FIVE #166

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BASKETBALL FOR LIFE

MAMBA MENTALITY

03/2020

166

KOBE SEIN LEBEN. SEIN VERMÄCHTNIS.

3,90 €

Österreich 5,00 € Schweiz 7,80 SFR BeNeLUX 4,60 € Italien 5,25 € Spanien 5,25 €

ISSN 1614-9297

ISSUE 166

WWW.FIVEMAG.DE

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BEN SIMMONS // TRAE YOUNG // SHAI GILGEOUS-ALEXANDER // MARCUS SMART LOAD MANAGEMENT // SEKOU DOUMBOUYA // NBA-DRAFT 2020 // BOSTON CELTICS TYRESE HALIBURTON // JOEY DORSEY // ANGT // GREG MONROE // BRANDON DAVIES


WWW.K1X.COM


THE BLITZ PACK


editorial

FIVE

IMPRESSUM

166

Redaktion: redaktion@fivemag.de

Kobe Bean Bryant * 23. August 1978 † 26. Januar 2020

Verlag: KICKZ.COM GmbH Landwehrstr. 60 80336 München Tel.: +49-89-324 781 70 Fax: +49-89-324 781 99 Chefredakteur: André Voigt (verantw.) Grafik: Patrick „Mochokla“ Ortega Fotos: Getty Images Lektorat: Thomas Brill

Fotos: Glenn James/Noah Graham/NBAE via Getty Images

LIEBE FIVE-GEMEINDE, der 26. Januar 2020 wird einer dieser Tage sein, die wir alle nie vergessen werden. Jeder von uns wird sich erinnern, wo er war, als er vom Tod Kobe Bryants hörte. Es wird vielen von euch ähnlich gegangen sein. Erst: „Das kann doch nicht wahr sein, das ist fake, bitte lass es fake sein“, dann: „Oh mein Gott!“ Und dann: Leere, über die sich ein grauer Schleier der Trauer legte. Dabei war Kobe Bryant kein Teil unserer Familien, kein Freund, nicht mal ein Bekannter. Und doch rief er in uns diese Gefühle hervor. Warum? Niemand von uns kannte Kobe Bryant, und doch kannten wir ihn. Er ließ uns Momente erleben, die emotional waren, für die Ewigkeit. Wir bewunderten ihn, ließen uns von ihm inspirieren. Einige waren seine Fans, andere nur Bewunderer, vielleicht mochten ihn viele auch nicht. Respektiert aber haben ihn alle, die den Basketball lieben. Denn diese Liebe teilten wir alle mit Kobe Bean Bryant. Er gab sich dem Spiel hin, so wie wir das gern getan hätten. Mit 100 Prozent, ohne Kompromisse. Er gewann, er versagte, weniger getrieben war er nie.

Was hätten wir dafür gegeben, so zu sein wie er. Nur ein bisschen. Im Basketball, im Job, egal wo. Immer intensiv, immer selbstbewusst, immer fokussiert, immer „Mamba“. Doch auch wenn wir es nicht waren, so motivierte er uns, es zu versuchen. Kobe Bryant war der Michael Jordan seiner Generation. Wie viele Kinder überall auf dieser Welt fingen mit dem Basketball an, weil Kobe so war, wie er war? Eines dieser Kinder war Gianna Bryant, seine 13-jährige Tochter, die mit ihrem Vater und sieben weiteren Menschen tödlich verunglückte. So leer wir uns beim Hören der Nachricht auch gefühlt haben – der Schmerz, den Vanessa Bryant als Mutter und die drei hinterbliebenen Töchter Natalia, Bianka und Capri fühlen, muss unermesslich sein. Unser Leben ist weitergegangen. Die Leere wich der Normalität. Normalität wird es für die Bryants vielleicht nie wieder geben. „Legenden sterben nicht“, war vielerorts im Netz zu lesen. Väter, Ehemänner, Söhne und Freunde sterben aber leider sehr wohl. Nichts bringt sie zurück, kein Foto, kein Highlightvideo.

BESTEN DUNK

nächste aUSGABE

Dré dunkt Kobe Bryant – für alles, was du für den Basketball getan hast. Danke!

Die FIVE #167 erscheint am 13. März 2020 oder liegt schon bis zu vier Tage vorher bei allen Abonnenten im Briefkasten. Dann im Heft: Luka Doncic (dieses Mal wirklich), Dennis Schröder (echt!) und vieles, vieles mehr!

Ausgabe verpasst? Kein Thema. Scannt den nebenstehenden Code mit eurem Smartphone ein oder

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schaut auf www.kickz.com/de/five vorbei und ordert einfach nach.

„I’m ready to let you go. I want you to know now So we both can savor every moment we have left together. The good and the bad. We have given each other All that we have. And we both know, no matter what I do next I’ll always be that kid With the rolled up socks Garbage can in the corner :05 seconds on the clock Ball in my hands 5…4…3…2…1 Love you always, Kobe“ Mit diesen Worten verabschiedete sich Kobe Bryant damals zu Beginn seiner letzten Saison vom Basketball. Es bricht mir einfach nur das Herz, dass sich seine Familie nicht von ihm und Gianna verabschieden konnte. Die beiden hatten ihr ganzes Leben noch vor sich. Zwei Leben voller Momente mit ihrer Familie. Momente, die jetzt nie sein werden. Immerhin wissen wir, was war. Das können wir weitertragen. Immerhin.

Mitarbeiter dieser Ausgabe: Christian Orban Moritz Wagner Marcel Nadim Aburakia Manuel Baraniak Peter Bieg Daniel Müller Jens Leutenecker Torben Adelhardt Ivan Beslic Martin Vogel Sebastian Finis Ole Frerks Robbin Barberan Aboservice: KICKZ.COM GmbH E-Mail: abo@fivemag.de Tel.: +49-89-324 781 70 Druck: Dierichs Druck + Media GmbH & Co. KG Frankfurter Straße 168 34121 Kassel Vertrieb: MZV GmbH & Co. KG Ohmstr. 1 85716 Unterschleißheim Für unverlangt eingesandtes und nicht mit einem Urhebervermerk gekennzeichnetes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Beiträge, die namentlich gekennzeichnet sind, geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Vervielfältigung, Speicherung sowie Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlages. Gerichtsstand ist München.

ISSN 1614-9297

Rest in Peace, FIVE_MAG

André Voigt

NEXT

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FIVE-ABOSERVICE Heft noch nicht da? Dann mailt an abo@fivemag.de ...


FIVE

inhalt

166

28

56

78

34

86 84

06

40

60

24 SECONDS

SHAI GILGEOUS-ALEXANDER

BOSTON CELTICS: BIG THREE

JOEY DORSEY

Follow him …,­Mixtape, Sneaker Hall of

Haben die Oklahoma City Thunder

Wie wichtig war das Trio Kevin

Kann ein NBA- und Euroleague-Altstar

Fame, Prospects, Legenden-Liebling,

schon ihren Franchise-Player der

Garnett, Paul Pierce und Ray Allen

ausgerechnet beim MBC funktionieren?

Einwurf, NBA-Gossip, Bei der Geburt

Zukunft? Sieht ganz so aus.

wirklich für die NBA?

getrennt, FIVE-Buchklub, NBA-Plays,

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66

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LOAD MANAGEMENT

TYRESE HALIBURTON

Warum setzen gesunde Spieler aus?

Wie ein Point Guard der alten Schule

Die Wahrheit über Load Management.

die Newschool-NBA überzeugen will.

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72

NBA-Skills-Check etc.

24 ONE-ON-ONE: DINWIDDIE VS. MCCOLLUM Wer ist besser: Spencer Dinwiddie oder C.J. McCollum?

26 ONEPAGER: BRIDGES & ROBINSON Mikal Bridges und Duncan Robinson starten durch – und wir sagen, wie.

28 KOBE BRYANT Der Tod von Kobe Bryant ließ die Basketballwelt fassungslos zurück. FIVE mit einem sehr persönlichen Nachruf.

34 TRAE YOUNG Ja, er ist der Spieler, der für Luka Doncic getradet wurde … aber eben

SEKOU DOUMBOUYA Die Pistons-Saison ist vorbei … halt, nicht so schnell. Meet „Dr. Doom“!

52 BEN SIMMONS Ist er der Unvollendete oder nur missverstanden? Ist er Teil des

NBA-DRAFT 2020

Die Top-Talente des ANGT im Porträt.

IN-DRÉ-SSANT

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Die FIVE-All-Stars 2019/20!

INTERVIEW: BRANDON DAVIES Der Center des FC Barcelona im

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eigene Position.

ADIDAS NEXT GENERATION TOURNAMENT

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56 Celtics geht voran und spielt seine ganz

90

vergangenen Jahre ist?

Gespräch mit FIVE.

Der Aggressionsleader der Boston

FIVE traf den Center des FC Bayern.

Draft-Klasse die undurchsichtigste der

Kann es sein, dass die kommende

Problems oder die Lösung?

MARCUS SMART

INTERVIEW: GREG MONROE

BBL-TAKTIK-CHECK Alles neu in Bamberg! Doch ist auch alles besser in „Freak City“?

96 WARENKORB Styles, Styles, Styles … drip, drip, drip! Der KICKZ-Warenkorb ist wieder mal so richtig lit!

98 IVAN BESLIC „Pistol“ Pete Maravich! Enuff said!

auch so viel mehr!

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24 twenty four seconds Die Aktie

In case you missed it . .

IN CASE YOU MISSED IT … Jeden Monat erschlägt einen die Fülle an News und Infos aus der NBAWelt. Da kann einem schon mal was durchrutschen. Deshalb gibt es jetzt an dieser Stelle „In case you missed it“, damit ihr nachträglich auf dem Laufenden seid, was die wichtigsten und vielleicht unwichtigsten News des Vormonats angeht.

Dinwiddie Danke, David

Der Januar brachte einige Verletzungen. Wer neu raus ist? Wer bald wieder eingreifen kann? Kommen die Stars zurück? Unser Überblick zeigt es: Steph Curry , Warriors, Hand, soll am 01. März zurückkehren Otto Porter Jr. , Bulls, Fußbruch, soll rund um den All-Star-Break zurückkehren Luke Kennard , Pistons, Knie, soll bis nach dem All-Star-Break ausfallen Am ersten Tag des Jahres 2020 verstarb mit David Stern der größte Commissioner, den die NBA je hatte – und auch der größte Basketballfunktionär überhaupt. Am 21. Januar feierten NBA-Legenden, Weggefährten und auch seine Familie das Leben von David Stern. In der New Yorker Radio City Music Hall fanden sich unter anderem Michael Jordan, Bill Russell, Oscar Robertson, Magic Johnson, Kareem Abdul-Jabbar, Jason Kidd, Steve Nash, Dirk Nowitzki, Yao Ming, David Robinson, Clyde Drexler, Hakeem Olajuwon, Isiah Thomas, Bernard King, Alonzo Mourning, Bill Walton und die aktuellen New York Knicks ein. Viele NBA-Funktionäre und Teambesitzer kamen ebenfalls. Jazz wurde gespielt (Sterns liebste Musikrichtung), zehn Redner traten auf die Bühne, in rund zweieinhalb Stunden wurde der wichtigste Mann in der Geschichte der NBA gefeiert. „Als ich vor 29 Jahren Hilfe brauchte – zur härtesten Zeit meines Lebens, im dunkelsten Moment meines Lebens –, da wurde mein Commissioner zu einem Engel und rettete mein Leben“, sagte Magic Johnson den Tränen nahe. „Das All-StarGame 1992 gab mir die Energie, die ich brauchte, um weiterzumachen, und David hat es mir ermöglicht, in diesem Spiel dabei zu sein. Wir sprachen oft darüber, wie sehr wir an diesem Tag die Welt verändert haben, wie sehr wir HIV und Aids verändert haben. Wir haben eine Menge Leben gerettet.“

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Das Lazarett

DeMarcus Cousins , Lakers, Kreuzbandriss, könnte spät in der Saison wieder auflaufen Andre Roberson , Thunder, es gibt keine Angaben, wann er wieder eingreifen kann Jonathan Isaac , Magic, Knie, verpasst wohl den Rest der Saison Dwight Powell , Mavericks, Achillessehne, verpasst die komplette Saison John Wall , Achillessehnenriss, könnte im Februar oder März wieder zum Einsatz kommen (spielt schon fünf-gegen-fünf) Klay Thompson , Kreuzbandriss, rund um den All-Star-Break soll er einige medizinische Tests durchlaufen Blake Griffin , Knie, verpasst den Rest der Saison für die Pistons

Rodney Hood , Blazers, Achillessehnenriss, verpasst den Rest der Saison Kevin Durant , Achillessehnenriss, laut Nets-Coach Kenny Atkinson spielt „KD“ 2019/20 nicht mehr

Fotos: Nathaniel S. Butler/Ron Turenne/Brian Sevald/Mitchell Leff/Scott Cunningham/Glenn James/Matthew Stockman/Getty Images

In einen Basketballprofi investieren? Ja, das geht jetzt … und zwar bei Spencer Dinwiddie. Der NetsPoint-Guard musste zwar allerlei Hindernisse umschiffen, doch nach diversen Meetings mit der NBA sind nun seine „Tokens“ zu haben. Die Idee dabei ist einfach: Fans können in Dinwiddie investieren und bekommen nach einiger Zeit eine Dividende ausgeschüttet. Interessierte können sich auf dreamfanshares.com informieren und abkassieren.


in case you missed it . . Thanks, but no thanks … Anthony Davis hätte 146 Millionen Dollar sicher gehabt, doch der All Star schlug die vorzeitige Vertragsverlängerung bei den L.A. Lakers im Januar aus. Dies war auch erwartet worden. In Los Angeles gehen die Verantwortlichen sogar davon aus, dass der 26-Jährige auch den Fünfjahresvertrag über 205 Millionen Dollar, den die Lakers im kommenden Sommer offerieren können, ausschlagen wird. Der Grund: Davis wird wohl nur für zwei Jahre plus Option auf eine weitere Saison unterschreiben. So kann er im Alter von 29 Jahren einen noch größeren Maximalvertrag unterzeichnen. In den USA nennen sie das eine „Business Decision“.

Chandler Parsons Am 15. Januar endete wohl die Karriere von Chandler Parsons. Der Atlanta Hawk war auf dem Heimweg nach dem Training, als ihn ein angeblich betrunkener Fahrer um 14:00 Uhr Ortszeit in einen Unfall verwickelte. Der 31-Jährige erlitt mehrere schwere Verletzungen, unter anderem ein Hirntrauma.

Schnecken statt Gangster Die Cleveland Cavaliers staunten nicht schlecht. In einer Videoanalyse mit Headcoach John Beilein sagte dieser plötzlich: „Ihr spielt endlich nicht mehr wie ein Haufen Gangster“ (im Original: „like a bunch of thugs“). Das Wort „Thug“ ist hierbei das Problem. Der Begriff wird in der Regel als rassistische Bezeichnung für Afroamerikaner benutzt. Entsprechend schockiert waren die Spieler. Beilein war jedoch von den Socken, als ihn nach der Videosession General Manager Koby Altman ansprach. Altman war von Anwesenden auf die Wortwahl seines Headcoaches aufmerksam gemacht worden. Doch der wusste nichts davon. „Ich wollte ‚Slugs‘ sagen, weil wir vorher so langsam gespielt hatten“, erklärte ein sichtlich ergriffener Beilein. „Wir haben vorher nicht mit Einsatz gespielt, den haben wir jetzt. Ich meinte es als ein Kompliment.“ Der 66 Jahre alte Trainer rief in der Folge bei seinen Spielern einzeln an und entschuldigte sich für den Fauxpas.

Der tragische Fall des Delonte West Ende Januar tauchten Videos auf, die zeigen, wie der ehemalige NBA-Profi Delonte West erst auf einem Highway brutal zusammengeschlagen und dann von einem Polizisten in Handschellen gefesselt verhört wird. West soll auf dem Heimweg von einem Casino gewesen sein, wo er zuvor mit einem ihm bekannten Mann aneinandergeraten war. Beide verzichteten darauf, Anzeige zu erstatten und mit der Polizei zusammenzuarbeiten. Nachdem die Videos viral gegangen waren, nahmen ehemalige Mitspieler und Coaches Kontakt zu Wests Freunden sowie seiner Mutter auf, um zu helfen. Beim 36-Jährigen war bereits 2008 eine bipolare Störung diagnostiziert worden. Verschiedene Angebote einer Therapie soll West aber laut „The Athletic“ abgelehnt haben.

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24 twenty four seconds

follow him . .

MUST-FOLLOW #4 Social Media sind aus dem NBA-Fanleben nicht mehr wegzudenken. Doch wie die so wertvolle Screen-Zeit sinnvoll nutzen? Wem folgen? Schön, dass ihr fragt … denn wir haben monatlich ein paar Empfehlungen für euch. DENNIS SCHRÖDER https://www.instagram.com/ds17_fg

Ihr folgt Deutschlands bestem Basketballer noch nicht? Dann wird es aber mal so richtig Zeit. Vor allem wenn ihr in der Offseason in Braunschweig und Umgebung seid und den Best-Sixth-Man-Kandidaten auf dem Freiplatz treffen wollt. Denn wo er dann ist, kündigt „DS17“ gern auf Instagram an.

SIDELINESOURCES https://www.instagram.com/sidelinesources/

Es gibt viele Highlightseiten, sicher. Sidelinesources gehört trotzdem in euren Feed, denn hier werden News, Videos sowie ab und an auch andere Sportarten gefeatured. Hier findet sich der richtige Mix aus Nachrichten und Memes.

MICHAELAIRJORDANS https://www.instagram.com/michaelairjordans/

Wenn ihr so seid wie wir, dann könnt ihr nicht genug bekommen von selten gesehenen Fotos von Michael Jordan. Dieser Account liefert euch täglich „rare Air“ – nur der immer wieder aufkochende LeBron-Hate nervt dann doch.

MIKE SCHMITZ https://www.instagram.com/mikeschmitzscouting/

Mike Schmitz scoutet für ESPN die nächsten NBA-Talente und postet regelmäßig Videos von seinen Reisen in die Zukunft der Association. Vor allem vor der Draft sehr empfehlenswert!

KEVIN DURANT https://twitter.com/KDTrey5

Kevin Durant und Twitter? Da war doch was. Jep, „KD“ battlet sich gern mal mit Fans dort … mal unter seinem Klarnamen, mal mit einem seiner Burner-Accounts. Vielleicht ja auch mit euch demnächst?

MO DAKHIL https://twitter.com/MoDakhil_NBA

Der ehemalige Video Coordinator der Clippers und Spurs betreibt einen Twitter-Account, der etwas unter dem Radar fliegt, aber unfassbar tolle Infos in Sachen Coaching etc. parat hat.

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social media

FOLGT UNS AUF SOCIAL MEDIA Ihr folgt nur Accounts mit lahmen Memes? Eure Timeline ist voller selbstverliebter Hot-Take-Artists? Kommentarspalten sind für euch der Vorhof zur Hölle? Das muss doch nicht sein … denn die FIVE ist auch im Internet. Kommt vorbei, wir warten auf euch!

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BASKET BALL FOR LIFE


FIVE Buch Klub

Lamar Odom und Chris Palmer: „Darkness To Light“ 253 Seiten, Ingram Publisher Services, Juni 2019, ca. 16 Euro (Hardcover)

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Lamar Odom

Darkness To Light Jeden Monat stellen wir euch an dieser Stelle im FIVE-Buchklub lesenswerte Bücher aus der Welt des Basketballs vor. Text: Daniel Müller

U

ngefähr zwölf Stunden später, am Dienstagmorgen, lag ich auf dem Boden, sterbend, und mein Körper wurde von Anfällen geschüttelt. Ich hatte es endlich geschafft, ich hatte mich selbst umgebracht. Möglich, dass ich es genau so gewollt hatte, aber das spielte in diesem Moment keine Rolle. Die Frau, die bei mir war, schrie nach Hilfe und rief 911 an. Ich lag auf meinem Gesicht, Blut lief mir aus Nase und Mund. Aber da war niemand mit genug Kraft, um mich umzudrehen. Ich habe nur wenige Erinnerungen an diesen Tag, denn an diesem Morgen bin ich ins Koma gefallen. Freunde, Familienangehörige und Angestellte der Love Ranch erzählten mir später, was passiert war.“ Die Geschichte von Lamar Odom wird oft auf diesen Dienstag im Oktober 2015 reduziert, als ein mörderischer Cocktail aus Alkohol, Kokain, Sex und Erektionsmitteln ihn nach dreitägiger Zecherei auf der Love Ranch, einem legalen Bordell in der Wüste Nevadas, ins Koma katapultierte. Auch die von Chris Palmer verfassten Odom-Memoiren „Darkness To Light“ stellen diesen Tag in den Mittelpunkt der Lebensgeschichte eines der größten Basketballtalente seiner Generation. Und natürlich ist das verdammt spannend zu lesen, aber es ist auch verdammt schade, ein abgeschmacktes Narrativ. „Ich wurde ins Krankenhaus nach Las Vegas gebracht, Sunrise Hospital, Zimmer 228. Mein Herz war zweimal stehen geblieben. Ich hatte zwölf Schlaganfälle und sechs Herzinfarkte erlitten. Meine Lungen waren kollabiert, meine Nieren eingerissen. Unzählige Schläuche liefen in meinen Körper, Maschinen hielten mich am Leben. Meine Liebsten schauten mich aus glasigen Augen an. Ich wollte sie berühren, sie küssen. Ich wollte ihnen sagen, dass es mir leidtat. Aber ich konnte nicht. Denn ich war nicht am Leben. Dann sah ich Gott und starrte ihn an. Er starrte zurück. Der Priester verließ das Zimmer, ging raus auf den Flur, und meine Familie begann zu weinen.“ 2015 ist Lamar Odom beruflich und privat auf dem Tiefpunkt angekommen. Nach zwei Meisterschaften mit den Lakers (2009 und 2010) und dem „NBA Sixth Man of the Year“-Award (2011) wird er zu den Mavs getradet, wo ihn Mark Cuban wegen schlechter Leistungen schikaniert und sogar in die D-League steckt. 2012 wird er zu den Clippers verschifft, dort legt er die miesesten Werte seiner Karriere auf. Die nächsten Stationen: Spanien, die Ersatzbank der Knicks, Free Agency. Im Sommer 2015 reichen die Eheleute Khloé

Kardashian und Lamar Odom nach sechs Ehejahren mit jeder Menge Drama und TVShows die Scheidungspapiere ein. Es folgen TMZ-Schlagzeilen im Wochenrhythmus und schließlich der folgenschwere Besuch im Wüstenpuff. „Ich bin abhängig. Ich war abhängig. Dieses Koma ist das Ende meiner Abhängigkeit. Es ist das Ende meines Lebens. Das Ende meiner Abwärtsspirale, meiner Ängste, meiner Schmerzen, meiner Frustration, meiner Orientierungslosigkeit und meiner tödlichen Selbstmedikation. Das ist das letzte Bild von Lamar. Fuck. Eigentlich bin ich noch nicht so weit.“ Dabei ist der viel zitierte Kardashian-Curse ganz sicher nur zu einem kleinen Teil schuld am Totalabsturz des ehemals als Magic-Johnson-Nachfolger gehandelten Ausnahmetalents. Beim Lesen von „Darkness To Light“ drängt sich nämlich von der ersten Seite an der Eindruck auf, dass Lamar Odom ein Typ mit einem riesengroßen Rucksack ist, „a trainwreck waiting to happen“. Der Vater ist ein Junkie, die über alles geliebte Mutter stirbt, als er zwölf ist. Lamar wächst bei der Oma auf. Durch Schule und College kommt er nur, indem seine Defacto-Manager diverse Lehrer bestechen und Zeugnisse fälschen. Von Anfang an geht es diesen „Mentoren“ nur um ihren eigenen Kontostand. „Ich war so gewöhnt daran, von Erwachsenen verschachert zu werden, verkauft und gekauft, dass mich eigentlich nichts mehr überraschte. Andererseits hatte ich nie etwas gegen einen dicken Batzen Bargeld in meiner Hosentasche einzuwenden.“ Als Lamar das College wechselt, lässt der neue Rektor ihn beim Aufnahmegespräch einen handschriftlichen Aufsatz schreiben und anschließend vorlesen. Die Zulassungskommission ist überrascht, dass Lamar, einer der besten Spieler des Landes, tatsächlich lesen und schreiben kann. Später wird aus der regelmäßigen Sportzigarette ab 2004 dann eine handfeste Kokainabhängigkeit, aus den „häufigen Frauengeschichten“ eine regelrechte Sexsucht. Er habe mit mehr als zweitausend Frauen geschlafen, meistens ungeschützt, und für einen Haufen Abtreibungen bezahlt. Aber keine Angst, „Darkness To Light“ bietet neben dem ganzen Klatschpressen-Trash auch viele interessante Einblicke in Lamars Zeit bei den Lakers, seine Turniere mit Team USA und die brutale Realität der NBA. Definitiv lesenswert, definitiv harte Kost.

Fotos: Power Sport Images/Getty Images

24 twenty four seconds

five-buchklub


mixtape

DAS FIVEMIXTAPE DES MONATS!

FIVE #166 A Lil Wayne – Kobe Bry ant E. Vicious – I Ball L ik e Kobe Z-Ro – Q uarterbac k Vision Haftbefeh l & Xatar – Sie killt J. Cole – für mich Cole Worl d

„Bball is Jazz“, sagt Holger Geschwindner, und da hat der Mann recht! Trotzdem gibt es ab sofort an dieser Stelle das FIVEMixtape des Monats, damit ihr euch beim nächsten Heimspiel nicht zu den Greatest Hits von Queen warmmachen müsst, nur weil „der Anschreiber die so gerne hört“. Einfach den QR-Code einscannen, und schon landet ihr bei den FIVE-Playlists auf Spotify. In diesem Monat widmet die FIVE-Redaktion dieses Mixtape natürlich Kobe Bryant.

6 A FIVE #16

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einwurf

EINWURF

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Fotos: Logan Riely/NBAE via Getty Images

W

HISTORY MAN

In seiner Kolumne „Einwurf“ schaut Christian Orban über den Spielfeldrand hinaus und schreibt über die weniger beachteten Aspekte der Basketballkultur. Text: Christian Orban

as wäre passender, als in der nunmehr 40. Ausgabe dieser Kolumne – vielen Dank für das anhaltende Vertrauen, Dré! – den über 40-Jährigen zu würdigen, der als erster Profi in vier Dekaden NBA-Basketball gespielt hat. Er ist gewissermaßen der „History Man“ der Association und erscheint nicht allein aufgrund seiner Altersbeständigkeit als ein einnehmendes Vorbild. Die Rede ist natürlich von Mr. Vince Carter, inzwischen 43 Jahre jung, der in der Liga gegenwärtig eine rekordsetzende 22. Spielzeit absolviert. Zugleich ist es für den letzten verbliebenen Draftee der 90er Jahre (5. Pick 1998) mittlerweile seine vierte Ü40-Saison. Eine imposante Leistung, die vor ihm nur Hall of Famer Robert Parish und LangzeitHawk Kevin Willis gelungen ist. Diese beiden sind auch die einzigen Akteure, die in einem höheren Alter (mit fast bzw. genau 44 Jahren) in der NBA aufgelaufen sind. Parish, der mit 278 Ü40-Partien einst den quantitativen Maßstab setzte, hat sich zudem mit 1.611 absolvierten Saisonspielen in den Liga-Annalen als wohl uneinholbarer Rekordhalter verewigt. Hinter dem selten gewürdigten Abo-All-Star und vierfachen Meister rangiert sein einstiger Gegenspieler Kareem AbdulJabbar (1.560 Spiele), gefolgt von Dirk Nowitzki (1.522), den Carter beim Erscheinen dieser Zeilen überflügelt haben dürfte. Sein eindrucksvollster Rekord glückte dem in Atlanta ansässigen „Alterskönig“ indes bereits Anfang Januar. Schließlich avancierte Carter beim Heimsieg der Hawks gegen die Pacers zum ersten Spieler, der in vier Jahrzehnten auf dem NBA-Hartholz stand. „Verdammt, vier Dekaden?! Das ist verrückt“, wie Zweitjahresprofi Trae Young nach der Partie halb bewundernd, halb scherzend die historische Leistung seines mehr als doppelt so alten Mentors kommentierte. Noch vor dem Spiel hatte Carter ein Foto von sich mit seinem einstigen Torontoer

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Teamkollegen Hakeem Olajuwon gesehen – dem ersten Pick von 1984. „So oft ich auch mit Leuten spreche und ehemaligen Mitspielern die Hand schüttele, die nun Manager, Coaches und was auch immer sind, kann ich sagen, dass ich gegen Michael Jordan gespielt habe und jetzt mit den Trae Youngs und all den heutigen Stars spiele“, bekundete „Vinsanity“ im Nachklapp. „Ich bin einfach sehr dankbar dafür, dass ich noch immer dabei bin und auf diesem Niveau mithalten kann.“ Hawks-Coach Lloyd Pierce, der nur rund acht Monate älter als der „Rookie des Jahres 1999“ ist, kann dies bestätigen: „Vince respektiert das Spiel und erkennt, wie er gegen Ende seiner Karriere als Mentor und Veteran beitragen kann.“ Pierce fügt an: „Jeder seiner Meilensteine ist schlichtweg unglaublich – was er alles erreicht hat. Ich hoffe, unsere Jungs wissen es wirklich zu schätzen, ihn diese Saison um sich zu haben.“ Denn Carter trägt also mitnichten nur seinen großen Namen und all die Rekorde vor sich her – vielmehr agiert er als teamdienliches Vorbild. Für eine der jüngsten Mannschaften der Liga, die mit zwei Rookies und Sophomores startet, ist „V.C.“ somit eine hilfreiche Stütze und de facto eine Erweiterung des Trainerstabs. „Es ist ein Segen, mit ihm die Umkleidekabine teilen zu können und seine Veteranenpräsenz um mich herum zu haben“, lässt Aufbau-Phänomen Young stellvertretend verlauten. „Sein Spind ist stets direkt neben meinem. Das ist etwas, das ich nicht für selbstverständlich halte. Es ist etwas Besonderes für mich, mit ihm zusammenspielen zu können.“ Dabei haben sich Carters Spielanteile in dieser Saison gegenüber dem Vorjahr etwas verringert. So konzentrieren sich die Hawks verstärkt auf die Entwicklung ihres jungen Kerns, zu dem vor allem auch Big Man John Collins sowie die Flügel Kevin Huerter und De’Andre Hunter gehören. Carter fungiert für seine Mannschaft indes nicht allein als weiser Mentor und williger

Handtuchwedler. Vielmehr nimmt der achtfache All Star als Three-and-D-Forward auch spielerisch noch immer ein wenig Einfluss und trägt in 15 Minuten pro Partie 4,8 Punkte bei. Zumal der rollenbewusste Teamplayer mit all seiner Erfahrung zum Ende von engen Spielen oft auf dem Parkett zu finden ist. Immerhin fünf Mal hat Carter in seinem 22. Jahr bislang zweistellig gepunktet. Den Hornets schenkte er Anfang Dezember sogar 17 Zähler ein. Kein NBA-Profi verbuchte in höherem Alter jemals mehr Punkte in einer Partie – zudem ist Carter einer von 22 Spielern, die in der Liga-Historie mehr als 25.000 Karrierepunkte erzielt haben. Derweil ist der verdiente NBA-Senior in seiner erklärten Abschiedssaison überall in der Liga ein gern gesehener Gast. In den Arenen erhält er heuer Tribute-Videos und stehende Ovationen, wenn er aufs Parkett läuft. Auch kommt es kultürlich nicht oft vor, dass Heimfans hadern, wenn ein Gastspieler einen seiner Sprungwürfe verpasst … Was den einstigen Profiscorer und ikonischen Highflyer antreibt, ist seine anhaltende Liebe zum Spiel – auch wenn das trivial klingen mag. „Ich liebe es zu spielen“, betont Carter. „Ich liebe es zu wetteifern. Ich liebe dieses Spiel. Es war gut zu mir, und ich habe viel daraus gelernt. Es hat mir Möglichkeiten gegeben, die ich nie gekannt oder gesehen hätte, hätte ich nicht mit dem Basketball begonnen.“ Der „History Man“ der NBA rekapituliert: „Als Youngster war es einfach ein Ziel, hier zu sein. Wenn du einmal hier bist, ist es ein Ziel, hier zu bleiben. Als ich älter wurde, war es ein Ziel, weiterhin hier zu bleiben. Es gibt also verschiedene Meilensteine für mich, die nichts mit erzielten Punkten und Rekorden zu tun haben. Es gibt eine Reihe von 40-Jährigen, die in dieser Liga gespielt haben, aber ich möchte ein 40-Jähriger sein, der noch etwas beiträgt, der wetteifert.“ All das ist Vince Carter in seiner einzigartigen Karriere definitiv gelungen.


