine Presse. Am Ende gewannen die Spurs 96:75.

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Nur zwei Gründungsmitglieder der NBA sind heute noch dabei, ohne je ihren Namen oder Standort gewechselt zu haben: die New York Knickerbockers und die Boston Celtics.


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arryl Dawkins kam 1975 als 19-jähriger Rookie von der Highschool direkt zu den Sixers. Da hatte „Chocolate Thunder“ noch nicht viel von der Welt gesehen. Vor allem nicht von der NBA-Welt ... „Ich kam in der Halbzeit bei einem meiner ersten Spiele in die Kabine, und ein paar von den Jungs waren am Rauchen“, erzählt Dawkins. „Also ging ich zur Kühltasche und holte mir eine Dose Bier, das eigentlich für die Rückfahrt war. ‚Darryl, was machst du da?‘, schrie mich Coach Gene Shue an. ‚Die rauchen, ich trinke‘, war meine Antwort. ‚Nein, nein‘, kam es zurück. ‚Wir trinken nicht in der Halbzeit.‘ Ich war noch neu, ich musste noch eine Menge lernen.“

Wer war der letzte New Jersey Net, den Drazen Petrovic vor seinem Tod zu Hause besuchte? Jayson Williams. Dem hatte sein Pay-TV-Anbieter seit Wochen die Neuzusendung einer Fernbedienung für den Digitalreceiver versprochen, ohne zu liefern. Am Tag seiner Abreise klingelte Petrovic auf dem Weg zum Flughafen um fünf Uhr morgens bei Williams, um diesem seine Fernbedienung zu leihen.

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uch Jeff Ruland war ein Baum von einem Kerl (2,08 Meter). Doch selbst dem physisch imposantesten Center können die alltäglichsten Gegenstände zum Verhängnis werden. Nach vier Jahren in der Rente wagte Ruland 1991/92 ein Comeback, das nach 13 Spielen tragisch endete. Vor dem Boston Garden auf den Teambus seiner Sixers wartend, rammte ein Angestellter aus Versehen einen Gepäckwagen in Rulands Wade. Die Folge: eine angerissene Achillessehne.

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ein Boston Celtic gewann je den Titel des NBATopscorers. Dafür gab es für die Spieler der Franchise zehn MVP-Awards (fünf für Bill Russell, drei für Larry Bird und jeweils einen für Bob Cousy und Dave Cowens).

1988 WURDEN DIE BASKETBALLFANS IN MIAMI DAZU AUFGERUFEN, NAMENSVORSCHLÄGE FÜR IHREN NEUEN NBA-KLUB EINZUREICHEN. DARUNTER BEFANDEN SICH JUWELEN WIE: SHARKS, BARRACUDAS, FLAMINGOS, PALM TREES, BEACHES, SUNTAN, SHAQ, TORNADOES, FLORIDIANS UND NATÜRLICH HEAT.

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ayne „Tree“ Rollins (2,16 Meter) von den Atlanta Hawks war 1983 der erste NBA-Spieler, der suspendiert wurde, weil er einen Gegner gebissen hatte. Während einer Prügelei mit Danny Ainge (1,93 Meter) biss der Center dem CelticsGuard in den Finger. Ainge musste mit fünf Stichen genäht werden, Rollins wurde für dieselbe Anzahl Spiele suspendiert.

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WIE GEIZIG IST EIGENTLICH DONALD STERLING, LEGENDÄRER EX-BESITZER DER CLIPPERS? DER MILLIARDÄR FRAGTE SEINEN COACH PAUL SILAS 1981, OB DIESER NICHT DIE SPIELER TAPEN KÖNNE, DAMIT ER – DER BOSS – DAS GEHALT FÜR EINEN PHYSIOTHERAPEUTEN SPAREN KÖNNE.

Oscar Robertson (Nr. 14 bei den Cincinnati Royals, Nr. 1 bei den Milwaukee Bucks), Julius Erving (Nr. 32 bei den New Jersey Nets, Nr. 6 bei den Philadelphia 76ers) und Kobe Bryant (Nr. 8 und Nr. 24) sind die einzigen NBA-Profis, zu deren Ehren zwei verschiedene Nummern „retired“ wurden.

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x-Laker A.C. Green ist vor allem für zwei Dinge berühmt: seinen Rekord von 1.192 aufeinanderfolgenden NBA-Partien, in denen er auflief, und – um einiges beeindruckender – seine Abstinenz. Kein Scherz, A.C. Green hatte keinen Sex vor der Ehe! Er heiratete übrigens im April 2002 im Alter von 39 Jahren. Aber auch der größte Asket hat eine Schwäche, ein Laster. Bei Green war das der „Jheri Curl“. Diese Frisur war der Hit unter Afroamerikanern in den 80ern. Um das Haar lockig und nass glänzend zu bekommen, musste ein Superstyler große Mengen des sogenannten „Jheri Curl Juice“ auf dem Kopf verteilen lassen. Der Nachteil des Glanzlockenlooks? Der Juice trocknete nicht, und jede Berührung hatte ölige Hände zur Folge. „Einmal ließ sich A.C. so viel Juice auf die Haare machen, dass Pat Riley das Training abbrechen musste“, erinnert sich Magic Johnson. „Das Öl lief an ihm herab und auf die Bälle, wir konnten nicht mehr dribbeln. A.C. hat es danach richtig von uns gekriegt. Nach so einer Aktion musst du einfach lästern.“

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alt Bellamy und Pete Maravich waren nicht nur Stützen der Atlanta Hawks aus dem Jahre 1971. Nein, der Veteran (Bellamy) und der Rookie (Maravich) waren die ersten NBAler, die ihren Spitznamen auf dem Trikot trugen. Bellamy lief als „Bells“ auf, Maravich war „Pistol Pete“.

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er war der erste NBASpieler, der je ein Brett zerstörte? Chuck Connors. Der 1,96 Meter große Forward/ Center der Boston Celtics wurde aber nicht per Dunk zum Einmannabrissunternehmen, sondern durch einen ganz normalen Sprungwurf. Ein Hausmeister hatte vergessen, ein Stück Gummi zwischen Korb und Brett anzubringen.

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kay, Mookie Blaylock (Karriere: 13,5 Punkte und 6,7 Assists) ist zwar seit 2002 in Rente, und bei Pearl Jam läuft es auch nicht mehr wirklich rund. Aber: Wenn es nach Eddie Vedder und Co. gegangen wäre, hätte die Welt nie von Pearl Jam gehört! Als Tribut an ihren Lieblingsballer wollten sie ihre Grungeband 1990 Mookie Blaylock nennen. Als das aber aus Merchan­d ise-­ und Copyright-Gründen nicht ging, beließen sie es dabei, ihr erstes Album „10“ zu nennen: Blaylocks Nummer.


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ei Marvin „Bad News“ Barnes war der (Spitz-)Name Programm. Doch seinen kranken Storys aus der ABA setzte er erst als Boston Celtic in der NBA die Krone auf. In der Saison 1978/79 war Barnes öfter mit einem Handtuch über dem Kopf auf der Bank sitzend zu sehen. Momente der inneren Einkehr? Mentale Visualisierung? Mitnichten. „Ich schnupfte Koks auf der Bank“, gab er später zu. „Ich muss wohl nicht hinzufügen, dass meine Karriere danach relativ schnell zu Ende war.“ Nein, muss er nicht ... Wie krass die Probleme mit Koks in der NBA während der 70er Jahre waren? Bill Russell hatte seinerzeit eine ganz eigene Antwort: „Wenn auf dem Feld zehn Mann gleichzeitig niesen müssen, verschwenden acht Geld.“

WILT CHAMBERLAINS NUMMER 13 WURDE DIREKT VON DREI TEAMS „RETIRED“: L.A. LAKERS, GOLDEN STATE WARRIORS UND PHILADELPHIA 76ERS.

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Fotos: Andrew D. Bernstein/Rocky Widner/ Focus on Sport/Getty Images

ack Nicholson ist der OberedelFan der Lakers und mit seiner angewachsenen Sonnenbrille eben einfach zu cool, um sich darum zu scheren, was die Leute von ihm denken. So auch 1984 in Spiel sieben der Finals im Boston Garden. Während der ganzen Partie legte sich Jack von seiner gemieteten Luxus-Box aus mit den Celtics-Fans an. Als aber klar war, dass Boston die Meisterschaft holen würde, wurde es dem Star zu bunt. Als Antwort auf die Schmährufe des Boston Garden drehte er sich mit dem Rücken zum Spielfeld, ließ lockerflockig die Hosen runter – und der Mond ging auf.

Es gibt ja einige Ratten in der NBA – vor allem, wenn es um dreckiges Spiel am Brett geht. Aber was die Sixers in der Saison 2002/03 erlebten, erreichte neue NagerDimensionen. Innerhalb einer Woche wurde bei Gastspielen der Iverson-Combo in Phoenix und Utah während des Spiels jeweils eine Ratte aufs Feld geworfen. Eklig: In Salt Lake City war das Nagetier aus einem der oberen Blöcke aufs Parkett geschleudert worden.

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EIN BRETT ZERSTÖREN? NEIN, WENN CHARLIE „HELICOPTER“ HENZ DUNKT, DANN RICHTIG. ZWEI BRETTER SCHICKTE DER HIGHFLYER DER PITTSBURGH CONDORS (ABA) 1970 GEGEN CAROLINA ÜBER DEN JORDAN. BIS HEUTE EINSAMER REKORD.

uch Calvin Klein ist NBA-Fan. Und zwar der New York Knicks. Am 25. März 2004 war CK allerdings nicht ganz in Topform. 2:11 Minuten vor Ende hatte Latrell Sprewell Einwurf in der Nähe von Kleins Platz am Spielfeldrand. Plötzlich stand der Designer auf, schlenderte zu „Spree“, packte den verdutzten Star am Arm und redete auf ihn ein. Danach gefragt, was Klein denn zu ihm gesagt habe, antwortete der Knick: „Er versuchte, etwas zu sagen, aber ich konnte nix verstehen. Er war nur am Nuscheln.“ Zwei Wochen später checkte Klein in eine Drogenklinik ein.

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alph Sampson, Eric Money und Harvey Catchings sind die einzigen NBAler, die je gegen sich selbst spielten – zumindest auf dem Statistik­b ogen. Am 08. November 1978 besuchte Sampson mit den Sixers die Nets, wo Money und Catchings unter Vertrag standen. Wegen eines Skandals im dritten Viertel (es ging um sechs Technische Fouls gegen New Jersey!) verfügte das Ligabüro nach einem Protest der Nets, dass am 23. März vor dem nächsten Treffen der beiden Teams die restlichen 17:50 Minuten der Partie erneut ausgespielt werden sollten. Vor dem Rückspiel jedoch tradeten die Sixers Sampson nach New Jersey – für Money und Catchings, die später allesamt auf dem Statistikbogen in den Kadern beider Teams auftauchten.

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CHRIS MORRIS VON DEN NETS WAR IMMER EIN KUNSTLIEBHABER. IN EINER BAR IN PORTLAND SOLL DER FORWARD SCHNURSTRACKS AUF EINEN PIANOSPIELER ZUGEGANGEN SEIN UND IHN GEBETEN HABEN, „ETWAS VON PICASSO ZU SPIELEN“.

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as längste NBA-Spiel aller Zeiten dauerte 78 Minuten. Sechsmal musste die Partie der Rochester Royals gegen die Indianapolis Olympians verlängert werden. Doch wer jetzt glaubt, dass dieses Game eines der krassesten gewesen sein muss, die je ein Parkett veredelt haben ... nun ... nein, war es nicht. Mit 75:73 gingen die Olympians als Gewinner vom Platz. Ohne Shotclock spielten beide Teams auf Zeit, in den Verlängerungen wurden nur 23 Würfe genommen.

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arum änderten eigentlich die Washington Bullets 1997 ihren Namen in Wizards? Nachdem 1995 der israelische Premier Jitzak Rabin bei einem Anschlag ermordet worden war, hatte sich Bullets-Besitzer Abe Pollin vorgenommen, dem Klub beim Umzug seines Teams in das neue MCI Center einen neuen Namen zu geben. 1997 war es so weit – und die Fans wählten den Namen Wizards.

995 auf der Bank der Nets. New Jersey spielt gegen Minnesota, wo Christian Laettner als große weiße Hoffnung gilt. Plötzlich lehnt sich Center Yinka Dare zu Mit-Net Jayson Williams rüber und fragt, wofür eigentlich das „C“ auf dem Trikot von Laettner steht. Williams, der natürlich weiß, dass es „Captain“ bedeutet, antwortet nur: „Was meinst du denn, Yinka?“ Dare überlegt kurz, hat einen Geistesblitz und antwortet: „Caucasian?“ Williams muss alle Kraft aufbringen, um nicht zu lachen – immerhin verlieren die Nets gerade das Spiel. Da haut ihn Center Benoit Benjamin an und sagt: „Junge, dieser Yinka ist dämlich, ‚caucasian‘ schreibt man doch mit ‚k‘!“

Nur ein Spieler führte die NBA je bei den Punkten und den Fouls an: George Mikan, der verstorbene Superstar, schaffte dieses Kunststück direkt zweimal (1949/50 und 1950/51).


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er 09. Dezember 1977 zerstörte das Leben eines Mannes, zertrümmerte den Kiefer eines anderen und veränderte die Liga. Kermit Washington war Power Forward und im dritten Jahr einer vielversprechenden NBA-­K arriere. „Special K“ brachte es 1977/78 auf 11,6 Punkte und 10,8 Rebounds. Washington war kräftig (2,03 Meter, 114 Kilo) und galt auf der Vier neben Kareem Abdul-Jabbar als „Enforcer“. Diese Jobbeschreibung bezeichnete Spieler, die auch mal die Faust im Gesicht eines Gegners parkten, wenn dieser den eigenen Star zu hart anging. 41-mal gab es 1977/78 auf dem Parkett ins Brett. Trotz seiner Rolle galt Washington als höflicher, netter Familienvater. Bis zu jenem eiskalten Abend in Houston. In einem körperbetonten Spiel gerieten Washington und Rockets-Forward Kevin Kunnert aneinander. Plötzlich sah Washington aus seinem Augenwinkel jemanden auf sich zusprinten. Es war Rudy Tomjanovich, damals Small Forward in

Houston, der den Kampf stoppen wollte. Aus purem Instinkt drehte sich Washington und schlug eine Rechte, die den laufenden „Rudy T“ genau im Gesicht traf. Jack McCloskey, ehemals Assistenztrainer der Lakers, nannte den Punch später „den härtesten Schlag in der Geschichte der Menschheit“. Tomjanovichs Schädel war gebrochen. Die gesamte Knochenstruktur des Gesichts hatte sich vom Schädel gelöst. Rückenmarksflüssigkeit rann durch seine Nase. Seine Verletzungen glichen denen eines Mannes, der mit 80 km/h auf eine Windschutzscheibe prallt. „Rudy T“ blieb zwei Wochen im Krankenhaus und sah in diesen Tagen nie das eigene zertrümmerte Gesicht, seine Angehörigen verdeckten alle Spiegel in seinem Zimmer. Tomjanovich und Washington waren nie wieder die Spieler, die sie vor „The Punch“ waren, und die NBA ersann in der Folge strenge Regeln, um das Kämpfen auf dem Platz zu verhindern.

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ary Payton sah es schon immer als seine Aufgabe an, Rookies, die in die NBA kamen, persönlich zu begrüßen. So auch Steve Francis, als der 1999 die Liga betrat. „Wir hatten ein Vorbereitungsspiel gegen Seattle. Gary kam kurz vor dem Sprungball zu mir, gab mir einen Kuss auf die Wange und sagte: ‚Los geht’s!‘“, erinnert sich Francis. „Dann gab es nach jedem seiner Moves einen Spruch. Einmal nannte er mich ‚punk-ass rookie bitch‘.“

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as ist eigentlich ein echter „Shooter“? Joe Dumars, Besitzer eines außergewöhnlich guten Sprungwurfs und früherer General Manager der Pistons, hatte in einem Interview einmal diese Definition parat. „Ein Shooter kann in einem Spiel 0/10 schießen – und dann am Ende, wenn die Partie auf der Kippe steht, dann geht er zum Trainer und sagt: ‚Hey Coach, gib mir den Ball, ich bin heiß!‘“ ---------------------------------------------

Fotos: Andy Hayt/Otto Greule Jr. /Allsport/Andrew D. Bernstein/NBAE via Getty Images

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Damon Stoudamires 54 Punkte gegen die New Orleans Hornets am 14. Januar 2005 in allen Ehren, aber ... der Aufbau holte nicht einen einzigen Rebound und ist damit der Spieler, der die meisten Zähler einheimste, ohne nur ein Board einzusacken. Übrigens: Die Blazers verloren 102:106.

evor die Sacramento Kings die Sacramento Kings waren, traten sie als Rochester Royals auf und spielten in der Edgerton Park Arena. Die „Arena“ war so klein, dass die Bretter direkt an die Wand geschraubt wurden. Jeder, der also zum Korb zog, konnte danach über den Geschmack von Beton berichten. Um die Verletzungsgefahr zu verringern, kam Royals-Trainer Bob Wise eine Idee. Zwei Mitarbeiter der Franchise wurden abgestellt, um bei jedem Drive zum Brett die Türen hinter den Körben zu öffnen, damit die Spieler ins Freie laufen konnten. Im Winter war diese Lösung jedoch nicht optimal, da es hinter den Türen öfter zu Schneeverwehungen kam. ---------------------------------------------

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lay the right way? Das Ego zurückstellen? In Seattle hatte Center Jerome James mit diesen Konzepten so seine Probleme. „Keine Ahnung, wovon der Coach redet. Ich kümmere mich nur um Jerome“, antwortete James, als er damit konfrontiert wurde, dass SonicsEx-Coach Nate McMillan ihn „selbstsüchtig“ genannt hatte.

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986. Das All-Star-Game in Dallas stand vor der Tür, und Larry Bird war zum Dreier-Contest eingeladen. Genau, dieser lustige kleine Wurfwettbewerb, die langweilige Stiefschwester des sexy Dunk-Contests. Nun, Larry Bird sah die ganze Angelegenheit nicht ganz so entspannt. Ab dem Zeitpunkt, an dem er erfuhr, dass er teilnehmen würde, begann Bird seinen Trashtalk. Immer wieder erklärte er sich selbst zum absoluten Favoriten. Experten und Fans wiederum sahen das ein bisschen anders. Leon Wood von den Sixers galt als Favorit – nicht zuletzt, weil Birds Wurf ein bisschen zu langsam für den Contest erschien. In Dallas angekommen, ging es für alle Teilnehmer morgens zum Wurftraining. Nach ein paar Minuten ging Bird zu Wood rüber und fragte: „Leon, ich hab dich eben beobachtet. Sag mal, schießt du anders als früher?“ Wood antwortete: „Ich denke nicht. Warum?“ „Keine Ahnung. Irgendwas an deinem Abwurf sieht anders aus. Aber mach dir mal keine Sorgen“, sagte „Larry Legend“ und stapfte davon. Wood war verstört. Was konnte dem vielleicht besten Spieler der NBA an seinem Wurf aufgefallen sein? Natürlich nichts, aber Wood fing an nachzudenken – und Bird hatte einen Konkurrenten weniger. Kurz vor dem Wettbewerb widmete sich der Celtic dann den anderen Konkurrenten. Nachdem er extra gewartet hatte, bis alle Teilnehmer in der Kabine waren, stieß er die Tür auf, ging hinein und fragte: „Okay, wer von euch spielt heute um den zweiten Platz?“ Das war Craig Hodges, der im Finale 12:22 unterlag. Er musste mit ansehen, wie Bird den letzten Ball warf und direkt den Finger in die Höhe streckte. „Ich bin der DreierKönig, ich bin der Dreier-König“, rief Larry, als er zur Seitenlinie ging.

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ezember 1997. Warriors-Coach P. J. Carlesimo und Latrell Sprewell waren schon öfter aneinandergeraten, doch an diesem Tag übertrat „Spree“ eindeutig eine Grenze. Der Coach hatte seinen Shooting Guard aus dem Training geworfen. „I’ll kill you“, brüllte Sprewell. „Do it“, antwortete Carlesimo. Zehn Sekunden lang würgte „Spree“ seinen Coach, bevor Co-Trainer und Mitspieler die beiden trennen konnten. Eine Viertelstunde nach seinem Rauswurf kehrte Sprewell wutentbrannt ins Trainingscenter zurück, rannte auf Carlesimo zu und schlug ihm mit der Faust auf den Nacken. Wieder mussten Spieler und Assistenztrainer die beiden trennen. Sprewell wurde von der NBA für die gesamte nächste Saison gesperrt, konnte sich aber nach 68 Spielen zurück in die Liga klagen. Sein Plädoyer: „Sie können mich nicht ein Jahr lang sperren. So hart habe ich ihn gar nicht gewürgt. Er konnte doch noch atmen.“

WARUM TRUG KOBE BRYANT FRÜHER DIE NUMMER ACHT? WEIL ES DIE QUERSUMME SEINER NUMMER BEIM „ABCD HIGHSCHOOL CAMP“ VON ADIDAS WAR (143).

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enn dieser Lockout noch lange dauert, muss ich vielleicht eines meiner Autos verkaufen und anfangen zu sparen“, erkannte Kenny Anderson und musste während der Aussperrung 1998 den Gürtel enger schnallen. Zu dieser Zeit zahlte der Point Guard 75.000 Dollar allein für die Versicherungen seiner acht Edelkarossen. 150.000 Dollar gingen für die Miete seiner Bude in Beverly Hills drauf. Außerdem brauchte er noch 120.000 Dollar an „Abhäng-Kohle“, wie Anderson es nannte. Da blieben bei seinem Vertrag nur knapp zwei Millionen Dollar zum Leben. Wer mag es ihm verdenken, dass er sich Sorgen machte?

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nfernee „Penny“ Hardaway war mal ein geiler Zocker, aber was er 1999 zur Einführung des neuen Tarifvertrages (der erstmals persönliche Gehaltsobergrenzen einführte) sagte, disqualifiziert ihn für immer. Hardaway damals: „Die Jungs können heute halt keine 15- bis 20-Millionen-DollarVerträge abschließen. Du musst aus Liebe zum Spiel spielen.“

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ls die Jazz 1997 Spiel vier der Finals mit 78:73 gegen die Bulls gewannen, hatten sie das auch einem BullsBetreuer zu verdanken. Der hatte den Gatorade-Spender Chicagos versehentlich mit „Gatorlode“ gefüllt, einem kohlenhydratreichen Drink, der nach einem Spiel getrunken werden soll. Michael Jordan und Scottie Pippen litten das gesamte Spiel über an Magenkrämpfen, Dennis Rodman lief vom Feld aufs Klo.


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996. Michael Jordans erste volle Saison nach seinem Ausritt in die Baseballwelt sollte gleichzeitig die beste werden, die je ein NBA-Team bis dahin gespielt hatte. Die Bulls hatten sich nach dem frühen Playoffaus in der vorangegangenen Saison mit Dennis Rodman verstärkt, und MJ brachte sich den langen Sommer über in Basketballform. Fragen, ob der Exzentriker Rodman in das Teamgefüge Chicagos passen würde, beantworteten die Bulls mit einer 41-3-Bilanz. Am Ende zerstörten MJs Bullen den alten Rekord der 1972er Lakers (69 Siege) ohne Probleme. Von den 72 Erfolgen errangen sie 33 auswärts – ebenfalls ein neuer Rekord. „Air“ scorte (30,9), Rodman reboundete (14,9), und Scottie Pippen machte ein bisschen von allem (19,4 Punkte, 6,9 Rebounds, 5,9 Assists). Zudem hatte man mit Toni Kukoc eine gefährliche dritte Option im Angriff (13,1 Punkte) und einen gnadenlosen Dreierschützen in Steve Kerr (51,5 3P%). Wie dominant waren die Bulls? Sie führten die Liga mit 105,2 Punkten pro Partie an und lagen bei der Teamdefense mit nur 92,9 Zählern auf Platz drei. In den Playoffs hatten es Mike, Scottie und Dennis auch eilig. Auf dem Weg zum vierten Titel verloren die Champs gerade drei Spiele.

Rodney White ist der einzige NBA-Profi, der je von einem Secret-Service-Agenten verhaftet wurde. Was war passiert? White war mit zwei Kumpels in einem Van durch Washington, D.C. gefahren, dabei hatte das Trio aus Spaß mit Handfeuerwaffen in die Luft geschossen – bis der Secret Service zuschlug …

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N Fotos: Sam Forencich/Andrew D. Bernstein/Charles T. Higgins/NBAE via Getty Images

eil Johnston wird kaum einer kennen, aber der Hall-of-Fame-Center führte dreimal in Folge die NBA bei den Punkten an. Nichts Besonderes? Nun, er ist der einzige Basketballer der Geschichte, der dies schaffte, obwohl sein Team in keiner der Saisons eine positive Bilanz vorweisen konnte. In der Saison nach seinem dritten Titel wurde Johnston zwar nur Dritter im Rennen um die Scoring-Krone – dafür wurden seine Warriors in diesem Jahr Meister.

Wer beim Anblick des Kaders der Lakers 2003 mit Shaq, Kobe, Karl Malone und Gary Payton feuchte Augen bekam oder den Heat ab 2011 die Larry O’Brien Trophy nach Miami schicken wollte, sollte mal die Celtics von 1962/63 checken. Damals standen mit Bill Russell, Bob Cousy, John Havlicek, Sam Jones, Tom Heinsohn, Frank Ramsey, K.C. Jones und Clyde Lovellette gleich acht (!) zukünftige Hall of Famer im Kader Bostons ... und wurden Meister.

oher kommt eigentlich der Begriff Threepeat? Nach zwei Titeln in Folge saßen Byron Scott und Coach Pat Riley von den Lakers 1988 zusammen. Sie wollten die potenzielle dritte Championship in Worte fassen, um das Team zu motivieren. Das Ergebnis des Brainstormings: Threepeat. Obwohl Scott der eigentliche Vater der Idee war, sicherte sich Riley direkt im Anschluss die Rechte an der Wortschöpfung. Die brachten ihm bis heute knapp eine Million Dollar ein, weil jeder, der „Threepeat“-­ Merchandise verkauft, Gebühren an ihn zahlen muss.