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WENIGER IST EBEN MEHR Devin Booker ist auf dem Feld der Typ Spieler, der gern mal heiß läuft. Ob er sich deshalb wie ein Feuerwehrmann nach Feierabend anzieht? Gut möglich, auf jeden Fall zeigt der Shooter aus der Wüste, dass ein stilsicheres, legeres Auftreten nicht viel Geld kosten muss. Wie rappte Felix Kummer? „Der Teufel trägt Prada, und jeder Trottel trägt Supreme.“ Devin Booker trägt Converse und Nike. Guter Mann!

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Legenden-Liebling des Monats

LEGENDEN-LIEBLING DES MONATS MJ, Magic, Larry, Kobe … sie sind die unsterblichen Legenden, die jeder kennt. An dieser Stelle wird aber ab sofort der Baller gedacht, die keine Überstars waren, aber auf die eine oder andere Art einfach Kult – die Legenden-Lieblinge des Monats!

VLADE DIVAC Vlade Divac. Wer bei diesem Namen vor allem an haarsträubende Entscheidungen der Sacramento Kings denkt … nun … der ist wahrscheinlich nach 1990 geboren. Denn der heutige Vice President of Basketball Operations war auch als Spieler für die andere Franchise aus Nordkalifornien aktiv … also unter anderem. Denn seine NBA-Karriere begann 1989 im Süden des US-Bundesstaates bei den L.A. Lakers. Die drafteten den hoch veranlagten Serben im selben Jahr an 26. Stelle. Zuvor hatte sich der 2,10 Meter große Center bei Partizan Belgrad und in der jugoslawischen Nationalmannschaft einen Namen gemacht. Denn Divac war eine andere Art Big Man. Er konnte mit dem Ball auf jegliche Art umgehen: unorthodoxe Korbleger, überraschende Pässe, Mitteldistanzwürfe und sogar der eine oder andere Dreier. Vor allem aber hatte er diesen gewissen Schalk im Nacken, wenn er spielte, und auch die Defense war auf Niveau. Der legendäre NBA-Scoutingchef Marty Blake führte Divac hinter Arvydas Sabonis als besten Center Europas. Deshalb traute der noch legendärere Jerry West, damals General Manager der Lakers, seinen Augen nicht, als Divac noch zu haben war. „The Logo“ zog den frischgebackenen

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Europameister als Nachfolger für Kareem Abdul-Jabbar, ohne zu zögern. „Er ist kein Projekt“, erklärte West der Presse. „Dieser Junge kann spielen!“ Und wie er das konnte … 1990 steht er im „NBA All-Rookie First Team“. Bereits in seiner zweiten Saison startet Divac 81 Partien an der Seite von Magic Johnson für die Lakers, die die Western Conference gewinnen, die NBA-Finals aber mit 1-4 gegen die Chicago Bulls um Michael Jordan verlieren. 1994/95 absolviert er seine beste Saison mit 16,0 Punkten, 10,4 Rebounds, 4,1 Assists und 2,2 Blocks. Er ist erst der 17. Spieler in der NBA-Geschichte, der seinen Punkteschnitt in seinen ersten sechs Saisons von Jahr zu Jahr anhebt. 1996 endet seine Zeit in L.A. jedoch, als West ihn für den gerade von den Hornets gedrafteten Teenager Kobe Bryant nach Charlotte tradet. Divac will das erst nicht akzeptieren und denkt über sein Karriereende nach (wer tauscht schon gern Kalifornien gegen North Carolina ein?). Als er sich schließlich dafür entscheidet, weiterzumachen, kommt der Deal zustande, und West verpflichtet Free Agent Shaquille O’Neal – den dafür nötigen Platz unter dem Salary Cap schafft Divac ebenfalls. Nach zwei Jahren bei den Hornets wird Divac 1998 Free Agent. Einem neuen

Team kann er sich aber erst mal nicht anschließen, denn es kommt zum Lockout. Die Besitzer sperren die Spieler aus. Zuvor jedoch traden die Sacramento Kings All Star Mitch Richmond zu den Washington Wizards für Power Forward Chris Webber. Kurze Zeit später draften sie mit Jason Williams und Peja Stojakovic zwei extrem talentierte Rookies. Am 22. Januar 1999 gesellt sich Divac dazu und komplettiert damit ein legendäres Basketballteam. Denn ausgerechnet die bis dahin lachhaften Kings werden in der Folge zum großen Gegenspieler der L.A. Lakers um Kobe und Shaq. 2001 wird Vlade Divac zum einzigen Mal ins NBA-All-Star-Team gewählt. 2002 verlieren die Kings in den ConferenceFinals nach sieben Partien gegen „Shakobe“. Im vierten Spiel dieser Serie kommt es zu der Szene, die Divac noch heute verfolgt. Als die Kings 99:97 führen, sind sie nur 11,8 Sekunden von einer 3-1-Führung in den Conference-Finals entfernt. Bryant verlegt einen Layup, O’Neal verfehlt, Divac bekommt eine Hand an den Rebound, tippt ihn raus, in der Hoffnung, dass die Sirene ertönt … doch das tut sie erst, nachdem Robert Horry, in dessen Richtung der Spalding fliegt, abgedrückt und den Dreier zum Sieg getroffen hat. Die Lakers wurden danach Meister, Divac blieb in der NBA titellos.

Kein NBA-Titel? Auf FIBA-Level räumte Divac richtig ab:

Kettenraucher? Die Gerüchte, dass Divac noch bei den

ESPN produzierte 2010 die Doku „Once Brothers“

Zwei Weltmeisterschaften, drei Europameisterschaften

Lakers in den Halbzeiten geraucht haben soll, sind leider

über die Freundschaft zwischen Divac und Drazen

sowie zwei olympische Silbermedaillen gewann er mit

… unwahr. Nach eigener Aussage hörte er auf, als er in die

Petrovic sowie deren Ende im Zuge des Bürgerkriegs

Jugoslawien bzw. Serbien.

NBA kam. Vorher rauchte er „zehn Zigaretten am Tag“.

in Jugoslawien.


five-prospects Prospects

SASHA GRANT

Fotos: Mike Powell/David Grau/Euroleague Basketball via Getty Images

S

asha Grant? Nie gehört. Zu Beginn der Saison 2019/20 in der BBL wunderte sich der eine oder andere beim Blick auf die Boxscores des FC Bayern München über einen vermeintlichen Neuzugang. Denn Sasha Grant, das klingt erst einmal amerikanisch, nach einem möglichen Neuzugang, den der italienische Sportdirektor Daniele Baiesi irgendwo aufgetrieben haben könnte. Doch weit gefehlt. Bei Sasha Matthias Grant handelt es sich weder um einen Nordamerikaner noch um einen Neuzugang beim FC Bayern Basketball. Der 18-Jährige erhielt bloß zu Beginn der laufenden Saison erste Bewährungsproben im Profibereich der Münchner, da diese mit Verletzungsproblemen zu kämpfen hatten. Vorrangig spielt Grant, der einen italienischen Pass besitzt und bereits seit 2017 in München unter Vertrag steht, in der NBBL sowie in der ProB Süd für die Bayern. Mit seinem Körper kann er allerdings schon jetzt auch in der Bundesliga mithalten. Der junge Mann ist ein Biest, mit breiten Schultern und einem massiven, muskulösen Torso. Auch im American Football könnte er rein körperlich eine Zukunft finden. Grant strahlt zudem Selbstbewusstsein aus und bringt eine gute Athletik mit. Zugleich ist er mobil, bewegt sich mit und ohne Ball so flüssig wie ökonomisch. Aufgrund einer Körpergröße von 1,98 Meter,

Jeden Monat stellt euch Peter Bieg an dieser Stelle die größten Talente Europas und Deutschlands vor. Text: Peter Bieg

seiner langen Arme und seiner bulligen Statur ist er defensiv in der Lage, mehrere Positionen zu übernehmen. Gegen Gleichaltrige kann Grant gar von der Eins bis zur Fünf alles effektiv abdecken. Ob das dauerhaft und auch im Profibereich so sein wird, bleibt abzuwarten. Offensiv profitiert Grant von seiner Abgeklärtheit, seinem Körper und einer ausgefeilten Technik: Der Münchner ist nahezu beidhändig ausgebildet, verfügt über eine Vielzahl an Bewegungen und ist aufgrund von Kraft und Athletik nur schwer zu stoppen. Obwohl er in den Jugendmannschaften der Münchner bisweilen sogar den Ball nach vorne bringt, ist Grant anfällig für Ballverluste. Seine Ideen für Anspiele sind gut, aber teilweise zu durchschaubar oder ungenau in der Ausführung. Hier wird zusätzliche Erfahrung Wunder wirken. Generell ist Grant offensiv wie defensiv aber ein sehr konzentrierter Spieler, dessen Spiel ohne größere Schnörkel und Schleifchen auskommt. Beim „Adidas Next Generation Tournament“ der Euroleague im Januar in München gehörte Grant zu den Eckpfeilern im Team des FCB. Wenn der Italiener weiter so konzentriert an sich arbeitet, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis er eine solche Rolle auch im Euroleague-Kader der Bayern übernehmen kann. redaktion@fivemag.de

SASHA GRANT Geburtstag: 15.02.2002 Größe: 1,98 Meter Gewicht: 90 Kilogramm Position: Small Forward Verein: FC Bayern München

Stats: 10,4 PPG, 4,1 RPG, 43,5 FG% (ProB Süd 2019/20)

QR-code: http://bit.ly/SMGrant Sasha Grant im Sommer 2019 für Italien.

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MOE DIARY Moritz Wagner absolviert momentan seine zweite NBA-Saison in Washington, D.C. In FIVE nimmt er euch mit auf seine Reise, die ihn von Alba Berlin über die University of Michigan bis zu den Wizards geführt hat. Text: Moritz Wagner

Fotos: Evelyn Intondi

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s war im Juli 2018. Ich war gerade von den Lakers gedraftet worden und kurierte meine Knieverletzung aus der Summer League aus. Ich war noch im Eingewöhnungsprozess. Neue Stadt, neue Situation, neues Leben. Ich war gerade in meine erste Wohnung eingezogen und hatte mir ein neues Auto gekauft. Ich war in einer komplett neuen und ungewohnten Welt. An einem sonnigen Nachmittag bekam ich eine Nachricht von Alex B., einem Basketball-SkillTrainer, mit dem ich mich im Frühling in der „Mamba Academy Calabases“ auf die NBA-Draft vorbereitet hatte: „Going to see Kobe today. He’s working out Giannis. Let me know if you wanna come watch …“ Ohne zu zögern stieg ich in mein Auto und fuhr den Pacific Coast Highway runter gen Süden, Richtung New Port Beach. Ein kleines, sehr ruhiges und schönes Hafenstädtchen an der Südküste Kaliforniens. Ich nutzte die 90-Minuten-Fahrt, um die Gegend zu erkunden. Ich stoppte in Huntington Beach, wo ich den größten und breitesten Strand fand, den ich jemals gesehen hatte. Ich war aufgeregt und happy zugleich. Ich sollte gleich Kobe und Giannis zu Gesicht bekommen und sogar beim Training zugucken dürfen.

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Um sicherzustellen, dass ich nicht zu spät kam und groß auffiel, fuhr ich viel zu früh los. Fast eine Stunde parkte ich vor der kleinen Grundschulhalle. Eine, wie sie in Deutschland in jedem Kiez steht. Auf dem fast leeren Parkplatz standen die Autos der Mütter, die ihre Kinder vom Sport abholten oder sie hinbrachten. Alex hatte draußen auf mich gewartet, und so liefen wir gemeinsam in die Halle. Es war mucksmäuschenstill. Man hörte einen Ball, aber sonst nichts. Der Hallenboden war aus Kunstparkett, und an den Wänden gab es rote Polster, ein bisschen so wie in der Knaackstraßenhalle in Berlin. Ein paar Mütter saßen auf einer Holzbank und lauschten. Davor saßen ungefähr zehn Mädchen in voller Basketballmontur mit Bällen in der Hand, sehnlichst darauf wartend, auch endlich Körbe werfen zu dürfen. Ich erkannte Kobes Tochter Gigi. Alex und ich setzten uns neben die Mütter und guckten zu, wie Kobe den Ball zu Giannis warf. Kobe stand an der Dreierlinie und passte den Ball im hohen Bogen zu Giannis in den Post. Giannis warf, traf meistens, holte seinen eigenen Rebound und passte den Ball wieder raus zu Kobe.

Zwischendurch unterbrach Kobe die Übung, um etwas zu erklären. Leise, aber sehr bestimmt. Es lag ein unglaublich hohes Level an Konzentration in der Luft. Kobe erklärte, Giannis machte. Giannis musste jeden Drill genau richtig ausführen. Kobe erklärte kleinste Details seiner Fußarbeit. „Got it? Okay, 20 makes“, sagte er. Nicht zehn. 20 Treffer. Da saßen wir nun: Alex, die zehn Mädchen mit ihren Müttern und ich. Wir schauten in einer Grundschulhalle dem nächsten MVP der NBA beim Werfen zu. „These girls have no idea how privileged they are. This is so cool“, sagte ich zu Alex. Ich war so beeindruckt von der Einfachheit dieser ganzen Geschichte. Hier war ein fünfmaliger Champion, der mal 81 Punkte in einem Spiel gemacht und mit einer gerissenen Achillessehne Freiwürfe verwandelt hatte, und dort der zukünftige MVP der NBA. Sie arbeiteten an Giannis’ Spiel, während Gigis Basketballteam darauf wartete, mit dem Training beginnen zu können. Es war fast so absurd für mich wie Dirk, der sich jeden Sommer in Rattelsdorf in derselben Halle auf seine Saison vorbereitete. Als das Training nach fast zwei Stunden vorbei war, redeten die beiden noch für etwa 45 Minuten. Die


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Mädchen sprangen auf und fingen an zu werfen. Giannis stellte Fragen und notierte sich Kobes Antworten. Manchmal nahm sich Kobe den Ball und zeigte ihm noch mal genau, was er meinte.

Um ganz ehrlich zu sein, wusste ich nicht genau, ob Kobe wusste, wer ich war. Ich meine, das war Kobe Bryant. Ihn so zu sehen, war für mich unbegreiflich. Als er Giannis verabschiedet hatte, lief er

mit einem riesigen Grinsen auf mich zu. Er umarmte mich und hieß mich willkommen in der „Lakers Community“. Ich fragte ihn, ob es okay wäre, ihm ein paar Fragen zu stellen. Und so stand ich dann da mit Kobe Bean Bryant. „The girls are good“, sagte ich respektvoll und zeigte auf die Mädchen. „Yeah, they been working hard. They practice three hours every day.“ Er erzählte mir von seinem Rookie-Jahr und dass er damals nicht viel spielte (was ich nicht wusste). Ich fragte ihn, wie ich mich als Rookie zu integrieren hätte, gerade bei so einer Franchise wie den Lakers. „There is no fitting in. Be you. You gonna step on some people’s toes but that’s okay. Look at me. They didn’t like me at first. Believe me, my teammates didn’t like me. But you know when they gonna like you? When you win. They gonna LOVE you when you win. All the rest doesn’t matter.“ Ich fragte ihn über LeBron aus und wie ich ihm begegnen sollte. „Get in his grill. Talk your stuff.“ (Es kann sein, dass er andere Worte als „grill“ und „stuff“ benutzt hat.) Plötzlich sprang er in einen Defensive Stance und kam meinem Gesicht so extrem nah, dass ich ein Stück zurückgehen musste. „When you guard LeBron, push him. Pick him up full court. Talk your stuff! The Lakers drafted you for who you are. Don’t be afraid of people not liking you. Be yourself because that’s why you here.“ Nie wieder in meinem Leben habe ich seither das Feuer in den Augen eines Menschen so sehr lodern sehen wie damals bei Kobe. Es war fast gruselig. Dieser Wechsel vom netten Basketball-Vater, der dem Moritz Kalifornien zeigt, zum furchtlosen Competitor, der wirklich alles tun würde, um dich zu besiegen, war so intensiv, dass ich ihn nie vergessen werde. Auf der Fahrt nach Hause schlug mein Herz so unglaublich schnell. Ich konnte nicht aufhören zu lachen. „Dieser Typ ist verrückt“, dachte ich. Ich weiß noch genau, wie ich mich bei einem Gedanken ertappte, der mir sonst noch nie über irgendjemanden in den Kopf geschossen war: „Alter, ich hätte keinen Bock, gegen diesen Typen eins-gegen-eins zu spielen.“ An diesem Tag habe ich gelernt, dass die berüchtigte „Mamba Mentality“ etwas ist, was man nicht mal so eben kopieren oder leben kann. Das war etwas ganz Besonderes. Etwas, das mich für immer geprägt hat. Danke, Kobe! Rest in Peace!

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Bei der geburt getrennt NBA-Gossip LILLARD VS. THE WORLD Text: Marcel Nadim Aburakia

Bei der geburt getrennt Rob Gronkowski

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ch habe mir immer gesagt: Auch wenn einer dieser Typen meinen Namen in den Mund nimmt, lege ich mich nicht mit ihnen an. Aber ich habe einfach entschieden, dass dies das erste und einzige Mal ist, dass ich es tun werde.“ Damian Lillard fängt keine Streitereien an, er beendet sie. Was das heißt, erfahren Gegenspieler nicht nur auf, sondern auch mal neben dem Platz. Wie Marvin Bagley III herausfand, als er den einzig nennenswerten NBA-Rapper zum Battle aufforderte. Knock-out in zwei Minuten sechs Sekunden in Lillards Diss-Track „MAAAARVIN“: Was about to pass, because you’re still in a Pamper, bruh And I never seen Floyd spar with amateurs You a clown, so go and enjoy the circus Knee-deep in the game, and you barely scratching the surface How a King come to battle, knowing the kingdom worthless

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Damian Lillard ist der Anti-Westbrook. Ein Typ, der keine Brusttrommler braucht, um auf sich aufmerksam zu machen. Immer ruhig, relaxed und unbekümmert. Passend, dass er die OKC Thunder per Buzzerbeater aus den Playoffs schmiss und inmitten des Jubelsturms nur einen verhaltenen Bye-bye-Winker übrighatte. Egal ob Diss-Track oder ClutchBucket, er scheint immer die passende Antwort parat zu haben. Einem besonders respektlosen Fan widmet er dann sogar auch mal einen Basketball-Schuh. Lillard erzählte die Geschichte bei Bleacher Reports „B/R Kicks Unboxed“: „Es war ein Fan hinter ihrer Bank, und er hielt einfach nicht die Klappe. Er redete und redete und redete. (…) Es ging zwischen uns hin und her, und ich sagte: ‚Pass auf, was passiert.‘ Aber er redete immer noch weiter. Na ja, die ganze zweite Hälfte konnten sie mich nicht aufhalten.“ 34 Punkte, Franchise-Halbzeitrekord und der Sieg für die Blazers. Der Heckler (Fan, der Spieler negativ beeinflussen will) wurde zum Mahnmal für die gesamte Liga. Seitdem ziert der Schriftzug „Hecklers get dealt with“ in verschiedenen Formen seine adidas-Schuhe.

Zu verstehen als: „Legt euch besser nicht mit mir an!“ Lillards neuestes Paar heißt „Dame 6“ und ist seit dem 29. November für 110 US-Dollar erhältlich. Vor der Veröffentlichung sagte Lillard: „Ich habe immer davon geträumt, in welchen Schuhen ich denn mal spielen würde. Crazy Eights und all so ein Zeug. Aber an einen eigenen Signature-Schuh hätte ich nie gedacht.“ Dabei gab’s direkt in der zweiten Saison einen Vertrag mit adidas, und mittlerweile ist es schon sein sechster Signature. Version eins des „Dame 6“ trägt den Titel „Rücksichtslos“ – wie seine „Persönlichkeit auf dem Parkett“. Und im Januar kam dann das „Hecklers“-Modell. Damian Lillard will seinen eigenen Weg gehen, sowohl sportlich als auch musikalisch. So richtig zementieren würde seine persönlichen Auszeichnungen – vier Mal All-NBA, drei Mal NBA-All-Star, „Rookie of the Year“ – allerdings erst ein Titel mit Portland. Im starken Westen ein Mammut-Projekt, aber „Dame“ bleibt „seiner Stadt“ treu. Auch ist er, nach allgemeinem und eigenem Verständnis, der aktuell beste NBARapper. Vielleicht sogar All-Time. Diese Frage adressierte Lillard im Podcast von Joe Budden. Der einzige relevante Mitbuhler: kein Geringerer als NBA-Legende und NBA-Rap-OG Shaquille O’Neal. „Ich glaube, ich rappe besser als Shaq. Meiner Meinung nach wurde Shaq von den meisten Leuten weiter als Shaq betrachtet – nicht als Rapper.“ Und direkt hatte Dame D.O.L.L.A. den nächsten Beef am Stecken und auch schon die passenden Antworten in seinem Track „Reign Reign go away“: Said yourself that I’m a Tesla, no longer need diesel gas Kinda like the Cavs ain’t really need Diesel ass And even in Miami, won that on the strength of Flash. Oder: Your flexing ain’t really your thing bro We both could be working at Kinko’s And Kobe won you them rings though.


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SNEAKER HALL OF FAME:

ADIDAS SUPERSTAR

FIVE hat eine eigene Hall of Fame eröffnet! Ab sofort nehmen wir jeden Monat einen herausragenden Sneaker der Basketballschuhgeschichte in unsere Ruhmeshalle auf. Der „Inductee“ in diesem Monat? Der „adidas Superstar“.

Fotos: Adidas/Kevin Winter/Nathaniel S. Butler/NBAE via Getty Images

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gal, wo die eigenen Sneaker-Vorlieben liegen, der „Superstar“ ist jedem Basketballer ein Begriff. Kein Wunder, denn es gibt nur ganz wenige Silhouetten, die noch zeitloser daherkommen. Alles begann jedoch mit dem „Supergrip“, dem wohl ersten reinen Basketballschuh aus Herzogenaurach. Dieser Hightop-Schuh von adidas diente als Vorbild für den ersten flachen Basketballschuh, der aus Leder gefertigt wurde. Die Zehenkappen aus Gummi sorgten für einen unvergleichlichen Look. Die Kappe sollte den Spieler zusätzlich während einer Partie schützen. Es waren jedoch nicht die Äußerlichkeiten, die dafür sorgten, dass NBA-Legende Kareem AbdulJabbar den „Superstar“ für sich entdeckte. Die damals revolutionäre Technik des Schuhs überzeugte so sehr, dass wenige Jahre nach seiner Einführung drei Viertel der NBA-Profis im „Superstar“ oder dem „Pro Model“ aufliefen. So auch die All Stars George Gervin und Rick Barry. Kein Wunder: Zuvor spielten sie in der Regel in Chucks oder ähnlichen Fabrikaten aus Segeltuch. Jack McMahon, damals Besitzer der San Diego Rockets, überzeugte fast seine komplette Mannschaft, im „Superstar“ zu spielen, weil sein Team zuvor viel

mit Verletzungen zu tun hatte, die er im Endeffekt den Schuhen aus Stoff zuschrieb. „Ich habe fast meine ganze Karriere in ,Superstars‘ gespielt“, sagte Abdul-Jabbar einmal. „Ich denke, dass der Schuh für mich funktioniert hat. Er musste nicht verbessert werden.“ In den 80er Jahren eroberte der „Superstar“ dann auch die Welt des HipHop, dabei war adidas gerade dabei, im Basketball neuere Modelle einzuführen. In der South Bronx gehörte der Schuh plötzlich zum Dresscode der B-Boys und war auf angesagten Partys zu sehen. Später sorgten dann Run DMC dafür, dass der „Superstar“ Kult wurde. Die Rap-Legenden

DID YOU KNOW? 2006 produzierte adidas als offizieller NBA-Ausrüster die „NBA-Edition“ des „Superstar“. Jedes Team bekam seinen eigenen Colorway.

Name: Superstar Hersteller: adidas Designer: unbekannt Jahr: 1969 Preis: unbekannt OG-Farben: weiß/schwarz

1968 tauchte in einem französischen adidas-Katalog eine Zeichnung auf, die quasi eine Kreuzung zwischen dem „Supergrip“ und dem „Superstar“ zeigte.

Die Modelle für Abdul-Jabbar, Barry oder Gervin kamen in verschiedenen Colorways, die zu denen ihrer Teams passten. Zu kaufen gab es sie aber nicht.

widmeten dem Schuh sogar einen Song („My Adidas“). Eine Zeile des Liedes geht wie folgt: „We started in the alley, now we chill in Cali, and I won’t trade my Adidas for no beat up Bally’s!“ Bei einem legendären Konzert im Madison Square Garden forderte das Trio die Zuschauer sogar dazu auf, ihre adidas in die Höhe zu halten. Fast schon folgerichtig nahm adidas Jahre später Run DMC unter Vertrag – als erstes HipHop-Testimonial in der Welt der Sportartikler. Seit den 80er Jahren gab es immer wieder Neuauflagen des „Superstar“, der bis heute einen absoluten Legendenstatus innehat.

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DIE NBA-AWARDS 19/20 VERSION 4.0

In dieser Saison begleiten wir die NBA-Awards von Oktober bis zum April für euch auf dieser Doppelseite. Wer liegt also zurzeit vorn im

Rennen um den Most Valuable Player, Rookie des Jahres, Most Improved Player, Best Sixth Man und Defensive Player of the Year? Hier der vierte Zwischenstand aller FIVE-Award-Races.

MOST VALUABLE PLAYER 1. GIANNIS ANTETOKOUNMPO Bucks Stats: 30,0 PPG, 12,9 RPG, 5,6 APG, 1,0 BPG, 59,6 eFG%

DEFENSIVE PLAYER OF THE YEAR Verletzungen ließen Joel Embiid und Jonathan Isaac aus den Top 5 fallen. Rudy Gobert, Jazz Giannis Antetokounmpo, Bucks Anthony Davis, Lakers Brook Lopez, Bucks Marc Gasol, Raptors

Jep, der „Greek Freak“ grüßt weiter von der Spitze des MVP-Rennens. Dabei betreibt Giannis Antetokounmpo im zweiten Monat in Folge aktives Load Management. Nicht, indem er Partien aussetzt: Die Bucks sind so dominant, dass der 25-Jährige im Dezember sowie Januar nur um die 29 Minuten auf das Parkett musste. Dass er trotzdem Fabelzahlen auflegt, unterstreicht seine Brillanz. Allerdings fiel der Dreier im Januar nur in 30,8 Prozent der Fälle. 2. LEBRON JAMES Lakers Stats: 25,2 PPG, 7,6 RPG, 11,0 APG, 3,8 TPG, 54,3 eFG% Der „King“ nähert sich der MVP-Krone! Vier Spiele musste er auf den verletzten Anthony Davis im Januar verzichten. „LBJ“ lieferte 29,0 Punkte, 11,5 Assists, 6,5 Rebounds sowie eine Wurfquote von 54,1 Prozent. L.A. gewann in Dallas, gegen Cleveland und in Houston. Gegen OKC fehlte James selbst aufgrund einer Grippe. Beim Real Plus-Minus führt der 35-Jährige die Liga weiterhin mit recht großem Vorsprung sogar vor Antetokounmpo an. 3. LUKA DONCIC Mavericks Stats: 28,9 PPG, 9,7 RPG, 9,0 APG, 4,3 TPG, 54,1 eFG% Luka Doncic muss doch irgendwann dem hohen Aufwand, den er für seine Mavs vor allem offensiv betreibt, Tribut zollen, oder? Na ja … der Januar war der stärkste Monat des

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Slowenen in der bisherigen Saison! Nur im Januar lieferte er bis Redaktionsschluss 28,8 Punkte, 10,4 Rebounds und 9,1 Assists. Am erfreulichsten jedoch: Er traf 37,8 Prozent seiner Dreier – mit Abstand sein bester Monatswert 2019/20. Wenn er jetzt auch noch seine Probleme in der Crunchtime in den Griff bekommen würde … 4. NIKOLA JOKIC Nuggets Stats: 19,4 PPG, 10,0 RPG, 6,3 APG, 1,0 SPG, 55,6 eFG% Der „Joker“ ist zurück! Oder besser: Jokic ist fit! Der Serbe stand im Januar genau zwei Minuten pro Partie länger auf dem Feld als zu Saisonbeginn. Das hat vor allem mit seiner neu erarbeiteten Fitness zu tun. Und die spiegelt sich auch in seinen Zahlen wider. Von 15,0 Punkten im Oktober steigerte sich Jokic von Monat zu Monat auf 23,7 im Januar. Die Dreierquote im selben Zeitraum? Von 21,4 auf 40,0 Prozent. 5. JAMES HARDEN Rockets Stats: 36,9 PPG, 6,3 RPG, 7,4 APG, 4,7 TPG, 54,1 eFG% Der Januar war ein gebrauchter Monat für Harden. Seine Quote von Downtown fiel auf 26,2 Prozent – warum er trotzdem 12,9 Dreier pro Partie nahm? Das lässt sich nur mit dem ehernen Basketballsatz „Shooters gonna shoot“ erklären. Warum Kawhi Leonard vor diesem Hintergrund nicht an fünfter Stelle rangiert? Load Management. Der Clipper ist jetzt in dem Bereich, wo er zu viele Spiele verpasst, um hier berücksichtigt zu werden. Vormonat: 1. Giannis Antetokounmpo, 2. Luka Doncic, 3. James Harden, 4. LeBron James, 5. Kawhi Leonard


ROOKIE OF THE YEAR

BEST SIXTH MAN

1. JA MORANT Grizzlies Stats: 17,9 PPG, 3,5 RPG, 7,0 APG, 40,5 3P%, 52,4 eFG%

1. LOU WILLIAMS Clippers Stats: 20,0 PPG, 3,0 RPG, 6,2 APG, 3,1 TPG, 38,6 3P%, 49,4 eFG%

Ja Morant ist der haushohe Favorit auf den ROY-Award. Sofern Zion Williamson nach seiner Rückkehr nicht eine komplett dominante zweite Saisonhälfte hinlegt, wird der Memphis Grizzly bester Neuling des Jahres. Zumal Morant nicht nur sehr gute Zahlen auflegt: Memphis spielt unter seiner Leitung sogar um die Playoffs mit!

Nachdem er im Dezember nur 14,5 Punkte pro Partie aufgelegt hatte, explodierte Williams im Januar regelrecht! 24,0 Punkte, 50,0 Prozent Dreierquote bei 5,7 Versuchen pro Partie, 5,9 Rebounds? Kein Wunder, dass er hier wieder an erster Stelle rangiert. 2. MONTREZL HARRELL Clippers Stats: 19,3 PPG, 7,1 RPG, 1,8 APG, 1,1 BPG, 57,8 eFG%, 28,7 MPG

2. KENDRICK NUNN Heat Stats: 16,3 PPG, 2,8 RPG, 3,6 APG, 35,3 3P%, 53,3 eFG%

Montrezl Harrells Januar war krass … 22,3 Punkte, 61,9 Prozent aus dem Feld? Das sind so schon lachhaft gute Zahlen, vor allem aber für einen 2,01 Meter „großen“ Center. Läuft bei ihm …

Kendrick Nunn ist zurück in den Top 3! Nach einer Quotenkrise im Dezember (29,8 3P%), fand der Scorer zurück in die Spur (50,7 FG% und 36,5 3P% im Januar) und ließ seinen Scoring-Instinkten freien Lauf. 3. BRANDON CLARKE Grizzlies Stats: 12,1 PPG, 5,7 RPG, 0,9 BPG, 40,5 3P%, 65,7 eFG% Brandon Clarke hing zuletzt ein wenig durch, doch der bisherige Steal der Draft 2019 (sorry, Eric Paschall) behauptet den dritten Rang gegen – auch aufgrund von Verletzungen – derzeit nicht allzu große Konkurrenz (aber Michael Porter drückt).

Fotos: Aurelien Meunier/Alex Goodlett/Joe Robbins/Jonathan Bachman/Michael Reaves/Getty Images

Vormonat: 1. Ja Morant, 2. Brandon Clarke, 3. Rui Hachimura

3. DENNIS SCHRÖDER Thunder Stats: 18,3 PPG, 3,8 RPG, 3,8 APG, 2,8 TPG, 36,2 3P%, 53,2 eFG%

MOST IMPROVED PLAYER* 1. BRANDON INGRAM Pelicans Stats: 25,6 PPG, 6,7 RPG, 4,4 APG, 39,9 3P%, 54,4 eFG% Brandon Ingram ist ein All Star (zumindest für FIVE, siehe Seite 94) und spielte im Januar einen Monstermonat. 26,8 Punkte, 5,8 Rebounds, 6,0 Assists? 37,5 Prozent von Downtown? Ingram hob die Pelicans (nicht im Alleingang, aber als Hauptakteur) zurück ins Rennen um die Playoffs.

Schröder blieb auch im Januar an der Dreierlinie heiß (41,3 3P%). Außer an der Freiwurflinie liefert der Braunschweiger Karrierebestwerte in Sachen Wurfquoten, und auch die Defensive rangiert weiter auf absolutem Topniveau! Vormonat: 1. Montrezl Harrell, 2. Lou Williams, 3. Dennis Schröder

2. BAM ADEBAYO Heat Stats: 16,0 PPG, 10,5 RPG, 4,7 APG, 1,2 SPG, 1,2 BPG, 59,1 eFG% Bam Adebayo konnte im Januar gefühlt nicht danebenwerfen. Seine Feldwurfquote von 67,6 Prozent war einfach nur absurd. Gleichzeitig scheint er sich mit seiner Rolle als Ballverteiler rund um den Highpost sowie als Zentrum der Zonenverteidigung der Heat immer wohler zu fühlen.

3. JAYLEN BROWN Celtics Stats: 20,0 PPG, 6,8 RPG, 2,4 APG, 1,2 SPG, 39,1 3P%, 56,1 eFG% Jaylen Brown hat den Schritt nach vorn gemacht, den die Boston Celtics erwarteten, als sie ihm im Sommer seinen 107-Millionen-Dollar-Vertrag gaben. Der Mann liefert auf All-Star-Niveau an beiden Enden des Feldes! Vormonat: 1. Bam Adebayo, 2. Brandon Ingram, 3. Pascal Siakam * Zweitjahresprofis werden traditionell von uns bei der MIP-Wahl nicht berücksichtigt.

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Jamal

Murray

JAMAL MURRAY

Die Denver Nuggets brauchen einen zweiten All Star neben Center Nikola Jokic. Genau diese Rolle soll Jamal Murray bekleiden. Kann er das? Text: Jens Leutenecker

Position: Point Guard Geburtstag: 23. Februar 1997 Größe: 1,93 Meter Gewicht: 91 Kilo Verein: Denver Nuggets Erfahrung: 3 Saisons

Stats 2019/20: 19,8 PPG || 4,6 RPG 5,2 APG || 2,4 TO 32,2 3P% || 48,8 eFG% (PER 36 MIN.)

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s gibt erfahrene NBA-Spieler wie Andre Iguodala, deren positive Wirkung erst realisiert wird, wenn sie mal nicht auf dem Feld stehen. Auf der anderen Seite des Spektrums stehen hochtalentierte junge Athleten wie Trae Young, die unfassbar attraktiv spielen, auch wenn sie nicht (immer) hocheffizient agieren. Und dann gibt es Jayson Tatum oder Jamal Murray, die trotz jungen Alters „Winning Players“ mit einer großen Rolle in ihrem jeweiligen Team sind! Ende Januar müssen die Denver Nuggets auf den 22-jährigen Murray verzichten und stolpern von einer schwachen Leistung zur nächsten: Bei den Warriors gewinnt Denver gerade so mit drei Punkten, im Heimspiel gegen die Indiana Pacers kassieren die Nuggets in den letzten fünf Minuten einen 12:22-Lauf. Die Houston Rockets lassen ihnen nicht den Hauch einer Chance und liegen zwischenzeitlich mit 25 Punkten vorn! Keine Frage, ohne Jamal Murray sind die Nuggets ein Level schlechter. 17,6 Punkte, 4,0 Rebounds und 4,5 Assists – das ist das mittlerweile gewohnte Arbeitszeugnis des kanadischen Combo-Guards. Headcoach Mike Malone hat eine kreativ-unorthodoxe Offensive um die Passfähigkeiten von Jokic und das Playmaking von Murray aufgebaut. Viele Handoff-Aktionen, eine relativ geringe Pick-and-Roll-Rate und ein aggressives Offensivrebound-Verhalten stellen nicht wenige Gegner vor Defensivprobleme. Mit knapp elf Pick-and-RollAktionen pro Spiel ist Murray dabei der Hauptkreativspieler unter den Guards. Er verfügt über einen soliden (Mitteldistanz-) Sprungwurf aus dem Dribbling, mehr als 40 Prozent seiner Jumper finden ihr Ziel. Mit seinem einzigartigen Mix aus zackigen Bewegungen und Powerplay gegen körperlich

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unterlegene Guards attackiert der 1,93 Meter große Murray konstant die Zone und generiert dadurch Vorteile für seine Mannschaft. Nicht selten führt er den gegnerischen Verteidiger im Stil von Aufbaulegende Mark Jackson per Postup in das Pick-and-Roll und findet dann die richtige Lösung. Während sein Passspiel aus dem Blocken-und-Abrollen sehr gut ist, hat „The Blue Arrow“ trotz robustem Körperbau und guter Athletik noch Probleme mit Abschlüssen aus dem Dribbling. Zu häufig versucht er es per Floater, den er aber nur bei jedem dritten Versuch versenkt. Und genau diese Würfe rauben ihm ein häufig unterschätztes Potenzial: Punkte von der Freiwurflinie! Ganze 86 NBA-Guards ziehen prozentual mehr „Shooting Fouls“ als Murray, der nur 3,3 Freiwürfe pro Spiel zugesprochen bekommt. Da kann James Harden mit mehr als zwölf Versuchen nur müde lächeln … Aber um ganz ehrlich zu sein: Der Vergleich mit Harden hinkt sowohl im Angriff als auch in der Verteidigung! Die Denver Nuggets leben offensiv nicht von einem Superstar, der à la Harden, Luka Doncic und Co. sämtliche Offensivbemühungen auf sich vereint. Vielmehr ist es das athletische GuardTrio Will Barton, Gary Harris und eben Murray, das sich mit vielen Pässen im Kollektiv einen Vorteil erarbeiten möchte. Dazu passt ein Nikola Jokic wie die Faust aufs Auge: Während LeBron James, Doncic oder Harden den Ball pro Aktion mehr als fünf Sekunden behalten, gibt der serbische Topcenter den Ball nach knapp zwei Sekunden weiter oder schließt zügig ab. Ein großes Steckenpferd in Murrays Spiel ist seine individuelle Defense und die generelle Bereitschaft, seine Mitspieler mit Kommunikation und guter Positionierung

im Defensivverbund zu unterstützen. Das ist deshalb so wichtig, weil die Nuggets auf eine Pick-and-Roll-Verteidigung mit vielen Rotationen setzen. Während die Utah Jazz oder Milwaukee Bucks ihre Shotblocker Rudy Gobert, Giannis Antetokounmpo oder Brook Lopez unterm Korb „parken“, ist diese Variante für Centerspieler Jokic schwer umsetzbar. Die Nuggets müssen immer hellwach sein, um die richtige Defensivrotation umzusetzen, und da hilft der junge Murray seiner Mannschaft extrem weiter. Mit ihm kommt Denver auf ein sehr gutes Defensivrating von 107 Punkten auf 100 Angriffe, wohlgemerkt gegen die Starting Fives aller anderen NBA-Teams. Falls nötig, steht Murray auch in der Postup-Verteidigung gegen größere Forwards oder Center effektiv seinen Mann, das könnte in einer Playoffserie für einen Überraschungseffekt sorgen. Bei einer Trefferquote von 43,5 Prozent aus dem Feld und einem Assist-zuTurnover-Verhältnis von 2:1 ist bei Jamal Murray noch Luft nach oben. Er nimmt zu viele Würfe aus dem Mitteldistanzbereich, verlässt sich zu häufig auf den Floater, zieht dadurch zu wenige Fouls und hat im Angriff Probleme gegen eine Switch-Verteidigung. Aber wie sagt der Amerikaner so gerne: Uns gefällt die „Upside“, die Sonnenseite von Murray, viel mehr als seine spielerischen Defizite! Auf 100 Angriffe gerechnet erzielen die Nuggets sieben Punkte mehr als der Gegner, ohne ihn auf dem Feld sind sie im leichten Minus. Jamal Murray ist in seiner vierten Saison bereits ein Erfolgsgarant für die Nuggets, der uns jetzt schon gespannt in Richtung Playoffs schauen lässt! redaktion@fivemag.de


Dallas

nba-plays

Mavericks

2

1

A

5 3 4

Luka Doncic (1) dribbelt nach vorne. Gleichzeitig stellt Boban Marjanovic (5) einen Block für Dorian Finney-Smith (3). Maxi Kleber (4) schneidet an der Grundlinie entlang Richtung Zone.

2

1

B

3

5

4 Doncic passt zu Finney-Smith, Kleber schneidet komplett durch die Zone bis in die gegenüberliegende Ecke und postiert sich hinter der Dreierlinie. Tim Hardaway Jr. (2) steht überraschend weit draußen, wo der Schütze aber trotzdem verteidigt werden muss.

2 1

HO

C

3

5

Laufweg

Dallas mavericks

Dribbling Block HO Handoff

Fotos:Thearon W. Henderson/Glenn James/NBAE via Getty Images

ie Dallas Mavericks stehen schon seit Jahren gefühlt immer besser da, als sie eigentlich sollten. Ein wichtiger Grund dafür: Coach Rick Carlisle. Der knorrige Übungsleiter steht seit 2008 an der Seitenlinie der Texaner und schafft es immer wieder, selbst auf den ersten Blick komische Aufstellungen gewinnbringend offensiv einzusetzen. Gerade in der aktuellen Saison liebt es der Coach, die genialen Fähigkeiten von Luka Doncic dafür zu nutzen, die Defensiven der Konkurrenz zu manipulieren und zu schikanieren! Vor allem in Timeouts lässt er seinen Stift exzellente Plays aufzeichnen, die dann den Gegner immer wieder auf dem falschen Fuß erwischen. So wie im rechts abgebildeten Spielzug. Luka Doncic ist natürlich der

Doncic läuft seinem Pass hinterher und bekommt einen Handoff von Finney-Smith. Er dribbelt aber nicht weiter, sondern erhält den Spalding im Stand und bedroht sofort den Korb.

2

Die Dallas Mavericks sind zurück im Playoff-Rennen. Wegen Luka Doncic, aber auch wegen Coach Rick Carlisle. Text: André Voigt

D

4

Pass

Spieler, auf den die Verteidigung am allermeisten achtet. Das Pick-and-Roll des Slowenen muss um jeden Preis kontrolliert werden, wenn ein Team eine Chance gegen die Mavericks haben will. Mit diesem Wissen setzt Carlisle hier mit Dorian Finney-Smith einen offensiv eher beschränkten Athleten in eine für ihn perfekte offensive Situation. Die nötige Konzentration auf Doncic sowie die beiden Schützen Tim Hardaway Jr. und Maxi Kleber wird am Ende einen freien Dunk für „DFS“ bringen. Warum? Weil Carlisle sich in der Auszeit seine offensiven Schachfiguren perfekt hinstellen und so die Verteidigung überraschen kann. Es lohnt sich also, bei Spielen der Mavs vor allem nach Auszeiten genau hinzuschauen.

X2

D

1

3 X

3

X

1

5 X5

4

X4

Nach dem Handoff stellt Marjanovic einen Block in den Rücken des Verteidigers von Finney-Smith (X3). Der Small Forward schneidet direkt in die Zone zum Korb. Da X5 davon ausgehen muss, dass Marjanovic einen weiteren Block für Doncic stellt, bleibt er an seinem Gegenspieler dran, sodass der Lob möglich ist.

2

E

1

X2 5

3 4 Bei diesem Alley-Oop gibt es keine klare Hilfe für X5, denn X4 muss in der Nähe von Kleber bleiben, der seinen Dreier exzellent trifft. X2 könnte sich in den Weg von Finney-Smith stellen, doch das würde Hardaway an der Dreierlinie blank stehen lassen.

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one-on-one

Spencer

Dinwiddie

SPENCER DINWIDDIE spencer dinwiddie Geburtstag: 06. April 1993 Größe: 1,96 Meter Gewicht: 97 Kilo Erfahrung: 5 Saisons

Stats 2019/20*: 24,9 PPG || 3,8 RPG 7,6 APG || 0,8 SPG 3,3 TPG || 41,8 FG% 29,9 3P% || 77,6 FT%

Advanced Stats: 18,1 PER (15.) || 31,7 USG (5.) || 53,6 TS% (36.) || 5,4 RBR (54.) 22,2 AST (50.)**

vs.

C.J.

McCollum

I

n den vergangenen drei Jahren folgten viele NBA-Mannschaften einem klaren Trend in der Offensive: Der beste Spieler ist der Dreh- und Angelpunkt sämtlicher Angriffsbemühungen, die Kollegen bekommen klar umrissene, aber limitierte Rollen zugewiesen. Dieser Trend ist inzwischen auch in Brooklyn bei Spencer Dinwiddie und Kyrie Irving angekommen, beide Spieler laufen als primäre Optionen mehr als 22 Pick-and-Roll-Angriffe pro Spiel! Während Irving verletzungsbedingt erst ein Drittel aller NBA-Spiele bestreiten konnte, steuert Dinwiddie die Pick-and-Rolllastige Nets-Offense. Mit seinem eleganten FloaterSpiel und starken Abschlussfähigkeiten in Brettnähe gehört der 26-jährige Dinwiddie damit zu den besten Vollstreckern in der Zone. Sein Passspiel zu den abrollenden Centern Jarrett Allen und DeAndre Jordan gehört mit zum Besten, was die Liga zu bieten hat: Lediglich neun Spieler kreieren pro Spiel mehr Punkte, und die Trefferquote der Centerspieler liegt nach einem Dinwiddie-Pass bei unglaublichen 67 Prozent! Womit wir schon bei den beiden Problemstellen des 1,96 Meter großen Guards wären … den Jumpshot aus dem Dribbling trifft er nur mit 29 Prozent, obwohl der direkte Wurf ohne Dribbling mit einer Erfolgsquote von 36 Prozent ganz ordentlich ist. Und die Pässe aus dem Pick-and-Roll zu den Flügelspielern sind qualitativ nicht gut genug, Brooklyn kann hieraus nur die drittwenigsten freien Wurfversuche vorweisen. Dabei ist Dinwiddie zwar groß genug, um über die aushelfenden Verteidiger (im Stile eines Luka Doncic) passen zu können, bekommt diesen Vorteil bisher aber noch nicht umgesetzt. Dennoch ist die Nets-Offensive ohne Kyrie Irving bei Dinwiddie in guten Händen: 111 Punkte auf 100 Angriffe sind zwar kein absoluter Topwert in der NBA, aber ohne den Zweitrundenpick aus dem Jahr 2014 sind die Nets im Angriff 13 Punkte schlechter und damit offensiv nicht konkurrenzfähig.

one-on-one In diesem One-on-One vergleicht Coach Jens zwei unterschiedliche Combo-Guards: Spencer Dinwiddie mag den Zug zum Korb, und C.J. McCollum wirft gerne aus der Distanz. Aber wer ist der bessere Spieler? Offense, Defense und Gehaltsstruktur sind unsere Maßstäbe für den Leistungsvergleich. Text: Jens Leutenecker 24


C.J. McCOLLUM

Fotos: Nathaniel S. Butler/Sam Forencich/NBAE via Getty Images

D

ie Portland Trail Blazers und der Sprungwurf – eine Liebesbeziehung! Seit 2013/14 kommen Damian Lillard und C.J. McCollum regelmäßig unter die Top 5 bei den Distanzversuchen und machen dem gegnerischen Backcourt an einem guten Tag die Hölle heiß. Coach Terry Stotts installierte in den vergangenen Jahren eine Offensive, welche die unterschiedlichen Wurffähigkeiten beider Schützen ideal ergänzt. Lillard ist der bessere Werfer aus dem Dribbling und verfügt über exzellente Fähigkeiten für eine hocheffiziente Pick-and-Roll-Offensive. McCollum trifft 47,4 Prozent seiner Dreipunktewürfe aus dem Stand und agiert deshalb häufiger abseits des Balles, gerne mit indirekten Blöcken. Dieses Jahr stockt der Offensivrhythmus der Trail Blazers jedoch aufgrund von Abgängen wichtiger Rollenspieler wie Seth Curry, Enes Kanter oder Al-Farouq Aminu. Das zeigt sich nicht zuletzt an den Zahlen des 28-jährigen Combo-Guards: Er wird häufiger in Situationen gezwungen, in denen er als Kreativspieler die Verantwortung übernehmen muss – und genau damit hat er Probleme. Die Effizienzwerte im Pickand-Roll sind zwar außerordentlich gut, jedoch glänzt McCollum nur bedingt als Playmaker. Zwei von drei Pick-and-Rolls enden mit einem McCollum-Abschluss, damit gehört er zur Kategorie eigennütziger Spieler wie Paul George oder Collin Sexton. Dabei hat McCollum eigentlich alle Skills, um seine Spielweise teamorientierter zu gestalten: Mit frühen Pässen aus dem Pick-and-Roll und einem schnellen Repositionieren (wie z.B. bei Stephen Curry) könnte er seine exzellenten Wurf- und Freilauffähigkeiten perfekt kombinieren. Aber um dies umzusetzen, braucht es Mitspieler, die genau wissen, wann der Kreativspieler den Ball passt und wo sie ihn dann freiblocken müssen.

fazit * Auf 36 Minuten Spielzeit hochgerechnet ** In Klammern steht der Rang unter allen Point Guards der Saison 2019/20. PER – Player Efficiency Rating, USG – Usage Rate, TS% – True Shooting Percentage, AST – Assistrate, RBR – Reboundrate

C.J. Mccollum Geburtstag: 19. September 1991 Größe: 1,90 Meter Gewicht: 89 Kilo Erfahrung: 6 Saisons

Stats 2019/20*: 21,7 PPG || 4,1 RPG 3,8 APG || 0,8 SPG 1,8 TPG || 45,3 FG% 37,8 3P% || 78,9 FT%

Advanced Stats: 17,1 PER (15.) || 25,5 USG (13.) || 54,0 TS% (46.) || 5,8 RBR (68.) 14,9 AST (52.)**

Wir suchen in diesem One-

in einem Playoff-Spiel ihre

schnell zum nächsten

on-One nicht den nächsten

Mannschaft auch konstant

Mitspieler und lässt sich in

NBA-Superstar, sondern

tragen zu können.

Closeouts nur selten vom

die perfekte zweite Option

Gegner schlagen.

bei einem Playoff-Team.

Verteidigung ist McCollum

Deshalb

Sowohl Dinwiddie als auch

besser, sowohl in

gewinnt McCollum dieses

McCollum agieren als

individueller als auch in

direkte Duell, auch wenn

sekundäre Spielmacher

mannschaftstaktischer

er in der kommenden

perfekt neben Kyrie Irving

Hinsicht weisen ihn

Saison 29,4 Millionen

bzw. Damian Lillard.

sämtliche Defensivmetriken

Dollar verdient und

als besseren Defender aus.

damit im Vergleich zu

von beiden Spielern ist

Mit flinken Händen und

Dinwiddie (11,5 Mio. $)

jedoch, dass sie die Show

guter Beinarbeit erzwingt

das schlechtere Preis-

als Hauptakteure nicht

er mehr Ballverluste, rotiert

Leistungs-Verhältnis

effizient genug laufen, um

abseits des Spaldings

mitbringt.

Das Problem

In der

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onepager

Mikal

Bridges

Defensivkonstante Mikal Bridges ist der versierteste und vielseitigste Verteidiger der Phoenix Suns. Im Angriff darf der Zweitjahresprofi indes noch etwas zulegen. Text: Christian Orban

U

nter Headcoach Monty Williams gehören die Phoenix Suns zu den angenehmen Überraschungen dieser NBA-Saison. So spielt das Team um All-Star-Anwärter Devin Booker und Weltmeister Ricky Rubio erfrischenden Offensivbasketball, wobei der Ball schnell gemacht und sehenswert geteilt wird. Keine Mannschaft kann ligaweit mit einer höheren Assistrate aufwarten als die laufstarken Suns. Am defensiven Ende besteht derweil noch durchaus Luft nach oben. Schließlich fehlen dem Team zuvorderst routinierte und robuste Big Men, die leichte Punkte zu verhindern wissen, auch wenn Center Aron Baynes in diesem Bereich hilft. Positiv ist hingegen nicht zuletzt, dass die „Valley Boyz“ wenige Dreierversuche zulassen und zugleich viele Turnovers forcieren. Ein Ergänzungsspieler, der nicht allein in dieser Hinsicht defensiv hervorsticht, ist Zweitjahresprofi Mikal Bridges. Denn mit seinem Mix aus Agilität, Länge, Fokus und Spielverständnis darf der 23-jährige Flügel als der beste Verteidiger der Suns und potenzieller „Lockdown Defender“ gelten. Steht er auf dem Feld, kassiert Phoenix pro 100 Ballbesitze zehn Punkte weniger, als wenn er auf der Bank sitzt – was den Unterschied zwischen einer Top-Defensive und dem Tag der offenen Tür beschreibt.

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Bridges deckt dabei regelmäßig von der Eins bis zur Vier alle Positionen und zählt heuer bereits zu den vielseitigsten Verteidigern der NBA. So agiert er druckvoll gegen Ballführer, bleibt zumeist vor ihnen und lässt im Einsgegen-eins generell wenig zu. Zudem hält der 1,98-MeterMann auch in Korbnähe gegen kräftigere Spieler ordentlich dagegen, während er rechtzeitig rotiert, verlässlich aushilft, Drives verhindert und Würfe erschwert. Nicht zufällig rangiert Bridges gegen Schützen ligaweit im 74. Perzentil. Außerdem steht der Flügelstopper mit seinen langen Armen und flinken Händen aktiv in den Passwegen und brilliert als Balldieb. Entsprechend verbucht er in 22 Minuten pro Partie 2,3 abgefälschte Pässe sowie 1,4 Steals. Als defensivstarker Reservist, der für die Suns am Ende von knappen Partien auf dem Feld steht, weiß Bridges demnach zu überzeugen – im Angriff lässt er indes bislang einige Wünsche offen. Denn 6,9 Punkte und 1,2 Assists bei einem gleichwohl sehr guten True Shooting von 59,5 Prozent erscheinen ausbaufähig. Besonders für einen LotteryPick, der 2018 am Drafttag von den Suns aufgrund seines Potenzials an beiden Enden via Trade geholt wurde und daher nicht in seiner Heimatstadt Philadelphia für die Sixers auflaufen durfte.