DIE BOSTON CELTICS SIND DAS EINZIGE TEAM, DAS JE EINEN QUERSCHNITTSGELÄHMTEN DRAFTETE. LANDON TURNER HATTE FÜR BOB KNIGHT AN DER INDIANA UNIVERSITY GESPIELT UND DIE NCAA-MEISTERSCHAFT 1981 GEWONNEN. EIN AUTOUNFALL BEENDETE SEINE KARRIERE ABER ABRUPT. CELTICS-GENIE RED AUERBACH DRAFTETE TURNER IN DER ZEHNTEN RUNDE DER DRAFT 1982, UM IHN ZU MOTIVIEREN. 53


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Die deutschen NBA-Karrierestatistiken*: Name D. Nowitzki D. Schrempf D. Schröder U. Blab M. Kleber D. Theis C. Welp P. Zipser M. Wagner I. Bonga I. Hartenstein T. Pleiß T. Ohlbrecht E. Harris

G 1.522 1.136 494 235 209 187 109 98 80 80 51 12 3 2

PPG 20,7 13,9 14,1 2,1 7,1 6,7 3,3 4,7 7,0 3,6 4,7 2,0 1,0 0,0

RPG 7,5 6,2 2,8 1,8 4,4 4,7 2,4 2,6 3,5 2,6 3,9 1,3 0,3 0,5

APG FG% 3P% 2,4 47,1 38,0 3,4 49,1 38,4 4,6 43,6 33,6 0,4 43,3 0,0 0,9 46,5 35,4 1,2 55,4 34,0 0,4 44,6 0,0 0,8 37,1 33,5 0,9 50,6 31,3 1,0 46,5 34,9 0,8 59,3 18,2 0,2 44,0 0,0 0,3 33,3 0.0 0,5 0,0 0,0

APROPOS TOPSCORER. NUR EIN SPIELER WURDE FÜNFMAL ZWEITBESTER PUNKTESAMMLER, GEWANN ABER NIE DEN TITEL: KARL MALONE.

*nur reguläre Saison

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ennis Rodman mochte seinen ExTrainer Chuck Daly richtig wirklich dolle. Immerhin war der Ex-Pistons-Coach wohl die erste Autoritätsfigur, die „The Worm“ so etwas wie Liebe spüren ließ. Als Daly bei den Nets anheuerte, wollte Rodman seinem Ersatzvater etwas Liebes schenken: ein lebensgroßes Porträt von … Dennis Rodman.

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Fotos: Mitchell Leff/Nathaniel S. Butler/ NBAE/ Getty Images

ie Finals 1980 schienen noch einmal eng zu werden. 3-2 führten die L.A. Lakers vor Spiel sechs im Spectrum zu Philadelphia. Kareem A ­ bdul-Jabbar, Starcenter der Lakers, trat jedoch wegen eines Bänderrisses im Knöchel die Reise gen Osten nicht an. Ohne den „Captain“ in der Mitte räumten nur die wenigsten L.A. eine Chance gegen Dr. Js Sixers ein. Als die Lakers in den Jet nach Philly stiegen, setzte sich Rookie Earvin „Magic“ Johnson demonstrativ auf den Platz Abdul-Jabbars (in der ersten Reihe des Fliegers), drehte sich um und verkündete: „Never fear, E ­ .J.­ is here!“ Die Veteranen der Lakers wussten nicht, ob sie lachen oder weinen sollten ... Am Ende waren die Einzigen, die sich Sorgen machen mussten, die Sixers. Magic spielte von der Eins bis Fünf alle Positionen und dominierte das Spiel mit 42 Punkten, 15 Rebounds und sieben Assists. L.A. schnürte Philly ein 123:107-Vize-ist-auchschön-Paket, und Magic trat mit folgenden Worten für Abdul-Jabbar vor die Kameras: „Der hier ist für dich, Langer!“

ERINNERT IHR EUCH NOCH AN JASON KIDD, WIE ER VOR FREIWÜRFEN IMMER SEINE FINGER KÜSSTE? NUN, DER POINT GUARD DER MAVS GEWÖHNTE SICH DAS BUSSELN SPÄTER AB. ANGEBLICH, WEIL SEIN SOHN IHN BEI SEINEN JUGENDSPIELEN AN DER LINIE NACHAHMTE.

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haq war mies an der Freiwurflinie? Schon mal von Chris Dudley gehört? Der Ex-Center brachte es fertig, als New Jersey Net 17 von 18 Freiwürfen zu verballern. Als Cav warf er mal fünf Freiwürfe in Folge daneben (der Gegner war dreimal zu früh in die Zone getreten) ...


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er kroatische Center Stojko Vrankovic mag ein Star in Europa gewesen sein, in der NBA bekam er trotz 1,1 Blocks pro Spiel (Karriere) keinen Respekt. Als er in der Saison 1997/98 ein Foul beging, pfiff Referee Joey Crawford, ging zum Tisch und sagte: „Loose ball foul on whatever the hell his name is!“ --------------------------------------

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innie „Microwave“ Johnson traf den spätesten Buzzerbeater in einem entscheidenden FinalsSpiel. Mit 0,7 Sekunden auf der Uhr versenkte er in Spiel fünf der Finals 1990 den Gamewinner für die Detroit Pistons gegen die L.A. Lakers. --------------------------------------

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eggie Miller war der Meister des Buzzerbeaters. Am 07. Dezember 1997 in Phoenix bewies er außerdem, dass er wunderschöne Gleichnisse verwenden kann. „Nach dem Schuss war es so leise in der Halle, dass du eine Ratte auf Baumwolle hättest pissen hören können.“ --------------------------------------

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hr denkt, die Suns waren 2004/05 gewissenlos an der Dreierlinie? Als drei Big Men der Mavs 1995/96 ausfielen, lief Dallas komplett Amok von Downtown: Gegen die Vancouver Grizzlies hievten die Mavs 44 Dreier gen Korb. Beim Aufwärmen und während der Halbzeit ließen die Coaches keinen Korblegerkreisel laufen, Dallas rannte einen Dreierdrill! (Ja, vor vielen Jahren fanden wir eine solche Story noch außergewöhnlich …)

Brian Williams (später bekannt als Bison Dele, R.I.P.) muss ein Hellseher gewesen sein. Bereits 1997 sagte er in Bezug auf Isiah Thomas: „Licht ist schneller als Schall. Deshalb scheinen manche Menschen auch schlau zu sein, bis man sie dann reden hört …“

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ärz 1962. 100 Punkte. Die Zahl ist so mächtig wie der Mann selbst. Und trotzdem nicht allzu ungewöhnlich für Wilt Chamberlain. 1961/62 dominierte sich „The Stilt“ zu 50,4 Punkten im Schnitt. Da sind die 100 „nur“ eine Verdopplung des „normalen“ Schnitts. Im ersten Viertel legte Chamberlain 23 Zähler auf, zur Halbzeit waren es 41, nach drei Durchgängen 69. Philly spielte fortan jeden Angriff über seinen Center. 46 Sekunden vor Schluss machte Chamberlain mit einem Leger die 100 voll. Die Warriors gewannen 169:147 gegen die New York Knicks. Die jubelnden Fans stürmten das Feld nach Wilts letztem Korb, und dieser musste in die Kabine flüchten. Chamberlains Stats an diesem Abend: 100 Punkte, 36 von 63 Würfen und – für ihn unglaubliche (Karriereschnitt: 51,1 Prozent) – 28 von 32 Freiwürfen. Den alten Rekord von 78 Punkten hatte WC übrigens knapp drei Monate zuvor aufgestellt.

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971 und 1972 kam es zu zwei Spielen, die bis heute fast in Vergessenheit geraten sind, weil es keine TV-Aufnahmen gibt. In beiden Jahren traten All-StarTeams der NBA und der ABA gegeneinander an. Von der jeweiligen Spielergewerkschaft zusammengestellt, sammelten sie so Geld für einen Stipendienfonds. Im ersten dieser „Supergames“ gewann die NBA-Auswahl 125:120 gegen ein B-Team der ABA – vor allem, weil die Sieger im vierten Viertel 31 Freiwürfe zugesprochen bekamen (die Schiris kamen aus der NBA), was in der Saison 1970/71 ein Ligarekord für ein GANZES Spiel gewesen wäre ... Zur zweiten Partie schickte die ABA dann die absolute Top-Garnitur. Julius Erving, Artis Gilmore, Dan Issel, Rick Barry und Mel Daniels lieferten den NBAPros Connie Hawkins, Oscar Robertson, John Havlicek, Wilt Chamberlain und Tiny Archibald eine Jahrhundertpartie. In der ersten Halbzeit galten die NBA-

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(24-Sekunden-Uhr, ohne Dreier), in der zweiten die ABA-Regeln (30-SekundenUhr, mit Dreier). Beide Teams schenkten sich nichts. Julius Erving, der gerade seine Rookie-Saison beendet hatte, war von der NBA nicht zu stoppen. Im Gegenteil. Wenige Minuten vor Schluss klaute Dr. J Superstar Oscar Robertson den Ball. Archie Clark versuchte, den Doc an der Dreierlinie zu stoppen. Erving nahm, zusätzlich von Robertson verfolgt, den Ball auf, machte seine Schritte und sprang etwas hinter der Freiwurflinie ab. „Robertson hatte diesen Ausdruck im Gesicht, der sagte: ‚Was macht der Junge da, das schafft er nie!‘“, erinnert sich der Doc. „Ich brachte den Dunk aber. Als ich geslamt hatte, sprang der Ball vom Boden genau in Robertsons Hände, der plötzlich ein ganz anderes Gesicht machte.“ Trotz des unglaublichen Dunks von Dr. J gewann die NBA mit 106:104.

Übrigens steht Phil Jackson nicht nur auf Zen-Zitate und Kriegssprüche. In seinem Buch „Maverick: More than a game“ schreibt der Ex-Hippie, dass ein LSD-Frühstück in Malibu 1973 sein Spiel nachhaltig verbessert habe. Sein Verständnis des Teamspiels habe sich in der Folge enorm verbessert, genau wie seine Liebe zum Spiel. 1973/74 war gleichzeitig mit 11,1 Punkten und 5,8 Rebounds pro Spiel Jacksons beste Saison.

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er auch immer am 06. März gegen das Team spielte, welches Shaq O’Neal in seinen Reihen hatte, musste lieber schon mal ein paar Tickets zur Seite legen. Warum? An diesem Tag erblickte der „Diesel“ einst das Licht der Welt. Da lud er gerne ein paar Freunde zum Spiel ein und erwartete, dass das Heimteam ihm schön die Tickets schenkte. Als die Lakers 2000 an Shaqs Ehrentag bei den Clippers antraten, ließen diese den Shaqster für alle Karten löhnen. Des Diesels Antwort: 61 Punkte, Karrierebestleistung und eine Warnung an alle NBA-Teams: „Lasst mich nie mehr an meinem Geburtstag bezahlen!“

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996 war Michael Jordan mehr wert als die gemeine NBA-Franchise. Werbeverträge und das Gehalt der Bulls schwemmten in diesem Jahr knapp 100 Mio. Dollar auf das Konto von „His Airness“. Zu dieser Zeit machten die NBA-Klubs im Schnitt 90 Mio. Dollar Gewinn. 56

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er 13. Mai 1994 in Chicago. Die Bulls stehen im dritten Spiel der ConferenceFinals und – 0-2 hinten liegend – mit dem Rücken zur Serienwand. Es geht gegen die Knicks, allerdings ohne Michael Jordan. Der spielt Baseball. Beim Stand von 102:102 sind noch 1,8 Sekunden zu spielen. Timeout Bulls. Scottie Pippen war das ganze Jahr lang der Go-to-Guy Chicagos. Coach Phil Jackson kritzelt in der Auszeit allerdings einen Spielzug aufs Brett, bei dem „Pip“ nur als Lockvogel für die Defense agieren soll. Toni Kukoc bekommt den letzten Wurf. Den hat Pippen gefressen, weil Manager Jerry Krause in den Rookie verliebt war und ihm die finanzielle Liebe zuteilwerden ließ, die „Pip“, der Star, nie bekam. Zum Ende der Auszeit bleibt Pippen einfach sitzen. Selbst Assistenztrainer Tex Winter kann ihn nicht dazu bewegen, auf das Feld zu gehen. „Scottie, los jetzt“, rufen ihm seine Mitspieler und Trainer zu. „Scheiß drauf“, ist seine Antwort. „Ich spiele nicht.“ Die Fans, die Coaches, die Franchise, niemand kann Pippen wirklich in der Folge vergeben. 1994 fädeln die Bulls am Draft Day sogar einen Trade mit Seattle ein, der Shawn Kemp für den Small Forward nach Chicago gebracht hätte. Die SuperSonics machen aber in letzter Sekunde einen Rückzieher. Scottie Pippen mochte Toni Kukoc übrigens wirklich nicht. Als er mal von Fans ausgebuht wurde, sagte er: „Ich habe noch nie erlebt, dass sie einen Weißen ausgebuht haben.“ Und fügte an, dass Kukoc an diesem Abend keinen Wurf getroffen habe ...

KEIN MEISTERTRAINER MUSSTE LÄNGER AUF SEINEN TITEL WARTEN ALS LARRY BROWN. ALS DER NBA-WANDERVOGEL 2004 DIE PISTONS ZUM RING FÜHRTE, WAR ER SCHON 22 JAHRE IM PROFIGESCHÄFT.


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4. Juni 1976. Der Boston Garden hatte schon viele große Spiele gesehen, aber die fünfte Partie der NBA-Finals (Stand: 2-2) dieses Jahres war der absolute Burner. Die jungen Suns hatten die Serie bis dahin offen gestaltet, und ein Sieg im Garden wäre wohl die Vorentscheidung zugunsten von Phoenix gewesen. Nach Ende der regulären Spielzeit stand es 95:95. Overtime. Auch nach den fünf Extraminuten führte noch kein Team, obwohl die Suns die Chance dazu gehabt hätten. Celtic Paul Silas gab kurz vor Ende der Verlängerung ein Timeout-Zeichen. Boston hatte jedoch keine Auszeit mehr. Die Folge wäre ein Technisches Foul und Freiwurf für Phoenix gewesen. Wäre. Die Schiris

ignorierten Silas’ Signal und ließen weiterspielen – ein typisches Beispiel für den Heimvorteil, den die Celtics in dieser Zeit genossen. Die zweite Verlängerung lief, wie es die Fans im Garden schon so oft erlebt hatten. Vier Sekunden vor Schluss führten die Suns noch mit einem Punkt, als John Havlicek über das Feld raste und aus fünf Metern mit Brett traf. Hunderte Bostonians stürmten den Court, und die Celtics liefen – sicher, dass sie gewonnen hatten – in die Kabine. Die Referees bestimmten allerdings, dass noch eine Sekunde zu spielen war. Die Fans mussten den Parkettboden räumen, die Celtics wurden aus dem Lockerroom geholt, und Suns-Guard Paul Westphal hatte

eine Idee. Phoenix besaß kein Timeout mehr. Also nahm er eine Auszeit – wohl wissend, dass die Celtics einen Freiwurf und die Suns im Anschluss Einwurf an der Mittellinie bekommen würden. Boston führte mit zwei Punkten, als Suns-Forward Gar Heard den Ball fing, sich drehte und einen Rainbowjumper traf. Die dritte Overtime glich den finalen Runden eines Schwergewichtskampfes. Beide Teams hatten bereits einige wichtige Spieler durch Fouls verloren, und es war Glenn McDonald, ein selten eingesetzter Ersatz-Celtic, der das Spiel mit sechs Punkten im letzten Durchgang entschied. Boston gewann 128:126 und wenige Tage später seine 13. Championship.

Fotos: Nathaniel S. Butler/NBAE via Getty Images

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985. Der Draftday dieses Jahres wurde zum Tag der Deutschen. An Nummer acht ging Detlef Schrempf (Washington University) über den Drafttisch, und als 17. Pick dieser Saison wurde Uwe Blab von der University of Indiana in die NBA geholt. Die Franchise, die beiden einen Arbeitsplatz gab? Die Dallas Mavericks. Damit nicht genug. Gunther Behnke hätte als Fünftrunden-Pick vielleicht eine Zukunft bei den Cavs gehabt, ging aber nie in die NBA. Während Blab (2,16 Meter) bei den Profis das Vorurteil vom steifen weißen Center bediente und nach fünf enttäuschenden Saisons die Liga verließ, wurde Schrempf zum Star. Ein Trade zu den Pacers brachte ihm endlich mehr Spielzeit. Die Folge: drei Berufungen zum All-Star-Game, zweimal hintereinander gewann er den Best-Sixth-Man-Award. Mit den Seattle SuperSonics stand er 1996 sogar im NBA-Finale, unterlag aber damals mit 2-4 gegen die Chicago Bulls. Also genau zehn Jahre bevor Dirk Nowitzki und die Mavs 2-4 gegen die Heat untergingen. Als dritter Deutscher kam 1987 Chris Welp in die NBA. Doch nach zwei Jahren bei den Sixers und einer Saison in Golden State war für Welp Sense. Ach ja, den vierten Germanen, den die Manager in Dallas 1998 wohl aus purer Gewohnheit am Drafttag aus Milwaukee holten, dürftet ihr auch so kennen … und aktuell sind Deutsche in der NBA ja irgendwie keine so große Besonderheit mehr.

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kay, viele NBA-Stars hatten eine harte Kindheit, wuchsen in den härtesten und miesesten Vierteln diverser US-Millionenstädte auf, kamen mit Waffen in Kontakt. Geschenkt. Keiner von ihnen hätte aber wohl die Traute gehabt, ohne Halbautomatik einen Löwen zu erlegen. Nicht so Manute Bol. Dem reichte – als er 15 Jahre alt war – ein einfacher Holzspeer. Notiz am Rande: Zur Verteidigung von Mutter Natur sollte erwähnt werden, dass der Löwe zur Zeit der Heldentat am Schlafen war ...

A Chris Webber brach 1994 die Herzen aller Warriors-Fans. Nach einem Streit mit Coach Don Nelson wurde „C-Webb“ nach Washington getradet. Eigentlich keine so ungewöhnliche Begebenheit, hätte Webber nicht als Rookie einen Fünfzehnjahresvertrag über 74 Mio. Dollar unterschrieben – in dem schon nach einem Jahr eine Ausstiegsklausel eingebaut war! Drei Draftpicks und Tom Gugliotta bekamen die Warriors, Washington zahlte dem Power Forward 58,5 Mio. Dollar für sechs Jahre und andauernde Schulterverletzungen.

m 12. Oktober 1997 kam es im Mirage Hotel zu Las Vegas zum wohl kuriosesten Vorfall in der Karriere von Dennis Rodman. Dort spielte „D-Rod“ einige Runden „Craps“ (Würfel-Glücksspiel). Um seinen Würfeln die nötige Motivation einzuhauchen, dachte sich Rodman – kreativ, wie er nun mal ist – eine besondere Taktik aus. Vor jedem seiner Würfe nahm er die Spielgeräte und rieb sie an Körperteilen des Bankhalters am Tisch. Der hätte dies wohl noch durchgehen lassen, wenn „The Worm“ sich auf den Kopf, die Brust und den Bauch des Mannes beschränkt hätte. Als Rodman aber die Würfel an ... nun ... den Würfeln des Croupiers rieb, wurde es diesem zu bunt. Die Anzeige kostete Rodman 80.000 Dollar.

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anchmal geht alles sehr schnell. Kaum die Schwester eines lokalen Gang-Mitglieds in einem Club angemacht, bricht das Chaos los. Eine Faust ohne Vorwarnung im Gesicht, eine Flasche aufs rechte Auge, elf Messerstiche. Stichwunden im Rücken, im Lungenflügel, im Zwerchfell und im Bauch – Paul Pierce kann froh sein, dass er diesen Zwischenfall in einem Bostoner Nightclub am 25. September 2000 überlebte. Doch auch das Heilen ging bei „The Truth“ schnell. Der Celtic verpasste kein Spiel der folgenden Saison und führte Boston mit 25,3 Punkten pro Spiel an. 57


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piel sieben. Die ultimative Prüfung. Die gesamte Saison hängt an 48 Minuten. Die ganz Großen leben für diese Momente. Während alles um sie herum in Panik versinkt. Wenn Fans die Hände zu schwitzen beginnen und Mitspieler offene Würfe verweigern, dann wollen die Stars den Ball. So wie Dominique Wilkins von den Atlanta Hawks und Boston Celtic ­Larry Bird am 22. Mai 1988. Das siebte Spiel der zweiten Playoffrunde. Hier Wilkins, der „Human Highlight Film“, der schon aus Prinzip nur über Korbniveau punktete. Dort Bird, der Mann mit dem ironischsten Nachnamen aller Zeiten. Das Einzige, was in seinem Spiel flog, war der Ball – dafür aber meistens in den Korb. Nach drei Vierteln führte Boston 84:82. Die Celtics waren zu Hause im heiligen Boston Garden, die Fans sich ihrer Sache aber nicht sicher. Atlanta hatte Bird im Griff, gerade 14 Punkte hatte er bis zu diesem Zeitpunkt geliefert. Wann immer „Larry Legend“ dribbelte, umschwärmten ihn zwei oder drei Verteidiger. Wilkins hingegen hatte nach 36 Minuten bereits 31 Zähler. Er war zu schnell, zu sprunggewaltig für die alternden Celtics. Die letzten zwölf Minuten dieses siebten Spiels wurden zu einem Kampf der Systeme. Wilkins dunkte, traf „Wie hat er das gemacht?“Korbleger, brachte Jumper, bei denen er aufrecht über einen Kühlschrank hätte springen können, und kam auf 47 Punkte. Bird täuschte, kam um Blöcke herum, Fadeaways, Giveand-go, spielte Assists über die gesamte Spielfeldlänge. 20 Zähler fundamentalisierte er so im letzten Durchgang, 34 insgesamt. „Es war so, als würden zwei Revolverhelden aufeinander losgehen“, erinnert sich Bostons Kevin McHale. „Es ging nur: Bumm, bumm, bumm! Larry scorte, dann Dominique. In einer Phase zeigten die beiden vier Minuten lang den reinsten und schönsten Basketball, den es geben kann.“ Am Ende reichte es für die Celtics zu einem 118:116-Sieg. „Nach vielen Spielen fragst du dich, was du noch hättest tun können“, sagte Wilkins später. „Aber nicht heute. Ich kann ehrlich behaupten, dass ich alles getan habe. Wir alle haben das getan.“

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uch Scottie Pippen hatte mal über einen anderen NBA-Profi wenig Schmeichelhaftes zu sagen. Und zwar über Charles Barkley, mit dem er eigentlich in Houston zusammen mit Hakeem Olajuwon und Clyde Drexler einen Ring holen wollte. Nur leider war der „Sir“ damals nicht wirklich in Topform: „Ich würde mich nicht bei Charles Barkley entschuldigen, wenn man mir eine Waffe an den Kopf hält. Wenn überhaupt, schuldet er mir eine Entschuldigung, weil er immer mit seinem zu fetten Arsch zum Spiel kam.“

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m Sommer 1998 stand die NBA am Abgrund. Das Collective Bargaining Agreement (so etwas wie der Tarifvertrag zwischen NBA-Spielern, der Liga und den Teams) wurde aufgekündigt und neu verhandelt. Besitzern wie Veteranen schmeckten einige Punkte an der alten Regelung nicht mehr. Rookies und junge Talente trieben unter dem alten Kontrakt ihre Gehälter in von den gestandenen Profis nie erreichte Höhen. Um die explodierenden Kosten aufzuhalten, wollte die Liga eine feste Gehalts­o bergrenze, die Gewerkschaft das Gegenteil sowie höhere Mindestgehälter für die „Kleinen“ in der Lohnhierarchie. Alle Beteiligten hatten die gesamte Offseason Zeit, um eine Regelung zu finden, schafften es aber nicht. Die Konsequenz: Die Spieler wurden ausgesperrt, durften weder bei ihren Klubs trainieren noch Kontakt zu den Coaches aufnehmen. Der sogenannte Lockout dauerte 191 Tage. 32 Spiele sowie das All-Star-Game waren verloren. Hätte die Aussperrung nur 29 Stunden länger gedauert, wäre auch die folgende 50-Spiele-Saison ausgefallen. Am Ende siegte San Antonio mit Tim Duncan, David Robinson und Sean Elliott in den Finals gegen die New York Knicks mit Latrell Sprewell, Allan Houston, Marcus Camby, Patrick Ewing und Larry Johnson mit 4-1. Bis heute wird die Saison 1998/99 als „Sternchen-Saison“ bezeichnet, weil sie verkürzt und der Titel nicht so schwer zu gewinnen war. Die Spurs kümmert das nicht.

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ass Michael Jordan und der ExGeneral-Manager der Bulls, Jerry Krause,­ keine Freunde waren, ist allgemein bekannt. Nach den Finals 1993 aber litt ein komplett Ahnungsloser unter der Fehde zwischen Star und Führungskraft: Dan Majerle. Krause hatte Majerle 1988 unbedingt draften wollen. Er sprach immerzu davon, wie komplett das Spiel des Swingman in Angriff und Verteidigung sei. MJ war genervt, in seinen Ohren klang es so, als wäre dieser Majerle sogar gut genug, um ihn zu stoppen. Schlussendlich entschied sich Krause bei der Draft für Will Perdue als Backup-­C enter, seiner Vergötterung für Majerle aber tat das keinen Abbruch. Deshalb schaltete Jordan bei jedem Treffen zwischen den Bulls und den Suns, wo Majerle spielte, einen Gang höher. Den Höhepunkt erreichte die Fehde während Spiel sechs der Finals 1993. Als John Paxson nach Pass von MJ den entscheidenden Dreier durch den Ring ballerte, rannte Jordan zum Korb, schnappte sich den Ball und hielt ihn hoch. Anstatt aber die Freude über den Sieg in die America West Arena zu brüllen, kamen folgende Worte aus dem Mund von „His Airness“: „Dan Majerle – my fucking ass!“

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ls Rasheed Wallace 1996 von den Washington Bullets zu den Portland Trail Blazers getradet wurde, machten schon länger Gerüchte über seine schwierige Persönlichkeit die Runde. Auf seiner Antrittspressekonferenz in Portland wollte Wallace den Kritikern wohl den Wind aus den Segeln nehmen. Deshalb erschien er dort in einem T-Shirt mit der Aufschrift „Fuck what ya heard!“.

8. Mai 1970. Es war der wohl größte Moment in der Geschichte der NBA-Finals. Spiel sieben im Madison Square Garden. Knicks vs. Lakers. Willis Reed, Star-Center New Yorks, lag in den Katakomben der berühmtesten Arena der Welt. Draußen machte sich in der Menge Ratlosigkeit breit. Würde Reed spielen, nachdem er Spiel sechs wegen eines gerissenen Oberschenkelmuskels aussetzen musste? „Ich wollte auflaufen. Es ging um die Meisterschaft, den einen großen Moment, für den du dein ganzes Leben lang spielst“, sagte Reed später. „Ich wollte nicht 20 Jahre später zurückschauen und sagen: ‚Ich wünschte, ich hätte damals gespielt.‘“ Also ließ er sich vom TeamArzt eine Kortisonspritze geben. Die Schmerzen halbwegs betäubt, humpelte der Knicks-Kapitän Minuten vor Spielbeginn unter einer donnernden Standing Ovation auf das Parkett. Reed machte die ersten vier Punkte der Knicks, bevor der Muskel „zumachte“. New York gewann 113:99 und war zum ersten Mal Meister.