Um sein Leistungsvermögen entfalten zu können, muss Bridges offensiv besser eingebunden werden und mit mehr Selbstvertrauen angriffslustiger auftreten. Schließlich weist er teamintern die niedrigste Nutzungsrate auf und trägt am Ball zu wenig bei. 77 Prozent seiner Abschlüsse werden sonach assistiert – was okay wäre, wenn der vormalige Villanova Wildcat wie zu Unizeiten als Schütze Gefahr ausstrahlen und damit das Dreierund-Defense-Profil ausfüllen würde. Doch Bridges nimmt pro Spiel nicht mehr als 1,6 Dreier, von denen er aus dem Catch-and-Shoot nur schwache 30 Prozent einnetzt. Während der arbeitsame und selbstlose Teamspieler an seinem ohnehin neu justierten Wurf weiterhin werkeln muss, besticht er mit klugen Bewegungen abseits des Balles, die das Spacing der Suns befördern. Denn Bridges ist einer der fähigsten Cutter der Liga (87. Perzentil), der gekonnt in freie Räume schneidet, diese im Halbfeld für seine Mitspieler öffnet sowie am Ring exzellent finisht. Das gilt auch für den Schnellangriff, den der gewandte Athlet trefflich läuft (83. Perzentil). Mikal Bridges bringt also bereits viel mit, um in der NBA als Nebendarsteller dauerhaft für Sonnenschein zu sorgen. redaktion@fivemag.de


onepager

Duncan

Robinson

Flammenwerfer In seinem zweiten Profijahr ist Duncan Robinson in Miami zum Starter avanciert. Dabei besticht der Heatle als einer der besten Dreierschützen der NBA. Text: Christian Orban

Fotos: Issac Baldizon/Sam Forencich/NBAE via Getty Images

D

ie neu formierten Miami Heat um Jimmy Butler und Bam Adebayo präsentieren sich in dieser Saison als einnehmendes Basketballkollektiv, das an beiden Enden des Feldes zu gefallen weiß. Während die Defensive gewohnt stabil erscheint, fangen die tief besetzten Heatles im Angriff regelmäßig Feuer. So setzt Coach Erik Spoelstra auf engagierte Ballbewegung und das dynamische Rochieren der Spieler. Mit Erfolg: Nur vier Teams assistieren ligaweit einen höheren Anteil ihrer Feldkörbe, allein die Phoenix Suns punkten häufiger nach Cuts. Zudem stellt Miami die Mannschaft, die Handoffs mit Abstand am effektivsten zum Abschluss nutzt. Und zwar nicht nur, um per Drive den Korb zu attackieren, sondern auch um den Dreier anzubringen, den die Heat generell exzellent treffen. Der herausragende Flammenwerfer ist dabei Duncan Robinson, der sich heuer in der Ersten Fünf wiederfindet und von „Coach Spo“ das grüne Licht erhalten hat. Schließlich ist der ungedraftete Zweitjahresprofi im Vergleich zur Vorsaison ein anderer Spieler. Nämlich einer der sichersten Distanzschützen der NBA – der sich in Südflorida in die Liga gearbeitet hat. Seine Rookie-Saison verbrachte Robinson weitgehend in

der G-League, während er bei den Heat zu 15 Kurzeinsätzen kam, in denen er sich meist schwertat. Heute steht der vormalige Michigan Wolverine 27 Minuten pro Abend auf dem Parkett und markiert solide 11,8 Punkte bei einem famosen True Shooting von 67,1 Prozent. Denn er netzt herausragende 43,8 Prozent seiner 7,3 Dreierversuche ein. Lediglich zehn Akteure treffen bei deutlich höherem Volumen bislang pro Partie häufiger von Downtown. „Er ist ein Profi geworden, ein echter Vollprofi“, betont daher Teamkollege Adebayo. „Duncan ist einer dieser Jungs, die sich wirklich in ihr Handwerk vertiefen.“ So darf der 2,01 Meter große Flügel als ein versierter Dreierspezialist gelten, der über eine gute Fußarbeit, Balance, ansprechende Dynamik und einen hohen, schnellen Abwurf verfügt. Nicht zufällig streut „D-Bo“ seine „3s“ selbst unter enger Bewachung verlässlich ein (40,7 3P%). „Der Trainerstab hat mich in den vergangenen beiden Jahren wirklich gepusht“, sagt Robinson und verweist auf die investierte Arbeit. „Ich kann nicht nur einfach der Typ sein, der Eckendreier schießt. Für diese Weiterentwicklung war aber eine Menge bewusster Anstrengungen nötig.“ Der 25-Jährige lässt seine Dreier – die 86 Prozent seiner

Abschlüsse ausmachen – zu drei Vierteln aus dem Catch-and-Shoot fliegen. Dabei zeigt er sich eben nicht allein als elitärer Schütze aus dem Stand (94. Perzentil ligaweit), sondern auch aus der vollen Bewegung heraus im Nutzen der angesprochenen Ballübergaben (92. Perzentil) und von indirekten Blöcken (78. Perzentil) extrem effizient. Gleiches gilt für seine Würfe im Schnellangriff (89. Perzentil). Ein spielstarker Blocksteller und Passgeber wie Adebayo, mit dem Robinson speziell bei Handoffs eine tolle Synergie entwickelt hat, kommt hierbei fraglos zum Tragen. Wie wichtig der Mann aus New England seinerseits für die Südfloridianer ist, manifestiert sich darin, dass das gute Offensivrating der Heat um 4,4 Zähler sinkt, wenn ihr anerkannter Flammenwerfer und „Floor Spacer“ auf der Bank Platz nimmt. Baustellen bleiben derweil gewiss bestehen. Im Angriff darf Robinson das Spiel noch besser lesen und auch Passwege erkennen. Defensiv fällt er zumindest nicht allzu negativ auf und arbeitet im Verbund ordentlich mit. Seine gute Länge hilft gerade gegen Schützen. Am Ball bleibt „Uncan“, wie er am College genannt wurde, indes angreifbar und muss in den Playoffs zeigen, dass er dagegenhalten kann. redaktion@fivemag.de

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legend

Kobe

Bryant

GOODBYE,

KOBE Ich kannte Kobe. Fernab vom Fernsehen und dem Basketball-Court. Abseits von Erzählungen und Instagram-Posts. Ich kannte den Menschen Kobe. Ich kannte ihn, weil er mir erlaubt hat, ihn kennenzulernen. Und weil er mit mir über Dinge sprach, die nur manchmal etwas mit Basketball zu tun hatten. Text: Robbin Barberan

Fotos:Noah Graham/NBAE via Getty Images

V

on diesem Menschen würde ich euch gerne erzählen. Nicht von der „Black Mamba“, sondern von Kobe Bean Bryant. Von einem Mann, der für mich größer schien als das Leben selbst und dessen plötzlicher Tod Millionen von Fans in einen Zustand der Schockstarre versetzt hat. Mit diesen Fans möchte ich gerne die folgenden Erinnerungen und Anekdoten teilen, die mich für alle Zeiten begleiten werden. Ich hoffe, es hilft euch – wie mir –, mit einem Lächeln an einen der besten, intelligentesten und meistrespektierten Basketballer aller Zeiten zurückzudenken. Kobe war mein erstes Interview. Ever. Ich hatte Rik Smits vorher mal bei einem Press-Call am Telefon für eine einzige Frage. Ich denke, das zählt nicht. No offense, Rik. Für einen jungen Volontär eines Basketball-Magazins war es natürlich ein Traum, einen NBA-Spieler zu treffen. Nur war ich damals nicht so begeistert, den Auftrag zu bekommen, wie man eventuell vermuten würde. Es war Sommer 1997, und Kobe hatte gerade meine Lakers mit vier Airballs aus den Playoffs geschossen. Dieser

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18-jährige spindeldürre Egomane mit der großen Klappe schoss in den letzten fünf Minuten viermal Luft mit Shaquille O’Neal, Eddie Jones und Nick Van Exel im Team. Ich war damals 23 und dachte, ich wüsste alles besser. Zumindest wusste ich, dass man in der Crunchtime eines NBA-Playoff-Games keinen unerfahrenen, ballverliebten Rookie werfen lassen sollte, wenn jemand wie Shaquille O’Neal unter dem Korb steht. Das hab ich ihm auch gesagt. Zumindest so ähnlich.

Paris

„Der junge Kerl, der in den Playoffs die vier Airballs gegen Utah geworfen hat, kommt nach Paris. Interview den mal“, hieß es aus der Redaktion. Ich flog also in die französische Hauptstadt und sah Kobe das erste Mal auf einer Pressekonferenz im Disneyland Paris. Mein eigentliches Interview sollte erst am nächsten Tag stattfinden, aber die Pressekonferenz war frei zugänglich, und ich hatte direkt vom Flughafen kommend nichts anderes vor. Ich betrat den nur halb gefüllten Presseraum irgendwo zwischen den

Piraten der Karibik und Fantasy Island. Als wohl einziger Basketball-Journalist vor Ort wurde ich prompt zur Seite gezogen und gebeten, eine echte NBA-Frage zu stellen. Meine französischen Kollegen (pre-Tony-Parker-Ära und deshalb nur so semi an Basketball interessiert) fragten nämlich Sachen wie „Gefällt dir Paris?“ und „Bist du zum ersten Mal in Frankreich?“. Eine echte NBA-Frage ... okay. Ich bekam das Mikrofon, stellte mich kurz vor und fragte: „Kobe, was hast du dir als Rookie dabei gedacht, in den Playoffs diese vier Distanzwürfe zu nehmen, die allesamt Airballs waren, wenn du den dominantesten Center und etliche Veteranen in der Mannschaft hast?“ Selbst im Weltraum herrscht nicht so eine Stille wie an diesem Tag nach der Frage. Es war gespenstisch und fühlte sich an wie eine Ewigkeit, bis Kobe antwortete. Dabei war es gar nicht meine Absicht, ihn bloßzustellen. Das war halt die Frage, die mir seit Wochen im Kopf herumspukte. Und ohne nachzudenken kam sie heraus, als die einzige Person im Universum, die sie mir beantworten konnte, vor mir hockte. Kobe saß in seinem dunkelblauen adidas-Trainingsanzug nur da, grinste mich


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legend

Kobe

scheinbar amüsiert an und antwortete: „Damn! Sind wir hier in New York? Das ist mal eine Frage!“ Die zehn Leute im Raum lachten. Ich wartete auf eine Antwort. Schließlich sagte er mit einem Schulterzucken: „Ich hab an gar nichts gedacht. Mein Instinkt hat übernommen. Die Würfe haben sich gut angefühlt, als ich sie genommen habe. Normalerweise treffe ich die Dinger.“ Er schaute mich dabei an, als hätte ich das verneint. „Ich hab an gar nichts gedacht“, wiederholte ich die Antwort in meinem Kopf. Alles klar. Der Junge aus der Highschool, an Nummer 13 von den Hornets gepickt und für Vlade Divac zu den Lakers getradet, denkt nicht nach. Na toll. Dass ich ebenfalls nicht nachgedacht hatte, als ich ihm die Frage stellte, kam mir natürlich nicht in den Sinn. Nach der PK stand Kobe auf und warf mir einen kurzen Blick zu, der mir entweder „Wir sind hier noch nicht fertig, Freundchen“ oder „Heute Nacht um 1:00 Uhr hinter dem Hotel. Komm allein. Keine Bullen“ zu sagen schien. Knapp 24 Stunden später fand ich mich hingegen in einem kleinen Raum am Pariser La Défense wieder und wartete auf mein One-on-One mit Kobe Bryant. Aus meiner Sicht damals bloß ein Bankspieler der Lakers, der nur aus zwei Gründen bekannter war als der Durchschnittsbankdrücker: sein Alter und die Airballs. Ich muss zugeben: Ich war nicht sicher, ob das Interview nach meiner Frage am Tag davor überhaupt noch stattfinden würde. Aber hier war ich und wartete. Als Kobe den Raum betrat, stellte ich mich vor und bekam ein „Du bist der Typ von gestern!“ entgegengeschleudert – und einen Fingerzeig, der sich durch meinen Brustkorb zu bohren schien. Das jagte mir einen Riesenschrecken ein. Nicht nur war ich negativ aufgefallen. Er war anscheinend nachtragend! Noch bevor ich meine Frage vom Vortag erklären konnte, sagte er schon, dass alles cool sei und: „Hey, ich mach doch nur Witze.“ „Puh, ich dachte schon, du nimmst mir die Frage übel.“ „Nein, gar nicht. Ich find’s cool, wenn man einfach sagt oder fragt, was man denkt.“ So war Kobe. Selbst Fragen, die jeder andere Basketballer wahrscheinlich als Kritik verstanden hätte, beantwortete er mit einer Gelassenheit, die ich persönlich beinahe unangebracht fand für jemanden, der gerade mal die grobe Richtung vom Korb zu wissen schien. „Kein Wunder“, dachte ich mir, „dass er die Würfe ohne Nachdenken nehmen kann. Den juckt einfach gar nichts.“ Ich lag falsch. Nach ein paar Minuten erfuhr ich, dass der Junge nicht nur kein Gewissen, sondern auch keine Hobbys hatte. Außer Basketball.

30

Bryant

„Was machst du, wenn du nicht gerade Basketball spielst?“ „Basketball schauen.“ „Wie sieht der Sommer für dich aus? An welchem Teil deines Games wirst du am meisten arbeiten?“ „An allem. Ich versuche ständig mein gesamtes Spiel zu verbessern.“ „Hast du dir ein bestimmtes Ziel für deine Karriere gesetzt?“ „Ja, ich möchte nächstes Jahr All Star werden.“ Ich nickte bloß und schaute dabei fake-nachdenklich auf meine Notizen. Ich wusste: Wenn ich ihn jetzt anschaue, muss ich lachen. Um das in die richtige Perspektive zu rücken: Kobe hatte gerade mit 7,6 Punkten und nur knapp 15 Minuten Spielzeit pro Partie eine Rookie-Saison hinter sich, die bescheiden war und katastrophal endete.

All Star … das war für mich so absurd, als hätte ich gesagt: „Ich, der Volontär, will nächstes Jahr dann Chefredakteur werden.“ Spoiler Alert. Ich wurde nicht Chefredakteur. Kobe aber wurde All Star. Das war meine erste Lektion, ihn niemals zu unterschätzen. Er verdoppelte in seiner zweiten NBA-Saison seine Punkteausbeute pro Spiel auf 15,6 und wurde als einer der besten Sixth Men der Liga als Starter ins NBA-All-Star-Game 1998 in New York City gewählt, wo er den Westen bei den Punkten anführte. Wahrscheinlich wäre er sogar MVP geworden, wenn der Westen das Spiel

nicht verloren hätte. Stattdessen gewann die Trophäe ein gewisser Michael Jordan.

Berlin

Berlin 1999. Unsere Wege kreuzten sich erneut. Kobe war mittlerweile DER junge Star der Liga und besuchte eine deutsche Schule. Ich war mittlerweile kein Volontär mehr und wurde aufgrund meiner „Erfahrung“ mit Kobe erneut zu ihm geschickt. „Ihr kennt euch ja“, hieß es. Wir trafen uns in einem leeren Klassenzimmer, wo er sich versteckte, um die Kinder zu überraschen. Dann ging es los. Er erkannte mich sofort, schlug ein, als wäre ich mit ihm zur Highschool gegangen, und starrte fast in mein Gesicht. „Lässt du dir eigentlich einen Bart wachsen?“ „Ich wollte es zumindest mal ausprobieren. Sieht es nicht gut aus?“ „Doch, doch. Ist cool!“

Er schaute dabei auf den Boden – und ich glaube bis heute, er tat es, um mir nicht ins Gesicht zu lachen. „Bartwuchs würde helfen“, sagte er leise, ohne aufzuschauen. Wir hatten schon beim zweiten Treffen einen unausgesprochenen Pakt geschlossen, wo wir uns einfach Sachen sagten … wie zwei normale Dudes. Was allerdings ein paar Minuten später folgte, ist bis heute die skurrilste Unterhaltung, die ich jemals mit einem Basketballer geführt habe. Eine Unterhaltung, die beinahe in einem Streit endete, weil Kobe etwas so Absurdes sagte, dass ich das Thema nicht auf sich beruhen lassen konnte.


Fotos: Robert Mora/Kevork Djansezian/Getty Images

Ich weiß nicht mal mehr, wie wir darauf kamen. „Okay, Kobe. Das ist ein absoluter Riesenquatsch. Du machst dich gerade lächerlich! Jar Jar Binks braucht kein Mensch!“ „Du wirst sehen, jetzt hassen ihn alle. Aber irgendwann, wenn die Leute Abstand gewonnen haben und ,Star Wars‘ nicht mehr so emotional sehen, werden sie ihn lieben.“ „Ich geb dir mein Wort drauf, dass sich das nicht ändern wird. Jar Jar Binks sieht aus wie ein Hase in Lederhosen und spricht wie ein Jamaikaner. Niemals gewöhnen sich die Leute daran!“ „Du hast keine Ahnung. Glaub mir einfach. Jar Jar Binks wird von den Leuten missverstanden.“ „Missverstanden, my ass.“ „Okay. Hand drauf. Du wirst schon sehen.“

mir diesmal? Was ist dein Ziel für deine nächste Saison?“ „NBA-Champion“, sagte er.

„Star Wars: The Phantom Menace“ lief seit ein paar Monaten in den Kinos, und Kobe war – wie ich – riesiger „Star Wars“-Fan, der glaubte, alles besser zu wissen. 19 Jahre später sollte kein Geringerer als Mark Hamill (Luke Skywalker) ihm den Oscar für den besten animierten Kurzfilm 2018 überreichen. Ich kann mir nur vorstellen, was für ein Moment das für Kobe gewesen sein muss. Natürlich kamen wir auch auf andere Dinge zu sprechen. Zum Beispiel, wie er sein Vorhaben, All Star zu werden, wahr gemacht hatte. Ich gab sogar zu, dass ich ihn damals für verrückt gehalten hatte, und fragte ihn: „Was sagst du

„Wir haben doch gleich unser Interview, oder?“ „Ja, sobald du ready bist.“ „Vanessa, Robbin ist der Typ, der immer die harten Fragen stellt. Robbin, das ist Vanessa, meine Verlobte.“ Es stimmte also. Keine acht Monate zuvor hatte Kobe Vanessa angeblich bei einem Videoshoot kennengelernt. Seit ein paar Wochen nun gab es die Gerüchte, sie seien verlobt. Vanessa und ich gaben uns die Hand, Kobe entschuldigte sich mit einem „Ich muss mich umziehen, bis gleich“ und verschwand in den nächsten Aufzug. Unabhängig davon, dass Kobe Bryant meinen Namen kannte, war ich

Barcelona

Ein Jahr später wurde Kobes neuer Schuh vorgestellt. In Barcelona. Diesmal brannte ich darauf, das Interview zu führen. Kobe war im Jahr 2000 schon ein Superstar und hatte – wie von ihm angekündigt – wenige Wochen zuvor seine erste NBAChampionship gewonnen. Für unser drittes Interview würde ich Kobe im Hotel treffen. Unten in der Lobby sollte ich warten, bis ich gerufen wurde. Keine zehn Minuten saß ich da, bevor jemand meinen Namen quer durchs Hotel brüllte. Es war Kobe, mit Vanessa im Schlepptau. Die beiden kamen augenscheinlich gerade vom Shopping oder Sightseeing zurück.

beeindruckt von der Reife, die er nun ausstrahlte. Vielleicht hatte es etwas damit zu tun, dass Vanessa dabei war, aber er wirkte viel älter als der Typ, mit dem ich mich vor zwölf Monaten noch über Jar Jar Binks gestritten hatte. Als das Interview begann, beglückwünschte ich ihn zu seiner ersten Meisterschaft und fragte Kobe, was denn jetzt noch übrig bleiben würde. All-StarGame. Check. Meisterschaft. Check. Was kann man noch mehr tun? „Man muss es wiederholen.“ „Noch einen Titel gewinnen …“ „Ja, eine Meisterschaft ist nicht genug. Vielleicht war es nur Glück. Kann ich noch eine gewinnen? Das ist die Frage.“ „Kobe, die Frage ist, warum du dir so viele Gedanken machst, was andere Leute denken …“ „Nein … nicht, was andere Leute denken. Das denke ich selbst. Das verlange ICH von mir. Die Leistung gestern auf dem Platz bedeutet nichts, wenn ich sie nicht ständig und immer abrufen kann. Ich habe an mich selbst die allerhöchsten Ansprüche. Was andere Leute dann von mir erwarten oder über mich sagen, ist mir egal.“ Wir sprachen noch eine Weile über das Thema Erwartungen und Ziele im Leben. Bis ich irgendwann die Frage stellte: „Wenn es immer mehr gibt, immer noch das eine Ding, was du verbessern kannst, wann weißt du dann, wann du genug hat?“ „Ich habe nie genug. Ich bin nie zu 100 Prozent zufrieden.“ „Und wann hört man dann auf?“ „Wenn einem der Körper sagt, dass es nicht mehr geht.“ Als Kobe Bryant knapp 15 Jahre später das Gedicht „Dear Basketball“ veröffentlichte, wusste ich augenblicklich, dass dies das Ende seiner Karriere war. Es würde kein Comeback geben wie bei so vielen anderen Sportlern. Kein Rücktritt vom Rücktritt. Kein „I’m back“ via Fax. „Wenn einem der Körper sagt, dass es nicht mehr geht“, hatte er mir damals gesagt, und hier im vorletzten Absatz des Gedichtes stand es schwarz auf weiß: „My body knows it’s time to say goodbye“. Unser Interview in Barcelona war natürlich nicht nur so bierernst, wie es jetzt scheint. Kobe wäre nicht Kobe gewesen, wenn wir nicht auch viel gelacht hätten. Mitunter auf Kosten einiger NBA-Legenden. „Wer ist der beste Trashtalker, gegen den du bisher gespielt hast?“, fragte ich ihn. „Der beste? Hm, was bedeutet der beste? Gary Payton ist superdirty. Der versucht dich mit der Krassheit seiner Sprüche zu beeindrucken. Michael …“ Er lachte und schüttelte den Kopf. „Was ist mit Michael?“ „MJ macht es nicht so plump. Er versucht dich psychologisch kaputt zu machen. Zeigt dir mit den Fingern, wie nah du dran warst, oder fängt an, dir Tipps zu geben, wie man den Move besser verteidigen kann.“

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„Funktioniert das?“ „Die Tipps sind in der Tat gar nicht so schlecht und würden auch vielleicht funktionieren, wenn er nicht wüsste, was du vorhast.“ „Du hast in den Conference-Finals gegen die Blazers gegen Scottie Pippen gespielt, zu Bulls-Zeiten der wahrscheinlich beste Flügelverteidiger der Liga. Gab es da keinen Trashtalk?“ „Doch, aber man versteht ihn nicht, weil er nuschelt.“ „Scottie Pippen nuschelt?“ „Mmmmbh mmmmh mmmmbh.“ Kobe und ich schmissen uns komplett weg vor Lachen, doch leider war es Zeit, das Interview zu beenden. Wir verabschiedeten uns, ich wünschte ihm viel Glück für den angestrebten Repeat (den er natürlich schaffte) und sagte beim Rausgehen bloß: „Hey Kobe? Ein Jahr ist es jetzt her, und Jar Jar Binks braucht immer noch kein Mensch.“ Er lachte und sagte: „Shut up!“

Fotos: Kevork Djansezian/Getty Images

17 Jahre

Es dauerte eine lange Zeit, bis ich Kobe wiedersah. 17 Jahre, um genau zu sein. Viel passierte in der Zwischenzeit. Er heiratete Vanessa. Wurde Vater. Mehrmals. Wurde MVP. Einmal. Seiner ersten Meisterschaft folgten noch vier weitere. Zwei davon ohne Shaq. Er erfand sich selbst neu. Perfektionierte seinen Mitteldistanzwurf. Hatte wahrscheinlich die beste Fußarbeit in der gesamten Liga. Und er wurde ruhiger, offener, weiser. Aber immer noch war er nicht gewillt, irgendwo den einfachen und bequemen Weg zu gehen. Wusstet ihr, dass er sich das Klavierspielen selbst beibrachte, um Vanessa Beethovens Mondscheinsonate vorzuspielen? „Warum engagierst du eigentlich nicht einfach jemanden, der dir Klavierspielen beibringt?“ „Es bedeutet mehr, wenn ich es mir selbst beibringe.“ Es ist merkwürdig, die Entwicklung eines Menschen nur noch aus der Ferne mitzubekommen, wenn man sich vorher mehrmals sieht und auf einmal nicht mehr. Auch wenn ich Kobe Bryant nicht so gut kannte wie Leute aus seinem direkten Umfeld, war mir immer klar, dass das Image von der „Black Mamba“ zunehmend nur noch seinem Naturell auf dem Basketball-Court entsprach. Off the Court war Kobe ein liebevoller Familienvater, für den das Glück seiner Töchter am allerwichtigsten war. Er sagte oft, dass er den Helikopter anstatt das Auto benutzen würde, um mehr Zeit für seine Töchter zu haben. Als Kobe 2016 sein letztes NBASpiel absolvierte, war seine Trennung vom aktiven Basketball endgültig. Er war nicht geplagt von Zweifeln, ob da nicht noch etwas wäre, was er dem Game geben könnte. Er wusste, der Tank war auf null.

Stattdessen widmete er sich dem Storytelling. Kobe wollte die Jugend der Welt nun durch Bücher und Filme inspirieren. Das war seine neue Leidenschaft. Dieser neue Pfad führte ihn wieder zu mir.

ich heute etwas getan, um ein kleines bisschen besser zu werden? Egal wie viel. Es sind die Babysteps, die dich am Ende zum Ziel führen!“ Es war das letzte Mal, dass wir uns sahen.

Paris

26. Januar

Im Herbst 2017 wurde ich darüber informiert, dass Kobe seinen Kurzfilm „Dear Basketball“ zusammen mit dem Release seines neuen Schuhs „Kobe A.D.“ in Paris promoten würde. Ich war inzwischen schon lange kein Vollzeit-Basketball-Journalist mehr, was der Hauptgrund ist, warum ihr meinen Namen nicht öfter in der FIVE seht. Mein Job bestand nun in erster Linie darin, bei einem großen Basketballund Streetwear-Shop dafür zu sorgen, dass die Message, Funktion und Inspiration hinter den verschiedenen BasketballProdukten an die Kunden transportiert wird … durch Storytelling. Genau 20 Jahre nach unserem ersten Interview fanden wir uns in Paris wieder. 20 Jahre älter (beide), mehr Falten (er) und mehr Kilos (ich). „Kobe, 20 Jahre sind eine lange Zeit! Wir waren noch so jung bei unserem ersten Interview. Schau uns jetzt an! Zwei alte Männer.“ „Ja, aber wenigstens hast du noch deine Haare.“ Wir lachten. Es tat so gut, ihn wiederzusehen. Zwischenzeitlich interviewte ich immer wieder mal NBASpieler, wenn sie nach Europa kamen und ihre Signature-Schuhe vorstellten. Darunter einige All Stars. Bei keinem waren die Gespräche so unterhaltsam und informationsreich wie bei Kobe. Ich bin fest davon überzeugt, dass ich nach Unterhaltungen mit ihm am Ende schlauer war als vorher. „Du bist nun ein Storyteller. Wie erreichst du die neue Generation mit deiner Message?“ „Es besteht auf jeden Fall eine große Kluft zwischen meiner Generation und der, die jetzt heranwächst und nachrückt. Aber ich denke, dass meine Message universell ist. Es ist egal, wie alt man ist oder welche Sprache man spricht. Mamba Mentality ist für alle.“ „Der Begriff Mamba Mentality wird nicht zuletzt durch dich selbst immer mehr benutzt. Aber was ist die Definition?“ „Es ist der Wille, jeden Tag ein bisschen besser zu werden. Hart daran zu arbeiten, die beste Version von einem selbst zu sein. Es ist ein langer Weg dorthin, und deshalb muss man sich Mini-Ziele setzen. Frag dich selbst, was du heute gemacht hast, um besser zu werden. Und ich spreche hier nicht nur über Basketball oder Sport. In allen Facetten des Lebens kannst du daran arbeiten, der Beste zu sein. Die einzige Frage ist, ob du hart genug daran arbeitest, um dieses Ziel zu erreichen. Und dafür musst du dich fragen: Habe

Am Abend des 26. Januar bekam ich einen Push Alert aufs Handy, den ich wie viele andere zunächst für einen Fehler hielt: „Kobe Bryant dies in a helicopter crash.“ „Das kann nicht sein“, sagte ich mir. „Irgendjemand hat eine Fehlinformation bekommen, und es wird jetzt im Netz verbreitet, ohne dass es jemand gegencheckt.“ Aber ich machte mir Sorgen. Helikopter. Das klang nach ihm. Wenig später kam die schreckliche Bestätigung. Kobe kam bei diesem HelikopterAbsturz ums Leben. Mit ihm seine erst 13-jährige Tochter Gianna. Und sieben weitere Personen, die viel zu früh aus dem Leben gingen. Die ganze Sportwelt trauert. Nicht nur die Basketballer. Auch Tennisspieler, Fußballer. Ich kann mich an keinen Sportler erinnern, der auf andere Sportarten so einen großen Einfluss hatte. Aber das hat Kobe Bryant ausgemacht. Seine Fähigkeit, andere zu inspirieren. Den Funken weiterzugeben. Nicht zufrieden auf seinem Talent zu sitzen, sondern es in die Welt zu tragen. Über alle Grenzen hinweg. Sein Engagement für den FrauenBasketball war unerreicht unter NBASpielern. In seiner Mamba Sports Academy trainieren Jung und Alt, Amateure und Pros. „Mamba Mentality“ ist für Sportler überall ein feststehender Begriff geworden. Der Einfluss von Kobe auf die gesamte Sportwelt, in der Gegenwart und in der Zukunft, kann nicht hoch genug bewertet werden. Wir begreifen vermutlich erst in den nächsten Monaten und Jahren, wie sehr Kobe Bryant den Basketballsport geprägt und verändert hat. Bis dahin bleibt uns nur die tiefe Trauer. Das Gefühl, dass auf einmal etwas fehlt und nicht ersetzt werden kann. Aber auch die Dankbarkeit, dass wir alle einen Basketballer erleben durften, der zeigte, was möglich ist, wenn man alles, was man zu geben hat, dem Game widmet. Bedingungslose Hingabe als Vorbild für Millionen. Als Basketballer, als Vater und als Mensch. Vom 18-jährigen AirballShooter zu einem der besten NBA-Spieler aller Zeiten. Jemand, über den ihr eines Tages mit Stolz sagen könnt: „Ich hab ihn spielen sehen.“ Danke für die Erinnerungen, Kobe. One Love. redaktion@fivemag.de PS: Hey Kobe? Es ist jetzt 20 Jahre her, und Jar Jar Binks braucht immer noch kein Mensch.

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IN EX-TRAE-MO Auf der einen Seite der erste Spieler, der die NCAA bei den Punkten und Assists über eine Saison angeführt hat. Auf der anderen Seite der Draftpick, der für Luka Doncic getradet worden ist. Ein Guard, der mit seinen Parkplatz-Dreiern in die Fußstapfen von Stephen Curry tritt – doch in der Defensive so viele Punkte zulässt, wie er selbst erzielt. Trae Young bewegt sich zwischen den Extremen. Text: Manuel Baraniak

E Fotos: Emilee Chinn/Getty Images

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rae Young kann eigentlich nur verlieren. Nicht, weil der 1,85 Meter kleine und 82 Kilogramm schmächtige Guard in der NBA wohl immer körperlich unterlegen sein wird. Nicht, weil der 21-Jährige mit den Atlanta Hawks ein Kellerkind wieder nach oben führen soll. Vielmehr, weil Trae Young während seiner NBA-Karriere stets mit Luka Doncic und Stephen Curry in Verbindung gebracht werden wird. Stephen Curry hat wie kein Zweiter die Dreier-Evolution in der NBA vorangetrieben und Parkplatz-Dreier salonfähig gemacht. Mit ihm als FranchiseSpieler und Steve Kerr als Headcoach entwickelten die Golden State Warriors eine

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Kultur und prägten die NBA – ja, sogar eine ganze Generation, deren Kind für viele nun jener Trae Young ist. Luka Doncic dürfte noch mehr als Curry in einem Atemzug mit Trae Young genannt werden – wurden die beiden Jungstars doch im Zuge der NBADraft 2018 gegeneinander getauscht. Die Atlanta Hawks zogen damals Doncic an dritter Stelle, um diesen für Young an fünfter Position – sowie einen zukünftigen Erstrundenpick – an die Dallas Mavericks abzugeben. Während die Sacramento Kings, die an zweiter Position Doncic verschmäht hatten, eh schon ein Dasein als Management-Lachnummer fristeten, wurden die Hawks von Fans wie Experten

gleichermaßen für ihren Trade kritisiert (zumindest von denen, die keine EuroBaller-Phobie haben). Als gäbe es nur Doncic oder Young, nur Schwarz und Weiß, ein Spiel(er) inmitten von Extremen. „Das ist einer der fünf schlechtesten Trades des Jahrhunderts“, kommentierte beispielsweise Bill Simmons von theringer.com. Und das, ehe beide Spieler überhaupt das erste Mal auf das NBA-Parkett getreten waren. Damals hatten selbst die kühnsten Experten noch nicht geahnt, dass Doncic eineinhalb Jahre später zu einem legitimen MVP-Kandidaten avancieren würde. Young? Der bekam all dies mit – und sah sich nicht das erste Mal mit Unkenrufen konfrontiert.


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„Ich erinnere mich, als ich in die Highschool und ans College gekommen bin: Da sagten sie, ich sei zu klein. Das Gleiche, als ich in die NBA kam: ,Er ist zu klein, er hat Bust-Potenzial‘“, schildert Young vor dem Start in sein zweites NBAJahr gegenüber „Yahoo! Sports“. „Und dann der Trade mit Luka Doncic … wenn sie aufgehört haben, über mich zu sprechen, dann ging es um die Organisation: wie sie die schlechteste Entscheidung getroffen haben, dass dies der schlechteste Trade der NBA-Geschichte sein könnte. Aber all das motiviert mich – keine Frage. All die Kleinigkeiten prägen sich mir ein.“ „YOUR APOLOGY NEEDS TO BE AS LOUD AS THE DISRESPECT WAS ...“ Trae Young twittert am 13. November 2019 diese Aufforderung sicherlich nicht ohne Absicht in Großbuchstaben in den digitalen Äther hinaus. Jene Leute, die ihm mit Respektlosigkeit begegnet sind, sollen sich nun genauso lautstark entschuldigen. Young erinnert sich nach dem 125:121-Auswärtscoup gegen die Denver Nuggets an seine Kritiker – bei dem der Zweitjahresprofi mit einem Saisonbestwert von 42 Punkten (inklusive acht Dreiern) und elf Assists auftrumpft. Allein 15 Zähler legt Young in den letzten sechseinhalb Minuten auf, um die Nuggets auf Distanz zu halten. Wie Young seinen CrunchtimeLauf eröffnet? Mit einem Dreier, bei dem er mit der linken Ferse noch am Ende des Nuggets-Logos am Mittelkreis steht! Ein sehr hoher Ball-Screen – und Young nimmt mit 18 Sekunden auf der Wurfuhr von Downtown Maß. „Er hat ein ultragrünes Licht. Er hat die Fähigkeit, direkt nach der Mittellinie zum Jumper aus dem Dribbling hochzugehen. Das macht es schwer, ihn zu verteidigen“, muss Garry Harris anerkennen. Und mal ehrlich: Wer außer Stephen Curry oder Damian Lillard darf noch solche Würfe nehmen? „Wie er so schnell vom Dribbling zu einem Drei-Punkte-Wurf kommt – das ist eines der Dinge, die du auch bei Steph beobachten kannst“, weiß auch Youngs Teamkollege Damian Jones, der vor seinem Wechsel nach Atlanta in der Offseason 2019 drei Jahre lang bei den Warriors unter Vertrag stand. Rund eine Minute später lässt Young seinen achten erfolgreichen Dreier folgen – erneut ohne vorherigen Pass, diesmal aus über neun Metern, nach einer Dribbling-Einlage gegen Jamal Murray, die einfach nur spielerisch aussieht. „Das war einfach die ,Trae Young Show‘ über 48 Minuten“, sieht sich auch Nuggets-Coach Mike Malone in der Zuschauerrolle. Es ist eine Show, die schon fast All-Star-Züge annimmt … Ende des dritten Viertels pusht Young den Ball im Fastbreak, Will Barton stellt sich ihm weit vor der Dreierlinie entgegen und erwartet wieder ein hohes

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Pick-and-Roll – doch das will Young gar nicht. Der Hawks-Guard dribbelt weiter auf Barton zu, tunnelt den Nuggets-Verteidiger, legt sich den Ball so in Richtung Grundlinie vor, geht an Barton vorbei und netzt einen ganz offenen Sprungwurf ein. Direkt vor der Nuggets-Bank, zu der sich Young sodann umdreht und die gesamte Reservistenriege Denvers anstarrt. Nonverbaler Trashtalk par excellence. An dieser Stelle lohnt sich ein Rückblick auf die Rising Stars Challenge 2019. Damals nahm der Rookie Young

„Ich erinnere mich, als ich in die Highschool und ans College gekommen bin: Da sagten sie, ich sei zu klein. Das Gleiche, als ich in die NBA kam: ,Er ist zu klein, er hat Bust-Potenzial.‘“ -----------

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mit der US-Auswahl an dem Showevent teil und tunnelte mit Josh Okogie sowie Deandre Ayton gleich zwei Akteure in einem Spiel. Wer jetzt denkt, dies könne bei einem Zock während des All-StarWochenendes doch jeder, dem sei versichert, dass Youngs Tunnel gegen Barton kein Einzelfall auf ernsterem Niveau gewesen ist: Während J.J. Redick ein Opfer von Young in der Preseason wird, tunnelt der Hawk-Akteur in der regulären Saison Ricky Rubio und lässt danach einen Floater trotz Foul über Aron Baynes fliegen. Es scheint, als würde Young hier an einem Signature-Move arbeiten – und seine geringere Körpergröße sogar in einen Vorteil transformieren.

Anstehen für die Stars

Young ist weder der erste Spieler, der Dreier vom Logo losfeuert, noch der erste, der seine Gegenspieler mit Dribbling-

Moves durch die Beine alt aussehen lässt. Vielmehr hat sich Young dies von Chris Paul abgeschaut – welcher mit Youngs Karriere auch verknüpft ist, wobei man hierfür einige Jahre zurückgehen muss. Als Paul seine Karriere bei den New Orleans Hornets (nun Pelicans) beginnt und die Franchise wenig später zur Saison 2005/06 nach Oklahoma City umsiedeln muss, holt Traes Vater Ray für sich und seinen Sohn Jahreskarten. Trae ist damals erst sieben Jahre alt. Im Laufe der Jahre entwickelt sich daraus viel mehr als bloßes Entertainment. Denn der junge Trae will ganz genau studieren, wie sich die Profis warm machen, weshalb der Teenager mit seinem Vater an der Halle ansteht, ehe die Tore öffnen. „Mein Vater wollte nicht so früh hin. Aber ich habe meine Hausaufgaben erledigt, sobald ich von der Schule nach Hause gekommen bin. Und nach dem Training bin ich sichergegangen, dass mein Vater bereit zur Abfahrt war, damit wir eineinhalb Stunden vor Tip-Off an der Halle sein konnten“, erinnert sich Young im Podcast von Adrian Wojnarowski. „Ich liebe einfach Details, die Kleinigkeiten fallen mir besonders auf“, erklärt Young, warum er sich gerade die individuelle Vorbereitung der einzelnen Spieler ansehen wollte. Als Wojnarowski daraufhin die Warmup-Routinen einiger Stars abfragt, kann Young diese direkt detailliert beschreiben. Traes Vater entfacht nicht nur den Enthusiasmus für Basketball bei seinem Sohn, er trainiert ihn auch. Schließlich ist Ray Young selbst Profi gewesen, der aber nicht hoch hinauskam und nach vier Jahren bei Texas Tech in Europa spielte. Immerhin: Am Tag von Traes Geburt legte Ray in einem College-Spiel 41 Punkte auf … Noch heute spricht Trae nach jedem Spiel mit seinem Vater über seine Leistung. Der Vater fährt seinen Sohn nach Dallas oder Tulsa, um für Trae bessere Gegenspieler zu finden, als dies im heimischen Norman, Oklahoma, möglich ist. Als es später darum geht, einen soliden Floater zu entwickeln, nimmt Ray einen Besenstiel zur Hand und lässt Trae darüber hinwegwerfen. Aus dieser Zeit entwickelt Trae schließlich auch seine Fähigkeit, vom Parkplatz abzudrücken. „Als ich aufgewachsen bin, konnte ich noch nicht so gut dribbeln – ich stand deshalb immer auf dem Flügel. Als ich für die Teams meines Vaters aufgelaufen bin, habe ich immer gegen Kinder ein oder zwei Klassen über mir gespielt. Die Kinder sind größer geworden, aber ich nicht so sehr“, erinnert sich Young im „Woj Pod“. „Also musste ich meine Reichweite vergrößern, ich bin immer weiter zurückgegangen. Mit den Jahren habe ich an meinem Ballhandling gearbeitet, aber diese Scorerund Shooter-Mentalität hatte ich immer.“ Das ist ohne Zweifel auch am College zu beobachten. Auch deshalb,

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Fotos: Brian Babineau/NBAE via Getty Images

Logo-Young oder Tunnel-Trae?

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um weiter in der Nähe seiner Familie zu bleiben, entscheidet sich Young für Oklahoma – und gegen Angebote von Kentucky oder Kansas. 27,4 Punkte und 8,7 Assists legt Young in seinem letztlich einzigen College-Jahr im Schnitt auf – damit ist er der erste Spieler in der NCAA-Historie, der die College-Liga in jenen beiden Kategorien über eine Saison anführt! Als besonderes Highlight macht Young die Siege gegen Oregon und Wichita State aus. Nach 43 Punkten gegen Oregon „ging ich nach Hause und habe mir das Spiel noch mal angesehen. Am Ende meinte der Kommentator, dass ich wahrscheinlich ein Lottery-Pick werden würde“, blickt Young zurück. „Daraufhin ist mein Selbstvertrauen enorm gestiegen.“ Es gilt zu bedenken: Die Sooners werden vor Saisonstart im obligatorischen „AP Poll“, der die besten Teams der NCAA in Reihenfolge bringen soll, nicht geführt. Im Laufe der Saison hievt Young sein Team zur viertbesten Mannschaft des Landes – und wird als Kandidat für den „Wooden Award“ gehandelt. Doch wo ein schneller Aufstieg ist, ist oftmals auch eine harte Landung nicht weit. Nach einer Niederlagenserie fallen die Sooners aus dem Ranking und scheiden im Big 12 Tournament in der ersten Runde aus. Sie schaffen es zwar ins NCAA-Turnier, wo aber ebenfalls nach der ersten Runde Schluss ist. Young? Der wird als „overhyped“ abgestempelt. Da sind sie wieder: die Extreme, die sich für Young schließlich auch während der Summer League (die er mit zwei Airballs beginnt) und zum Start in seine Rookie-Saison (als er in den ersten beiden Saisonmonaten nur 27,5 Prozent seiner Dreier verwandelt) präsentieren. Letztlich avanciert Young zum dritten Spieler der NBA-Geschichte, der in seinem Premierenjahr mindestens 18 Punkte und acht Assists pro Spiel auflegt. Als erster Liganeuling seit Allen Iverson 1997 markiert der Hawks-Youngster in zwei aufeinanderfolgenden Spielen mindestens 35 Zähler. Nach einer harten Landung gilt es eben, sich wieder aufzurichten …

Fotos: Carmen Mandato/Getty Images

Mehr Nash als Curry?

Wer Youngs Vorstellungen gegen Oregon und Wichita State live vor Ort verfolgt? Travis Schlenk, damals frisch im Amt als General Manager der Hawks, der zuvor bei den Golden State Warriors gearbeitet und sich dort einen Namen als Talentspäher gemacht hat. Young überzeugt die Hawks beim Workout vor der Draft auch mit seiner Reichweite: In der Trainingshalle Atlantas gibt es tatsächlich eine Vier-Punkte-Linie, die die Hawks für ein besseres Spacing nutzen – Young nimmt einfach aus diesem Bereich Sprungwürfe und demonstriert seine Distanzqualitäten. Da ist sie wieder: die Verbindung zu den Curry-Warriors.

Vergleiche mit dem „Splash Brother“ will Schlenk aber weniger aufstellen. „Trae erinnert mich mehr an Steve Nash als an Steph, was das Playmaking und Steves Fähigkeiten im Pick-and-Roll betrifft“, erklärt Schlenk gegenüber „The Ringer“. Egal wie viele Profis der kleine Trae beim Warmup auch studiert, sein „Idol“ ist Nash. Während der letztjährigen Offseason trainieren die beiden zusammen, den Kontakt stellt Youngs Coach bei den Hawks her: Lloyd Pierce hat mit Nash einst an der Santa Clara University zusammengespielt. „Wir sind so ähnlich, wie Spieler aus unterschiedlichen Epochen sein können“, meint Nash gegenüber „The

„Es könnten Duelle wie bei Magic und Bird daraus entstehen. Sie haben sich jahrelang bekämpft, und sie wurden auch immer miteinander verglichen.“ -----------

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Undefeated“. „Seine Übersicht und seine Passfertigkeiten sind überragend. Und er ist ein großartiger Scorer und Shooter.“ Vielleicht ist Nash auch ein wenig neidisch auf Young, wenn er ausführt: „Er wächst in einer Zeit auf, in der Point Guards mehr Freiheiten zum Attackieren haben. Wäre er in meiner Zeit aufgewachsen, dann wäre er vielleicht ein Pass-first-PointGuard gewesen.“ Doch es ist gerade das Passspiel, mit dem Young noch mehr überzeugt als durch sein Scoring. Dort ist seine Wurfauswahl nicht immer die beste, sein Volumen vom Parkplatz wird nicht unbedingt durch überdurchschnittliche Quoten gerechtfertigt – wobei er hier Fortschritte macht. Da Young durch seine körperlichen Nachteile Schwierigkeiten mit den Abschlüssen am Ring hat und bei seinen Drives durch ein zu frühes

Aufnehmen des Balles – hier kann er von Nash lernen – auch immer wieder Ballverluste begeht, ist er (noch) kein effizienter Scorer. Sein Floater kann sich trotzdem sehen lassen. Doch im Passspiel zeigt Young jetzt schon das ganze Arsenal: von Lob-Anspielen über Pocket-Pässe bis hin zu einhändigen Kickout-Anspielen – Young weiß vor allem als Passgeber, was effiziente Abschlüsse sind. Dabei agiert er mit einer Ruhe, die Zweitjahresprofis eigentlich noch gar nicht haben sollten. „Mein Scoring und mein Shooting aus der Distanz stechen bei den meisten Leuten heraus – da ist es einfach, meine Passqualitäten zu übersehen“, ist sich Young bewusst. Nash hat während seiner Zeit bei den Phoenix Suns eine zur damaligen Zeit historisch starke Offensive angeführt, welche unter Mike D’Antoni die BasketballEvolution vorangetrieben hat. Historisches hat Young ebenfalls im Sinn, wenn er das Ziel ausgibt, auch die NBA einmal bei den Punkten und Assists anzuführen. Dies gelang bisher nur Tiny Archibald. Wie Nash ist auch Young in der Defensive anfällig. Mehr noch: Es gibt aktuell vielleicht keinen Akteur auf diesem Star-Niveau, bei dem die Stärken in der Offensive und Schwachpunkte in der Defensive so weit auseinanderklaffen wie bei Young (nein, auch nicht bei James Harden). Von allen NBA-Profis 2019/20 belegt Young beim defensiven Real PlusMinus den 457. Rang und beim offensiven Real Plus-Minus den dritten! „Wegen seiner Größe wird es immer eine Herausforderung sein, am defensiven Ende präsent zu sein“, ist sich auch Schlenk bewusst. Deswegen gehe es in erster Linie darum, dort Einsatz zu zeigen. Den lässt Young aber bislang vermissen: Der Guard zeigt wenig Eifer, um bei Drives dagegenzuhalten. In Blocksituationen läuft er mehr hinterher, als sich durchzukämpfen. Und in HelpSituationen kann er sein Team kaum unterstützen. Von der Offense bis zur Defense – auch hier bewegt sich Young in Extremen. Diese Diskrepanz weniger extrem erscheinen zu lassen, darum wird es für Young in Zukunft gehen – wird dies doch einen entscheidenden Anteil daran haben, wie über den Hawks-Guard geurteilt werden wird. Sicherlich auch oder gerade im Verhältnis zu Luka Doncic. So sehr Young mit diesem Vergleich unrecht getan wird, so sehr kann der Guard selbst daraus auch etwas Positives ziehen, wenn er im „Winging It“-Podcast vorausschaut: „Es könnten Duelle wie bei Magic und Bird entstehen. Sie haben sich jahrelang bekämpft, und sie wurden immer miteinander verglichen. So etwas könnte daraus werden, sodass wir beide großartig sein können.“ Und damit hätte nicht nur die NBA, sondern auch Trae Young selbst gewonnen. redaktion@fivemag.de

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w o h S i a h S Die Shai Gilgeous-Alexander gilt als designierter Franchise-Player der Oklahoma City Thunder. Eine Zuschreibung, die der 21-Jährige in seinem zweiten Profijahr zusehends mit Glanzleistungen unterfüttert. Höchste Zeit also, den Hoffnungsträger der neu formierten Thunder vorzustellen. Text: Christian Orban

Fotos:Zach Beeker/NBAE via Getty Images

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ür gewöhnlich müssen hochtalentierte Jungprofis nicht vorzeitig weiterziehen. Schon gar nicht, wenn sie in ihrer Debütsaison mit nur 20 Jahren als Starter eines Playoffteams überzeugt haben. Dennoch musste Shai GilgeousAlexander nach seinem Rookie-Jahr im Sommer 2019 die Koffer packen und einen ungewollten FranchiseWechsel vollziehen. Schließlich waren die ambitionierten Los Angeles Clippers unter Zugzwang. Kawhi Leonard sollte dessen Wunschmitspieler an die Seite gestellt werden. So wurde GilgeousAlexander gemeinsam mit Danilo Gallinari und zahlreichen zukünftigen

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Draftpicks in einem Blockbuster-Trade für Paul George zu den Oklahoma City Thunder geschickt. In einer wechselvollen NBAOffseason verabschiedete sich wenig später auch Franchise-Ikone Russell Westbrook im Tausch für Altmeister Chris Paul nach elf Jahren aus OKC. Die neu formierten Thunder und ihre Zugänge sahen sich sonach mit einem dezidierten Neuanfang konfrontiert. Im Falle von Gilgeous-Alexander kamen kultürlich die hohen Erwartungen hinzu, die an einen Hoffnungsträger und potenziellen Franchise-Player in der NBA nun mal gestellt werden. Als der junge Combo-Guard Ende August in Oklahoma City den

Medien präsentiert wurde, stellte er unumwunden wohlmeinend heraus: „Ich bin nicht Russell Westbrook. Ich habe nicht denselben Namen, den gleichen Körperbau und so weiter. Also werde ich einfach versuchen, ich selbst und die beste Version meiner selbst zu sein. Dann wird sich alles andere regeln.“ Selbsterklärend fügte „SGA“ an: „Ich bin einfach ein Basketballspieler. Unabhängig von der Situation werde ich weiterhin hart arbeiten und mein Spiel spielen. Ich weiß, dass es letztlich zum Vorschein kommen wird. Ich mache mir keine Gedanken darüber, dass ich starte … oder um Auszeichnungen und solche Dinge. Ich arbeite einfach hart, behalte einen klaren Kopf und bleibe mir treu.“


Es ist jene unaufgeregte, aber fokussierte Herangehensweise, die den heute 21-Jährigen auf seinem Karriereweg bisher sehr erfolgreich vorangebracht hat.

Von Ontario nach Oklahoma

Aufgewachsen ist Shaivonte Aician Gilgeous-Alexander in Hamilton, Ontario, einer Großstadt in der „Greater Toronto Area“. Also der Metropolregion, in der die 1995 gegründeten Toronto Raptors als derzeit einzige kanadische NBA-Franchise einen Basketballboom ausgelöst hatten. Eine Begeisterung, die besonders um die Jahrtausendwende durch Highflyer Vince Carter entfacht und 2019 durch den Titelgewinn der Dinos um Kawhi Leonard befeuert wurde. Essenziell sind hierbei die vor Ort geschaffenen Strukturen, die dazu beitragen, dass das Einwandererund Eishockeyland Kanada über eine wachsende Basketballstadt verfügt. Nicht zufällig stammt eine Vielzahl der heutigen NBA-Nordlichter aus Ontario, wobei Kanada aktuell und auch historisch das Land ist, das in der Liga am stärksten vertreten ist. „Anfangs spielten nicht allzu viele Kinder Basketball, Hockey war vorherrschend“, erinnert sich GilgeousAlexander. „Als ich älter wurde, hat Basketball aber wirklich begonnen, die Oberhand zu gewinnen. Jetzt würde ich sagen, dass aus vielen Gründen mehr Basketball als Hockey gespielt wird – abgesehen davon, dass es einfach ein besserer Sport ist. Je mehr wir spielen, desto besser werden wir. Wir sind definitiv auf dem Vormarsch.“ Gleichwohl ziehen die Talente im Jugendalter traditionell gen Süden, um ihre Basketballausbildung in den Vereinigten Staaten fortzuführen und ihre „Hoop Dreams“ zu realisieren. „Der Dank gilt all den Jungs, die dies getan haben – wie Steve Nash und Rowan Barrett (der Vater von KnicksRookie RJ Barrett, d. Red.), um nur einige zu nennen. Sie haben in der NCAADivision I gespielt und Kanada auf die Landkarte gebracht“, erklärt „SGA“, der selbst mit 16 Jahren Ontario verließ, um sich in den Fokus renommierter CollegeProgramme zu spielen. Seinerzeit zog es ihn an die Hamilton Heights Christian Academy in Chattanooga. Nach Tennessee begleitete ihn sein Cousin Nickeil Alexander-Walker, heute Rookie bei den New Orleans Pelicans, mit dem er eine enge Beziehung pflegt und sich damals das Zimmer teilte. Auch wenn „SGA“ anfangs keine attraktiven College-Offerten vorlagen, waren die Konturen des Spielers, der er werden sollte, bereits zu erkennen. Nämlich ein agiler, spielstarker und vielseitiger Guard mit Gardemaß, welcher im postmodernen Basketball wunderbar ins Bild passt. Dass ihm seine Mutter

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Charmaine Gilgeous, die 1992 bei den Olympischen Spielen für Antigua und Barbuda über die 400 Meter antrat, auch als Mensch viel mitgegeben hat, kommt positiv hinzu. „Shai ist immer am Lächeln und Scherzen“, berichtet Nate Mitchell, Assistant Coach der Charlotte Hornets, der im Sommer für „Team Canada“ mit Gilgeous-Alexander arbeitet. „Er ist einfach ein guter Junge. Er hat nichts dagegen, neue Dinge zu sehen und sie auch auszuprobieren. Seine Mutter hat ihn sehr gut erzogen, nicht nur was seine Bescheidenheit angeht.“ Mitchell konkretisiert: „Es wurde ihm nichts geschenkt. Shai sucht stets nach dem, was er tun muss. Er ist ein Selbststarter, hat einen eingebauten Antrieb und ist überaus kompetitiv. Der Junge erinnert mich an einen 1,96 Meter großen Chris Paul. Er ist ein Wettkämpfer und will alles gewinnen.“ Dabei ist es vor allem seine ausgeprägte Lernbereitschaft, gepaart mit der Liebe zum Sport und zum Detail, die „SGA“ auszeichnet. „Er schaut sich immer wieder die Spiele an und fragt die Coaches stets nach ihrer Meinung, wie er besser werden kann“, betont Mitchell. „Er ist ein Basketballjunkie.“ Olin Simplis, der als Individualtrainer mit Gilgeous-Alexander arbeitet, führt dazu aus: „Shai lernt schnell. Wenn du ihm eine Aufgabe gibst, wird er sie meistern. Und wenn es ihm nicht sofort gelingt, kommt er am nächsten Tag zurück und will das tun, was er am Vortag nicht geschafft hat.“ Simplis bekräftigt: „Er ist seinem Alter definitiv voraus, was seine Arbeitsethik, den mentalen Aspekt und die Liebe zum Detail anbetrifft. Er will wirklich großartig sein und saugt einfach alles auf. Shai hatte diese professionelle Grundhaltung schon in jungen Jahren. Auch wie er sich um seinen Körper kümmert und all die kleinen Dinge tut, bevor er den Court betritt.“ Bei all diesen Befähigungen und Qualitäten mag es nicht verwundern, dass „SGA“ in der Basketballwelt einen rasanten Aufstieg vollzog. Zunächst bot ihm Florida ein Stipendium an, das er dankend annahm, wenngleich er nach mehr strebte und Kentucky als Wunschuni anvisierte. Denn WildcatsCoach John Calipari hatte nicht zuletzt bereits kanadischen Talenten wie Jamal Murray und Trey Lyles den Weg in die NBA geebnet. Derweil lieferte GilgeousAlexander beachtlich ab und gewann unter anderem mit der U18-Auswahl Kanadas bei der Amerikameisterschaft 2016 Silber – wodurch sein Kurs weiter anstieg und er letzten Endes Florida zugunsten von Kentucky absagen konnte. Dort verblieb „SGA“, der landesweit an 43. Stelle seines Jahrgangs eingestuft wurde, nur eine

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Saison. Schließlich avancierte er als Freshman recht schnell zum Starter und überzeugte sodann als bester Spieler der Wildcats. 14,4 Punkte, 5,1 Assists, 4,4 Rebounds und 1,6 Steals steuerte der Kanadier bei guten Wurfquoten in 37 Partien bei und führte Kentucky als MVP zum Gewinn des SEC-Turniers. Nachdem sein Team im Sweet Sixteen der March Madness ausgeschieden war, gab GilgeousAlexander im April 2018 seinen Wechsel ins Profilager bekannt. Mit einer Spannweite von 2,11 Meter der längste Guard seiner Draft-Klasse, wurde er von

„Shai hat heute Abend so gespielt, als wäre er zu Hause. Ganz ehrlich, er war unglaublich. Sein Selbstvertrauen, seine Geduld, sein Tempo waren großartig.“ Kyle Lowry -----------

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den im Neuaufbau begriffenen Clippers via Trade an elfter Stelle ausgewählt sowie im Anschluss ligaweit als „größter Steal“ eingeschätzt. Für den modebegeisterten Youngster – der zur Talentziehung einen mit Floralmuster verzierten, champagnerfarbenen Anzug und die dazu passende türkisfarbene Krawatte trug – war die Draft seinerzeit das „beste Gefühl“ seines Lebens. „Es ist schwer zu beschreiben, aber es war einfach ein Wirbelsturm der Gefühle in dieser Nacht“, erklärt „SGA“. „Du bist in einer Hochstimmung, glücklich, dass du gepickt wurdest und diese Chance bekommen hast. Es fühlt sich fast so an, als wäre es eine einzige riesige Geburtstagsparty.“ In seiner Rookie-Saison ging diese für ihn in L.A. umgehend weiter.

Als 20-Jähriger startete er 73 Partien für die „Blue-Collar Clips“, die mit 48 Siegen in die Playoffs einzogen und eine einnehmende Feelgood-Story schrieben. Gilgeous-Alexander zeigte dabei an beiden Enden vielversprechende Ansätze. Als Komplementärspieler markierte er 10,8 Punkte bei einem True Shooting von 55,4 Prozent, gepaart mit 3,3 Assists, 2,8 Rebounds und 1,2 Steals. Ansehnliche Allroundwerte, die er bei seiner Feuertaufe in der Erstrundenserie gegen die Golden State Warriors mehr als bestätigte. Im Sommer 2019 folgte dann der Trade zu den Thunder, wobei die Clippers ihren Jungstar nur ungern abgaben, sich aber die Dienste von Paul George sonst nicht zu sichern vermochten. „SGA“ sah sich daher auf seiner Reise – die ihn von Ontario über Tennessee und Kentucky nach Südkalifornien geführt hatte – vor der bekannten Herausforderung, sich neu beweisen zu müssen. Indes in einem Team, das ihm direkt die Schlüssel zur Franchise in die Hand drückte und durchstarten ließ. Schließlich suchten die Thunder nach den Abgängen ihrer All-NBAAkteure einen neuen Eckpfeiler, der vor allem offensiv verlässlich Verantwortung tragen kann.