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piel eins der Finals 1995. Die Magic um Shaq und Penny Hardaway sind Gastgeber für Hakeem Olajuwons Rockets. Houston ist Titelverteidiger, Orlando voller Young Guns, die schon vor dem ersten Sprungball von der Gründung einer Dynastie reden. Zehn Sekunden vor Schluss führen die Magic mit 110:107, als Hardaway einen Offensivrebound holt, zu Nick Anderson passt und dieser gefoult wird. Zwei Schuss. Anderson hatte in der regulären Saison 70,4 Prozent seiner Freiwürfe getroffen. Er tritt an die Linie, ein „Klank“ zerbricht die Totenstille in der Halle. Egal. Trifft der zweite, führt Orlando mit vier. Wieder „klank“. Anderson hechtet nach vorne, sichert sich irgendwie den vom Ring abspringenden Ball. Foul. Zwei Schuss, wieder für Anderson. Anderson verfehlt auch den dritten Freiwurf. Und den vierten ... Zeit für andere, zum Helden zu werden. 1,6 Sekunden sind noch zu spielen, als Houstons Guard Kenny Smith den Ball bekommt, kurz dribbelt, täuscht, abhebt und gegen Hardaway einen Dreier fliegen lässt, der ganz ohne Geräusch durch den Ring schneidet. Overtime. Die Entscheidung fällt 0,3 Sekunden vor Schluss. Clyde Drexlers Versuch geht zwar daneben, aber Hakeem Olajuwon tippt den Rebound in den Korb. Die Rockets führen 1-0, die Magic gewinnen kein Spiel mehr in der Serie. Anderson? Er wird für den Rest seiner Karriere nie mehr 70 Prozent von der Linie treffen.

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m Jahr 2000 verpasst Allen Iverson in Miami das morgendliche Schusstraining seiner Sixers, woraufhin ihn das Team für das folgende Spiel gegen die Heat suspendiert. „Ich habe ihnen gesagt, dass ich mich nicht wohlfühle, da hätten sie mir einfach glauben sollen“, sagte Iverson später der Presse, wurde dann aber gefragt, ob sein Wohlbefinden unter einer durchzechten Partynacht gelitten habe. Iversons Antwort: „Stellt mir nicht so blöde Fragen … Denkt ihr, ich komme aus dem kalten Philadelphia hierher ins Warme und mache dann keinen drauf?“ Es gab also schon vor LeBron NBA-Profis, die ihre Talente zum South Beach brachten …

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ie Philadelphia 76ers der Saison 1972/73 sind das mieseste Team aller Zeiten. Damals gewannen die Sixers nur neun ihrer 82 Begegnungen! Philly­ begann die Spielzeit mit 15 Niederlagen in Folge, nur um wenig später eine 20-Pleiten-Serie folgen zu lassen. Philadelphia verlor in dieser Spielzeit Partien in 22 amerikanischen Städten. Eine bemerkenswerte Leistung, da die NBA damals nur aus 17 Teams bestand. Dies war möglich, weil viele Teams in den 70er Jahren öfter ihre Heimspiele – aufgrund von Terminproblemen in den Hallen – in Nachbarstädten austragen mussten.

Fotos: Nathaniel S. Butler/Noren Trotman/NBAE via Getty Images

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RIP HAMILTON IST DER EINZIGE NBA-SPIELER, DER JE SEIN TEAM BEI EINER PARTIE ALS TOPSCORER ANFÜHRTE, OHNE EINEN FELDWURF VERWANDELT ZU HABEN. HAMILTON WARF AM 06. JANUAR 2005 GEGEN DIE GRIZZLIES 0/10 AUS DEM FELD, TRAF ABER ALLE 14 FREIWÜRFE. DIE PISTONS VERLOREN 79:101.

iele Leute werden Glenn „Doc“ Rivers bemitleidet haben, als er seinen Trainerdienst bei den Boston Celtics antrat. Nach der Pleite in Orlando zu dieser Trümmertruppe? Ricky Davis? Gary Payton? Dann doch lieber arbeitslos. Der Mann musste Masochist sein. War er nicht. Rivers hat halt schon weitaus Schlimmeres erlebt, da konnten ihn selbst die Celtics anno 2004/05 nicht schocken. Das Glas ist für Doc immer halb voll. An der Marquette University lernte er als Student eine Kommilitonin namens Kris kennen. Kris ist weiß, Rivers schwarz. Kein Problem. Auch wenn er regelmäßig angepöbelt, das Auto zerkratzt und auf den Fußweg vor Kris’ Wohnung dick „NIGGERLOVER“ gepinselt wurde. Die beiden gaben die einzig richtige Antwort: Sie heirateten. Nach seiner NCAA-Laufbahn wurde Rivers von den Hawks gedraftet und spielte 13 Jahre in der NBA. Zuletzt in San Antonio. Dort lebten die Rivers in einem hübschen Haus mit Erinnerungsstücken und dem gemeinsamen Hund Ginger. Bis 1997 Rassisten der Idylle ein Ende setzten. Sie brannten Rivers’ Heim nieder, der Hund starb mit den Erinnerungen. Rivers nahm es äußerlich gelassen. Was sollte er auch tun? Er musste für seine Frau und Kinder stark sein. „Das Schlimmste ist, dass der Hund blind war“, sagte er. „Dieser Hund hat die Clippers überlebt. Die Clippers! Wenn du das überlebst, solltest du eigentlich alles durchstehen.“ Übrigens: Rivers hat einen leichten Converse-Tick. Er spielte nicht nur in Cons: Bei seiner Hochzeit mussten alle Blumenkinder und Bedienungen rosafarbene Chucks tragen.

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hil Jackson steht nicht nur auf ZenZitate, er hat auch ein paar handfestere Sprüche am Start. Als Toni Kukoc sich in einer Playoffpartie gegen die Heat einem gerade umgeknickten und deshalb nur humpelnden Chris Gatling gegenübersah, machten die anderen Bulls Platz. Kukoc sollte locker ziehen. Doch der Kroate hielt lieber von der Dreierlinie drauf und verfehlte. „Toni, genau deshalb hat Kroatien noch nie einen Krieg gewonnen“, ätzte Jackson später. 59


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GEORGE KARLS ERFOLGSREZEPT IN SACHEN COACHING IST LEGENDE, AUCH WENN ES BISHER BEZÜGLICH EINER MEISTERSCHAFT WENIG GEHOLFEN HAT. „IN JEDEM SPIEL, DAS ICH COACHE, LASSE ICH EINFACH HÄNGEN. ICH TRAGE KEINE UNTERWÄSCHE“, ERKLÄRTE KARL. „ES GIBT DA EINEN ALTEN ABERGLAUBEN IM TRAINERGESCHÄFT, DEN ICH BEFOLGE: WENN ES ENG WIRD, GREIF DEIN LINKES EI.“

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ohn Starks war „on fire“. 16 seiner 27 Punkte hatte der Shooting Guard im sechsten Spiel der NBA-Finals 1994 gemacht. Trotzdem lagen seine Knicks gegen die Houston Rockets mit 84:86 hinten. Spiel sieben drohte. Also nahm Starks die Hoffnungen ganz New Yorks in die eigenen Hände und entschied sich gegen einen Korbleger oder etwa den Pass in den Lowpost zu Patrick Ewing. Wenn schon, denn schon. Sechs Sekunden vor Schluss katapultierte sich Starks an der Dreierlinie in die Höhe. Er war sich seiner Sache sicher. Wie gesagt, der Guard war heiß – alles, was seine Hand verließ, fand Netz ... Leider war auf der anderen Seite Hakeem Olajuwon nicht minder gut drauf. Mit fünf Fouls belastet, rannte er auf Starks zu, als dieser den Ball losließ. „Dream“ streckte seine 2,13 Meter aufs Maximalste und streifte Starks’ Wurf. Es war kein Monsterblock, der Ball flog weiter, den Korb erreichte er nicht mehr. „Ich kann nicht glauben, dass er den Dreier nahm“, sagte Olajuwon später kopfschüttelnd. „Er hat einfach kein Gewissen.“ Letzteres zeigte sich wenige Tage später in Spiel sieben. Starks ballerte, als sähe er sich gleichzeitig John Wayne, Billy the Kid und Rambo gegenüber. Seine Bilanz: zwei von achtzehn Würfen, elf davon Dreier – von denen er nicht einen verwandelte. Houston gewann auch das siebte Spiel und wurde Champion.

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ick Motta war es leid. 1980 coacht er die Dallas Mavericks. „In diesem Team haben wir Jungs mit miesen Verträgen, Jungs mit einer miesen Einstellung und welche, die eben einfach mies sind“, sagt er damals über seine Mannschaft. Während der Halbzeit eines Spiels bei den Warriors, in dem die Mavs nicht ums Verrecken um Rebounds kämpfen wollen, begegnet der Trainer auf dem Weg in die Kabine einer Frau, die einen Tiger und einen Schimpansen an einer Leine führt. Motta folgt ihr zurück zum Spielfeld. Dort wirft der Affe auf einen Korb, trifft alles, und der Tiger reboundet für ihn mit seinem Maul. Als die Show vorbei ist, fragt Motta, ob der Tiger zahm sei. „Sehr zahm“, bekommt er als Antwort. Zwei Minuten später steht der Coach vor seinem Team in der Kabine. Motta rastet komplett aus. „Wenn ihr nicht anfangt zu rebounden, werde ich hier andere Saiten aufziehen“, brüllt er und verschwindet durch die Kabinentür. Während sich die Profis gelangweilt anschauen und schon aufstehen wollen, kommt Motta, den Tiger an der Leine führend, zurück in die Kabine gestürmt. „Wenn ihr nicht anfangt, um den Ball zu kämpfen, wird dieser Tiger euch alle fressen“, brüllt er. „Ich denke, die Jungs nahmen das zu ernst“, lacht Motta heute. „Sie fanden es nicht besonders witzig. Ich hätte vielleicht lieber dem Affen ein Trikot geben sollen. Verdammt, der hatte einen besseren Wurf als alle meine Guards in dem Jahr.“

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ed Auerbach gewann in seiner Zeit als Coach neun Meisterschaften mit den Celtics und war der Architekt von 16 der 17 Championship-Teams Bostons. Kein Wunder, dass er, die Legende, ein bisschen arrogant wurde. War eine Partie in seinen Augen entschieden, zündete sich der gute Red auf der Bank eine fette Zigarre an. Wie gesagt, in Reds Augen entschieden ... Da kam es dann auch mal vor, dass der Chef schon im dritten Viertel zum Streichholz griff. Wie groß ist Auerbach in Boston? Als er sich einmal in einem Fischrestaurant genüsslich eine Havanna anzündete, kam direkt eine nette jüngere Bedienung, um ihn darauf hinzuweisen, dass in diesem Lokal nicht geraucht werden dürfe. Auerbach lächelte, bat die Kellnerin, ihm doch bitte die Karte zu bringen, und zeigte ihr das Kleingedruckte unter dem Hinweis „Rauchen verboten“. Dort stand: „außer für Red Auerbach“. Erst als er 1966 als Coach der Boston Celtics zurücktrat, wurde im Boston Garden das Rauchen verboten.

m 09. April 1998 gewannen die Pacers gegen Atlanta mit 105:102. Diese Begegnung war die bis heute letzte, in der in einem Team alle eingesetzten Spieler mindestens zehn Punkte erzielten. Am 22. November 1950 gab es letztmalig genau das gegenteilige Phänomen. Kein Fort Wayne Piston konnte gegen die Lakers aus Minneapolis zehn Punkte erzielen. John Oldham kam als Topscorer auf fünf Zähler.

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003. All-Star-Weekend in Atlanta. Jordans letzter Auftritt, die ganze Stadt ist eine Riesen-Party, ein Mega-Event! Wer will da nicht vom Hype profitieren? Snoop Dogg und sein Partner Bishop Don Juan wollten. Zusammen veranstalteten sie „The World’s Most Famous Players Ball“ im örtlichen Club Mirage. Eintritt 60 Dollar. Dumm nur für das Ansehen der Stadt, dass Snoop und Co. keine normale Party organisierten, sondern eine „Pimp Convention“ (lies: einen Kongress für Zuhälter). Weder die NBA noch die Stadtväter Atlantas waren amused.


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uintin Dailey war wohl recht langweilig auf der Bank bei einem Game gegen die Spurs 1985. Kein Wunder, spielte er doch hinter Michael Jordan bei den Bulls. Aber bei allem Verständnis für den Frust eines Bankdrückers: Einem Balljungen während der zweiten Hälfte aufzutragen, sich fünf Dollar von einem Reporter zu borgen, damit zu einem der Erfrischungsstände der Halle zu laufen, eine Pizza zu kaufen und diese postwendend zurückzubringen, sprengt den Rahmen dann doch. Coach Kevin Loughery und Daileys Mitspieler trauten ihren Augen nicht, als der Shooting Guard die bestellte Margherita genüsslich auf der Bank verputzte.

Kevin Garnett nannte lange den dicksten Vertrag der NBA-Geschichte sein Eigen (126 Mio. Dollar über sieben Jahre) – Generationen von Garnetts werden nie arbeiten müssen. Als Rookie machte „KG“ trotzdem unglaublich schwere Zeiten durch, wie er 2002 der „GQ“ verriet. Garnett: „Die Dinge, die ich durchmachen musste, seit ich

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s ist die größte „Was wäre, wenn?“-Geschichte aller Zeiten. Was wäre gewesen, wenn Len Bias, Collegestar aus Maryland, für die Celtics gespielt hätte? „Das ist meine 24. Saison an der Duke University“, sagte Coach Mike Krzyzewski gegenüber dem „Boston Globe“, „und in all den Jahren gab es zwei Spieler, die herausragend waren: Michael Jordan und Len Bias.“ Am 17. Juni 1986 draftete Boston den Small Forward an Nummer zwei. Der größte Collegestar neben den amtierenden Champs Larry Bird, Kevin McHale, Robert Parish, Danny Ainge und Dennis Johnson. Bird selbst versprach, extra ins RookieTrainingscamp zu kommen, um mit dem Neuen zu arbeiten. 48 Stunden später lag der 22-Jährige regungslos in seinem Studentenzimmer an der University of Maryland. Sein Herz schlug nicht mehr. Len Bias starb, bevor er je das CelticsTrikot getragen hatte. Ursache: eine Überdosis Kokain.

in die NBA kam ... keiner wird mir glauben,

18. MÄRZ 1995. DIE PRESSEMIT TEILUNG WAR KURZ UND BÜNDIG. DREI WORTE. „I’M BACK.“ NACH 893 TAGEN ENDETE SOMIT DIE ERSTE BASKETBALLRENTE UND DIE BASEBALLKARRIERE MICHAEL

wie hart das war ... mein erstes Haus zu kaufen, das war verdammt hart!“

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9. April 1978. Nie war das Duell zweier Ligatopscorer so eng. Die beiden ExABA-Stars George „Iceman“ Gervin (Spurs) und David Thompson (Nuggets) trennten am letzten Spieltag der Saison 1977/78 gerade 0,2 Punkte. Thompson spielte zuerst gegen die Pistons und entflammte spontan nach dem Sprungball. 32 Punkte in Viertel eins (NBARekord), 53 zur Halbzeit, 73 am Ende. Gervin, mit seinen Spurs in New Orleans, wusste, was Sache war. 58 Dinger, oder die Krone würde in die Rockies wandern. Also ließ „Ice“ den Fingerroll sprechen. 20 im ersten Durchgang, 33 (NBA-Rekord: Eat this, David!) im zweiten. Gleich nach der Pause tütete Gervin dann den Titel mit sechs weiteren Zählern ein und setzte sich erst mal auf die Bank. Irgendwann checkte „Ice“ dann noch einmal zurück und beendete das Spiel mit 63 Punkten. Am Ende hatte er einen Schnitt von 27,22 – während Thompson mit 27,15 nur der zweite Platz blieb.

JORDANS. 19 PUNKTE ERZIELTE „HIS AIRNESS“ AM NÄCHSTEN Fotos: Focus on Sport/Nathaniel S. Butler/NBAE via Getty Images

ABEND BEI DER 96:103-NIEDERLAGE GEGEN DIE PACERS. AUCH IN DEN PLAYOFFS HAT TE MJ TROTZ SEINER 31,5 PUNKTE DIE ALTE MAGIE NOCH NICHT WIEDERGEFUNDEN. DIE BULLS UNTERLAGEN MIT 2-4 GEGEN DIE ORLANDO MAGIC UM SHAQ O’NEAL UND PENNY HARDAWAY IN

Dass Bill Russell vor jedem wichtigen Spiel vor Aufregung erst mal auf dem Lokus seinen Mageninhalt in die Unterwelt spuckte, ist bekannt. Weniger verbreitet ist die Tatsache, dass die Celtics der 50er und 60er Jahre ohne Russell’schen Komplettauswurf öfter in die Bredouille gerieten. Deshalb ließ Bostons Coach Red Auerbach auch einmal sein Team das Aufwärmen vor einem Spiel sieben gegen Philadelphia abbrechen. Die Order des Trainers: Bevor Russell nicht gekotzt hat, spielen wir nicht ...

DER ZWEITEN RUNDE. 61


5

B

retro-Five

Facts

ill Laimbeer ist der meistgehasste Spieler der NBA-Geschichte. Das wusste auch Charles Barkley, als er mit den Sixers am 19. April 1990 in Detroit spielte. Laimbeer war Center der Bad Boys und berüchtigt für seine miesen versteckten Fouls. Noch im Vorjahr musste sich Billy Boy aber nie Sorgen machen, für seine dreckigen Taten auch zahlen zu müssen. Rick Mahorn, einer der meistgefürchteten Spieler, die die NBA je hatte, wachte an seiner Seite als Power Forward. Wer sich mit Laimbeer anlegte, bekam es mit ihm zu tun – und das wollte niemand, der nicht einen tiefen Invaliditätswunsch hegte. 1990 war Mahorn jedoch auf der anderen Seite. Detroit hatte ihn in der Expansion Draft nicht geschützt, und er war von den Timberwolves gedraftet worden. Nach Minnesota zog es den ziemlich angepissten Mahorn nicht wirklich. Also versuchte er, in Europa anzuheuern, woraufhin ihn die T-Wolves nach Philly tradeten. Am Abend des 19. April kamen die Sixers mit einer Mission zum Palace of Auburn Hills: Ein Sieg gegen die Pistons würde den ersten Divisionstitel seit der Meistersaison 1983 bedeuten. Detroit hingegen stand schon als das Team mit der besten Bilanz im Osten fest. Kaum in der Halle angekommen, rief Barkley einen Balljungen zu sich. Dieser überreichte

und

Storys

wenig später einem verdutzten Laimbeer eine Nachricht. Lang war sie nicht: „Lieber Bill, fick dich! In Liebe, Charles Barkley.“ Das gesamte Spiel über trieben Sir Charles und Mahorn Laimbeer in den Wahnsinn. Wann immer sie sicher waren, dass er es hören konnte, riefen sie: „I smell pussy ...“ Der Piston sagte nichts, seine Peiniger sahen ihm allerdings an, dass er kochte. 14,8 Sekunden vor Schluss war er gar. Die Sixers führten schon mit 103:95. Da slamte Mahorn im Fastbreak und wurde von Dennis Rodman gefoult. Es folgte eine abfällige Geste vom Sixer, die ohne Folgen blieb, bis Laimbeer eintraf und den Ball in Mahorns Gesicht drückte. Während der Sixer nicht reagierte, brachte die Aktion Barkleys Fass zum Überlaufen. Chuck schlug aus vollem Lauf zu, landete zwei, drei Treffer (von denen einer Laimbeers Auge verbeulte), das Parkett des Palace wurde zur Hafenkneipe. Beide Spielerbänke leerten sich. Zehn Minuten lang gab es richtig auf die Kasse. Selbst Pistons-Reservist Scott Hastings wollte dabei sein. Er schlug den am Boden liegenden Sir Charles mit voller Wucht in den Rücken. Chucks Kommentar: „Hastings sollte erst mal Spielzeit bekommen, bevor er Leute schlägt.“ Am Ende kostete der Spaß alle Beteiligten 162.500 Dollar an Strafen.

C

hris Mills (Ex-Warrior) und Bonzi Wells (Ex-Blazer) werden nie Freunde. Nachdem Wells in einem Spiel 2002 Mills von hinten auf den Kopf schlug, brach erst das Chaos auf dem Feld aus. Dann nach Abpfiff versuchte Mills, sich Zutritt zur Kabine der Blazers zu verschaffen. Als ihm das nicht gelang, duschte er kurz, rief ein paar Kumpels und versperrte dem Teambus der Blazers mit einem Auto den Weg. Seine Forderung: Wells solle aussteigen und kämpfen. Als ihm diese Bitte nicht erfüllt wurde, folgte er dem Bus bis zum Flughafen. Die Blazers fanden dies nicht sonderlich witzig, viele duckten sich die gesamte Fahrt über aus Angst, Mills und seine Freunde würden ohne Warnung das Feuer­ auf den Bus eröffnen … -----------------------------------------

P

ete Maravich war nicht nur ein Zauberer auf dem Feld, sondern leider auch ein Prophet. „Ich will nicht zehn Jahre in der NBA spielen und dann mit 40 Jahren sterben“, sagte „Pistol Pete“ 1974 in einem Interview. Am 05. Januar 1988 brach er, 40 Jahre alt, beim Zocken mit ein paar Kumpels in Pasadena, Kalifornien, tot zusammen. Seine letzten Worte: „Ich fühle mich großartig.“ -----------------------------------------

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s gab Zeiten, da galten die Kings als das Schlimmste, was einem NBA-Profi passieren konnte. So auch am 07. Februar 1987. Sacramento trat bei den Lakers an und war wohl mit den Gedanken noch im Flieger, als der Ball zum Jump hochflog. Die ersten 22 Feldwürfe der Kings fanden nicht das kleine Loch in der Mitte des Rings. Bevor sie endlich einen Freiwurf verwandelten, stand es 0:29. Das erste Viertel endete 4:40 und ohne Feldkorb der Kings. Das Spiel endete 92:128. -----------------------------------------

L

C

eltics-Legende Bill Russell ist ein Winner, keine Frage. Immerhin hat er elf Meisterschaftsringe. Weniger bekannt: Russell stand während seiner Karriere in zehn „siebten Spielen“ und gewann sie alle! Acht davon im Boston Garden, fünf in den NBA-Finals.

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atrell Sprewell mag P.J. Carlesimo gewürgt haben, gegen Spencer Haywood jedoch ist „Spree“ harmlos wie ein Schülerlotse. Während der Saison 1979/80 spielte Haywood bei den Lakers unter Coach Paul Westhead. Doch zu dieser Zeit war der Ex-All-Star nur noch ein von Drogen zerfressener Schatten seiner selbst. Konsequenterweise schmiss der Coach Haywood aus dem Team. Mit Crack vollgepumpt, plante der seine Rache. In seiner Autobiografie beschreibt Haywood, wie er die Bremskabel von Westheads Wagen durchschneiden wollte. Die Mutter des Stars redete ihrem Sohn den Mordplan aber aus.


D

ie Boston Celtics anno 1985/86 waren eines der besten Teams der NBA-Geschichte. Sie gewannen nicht nur den 16. Titel der Franchise, diese Truppe war eingeschworen und cooler, als es die kurzen Shorts erlaubten. Beispiel: Bill Walton. Dem eilt vor seiner Ankunft in Boston der Ruf voraus, ein verwöhnter Star zu sein. Als der Center schließlich bei den Celtics ankommt, führt er sich am ersten Tag auch gleich super ein, als er einem Angestellten aufträgt, ihm doch eine Tasse Kaffee zu holen. Am nächsten Tag hängt in der Kabine ein großes, handgeschriebenes Schild, auf dem steht: „Hol dir deinen Scheißkaffee selbst, Bill!“ Die Aussage ist klar: In diesem Team sind alle gleich. Beispiel Rick Carlisle: Der jetzige Mavericks-Coach ist in seinem zweiten Jahr bei den Celtics, als das Team in L.A. spielt. Zusammen mit Power Forward Kevin McHale findet er sich weit vor Spielbeginn zum Schusstraining in der Lakers-Halle ein. Da sie allein sind, schießen beide auf verschiedene Körbe. Der Veteran ordentlich in Celtics-Klamotten, Carlisle in einer No-Name-Montur ohne Teamwappen. Plötzlich verschwindet McHale, um einen der Sicherheitsleute zu sprechen. McHale: „Wer ist denn der Typ, der da drüben wirft? Ein neuer Laker?“ Sicherheitsmann: „Keine Ahnung, ich dachte, der gehört zu Ihnen.“ McHale: „Ich habe den Kerl noch nie gesehen, und Coach K.C. Jones wird nicht gerade erfreut sein. Der Typ ist vielleicht ein Lakers-Spion!“ Carlisle ruft mehrmals (auf McHale zeigend ): „Aber ich gehöre doch zu ihm!“, als ihn die Security aus der Halle entfernt ...

A

m 07. November 1991 schockte Magic Johnson die Welt, ohne einen Ball in der Hand zu haben. In einer eilig anberaumten Pressekonferenz verkündete Johnson, dass er sofort seine Karriere beenden werde, weil er sich mit HIV infiziert habe. „Viele denken, dass nur homosexuelle Menschen Aids bekommen können“, sagte Magic. „Viele sagen: ‚Mir kann das nicht passieren.‘ Ich stehe hier und sage: ‚Es kann jedem passieren, sogar mir, Magic Johnson.‘“ Der Point Guard war der erste Prominente, der sich durch heterosexuellen Geschlechtsverkehr mit dem Virus infiziert hatte, und nutzt seine Bekanntheit seither, um beim Kampf gegen Aids zu helfen. Trotz seines Rücktritts spielte Johnson im All-Star-Game 1992, wo er zum MVP gewählt wurde, und gewann im selben Jahr Gold bei den Olympischen Spielen. 1996 versuchte er sogar ein Comeback als Power Forward bei den Lakers, bevor er endgültig zurücktrat.

„HOUSTON, I AM COME“ – YAO MINGS ERSTE WORTE, ALS ER SICH PER SATELLITENSCHALTUNG AUS SHANGHAI DEN FANS IN TEXAS VORSTELLTE.

Keine Franchise wurde schneller Champion als die Milwaukee Bucks. Ganze drei Jahre nach ihrer Gründung orderten die Zwölfender ihre Ringe dank Oscar Robertson und Lew Alcindor.

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im Cleamons wollte nicht ewig Assistent bei den Bulls unter Phil Jackson sein. Headcoach, das wäre doch was. Also griff er zu, als die Dallas Mavericks mit ihm am Ende der Bank zurück in die NBA-Elite reiten wollten. In seiner Debütsaison in „Big D“ trugen dann aber nicht weniger als 27 Profis das Trikot der Mavs. Darunter die „Three Js“: Jim Jackson, Jason Kidd und Jamal Mashburn. Einspielen konnte sich die Truppe (24 Siege) nie, und Cleamons platzte während einer Halbzeit der Kragen: „Ich habe den Jungs in der Pause gesagt, dass Stevie Wonder, Roy Orbison und Ray Charles einige dieser Würfe getroffen hätten. Wir spielten wie zwölf Typen, die aus dem Weltall auf die Erde abgeworfen wurden und sich nie zuvor gesehen hatten.“

Fotos: Nathaniel S. Butler/Andrew D. Bernstein/NBAE via Getty Images

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ick Van Exel hielt in jungen Jahren nicht viel von Fanbetreuung. Bei einem Heimspiel gegen die Nets während seiner Zeit bei den Lakers schenkte er Nets-Power-Forward Jayson Williams ein Jersey von sich. „Hier, für dein Kind“, sagte „Nick the Quick“ freundlich. Williams freute sich. Während des Spiels fiel dem Beschenkten dann aber ein Fan auf, der ihn andauernd mies anpöbelte. Genervt ging der Net zum Anhänger der Lakers, um zu fragen, was los sei. „Das ist mein Jersey“, sagte der Fan und zeigte auf das Van-Exel-Trikot, das auf Williams’ Stuhl hing. Vollkommen perplex fragte Williams daraufhin Van Exel, ob dies wahr sei. Dessen Antwort: „Der Typ da drüben wollte, dass ich das Jersey unterschreibe. Der hat aber tierisch genervt, da habe ich es ihm weggenommen und dir geschenkt.“ Übrigens: Jayson Williams gab das Trikot nicht zurück ...

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ABA FUNK, FÄUSTE, BASKETBALL

Von 1967 bis 1976 existierte ein Paralleluniversum zur NBA. Ein buntes, chaotisches

Paralleluniversum namens American Basketball Association. Und auch wenn es die ABA nur

einige Jahre gab, so entsprang aus ihr trotzdem der Basketball, den wir heute kennen. Das hier sind die besten Geschichten aus den wildesten Jahren des US-Basketballs. Text: André Voigt

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966. In der NBA herrschten die Celtics unter Basketballgenie Red Auerbach. Der rauchte in diesen Jahren kistenweise Siegeszigarren und narrte die hirnlahme Konkurrenz Jahr für Jahr mit gewieften Trades. Langeweile machte sich breit in der Liga, die damals nur aus zwölf Teams bestand. Das Spiel war methodisch und kannte nur ein Erfolgsrezept: rein mit dem Ball in die Mitte und aus kurzer Distanz abdrücken. Eine Dreierlinie gab es nicht, der Dunk war ein Wurf, reserviert für alle über 2,05 Meter oder die, die sich mit dem Gedanken anfreunden konnten, fies unterlaufen zu werden. Nein, Basketball war in dieser Zeit kein spektakuläres Spiel, es war das Abbild der erzkonservativen Teambesitzer, die vom Spiel der Straße nichts wissen wollten. Die NBA war, in einem Wort, unattraktiv. American Football und Baseball regierten das Land.

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Das Fernsehen interessierte sich nur mäßig für Bob Cousy, Bill Russell und Co. Deshalb wäre Dennis Murphy auch nie auf die Idee gekommen, eine zweite Basketballprofiliga in die Welt zu bringen. Eigentlich wollte der Geschäftsmann, Politiker und Sportverrückte eine Footballfranchise in Anaheim gründen. Schnell hatte er genug Investoren an der Hand, um sich in die AFL – die damalige Konkurrenzliga der NFL – einzukaufen. Alles lief nach Plan. „Wir wussten damals, dass eine Vereinigung der beiden Ligen unmittelbar bevorstand“, erinnert sich Murphy in Terry Plutos Buch „Loose Balls“. „Also würden wir entweder eine NFL-Franchise sein, oder die anderen Besitzer müssten uns angemessen entschädigen. Wir hätten also auf jeden Fall einen Gewinn gemacht.“ Dumm nur, dass die frühe Vereinigung der beiden Ligen Murphy und seinen Investoren einen Strich durch

die Rechnung machte. Die standen nun da, hoch motiviert und heiß auf eine eigene Sportmannschaft. Aber ohne Liga, in die sie sich einkaufen konnten. Was also war zu tun? „Wir dachten uns, dass wir mit dem Potenzial, das wir geweckt hatten, irgendetwas machen sollten“, erklärt Murphy. „Also sagten wir uns: ,Hey, es gibt nur eine Basketball- und eine Eishockey-Liga. Warum machen wir da nicht eine zweite auf?‘“ Und da Murphy das Spiel auf zwei Körbe liebte, aber mit Hockey nichts anfangen konnte, fiel die Wahl auf den Basketball. Schnell stellte Murphys Investorengruppe Kontakt zu Gleichgesinnten in New York her, die ganz ähnliche Pläne verfolgten. Das gemeinsame Ziel war klar: eine Konkurrenzliga schaffen, die NBA zum „Merger“ (Vereinigung) zwingen und die dicke Kohle scheffeln. So weit, so gut ... Leider hatte keiner der Geldgeber und


Fotos: George Gojkovich/Getty Images

Julius Erving vs. Hank Williams

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American

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Manager wirklich Plan von Basketball. Es musste ein Experte her, um das frühe Chaos zu ordnen und als Galionsfigur in der Öffentlichkeit zu stehen. Letzteres besorgte Center-Legende George Mikan. Ersteres ... nun ja ... Als die Planung ins Detail ging, wurde schnell der Entschluss gefasst, dass das Spiel in der neuen Liga anders sein sollte. Als Erstes stand der Name: die American Basketball Association (ABA). Dann gingen einige Neuerungen an den Start: Es gab einen rot-weiß-blauen Spielball sowie eine Dreierlinie. Beides erwies sich als bahnbrechend. Der Ball wurde zum Verkaufsschlager. Der Dreier öffnete das dröge „Reinpassen-undWurf“-Spiel der NBA, er war die Keimzelle des modernen Basketballs. Fehlten nur noch die Spieler. „Eigentlich dachten wir, dass wir unsere Teams aus abgeworbenen NBA-Veteranen zusammenstellen würden“, erklärt Dick Tinkham, ehemaliger Anwalt der Indiana Pacers. „Doch das führte nirgendwohin.“ Wenige Profis wollten auf das sichere Gehalt in der etablierten Association verzichten, um in einer Chaosliga zu spielen – und selbst wenn sie wollten, mussten sie ein Jahr aussetzen. In der NBA galt nämlich die sogenannte „Option Clause“, die besagte, dass jeder Spieler nach Ablauf seines Vertrages noch ein Jahr bei seinem alten Verein spielen musste. Ohne die NBA-Stars (nur Rick Barry wagte den frühen Sprung) musste die ABA kreativ werden. Also wurden offene Tryouts veranstaltet, an denen jeder teilnehmen durfte. Dort fanden sich in jeder der elf ABA-Städte über hundert Teilnehmer ein. „Bei den Oaks waren beim Tryout insgesamt 100 Spieler“, erinnert sich Steve Jones, ehemaliger Profi in Oakland. „Die Coaches waren überfordert. Sie ließen erst mal alle 15

James Silas

Ron Boone

800 Millionen Dollar Als die ABA vor der Vereinigung mit der NBA stand, bestand die Liga aus sechs Teams: den Denver Nuggets, Indiana Pacers, New York Nets, San Antonio Spurs, Kentucky Colonels und St. Louis Spirits. Da die NBA aber nur vier Franchises aufnehmen wollte, galt es, für die ABA eine Entschädigung für zwei verbleibende Teams zu finden. Bald standen die Colonels und Spirits als Delinquenten fest. Doch wie sollten sie angemessen entschädigt werden? Da schon das Veto eines ABA-Besitzers das Aufgehen der Liga in der NBA verhindern würde, musste das Angebot großzügig ausfallen. Während Kentuckys Besitzer John

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Y. Brown eine Abfindung von drei Millionen Dollar akzeptierte, hatten Ozzie und Dan Silna, Chefs der Spirits, eine andere Idee. Die vier zukünftigen NBA-Teams sollten jeweils jährlich ein Siebtel ihrer Fernseheinnahmen abtreten, solange ihre Franchises in der NBA aktiv wären. Da damals die Einnahmen aus TV-Rechten mickrig waren, stimmten alle vier restlichen ABA-Besitzer zu – und machten die Silnas-Brüder reich! In den 80er Jahren begann der Fernsehmarkt durch die Ankunft von Magic Johnson und Larry Bird zu explodieren. Michael Jordan setzte noch mal einen drauf. Bis der Deal mit einer angeblich 500 Millionen schweren Abfindung 2014 endete, hatten die Silnas circa 800 Millionen Dollar abgezogen ...


Minuten lang drei-gegen-drei spielen – und wenn du da nicht viel gezeigt hattest, war dein Tag schon zu Ende. Ich nannte das Ganze ‚das Camp der 100 Gewehre‘, weil die Jungs nichts anderes machten als schießen.“ Die ersten ABA-Spieler kamen von überall her: vom College, aus NBA-Trainingslagern, aus Freizeitligen, von den Straßen und aus Firmenbüros. Zu ihnen gehörten zum Beispiel der frühere NBA-Coach Larry Brown oder StreetballLegende Connie Hawkins. Die erste Saison begann am 13. Oktober 1967 – es war ein Freitag.

Fotos: George Gojkovich/NBAE Photos/Focus on Sport/Getty Images

Chaosstart

Von Beginn an herrschte die Anarchie in der ABA. Niemand wusste so genau, wie eine Liga organisiert wird. Es fehlte an allem: Geld, Know-how, Zuschauern, Talent, Organisation. Nur eins hatte die ABA im Überfluss: Kreativität. Um Zuschauer in die Hallen zu locken, war den Besitzern keine Aktion zu wild, keine Promotion zu peinlich. Es wurden ringende Bären eingeladen, mit denen in der Halbzeit Fans catchen konnten. Bei den Nuggets gab es den „Spaghettiträger-Abend“ – für alle Frauen, die ein Top mit Spaghettiträgern trugen, war der Eintritt frei. Die Floridians ließen Mädchen in Bikinis als Balljungen arbeiten. Auch im Ligabüro sah es nicht minder verrückt aus. Die Franchise der Kentucky Colonels gehörte Joe Gregory, dessen Frau und Gaystock „Ziggy“ Monsignor – einem vielfach preisgekrönten Mops. Der Hund flog nur erster Klasse, war im Logo der Colonels verewigt und nahm an den L ­ igasitzungen teil. „Stellt euch das doch mal vor“, sagte einer der Besitzer. „Du diskutierst und streitest, es geht um die Zukunft der ganzen Liga, und dann schaust du über den Tisch – und da sitzt ein verdammter Mops!“ Dieser „führte“ seine Franchise aber immerhin ganz erfolgreich, was man von den Besitzern vieler anderer Teams nicht behaupten konnte. Bis auf die Denver Nuggets, Indiana Pacers und Kentucky Colonels wechselten alle Gründungs-Franchises in den neun Jahren der ABA ihren Standort. Fünf erlebten den Merger mit der NBA 1976 nicht mehr ... „Es war schlimm. Jeden Tag konnte es ein anderes Team erwischen“, sagt Roy Boe, ehemaliger Besitzer der New York Nets. „Einmal war ein Team auf einem Trip an die Westküste und erfuhr, dass die Mannschaft, gegen die man am nächsten Abend spielen sollte, pleitegegangen war.“ Auch auf dem Feld herrschten Zustände wie im Wilden Westen. „Im ersten Jahr musstest du den Schiris deine Röntgenbilder zeigen, um Freiwürfe zu bekommen“, lacht Journalist Jim Murray. „Um die Saison zu überleben, musste man ziemlich hart sein. Wir

Coach Chaos Cliff Hagan hatte eine, nun ja, etwas unbeherrschte Seite ... „Abseits des Feldes war der fünffache NBA-All-Star ein echter Gentleman. Er hatte eine hübsche Frau, zwei gut erzogene Töchter. Hagan sammelte Antiquitäten und wusste sich zu kleiden“, erklärt Terry Stembridge, ehemaliger Radioreporter der Dallas Chaparrals. „Doch irgendwas passierte mit ihm, wenn er ein Basketballtrikot anzog.“ Hagan war unglaublich ehrgeizig, nie gab er ein Spiel verloren. Auch nicht beim lockeren Zocken im Sommer. Sein Standardspruch war: „Okay, jetzt spielen wir um Blut!“ Vor diesem Hintergrund ist es kaum verwunderlich, dass Hagan niemand dumm kommen durfte – so wie Les Hunter aus Minnesota ... Das Spiel der Chaparrals gegen die Muskies war von Dallas zum „Kids Day“ ausgerufen worden. 7.000 Zuschauer fanden sich aufgrund der Promotion in der Halle ein. Ein neuer Rekord für das Team. Bereits nach circa 20 Sekunden zückte Hunter gegen Hagan den Ellbogen. Das mochte der Spielertrainer der Chaps natürlich nicht, und dies machte er seinem Gegenüber verbal unmissverständlich klar. Doch die Ansprache fruchtete wenig … „Beim nächsten Angriff gab Hunter Hagan erneut einen Ellbogen. Ohne ein Wort zu sagen, drehte sich Hagan um und bamm, bamm, bamm ... Es war eine unglaubliche Rechts-links-rechts-

Kombination – und Hunter fiel um wie ein nasser Sack“, erzählt Stembridge. Das Management der Chaparrals lief Amok. Hagan hatte sich vor etlichen Kindern geprügelt, war danach fluchend wie ein besoffener Matrose vom Feld gegangen … all das im bibelfesten Texas. Die potenziellen Fans waren vergrault. Fortan sollte Hagan 2.500 Dollar Strafe zahlen, wenn er vom Feld flog. Damit das nicht passierte, zog sich der Spielertrainer nur sein Trikot, eine Trainingshose und ein Suspensorium drunter an. Eine Taktik, die aufging … bis zu einem Spiel gegen die Anaheim Amigos. „Vor dem Spiel kam einer der Spieler zu mir und sagte: ‚Hey, Max … Cliff hat seine Shorts an.‘ Da begann ich mir Sorgen zu machen“, lacht Max Williams, damals General Manager der Chaps. Zu seiner Überraschung wechselte sich Hagan jedoch nicht ein. Bis 40 Sekunden vor Schluss ... „Es stand unentschieden, als ich sah, wie Cliff sich seinen Trainingsanzug vom Leib riss und zum Anschreibetisch ging“, erinnert sich Williams. „Wir hatten den Ball. Cliff schnitt durch die Zone, bekam einen Pass und scorte mit seinem großartigen Hookshot. Kaum hatte er gepunktet, schubste ihn ein Amigo-Spieler von hinten auf den Boden. Cliff stand auf, drehte sich um und schlug den Schuldigen mit einem Haken k.o. Da war er gerade fünf Sekunden im Spiel.“ Hagan hatte Glück, keiner der Refs hatte seinen Schwinger gesehen – und die Chaparrals gewannen das Spiel.

Cliff Hagan

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Das Draft-Desaster

Pat Riley

„Bei den Dallas Chaparrals waren wir ein bisschen hinterher, was die Verpflichtung von Spielern anging“, erklärt Max Williams, Ex-Manager in Dallas. „Wir hatten die College-Draft versaut und mussten also in der Profi-Draft gutes Spielermaterial verpflichten.“ Dazu wälzte Williams Basketballzeitschriften, konsultierte Trainer und Spieler. Schließlich gab er seine Liste mit interessanten Profis an Roland Speth, den Besitzer der Franchise ... „Ich dachte, er würde mich in den nächsten Tagen anrufen“, so Williams, denn Speth hatte absolut keine Ahnung von Basketball. Darum war der Manager auch mehr als verwundert, als ihn sein Chef einige Tage später kontaktierte und verkündete: „So, wir hatten unsere Draft!“ Angeblich konnte der Boss seinen Fachmann Williams nicht ausfindig machen und war deshalb allein zur Talentziehung nach New York gefahren ... „Sie hätten mich mitnehmen müssen. Sie kannten die Spieler doch gar nicht!“, zeigte sich Williams entsetzt. „Ich habe die ersten fünf Spieler auf der Liste bekommen“, entgegnete Speth stolz. Williams fiel aus allen Wolken: „Die Liste war alphabetisch geordnet und nicht nach Talent!“ So kam es, dass Dallas Matt Aitch, Jim Bums, Gary Gray, Pat Riley und Jim Thompson draftete. Warum Speth seinen Personalchef nicht mitgenommen hatte? „Er wollte meine Reisekosten nicht bezahlen“, erklärt Williams.

hatten 78 Schlägereien in 78 Spielen“, kommentiert ABA-All-Star Mel Daniels. Der Grund für die harte Gangart? Die Jungs in der ABA hatten sich einen Traum erfüllt. Sie spielten Profibasketball. Also taten sie alles, um weiterhin im Team zu bleiben. Wenn da eine Faust fliegen musste, dann flog eben eine Faust. Hauptsache, der Gehaltsscheck lag im Briefkasten. Trotzdem entwickelte sich in der Liga früh ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. „Wir saßen alle im selben Boot“, erklärt ABA-Superstar Julius „Dr. J“ Erving. „Alle wollten, dass diese Liga funktioniert. Man half sich eigentlich, wo es nur ging.“ Und auf dem Feld regierte der Funk ...

Dreier, Drives und Dunks

Genau deshalb wurde die ABA von der Konkurrenz sowie den konservativen Medien immer belächelt. Sie galt als unterklassig, als Minor League, ohne Talent und System. Diese Spieler würden es in der NBA nie schaffen, so die einhellige Meinung. Daran änderten auch die zahlreichen Freundschaftsspiele

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zwischen Teams beider Ligen nichts. Einen Vergleich gewann die ABA mit 79:76 (es wurde je eine Halbzeit nach ABA- und eine nach NBA-Regeln gespielt). Dabei war auch in diesen Partien klar zu sehen, dass das Spiel der ABA fortschrittlicher war. Der Dreier öffnete den Basketball auf eine noch nie dagewesene Weise. Die Möglichkeit, drei Punkte zu erzielen, erlaubte es der Verteidigung nicht mehr, sich einfach nur an der Zone zu postieren. Die Gefahr des Dreiers schuf mehr Platz für Drives und vor allem Dunks. So führten Julius „Dr. J“ Erving und David „Skywalker“ Thompson den Slam in ungeahnte Dimensionen. Erstmals war der Dunk nicht mehr den Big Men vorbehalten. Flügel wie Guards konnten graziös oder kraftvoll über Ringniveau operieren. Außerdem wollte eigentlich keiner der ABA-­P rofis wirklich im Halbfeld agieren. Das Spiel der Freiplätze New Yorks oder Philadelphias war bei den Profis angekommen und veränderte den Profibasketball für immer. Doch so wild die Spielweise auch gewesen sein mag, die Trainer hatten einen nicht

unerheblichen Anteil an der Attraktivität der ABA. „Wir haben gepresst und in der Verteidigung viel gedoppelt“, erklärt Coaching-Legende Hubie Brown, damals Übungsleiter der Colonels. „Das gab es damals alles nicht in der NBA.“ Doch trotz der spektakulären Szenen und trotz der Mundpropaganda blieb die ABA bis zu ihrem Ende 1976 ein Mysterium. „Bei jeder Coach-Clinic fragen mich Leute, welches das beste Team gewesen sei, das ich je trainiert habe“, erzählt Hubie Brown. „Ich antworte dann immer: ,Das waren die Kentucky Colonels von 1975‘, und die Leute sehen mich an, als würde ich von einem Außerirdischen sprechen. Dabei hatten wir Dan Issel, Artis Gilmore und Will Brown im Frontcourt. Issel und Gilmore hatten später grandiose Karrieren in der NBA.“ So wie Issel und Gilmore begannen viele Stars ihre Laufbahn in der ABA. Julius Erving, George Gervin, George McGinnis, David Thompson, Bobby Jones, Connie Hawkins, Spencer Haywood ... die Liste ist lang. 1975/76 war es so weit, die ABA spielte ihre letzte Saison. Jahrelang hatten beide Ligen sich mit Klagen


Mr. Sexy

George McGinnis

Fotos: NBA Photos/NBAE via Getty Images

Wendell Ladner war der größte Womanizer der ABA und gleichzeitig ihre größte Hohlbirne. Der 1,94 Meter große Small Forward war gebaut wie ein Linebacker, beschützte als Nets-Enforcer Julius­ Erving und hatte den Look des Siebziger-Filmstars Burt Reynolds. Was heute mehr als Porno rüberkommt, war damals eine tödliche Mischung aus Coolness und Sexappeal. „Wendell war Single und ging einmal zu unserem Teamarzt, weil er Beschwerden in der Leistengegend hatte“, erzählt Dave Vance, ehemals Manager der Kentucky Colonels. „Der Doc sagte, es würde so aussehen, als hätte Wendell zu oft Sex. Wendell antwortete, dass er es dreibis viermal am Tag tun würde. Daraufhin entgegnete der Doc, dass dies viel zu viel sei. Wendells Antwort: ‚Aber Doc, es ist doch nie dasselbe Mädchen.‘“ Auf dem Feld war Ladner nicht minder potent. In seinen ersten beiden ABASaisons griff er sich im Schnitt ein DoubleDouble und überzeugte durch unbändigen Einsatz. Er sprang in Anschreibetische, Zuschauer und einmal sogar in einen Wasserspender aus Glas. Ladner musste mit 48 Stichen genäht werden, spielte aber am nächsten Tag wieder. Er war halt wirklich nicht der Hellste. Danach gefragt, ob sein furchtloser Spieler eigentlich die Bedeutung des Wortes „Angst“ kennen würde, antwortete Nets-Trainer Bebe McCarthy: „Nein, aber Wendell kennt von vielen Wörtern die Bedeutung nicht.“ Ladners letzter Crash ging leider nicht gut aus. Der Publikumsliebling starb 1975 bei einem Flugzeugabsturz in New York City.

Wendell Ladner

überzogen und versucht, dem anderen die besten Spieler abzuwerben. Immer wieder waren Friedensgespräche in den Jahren zuvor gescheitert. Jetzt endlich kam es zur lang ersehnten Einigung. Die NBA nahm vier Franchises auf, die restlichen Spieler wurden zu einer speziellen Draft für alle Teams freigegeben. Paradoxerweise verlieh erst die Aufnahme in die rivalisierende Liga der ABA echte Legitimität. Der Ruf der Zirkusliga wurde erst getilgt, als die ABA-Stars anfingen, in ihrer neuen Heimat zu dominieren. Insgesamt schafften 63 der am Ende 84 ABA-Spieler den Sprung in die NBA. In der folgenden Saison waren vier der besten zehn Scorer ehemalige

ABA-Spieler. Don Buse von den Pacers führte die NBA bei den Steals und Assists an. Moses Malone und Artis Gilmore lagen an dritter und vierter Stelle bei den Rebounds. Gilmore und Caldwell Jones rangierten unter den Top Five bei den Blocks. Zwölf der 24 NBA-All-Stars 1977 waren Ex-ABA-Profis, genau wie fünf der zehn Starter in den Finals zwischen Portland und Philadelphia. „Als wir so viele Spieler aus der ABA nach dem Merger erfolgreich spielen sahen, war das ein unglaubliches Gefühl“, sagt Bob Costas, früher Radioreporter in St. Louis. „Wir konnten der Welt jetzt mit Recht sagen: ,Wir haben es schon immer gewusst!‘“ dre@fivemag.de

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American

„Ich steige in keine Zeitmaschine!“ Marvin Barnes von den St. Louis Spirits verkörperte in seinen zwei ABA-Jahren beide Gesichter der Funk-Liga. Der 2,03 Meter große Power Forward war 1974 „Rookie of the Year“ und powerte sich in seiner ersten Saison zu 24,0 Punkten, 15,6 Rebounds und 3,2 Assists. Barnes war athletisch, kräftig, hatte einen sauberen Schuss und galt als einer der talentiertesten Spieler in den Profiligen. Ein Glücksfall für jede Franchise? Nicht wirklich. Sein Spitzname lautete „Bad News Barnes“ (oder „BB“). Barnes war Mr. Superfly. Er hatte den Rolls-Royce, den Nerz, die Plateauschuhe, die dicken Zuhälter-Hüte, aber augenscheinlich keine Uhr ... „Marvin schaffte es in seinen zwei Jahren nicht, auch nur einmal pünktlich bei einem Vormittagsflug zu einem Auswärtsspiel zu erscheinen“, erinnert sich Bob Costas, früher Radioreporter der Spirits. Um zu einer Partie in Norfolk zu gelangen, musste Barnes sogar eigens einen Flieger chartern, als er alle vier Flüge (!) dorthin verpasst hatte. Zehn Minuten vor Spielbeginn gab Coach Bob MacKinnon bereits seine letzten Taktikanweisungen, als plötzlich die Tür zur Kabine aufging. Es war Barnes. Er trug einen riesigen Hut, seinen 10.000 Dollar teuren Nerzmantel, hatte eine Tüte McDonald’sHamburger mit Pommes in der Hand und rief mit einem breiten Grinsen im Gesicht: „Game time is on time.“ Dann entledigte er sich des Nerzmantels (unter ihm trug er nur seine SpiritsUniform) und fügte hinzu: „Have no fear, BB is here!“ Starten durfte er an diesem Abend nicht, Barnes erzielte trotzdem 43 Punkte und 19 Rebounds. Ende der ersten Halbzeit schrieb er sogar, vollkommen verschwitzt, während einer Auszeit einen Scheck für den Piloten des Charter-Jets, der ihm in die Halle gefolgt war – aus Angst, er würde sein Geld nicht bekommen. Auch Trainingseinheiten behandelte der Star mit einer konstanten Gleichgültigkeit. „Erst gab es einen Dollar Strafe pro Minute Verspätung, dann fünf, zehn und schließlich 50 Dollar“, weiß Mitspieler Steve Jones. „Doch es kümmerte News nicht. Denn der Klub gab ihm das Geld eigentlich immer wieder zurück.“ Dazu hatten die Spirits auch allen Grund. Die Vereinigung der NBA und ABA zeichnete sich schon 1974 ab. St. Louis brauchte einen Star, der Zuschauer zog, um es als Franchise in die NBA zu schaffen – und dieser Fanliebling sollte Barnes sein. Nur dumm, dass der von dieser Verantwortung nichts wissen wollte. „Ich bin es leid, die Franchise zu sein und diese ganze Verantwortung zu tragen“, sagte er bereits als Rookie und stellte zum Grauen seines Trainers klar: „Ich bin ein Basketballspieler und kein Mönch.“ Oft stand Barnes vor einem Spiel eine halbe Stunde komplett entblößt vor dem Spiegel in der Spirits-Kabine und ölte sich ein. „Mann, die Bitches standen schon immer auf mich“, ließ er dann seine konsternierten Mitspieler wissen. Außerdem stellte Barnes als Rookie in einem Interview fest: „Ich bin 22 Jahre alt, und ein 22-jähriges Kind ist kein Genie.“ Auch das bewies er regelmäßig. Als das Team zum Beispiel nach einem Auswärtsspiel in Kentucky einen Flug von Louisville nach St. Louis nehmen sollte, weigerte sich der Forward. Seine Begründung: „Ich steige in keine Zeitmaschine!“ Der Flug sollte um 8:00 Uhr Ortszeit starten und aufgrund der einstündigen Zeitverschiebung um 7:59 Uhr landen … Marvin Barnes spielte noch eine zweite Saison in St. Louis (24,1 Punkte, 10,8 Rebounds), zu dieser Zeit holten den Forward aber schon seine Drogenprobleme ein. Insgesamt lief er nach der Vereinigung in nur noch 171 Spielen in der NBA auf und machte 9,2 Punkte pro Spiel. Es folgten vier Anklagen wegen Drogenmissbrauchs, Gefängnisaufenthalte und 19 Entzugskuren. Er konnte in der NBA nie Fuß fassen.