Smooth Operator

Es ist eine Chance, die der strebsame Kanadier in seinem zweiten Jahr augenfällig zu nutzen weiß. So hat er in größerer Rolle seinen Punkteschnitt mit 20,0 Zählern fast verdoppelt und seine Effizienz verbessert. Entsprechend ist Gilgeous-Alexanders True Shooting gestiegen (56,3 Prozent) und seine Ballverlustrate trotz deutlich erhöhter Nutzung klar gesunken. Da der 21-Jährige gleichermaßen an seinen Stärken und Schwächen feilt, erscheint er heuer bereits als einer der vielseitigsten Guards der Liga. Mitte Januar avancierte er etwa zum jüngsten Spieler der NBAHistorie, der in einer Partie 20 Punkte, 20 Rebounds (5,7 im Schnitt) und 10 Assists aufgelegt hat. „Ich will jeden Tag angreifen und mit jeder Erfahrung besser werden“, erklärt „SGA“ selbstbewusst. „Ich habe das Gefühl, wenn ich das tue, alles gebe und klug mit meinem Körper umgehe, dann wird sich alles, was ich erreichen will, von selbst einstellen.“ Im für viele unverhofften Playoffteam der Thunder, die als austariertes Basketballkollektiv an die 2019er Clippers erinnern, glänzt Gilgeous-Alexander derzeit zuvorderst als „Downhill Scorer“. Denn an der Seite von Maestro Chris Paul, Edelschütze Danilo Gallinari, Center-Hüne Steven Adams und Best-Sixth-Man-Anwärter Dennis


Fotos: Zach Beeker/NBAE via Getty Images

Schröder kann er sich in OKC auf diese Kernkompetenz konzentrieren. „SGA“ verfügt dabei über keinen explosiven ersten Schritt und ist kein sprunggewaltiger Athlet. Dennoch ist der geschickte Finessespieler bereits einer der versiertesten Driver der Liga, der mit dem Zug zum Korb die Hälfte seiner Punkte erzielt. Generell erarbeitet sich der Topscorer der Thunder zwei Drittel seiner Abschlüsse selbst und finisht solide am Ring (59,4 Prozent). Zugleich zieht er mehr Freiwürfe, die er gut trifft. Am Ball beeindruckt Gilgeous-Alexander mit seiner Ruhe und Abgeklärtheit. Durch gekonnte Richtungswechsel findet er wiederholt den Weg zum Korb und kann an Gegenspielern dank seiner Fußarbeit und Länge vorbeitauchen, zumal er diverse Floater und Leaner im Repertoire hat. Mit seinem tiefen Dribbling bewegt sich der Youngster in einem ganz eigenen Tempo und eleganten Rhythmus, während er ein fortgeschrittenes Verständnis für offensive Wege besitzt. Auch behält er in engen Spielen einen klaren Kopf und besticht wie Lehrmeister Paul als „Clutch-Scorer“. Nicht zuletzt Ende 2019, als „SGA“ in fünf Partien die drei ersten 30-Punkte-Spiele seiner Profikarriere markierte und gegen die Raptors in Toronto für den Gamewinner sorgte. „Shai hat heute Abend so gespielt, als wäre er zu Hause“, zollte Kyle Lowry dem jungen Kanadier Respekt. „Ganz ehrlich, er war unglaublich. Sein Selbstvertrauen, seine Geduld, sein Tempo waren großartig.“ Thunder-Coach Billy Donovan fügte an: „Shai findet seine Bereiche, in denen er punkten kann, und versteht, wann er in unserer Offense attackieren muss.“ Angeleitet von „CP3“, der in OKC den Angriff lenkt und den Mentor gibt, lässt Gilgeous-Alexander überdies regelmäßig sein Talent als Playmaker aufblitzen. So läuft er als Ballführer bei guter Effizienz (72. Perzentil ligaweit) 7,3 Pick-and-Rolls pro Partie. Wenn es darum geht, seine Mitspieler zu bedienen (3,0 Assists), kann er aber sicherlich noch vom „Point God“ lernen. Dank Pauls Präsenz findet sich „SGA“ ohnehin öfter abseits des Balles wieder – was gut funktioniert, da er unentwegt an seinem Sprungwurf arbeitet, der noch nicht höchsten Ansprüchen genügt. Schließlich hat er einen hohen, aber langsamen Release, der nicht ideal ist, um aus dem Dribbling als Schütze Gefahr auszustrahlen. Sein Wurfgefühl ist derweil kaum zu leugnen. Auch zeigt sich „SGA“ heuer mit angepasstem Wurfprofil von Downtown selbstbewusster, nachdem er als Rookie ein zaghafter Schütze war. Den Pullup-Jumper aus der Halbdistanz, der bereits im Vorjahr

verlässlich fiel, nimmt er nun viel seltener. Seine Dreierrate ist dagegen angestiegen und die Quote bei 3,5 Versuchen pro Partie mit 35,2 Prozent weiterhin respektabel, wenn auch ausbaufähig. Positiv ist hierbei, dass die Würfe aus dem Catch-and-Shoot sitzen (44,0 Prozent) und auch die signifikant vermehrten Pullup-Dreier in Ansätzen fallen (32,2 Prozent). Indes sind es nicht allein die Fortschritte im Angriff, die GilgeousAlexander zu einem der interessantesten Youngsters der NBA machen. Denn mit seinem ausgeprägten Spielverständnis und dem Arbeitswillen kann sich der lange und agile Combo-Guard (1,2 Steals und 2,3 Deflections pro Partie) auch zu einem Topverteidiger entwickeln. So deckt er bereits regelmäßig alle Außenpositionen und macht dabei mit seinen 21 Jahren durchaus eine gute

Figur, wenngleich er vor allem gegen Ballführer defensiv noch zulegen darf. Aber dafür weiß „SGA“ ja wiederum einen ausgebufften Lehrmeister wie „CP3“ an seiner Seite, der derzeit in OKC eine stabile Defensive dirigiert. Es macht Spaß, dabei zuzuschauen, wie ein junger Spieler in seinem zweiten Profijahr erfolgreich Verantwortung schultert und den erhofften Leistungssprung vollzieht. Die im vergangenen Sommer neu formierten Thunder werden nun dafür belohnt, dass sie GilgeousAlexander ihr Vertrauen geschenkt haben – mit der sehenswerten „Shai Show“, die alle Basketball-Aficionados genießen dürfen. „SGA“ selbst scheint nach all den Wanderjahren einen Ort gefunden zu haben, an dem er sich als Spieler dauerhaft voll entfalten kann. redaktion@fivemag.de

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Load

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MANAGEMENT

NBA-Champions Toronto Raptors in der Saison 2018/19 – das sind mehr als 5.000 hoch intensive Basketballminuten, die gespielt werden wollten. 2.979 von ihnen absolvierte Kawhi Leonard und damit die wenigsten unter den vier Dauerstartern der Raptors. Der Grund? Load Management. Das Unwort des NBA-Jahres. Text: Jens Leutenecker

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in Begriff ist in den vergangenen Monaten zu einem großen Streitobjekt rund um die NBA geworden: „Load Management“. Das Aussetzen von eigentlich gesunden Spielern, um etwaigen Verletzungen vorzubeugen. Warum gibt es das? Macht es Sinn? Was hat der NBA-Spielplan damit zu tun? Wieso stößt das absichtliche Pausieren auf so viel Gegenwehr in den Medien und bei den Fans? Auf der Suche nach Antworten haben wir mit Mark Cuban, dem Besitzer der Dallas Mavericks, Dr. Nils Haller, seines Zeichens Sportwissenschaftler an der Universität Mainz, und Moritz Wagner von den Washington Wizards gesprochen.

Der NBA-Spielplan

106 Spiele absolvierten die

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Management

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Von Mitte Januar bis Anfang Februar kommt auf die Dallas Mavericks ein ordentlicher Brocken zu: 16 Spiele in 27 Tagen, 14 Reisetage, insgesamt über 20.000 Flugkilometer. Der Umfang des Äquators beträgt 40.076 Kilometer. Die Mavs fliegen in 27 Tagen einmal um die halbe Welt. „Fliegen bedeutet grundsätzlich eine geringere Sauerstoffsättigung und kann sich deshalb negativ auf die Schlafdauer und Schlafqualität auswirken“, sagt Dr. Nils Haller, Spezialist an der Universität Mainz in der Regenerationsforschung. „Die Back-to-Back-Auswärtsspiele wurden in einer Studie als klare Risikofaktoren für Verletzungen ausgemacht und sind für den Körper eine extreme Belastung. Außerdem sind viele Regenerationsmaßnahmen mit so einem vollen Kalender nur bedingt umsetzbar!“ Mark Cuban hingegen investiert viel in seine Spieler. Sie sind sein Geschäft. Er hat naturgemäß ein gesteigertes Interesse daran, dass seine Mavs bestmöglich auf dem Parkett funktionieren. In einem Interview Ende November in Boston erklärt Cuban seine Sichtweise der Dinge: „Ich denke, dass es wichtig ist, diese Back-to-Back-Spiele zu minimieren, das ist der Liga in den vergangenen Jahren auch gut gelungen. Besonders wichtig ist jedoch für die Fans, dass wir nicht die Partien am zweiten Tag eines Back-to-Back im nationalen USFernsehen zeigen.“ Um diese Aussage zu verstehen, muss ein Blick auf den Übertragungskalender der US-Sender TNT, ESPN und Co. geworfen werden. Während die lokalen TV-Stationen bei jedem Heim- und Auswärtsspiel vor Ort sind, übertragen die landesweiten Sender nur die vermeintlichen Highlights der besten Basketballliga der Welt. Während NBA-Teams viermal gegen die Mannschaften aus der eigenen Division und dreimal gegen Konkurrenten derselben Conference antreten, gibt es lediglich zwei Duelle zwischen den Teams aus Ost und West. Wenn man also Giannis

gegen Kawhi sehen möchte, gibt es dafür in dieser Saison nur zwei Möglichkeiten. Fans in den Arenen und eben vor den heimischen Bildschirmen wollen diese Duelle sehen. Entsprechend enttäuscht sind sie, wenn gerade diese Begegnungen dann ohne diverse Stars stattfinden, die gesund sind. Ganz zu schweigen von den Begehrlichkeiten der Sender, die die Übertragungsrechte für viele Millionen Dollar erstanden haben.

Warum Load Management?

Jeder Sportler, der sich bereits eine Verletzung zugezogen hat – vom einfachen Bänderriss bis zum komplizierten Beinbruch –, kennt das Problem: Die Verletzung oder mögliche Folgeverletzungen können wieder aufbrechen. „Die Verletzungshistorie ist ein extrem hoher Risikofaktor“, sagt Dr. Haller. Die Karriere von Dirk Nowitzki steht hier mit insgesamt 1.522 NBASpielen für ein Positivbeispiel. Der große Blonde stand in seiner 21-jährigen NBAKarriere in mehr als 90 Prozent aller Spiele der regulären Saison auf dem Parkett und wurde von größeren Verletzungen verschont. „Load Management ist tendenziell für Sportler mit bestimmten Risikofaktoren“, führt Dr. Haller weiter aus. „Vielleicht hat die Öffentlichkeit auch nicht immer das komplette Bild. Ein Spieler könnte Schlafstörungen haben, von denen wir nichts mitbekommen.“ LeBron James ist ein NBA-Akteur, der immer sehr genau auf das eigene Load Management geachtet hat. Als er sich im Christmas Game 2018 gegen die Golden State Warriors an der Leiste verletzte, verpasste er 18 Spiele im Januar und wirkte danach nicht mehr ganz so explosiv wie vor der Verletzung, speziell am defensiven Ende. Die Kunst des modernen Basketballers ist deshalb nicht nur die schnelle Regeneration, sondern auch die „Fähigkeit“, verletzungsfrei zu bleiben. „Load Management ist nicht das grundsätzliche Problem“, sagt Mark Cuban. „Ich denke, dass Teams smarter sein müssen, wann sie den Spielern eine Pause geben. Es ist viel schlimmer, einen Akteur in einem Playoff-Spiel nicht zur Verfügung zu haben, als in der regulären Saison auf ihn verzichten zu müssen. Ich bin absolut für Load Management. Ich glaube sogar, dass es das Beste ist, was der Liga je passiert ist!“

Die Spielerperspektive

Im Podcast mit Chefredakteur André Voigt äußert sich Washingtons Moritz Wagner ausführlich zum Thema Load Management: „Es ist schwierig, wenn man sich über die Belastung beschwert, da fühlt man sich fast wie ein Betrüger! Man spielt mit Schmerzen, derzeit ist unser halbes Team verletzt, und wir benötigen die Spielzeit von allen. Es ist mit dem Adrenalin auch nicht ganz easy, direkt in den Schlaf zu finden. Nach den Spielen


< sofort zu reisen oder direkt ins Bett zu gehen, ist für mich sehr schwierig.“ Wagner beschreibt zudem eindrucksvoll das moralische Dilemma des Spielers und ergänzt, dass er noch nicht genau weiß, wie er zum Load Management steht. „Ich sehe auch die andere Seite. Wir werden für 82 Spiele bezahlt, und ich weiß nicht, ob ich den Deal mit weniger Spielen und weniger Bezahlung eingehen möchte. (…) Optimal auszuruhen und richtig zu essen, ist ein viel größerer Teil des Jobs. Da bin ich persönlich noch in der Findungsphase.“

Fotos: Mitchell Leff/Chris Elise/NBAE via Getty Images

Die dunkle Seite der Regeneration

Lance Armstrong gewann zwischen 1999 und 2005 sieben Mal in Folge die Tour de France – war aber mit allen erdenklichen Mitteln und Substanzen gedopt, sodass ihm die Erfolge inzwischen im Nachhinein aberkannt wurden. Doping ist die Schattenseite des Sports insgesamt und nicht nur der Ausdauer- oder Kraftsportarten. Spielsportler und damit auch Basketballer können von Doping profitieren. Die Mär, dass Doping im Basketball nichts bringt, ist genau das. Wer dopt, regeneriert schneller, kann mehr und intensiver trainieren und verschafft sich damit einen illegalen Vorteil. Mit Deandre Ayton, John Collins und Wilson Chandler wurden in dieser NBA-Saison bereits drei Spieler des Dopings überführt und jeweils für 25 Spiele gesperrt. Und genau hier kommen die massiven Körper der

< (Center-)Spieler aus den 90er Jahren ins Spiel. Wenngleich ein Generalverdacht absolut unseriös ist, muss die Frage erlaubt sein: Wieso sollte der relativ entspannte Umgang mit Doping in jenen Jahren ausgerechnet in der NBA keinen Missbrauch zur Folge gehabt haben? Viele TV-Experten, die in den 90er und 2000er Jahren gespielt haben, kritisieren medienwirksam die heutige Spielergeneration und verweisen darauf, dass sie kein Load Management gebraucht hätten. Dem muss entgegnet werden, dass Spieler der heutigen Generation so professionell auf den Sport vorbereitet wurden wie keine andere vorherige Generation. Ambitionierte Highschool-, College- und Sponsor-Programme (z.B. Nike, Adidas) bereiten die potenziellen Athleten von morgen exzellent auf eine sportliche Karriere vor. Die frühe Professionalisierung des weltweiten Sports schließt deshalb eine geringere körperliche Leistungsfähigkeit der heutigen Athleten fast aus.

Optimales Load Management

Kawhi Leonard stand genau 940 PlayoffMinuten für die Toronto Raptors auf dem Spielfeld – das sind 81 Prozent der kompletten Postseason des späteren Meisters! Mit Leonard auf dem Feld erzielte der NBA-Champion 2019 pro 100 Angriffe neun Punkte mehr als der Gegner, ohne ihn lagen die Raptors bei acht Punkten weniger als Milwaukee, Golden State und Co.! Sprich: Reißt Kawhi Leonard im

siebten Spiel der Zweitrundenserie gegen die Philadelphia 76ers nicht 43 Minuten ab, erzielt er keine 41 Punkte … und Toronto wird nicht Champion! „Es wäre dumm, die Wissenschaft hinter dem Load Management zu ignorieren“, sagt Mark Cuban. „Wir erhöhen die Belastung der Spieler zum Ende der Saison als Vorbereitung für die Playoffs.“ Die Spieler sollen laut dem Mavs-Besitzer in den Playoffs ihren athletischen Höhepunkt erreichen, so wie bei Dallas im Meisterschaftsjahr 2011. „Es ist wichtig, dass die Spieler über einen moderat-chronischen Workload verfügen“, sagt Dr. Haller. Es geht also darum, den Körper unter ausreichend Stress zu setzen, um ihn auf die Belastung vorzubereiten. „Ein niedrigerer chronischer Workload resultiert in einer erhöhten Verletzungswahrscheinlichkeit. Es ist schlecht, wenn man gar nichts macht.“ Das perfekte Negativbeispiel für fehlende Vorbereitung lieferten die Golden State Warriors in den NBA-Finals mit Kevin Durant. Der hatte nach fast einem Monat Pause, also einer Phase von niedriger chronischer Belastung, auf einen Schlag eine hohe akute Belastung. Als sich Durant im zweiten Viertel die Achillessehne riss, stand er schon fast zwölf Spielminuten auf dem Feld. Selbst wenn sich Durant nicht an der Achillessehne verletzt hätte, wäre es durchaus realistisch gewesen, dass er in einer anderen Situation aufgrund von Übermüdung und dadurch fehlender Koordination eine andere Verletzung erlitten hätte.

„The right thing to do!“

Jeder Basketballer bringt neben dem eigenen Spiel eine individuelle Regenerationsfähigkeit mit, manche Sportlerkörper sind eben belastbarer als andere! Die körperliche Belastbarkeit mit mentaler Härte gleichzusetzen, wie es manche TV-Experten und Fans machen, scheint jedoch bei den sportwissenschaftlichen Erkenntnissen der letzten Jahre ziemlicher Unsinn zu sein. Wieso sollte ein Spieler wie Kawhi Leonard „weniger Mann“ sein, bloß weil er mit 33 Jahren noch hochklassig Basketball spielen möchte? Und dazu braucht sein Körper eben diese Ruhepausen, um über Jahre leistungsfähig sein zu können. Als Basketballfan schmerzt es doch viel mehr, wenn eine komplette Saison auf einen hervorragenden Basketballer wie Kevin Durant verzichtet werden muss, anstatt ihn die eine oder andere Partie der regulären Saison aussetzen zu lassen. Und wenn man die Saison 2017/18 von Kawhi Leonard ausnimmt, hat er prozentual genauso viele Spiele gemacht wie seinerzeit Chefkritiker Charles Barkley, nämlich genau 81 Prozent aller Partien. Oder um es mit den Worten von Mark Cuban zu sagen: „It’s the right thing to do!“ redaktion@fivemag.de

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Sekou

Doumbouya

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Das verletzungsbedingte Saisonende für Blake Griffin ist bei den Detroit Pistons der Startschuss für Sekou Doumbouya. Der jüngste Spieler der Liga hat nicht nur einen der besten Spitznamen der Association, sondern auch den passenden Killerinstinkt und bereits ein prominentes Opfer gefunden. FIVE stellt euch den neuen Helden in der „Motor City“ vor. Text: Peter Bieg

Fotos:Jason Miller/Getty Images

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s ist ein brachialer Dunk, mit dem sich Sekou Doumbouya erstmals etwas Rampenlicht auf der großen Bühne der NBA erkämpft: Seine Detroit Pistons spielen Anfang Januar gegen die Cleveland Cavaliers, es sind noch mehr als acht Minuten im ersten Viertel zu absolvieren. Doumbouya erhält den Ball an der Dreierlinie, mit einer kurzen Körpertäuschung lässt er Kevin Loves Closeout ins Leere laufen. Dann ein hartes Dribbling, zwei lange Schritte und booooom! Doumbouya schlägt den Spalding mit dem rechten Arm über Verteidiger Tristan Thompson durch den Korb. And-One! Oder – in den

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Worten von TV-Kommentator Jalen Rose – „Bouuu Yaaa!“. Tristan Thompson bleibt unter der Korbanlage liegen, der 19-jährige Doumbouya steigt nach einem vielsagenden Blick mit seinen Stelzenbeinen über ihn hinweg. Während seine Mitspieler auf der Bank der Pistons komplett ausrasten und ihre Sitzplätze verlassen, geht Doumbouya mit versteinertem Gesicht zur Freiwurflinie. „Dr. Doom“ hat sein erstes Opfer in der besten Liga der Welt zur Strecke gebracht. „Ich schreie da nicht rum, habe versucht, mich weiter auf das Spiel zu konzentrieren“, sagt Doumbouya

nach der Partie einem Reporter in der Umkleidekabine der Pistons. Die Frage, ob das sein bisher bester Dunk in der NBA gewesen sei, bejaht der Rookie noch. Auf die anschließende Frage, ob sich Journalisten und Fans auf mehr solcher Aktionen freuen können, antwortet er bloß mit einem breiten, vielsagenden Grinsen. Nach dem Saisonende für Pistons-Star Blake Griffin, der nach einem Eingriff am Knie nicht mehr zum Einsatz kommen wird, ist der Weg in der „Motor City“ frei für den blutjungen Sekou Doumbouya. Erst im Dezember feierte der in Guinea geborene Franzose


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Sekou

seinen 19. Geburtstag. Mit dem 15. Pick haben die Pistons den Forward in der NBA-Draft 2019 zum jüngsten Spieler der NBA gemacht. Seit Mitte Januar darf „Dr. Doom“ dieses Vertrauen mit jeder Menge Spielzeit rechtfertigen. Und in seinen ersten Einsätzen von Beginn an brachte der 2,05 Meter große Doumbouya weit mehr als bloß Highlights: Zehn Punkte und elf Rebounds waren es in seinem ersten Spiel als Starter gegen die L.A. Clippers im Januar, 16 Punkte, zehn Rebounds sowie je zwei Assists und Steals im darauffolgenden Spiel gegen Golden State. 12,9 Punkte und 5,1 Rebounds pro Partie liefert „Dr. Doom“ in seinen bisherigen Einsätzen als Teil der Starting Five bei den Detroit Pistons. Doumbouya trifft in diesen Spielen starke 39,4 Prozent seiner Distanzwürfe, solide 68,2 Prozent seiner Freiwürfe und insgesamt 50,6 Prozent aus dem Feld.

Die Geburt von Dr. Doom

Auch den Kreis der hoffnungsvollsten europäischen Nachwuchstalente betritt Doumbouya einst mit einem brachialen Dunking: Gegen Serbien spielt er bei der U18-Europameisterschaft im Jahr 2016 auf dem rechten Flügel eine Isolation. Täuschung nach links, zwei harte Dribblings mit der rechten Hand, lange, platzierte Schritte und dann der donnernde Abschluss gegen zwei völlig hilflose Serben. 31 Punkte erzielt Sekou Doumbouya in diesem Spiel der Zwischenrunde, trifft zehn seiner elf Versuche aus dem Feld. Doumbouya dominiert auch gegen Slowenien (22 Punkte, sechs Rebounds), im Viertelfinale gegen Bosnien-Herzegowina (19 Punkte, elf Rebounds, zwei Blocks) sowie im Finale gegen Litauen (15 Punkte, neun Rebounds). Frankreich wird unangefochten U18-Europameister, viele Experten sprechen von einer neuen „goldenen Generation“ der Franzosen. Doumbouyas Teamkollege Frank Ntilikina, heute Point Guard der New York Knicks, wird zum Most Valuable Player des Turniers gewählt. Auch Doumbouya schafft es mit starken Werten (17,8 Punkte, 7,0 Rebounds, 1,3 Steals, 1,2 Blocks, 50,0 Prozent Feldquote) und Highlight-Plays unter die besten fünf Spieler der Veranstaltung. Der entscheidende Unterschied zwischen Ntilikina und Doumbouya? Ntilikina ist zweieinhalb Jahre älter! Denn Sekou Doumbouya dominiert die U18-EM im Alter von 15 Jahren … Dass er damit Herzrasen und feuchte Träume bei den zahlreich anwesenden NBA-Scouts auslöst, bedarf kaum einer weiteren Erwähnung. Zu Beginn des Turniers ist der heutige „Dr. Doom“ nicht mehr als ein Mysterium, allenfalls einer Handvoll Insidern ein Begriff. Nach Turnierende spricht – dem

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Doumbouya

YouTube-Kanal der FIBA sei Dank – halb Basketball-Europa über den Teenager mit den langen Gliedmaßen und dem oft völlig ausdruckslosen Babyface. Doumbouya dominiert mit seiner Länge, seiner Athletik und Koordination, aber auch mit guten Entscheidungen im Pick-and-Roll, beeindruckender Abgeklärtheit im Eins-gegen-eins, starkem Timing bei zahlreichen Blocks und Ballgewinnen sowie einem mechanisch weitgehend einwandfreien Sprungwurf. Er zeigt einen Hookshot, den Eurostep, ein Spiel aus der Mitteldistanz … und all das sieht für einen 15-Jährigen fast erschreckend einfach aus. Der Begriff „Naturtalent“, er ist für Spieler wie Sekou Omar Doumbouya reserviert. Denn erst im

„Er hatte schon immer diesen Antrieb, besser zu werden und zu dominieren. Gegen Gleichaltrige zu spielen, ist zu einfach für ihn.“ Ruddy Nelhomme -----------

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Alter von zwölf Jahren beginnt er überhaupt mit Basketball. „Gerade im Moment ist das pures Vergnügen“, sagt der französische Flügelspieler bei der Junioren-Europameisterschaft, übersetzt von einem Assistenztrainer. „Ich möchte es so weit wie möglich bringen, aber gerade ist das purer Spaß.“ Doch es geht dem Teenager um mehr als Spaß. Angesprochen auf sein Spiel sagt er: „Ich möchte wie LeBron James sein. Ich möchte ein elitärer NBA-Spieler sein.“ Nur die Bürokratie verhindert, dass der Hype um Sekou Doumbouya bereits einige Zeit früher beginnt: Erst im November des Jahres 2016 erhält er die französische Staatsbürgerschaft. Denn geboren wird der neue Fixstern am französischen Basketballhimmel im afrikanischen Guinea. In der ehemaligen Kolonie in Westafrika erblickt Doumbouya am

23. Dezember 2000 das Licht der Welt. Geboren wird er in der Hauptstadt Conakry. Monatelang versucht der französische Verband vor der U18-EM 2016, seinen neuen Hoffnungsträger einzubürgern, denn bereits als Kleinkind kommt Doumbouya mit seiner Familie nach Frankreich und wächst dort auf. Doch das Hin und Her mit den Behörden in Guinea zieht sich – und so verpasst Doumbouya die U17-Weltmeisterschaft sowie die U16-Europameisterschaft, beides im Sommer 2016. Nur weil die U18-EM vom Sommer in den Winter verlegt wird, kann Doumbouya überhaupt noch sein internationales Debüt geben. Seinen französischen Pass erhält er erst wenige Tage vor seinem sechzehnten Geburtstag – Bedingung dafür, dass der Flügelspieler nach den Statuten der FIBA als „echter“ Franzose zählt und nicht bloß den Status eines sogenannten „naturalisierten“ Spielers erhält. Wer weiß, wie der weitere Weg von „Dr. Doom“ ohne diesen Auftritt vor drei Jahren verlaufen wäre. Politische Unruhen in der Türkei – der Grund für die verschobene EM – begünstigen einen vorentscheidenden Bekanntheitsschub des jungen Sekou Doumbouya.

Dr. Dooms Anfänge

Während seiner Kindheit in Fleury-lesAubrais, einem Städtchen mit 20.000 Einwohnern zwei Stunden südlich von Paris, spielt Basketball zunächst keine Rolle für Sekou Doumbouya. Er lebt mit seiner Mutter, drei jüngeren Geschwistern und einem Cousin in einer kleinen Wohnung, in seiner Freizeit spielt er Fußball. Seinen Vater muss Sekou Doumbouya in Guinea zurücklassen. Da dieser im Militär dient, erhält er kein Visum für die Einreise nach Frankreich. Doumbouya spielt einige Jahre als Stürmer, ist schnell, torgefährlich und … bald zu groß. „Ich habe viele Tore geschossen“, erinnert sich der heutige Detroit Piston in einem Interview mit der FIBA. Doch bereits mit 13 Jahren misst der Torjäger 2,02 Meter und ist damit nicht nur mehrere Köpfe größer als so mancher Altersgenosse, sondern auch körperlich dem Fußballplatz entwachsen. Ein Freund nimmt ihn mit auf den Freiplatz, zeigt ihm Basketball – eine Sportart, von der Doumbouya bis dahin rein gar nichts weiß. Es dauert nicht lange, bis ihn ein lokaler Trainer aufgrund seiner Körpergröße entdeckt. Und es dauert auch nicht lange, bis der Junge aus Fleury-les-Aubrais seine Karriere am INSEP fortsetzt, der renommierten französischen Kaderschmiede in Paris. 14 Jahre ist Doumbouya damals alt und bereits kein Geheimtipp mehr. Als 15-Jähriger unterschreibt er seinen ersten Profivertrag beim Zweitligisten Poitiers Basket 86.