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Basketball

Association

Marvin Barnes


Böse Menschen In den 70er Jahren war die gelegentliche Faust im Gesicht des Gegners noch ein durchaus akzeptabler Weg, um sich für ein hartes Foul oder eine etwas zu derbe Prise Trashtalk zu revanchieren. Basketball war Eishockey, nur eben ohne Schläger. Jedes Team hatte einen Enforcer, der den Star seines Teams beschützen/ rächen sollte, wenn dieser vom Gegner zu hart angegangen wurde. Trotzdem gab es zwei Jungs, mit denen niemand in der ABA wirklich Ärger anfangen wollte: Warren Jabali und John Brisker. Jabali war ein gläubiger Muslim und Black-Power-Anhänger, der in seinem ersten ABA-Jahr – noch unter dem Namen Warren Armstrong – dank 21,5 Punkten und 9,7 Rebounds zum „Rookie des Jahres“ gewählt wurde. Das Spiel des nur 1,88 Meter großen, unglaublich kräftigen Forwards beruhte vor allem auf Einschüchterung und körperlichem Spiel auf dem Parkett. „Warren zog gegen dich zum Korb, dunkte dir ins Gesicht, fing den Ball und warf ihn dir an den Kopf“, erinnert sich der ehemalige ABA-Profi Steve Jones. „Jabali sah halt so stark aus, dass sich die meisten nicht mit ihm anlegen wollten.“ Er war mit einer Sprungkraft gesegnet, die ihm

Vergleiche mit Dr. J oder David Thompson einbrachte. Diese Skills kombinierte er zu einem einzigartigen Mix aus spektakulären Dunks und bösen Blicken. Viermal wurde er zum ABA-AllStar-Game eingeladen, wo er 1973 sogar MVP wurde. Jabalis spektakuläres Spiel wurde indes zu oft von seinen Brutalitäten überschattet, und vor allem ein Zwischenfall machte ihn zum unberechenbaren Verrückten. „Warren und sein Gegenspieler Jim Jarvis gerieten während eines Spiels in eine Rangelei“, beschreibt Jones die wohl schlimmste Szene der ABA-Geschichte. „Jarvis ging zu Boden und blieb liegen, als Jabali in die Defense rannte und mit voller Absicht auf seinen Kopf trat!“ John Brisker brachte es in seiner Karriere nie zu einer solch spektakulären Aktion. Sein Motto war von jeher ein ehrliches: „Mal schauen, wie lange es dauert, bis meine Faust aus deinem Gesicht eitert.“ Er kam 1969 in die ABA und wurde direkt zum Go-to-Guy der Pittsburgh Condors, wo er in drei Jahren 26,1 Punkte und 8,1 Rebounds im Schnitt erzielte. Früh in der Saison 1971/72 sprach Brisker eine Warnung an die gesamte Liga aus. Wenn er nicht am Ende der Spielzeit die ABA bei den Punkten anführen würde, müsste jeder seiner Gegenspieler dafür bezahlen und Fäuste

fressen. Die Drohung nutzte am Ende nichts. Brisker wurde mit 28,9 Punkten pro Partie nur viertbester Scorer der Liga. Noch nicht einmal die eigenen Mitspieler waren vor Brisker sicher. Ein – in seinen Augen – falsches Wort, schon strafte eine trockene Gerade den überraschten Gesprächspartner. Sobald ein Rookie in die Mannschaft kam, der auf seiner Position spielte, folterte er diesen im Training mit Ellbogen und unangekündigten Haken, bis der Neuling frustriert aufgab. Die Condors mussten handeln. Vor Briskers letzter ABA-Saison brachte Pittsburgh einen bulligen Ex-Footballer ins Trainingscamp. Seine Aufgabe: Sobald Brisker Ärger machte, sollte er ihn ohne Vorwarnung ausknocken. „Es dauerte nicht lange, und die beiden gingen aufeinander los“, beschreibt Dick Tinkham, einst Anwalt der Indiana Pacers. „Plötzlich sagte der Footballspieler: ‚Zum Teufel mit dir, ich hole jetzt meine Waffe.‘ Brisker erwiderte: ‚Okay, dann hole ich auch mein Eisen ... ‘ Die Trainer sahen, wie beide vom Parkett stürmten, und brachen das Training ab.“ Auch nach dem Basketball blieb Brisker seiner eigentlichen Bestimmung treu. Gerüchten zufolge heuerte er beim ehemaligen Diktator Ugandas, Idi Amin, als Söldner an – und wurde getötet ...

Fotos: George Gojkovich/Vernon Biever/NBAE via Getty Images

John Brisker

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Streetball

Wo die Seele wohnt

Eigentlich gab es den Begriff Streetball nicht, als Streetball cool wurde. Und doch etablierte sich das Wort, das so viel mehr beschreibt als nur das Basketballspielen unter freiem Himmel. Basketball auf dem Freiplatz ist die Grundlage des Spiels. Mehr als jede Halle, jedes Vereinstraining. Basketball is life, und das Leben war schon immer draußen. Text: André Voigt

Fotos: JC Dela Cuesta

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988, irgendwo in der BRD. Während die brennende Sonne dem roten Tartanbelag einen halb verbrannten Geruch entlockt, dribbelt an einem der zwei Körbe einsam jemand vor sich hin. Er wirft, holt den eigenen Rebound, probiert noch mal. Wieder und immer wieder. Mal mit Dribbling, mal ohne. Er weiß, dass er ein Exot ist. Einer, der nicht darauf hoffen kann, hier einen oder gleich mehrere Gleichgesinnte zu treffen, um ein bisschen eins-gegeneins oder gar zwei-gegen-zwei zu spielen. Dabei gibt es keinen anderen Platz dieser Art in der Stadt. Ohne Verabredung mit

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den Vereinskameraden geht gar nichts. Trotzdem ist er hier, allein. Er wird auch morgen wieder herkommen. Er wird sich vorstellen, dass er es ist, der nächste Saison den entscheidenden Wurf nehmen wird. Genau wie jetzt. Ein Dribbling, Schrittstopp, hoch, swish! Auf dem Bolzplatz nebenan wird munter gekickt, während an der Seite ein drittes Team anfeuert. Im Fernsehen ist von Straßenfußballern die Rede – ein Begriff, der zur Nachkriegszeit entstand, als es keine Asche- oder Rasenplätze in den zerbombten Städten gab und die Kinder halt auf den Straßen spielten.

Einige Meter weiter werkeln Dutzende Kids auf einem Bauspielplatz. Sie kloppen Nägel in splitterverseuchte Holzbretter, schwingen kleine Äxte und rennen alle naselang zum Erste-HilfeSchrank im Kabuff der Spielplatzaufsicht. Was der einsame Typ da hinten auf dem roten Platz macht? „Keine Ahnung, Korbball oder so …“ Es sollen noch drei Jahre vergehen, bis Michael Jordan zum ersten Mal NBA-Champion wird. Vier Jahre, bis das Dream Team in Barcelona aufschlägt. Fünf Jahre, bis Christian Welp nach einem Pass von Kai Nürnberger


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Streetball

Basketballdeutschland in München zum Europameister macht. Basketball ist – mit Ausnahme weniger O ­ asen in Städten mit Bundesligavereinen, basketballaffinen Unis oder US-Army-Bases – noch nicht zwischen Flensburg und GarmischPartenkirchen angekommen. Den Begriff Streetball gibt es nicht. Es wird Basketball gespielt. Basketball im Freien.

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2005, irgendwo in Deutschland am frühen Abend. Unter dem langen Schatten des Fernsehturms ist es voll geworden. Es ist ein ganz normaler Wochentag. Unter den vier vorhandenen Körben gehen den Spielern die Quadratmeter aus. Jeder trägt zumindest ein Trikot, eine Short – und ein Paar Schuhe, welches einen riesigen Krater ins Taschengeld-Budget gerissen haben muss. Irgendwo wummert ein HipHop-Beat. Es werden Tricks und unmöglich scheinende Dribbeleinlagen versucht, an denen die allermeisten jedoch kläglich scheitern. Worte schallen über den Platz, denen vorbeispazierende Mittdreißiger keinen rechten Sinn entlocken können. Vor sechs Jahren kam das „AND1 Mixtape Volume One“ nach Deutschland. Vor drei Jahren wurde Dirk Nowitzki zum ersten Mal NBA-All-Star. Basketball ist hierzulande nicht nur angekommen, es ist im Herzen aller Jugendlichen – und der Big Bang hallt bis heute nach. Jeder Teen, jedes Kind hat schon einmal auf einen Korb geworfen, weiß, was ein Dunk ist, hat sich irgendwann durch die Beine gedribbelt. Kennt Iverson, Kobe oder Dirk. Die allermeisten jedoch waren noch nie Mitglied in einem Verein. Gefragt nach dem, was sie denn da spielen, haben sie zwei Antworten parat: Basket- oder (meistens) Streetball. Keine Frage, es hat sich viel getan in den vergangenen 17 Jahren. Früher suchten Vereinsspieler in den Sommermonaten draußen e ­ inen Ersatz für verschlossene Hallen. In der Vergangenheit huldigten die Ehrgeizigen mit Extraeinheiten auf dem Freiplatz dem alten Motto „Basketball teams are made in the Fall and Winter. Players are made in the Spring and Summer“. Heute hat sich das Spiel im Freien vom Hauptsport abgespalten. Basketball, das war einmal. Heute ist Streetball. Das ist Freiheit, Kreativität, Highlights, Lebensgefühl, Hip­H op und Ghetto. Basketball? Zwang, Leistungsdruck, Langeweile, Arbeit, Turnhallenmief … Es ist eine Spaltung, wie sie unnatürlicher und falscher nicht sein könnte. Das Bild des coolen Bruders der alten Sportart, es wurde künstlich aufgebaut. Als Adidas 1992 den Begriff Streetball nach Deutschland brachte, brach eine Welle über die Basketballnation herein, die ein vollkommen verzerrtes Bild der Wirklichkeit in die Köpfe der Jugendlichen meißelte.

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Adidas, Reebok und Converse setzten auf das Ghetto-Flair der USGroßstädte, wo eine harte, rauere Art des Basketballs gespielt wurde. Doch die Vorbilder in den Staaten bezeichneten sich nie so, wie es die Marketingstrategen den Leuten hier glaubhaft machen wollten. „Streetballer, das Wort kannten wir gar nicht“, sagt Playground-Koryphäe Bobbito Garcia. Er muss es wissen, denn Garcia wuchs auf den Freiplätzen Harlems auf. Auch die angeblichen Regeln des Streetball waren vollkommen überzeichnet.

Ausschließlich drei-gegen-drei? Nur auf einen Korb? Trashtalk ein Muss? Kein Blut, kein Foul? In all diesen Stereotypen steckt ein Funken Wahrheit, dem großen Vorbild wurden sie nur teilweise gerecht. Wer in den USA an einem beliebigen Ort in den 50 Bundesstaaten einen Freiplatz betritt, muss sich über zwei Dinge im Klaren sein: 1. Es geht ums Gewinnen! 2. Es gibt Regeln! Das Spiel wird in diesem Land ohne Vereinssystem ernst genommen. Baller, die kein College mehr besuchen oder gar in einer Profiliga spielen, haben nicht viele Möglichkeiten, organisiert Basketball zu spielen. Deshalb finden sich auf den Plätzen Spieler aus allen sozialen Schichten ein. Die Playgrounds der USA sind ein willkommenes Auffangbecken für alle Hoopaholics in den 50 Bundesstaaten. Egal, welches Level die Spieler haben, niemand betritt den Court, um „nur ein bisschen Spaß zu haben“. Und so soll es auch sein. Deshalb die alte Regel „Winner stays!“ – das Siegerteam bleibt auf dem Feld, die Verlierer können Pause machen und sehen, wann sie wieder rankommen. Jeder kann „I got next“ für sich reklamieren und damit anzeigen, dass sein Team als nächstes auf den Asphalt darf. Die Mitspieler werden dabei selbst ausgesucht. Da fällt die Wahl in aller Regel nicht auf die Pfeife, die eben nur halb verteidigte, keinen Block stellte, nicht reboundete, den Dreier aus dem Dribbling nahm oder per Killer-Crossover der Star in der eigenen Turnover-Show war. Freiheit, Kreativität, Highlights? Gerne, solange du ausblockst und keine Scheiße baust! Ach ja, und wenn du denkst,

dass die allgemein gültigen Schrittfehleroder Dribbelregeln für dich nicht gelten, weil du ja Streetballer bist … Nun ja, dann such dir lieber ein anderes Hobby oder kauf dir ein Regelbuch. Natürlich gibt es keinen Schiedsrichter auf dem Freiplatz, aber Dribbel-Anarchie herrscht deswegen noch lange nicht. Stichwort Trashtalk. Es gibt ihn … sogar oft. „He don’t want that!“, „He ain’t got nothin’!“ oder „You can’t stop this!“ schallt über jeden Freiplatz. Sprüche über den Beruf der Mutter eines Gegners oder deren Freizeitgestaltung sollten indes gut überlegt sein. Talk ist nur dann erlaubt, wenn es nicht beleidigend wird. Wird die unsichtbare Grenze überschritten, wird es schnell hässlich.

Offense calls

Noch kritischer wird es, wenn es um Fouls geht. In den USA gilt zuallererst die Regel „Offense calls“. Heißt: Der Angreifer sagt das Foul an. Zu schnell sollte aber nicht zur „Pfeife“ gegriffen werden. Wer andauernd „Pussy fouls“ ansagt, kriegt Ärger. Andersherum gibt es Zoff, wenn ohne Unterlass vom Verteidiger gehackt wird. Besondere Regel auf den Plätzen der USA: Wer in einer Aktion zum Korb oder beim Wurf ein Foul ansagt, bekommt zwar den Ball, aber nicht den Punkt, wenn die Pille reingeht. „And one“ wird nur gerufen, um zu zeigen: „Siehst du, ich mach das Teil, auch wenn du mir am Arm hängst!“ Richtiges Raufdreschen ist selten, auch


Fotos: Steve Grayson/WireImage/@whodunelson/Chuck Solomon/ NBAE/ Getty Images

springen könnten, per Mülltonne am Dunk versucht und so die Körbe abgerissen haben? Auf wie vielen Plätzen herrscht reines Chaos, weil viele „Streetballer“ glauben, ein gut getimter Brustpass würde sofortigen Pilzbewuchs der Fingerkuppen nach sich ziehen? Ist das Streetball? Nein. Es ist der Versuch, eine wunderbare Variante des Basketballs ohne die nötigen Voraussetzungen zu kopieren. Das Ergebnis schreckt ab, macht keinen Spaß. Basketballer trennen sich von Streetballern. Wir müssen verstehen, dass es ohne Basket- keinen Streetball geben kann. Wir müssen vom falsch verstandenen großen US-Vorbild lernen. Ohne Training keine Skills, keine Highlights. Ohne Regeln kein Spaß. Es spielen mehr Menschen Basketball in Deutschland als je zuvor. Sie genießen die perfekte Mischung aus dem Spiel, das wir alle lieben. Das Gefühl, unter freiem Himmel ein wenig kreativer sein zu können als in der Halle. Sie entdecken den Basketball jedes Mal ein wenig mehr. In allen lebt dieselbe Liebe zum Spiel – und doch finden sie nicht zueinander. Viele Talente gehen so verloren.

wenn es um den Sieg geht. Klar muss man sich den Korb verdienen, aber allzu heftige Fouls ziehen handfeste Konsequenzen nach sich … Einen besonderen Stellenwert hat der Basketball in Gegenden wie Harlem. Basketball ist oft die einzige Form der Selbstdarstellung, die unterprivilegierte Kids in den Großstädten haben. „Was sollen wir sonst machen?“, fragt Bobbito Garcia rhetorisch. „Andere Sportarten gibt es im Ghetto kaum. Deshalb hat jeder mal Basketball gespielt, versteht das Spiel und gibt es irgendwann weiter.“ Das Weitergeben des Spiels, es steht im Herzen des PlaygroundBasketballs. Youngsters spielen auf den Courts, während die älteren Semester ihnen Ratschläge geben – nicht unbedingt die Zauberformel für den nächsten BumerangPass, sondern Tipps zum Sprungwurf, zum Passen, zu den Fundamentals. Ohne die Grundlagen geht es nicht, auch nicht am Rucker oder sonst wo. Die Gemeinschaft gibt den Jüngeren das Rüstzeug, mit dem die das Spiel neu erfinden können. Auf dieser Basis baut alles andere auf. Das war schon immer so. Die Entwicklungen, die Neuerfindungen des Spiels, die dann stattfinden, werden aus der Not geboren. Aus der Not, einer von vielen ohne Perspektive zu sein. Wer jemand sein will, jemand Besonderes, der findet im Basketball eine Chance und Vorbilder. Wenn du in den vielen Sommerturnieren mit deinem Team gewinnst oder Sachen

draufhast, die noch niemand zuvor gesehen hat, spricht ein ganzes Viertel über dich. Vielleicht sogar eine ganze Stadt. Was wir also auf den vielen Mixtapes sehen, ist das Ergebnis harter Arbeit – von unzähligen Dribbel-Stunden vor dem Spiegel. Natürlich ist das Spiel auf den Playgrounds freier als an der Highschool, am College oder in der NBA. Spielsysteme gibt es nicht. Das One-on-One regiert. Die Freiheit geht aber nur bis zu einem gewissen Punkt, bis dahin, wo sie dem Spiel, dem Ziel des Gewinnens schadet. Dies ist das Ergebnis des Verlangens nach Anerkennung und der damit verbundenen tiefen Liebe zum Basketball.

Heute

Zurück nach Deutschland. Wie viele Freiplätze bei uns sind unbespielbar, weil sich Typen, die auf keine Bildzeitung

Oder besser gingen verloren … Der Begriff Streetball mag auch heute weiterleben, aber gibt es das, was dahinterstand, auch heute noch? Nein. Die AND1-Mixtapes sind eine wohlige Erinnerung der älteren Generation. Die Jüngeren brauchen keine VHS-Kassetten, sie versorgen sich tagtäglich mit Highlights auf YouTube. Dunks, Crossover gibt es da noch immer zu bestaunen … aber Dribbel-Orgasmen fernab jeglicher Regelrealität? Nein, diese Zeiten sind vorbei. Die Kommentarspaltenpolizei lässt so etwas nicht mehr durchgehen. Der Hype ging, das Spiel blieb. Heute nehmen auch in Deutschland Väter ihre Kids mit, um ihnen etwas unter freiem Himmel beizubringen. Es ist Ruhe eingekehrt. Eine Seelenruhe. dre@fivemag.de

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Streetball

„Streetball ... diesen Shit hast du in New York nie gehört!“ 2005 in einem ziemlich abgeranzten Chinarestaurant in New York City. Bobbito Garcia, Streetball-Papst und DJ, will über Playground-Basketball sprechen. Ein Gespräch über die Liebe zum Spiel … Interview: André Voigt

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IVE: Bobbito, du giltst als Pate der Streetballszene in New York. Kannst du mir bitte den Unterschied zwischen Street- und Basketball erklären? Bobbito Garcia: Nun, das kommt immer darauf an, wen du fragst. Ich mit meinen 38 Jahren unterteile es folgendermaßen: Es gibt organisierten Basketball, Freizeit-Basketball, Profi-Basketball und Amateur-Basketball. Die NBA oder die Klubs in Europa, das ist Profi-Basketball. Highschool oder College ist AmateurBasketball. Die Freizeitligen, in denen du hier nach der Uni spielen kannst, das ist Playground-Basketball. Was die Leute heute Streetball nennen, ist ein Marketing-Begriff von AND1, der mal kreiert wurde, um eine ganz bestimmte Art des Basketballs zu promoten. Versteh mich nicht falsch, das ist eine schöne und gute Sache. Aber da geht es um ein Spiel ohne Regeln, mit sehr viel Kreativität und Freiheit. Wenn Leute nach New York kommen, sagen sie mir immer, dass sie Streetball sehen wollen. Also nehme ich sie zum Beispiel mit zum Dyckman-Turnier, und die Jungs erwarten, dass sie dort eine Menge Dribbeltricks sehen. Sie sind dann immer ganz verwundert, dass es ganz selten mal einen Trick zu sehen gibt. Da siehst du Jungs, die alles geben, einfach Basketball spielen – das ist Playground-Basketball.

Fotos: @whodunelson

Also gab es den Begriff Streetball in New York City gar nicht, bevor ihn die Sportartikel-Firmen kreierten? Wir haben uns nie Streetballer genannt. Diesen Begriff hat Adidas vor mehr als zehn Jahren erschaffen, als sie diesen Streetball-Schuh auf den Markt brachten. Reebok produzierte gleichzeitig den Blacktop-Schuh, Nike entwickelte den Outdoor-Schuh. Alles für sogenannte Streetballer. Streetball ... diesen Shit hast du in New York nie gehört, und wir waren schon immer das Mekka des PlaygroundBasketballs. Das änderte sich erst, als AND1 anfing, diesen Begriff richtig zu pushen. Plötzlich war der Begriff überall, weil es die Tour und die Show gab. Denkst du, dass dieser ganze Hype, den AND1 verursacht ... (unterbricht) Ich denke, dass er großartig ist! Egal, mit welchen Mitteln – wenn Basketball, vor allem die Kreativität im Basketball, gefördert werden kann, dann ist das gut. Und das hat AND1 getan. Aber niemand sollte denken, dass sie mit dieser Art Basketball angefangen haben. Wir haben in New York schon vor Jahrzehnten so gespielt! New York hat den Basketball neu erfunden. Hier entstand das Dribbling hinterm Rücken, die Harlem Rens erfanden die Motion Offense. Die Harlem Globetrotters, die zwar in Chicago gegründet wurden, gaben dem Basketball Showelemente und viele neue Tricks. Egal, worum es geht, Stutter-Steps, Skip-

Hesitations, Freak-Pässe – der ganze Scheiß kommt aus New York. Wir sind nicht die einzigen Leute, die das je gebracht haben, aber AND1 nahm halt die Art zu spielen, die wir schon seit Jahrzehnten praktizieren, und machte sie dann auf der ganzen Welt bekannt. Als das erste Mixtape in Deutschland auf den Markt kam, war das ein Schock, so etwas hatten wir noch nie gesehen. Ähnlich ging es uns mit Jason Williams in seiner NBA-Rookie-Saison. Nach dem zu urteilen, was du gerade gesagt hast, war das für dich keine Revolution, sondern schon lange bekannt. Ich rede hier von 30 Jahren. Erinnerst du dich noch an den Pass, den Williams im Rookie Game 1999 mit seinem Ellbogen gab? Den habe ich schon 1974 gesehen. All die geilen Videos von Skip to My Lou sind von 1994 und 1995. Wenn du ihn fragst, wird er dir sagen, dass er sich all das von ein paar Jungs aus Queens, die vor ihm kamen, abgeschaut hat. Ich spiele in einer 38-und-älter-Liga mit zwei Jungs, Gerald „Dancing Doogie“ Thomas und Robert „Master Rob“ Hockett ... Wenn es 1988 schon so viele Camcorder gegeben hätte, dann wären die jetzt weltberühmt. Damals gab es so viele „Freak-Baller“. Ist das Spiel schon am Ende seiner Entwicklung angekommen? Nein! Ich lerne immer noch dazu. Wir

haben unsere eigene Playground-Show, mit der wir auf Tour gehen. Wenn wir dafür trainieren, sagt zum Beispiel einer: „Hey, stop! Probier mal diesen Crossover, gefolgt von diesem Move.“ Und plötzlich haben wir etwas ganz Neues kreiert. Das Spiel ist eine Entdeckungsreise. Wenn du einen Basketball in der Hand hast, sind die Möglichkeiten unendlich. Was gibt dir also der Basketball, dass du immer weiterspielen musst? Basketball ist mein Paradies. Gestern zum Beispiel hatte ich Liebeskummer. Aber diese zwei Stunden, die ich auf dem Platz stand und nur Basketball in meinem Kopf hatte … da habe ich überhaupt nicht an sie gedacht. Ich war glücklich. Danach fühlte ich mich besser. Als ich jung war, gab mir der Basketball eine Fluchtmöglichkeit. Mein Vater war Alkoholiker – und für diese fünf Stunden, die ich auf dem Platz war, musste ich nicht sehen, wie er trank. Ich genieße Basketball einfach. Ich liebe diese Momente, in denen ich kreativ bin. Ich bin nicht der beste Spieler der Welt, athletisch nicht super begabt. Wenn ich punkte, ist es das Ergebnis von harter Arbeit. Viele Stunden wurden in diesen Dreipunktewurf investiert, damit er reinfällt. Ich habe keine langen Arme, deshalb fasziniert mich jeder meiner Dribble Moves aufs Neue. Ich liebe die kontinuierliche Herausforderung. Basketball ist einfach eine große Freude für mich.

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Fultz

MARKELLE Comeback Player FULTZ Markelle Fultz hat seine lange Leidenszeit erfolgreich überwunden. Endlich gesund, kann der vormalige Nummer-eins-Pick befreit aufspielen und in der NBA durchstarten. Mit ihm freuen dürfen sich die Orlando Magic: Sie haben auf den 21-Jährigen gesetzt und wohl ihren Point Guard der Zukunft gefunden. Text: Christian Orban

Fotos:Fernando Medina/NBAE via Getty Images

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ach dem Achtungserfolg im Vorjahr – der ersten Playoffteilnahme seit 2012 – waren die Orlando Magic (vor der Corona-Krise) erneut auf dem Weg in die Postseason. Dabei war die Saison der Magier von Verletzungen einiger Leistungsträger geprägt, die der Mannschaft von Cheftrainer Steve Clifford viel abverlangten. So verpasste Nikola Vucevic zwischenzeitlich elf Partien, während D.J. Augustin vor der All-Star-Pause über 15 Spiele außen vor war. Erschwerend kamen die Knieverletzungen von Al-Farouq Aminu und Jonathan Isaac hinzu, die nach nur 18 bzw. 32 Einsätzen die Saison vorzeitig beenden mussten. Besonders der Ausfall von Isaac wog schwer – hatte sich der junge Hoffnungsträger doch stark verbessert und defensiv bereits auf Topniveau gezeigt. Dass die Magic dennoch auf Playoff-Kurs waren, hat abseits der überschaubaren Konkurrenz auf den hinteren Plätzen im Osten viel mit einer tragfähigen Teamidentität zu tun. Entsprechend spielen die Floridianer unter Coach Clifford planvollen, risikoarmen Basketball und treten als disziplinierte Einheit auf. Vertrauen können sie zuvorderst auf eine stabile Defensive (9. Platz), die kaum leichte Punkte zulässt. So wird der Ring beschützt, das eigene Brett

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kontrolliert und selten gefoult. Auch werden gegnerische Schnellangriffe minimiert und obendrein Ballverluste forciert. Im Angriff versprüht Cliffords Team indes wenig Magie (24. Platz). Vielmehr agiert es bedächtig und betont ballsicher. Als Primäroption fungiert das Two-Man-Game zwischen Vucevic und Evan Fournier, die wie alle Magier den Spalding uneigennützig teilen. Da aber verlässliche Schützen fehlen – Orlando rangiert bei der effektiven Feldwurfquote ligaweit auf dem 28. Platz –, lässt der methodische Angriff oft die Wirksamkeit vermissen. Trotz ihrer offensiven und verletzungsbedingten Limitierungen konnten die Floridianer 2019/20 mit einer unverhofften Erfolgsgeschichte aufwarten. Schließlich war es Markelle N’Gai Fultz, der zur All-Star-Pause für das Team die meisten Partien (54) absolviert hatte. Also der talentierte Playmaker, der in seinen ersten beiden NBA-Jahren für die Philadelphia 76ers nur 33 Spiele bestreiten und bei einem True Shooting von 43,7 Prozent bescheidene 7,7 Punkte beisteuern konnte.