Fotos:Jason Miller/Getty Images

6,8 Punkte und 3,3 Rebounds stehen nach seiner ersten Profi-Saison, der Spielzeit 2016/17, für Doumbouya in Poitiers zu Buche. „Er hatte schon immer diesen Antrieb, besser zu werden und zu dominieren“, sagt Ruddy Nelhomme, der Headcoach von Poitiers Basket 86. „Gegen Gleichaltrige zu spielen, ist zu einfach für ihn.“ Sein Schützling ist gerade 16 Jahre alt geworden und spielt im Schnitt fast 17 Minuten pro Partie gegen volljährige Konkurrenz. Diese Werte kann er in seinem zweiten Jahr in Poitiers allesamt steigern (auf 8,5 Punkte und 4,1 Rebounds in 23,2 Minuten) und unterschreibt eine Vertragsverlängerung über drei weitere Spielzeiten. Spätestens danach soll ihm dann der Sprung in die NBA gelingen. Parallel zum Profisport bastelt Doumbouya in einer Privatschule an seinem Abschluss und arbeitet mit einem Sportpsychologen an den mentalen Aspekten des Spiels. „Sekou ist ein geborener Anführer“, sagt seine Mutter M’Mah Marie Doumbouya in einem Gespräch mit „SLAM“ im Sommer 2018. „Er wusste, dass er ein Vorbild sein muss“, berichtet sie über die Kindheit ihres Sohnes ohne Vater in Frankreich. „Er wollte immer wissen, wie es bei seinen Geschwistern aussieht, um ihnen Ratschläge geben zu können.“ Doumbouya ist halb so alt wie einige seiner Mitspieler in Poitiers, was ihn nicht daran hindert, sich mit ihnen

auszutauschen und oftmals als Erster in der Trainingshalle zu sein. Die Coaches und Teamkollegen lernen einen fokussierten und sehr arbeitswilligen Teenager kennen. Folgerichtig wird Doumbouya am Ende seiner zweiten Saison in Poitiers (2017/18) zum besten Jungspieler der zweiten französischen Liga ernannt. Der nächste Schritt ist fällig … … und führt Sekou Doumbouya zu Limoges CSP, einem Klub in der ersten französischen Liga, der auch im Eurocup antritt. In Limoges verbringt das Supertalent seine letzte Spielzeit vor dem Wechsel in die Association im vergangenen Sommer. Sein Debüt für Limoges gibt er am 22. September 2018 in einem Ligaspiel gegen die Antibes Sharks. Zwei Punkte und vier Rebounds, so die magere Bilanz nach elf Minuten Einsatzzeit. Aber Doumbouya wäre nicht Doumbouya, wenn er sich nicht rasch steigern würde: Nur ein paar Wochen später reicht es gegen Alba Berlin im Eurocup bereits für elf Zähler, und schon im Dezember liefert der Forward regelmäßig und wettbewerbsübergreifend zweistellige Punktzahlen. Nach einer zwischenzeitlichen Daumenverletzung, die eine OP und eine Zwangspause erfordert, ist Doumbouya zum Ende der Saison 2018/19 voll da: 34 Punkte, fünf getroffene Distanzwürfe und neun Rebounds bringt er im Saisonfinale gegen die Levallois Metropolitans. Seine

Durchschnittswerte in der französischen Pro A? 7,7 Punkte und 3,2 Rebounds pro Spiel. Im Eurocup sind es 6,9 Punkte und 2,8 Rebounds pro Begegnung. Die NBA-Scouts haben zu diesem Zeitpunkt längst genug gesehen: nämlich einen 2,05 Meter langen Athleten mit 2,11 Meter Armspannweite, der sich leichtfüßig über das Parkett bewegt, mit Eleganz und Kraft spielen kann und in der Lage ist, vier Positionen zu verteidigen. Sekou Doumbouya hat einen technisch sauberen Wurf und einen drahtigen Körper, auf den sich weitere Muskeln packen lassen werden. Pascal Siakam und Draymond Green sind Vergleiche, die immer wieder gezogen werden, wenn es um die goldene Zukunft von „Dr. Doom“ geht. In Detroit hat er jetzt genügend Zeit, sich in Ruhe und mit weiteren Riesenschritten weiterzuentwickeln. Auch an Selbstbewusstsein fehlt es nicht. „Ich habe das Talent“, antwortet Doumbouya gegenüber „SLAM“ auf die Frage, ob er eines Tages der beste französische Basketballspieler sein könne. „Ich muss nur weiter daran arbeiten, das ist alles. Es hängt alles nur von mir ab.“ Gut möglich, dass dem Erweckungserlebnis durch den Dunk gegen Tristan Thompson schon bald weitere Highlights folgen werden. Die Zeit von „Dr. Doom“ in Detroit hat gerade erst begonnen. redaktion@fivemag.de

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BEN SIMMONS ***** PROJEKT SUPERSTAR ***** Ben Simmons wird medial seziert wie kaum ein anderer NBASpieler. Teilweise trägt er selbst die Verantwortung dafür, doch die Umstände werden zu oft ignoriert. Wie weit ist der Australier in seiner dritten Saison wirklich – und was können die Philadelphia 76ers für ihn tun? Text: Ole Frerks

Fotos: Mitchell Leff/Getty Images

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ach nahezu jedem oberflächlichen Standard ist das Experiment „Ben Simmons, NBA-Spieler“ bisher ein voller Erfolg. In seiner dritten Saison kratzt der Australier (wieder) an einem Triple-Double-Schnitt, nach dem Ende dieser Spielzeit wird sein frisch unterschriebener neuer Fünfjahresvertrag über knapp 170 Millionen Dollar beginnen. Wie schon in seinen ersten beiden Jahren sind die Sixers auf Kurs, mehr als 60 Prozent ihrer Spiele zu gewinnen, und sie gelten als eines der Teams, die den Osten in den Finals vertreten könnten. Das macht sie folglich zum Favoriten, auch wenn sie bisher bei Weitem nicht so konstant auftreten wie etwa die Milwaukee Bucks.

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Dennoch: Es läuft eigentlich ziemlich gut für Simmons – auf den ersten Blick. Denn der Diskurs in den sozialen Medien, in Liga-Kreisen oder teils sogar in Philadelphia selbst zeichnet bisweilen ein anderes Bild: das einer Enttäuschung, eines Spielers, der seine Rolle in der Liga und bei seinem eigenen Team noch immer nicht wirklich gefunden hat. Und es gibt nicht viele NBAProfis, die medial mit einem solchen Genuss und einer oftmals blanken Antipathie auseinandergenommen werden. Woran liegt das? Simmons zieht spätestens seit seiner Liaison mit Kendall Jenner eine „andere“ Art von Aufmerksamkeit auf sich, dazu bietet sein Auftreten abseits des Courts gelegentlich

eine gewisse Angriffsfläche – wenn er beispielsweise Fragen nach seinem fehlenden Dreier mit „Ich bin trotzdem ein All Star“ beantwortet. Vor allem leidet Simmons jedoch am folgenden Phänomen: Er ist in vielem gut, aber er ist gleichzeitig noch ein unfertiges Projekt mit einigen Schwächen. Das ist bei vielen 23-Jährigen der Fall, doch Simmons’ Schwächen sind offensichtlicher als die von fast allen anderen Spielern. Insbesondere der fehlende Wurf ist leichter zu erkennen als beispielsweise Mängel in der Pick-and-Roll-Defense von Karl-Anthony Towns – und so wird er automatisch auch zum weitaus größeren Thema, zumal Philadelphia ein riesiger Markt ist und die Sixers tatsächlich gut sind. Das weckt Erwartungen und kann gleichzeitig auch zu Frustrationen führen. Doch fair ist es oft nicht, wie Simmons auf seine Probleme reduziert wird.

Passt das?

Auf einige davon hat Simmons kaum


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Ben

selbst Einfluss. Wie etwa die Tatsache, dass er zwar der erste Pick seiner Draft, aber bei seinem Team noch nie der primär identitätsstiftende Spieler war. Diesen Status trägt in Philly richtigerweise Joel Embiid, der als einer der ganz wenigen Center noch eine echte Lowpost-Waffe ist und fast im Alleingang dafür sorgt, dass die Sixers die meisten Post-Plays der NBA ansagen. Embiid ist der MVP der Sixers – alle anderen müssen versuchen, bestmöglich neben ihm zu existieren. Simmons ist nicht der Einzige, der sich damit manchmal schwertut, zumal das Front Office der Sixers oft den besten Spieler zieht, ohne zu schauen, ob der auch in den bestehenden Kader passt. Aber Simmons fällt dabei halt am meisten auf. Phillys Kader und Spielstil sind nicht dafür prädestiniert, um seine Stärken zu maximieren. Man fühlt sich fast ein wenig an die Big-Three-Ära-Celtics erinnert, bei denen der junge Rajon Rondo seine Fastbreaks oft allein laufen musste – auch die Sixers sind eigentlich nicht für Tempo-Basketball ausgelegt. Simmons allerdings schon: Mit seiner Schnelligkeit, Athletik und Physis ist er in Transition kaum zu stoppen und rechtfertigt in diesem Teilaspekt seines Spiels tatsächlich den alten LeBron-James-Vergleich. Bei einem 100-Meter-Lauf zwischen allen NBA-Spielern hätte er gute Karten, dazu wiegt er deutlich über 100 kg, ist wendig und kann auch noch beidhändig finishen. Oft initiiert er Fastbreak-Möglichkeiten durch eigene Steals und enteilt dann, um entweder selbst zu finishen oder noch einen Schützen draußen zu bedienen, wenn denn mal jemand mitkommt. Nicht aus Zufall erzielen die Sixers fast 90 Prozent ihrer Fastbreak-Punkte in den Minuten, die Simmons auf dem Court steht. Als Scorer oder Vorbereiter verantwortet derzeit kein Spieler mehr Transition-Punkte pro Spiel als Simmons. Philly nimmt diese Punkte natürlich gerne mit, sie sind jedoch nicht die Butter auf dem Brot – deswegen gehören die Sixers üblicherweise zu den Teams im unteren Drittel, was die Pace angeht. Das ist dank Embiid, aber auch Spielern wie Tobias Harris oder Al Horford verständlich, es entblößt nur eben auch die andere Parallele zu Rondo, die man mit Simmons in Verbindung bringen kann. Der fehlende Wurf erschwert es ihm enorm, im Setplay effektiv zu sein. Um es mit Jared Dudley zu sagen: „Im Halbfeld ist er Durchschnitt.“ Es war keine Lüge, die der damals in Diensten der Brooklyn Nets agierende Dudley im vergangenen April damit tätigte. Es dürfte eigentlich auch keine Beleidigung gewesen sein, auch wenn es teilweise so aufgefasst wurde. Tatsächlich war es eher eine ziemlich korrekte Feststellung. Als gegnerisches Team fürchtet man Simmons im Schnellangriff und seine Court Vision. Aber wenn die Sixers den Ball langsam nach vorne bringen, fürchtet

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Simmons

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Fotos: Chris Schwegler/NBAE via Getty Images

man jeden seiner Mitspieler mehr. Häufig ist Simmons dann gar nicht mehr wirklich involviert. Nachdem er den Ball nach vorne gebracht und abgegeben hat, verdingt er sich entweder im Dunker-Spot oder in den Ecken an der Dreierlinie, wo man ihn nicht verteidigen muss. Simmons holt viele Offensivrebounds, trotzdem ist seine Präsenz vorne oft neutral – oder sogar negativ, weil er gerade im DunkerSpot Stellen besetzt, die eigentlich Embiid gehören sollten. Um eine Waffe wie Embiid sollte man per se so viel Spacing wie möglich schaffen, damit sich dieser austoben kann. Simmons hat offensiv jedoch negative Gravity und prädestiniert seinen direkten Gegenspieler dazu, bei Embiid oder anderswo auszuhelfen. Mittlerweile immerhin zwei getroffene NBA-Dreier ändern insgesamt wenig daran, dass Simmons’ Shotchart fast exakt genauso aussieht wie in seinen ersten beiden Jahren: mit überdurchschnittlicher Effizienz in direkter Korbnähe und fast überhaupt keinen kleinen Punkten, die Abschlüsse außerhalb der Zone repräsentieren. Selbst aus der Floater-Range schließt Simmons verhältnismäßig ungern ab und ist dazu ein wenig kontaktscheu: Die Freiwurfzahlen sind in der laufenden Saison sogar rückläufig, was bei seiner Physis und Abhängigkeit von Abschlüssen am Ring eigentlich nicht sein darf. Im Training und ganz gelegentlich auch mal in Spielen ist zu erkennen, dass Simmons durchaus an seinem Wurf arbeitet. Doch solange er sich nicht wohl genug damit fühlt, um wirklich regelmäßig Würfe zu nehmen, ist die Sixers-Offense limitiert in dem, was sie erreichen kann – was sowohl Embiid als auch Headcoach Brett Brown bereits offen eingestanden haben. Brown versuchte Anfang Dezember sogar, Simmons öffentlich dazu herauszufordern, mindestens einen Dreier pro Spiel abzufeuern, stieß damit jedoch auf taube Ohren – im Anschluss nahm der Angesprochene prompt mehr als einen Monat lang keinen einzigen Dreier mehr. Mit derart „billigen“ Motivations-Tricks ist Simmons also offensichtlich nicht von seiner Wurfverweigerung abzubringen. Es gäbe jedoch noch weitere Möglichkeiten, Simmons offensiv mehr zu involvieren, die Brown bisher nicht oder kaum genutzt hat. Zumindest als OffBall-Screener für die Shooter wie Harris oder Josh Richardson tritt er oft auf, aber gerade in den Minuten ohne Embiid könnte man ihn auch häufiger zum abrollenden Spieler im Pick-and-Roll machen – um ihm auch im Halbfeld die Chance zu geben, mit Dampf zum Korb zu kommen. Simmons’ Athletik und Court Vision ermöglichen es ihm theoretisch, einer der besten Roll-Men der Liga zu sein. Zudem kann man Horford als Pick-and-Pop-Option für ihn screenen lassen – auch dies funktioniert am besten dann, wenn Embiid nicht auf dem Court ist und das Areal rund um die Zone einnimmt,

das Simmons’ einzigen Scoring-Bereich darstellt. Generell dürfte es der Offensive der Sixers deutlich guttun, Simmons zu einem aggressiveren Scorer zu machen, selbst wenn das nicht komplett seinem Naturell entspricht. Simmons muss keine 30 Punkte pro Spiel erzielen, aber er muss eine Bedrohung darstellen, sonst schadet er der Offensive. In engen Spielen muss deshalb nun bereits regelmäßig Richardson das Playmaking im letzten Viertel übernehmen, wie Jimmy Butler in der vorigen Saison – was andeutet, dass auch die Sixers in Simmons keinen klassischen Halfcourt-Playmaker sehen. Vor diesem Hintergrund erscheint es kurios, dass Philly auch 2019 nicht versuchte, einen solchen zu verpflichten (Richardson ist gut, aber nicht die Antwort auf diese Frage). Kein Team bastelte in den vergangenen Jahren aktiver an seinem Kader herum als die Sixers, seitdem Elton Brand das Zepter im Front Office übernommen hat. Teilweise wirken ihre Moves aber mehr reaktionär als wirklich einem größeren Plan unterliegend. Es erscheint eigentlich logisch, dass man einen Kern mit Embiid und Simmons in der heutigen NBA primär mit guten bis sehr guten Shootern umgeben sollte, geschehen ist das jedoch nicht wirklich. Auch positionell: Die Starting Five aus Simmons, Richardson, Harris, Horford und Embiid sieht oft aus wie ein Lineup aus einem Wing, drei Power Forwards und einem Center. Und so kommt dann auch ihre Offense daher, die mit diesem FünferLineup in der aktuellen Saison bisher klar unterdurchschnittlich agiert. Vor diesem Hintergrund ist es noch immer schwer einzuschätzen, ob und wie gut Simmons und Embiid denn nun eigentlich zusammenpassen. Dass ihre Partnerschaft bisher nicht maximiert wird, ist offensichtlich – gleichzeitig wirken viele Probleme lösbar, wenn man den Kader um sie herum ein wenig runder machen und die Spielweise etwas mehr anpassen würde, um Simmons’ Stärken besser mit denen von Embiid zu kombinieren. Wie etwa die angesprochene Einsetzung als Roll-Man: Wenn man bedenkt, wie oft etwa P.J. Tucker in Houston nach dem Short-Roll Clint Capela per Lob einsetzt … könnte man Embiid in einem solchen Szenario beispielsweise häufiger im Dunker-Spot positionieren? Es ist möglich, dass Simmons’ Fähigkeiten erst in einem „eigenen“ Team so richtig entfaltet werden können, aber es wäre aus Phillys Sicht viel zu früh, jetzt schon einen solchen Weg einzuschlagen. Zumal er sich an einem Ende des Courts bereits zu einem elitären Spieler entwickelt hat – auch wenn es nicht das Ende ist, das vor seiner Draft im Jahr 2016 erwartet wurde. Es ist die Defensive, in der Simmons abgesehen vom Fastbreak bisher am meisten glänzt.

Brett Brown wollte ihn kürzlich bereits vorzeitig zum „Defensive Player of the Year“ küren, was etwas übertrieben erscheint, zumal Philadelphias Defensive bisher gemessen am Personal sogar eher hinter den Erwartungen zurückbleibt. Simmons hat zudem noch ein paar Schwächen abseits des Balles, weshalb auch seine Minuten als Backup-Center nicht so rosig laufen, wie einige Experten sich das gerne vorstellen. Am Ball gibt es in der NBA aber kaum einen besseren und vor allem vielseitigeren Verteidiger. Simmons’ Mix aus Kraft, Athletik, Länge und Schnelligkeit erinnert an LeBron und Giannis, ansonsten gibt es in der NBA nicht wirklich Parallelen. Deshalb kann man ihn tatsächlich auf nahezu jeden Spieler ansetzen und alles switchen lassen. Seine Hände und Vigilanz sind elitär, weshalb er die Liga auch bei den Steals anführt. Man kann ihn eine individuelle Ganzfeldpresse spielen lassen, man kann ihn auch als Ringbeschützer von der Weakside als eine Art Free Safety einsetzen. In letzterem kann er noch besser werden, dennoch ist sein Gesamtpaket defensiv schon jetzt das eines All-Defense-Kandidaten. Zumal er – und das ist sein größtes Plus gegenüber Embiid – nahezu in jedem Spiel zur Verfügung steht und man seinen Einsatz nie in Frage stellen muss. Auch deshalb bleibt Simmons einer der spannendsten jungen Spieler in der heutigen NBA. Nach jetzigem Stand bekommt man von ihm ein Drei-GängeMenü, bei dem Vor- und Nachspeise exquisit sind, beim Hauptgang jedoch das Salz vergessen wurde. Er hat eine große Schwäche, die er ausmerzen muss (und er wäre beileibe nicht der Erste), und andere leicht problematische Tendenzen, die man aber durch günstigere Begleitumstände durchaus loswerden könnte. Es ist bei beiden Aspekten ungewiss, ob es für Simmons und die Sixers passieren wird, und genau das macht es so spannend. Ben Simmons hat das Potenzial, ein Top-Ten-Spieler in der NBA zu sein. Den Luxus, sich in Ruhe zu entwickeln und geduldig an seinem Spiel zu arbeiten, hat er jedoch nicht. Die Sixers wollen einen Titel holen. Trotz aller Makel waren sie schon 2019 das einzige Team, das den Champions aus Toronto ein siebtes Spiel aufzwang, und lediglich ein paar Bounces von den Conference-Finals entfernt. Deswegen ist alles danach „Boom or Bust“, ob man dafür bereit ist oder nicht. Simmons steht im Auge des Sturms der Hysterie, die sein Team nun bereits seit der Process-Ära umgibt. Er ist am Ende wohl derjenige, der bei einem möglichen Run auf den Titel der X-Faktor sein muss. Mit der Hilfe von Brown, Brand und Embiid, gewiss … gewiss ist allerdings auch, wer der Sündenbock sein wird, wenn es am Ende doch wieder nicht klappt. redaktion@fivemag.de

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STRETCH-SIX Von „Wirf nicht, Marcus!“-Rufen zu „MVP“-Sprechchören: Marcus Smart hat in seinen nunmehr sechs Jahren bei den Boston Celtics eine 180-GradWendung vollzogen – und definiert sich durch seine vielseitige Verteidigung mittlerweile als „Stretch-Six“. Dabei hätte der Guard aufgrund eines Wutausbruchs beinahe seine Karriere frühzeitig beenden müssen.

Fotos:Emilee Chinn/Brian Babineau/NBAE via Getty Images

Text: Manuel Baraniak

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as zur Hölle macht er da?“ Aron Baynes kann – so erzählt er es nach dem Spiel – nicht so recht glauben, was er von seinem ehemaligen Teamkollegen Marcus Smart gerade gesehen hat. Baynes gastiert am 19. Februar 2020 mit den Phoenix Suns bei den Boston Celtics, um erstmals nach seinem Wechsel im Sommer 2019 wieder im TD Garden aufzulaufen. Was Baynes dabei so sprachlos macht? Vielleicht schon die Anfangssekunden. Nachdem die Celtics den Tip-Off gewonnen haben, leitet Smart den ersten Angriff ein, dribbelt bis zur Dreierlinie, sieht, dass sein Verteidiger Ricky Rubio nahe an der Zone steht, und

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nimmt nach sieben Sekunden den Dreier – mit Erfolg. Vermutlich wird sich Baynes im Lauf des ersten Viertels noch mehr die Augen gerieben haben: Denn Smart feuert ganze sieben Mal von Downtown. Und ganz sicherlich wird Baynes mit Blick auf den Boxscore nach der Partie vom Glauben abgefallen sein … denn letztlich versucht sich Smart 22 Mal aus dem Drei-PunkteBereich, wovon er elf Versuche verwandelt. Damit stellt Smart zwei neue FranchiseRekorde auf! Wir sprechen hier weder vom designierten Edelschützen noch vom Franchise-Spieler der Celtics. Vor dem Start in die Saison 2019/20 hatte Smart in seinen fünf NBA-Jahren nie mehr als

10,6 Punkte pro Spiel erzielt. In seine sechste NBA-Spielzeit war der Guard mit einer Karrieredreierquote von 3,1 Prozent gegangen. Und doch fügt Baynes lachend an: „Vielleicht sollte Kemba Walker noch ein paar Spiele mehr aussetzen.“ Neben All Star Walker fehlt Boston gegen Phoenix auch Jaylen Brown verletzungsbedingt – womit CelticsCoach Brad Stevens auf zwei seiner drei 20-Punkte-Scorer verzichten muss. Dann übernimmt eben der Edelverteidiger. „Marcus ist einfach ein harter Typ: Die Suns sind häufig unter die Blöcke gegangen, und er hat mit Überzeugung geworfen. Er hat einfach einen Vorteil daraus gezogen“, weiß Stevens, dass es seinem Schützling nicht an Selbstvertrauen mangelt.


Mit letztlich 37 Punkten stellt Smart einen neuen Karrierebestwert auf. Der Wermutstropfen: Die Celtics ziehen mit 119:123 den Kürzeren, womit sie zum zweiten Mal im Januar 2020 drei Partien hintereinander verlieren. Selbst Smarts vier verwandelte Dreier im Schlussviertel können das Comeback nicht herbeiführen. „Gerade bedeutet das überhaupt nichts für mich. Ich würde all das für einen Sieg eintauschen – vor allem hinsichtlich der Art und Weise, wie wir gerade spielen“, äußert sich Smart zu seinem neuen Career-High, welchem er jedoch auch Positives abgewinnt. „Es zeigt aber auch, dass

sich all die harte Arbeit auszahlt, die ich investiert habe.“ Um ganze elf Zähler steigert Smart seine Bestmarke. „Das ist schon ein ganz anderes Gefühl: Es ist so, als wärst du ganz alleine da draußen. Und sobald du ,in the zone‘ bist, ist es schwer, da wieder rauszukommen – und so spielst du einfach weiter“, beschreibt er.

Ein Mann aus Glas

Im Januar 2018 wird Smart nicht daran gedacht haben, so schnell (wieder) „in the zone“ zu kommen. Sein härtester Gegner ist damals kein Kontrahent auf dem Parkett, sondern ein gerahmtes Bild in einem Hotelzimmer in Los Angeles.

Die Celtics befinden sich zu jener Zeit auf einem Trip an die Westküste, auf ein Auswärtsspiel gegen die Lakers folgt am nächsten Tag ein Duell mit den Clippers. Zwischen jenen beiden Partien rastet Smart in seinem Hotelzimmer aus – und zertrümmert mit der Hand die Glasscheibe eines Wandbildes. Was ihn zu diesem Wutausbruch veranlasst, ist bis heute nicht geklärt. Zwar ist keine Operation notwendig, womit Smart letztlich nur elf Partien verpasst, aber die Aktion hätte ihn beinahe die Karriere gekostet. So schildert er es zumindest im Podcast bei Zach Lowe.

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Marcus

„Die Ärzte sagten mir damals: Zwei Zentimeter weiter – und ich hätte womöglich für den Rest meines Lebens nicht mehr Basketball spielen können“, erklärt Smart, dass die Glassplitter beinahe seine Bänder in der Hand durchtrennt hätten. „Teile der Glasscheibe befinden sich sogar noch heute in meiner Hand. Es wäre gefährlicher gewesen, diese Teile zu entfernen, als sie einfach in meiner Hand zu lassen.“ Als Erinnerung hat Smart die entfernten Glassplitter aufgehoben. Es ist nicht das erste Mal, dass dem Hitzkopf etwas die Sicherungen durchbrennen – den obligatorischen Trashtalk auf dem Parkett außen vor gelassen. Ein Jahr vor dem Vorfall in Los Angeles schlägt Smart in der Gästekabine der Washington Wizards ein Loch in die Wand. Nach einer verbalen Auseinandersetzung mit einem der Assistenztrainer Bostons um eine Einwechslung bei einem zweistelligen Rückstand ist er vorzeitig zum Duschen geschickt worden. „Ich bin ein emotionaler Spieler. Ich habe mich von meinen Gefühlen überwältigen lassen – aber meine Mitspieler und der Trainerstab wissen, was für eine Art Mensch ich bin und was ich damit ausdrücken wollte“, erklärt er damals. Natürlich wandelt Smart dabei oft auf einem schmalen Grat. Doch gerade sein Einsatz (in der Verteidigung) zeigt, dass ein Einzelner auf eine solche Art und Weise auch die Kultur einer Franchise prägen kann. Nach den zwei Jahren mit Kyrie Irving – in dieser Zeit sind die Celtics ein

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„Man sieht Big Men nicht das Feld entlangsprinten oder darauf hechten, wie ich als Guard es tue. Man sieht Big Men nicht Einser verteidigen, wie ich Fünfer verteidige. Man sieht Big Men nicht all die kleinen Dinge tun, die ich mache.“ -----------

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„funktionsgestörtes Team“, wie Smart später bestätigt – wird man sich in der Celtics-Community glücklich über einen solchen Akteur schätzen. „Everybody’s Darling“ war und ist Smart sicherlich nicht – der Guard hat jedoch eine Entwicklung durchgemacht, seit die Celtics ihn in der Draft 2014 an immerhin sechster Position gezogen haben (der 25-Jährige stellt damit den dienstältesten Akteur Bostons). Bei seinen statistischen Werten pro 36 Minuten steigert sich Smart in den ersten Jahren kaum so, wie man es bei einer Vielzahl von jüngeren Spielern beobachten kann. Als im Sommer 2018 schließlich eine vorzeitige Vertragsverlängerung ansteht, gibt es nicht wenige Stimmen, die Smarts neues Arbeitspapier über 52 Millionen Dollar kritisch sehen – schließlich manövriert es die Celtics über die Luxussteuergrenze. Zudem scheint es damals kaum ernst gemeinte, höher dotierte Angebote von anderen Teams für Smart zu geben. Warum den werdenden Restricted Free Agent also nicht einfach die Qualifying Offer unterschreiben lassen? Während seiner Zeit in Boston ist Smart einer jener Spieler gewesen, die immer wieder genannt wurden, wenn es um ein Trade-Paket samt der vielen eigenen Draftpicks geht. Über einen unentbehrlichen Spieler wird anders gesprochen.

Der große Illusionist „MVP, MVP, MVP!“, am 28. November 2019 hallen solche Sprechchöre durch den TD


Fotos: Adam Glanzman/Getty Images

Garden, als die Schlussminute beim Duell zwischen den Boston Celtics und Brooklyn Nets läuft. Dabei wird nicht, wie vielleicht erwartet, Kemba Walker gefeiert. Der glänzt zwar an jenem Abend mit 39 Punkten ausgerechnet gegen die Nets, zu denen Kyrie Irving abgewandert ist. Nein, Marcus Smart wird als MVP umjubelt, obwohl er mit zehn Zählern offensiv einen ruhigen Abend erlebt. Als Grant Williams bei einer 13-Punkte-Führung für Boston einen Dreier verwirft, der Ball daraufhin nach oben springt und an der Spitze der Korbanlage stecken bleibt, wird Smart zu Hilfe gerufen – von seinem Coach Brad Stevens. Smart nimmt den Wischer zur Hand und tippt mit dem Stiel den Ball wieder frei. Wenig später raunt es „MVP!“ durch die Arena. Bereits zwei Tage zuvor beim Heimsieg über die Sacramento Kings holt Smart auf diese Weise den Ball von der Korbanlage. Eine bloße Randnotiz? Für Smart ist es mehr als das. „Ich erinnere mich an eine Zeit, als ganz andere Gesänge auf mich angestimmt worden sind“, schneidet er gegenüber der Bostoner Zeitung „The Republican“ an, dass er sich einst von Celtics-Fans auch Rufe wie „Wirf nicht, Marcus, wirf nicht!“ anhören musste. „Klar, wir alle wissen, dass ich wahrscheinlich nicht der MVP bin, aber diese Art von Gesängen deutet an, was ich dieser Stadt, diesem Team und diesen Fans bedeute.“ Und auch der eigentliche MVP der Kelten, Kemba Walker, findet diese Art der Unterstützung einfach nur passend: „Das ist großartig. Denn Marcus macht alles für uns. Und das ist einfach ein perfektes Beispiel dafür.“ Beim besagten Spiel gegen Brooklyn trifft Smart zwei seiner fünf Dreier. Zu diesem frühen Saisonzeitpunkt steht der Guard bei einer Quote von 34,5 Prozent von Downtown, bei Redaktionsschluss hat sich Smart auf immerhin 35,5 Prozent gesteigert. Dennoch: Mit ganzen 6,6 versuchten Dreiern pro Spiel rangiert er auf dem 28. Platz der feuerwütigsten Distanzschützen – nur vier Spieler, die mindestens so häufig von außen Maß nehmen, treffen mit einer schlechteren Quote. Man könnte sicherlich einen Zusammenhang zwischen Smarts Dreier und der Zuneigung der CelticsFans herstellen. Jene zuvor erwähnte – wortwörtlich – zerbrechliche Aktion in einem Hotelzimmer in Los Angeles hat Smarts Verhältnis zum Dreier sicherlich nicht verbessert. „Die ganze Sache mit seiner Hand hat ihm wehgetan“, ist sich Stevens sicher. „Denn wenn du in eine Saison startest und dabei schlecht wirfst, neigst du dazu, alles auf einmal zurückbekommen zu wollen“ – was mit einer schlechten Wurfauswahl einhergehen kann. In jener Saison wird von mehreren Seiten medial aufbereitet, wie ein derart

schwacher Sprungwerfer die Offensive eines Teams dennoch effizienter machen kann. Die Antwort: Smart tut so, als wäre er ein guter Schütze – und feuert immer weiter, was Gegenspieler auch zu harten Closeouts verleitet, die Smart sodann attackieren kann. Eine Lösung auf Dauer ist dies aber nicht. So durchläuft Smart bereits im Sommer 2017 ein großes OffseasonWorkout-Programm mit einem Assistant Coach der Celtics, bei dem er auch an seinem Wurf arbeitet. Schließlich hat er kurz davor, in den Eastern Conference Finals 2017, eine kleine Coming-out-Party gefeiert: mit 27 Punkten samt sieben verwandelten Dreiern beim einzigen Erfolg Bostons gegen die Cleveland Cavaliers um LeBron James. In jenen Playoffs netzt Smart ganze 40,0 Prozent seiner Dreier ein. „Man überholt nichts großartig. Ein großer Teil der Entwicklung für jeden ist sicherzugehen, dass man lernt, wo die besten Spots sind – und nicht nur, dass es überhaupt Spots gibt“, beschreibt Stevens die Arbeit seines Schützlings. „Er ist so ein smarter Spieler: Er versteht das Spiel, er sieht den nächsten Pass, er sieht eine Aktion voraus. Aber er ist auch einer, der den Homerun schlagen will. Die Balance zu finden, zum einen ruhig zu bleiben und die nächste richtige Aktion zu machen, und zum anderen auszuholen, um den Ball über den Zaun zu schlagen, ist hart für einen Wettkämpfer, wie er einer ist.“

Der Verteidiger des Jahres?