Leidenszeit und Neustart

In Orlando hat die Profikarriere des 21-Jährigen nach langer Leidenszeit nun endlich (neu) begonnen – wobei er befreit aufspielt und solide beiträgt. So markiert

Fultz als Starting Point Guard in knapp 29 Minuten pro Partie 12,1 Punkte, 5,1 Assists, 3,6 Rebounds und 1,4 Steals. Dabei zeigt er sich zusehends verbessert und kann bereits einige Glanzabende vorweisen. Den Brooklyn Nets etwa schenkte Fultz Anfang Januar in den letzten sieben Spielminuten zwölf Zähler ein – um ein enges Spiel in einen Zwölf-Punkte-Sieg zu verwandeln. Er beendete die Partie mit einem Karrierebestwert von 25 Zählern. Eine Woche später trug der Youngster die Magic zum überraschenden Auswärtserfolg gegen die L.A. Lakers. Mit 21 Punkten, elf Rebounds und zehn Assists lieferte er bei seinem bisher besten Auftritt sein zweites Triple-Double als Profi ab. „Oooh boy, ooooh boy. That boy is nice“, gab Teamkollege Aaron Gordon nach der Partie euphorisiert zu Protokoll. „’Kelle wird nur noch besser werden.“ Freudestrahlend erklärte Fultz selbst: „Es ist großartig – das ist es, wovon ich geträumt habe, wofür ich jeden Tag arbeite, für diese besonderen Momente.“ Amen. „Es ist einfach eine Genugtuung, auf dem Feld zu stehen“, hatte Fultz noch im Vorfeld des Spiels betont. „Es geht nicht wirklich darum, wie ich spiele. Es geht darum, auf dem Court und dabei gesund zu sein. Ich bin sehr glücklich und nehme das nicht als gegeben hin.“ Es ist eine Einsicht und Wertschätzung, die auch die Magic


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tangiert. Schließlich war es die Franchise aus Zentralflorida, die ihr Vertrauen in den ersten Pick der Draft 2017 setzte und so wohl ihren Point Guard der Zukunft gefunden hat. Nämlich einen dynamischen Ballführer, der als Dribbler Druck auf die Defensive ausüben und Abschlüsse kreieren kann. Eben ein echter NBA-Spieler auf Starter-Niveau. In Philly war davon bekanntlich wenig zu sehen. Denn der Top-Pick, der Joel Embiid und Ben Simmons ergänzen und den Sixers eine Meisterschaft bescheren sollte, musste aufgrund chronischer Schulterbeschwerden seit dem Sommer 2017 wiederholt pausieren. Viele sahen ihn in der Folge im Bestfall als ein medizinisch-mentales Mysterium an – nicht wenige bereits als sogenannten „Bust“, was dem vormaligen Washington Husky hart zusetzte. Fultz war ohnehin frustriert, da er über 18 Monate hinweg keine Ahnung hatte, was ihn ausbremste. Er wusste, dass seine Schulter schmerzte, sobald er die Arme anhob. Erschwerend kamen all die Zweifler und eine Vielzahl an Theorien hinzu, die seinen Willen sowie die Schwere der Verletzung in Frage stellten. Speziell stand dabei seine inkonstante Wurfbewegung, die sichtlich gelitten hatte, unter aufgeregter Dauerbeobachtung. Derweil konnte der heute 21-Jährige kaum etwas dagegen tun. Ihm blieb nichts anderes übrig, als diese Zeit durchzustehen. „Die Leute kapieren es einfach nicht. Ich war verletzt. Das war’s“, pointierte Fultz im Nachgang. Erst im Dezember 2018 war bei ihm das „ThoracicOutlet-Syndrom“ festgestellt worden, das Einschränkungen beschreibt, die durch Kompression der Nerven im Hals- und Brustbereich auftreten. Diese Diagnose stellte für Fultz eine große Erleichterung dar – sie gab ihm nach dem Ausharren im Ungewissen neuen Auftrieb, die Reha engagiert anzugehen und auf den Court zurückzukehren. Doch die extrem ambitionierten Sixers, die jetzt gewinnen wollen, mochten nicht warten. So beendeten sie im Februar 2019 das „Fultz-Experiment“ und schickten ihn im Tausch für Jonathon Simmons und zwei Draftpicks nach Orlando. Wie eingangs skizziert, sind die Erwartungen in Zentralflorida andere. Die Magic verfügen bereits über einen respektablen Mix aus soliden Veteranen und jungen Talenten, befinden sich aber seit dem Trade von Dwight Howard im Jahr 2012 nach wie vor in einem andauernden Neuaufbau. Sie setzen daher auf Kontinuität und Spielerentwicklung sowie einen erfahrenen Cheftrainer, der als Förderer und Kommunikator geschätzt wird. Zugleich waren die Magic auf der Suche nach einem Starting Point Guard und wussten um Fultz’ Talent. So ermöglichten sie ihm trotz vieler Unsicherheiten einen Neuanfang. „Um ehrlich zu sein, weiß ich

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„Ich bin noch immer der erste Pick meines Jahrgangs. Das wird sich nie ändern. Ich habe mich um meine Verletzung gekümmert. Jetzt kann ich frei aufspielen.“ -----------

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nicht, ob sich jemand zu dieser Zeit mit der Entscheidung wohlfühlte“, bekundet Manager John Hammond. „Ich weiß nicht, ob Markelle sich wohlfühlte. Er durchlief gerade seine Reha. Wir wollten ihm nur irgendwie helfen.“ Derweil senkte der Trade auch die Messlatte. In Orlando gab es weder Druck noch Eile, sofort in wichtigen Spielen abliefern zu müssen. Sonach sagt „’Kelle“ über die Magic: „Sie haben mich von Anfang an wirklich großartig unterstützt. Ich kann mich jederzeit mit allen Fragen an sie wenden.“

Das gilt auch für seine Mitspieler, die erheblich zu einem Wohlfühlumfeld beitragen. Aufbau-Veteran D.J. Augustin etwa, der denselben Agenten wie Fultz hat, trat mit ihm schon vor dem Trade als ermutigender und ligaerfahrener Mentor in Kontakt. Er solle sich auf das Gesundwerden konzentrieren. „Du wirst die Chance bekommen, es allen zu zeigen“, versicherte ihm Augustin. Hilfreich ist zudem die Präsenz von Big Man Mo Bamba, den Fultz seit Highschool-Tagen gut kennt – sodass ihr Verhältnis ganz natürlich war und ihnen half, eine gemeinsame Routine zu entwickeln. Gleichzeitig sei der Mann aus Maryland bereit und begierig gewesen, vom Trainerstab zu lernen, wie er seinen Teamkollegen auf dem Parkett helfen kann, berichtet Nikola Vucevic. Mit „Vooch“ bedeutet das etwa den ständigen Austausch darüber, worauf beim Pick-and-Roll zu achten ist – zu erkennen, wann der spielstarke Big Man zum Korb abrollt oder zum Wurf heraustritt und wo er gerne den Ball bekommt. Fultz hat den All Star aus dem Jahr 2019 hierbei überrascht, wie schnell er sich nach so langer Spielpause teamdienlich einfinden konnte. „Dass er hierhergeholt wurde, hat ihm einen Neuanfang ermöglicht, und man konnte sehen, wie glücklich er darüber war“, weiß Vucevic. „Philly war eine schwierige


Situation für ihn. Manchmal braucht es eben einen Neustart.“

Erarbeitetes (Selbst-)Vertrauen

Fotos:Fernando Medina/NBAE via Getty Images

Jener Neubeginn bedingte einen methodischen Wiederaufbau von Fultz. Zunächst kam die Reha, bevor er Mitte des vergangenen Sommers zu spielen begann. Erst im Eins-gegen-eins und später im Drei-gegen-drei, wobei er die Verantwortlichen bereits begeisterte. Im Individualtraining wurden vor allem

Fultz’ Fähigkeiten im Pick-and-Roll geschärft sowie seine Schulter und der Körper wieder an den physischen Kontakt gewöhnt. „Damit baust du Selbstvertrauen auf“, rekapituliert der 21-Jährige. „Sobald du merkst, dass gesundheitlich alles okay ist, geht es voran. Ich denke, der Sommer hat mich sehr gut auf die Saison vorbereitet.“ Die Magic sahen das nicht anders. Obwohl Fultz bis zum Herbst für Orlando noch keine NBA-Partie absolviert hatte, zogen die Entscheider die Teamoption über 12,3 Millionen US-Dollar und garantierten damit vorzeitig seinen Rookie-Vertrag bis zum Sommer 2021. Es ist auch ein Investment an Vertrauen, welches das Selbstvertrauen stärken kann. Das versteht auch Coach Steve Clifford, der Fultz sehr zu schätzen weiß: „Seit er bei uns ist, legt er eine großartige Einstellung an den Tag. Er hat sich viel schneller verbessert, an Rhythmus und

Form gewonnen, als ich es mir vorgestellt habe.“ Clifford fügt an: „Aber das ist alles ein Ergebnis seiner Arbeit und Liebe zum Spiel. Markelle ist ein ‚ThrowbackPlayer‘. Er gibt Gas und will für seine Teammates da sein.“ Zugleich bemerkt der Übungsleiter, dass sein Schützling bisweilen zu hart zu sich selbst ist und sich zu lange mit Negativsituationen befasst. Von Anfang an lautete daher die ermutigende Botschaft: „Du wirst Fehler machen und Würfe verfehlen – spiel dich da durch und schieß weiter.“ Fultz nimmt sich dies zu Herzen und heuer immerhin 1,9 Dreier pro Partie (25,0 Prozent). Genauso wie die guten Ansätze aus der Halbdistanz und die respektablen Vorstellungen an der Freiwurflinie (72,7 Prozent) ist dies ermutigend. Gleichwohl bleibt der Sprungwurf (37,0 Prozent) gewiss die Großbaustelle in seinem Spiel, da die Wurfbewegung noch immer nicht so flüssig wie früher erscheint. Schwache Wurfabende inklusive Airballs und harter Bricks sind bei einer Trefferquote von 33,0 Prozent aus Catch-and-Shoot-Situationen folglich keine Seltenheit. Dass Markelle Fultz den Jumper nimmt, ist indes kein „Medienereignis“ mehr. „Je besser er sich fühlt, desto zuversichtlicher ist er“, hebt Clifford auf den einst inflationär besprochenen Distanzwurf von Fultz ab. „Ich habe seine College-Spiele gesehen, als er (bei fünf Versuchen pro Partie) 41 Prozent seiner Dreier getroffen hat. Er ist es gewohnt, aus dem Dribbling zu agieren und zum Wurf hochzugehen. Sein Shooting ist keine Frage des Selbstvertrauens. Es geht vielmehr darum, dass er sich wieder körperlich wohlfühlt.“ Mit all den Lernerfahrungen ist Fultz in seinem dritten Jahr auf dem Weg dorthin. So erklärt der Jungprofi, er fühle sich rein physisch wie ein Rookie, aber mental weiter fortgeschritten und denke nicht mehr an seine Verletzung. Die Reha seiner Schulter setzt er derweil mit täglichen Behandlungen fort, auch wenn er heute schmerzfrei ist. Im Spiel lässt Fultz zudem keine Scheu vor Kollisionen erkennen. Schließlich nimmt er den Großteil seiner Abschlüsse – die er zu zwei Dritteln selbst kreiert und ansonsten vom Playmaking von Vucevic und Evan Fournier profitiert – am Ring, wo er mit seinem guten Touch kreativ und hocheffektiv finisht (65,8 Prozent). Auch weil der robuste Einser die Kraft und Körperlichkeit besitzt, um Kontakt zu absorbieren. Nicht zufällig ist Fultz trotz ausbaufähiger Nutzung mit zwölf Drives pro Partie zum Motor der Magier avanciert. Er kommt überall auf dem Feld dahin, wo er hin möchte, während er liebend gern den Schnellangriff läuft. Entsprechend sagt Coach Clifford über den dynamischen 1,90-Meter-Mann:

„Markelle verfügt über eine Kombination aus Stärke, Beweglichkeit, Schnelligkeit und Körperkontrolle, die nicht viele Jungs seiner Größe haben.“ Vor allem aber, so sein Trainer, will Fultz „den Ball haben, wenn es darauf ankommt“. Dabei hat er in dieser Saison bei guter Effizienz bislang die meisten „Clutch Points“ der Magic erzielt. Dass Fultz für Orlando ein klarer Plusspieler ist, liegt indes auch daran, dass er über die Spielübersicht, Passfähigkeiten und Ballsicherheit verfügt, um die defensive Aufmerksamkeit zu nutzen, die er mit seinem Drang zum Korb auf sich zieht. So darf er als solider Ballführer im Pick-and-Roll gelten, der zuverlässig die Finisher und Schützen bedient. Besonders „Vooch“ und Fournier, die beiden versiertesten Scorer der Magic. Letzterer nennt Fultz ein „besonderes Talent“ und führt dazu aus: „Er ist in der Lage, sich in enge Räume zu begeben und jederzeit seine Nebenmänner zu finden. Uns ist allen bewusst, dass er ein guter Passer ist. Also sind wir stets bereit.“ Fultz’ Wichtigkeit für die angriffsschwachen Floridianer unterstreicht der Fakt, dass Orlandos Offensivrating um 5,1 Zähler sinkt (zweithöchster Wert bei den Magic hinter Vucevic), wenn der junge Point Guard auf der Bank sitzt. Hinzu kommen die gute Verteidigung am Ball und seine Aktivität in den Passwegen (1,3 Steals und 2,2 Deflections), womit er sich nahtlos in den Defensivverbund einfügt. Überhaupt zu spielen, bedeutet für Fultz derzeit alles. Schließlich war er viel zu lange außen vor. Dabei konnte er beobachten, wie sich Akteure seines Jahrgangs zu fähigen NBA-Startern oder im Falle von Donovan Mitchell und Jayson Tatum – für den er im Vorfeld der 2017er Draft de facto getauscht wurde – zu All Stars entwickelt haben. Er betont, dass er sich für sie gefreut habe. Doch zugleich hat ihn der gesehene Erfolg auch motiviert. Der Glaube an sein eigenes Talent kam Fultz derweil nie abhanden. Orlando hat ihm nun die ersehnte Möglichkeit gegeben, sich abseits des großen Medienrummels in Ruhe zu entwickeln und seine Fähigkeiten zur Geltung zu bringen. Demnächst vielleicht auch in den Playoffs. „Ich bin noch immer der erste Pick meines Jahrgangs“, vergegenwärtigt Fultz. „Das wird sich nie ändern. Ich habe mich um meine Verletzung gekümmert. Jetzt kann ich frei aufspielen. Ich kann das tun, was ich will und am meisten liebe. Mit jedem Spiel fühle ich mich und werde ich besser. Es hilft, wenn man den Ball reingehen sieht. Das macht es einfach noch besser.“ Hoffen wir darauf, das „’Kelle“ und die Magic gemeinsam viele Freudensprünge machen können – gerade wenn der Ball noch regelmäßiger durchs Netz rauscht. redaktion@fivemag.de

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KILLIAN HAYES

„IN EUROPA WÜRDE ICH EINZIGARTIG SEIN“

Das hat die BBL noch nicht gesehen: In der Saison 2019/20 spielt bei ratiopharm Ulm ein 18-jähriges NBA-Talent aus dem Ausland: Killian Hayes. Im Interview vor Corona spricht der französische Point Guard über seine Stärken im Pick-and-Roll, das Aufwachsen zwischen zwei Welten, die Nachwuchsarbeit in Frankreich und warum er in entscheidenden Momenten Pfeil und Bogen auspackt. Text und Interview: Manuel Baraniak

Fotos: TF-Images/Getty Images

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ls ratiopharm Ulm im Sommer 2019 die Verpflichtung von Killian Hayes bekannt gab, war das ein Novum in der deutschen Basketball Bundesliga. Die Ulmer sicherten sich mit Hayes einen zukünftigen potenziellen NBA-LotteryPick, der mit 18 Jahren nicht langsam an die BBL herangeführt werden musste, sondern direkt als Starter ein Team auf Eurocup-Niveau anführen sollte. Dass es hier und da, vor allem zu Saisonbeginn, auch mal etwas holprig für Hayes verlaufen würde, war zu erwarten gewesen. Bei seinem ersten Auftritt Ende September 2019, einem

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84:62-Heimsieg gegen RASTA Vechta, verlor der Point Guard ganze achtmal den Ball. Doch schon bei seiner BBL-Premiere war Hayes’ Potenzial aufgeblitzt, vor allem sein Passspiel aus dem Pick-andRoll verzückte Fans wie Experten schon damals. Mit 15 Punkten, sechs Rebounds und sechs Assists lieferte der 1,96 Meter große Aufbauspieler letztlich ein gelungenes BBL-Debüt ab. Im Saisonverlauf brachte Hayes eine gewisse Konstanz in sein Spiel, wenn sein Distanzwurf auch wackelig blieb, und verringerte seine Ballverluste. Zudem schien sich der Franzose auch immer besser in der Rolle des Anführers

zurechtzufinden, der auch in der Crunchtime übernahm. So traf Hayes in den Spielen gegen Bayreuth, Berlin und Braunschweig wichtige CrunchtimeDreier – in zwei jener Partien stand Zoran Dragic nicht mehr im Kader. Wie Hayes auf den Abgang des Ulmer Topscorers reagierte? Das NBA-Talent legte in den vier Spielen ohne Dragic durchschnittlich 16,5 Punkte, 4,5 Rebounds, 7,3 Assists und 1,8 Steals auf! Hayes hat sich im Saisonverlauf so gut gemacht und besitzt solch starke Anlagen, dass er Ulm trotz eines DreiJahres-Vertrages nach nur einer Saison wieder verlassen und als Lottery-Pick in


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der diesjährigen NBA-Draft (wieder) über den großen Teich gehen dürfte. FÜNF traf Hayes während der Nationalmannschaftspause Ende Februar und spielte dem Guard seine beiden Crunchtime-Dreier gegen Braunschweig und Bayreuth vor – samt seiner anschließenden „Pfeil und Bogen“-Jubelgeste. FÜNF: Der Pfeil und Bogen nach wichtigen Würfen in der Crunchtime: Kam das spontan aus dir heraus, oder ist das einfach dein Ding? Killian Hayes: Das mache ich jetzt schon seit einiger Zeit. Justin Robinson, der in der französischen Liga für Chalon spielt, macht das ständig – von ihm habe ich das kopiert. Wenn von den Zuschauern eine gewisse Energie ausgeht und du einen wichtigen Wurf triffst … dann kommt das einfach aus dir heraus. Es war wirklich ein cooler Moment. (grinst) Wie wohl fühlst du dich mittlerweile, solche wichtigen Würfe zu nehmen? Ich bin da ziemlich selbstbewusst. Denn ich merke, wie sich mein Spiel verbessert hat und wie ich weiter wachse. Auch im Eurocup habe ich ganz gut geworfen – weswegen ich immer selbstsicherer geworden bin, solche Würfe zu nehmen. Egal ob wir mit zwei Punkten zurückliegen oder mit drei Punkten führen: Wenn sich die Gelegenheit ergibt, nehme ich den Dreier. Dein Trainer Jaka Lakovic hat gesagt, dass du dich sowohl als Spieler als auch als Anführer entwickelt hast. Wie siehst du das? Da ich ein Point Guard bin, muss ich stärker mit meiner Stimme vorangehen und jeden anleiten: Ich sage die Spielzüge an. Jeder hört auf mich, meine Stimme zählt demnach eine Menge. Es geht also darum, mehr zu reden und sicherzustellen, dass sich jeder wohlfühlt und niemand gefrustet ist. Musstest du das in Ulm erst lernen? In den Jugendmannschaften habe ich das schon getan. Aber in meinen ersten beiden Jahren als Profi war ich noch ziemlich ruhig: Ich habe erst mal meinen Basketball gespielt und auf mich geachtet. Da ich hier mehr Verantwortung habe, weiß ich, dass ich mich mehr öffnen und das Team anführen muss. Hast du in deinem Spiel eigentlich einen bestimmten Go-to-Move? Ja, ein paar: wie den Sprungwurf aus dem Dribbling aus der Hesitation oder den Stepback-Dreier nach einem Dribbling durch die Beine. An solchen Bewegungen arbeite ich ständig und versuche sie zu perfektionieren, um so effektiv wie möglich zu sein.

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Der von dir angesprochene StepbackDreier ist mir bei deinem Spiel auch aufgefallen. Wenn man sich die Evolution des Basketballs betrachtet, scheint der Pullup-Dreier für Guards immer wichtiger zu werden. Das stimmt. Du verschaffst dir so einfach Platz. Ein Spieler, der hierbei heraussticht, ist Shane Larkin. Er ist zwar ein kleiner Point Guard. Aber den Platz, den er sich verschafft, und wie explosiv er agiert, um seinen Wurf loszuwerden, das ist unglaublich. Ich gehöre nicht zu den besten Werfern, aber wenn man sich das vorstellt: Die Top-Werfer brauchen nur etwas Platz, um einen Wurf loszuwerfen. Und so ein Stepback-Dreier verschafft dir den eben.

Du hast eben Shane Larkin angesprochen. Gibt es noch andere Point Guards in Europa, die du dir gerne anschaust und studierst? Milos Teodosic. Er ist der König des Pick-and-Roll! (lächelt) Wir haben gegen ihn gespielt, im Eurocup gegen Bologna. Welche Pässe er aus dem Pick-and-Roll spielt, ist einfach atemberaubend. Nach dem tragischen Tod von Kobe Bryant hast du einen InstagramPost verfasst. Während seines ersten Meisterschaftslaufs mit Shaquille

Spieler, von denen du dir bisher etwas abgeschaut hast? Als ich jünger war, war Dwyane Wade mein Lieblingsspieler: Ich komme aus Florida, er hat für Miami gespielt. Wenn es darum geht, von Spielern etwas in mein Game zu übertragen, sind das Leute wie Manu Ginobili mit seinem Eurostep und seiner Übersicht – er war auch ein großartiger Passgeber –, James Harden mit seinem Stepback, D’Angelo Russell sowie Derrick Rose mit dem Floater. Um 2010 herum habe ich mir viele Spiele von Derrick Rose angeschaut.

Was in deinem Spiel noch heraussticht, ist das Pick-and-Roll. Wenn du beispielsweise ein hohes Blocken-undAbrollen mit eurem Center Grant Jerrett läufst – gibt es für dich eine primäre Option, die du zuerst suchst? Wenn du das Pick-and-Roll läufst, schaust du dir einfach die Verteidigung an: Tritt der Big Man heraus? Sinkt er ab? Wenn er absinkt und die Zone absichert, muss er sich entscheiden: Geht er dann auf Grant oder mich? Wenn er auf Grant geht, habe ich den PullupJumper oder den Floater. Wenn er auf mich geht, habe ich das Lob-Anspiel auf Grant. Und wenn von der Weakside die Help-Defense kommt, habe ich den Pass in die Weakside-Ecke zum Dreier. Es geht darum, die Defense zu lesen und sie auch zu antizipieren.

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Mir fällt auf, dass du häufig nach dem direkten Block zur rechten Seite dribbelst, dann aber einen zweiten Screen nutzt, um über deine linke Seite zu attackieren. Machst du das absichtlich, um die Defense auch zu deinen Gunsten zu manipulieren? Wenn Grant einen guten Block stellt und ich meinen Gegenspieler etwas pushen kann, dann ist er etwas weiter von mir entfernt, vielleicht bis unter die DreiPunkte-Linie. Dann ist es für meinen Gegenspieler schwieriger, mir zu folgen und über den zweiten Block zu gehen. Das versuche ich zu tun, wenn ich erst rechts, dann aber links gehe. Du bist erst 18 Jahre alt, besitzt aber jetzt schon eine starke Übersicht. Ich habe mich gefragt, wie sehr man diesen Aspekt im Pick-and-Roll wirklich erlernen kann – oder ob man das einfach in sich haben muss. Ich schaue mir auch einfach sehr viel Basketball in meiner Freizeit an: Wie spielen andere Point Guards, wie lesen sie das Spiel? Deine Instinkte machen aber den Großteil aus: Ich folge da häufig einfach meinem Gefühl, um das richtige Play zu machen.

O’Neal wurdest du gerade erst geboren. Wie hast du den Spieler Kobe Bryant dann kennengelernt? Ich denke, jeder hat sich Kobe Bryant angeschaut. Kobe war zwar nicht mein Lieblingsspieler, aber respektieren muss man ihn – es ist einfach Kobe Bryant. Was passiert ist, ist einfach schrecklich und sehr traurig. Auch wenn es nichts Besonderes und nur ein Instagram-Post war, musste ich ihm einfach meinen Respekt zollen. Wird über Kobe gesprochen, wird häufig die „Mamba Mentality“ herangezogen. Was ist für dich die „Mamba Mentality“? Ich glaube, Kobe ging es immer ums Gewinnen. Die „Mamba Mentality“ ist für mich also: gewinnen und den maximalen Einsatz in etwas stecken – um zu versuchen, so viele Meisterschaften wie möglich zu holen. Du meintest, Kobe Bryant sei nicht dein Lieblingsspieler gewesen. Hast du einen in der NBA? Und gibt es generell

Lass uns zum vergangenen Sommer zurückgehen: Was hat dir an ratiopharm Ulm gefallen, sodass du dort einen DreiJahres-Vertrag unterschrieben hast? Ulm hat mich ziemlich frühzeitig kontaktiert. 40 Minuten später habe ich schon mit Jaka Lakovic telefoniert, wir haben lange miteinander gesprochen. Nach dem Ende des Telefonats habe ich meinem Agenten gesagt, dass ich nach Ulm gehen möchte – das hat sich einfach richtig angefühlt. Jaka hat mir gesagt, dass ich viel Verantwortung übernehmen, aber auch den Freiraum haben würde, mein Spiel zu spielen. Was wusstest du im Vorfeld über Ulm als Klub und Organisation? Eigentlich gar nichts. (lächelt) Ich habe also alles erst entdeckt, als ich hierher gekommen bin. Ich habe aber mit einem Spieler, der früher in Ulm war, in Cholet zusammengespielt: Isaiah Swann. Als mein Wechsel nach Ulm perfekt war, ist er auf mich zugekommen und hat mir erzählt, dass er für Ulm gespielt hat und

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was für eine großartige Organisation das hier ist. Hast du dir im Vorfeld eigentlich auch mal ein paar alte Spiele von deinem Trainer angesehen? Ich habe mir auf YouTube ein Mixtape von ihm angesehen. Er ist über links gegangen und hat Dreier geworfen – das war alles. (lacht) Pflegst du ein besonderes Verhältnis zu ihm, da er als Spieler selbst ein Point Guard auf hohem Niveau gewesen ist? Auf jeden Fall. Im Training sieht man, dass er mit mir schon mal hart ins Gericht geht. Ich denke, das liegt auch daran, dass er weiß, wie gut ich einmal sein kann. Er kann da schon hart sein – auch im Spiel. Natürlich kann das manchmal frustrierend sein, aber das gehört einfach dazu. Im Grunde ist das auch gut für mich – ich weiß, dass er nur das Beste für mich möchte. Er hilft mir auch, fokussiert zu bleiben und auf die richtige Art und Weise zu spielen.

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Was war für dich zu Saisonbeginn die größte Herausforderung? Zum einen der Spielstil der Liga. Denn ich habe das Gefühl, dass jedes Team etwas anders auftritt. Beispielsweise spielt Berlin mit einer hohen Pace, aber dennoch strukturiert. Gegen Braunschweig sind wir im Grunde rauf und runter gerannt. Es geht also darum, sich auf diese Stile einzustellen. Und zum anderen zu lernen, auf welche Weise meine Mitspieler spielen und wo ihre Lieblingsstellen auf dem Parkett sind. Wir waren ja ein ganz neu zusammengestelltes Team. Gab es Mannschaften, gegen die es besonders hart war? Der härteste Gegner, den wir hatten, war Monaco im Eurocup. In der BBL war es für mich Ludwigsburg – weil sie von der Eins bis zur Drei im Grunde mit drei Point Guards gespielt haben. Was war für dich abseits des Parketts die größte Herausforderung, mit 18 Jahren in ein anderes Land zu ziehen?

Der schwierigste Teil ist, von all dem weg zu sein, was du kennst, auch von deinen Freunden. Ich hatte aber das Glück, dass meine Eltern mit mir gekommen sind. Ohne sie wäre es bestimmt um einiges schwieriger gewesen. Ich kenne hier außer meinen Mitspielern und den Mitarbeitern von Ulm ja niemanden. Aber die Leute sind auf jeden Fall alle cool, wir kommen gut miteinander klar und haben Spaß zusammen. Letztlich war es ziemlich einfach, mich an den deutschen Lebensstil zu gewöhnen. Lass uns noch weiter zurückgehen: Was ist die früheste Erinnerung, die du an Basketball hast – vor allem mit Blick auf deinen Vater DeRon Hayes als ehemaliger Profispieler? Ich erinnere mich an die Zeit, als er in der französischen Liga in Nancy gespielt hat und ich ihn immer zum Training begleitet habe. Da war ich vielleicht fünf oder sechs Jahre alt. Ich habe ihm beim Training zugesehen – und danach habe ich selbst gespielt. An diese Momente


erinnere ich mich. Ich hatte immer einen Basketball in der Hand und habe immer mit meinem Vater gespielt. Meine Mutter hat auch Basketball gespielt – aber nicht als Profi, mehr in den Jugendligen, als sie jünger war. Wir hatten auch einen kleinen Korb in der Einfahrt, auf den ich immer gedunkt habe. Wie verlief deine Kindheit mit deinem Vater als Profi im Ausland? Sobald die Saison beendet war, sind wir ins Flugzeug gestiegen, nach Florida geflogen und haben die Sommer dort verbracht. Meine Familie väterlicherseits stammt aus Lakeland, Florida. War dieses Hin und Her nicht auch schwierig für dich? Während meiner Zeit in der Mittelstufe habe ich schon mitbekommen, dass jeder Basketballer so ein wenig den Ruhm der Highschool haben möchte. Schon ganz früh ziehen viele Spieler eine große Aufmerksamkeit auf sich. Und über die vier Jahre am College sagt jeder, dass es die besten vier Jahre deines Lebens sind. Somit wollte ich auch an die Highschool und aufs College gehen. Aber ich hatte ein langes Gespräch mit meinem Vater, der mir klarmachte, dass es die beste Option für mich wäre, in Europa zu spielen. Auf meinen Vater höre ich natürlich – er weiß, wovon er spricht.

Was ist dabei der französische und was der amerikanische Teil? Ich weiß nicht. Gechillt zu sein habe ich wahrscheinlich von meinem Vater, die wütende Version ist die Seite meiner Mutter. (lacht) Hast du dir auch Spiele deines Vaters auf Video angesehen? Zu den meisten seiner Spiele bin ich in die Halle gegangen, ich habe ihn also live vor Ort gesehen. Aber ich weiß auch, dass es ein Mixtape von seiner Zeit in Nancy gibt. Da hat er einige Dreier genommen – nichts Besonderes. (grinst) Was für ein Spieler war er? Und könntest du aus seinem Spiel etwas für dein eigenes mitnehmen? Er sagte mir, dass er am College und

Ist es richtig, dass ihr in der Nachwuchsliga auch immer in derselben Arena wie die Profis gespielt habt? Ja, das stimmt. Im Grunde waren wir wie die Profis – weil wir auch mit ihnen gereist sind und direkt vor ihnen in den Arenen gespielt haben. Das hat einen professionellen Vibe und bereitet dich auf das nächste Level vor.

Mit welchen Argumenten hat er dich denn überzeugt? Er war der Meinung, dass ich einen Vorteil gegenüber Spielern in den USA hätte, wenn ich schon mit 16 Jahren zu den Profis wechseln würde. An der Highschool und auf dem College spielst du ja gegen Jungs in deinem Alter – die dann auch nicht mehr Erfahrung haben als du. Er meinte, dass ich in Europa eben mehr Erfahrung sammeln würde. Zudem gibt es in den USA einige Spieler, die meiner Spielweise ähneln. In Europa würde ich eher anders und gewissermaßen einzigartig sein.

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Im französischen Basketball gibt es einige talentierte junge Guards: Neben dir wäre da Theo Maledon, der mit 18 Jahren in Villeurbanne bei einem Euroleague-Team spielt. In der NBA spielen Frank Ntilikina und Elie Okbo, die beide nicht älter als 22 Jahre sind. Davor gab es auch einige gute Aufbauspieler. Hat Frankreich eine besondere Methode, um über Jahre so viele gute Ballhandler zu produzieren? Gute Frage. Ich weiß nicht, wie das System in Deutschland funktioniert. In Frankreich trainierst du in den Jugendmannschaften schon ziemlich hart und so früh wie möglich auch mit den Profis zusammen – um so viel Erfahrung wie möglich zu sammeln. Ich habe für Cholet gespielt – wo einige NBA-Spieler herausgekommen sind, wie Rudy Gobert oder Nando de Colo. Ich kann mich glücklich schätzen, unter einem Coach gespielt zu haben, der immer gute Spieler geformt hat.

Du hast also auch ganz früh in deinem Leben komplett unterschiedliche Basketballkulturen kennengelernt? In den USA habe ich einige PickupGames gespielt, das war schon anders. Da hat jeder mehr an seinen Moves gearbeitet, um individuell besser zu werden. Es ist also viel Eins-gegen-eins, es geht rauf und runter. In Europa ist der Basketball strukturierter und hat mehr Setplays. Letztlich habe ich von beiden etwas in mir.

zu Beginn seiner Karriere in Europa ein Scorer war: Er hat über Leute gedunkt, aber auch Sprungwürfe und Dreier getroffen. Aber als er älter geworden ist, hat er nur noch Dreier genommen – wie Vince Carter also. (lächelt) Mein Vater hat auf der Drei gespielt, deswegen sind unsere Spielstile ganz unterschiedlich. Aber von seinem Wurf könnte ich wirklich etwas mitnehmen – er war ein großartiger Schütze.

Gibt es etwas in dir, das du als typisch französisch und typisch amerikanisch bezeichnen würdest? (überlegt) Auf dem Feld bin ich meistens ganz gechillt, kann aber auch mal sehr wütend werden.

Wann habt ihr das letzte Mal einsgegen-eins gespielt? Vor etwa zwei Monaten haben wir mal zum Spaß gespielt, aber du weißt schon … (schmunzelt) Für mich war das kein Spaß, eher langweilig.

Du hast unter anderem bei der U17WM 2018, beim Jordan Brand Classic und beim Basketball Without Borders Camp gespielt. Du bist also immer wieder in Kontakt mit den stärksten Spielern deines Jahrgangs gekommen. Vergleichst du dich dahingehend auch? Nein, ich vergleiche mich mit niemand anderem. Angenommen, jemand sagt, dass es einen Spieler gibt, der besser als ich ist, dann versuche ich schon, noch härter zu spielen und die Leute eines Besseren zu belehren. Darauf kommt es letztlich an: den Leuten das Gegenteil zu beweisen. Letztlich arbeiten wir alle hart und versuchen, der beste Spieler zu werden, der wir sein können. Du wirst schon seit Längerem von vielen Seiten beäugt, bei Spielen und auch Trainingseinheiten sind NBAScouts anwesend. Wie kommst du damit eigentlich zurecht? Mich stört das weniger. Man sieht das alles, aber das darf einen nicht beeinflussen – man hat immerhin hier noch einen Job zu erledigen. Die NBA ist noch Zukunftsmusik, ich muss mich immer noch auf Ulm konzentrieren – darauf liegt mein Hauptaugenmerk. Aber wenn andere Leute gute Dinge über dich sagen, ist das natürlich zufriedenstellend und gibt dir nochmal mehr Selbstvertrauen. redaktion@fivemag.de

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„HIER IN EUROPA KANN DER COACH NOCH WIRKLICH LEHREN“ Mit der Basketballlegende Jaka Lakovic machte ratiopharm Ulm im Sommer einen Rookie zum neuen Headcoach. Im Interview mit FÜNF erklärt der 41-jährige Slowene unter anderem, was ihn am Coaching erfüllt, was BBL und ACB unterscheidet und weshalb er in Ulm der richtige Mann am richtigen Ort ist. Interview: Peter Bieg

Fotos: TF-Images/Getty Images

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ÜNF: Jaka Lakovic, da es noch recht früh am Morgen ist, während wir sprechen: Wie startest du in einen Arbeitstag, und wie sehen dabei deine Routinen aus? Jaka Lakovic: Ich habe eine Familie mit drei Kindern. Zwei Jungs im Alter von drei Jahren und eine Tochter im Alter von einem Jahr. An einem normalen Tag wache ich um 6:30 Uhr auf, mache mich fertig, mache die Kinder fertig und bereite das Frühstück zu. Dann bringe ich die Kinder in den Kindergarten. Sobald ich sie abgeladen habe, treffe ich meine Assistant Coaches und bereite den Arbeitstag vor, den Gegner, die Trainingseinheiten. So sieht die tägliche Routine aus.

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Wann und warum hast du als junger Mensch mit Basketball begonnen? Ich habe mit Basketball begonnen, als ich noch in der Schule war. Ich war zwölf Jahre alt. Ich habe in der Schulmannschaft mit meinen Freunden angefangen. Langsam, aber sicher wurden wir besser und bekamen dann eine Einladung vom lokalen Klub aus Ljubljana. Da ging es dann los mit richtigem Basketballtraining für mich. Als ich angefangen habe, hatte das nichts damit zu tun, dass ich den Sport liebte. Ich wollte mit meinen Freunden Spaß haben. Das war der Hauptgrund, warum wir alle zusammen angefangen haben zu spielen. Daraus hat sich mehr entwickelt. Wir sind in den Verein gewechselt, und alles begann …

Dein Heimatland Slowenien ist ohne Frage schon seit Jahrzehnten eine BasketballNation. Nichtsdestotrotz habt ihr im Jahr 2017 mit der Europameisterschaft einen großen Titel geholt und mit Luka Doncic einen absoluten Superstar aus dem eigenen Land. Hat das zu einem neuen Basketballboom in Slowenien geführt? Ich denke schon. Vor fast drei Jahren wurden wir Europameister, mit Luka als angehendem und Goran Dragic als bereits etabliertem Superstar in Slowenien. So entsteht ein Boom, wenn die Nationalmannschaft bei einem großen Turnier einen guten Job macht, ein tolles Ergebnis einfährt. Viele Kinder beginnen dann mit Basketball. Ich erinnere mich


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du kannst dir nicht sicher sein, bis es passiert. Luka ist großartig, ein BasketballGenie, er hat es wahr gemacht. Jetzt ist er bereits einer der größten Stars in der NBA, wie ein Rockstar. Was er in so kurzer Zeit dort drüben erreicht hat, ist unglaublich. Hast du jemals geplant, in der NBA zu spielen … oder zumindest früh in deiner Karriere davon geträumt? Als Kind hatte ich diesen NBA-Traum, da war ich keine Ausnahme. Aber ich habe mich nie dafür entschieden, in die NBA zu wechseln, obwohl ich einige konkrete Angebote hatte. Doch zu der Zeit habe ich entschieden, lieber ein Anführer in einem der größten Klubs Europas zu sein. Denn ich wusste nicht, ob ich in der NBA über eine Rolle auf der Bank oder nur mit sehr wenigen Minuten hinausgekommen wäre. Zu meinen aktiven Zeiten war die NBA aber auch noch nicht so international, so

daran, dass mir der Verband in jenem Sommer von vielen Eltern erzählt hat, die nach Möglichkeiten gefragt haben, wo sie ihre Kinder zum Basketballtraining bringen können. Das ist ein Basketballboom, und es tut unserem Land sehr gut. Wir sind nur eine kleine Population (Slowenien hat rund zwei Millionen Einwohner, Anm. d. Red.) und brauchen viele Spieler, um gut zu sein (lacht). Du bist Assistenztrainer der slowenischen Nationalmannschaft, hast den Europameistertitel geholt und früh mit Luka Doncic zusammengearbeitet. Ganz ehrlich: Bist du von seinem aktuellen Erfolg in der NBA überrascht? (überlegt) Nun, ein bisschen Überraschung ist immer dabei. Aber zugleich haben wir uns direkt nach dieser Europameisterschaft 2017 über Luka unterhalten. Unsere Vorrundengruppe war in Finnland, und dort hatten wir die Zeit, über ihn zu sprechen, gut drei Jahre ist das jetzt her. Wir haben gesagt, dass wir ihn als Triple-DoubleMaschine in der NBA sehen. Im ersten Jahr war das nicht der Fall, obwohl er großartig gespielt hat. Dieses Jahr hat er gezeigt, dass wir recht hatten. Wir haben das ein Stück weit erwartet, diese Exzellenz. Aber

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„Die NBA ist eine Liga der Spieler. Sie diktieren mehr oder weniger, was passiert. Hier in Europa ist noch immer Coaching die höchste Instanz.“ -----------

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offen für internationale Spieler wie heute. Deshalb habe ich mich entschieden zu bleiben und zu dieser Zeit meinen Vertrag beim FC Barcelona unterschrieben. Das bereue ich nicht. Die Verantwortlichen von ratiopharm Ulm hast du erstmals in der Summer League kennengelernt, wo du als Assistenztrainer für die Minnesota Timberwolves gearbeitet hast. Ist die NBA aus Trainersicht eine langfristige Perspektive für dich? Ich verfolge die NBA, die dortige Methodologie, die Ansätze, wie sie lehren und coachen wollen. Das ist sehr interessant, denn sie haben alle erdenklichen Tools und sehr viel Knowhow. Es ist sehr spannend, das zu sehen


und davon zu lernen. Aber jedermann sagt, auch die Coaches in der NBA, dass der Ort, an dem du wirklich coachen und die Bedeutung von Coaching ausüben kannst, Europa ist. Gerade jetzt fühle ich mich unglaublich gut hier in Ulm. Ich bin sehr glücklich, wo ich bin, und denke, dass ich hier am für mich perfekten Ort gelandet bin. Im Moment ist das meine einzige Beschäftigung und ein großes Vergnügen für mich. Wo liegt denn der größte Unterschied zwischen dem Coaching in Europa und der NBA? Ist es der viel besprochene Einfluss von Starspielern in den USA? Mit Sicherheit ist das ein wichtiger Aspekt. Die NBA ist eine Liga der Spieler. Sie diktieren mehr oder weniger, was passiert. Hier in Europa ist noch immer Coaching die höchste Instanz. Diesen Einfluss, diese Dominanz einzelner Spieler, das gibt es hier nicht. Sicher, auch hier gibt es Spielergewerkschaften, und die Profis sind nicht ohne Einfluss. Aber hier hat der Coach noch die Möglichkeit, wirklich zu coachen, wirklich zu lehren. Der Trainer kann seine Idee auf das Parkett bringen. Das ist der große Unterschied, da hast du absolut recht. War es schon immer dein Plan, irgendwann Coach zu werden? Als ich noch gespielt habe, habe ich darüber gar nicht viel nachgedacht. Als meine Karriere fortschritt und ich älter wurde, da habe ich mir ernsthafter darüber Gedanken gemacht. Ich habe an der SportFakultät in Ljubljana studiert. Coaching passt also auch zu den Grundlagen meiner Ausbildung, dazu kommt natürlich die große Liebe zum Basketball. Es war eine leichte Entscheidung, mich in diese Richtung weiterzuentwickeln.

Fotos: TF-Images/Getty Images

Was gefällt dir an dieser neuen Rolle alles in allem am besten? Am meisten mag ich es, wenn ein Coach den Spielern etwas beibringt und er nach einer Weile, wenn er dem Prozess vertraut, die Resultate sieht, die Entwicklung. Er sieht die Dinge, die er den Spielern beigebracht hat. Sie setzen sie um, sind damit erfolgreich. Das ist der Moment, in dem du realisierst, wie großartig diese Beziehung sein kann. Du hast diese Fähigkeiten, dieses Wissen, die Kraft, den Spielern etwas an die Hand zu geben, womit sie erfolgreicher sein und auf einem hohen Niveau agieren können. Das ist sehr erfüllend für mich. Das ist dann Coaching und Lehren in Reinform. Deine Karriere als Spieler hast du im Trikot der Reserve von Barcelona beendet. Warum hast du gerade bei dieser Mannschaft aufgehört? Ich hatte im Sommer zuvor darüber nachgedacht, ob ich noch ein weiteres Jahr spielen oder meine Karriere direkt beenden sollte. In Barcelona habe ich einen

großen Teil meiner Laufbahn verbracht. Wir hatten immer ein großartiges Verhältnis. Deshalb haben sie mich mit der Idee konfrontiert, dass ich noch eine Saison für ihr Nachwuchsteam spielen, dabei aber bereits als eine Art Mentor für die jungen Spieler agieren könne. Im zweiten Jahr sollte ich dann als Coach dort anfangen, verbunden mit einem entsprechenden Vertragsangebot. Das war ein super Projekt, ein toller Vorschlag, der für mich jede Menge Sinn gemacht hat. Es war ein logischer Übergang. Wie ging es dir, als du dann wusstest, dass du gerade dein letztes Spiel als Profi gemacht hast? Ich erinnere mich daran, als ob es gestern gewesen wäre. Ich habe nach dem Spiel eine Ansprache gehalten, habe meinen Mannschaftskameraden gedankt. Obwohl ich wusste, was mich erwartete, und es die ganze Saison vor Augen hatte, kamen dann alle Emotionen auf einmal aus mir heraus. Ich habe mein ganzes Leben Basketball gespielt. Und von einem auf den anderen Moment sollte es damit vorbei sein? Das ist hart. Ich war sehr glücklich, dass ich das alles mit meinen Wegbegleitern geschafft habe und alles gut gelaufen ist. Im Leben ist nichts unendlich, du musst bereit sein, eine neue Seite aufzuschlagen. Diese neue Seite hast du in Ulm aufgeschlagen, deiner ersten Station als vollwertiger Headcoach einer Profimannschaft. Warum gerade Ulm? Ulm hat mich kontaktiert, und wir hatten ein langes Gespräch. Es ging um die Philosophie von Ulm, meine Sicht auf Basketball, ein spannendes Interview. Das fühlte sich großartig für mich an. Aber auch dem Klub hat das Gespräch gefallen und Vertrauen gegeben, dass ihre Philosophie zu meinem Denken passen könnte. Das war das Wichtigste. Als Ulm dann entschieden hat, mir ein Angebot zu machen, habe ich auch jede Menge Hausaufgaben gemacht. Ich habe zu Ulm recherchiert, zum Basketball hier. Das Feedback war sehr positiv. Das ist ein solider Klub, sehr stabil, mit einem langfristigen Denkansatz. Das sind für einen jungen Coach wie mich sehr gute Voraussetzungen. Ich dachte, dass es die perfekte Situation für mich sein könnte. Inzwischen kann ich das bestätigen. Meine Entscheidung war großartig, ich liebe es hier und kann mir aktuell keinen besseren Ort für mich vorstellen. Wie sehen diese Philosophien von dir und Ulm aus? Ulm investiert eine Menge Energie und Einsatz in junge Spieler. Sie versuchen, diese Spieler zu entwickeln und mit ihnen zu arbeiten, damit sie in Zukunft produzieren können. Ulm will hochkarätige Spieler entwickeln. Das ist sehr ähnlich zu meinem Denken. Denn wie wir sehen, ist der globale Basketball dabei, sich zu verändern. Die NBA investiert massiv in die

G-League, viel mehr Geld als zuvor. Viele US-Amerikaner werden also in Zukunft wohl entscheiden, zu Hause zu bleiben und dort ihren NBA-Traum zu verfolgen. Ein starkes eigenes Jugendprogramm zu haben, eigene Spieler zu produzieren, wird also in Europa immer wichtiger. Diese Spieler müssen die Philosophie, die Geschichte, die Identität ihres Klubs verstehen. Das ist für die Zukunft fundamental wichtig. Ich habe darüber mit vielen Menschen in der NBA gesprochen, mit zahlreichen Experten. Alle haben das Gleiche gesagt. Diese Philosophie des Klubs und meine persönliche Sicht, das stimmt absolut überein. Aber das gilt auch für den Weg, wie wir spielen wollen. Und was hat deine Recherche zur Basketball-Bundesliga ergeben? Ich war mit einer Menge Coaches in Kontakt, die einen Bezug zur BBL haben oder hatten. Sie haben mir gesagt, dass die Liga sehr athletisch ist, sehr orientiert am Spiel an der Dreierlinie. Außerdem sagten sie, dass die Liga Jahr für Jahr größer wird. Sie ist nicht auf dem gleichen Level wie die ACB, wo ich herkomme. Aber die Liga ist sehr stark, sehr kompetitiv, und – das ist am beeindruckendsten für mich – du spielst gegen völlig verschiedene Mannschaften. Ein Gegner spielt sehr, sehr organisiert, versucht ein System auszuführen und die bestmögliche Lösung zu finden. Der nächste hat das Team sehr athletisch besetzt, will viel rennen, ein hohes Tempo und viel Einsgegen-eins spielen. Du brauchst zwei völlig verschiedene Typen von Basketball. Das war sehr interessant und auch etwas überraschend für mich, das muss ich zugeben. Denn in der ACB, gegen wen auch immer du spielst, brauchst du einen Typus von Basketball: organisiert, die Xs und Os, mit einer gewissen Geschwindigkeit, aber insbesondere organisiert. Hier musst du in der Lage sein, gegen zwei völlig verschiedene Arten von Gegnern anzutreten. Das war sehr interessant für mich. Du hast für drei Jahre in Ulm unterschrieben. Woran willst du deinen Erfolg in Ulm messen lassen? Für mich und den Klub geht es um zählbare Erfolge, keine Frage. Wir betreiben Hochleistungssport und müssen Resultate erzielen. Auch wenn die Philosophie von Ulm darauf basiert, eine Menge Zeit und Energie in die Entwicklung junger Spieler für das höchste Niveau zu stecken: Ulm gehört auch immer zu den besten Mannschaften in Deutschland. Es geht um Playoffs, den Pokal, darum, vielleicht den Titel holen zu können. Auch im europäischen Wettbewerb müssen wir uns behaupten. Ich muss hier auch Erfolge in Form bestimmter Resultate produzieren, das ist ein Aspekt meiner Arbeit. Außerdem will ich sehen, dass wir ein, zwei, drei Spieler haben, die in der ersten Mannschaft

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interview

Jaka

Lakovic

in der BBL spielen, die wir selbst entwickelt haben. Das würde bedeuten, dass sich das Programm, der OrangeCampus, in die richtige Richtung entwickelt. Dass wir es schaffen, wettbewerbsfähige Spieler für einen Klub mit den Ansprüchen von Ulm zu entwickeln, die in der Bundesliga Spiele gewinnen können. Hast du eine Art Mentor oder ein Vorbild als Coach? Ich hatte das Glück, mit vielen großartigen Trainern zusammenarbeiten zu können. Um nur einige Beispiele zu nennen: Zeljko Obradovic, Dusko Ivanovic, Xavi Pascual, Bozidar Malkjovic, Igor Kokoskov … von diesen Trainern habe ich eine Menge über Basketball gelernt. Aber die eigentliche Arbeit als Coach, die verstehst du erst, wenn du sie selbst verrichtest. Der größte Einfluss, bis heute, kommt aus meiner Zeit mit der slowenischen Nationalmannschaft unter Headcoach Kokoskov. Er war der Architekt dieses großartigen Erfolges im Jahr 2017 und hat die Nationalmannschaft in den folgenden Jahren geprägt. Das war eine super Lernerfahrung für mich. Er und Coach Obradovic, das sind Leitfiguren für mich. Der Begriff „Mentor“ ist nicht ganz passend, da wir ja nicht die ganze Zeit zusammen sind. Aber sie sind Idole für mich, ganz sicher. In einem Artikel aus der schwäbischen Lokalpresse wirst du als „BasketballFanatiker“ bezeichnet. Wie viel Zeit pro Woche verbringst du damit? Und bleibt noch Zeit, um selbst ein wenig zu spielen? (lacht) Das stimmt zu 100 Prozent, Basketball ist mein Leben. Basketball und meine Familie. Am Morgen, wenn ich diese eineinhalb, zwei Stunden mit meinen Kindern verbracht habe, mit Frühstück und der Fahrt zum Kindergarten, dann beginnt Basketball. Und das geht dann bis vier, fünf Uhr am Nachmittag, wenn ich meine Kinder wieder abhole. Dann geht das Familienleben wieder los. Ich habe keine Zeit, noch selbst Basketball zu spielen. Es geht nur noch um das Coaching, die Vorbereitung und darum, so viel Zeit wie möglich mit den Kindern zu verbringen. Und dann, am Abend, wenn sie im Bett sind, schauen meine Frau und ich ein paar Serien und haben Zeit alleine – wenn ich dann nicht nochmal zum Training gehe. Das ist mehr oder weniger mein Leben (lacht). Einer deiner wichtigsten Spieler ist Killian Hayes, ein 18-jähriger Spielmacher aus Frankreich. Wieso spielt er für Ulm? Nun, er passt sehr gut zu unserer Philosophie und wird hoffentlich ein großartiges Beispiel dafür sein, was wir hier versuchen. Er war keine 18 Jahre alt, als der Klub mir die Option seiner Verpflichtung präsentiert hat. Und ich will ehrlich sein: Wir waren alle sehr skeptisch, denn das brachte eine Menge Risiko mit sich. Einen solch talentierten, aber eben

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geht es, auch bei Killian. Deshalb haben wir uns für Killian entschieden, für die harte Arbeit mit ihm, an seiner Entwicklung. Jetzt ist klar, dass diese Entscheidung nicht falsch, sondern richtig war. Killian hat große Lernfortschritte gemacht. Fortschritte dabei, ein Team zu lenken und selbst zu spielen. Wenn ich sechs Monate zurückschaue, dann ist er ein viel besserer Spieler geworden, viel reifer, aber auch eine viel stärkere und unabhängigere Person als zu dem Zeitpunkt, als er hier ankam.

„Kontinuierliche harte Arbeit, kontinuierliches Lernen, die Fähigkeit, sich anzupassen, aus jedem Training und Spiel etwas mitzunehmen – das macht dich zu einem besseren Coach.“ -----------

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auch jungen und unerfahrenen Point Guard aus seiner Heimat Frankreich zu holen … in eine völlig neue Kultur. Wir kannten das Risiko, das wir eingegangen sind. Aber der Klub hat das abgewogen und gesagt, dass es eine Win-win-Situation für den Klub und den Spieler sein sollte. Es hat perfekt zur Philosophie gepasst. Junge Spieler auf das nächste Level zu bringen, darum

Vor einigen Wochen musstest du Zoran Dragic ersetzen, der eine Option nutzte, um zum Euroleague-Klub Baskonia zu wechseln. Wie hast du reagiert, als er dir seine Entscheidung mitgeteilt hat? Wir wussten natürlich von dieser Möglichkeit. Ich wusste auch, dass Zoran das Ziel hatte, zurück auf das höchste Niveau zu kommen, nachdem er zwei schwere Verletzungen hatte. Er war sehr wichtig für uns, der beste Scorer der Liga. Bis zum letzten Tag habe ich gehofft, dass er bis zum Ende der Saison hier bleibt. Aber er hat eine andere Entscheidung getroffen. Es war schwierig für mich, ihn gehen zu sehen. Aber Basketball ist ein Business. Zoran hat diese Leidenschaft, und er will auf diesem Level spielen. Deshalb war es schwierig, ihn umzustimmen. Am Ende des Tages war ich traurig, aber wir als Klub haben uns auch für ihn gefreut. Er hat sich hier sehr verbessert, und wir haben ihm geholfen, auf sein altes Level zurückzukehren. Das ist auch etwas Gutes für uns und unser Renommee. Wir haben Zoran so sehr geholfen, wie er uns geholfen hat. Warum habt ihr euch schlussendlich für die Nachverpflichtung von Archie Goodwin entschieden? Archie ist ein großartiger Athlet, der deshalb sehr gut in diese Liga passt. Wir brauchten mehr Athletik in unserem Kader. Das kann Archie bringen. Er kann verteidigen, verschiedene Positionen verteidigen, vielleicht von der Eins bis zur Drei. Außerdem kann er verschiedene Positionen im Angriff einnehmen. Schlussendlich hat er in der Türkei eine großartige Saison gespielt. Er ist sehr gut im Fastbreak, und wir sind eine Mannschaft, die gerne schnell spielt. Wir dachten, dass er uns auch in diesem Aspekt eine Menge geben könnte. Es wird Zeit brauchen, bis Archie versteht, was wir im Halbfeld taktisch erreichen wollen. Aber wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, wird er seine Optionen in jedem System finden. Er ist sehr gut darin, zum Korb zu kommen, an die Freiwurflinie zu kommen. Und auch wenn wir statistisch gesehen kein starkes Team aus der Distanz sind, denken wir, dass wir recht gute Schützen haben. Archie bringt da ein neues, aggressives Element rein, geht zum Korb und attackiert vertikal. Wir haben uns für ihn entschieden. Der Markt in Europa für


Fotos: TF-Images/Getty Images

gute Spieler ist aktuell sehr schwierig, und wir sind froh, Archie gefunden zu haben. Im vergangenen Sommer musstest du erstmals eine komplett eigene Mannschaft zusammenstellen. Wie bist du diese Aufgabe angegangen? Außer Kapitän Per Günther, Gavin Schilling und Max Ugrai mussten wir bei null anfangen. Das war eine große Herausforderung. Ich bin sehr glücklich, dass ich die Hilfe von Sportdirektor Thorsten Leibenath und Manager Dr. Thomas Stoll hatte. Wir haben bei der Zusammenstellung des Teams sehr eng zusammengearbeitet, und ich bin sehr dankbar dafür. Beide haben sehr viel Erfahrung und konnten mir daher eine große Hilfe sein. Ich habe das zum ersten Mal gemacht und besitze nicht all die Antworten. Diese Hilfe war immens für mich. Am Ende des Tages haben wir das als Team gemacht, jeder hat viele Hausaufgaben gemacht, mit vielen Spielern gesprochen und danach geschaut, was wir gesucht haben. Wir haben einen guten Job gemacht, glauben an dieses Team und hoffen, dass sich die Arbeit am Ende bezahlt macht. Wonach habt ihr genau gesucht? Mit allen Spielern habe ich einen Punkt besprochen, gerade auch mit denjenigen,

die wir dann nicht verpflichtet haben: Wer auch immer hierherkommt, muss das Team-Konzept verinnerlichen und leben. Er muss die Philosophie übernehmen, sie akzeptieren. Das Team geht vor, ein guter Mannschaftskamerad zu sein. Das habe ich in jedem Gespräch immer wieder betont. Es geht um die Team-Chemie und darum, in guten und in schlechten Zeiten zusammenzustehen. Wenn der Sturm kommt – und in einer langen Saison kommt der Sturm immer irgendwann –, ist es ganz wichtig, eine Mannschaft zu haben, die an das glaubt, was wir hier tun. Dann ist es einfacher, den Sturm zu überstehen, als wenn du Spieler hier hast, die ihre eigene Agenda haben, nur die Saison überleben wollen. Darum ging es zuallererst für mich. Der Sturm kam dann auch recht früh: Der Saisonstart von ratiopharm Ulm war holprig. Im Eurocup habt ihr nur eine von zehn Partien gewonnen und seid früh ausgeschieden. Kam dieser Wettbewerb für diese Truppe zu früh? Das Team ist jung, unerfahren im Eurocup. Es war zu früh, um auf diesem Level eine Rolle zu spielen. Aber ich sage mit Überzeugung, dass wir auch die stärkste Vorrundengruppe im Wettbewerb hatten. Das hat uns nicht geholfen. Aber diese Spiele, Spiele auf höchstem Niveau, haben uns jede Menge Erfahrungen gebracht,

Lernmöglichkeiten. Wir konnten an unserer Resilienz arbeiten, an der Einstellung, wenn die Dinge mal nicht gut laufen. Hoffentlich werden sich diese Erfahrungen im Laufe der Saison noch für uns auszahlen. Hast du jemals für einen Coach gespielt, der zuvor kein guter Spieler war? Ja, auf jeden Fall. Xavi Pascual ist solch ein Beispiel. Er gehört in den vergangenen zehn Jahren zu den besten Coaches Europas, hat auf höchstem Niveau gearbeitet. Er war kein guter Spieler, ich weiß gar nicht, ob er überhaupt Basketball gespielt hat … da gibt es noch mehr Beispiele. Ettore Messina war auch kein Profi-Basketballer. Ein großer Spieler wird nicht automatisch ein toller Trainer sein und umgekehrt. Auch ein Amateur kann ein großer Trainer werden. Da ist keine Verbindung, denke ich. Ja, es kann dir helfen, diese Erfahrung als Spieler auf höchstem Niveau. Doch es gibt so viele Dinge, die du zusätzlich studieren musst, dir erarbeiten musst. Da gehört viel mehr dazu. Zeit, Einsatz, Leidenschaft. Ein großer Spieler gewesen zu sein, gibt dir keine Garantie. Kontinuierliche harte Arbeit, kontinuierliches Lernen, die Fähigkeit, sich anzupassen, aus jedem Training und Spiel etwas mitzunehmen – das macht dich zu einem besseren Coach. redaktion@fivemag.de

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in-dre-ssant

Die

NBA-Awards

DIE NBA-AWARDS

2019/20

19/20

VERSION 5.0

Wird es NBA-Awards

MOST VALUABLE PLAYER

2019/20 geben? Niemand

1. GIANNIS ANTETOKOUNMPO Bucks Stats: 29,6 PPG, 13,7 RPG, 5,8 APG, 1,0 BPG, 58,3 eFG%

wusste das zum Redaktionsschluss. Wir vergeben an dieser Stelle unsere Auszeichnungen. Text: André Voigt DEFENSIVE PLAYER OF THE YEAR Rudy Gobert mag der imposanteste Verteidiger der Liga sein, aber Giannis Antetokounmpo überholte ihn, als die Jazz in der Defensive in den letzten Saisonwochen doch arg abbauten (20. Platz in der NBA in den letzten 15 Partien). Giannis Antetokounmpo, Bucks Rudy Gobert, Jazz Anthony Davis, Lakers Brook Lopez, Bucks Patrick Beverley, Rockets

COACH OF THE YEAR „Trainer des Jahres“ wird Taylor Jenkins. Von allen Teams, die am Ende der Saison 2019/20 auf einem Playoff-Rang standen, waren die Memphis Grizzlies das mit Abstand überraschendste. Taylor Jenkins, Grizzlies Nick Nurse, Raptors Erik Spoelstra, Heat

EXECUTIVE OF THE YEAR „Manager des Jahres“ ist Lawrence Frank. Den Sommer gewonnen, den Buyout-Markt dominiert. Und das mit einem Team, das nur die Nummer zwei in der eigenen Stadt ist. Chapeau! Lawrence Frank, Clippers Pat Riley, Heat Rob Pelinka, Lakers

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Als wir den „Greek Freak“ zuletzt sahen, verlor er gegen von LeBron James grandios geführte Lakers, verletzte sich am Knie und musste danach aussetzen. In dieser Zeit wurden Stimmen laut, dass die zweite Partie der beiden bilanzbesten Teams der NBA ganz klar gezeigt hätte, wer denn der MVP 2020 sei. Der wichtigste individuelle Award der Association ist jedoch einer für das Gesamtwerk, und das spricht für Giannis Antetokounmpo. Defensiv setzte er sich über die Saison an die Spitze aller relevanten Verteidigungsmetriken, offensiv schulterte er eine Mannschaft ohne zweiten Abo-All-Star und trug sie zur besten Bilanz der Liga. Auch wenn LeBron James am Ende nah dran war, so ist der Grieche der alte und neue MVP. 2. LEBRON JAMES Lakers Stats: 25,7 PPG, 7,9 RPG, 10,6 APG, 4,0 TPG, 55,5 eFG% Es ist eine Schande … wäre die Saison normal zu Ende gespielt worden, der „King“ wäre wohl zum fünften Mal als MVP gekrönt worden. Der Grund: Im März drehte er noch einmal richtig auf und ließ „Playoff LeBron“ früher von der Kette als sonst. Vielleicht hätte ihn aber auch das relative Schleifenlassen in der Defensive in den letzten gespielten Wochen (unter Ausnahme der einzelnen grandiosen Leistungen wie etwa gegen Antetokounmpo) trotz allem den Titel gekostet. Auf jeden Fall spielte der 35-Jährige eine wahnsinnige Saison und erfand sich als dominanter Passgeber sogar ein Stück weit neu. 3. LUKA DONCIC Mavericks Stats: 28,7 PPG, 9,3 RPG, 8,7 APG, 4,2 TPG, 53,1 eFG% Auch wenn Luka Doncic am Ende nichts mit der Vergabe des MVP-Awards 2020 zu tun hatte (der Abstand zu den beiden Favoriten war einfach zu groß), in den kommenden Jahren dürfte der Slowene öfter ein gewichtiges Wort bei dieser Entscheidung mitsprechen. Eigentlich wurde der 21-Jährige in allen Belangen besser. Doch da war halt auch der Dreier, der nach dem AllStar-Break nur mit einer Quote von 29,3 Prozent fiel – bei 9,2 Versuchen pro Partie war das sehr wenig. Aber der „Wonder

Boy“ muss ja auch in irgendetwas noch besser werden können. 4. NIKOLA JOKIC Nuggets Stats: 20,2 PPG, 10,2 RPG, 6,9 APG, 1,2 SPG, 56,5 eFG% Sagen wir es, wie es ist: Jokic ist selbst schuld! Er kam übergewichtig ins Trainingscamp, spielte sich erst während der Saison auf ein akzeptables Fitnesslevel. Wäre er von Anfang an auf Topniveau gewesen, hätte er als echter Geheimfavorit auf den Titel gegolten. Aber er erzielte in den ersten 17 Partien nur 15,6 Punkte im Schnitt, traf 45,8 Prozent aus dem Feld plus 23,3 Prozent von Downtown. 5. JAMES HARDEN Rockets Stats: 36,9 PPG, 6,3 RPG, 7,4 APG, 4,7 TPG, 54,1 eFG% Wenn Harden heiß war, fackelte er die ganze Liga ab. Wie im November (39,5 PPG, 46,3 FG% und 38,9 3P%), im Dezember (37,3 PPG, 48,1 FG% und 42,5 3P%) oder im Februar (31,9 PPG, 46,2 FG% und 37,3 3P%). Das Problem: In den anderen Monaten war Harden extrem kalt, schoss jedoch weiter. Er traf je unter 28,0 Prozent seiner Dreier, nahm trotzdem immer mehr als zehn pro Partie. Vormonat: 1. Giannis Antetokounmpo, 2. LeBron James, 3. Luka Doncic, 4. Nikola Jokic, 5. James Harden


ROOKIE OF THE YEAR

BEST SIXTH MAN

1. JA MORANT Grizzlies Stats: 17,6 PPG, 3,5 RPG, 6,9 APG, 36,7 3P%, 52,3 eFG%

1. DENNIS SCHRÖDER Thunder Stats: 19,0 PPG, 3,7 RPG, 3,7 APG, 2,5 TPG, 38,1 3P%, 53,2 eFG%

Ja Morant ist der „Rookie des Jahres“. Zion Williamson absolvierte am Ende nur 19 Partien und kommt deshalb in dieser Auflistung weiterhin nicht vor, auch wenn er natürlich extrem ablieferte. Aber zurück zu Morant. Als Point Guard führte er die Grizzlies zum vorläufigen Saisonende auf einen PlayoffPlatz in der Western Conference. Seine Konstanz als Rookie war dabei überragend. Nur im Februar schwächelte er an der Dreierlinie (25,7 3P%), ansonsten führte er seine Mannen souverän als Spielgestalter an. In der Defensive bleibt allerdings noch viel Luft nach oben.

Dennis Schröder will starten – und das mit Recht! Seine Zahlen in dieser Saison sind die eines Starters. Gut, das war schon öfter so. Aber erstmals seit Jahren war auch seine Defensive auf Topniveau, und der Dreier fiel sehr gut!

2. KENDRICK NUNN Heat Stats: 15,6 PPG, 2,7 RPG, 3,4 APG, 36,2 3P%, 52,5 eFG%

Fotos: Andrew D. Bernstein/Harry How/Joe Murphy/Jordan Johnson/Omar Rawlings/Getty Images

Kendrick Nunn belegt ungedraftet den zweiten Platz dieses Rankings – das sagt eine Menge über die Qualität dieses Jahrgangs (minus Zion) aus. Allerdings ist Nunn auch ein Scorer, der durchs Raster fiel und bei den Miami Heat – wo niemand Spielzeit geschenkt bekommt – eine extrem wichtige Rolle bekleidet hat. Die Zahlen des (schon) 24-Jährigen nach dem All-StarBreak? 17,1 Punkte, 49,3 Prozent Feld- und 44,4 Prozent Dreierquote.

2. MONTREZL HARRELL Clippers Stats: 19,3 PPG, 7,1 RPG, 1,8 APG, 1,1 BPG, 57,8 eFG%, 28,7 MPG Montrezl Harrell überholte auf der Ziellinie der Saison noch Mitspieler Lou Williams. Der Big Man war auch spät in der Saison sein wuchtiges Selbst und lieferte vor allem im Angriff, aber auch defensiv ab.

MOST IMPROVED PLAYER* 1. BRANDON INGRAM Pelicans Stats: 24,3 PPG, 6,3 RPG, 4,3 APG, 38,7 3P%, 53,4 eFG% Brandon Ingram war zum ersten Mal All Star. Und auch wenn er in den vergangenen Jahren immer mal wieder Ansätze zeigte, ein überdurchschnittlich guter NBA-Profi war er nie. Bis zu dieser Saison … Der Forward war Scorer und Vorbereiter, traf erstmals seinen Dreier in hohem Volumen und legte in fast allen Advanced Stats Karrierebestwerte auf.

3. BRANDON CLARKE Grizzlies Stats: 12,1 PPG, 5,8 RPG, 0,8 BPG, 40,4 3P%, 64,8 eFG%

2. BAM ADEBAYO Heat Stats: 16,2 PPG, 10,5 RPG, 5,1 APG, 1,2 SPG, 1,3 BPG, 56,8 eFG%

Brandon Clarkes Saison endete verletzungsbedingt sehr früh. Egal! Der athletische Big Man mit dem sicheren Dreier öffnete vielen Managern im Laufe der Saison die Augen. Die Grizzlies haben mit Morant, ihm, Dillon Brooks und Jaren Jackson Jr. einen starken U25-Kern beisammen.

Klar, Bam Adebayo machte einen komplett unerwarteten Sprung vom Ergänzungsspieler zum All Star. Seine Stats lieferten jedoch schon 2018/19 Hinweise darauf, dass er explodieren könnte. Am Ende verliert er hauchdünn gegen Ingram, aber es gibt bei der Frage „Ingram oder Adebayo?“ eigentlich keine falsche Antwort. Beide All-StarDebütanten machten einen Riesensprung.

Vormonat: 1. Ja Morant, 2. Kendrick Nunn, 3. Brandon Clarke

3. LOU WILLIAMS Clippers Stats: 18,3 PPG, 3,8 RPG, 3,8 APG, 2,8 TPG, 36,2 3P%, 53,2 eFG% Waren es die Additionen von Reggie Jackson und Marcus Morris spät in der Clippers-Saison? Fakt ist, dass Lou Williams nach dem All-Star-Break nur 13,1 Punkte auflegte. Dabei war er zwar effizient (48,3 3P%), aber in diesem engen Rennen bedeutete es den Abstieg auf den dritten Platz. Vormonat: 1. Lou Williams, 2. Montrezl Harrell, 3. Dennis Schröder

3. CHRISTIAN WOOD Pistons Stats: 13,1 PPG, 6,3 RPG, 1,0 APG, 0,9 BPG, 38,6 3P%, 62,0 eFG% Christian Wood erschien erst sehr spät im Rennen um den MIP-Award. Aber dann mit einer Fulminanz, die ihn noch in die Top 3 katapultierte (Post-All-Star-Break: 24,0 PPG, 9,6 RPG und 38,9 3P%). Der Stretch-Big-Man war eine der wenigen Erfolgsgeschichten in Detroit. Vormonat: 1. Brandon Ingram, 2. Bam Adebayo, 3. Jaylen Brown * Zweitjahresprofis werden traditionell von uns bei der MIP-Wahl nicht berücksichtigt.

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ivan beslic

ivan beslic „I am not a

Role Model“

F

reunde, in der Geschichte der NBA gab es viele skurrile Persönlichkeiten, aber nur sehr wenige vom Endbosslevel eines Charles Barkley. Ein eher klein gewachsener, übergewichtiger Rabauke mit dem Hang zum übermäßigen Pizzakonsum. Barkleys Werdegang zum Profi begann in den glorreichen 80ern. Nachdem er sich drei Jahre lang einen Namen an der Auburn University machte, meldete sich der Power Forward neben Spielern wie Michael Jordan oder Akeem Olajuwon (damals noch ohne „H“) für den legendären Draft-Jahrgang von 1984 an. Die Philadelphia 76ers hatten großes Interesse an Barkley, aber da sie ihm aufgrund des knappen Cap Space nur das MinimumGehalt von 75.000 Dollar zahlen konnten, entschied er sich zwei Tage vor der Draft, per Fastfood zehn Kilogramm Fettmasse auf die Rippen zu packen, um die Verantwortlichen in Philly zum Umdenken zu bewegen. Doch die Völlerei war vergebens, denn mit dem fünften Pick sicherte sich Philadelphia die Rechte am Pummelchen. Mit Moses Malone und Dr. J hatte er gleich zwei MVPs neben sich im Kader, die

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dem Rookie zeigen konnten, wie man erfolgreich Basketball zockt, schließlich hatte Philly 1983 noch den Meistertitel gewonnen. Mit 14,0 Punkten und 8,6 Rebounds sicherte sich „Chuck“ einen Platz im All-Rookie-Team, und den 76ers gelang ein tiefer Playoff-Run bis in die Eastern Conference Finals, wo erst gegen die Milwaukee Bucks Schluss war. Leider hatte das starke Sixers-Trio Erving-Malone-Barkley nur eine kurze Laufzeit, weil Moses im Folgejahr getradet wurde und Dr. J 1987 in den Ruhestand ging. Mit der Zeit wuchs Barkley zum Franchise-Player heran, der praktisch auf allen Positionen spielen konnte. Trotz seiner (eher weniger als) 1,98 Meter sorgte er mit seinem bulligen Körper für Randale unter den Brettern und pflückte sich die Rebounds vom Himmel, als wären es Glühwürmchen auf der Sommerwiese. Der „Round Mound of Rebound“ sorgte mit seinen flinken Beinen und explosiven Moves für Verwüstung und Chaos in gegnerischen Zonen. Besonders seine Coastto-Coast-Aktionen sind legendär. Oftmals ging es vom Rebound in der Defense schnurstracks im Alleingang zum wuchtigen beidhändigen Dunk, inklusive eines dummen Spruchs für seinen Gegenspieler. Der direkte Weg ist halt immer noch der beste. „Chuck“ war bekannt für sein loses Mundwerk und nutzte seine Redefreiheit, wo er nur konnte. Für besonders gute Freunde gab der Raufbold sogar faustgroße Gratis-Zuschläge straight in your face. Während die meisten Spieler Schlägereien mieden, zog Barkley sie förmlich an. Er kümmerte sich aber auch um die Fans. Als er sich 1991 während eines Spiels mit einem Hater anlegte, wurde Barkley so sauer, dass er aus vollem Rachen in dessen Richtung spuckte. Doch leider bekam ein achtjähriges Mädchen den ganzen Drip ab, was einen miesen „Spitstorm“ zur Folge hatte. Ein paar Jahre später warf er einen Fan der Magic während eines Bar-Besuchs in Orlando durch die Fensterscheibe, weil dieser ihn provoziert hatte. Als ihn ein Richter dann fragte, ob er diesen Vorfall bedauere, antwortete er nur: „Ja, ich bedauere, dass wir nicht in einer höheren Etage waren!“ #Budspencerstyle „Sir Charles“ wurde zum AboAll-Star und kämpfte sich Jahr für Jahr mit seinem Team durch die Saison, doch wegen mangelnder Hilfe auf dem Court machte sich allmählich Frust breit. Er wollte seine besten Jahre nicht in Philly vergeuden und forderte einen Trade. Seine Hilferufe wurden erhört, und die Phoenix Suns hatten kurz darauf einen neuen Sheriff in der Stadt. Doch bevor es zu den Suns ging, durfte er im Sommer 1992 mit dem Dream Team nach Barcelona. Im vielleicht hochkarätigsten Kader der Sportgeschichte führte „CB34“ Team USA neben Stars wie Larry Bird oder Magic Johnson mit 18,0 Punkten als Topscorer an und hatte großen Anteil an der Machtdemonstration der US-Amerikaner. Beschwipst von der Sangria und der Goldmedaille um den Hals ging es dann nach Arizona, wo Barkley seinen zweiten

Frühling erleben sollte. Mit 25,6 Punkten und 12,2 Rebounds legte er wie gewohnt starke Zahlen auf, aber dieses Mal passte auch das Drumherum im Kader. Dank starker Mitspieler wie Kevin Johnson oder Dan Majerle führte er die Suns mit einer starken 62-20-Bilanz als bestes Team durch die Regular Season, was zudem auch noch mit dem MVP-Titel belohnt wurde. #welldeserved Nach drei siegreichen Playoff-Serien fanden sich die Suns im Finale gegen die Chicago Bulls wieder, wo es zum SuperstarDuell zwischen Barkley und Jordan kam. Die Suns gaben alles, aber gegen die starken Bulls war kein Kraut gewachsen, und Chicago gewann das Finale mit einem umkämpften 4-2. #miesgelaufen Barkley war ein Publikumsliebling, doch nicht alle mochten seine ehrliche Art, was sich sein Sponsor Nike in einem der kontroversesten Werbespots aller Zeiten zunutze machte. Der „I am not a Role Model“Clip zeigte unmissverständlich, dass Barkley sich nicht als Vorbild für die Kids sah. Er wurde bezahlt, um Basketball zu spielen, und machte klar, dass die Eltern sich selbst um die Erziehung ihrer Sprösslinge kümmern sollten. #nextLevelMarketing Die Marketingkampagne des Antihelden schlug ein wie eine Bombe. Nach MJs erstem Retirement bot sich wohl die beste Chance, nochmal nach dem Titel zu greifen, aber die Houston Rockets vereitelten die Pläne der Suns und markierten mit zwei Titeln in Folge ihr Revier. Immerhin klappte es aber 1996 mit der zweiten Goldmedaille bei den Olympics in Atlanta. Zur neuen Saison wechselte er wie Darth Vader auf die dunkle Seite und unterschrieb bei seinem einstigen Erzrivalen, den Houston Rockets. „If you can’t beat ’em, join ’em.“ #DurantWHO? Barkley, Olajuwon und Clyde Drexler machten auf dem Papier eine gute Figur, aber der Zahn der Zeit nagte schon fleißig an ihrem Game, die Wehwehchen häuften sich. Nach einer langen Verletzungspause beendete der „Chuckster“ dann 1999/00 schließlich seine Karriere mit den Worten: „I’m just what America needs, another unemployed black man.“ Den Weg zum Arbeitsamt konnte er sich aber sparen. Seit 2000 gibt er bei „Inside the NBA“ als Basketballexperte seinen extrascharfen Senf zum Besten und beglückt uns bis heute mit seinem Trashtalk. Nichtsdestotrotz gehört Barkley zu den dominantesten Power Forwards, die diese Liga je gesehen hat. Abgesehen von seiner Rookie-Saison legte er über seine ganze Karriere in jedem Jahr ein Double-Double auf und droppte in insgesamt 1.073 Partien 22,1 Punkte, 11,7 Rebounds und 3,9 Assists pro Spiel. Freunde, wascht euch die Hände, bleibt bitte zu Hause und spuckt bloß keine kleinen Kinder an.

Peace, Ivan


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