Beim Auswärtsspiel gegen die Los Angeles Clippers am 21. November 2019 will Smart, um bei Stevens’ Baseball-Metapher zu bleiben, wohl wieder einige Homeruns schlagen. Elf Dreier nimmt er in jener Partie und trifft nur einen … und dennoch geht eine Aktion des Celtics-Guards viral. In der Verlängerung führen die Clippers mit 107:104 und haben mit 34,7 Sekunden auf der Uhr den Ball. Lou Williams bringt den Spalding, Smart verteidigt ballabseits gegen Kawhi Leonard. Nachdem der Handoff wegen Smarts Deny-Defense misslingt, versucht Williams den Pass – aber Smart ist mit seinen Fingerspitzen dazwischen. Der Ball springt Richtung Seitenaus, doch Smart hechtet hinterher, kommt an den Spalding und wirft ihn gegen Leonards Fuß. Von dort springt er ins Aus, Ballbesitz Boston. Auch wenn den Celtics anschließend der Ausgleich zweimal misslingt, steht Smarts Rettungsaktion symptomatisch für seinen Dreiklang aus Verteidigung, Einsatz und Wissen, wohin er den Ball zu spielen hat. Denn es ist eine Stärke von Smart, bei solchen Rettungsaktionen instinktiv um Positionen von Gegen- und Mitspielern zu wissen. Rund zwei Wochen davor hat Smart mit seiner Verteidigung mehr Erfolg: Als die Celtics im Duell mit den Cleveland

Cavaliers mit einer Drei-Punkte-Führung in die Schlussminute gehen, suchen die Cavs ein Postup von Kevin Love gegen Smart. Daniel Theis will zum Doppeln rotieren, Smart winkt aber ab, hält im Eins-gegeneins gegen Love dagegen und zwingt Clevelands Big Man zu einem TurnaroundHakenwurf ohne Balance. Fehlwurf, Defensivrebound Boston, im Gegenzug sorgt Gordon Hayward für den Sieg. „Ich betrachte mich als StretchSix“, schreibt sich Smart nach der Partie eine neue Position zu. Diese Bezeichnung entsteht 2018/19 aus Spaß heraus, als er mit Aron Baynes und Al Horford über die „Stretch-Fives“ spricht, die Big Men moderner Bauart – wie Love einer ist. Smarts Defense gegen den Cav resultiert dabei keineswegs aus einem Switch heraus … nein, die Celtics suchen gewollt dieses Matchup. In dieser Saison weist Smart beispielsweise auch schon den 31 Zentimeter größeren Kristaps Porzingis in die Schranken. „Man sieht Big Men nicht das Feld entlangsprinten oder darauf hechten, wie ich als Guard es tue. Man sieht Big Men nicht Einser verteidigen, wie ich Fünfer verteidige. Man sieht Big Men nicht all die kleinen Dinge tun, die ich mache“, wirbt Smart gegenüber „The Republican“ für sich selbst als besten Verteidiger der Liga. Jene Auszeichnung ist aber gemeinhin nun mal eine für Big Men. 10,3 Prozent der gegnerischen Offensivaktionen, die Smart in dieser Saison verteidigt, sind Postups – bei keinem anderen Celtic ist dieser Wert so hoch (nein, auch nicht bei nominellen Centern wie Daniel Theis oder Enes Kanter). Smart hält dabei seine Gegenspieler bei einer Quote von 36 Prozent! Ist er damit nicht auch so etwas wie ein Big Man? Die Positionsbeschreibungen von Point Guard bis Center sind doch eh obsolet geworden. „Ich liebe diese Herausforderungen einfach. Ich ziehe meinen Stolz aus der Verteidigung, damit verdiene ich meinen Lebensunterhalt“, erklärt Smart seinen „Defense first“Ansatz, der sich auf die gesamte Truppe niederschlägt. „Er treibt unsere Verteidigung jeden Abend an. Er bringt die Energie, die Leidenschaft, die Härte – das ist ansteckend, für jeden von uns“, erklärt Kemba Walker bei „NBC Sports“ den Wert von Smart. An gleicher Stelle äußert sich Jaylen Brown auf eine ähnliche Weise. „Dieses Herz, dieser Mut, dieses Feuer … wir haben einige coole Jungs, die locker drauf sind, aber Marcus ist das genaue Gegenteil. Er ist ein ,Hit first‘-Typ“, beschreibt Brown seinen Teamkollegen. „All das kann man nicht wirklich messen. Du kannst die Größe von jemandem messen, seine Armspannweite – aber du kannst nicht das Herz von jemandem messen. Marcus hat für einen Menschen mehr als genug davon.“ Eben ein StretchSix. redaktion@fivemag.de

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Celtics:

Big

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DIE KÖNIGSMACHER

2008 gewannen die Boston Celtics mit der neuen „Big Three“ ihre 17. Meisterschaft – seither drehen einige der damals Beteiligten eine Ehrenrunde nach der anderen. Warum hört man bis heute so viel von diesem Team? Waren diese Celtics wirklich so signifikant? Und: Haben sie LeBron „gebrochen“? Text: Ole Frerks

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ir haben LeBron gebrochen“, sagte Kevin Garnett mit einer Intensität, die man in der Form eigentlich nur von ihm kennt. Auf Nachfrage von Bill Simmons, in dessen Podcast „The Big Ticket“ diese Aussage von sich gab, kam noch Folgendes hinzu: „Lass mich dir etwas sagen. Wir Cs, wir haben einen Scheiß auf LeBron gegeben. Wir haben LeBron nicht gefürchtet und dachten nicht, dass er uns fünf zusammen schlagen könnte. Und so hat sich das angefühlt. Er hat versucht, sich mit anderen zusammenzuschließen, weil er den Druck nicht allein spüren wollte. Verstehst du?“

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Aus Sicht eines Interviewers hätte dieser Podcast kaum besser laufen können, aus Sicht eines FilmPromoters („KG“ bewarb im Interview gemeinsam mit Adam Sandler den Film „Uncut Gems“) ebenfalls nicht. Ein Clip mit genau dieser Aussage verbreitete sich wie ein Lauffeuer über Social Media, schließlich war sie mehr als kontrovers und konnte von der nicht gerade kleinen LeBron-Fan-Fraktion problemlos ins Lächerliche gezogen werden. „Gebrochen“? Alle Welt erinnert sich noch an Spiel sechs der ConferenceFinals 2012, in dem James in Boston mit den Heat 2-3 zurücklag. 45 Punkte

erzielte er unter dem größtmöglichen Druck, lieferte eines seiner besten Spiele überhaupt. Eine Partie, die sozusagen der Startschuss für den erfolgreichsten Zeitraum seiner Karriere mit drei Titeln in fünf Jahren war. Gebrochen wurden – wenn überhaupt – dann doch eher die Celtics, die im Jahr darauf nach einem Erstrundenaus nahezu ihren gesamten Kader auflösten. Die Behauptung, den besten Spieler des Jahrzehnts gebrochen zu haben, passte auch insofern ins Bild, als man aus dem Kreis dieses alten CelticsTeams seit Jahren immer wieder … nun …


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Fotos:Nathaniel S. Butler/Jim Rogash/Brian Babineau/Jesse D. Garrabrant/Joe Murphy/Jesse D. Garrabrant/NBAE via Getty Images


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Celtics:

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selbstbewusste Aussagen hört und der damalige Headcoach Doc Rivers vermutlich heute noch darauf besteht, dass mit einem fitten Kendrick Perkins ja nie eine Serie verloren wurde. Ein Team, das letztendlich eine Meisterschaft gewonnen hat, gibt sich seit Jahren gefühlt wie eins, das mindestens einen Threepeat sein Eigen nennen durfte. Bisweilen wirkt das fast schon gewollt und ein wenig realitätsfern. Es lohnt sich jedoch, noch einmal über diese Aussage nachzudenken, wenn man mit dem Lachen aufgehört hat. Natürlich haben die Big-ThreeCeltics LeBron nicht gebrochen, das haben nicht einmal die „KD“-Warriors geschafft. Trotzdem hatten sie eine massive Bedeutung nicht nur für James, sondern für die gesamte Liga, die weit über den einen Titel hinausgeht. Mit ihrer Entstehungsgeschichte, ihrem Stil und vor allem auch dem Zeitpunkt ihres Daseins als „böser Wolf“ der Eastern Conference waren sie gewissermaßen mitverantwortlich für die vermeintliche Superteam-Ära – obwohl sie selbst nur bedingt ein solches waren.

Am Boden

Um die Big-Three-Celtics einzuordnen, muss zunächst ein Blick auf die Situation des damaligen Ostens geworfen werden. Nett ausgedrückt, war dieser ein Brachland. Die Detroit Pistons um Ben Wallace gingen mit großen Schritten ihrem Ende entgegen, in den Finals hatte LeBron die Conference soeben erstmals mit einem der schlechteren Finals-Kader der Geschichte vertreten (und einen Sweep gegen die San Antonio Spurs kassiert). Hinter diesen beiden QuasiFavoriten waren die Chicago Bulls mit 49 Siegen 2006/07 schon das beste Ost-Team, vom Titel jedoch meilenweit entfernt. Immerhin aber nicht ganz so weit wie die Celtics, die in der Hoffnung auf Kevin Durant oder Greg Oden (angeblich wurde Durant bevorzugt) die gesamte Saison am Zapfhahn verbracht und sich zu uninspirierenden 24 Siegen getanked hatten. Nun könnte wohl ein Großteil der jüngeren NBA-Geschichte völlig umgeschrieben werden, wenn die Celtics Durant bekommen hätten. Die Lottery meinte es jedoch bekanntlich nicht so gut mit ihnen und schanzte ihnen bloß den fünften Pick zu. Boston stöhnte im Kollektiv, der einzige Star des Teams, Paul Pierce, forderte einen Trade – und selbst General Manager Danny Ainge musste zeitweise um seinen Job bangen. Am Draft-Tag, dem 28. Juni 2007, tradete er dann besagten Pick (Jeff Green) gemeinsam mit Wally Szczerbiak und Delonte West für Ray Allen und Glen Davis zu den Seattle SuperSonics, auch dieser Move galt aber bei Weitem nicht als Hauptgewinn, sondern eher als Verzweiflungstat. Zwei alternde All-Star-

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„Wir haben LeBron gebrochen.“ Kevin Garnett -----------

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Flügel und ein Haufen Youngsters in einem Team? Das war sicher eine kurzfristige Verbesserung, vom Ruf eines Favoriten oder gar Superteams waren die Celtics auch mit Allen weit entfernt. Der Clou jedoch: Ainge hatte parallel schon seit Wochen einen weiteren Trade im Sinn, und abgesehen vom fünften Pick hatte er noch genug Bausteine dafür zur Verfügung. Sein Ziel war Garnett, der zu diesem Zeitpunkt dreimal in Folge die Playoffs verpasst hatte und nach Jahren der bedingungslosen Loyalität zu den Minnesota Timberwolves den Wunsch geäußert hatte, getradet zu werden. Mit 31 Jahren war „KG“ noch immer in seiner Prime, entsprechend

wollte ihn die halbe Liga. Am nächsten sollen späteren Aussagen zufolge die Los Angeles Lakers und die Golden State Warriors an einer Einigung mit den Wolves dran gewesen sein. Insbesondere die Lakers hatten aber nicht den Luxus, den Ainge genoss: Kevin McHale – einer seiner besten Freunde und ein Vollblut-Lakers-Hater – traf die Personalentscheidungen bei den Timberwolves aus Minneapolis. McHale wartete lange ab und gab seinem Kumpel Ainge sogar die Erlaubnis, sich mit Garnett zu treffen, um diesen von Boston zu überzeugen, nachdem „KG“ zunächst keinerlei Interesse an den Celtics gezeigt hatte. Zur Überzeugung diente nun eben auch der Allen-Trade und die Aussicht, mit zwei All Stars an seiner Seite in einer deutlich schwächeren Conference mächtig aufzuräumen. Garnett willigte ein, Ainge meldete sich wieder bei McHale, und am 31. Juli 2007 wechselte „KG“ tatsächlich zu den Celtics, für insgesamt fünf Spieler sowie zwei Erstrundenpicks.


Fotos: Brian Babineau/NBAE via Getty Images

Die defensive Revolution

Das erste „moderne“ Superteam war geboren, wobei die Celtics klar von beispielsweise den Miami Heat ab 2010 abgegrenzt werden müssen: Ihre Entstehung unterlag keinem genialen Plan, hatte wenig mit „Player Empowerment“ zu tun, da sowohl Allen als auch „KG“ getradet wurden (und Pierce ein solcher Wunsch verwehrt wurde). Wobei Garnett immerhin die Bereitschaft signalisiert hatte, seinen auslaufenden Vertrag im Sommer 2008 in Boston zu verlängern. Zufälle, Glück und individuelle Unzufriedenheit spielten beim Zusammenkommen dieser drei Stars prominente Rollen, und ihre Union wurde nicht zuletzt von ihrem geteilten Leid in den bisherigen Karrieren sowie ihrem Alter geprägt. Es gab nicht die markigen Ankündigungen, zusammen „not three, not four, not five“ Meisterschaften zu gewinnen, weil das Titelfenster keineswegs unendlich erschien – vielmehr hatten die Celtics von Beginn an ein gefühltes Ablaufdatum. Deswegen begleitete sie eine Seriosität, die keineswegs üblich war für Teams, die vermeintlich mehr Talent hatten als alle anderen. Welche Faktoren auch immer dafür herangezogen werden (Garnetts Intensität ist sicherlich erwähnenswert): Diese Celtics brauchten keine Anlaufzeit, im Gegenteil. Obwohl der Kader zu Beginn nicht rund wirkte – wie auch, wenn so viele Spieler neu zusammenkommen – und beispielsweise der erst 21-jährige Zweitjahresprofi Rajon Rondo den Starting Point Guard geben musste, entstand in und um den TD Banknorth Garden vom Start weg eine gewisse Magie. Die Celtics gewannen ihre ersten acht Spiele, wenig später folgten neun am Stück, dann folgte noch eine Neunerserie – und Anfang Januar stand man nach einem Sieg in Detroit bei einer 29-3-Bilanz. Die Celtics teilten den Ball, nicht einer der All Stars markierte auch nur 20 Punkte im Schnitt, zum All-Star-Game wurden sie gemeinsam mit Headcoach Doc Rivers dennoch alle eingeladen. Am Ende des Jahres stand mit 66-16 nicht nur die beste Bilanz der Liga, sondern eine der dominantesten Regular Seasons der Geschichte, die Boston vor allem defensiv prägte. Garnett wurde „Defensive Player of the Year“, allerdings verdiente sich das gesamte Team unter der Anleitung von Assistant Coach und „Defensive Coordinator“ Tom Thibodeau Bestnoten. Die Celtics hatten damals nicht nur die beste Verteidigung der Liga, sie ließen pro 100 Ballbesitze fast neun Punkte weniger zu als der Ligadurchschnitt, was sie für die zehn besten adjustierten Defensiv-Saisons der NBA-Geschichte qualifizierte. Thibodeaus „Strong Side“-Prinzip sowie seine Philosophie in der Pick-and-Roll-Defense

revolutionierte die Liga und verbreitete sich in der Folge binnen kürzester Zeit überall. Doch in der ersten Saison waren die Celtics vor allem in der Umsetzung allen Imitaten weit voraus. Kein Wunder, hatten sie doch mit „KG“, Pierce, Rondo, dem jungen Kendrick Perkins oder auch James Posey und P.J. Brown mehr als qualifiziertes defensives Personal.

Die Krönung

Die Regular Season verkam also zum Triumphzug – über die Playoffs ließ sich das jedoch nur noch bedingt sagen. Zum Auftakt rangen die 37-Siege-Hawks Boston ein siebtes Spiel ab, genau wie die 45-Siege-Cavaliers eine Runde später. Insbesondere gegen LeBron, der im Entscheidungsspiel 45 Punkte auflegte, tat sich das zuvor so unheimlich dominante Team extrem schwer und kam letztendlich mit einem blauen Auge davon, weil Pierce mit 41 Punkten ein würdiger Gegenspieler für den aufstrebenden Superstar war. Gegen die Pistons, damals immer noch eine Art Platzhirsch in der Conference, reichten in Runde drei dann immerhin sechs Spiele. Die Celtics standen zum ersten Mal seit 1987 in den NBA-Finals, auch wenn sie auf dem Weg dorthin fast die maximale Anzahl an Niederlagen kassiert hatten. Bevor deswegen allerdings gedacht wird, dies habe die Euphorie der Grünen getrübt: Dem war letztendlich nicht so. Boston verwies die verhassten Lakers um Kobe Bryant ebenfalls in sechs Spielen in die Schranken, dominierte das sechste Spiel in historischer Manier (131:92, eine höhere Differenz in einem titelentscheidenden Spiel hatte es nie gegeben), und „KG“ brüllte im emotionalen Delirium sein bis heute legendäres „ANYTHING IS POSSIIIIIIIBBBBBLLLLLEEE“ in die Weiten des TD Banknorth Garden. Die Celtics waren in den Playoffs keine erbarmungslose Erfolgsmaschine wie in der Regular Season, tatsächlich stellten sie sogar einen Rekord für die meisten Spiele in einer Postseason auf, das Resultat war am Ende dennoch das erhoffte. Garnett war Widrigkeiten gewohnt, nachdem er in zwölf Jahren Minnesota lediglich zwei Playoff-Serien gewonnen hatte (beide 2004). Pierce war Widrigkeiten gewohnt, nachdem er noch in der Vorsaison nur 24 Siege geholt hatte. Allen war Widrigkeiten gewohnt, nachdem sein einziger richtig tiefer Playoff-Ritt bereits sieben Jahre her war. Keiner von ihnen galt bis zu diesem Frühling und Frühsommer als legendärer Playoff-Performer – entsprechend bezwangen sie nacheinander gemeinsam die über die Jahre gesammelten Dämonen. Einen nach dem anderen.

Das langsame Ende

Ainges Risiken hatten sich zu diesem Zeitpunkt bereits ausgezahlt – das 17.

Banner war für die Celtics ein besonderes, hatte die erfolgsverwöhnte Franchise doch erstmals in ihrer Geschichte mehr als 20 Jahre lang keinen Titel geholt – und dann auch noch gegen die Lakers. Vor allem „KG“ verdiente sich in bloß einer Saison Legendenstatus in Beantown, und die Big Three, die so zufällig zustande gekommen war, spielte von nun an gewissermaßen mit „House Money“, hatte ihr Soll also bereits erfüllt. Sie waren befreit – und so traten sie zunächst auch in der kommenden Saison auf. Mittlerweile gerät das leicht in Vergessenheit, aber die 2008/09er Version der Celtics war zunächst sogar noch stärker und eröffnete die Spielzeit abermals mit 27-2 und einer verbesserten Offensive, in der Rondo mehr und mehr seine eigenen Stärken einbringen konnte. In der Folge wurde zwar ein wenig der Fuß vom Gas genommen, trotzdem galt Boston bis zu einem Spiel gegen die Utah Jazz im Februar noch als das Team, das es zu schlagen galt (damals 44-12). Hier verletzte sich Garnett jedoch bei einem Alley-Oop am Knie, und auch wenn er im März noch einmal für vier Spiele zurückkehrte, torpedierte diese Verletzung die Titelverteidigung Bostons. Ende März wurde „KG“ aus dem Verkehr gezogen, in Runde zwei schieden die Celtics in sieben Spielen gegen die Magic um Dwight Howard aus, die wenige Wochen später in den Finals Los Angeles unterliegen sollten. Garnetts Verletzung war auf dem Papier zwar nur eine Kniestauchung zu einem ungünstigen Zeitpunkt, allerdings läutete sie in vielen Kreisen bereits den Abgesang auf die Celtics ein, denen von Anfang an nur ein „Drei-Jahres-Fenster“ eingeräumt wurde. Die Saison 2009/10 schien das zunächst zu reflektieren, denn auch diese war von Verletzungen geprägt, und sowohl Pierce und Garnett als auch wichtige Rollenspieler wie Tony Allen oder Glen Davis fielen teils lange aus. Die Celtics liefen bloß auf Platz vier in die Playoffs ein und galten nicht mehr als dringender Titelkandidat. Diesen Status besaßen LeBrons Cavs, die mit dem Backto-Back-MVP 61 Siege geholt hatten, sowie erneut Orlando (59 Siege). Die Ereignisse dieses Frühlings jedoch hoben die Celtics und ihr Wirken – nicht nur in ihrer eigenen Ansicht – auf ein ganz neues Level.

die Zugabe

Die Celtics gingen als Team von gestern in die Playoffs von 2010, doch mit einer Steigerung zum genau richtigen Zeitpunkt katapultierten sie sich zurück in die Gegenwart. Auch wenn Vorjahres-Finalist Orlando in der dritten Runde dran glauben musste, blieb am Ende vor allem die zweite Runde in Erinnerung – die Serie, in der Boston LeBron, wenn man so will, tatsächlich ein Stück weit brach.

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64 Boston Celtics: Big Three


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James war zu diesem Zeitpunkt bereits zweimaliger MVP, jedoch titellos und nach Wahrnehmung vieler daher nicht fähig, das „Alphatier“ der Liga zu sein – das war nach Ansicht der Mehrheit nach wie vor Kobe Bryant. Nicht nur die NBA und ihre Fernsehpartner, sondern auch beispielsweise Ausstatter Nike hoffte daher auf ein Finals-Duell der beiden populärsten NBA-Spieler, entsprechende Werbekampagnen wurden bereits 2009 zur Weihnachtszeit ausgestrahlt. In der Regular Season schien alles darauf hinauszulaufen: Obwohl Cleveland keinen allzu tiefen Kader hatte, stürmten die Cavs zur besten Bilanz der Liga, da James statistisch eine Saison für die Ewigkeit hinlegte. Doch da waren immer noch die alten Männer aus Boston (von den Magic ganz zu schweigen). James wird vermutlich nie ganz offen darüber sprechen, die Celtics waren jedoch zu diesem Zeitpunkt überzeugt, in seinem Kopf zu sein, und der Erfolg gab ihnen recht: Unabhängig von der Cavs-internen Gerüchteküche, die während der Serie brodelte, trat Boston auch sportlich selbstbewusster, gefestigter und einfach besser auf. Vor allem Rondo, in dieser Saison erstmals All Star, zeigte mit einer überragenden Serie (20,7 Punkte, 11,8 Assists, 6,3 Rebounds im Schnitt), dass er nun endgültig ein gleichwertiger Kollege der alternden Big Three war. Cleveland ging zwar mit 2-1 in Führung, danach klickte es jedoch endgültig, und Boston gewann drei Spiele am Stück. Vor allem Spiel fünf ging in die Geschichte ein als eines der merkwürdigsten LeBron-Spiele (inklusive der 2011er Finals) überhaupt: Obwohl er 41 Minuten spielte, wirkte er distanziert, kam auf 15 Punkte bei nur drei Treffern aus dem Feld bei 14 Versuchen und konnte den Blowout nicht verhindern. In Spiel sechs reagierte er zwar noch einmal mit einem Triple-Double, leistete sich allerdings auch neun Ballverluste und enttäuschte unterm Strich erneut … wie sein ganzes Team. Die Nachwehen dieser Serie waren heftig, da nicht wenige – unter anderem Cavs-Besitzer Dan Gilbert – dem Team vorwarfen, sich im Lauf der Serie aufgegeben zu haben. Dass James’ Free Agency anstand und er wenige Monate später nach langer Spekulationszeit tatsächlich seine Talente an den South Beach verfrachtete, wirft rückblickend noch ein anderes Licht auf dieses EasternConference-Halbfinale. Die Celtics werden nicht der einzige Grund gewesen sein, die ersten Pläne für ihre Union entwarfen LeBron, Dwyane Wade und Chris Bosh schließlich im Rahmen von Team USA schon Jahre zuvor. Aber Fakt ist, dass sie im Weg waren und ein Stück weit das repräsentierten, was ihm in seiner

Karriere noch fehlte. James wechselte auch deshalb nach Miami, weil er auf eigene Faust scheinbar nicht an den alten, trashtalkenden Säcken aus Boston vorbeikam – womit diese wiederum unverhofft einen Anteil am Beginn der Player-Empowerment-Ära hatten. Schließlich bedingten allein die weiteren Wechsel von James in der NBA noch mehrere Kettenreaktionen.

Ubuntu Encore

Aber zurück zu den Celtics. In einem packenden Wiedersehen mit den Lakers verloren sie diesmal im siebten Spiel der Finals, wobei aus Bostons Lager bis heute gern darauf hingewiesen wird, dass Perkins dabei verletzt fehlte und nicht verhindern konnte, dass Pau Gasol und Kobe

„Wir befinden uns in Jahr fünf eines Drei-JahreFensters.“ Danny Ainge -----------

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zusammen 33 Rebounds holten (Boston holte als Team 40). L.A. gewann die Defensivschlacht mit 83:79, und bis heute ist Boston nicht wieder näher an Banner Nummer 18 gekommen, was dieses Team endgültig unsterblich gemacht hätte. Das Zeugnis für die Trades, die Ainge nur drei Jahre zuvor binnen eines Monats eingefädelt hatte, fiel da trotzdem längst positiv aus – und dann ging es einfach weiter. Im Lauf der nächsten drei Jahre verloren die Celtics einige Komponenten, vor allem Garnett alterte zunehmend. Perkins wurde zu den Oklahoma City Thunder getradet, und 2012 wechselte Allen ausgerechnet nach Miami, was ihm sein altes Team bis heute nur bedingt verziehen hat. Doch gleichzeitig entwickelten vor allem Pierce, Garnett und auch Rondo ein Verständnis füreinander, das östlich von San Antonio seinesgleichen suchte. Rondo kam nun in seine Blütezeit und wusste jederzeit, wo er Garnett für den Jumper oder Pierce für den Dreier finden konnte. Die Celtics vertrauten sich gegenseitig, kannten die Tendenzen des anderen und verinnerlichten die afrikanische Philosophie „Ubuntu“ (grob übersetzt: „Ich bin, weil du bist“), die Rivers schon 2007 installiert hatte, um eine Einheit herbeizuführen. Mit zunehmender Zeit wirkte diese mentale

Komponente wie die größte Stärke der Celtics, als Athletik und zunehmend auch Gesundheit schwanden. Auch wenn „KG“ erst davon überzeugt werden musste, so war er sich, sobald sein Trade finalisiert wurde, extrem bewusst darüber, nun für die Celtics zu spielen – und trug das Trikot mit Stolz. Auch Pierce betonte immer wieder, was für eine Ehre es sei, ein Teil der prominenten Ahnengalerie des Rekordmeisters zu sein, und dass er seine Karriere unbedingt in Boston beenden wollte. Die beiden Leader des Teams infizierten wiederum die jüngere Generation mit diesem „Celtics-Mythos“, und dadurch entstand eine Bindung, die bis heute existiert. Der Perkins-Trade sorgte für großen Ärger im Team, weil er genau diese Bindung in Frage stellte, ebenso fühlten sich die anderen später von Allen „verraten“. Die Kernmitglieder der 2008er Celtics wiederum fuhren noch zehn Jahre später – ohne „Jesus“ allerdings – gemeinsam in den Urlaub … Ubuntu eben.

King-Maker

Dieser Zusammenhalt war unterm Strich auch der einzige Grund, warum es 2012 noch einmal richtig interessant wurde. Noch im Vorjahr hatte Miami die Celtics in fünf Spielen deklassiert, sie alt, müde und langsam wirken lassen. „Wir befinden uns in Jahr fünf eines Drei-Jahre-Fensters“, wie Ainge es selbst ausdrückte – die Celtics waren immer noch gut, aber eigentlich kein Titelkandidat mehr. Bis sie LeBron und die Heat im Conference-Semifinale noch einmal an den Rand des Wahnsinns brachten, mit 3-2 in Führung gingen und für so viel Panik sorgten, dass in Miami bereits nach Sündenböcken (Bosh!) gefahndet wurde und „Choker“ LeBron wie eine Sau durchs Dorf getrieben wurde, bevor er unter größtmöglichem Druck eine seiner unglaublichsten Leistungen zeigte. Es passte ins Bild, dass ein solches 45-Punkte-Meisterwerk dafür nötig war, diesen alten Quälgeist ein für alle Mal loszuwerden. Die Celtics haben LeBron nicht gebrochen, sie haben ihn vielmehr dazu gezwungen, als Spieler erwachsen zu werden. Das macht einen Großteil ihrer Besonderheit aus. Sie haben den besten Spieler seiner Generation auf Wege getrieben, die er ohne sie vielleicht nicht beschritten oder erreicht hätte. Gebrochen waren eher Pierce, Allen und Garnett selbst, bevor sie relativ spät in ihrer Karriere zusammentrafen. Gebrochen war zeitweise auch die Big Three, bevor sie sich irgendwie immer wieder aufraffte und weitermachte, allen Widrigkeiten zum Trotz. Ihren sportlichen Höhepunkt erreichte sie bereits in Jahr eins – es war „nur“ ein Titel. Aber es war die Zeit danach, die diese Celtics wirklich zu einem Team gemacht hat, an das man sich noch lange erinnern wird. redaktion@fivemag.de

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Tyrese Haliburton gehört in dieser Saison zu den besten Spielmachern im College-Basketball. Der 20-jährige Point Guard orchestriert die Offensive der Iowa State Cyclones auf hohem Niveau und entwickelte sich vom effizienten Freshman-Rollenspieler zum Anführer als Sophomore. Dabei musste Haliburton erst lernen, dass eine gesunde Portion Egoismus zum modernen Point-Guard-Spiel dazugehört. Folgt nun der Sprung in die NBA? Text: Torben Adelhardt 66

devote


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Dirigent

ls Tyrese Haliburton ein letztes Mal das Spielfeld in der Sporthalle von Iraklio (Kreta) betritt, stehen dem Amerikaner die Freude und vor allem der Stolz, den er in diesem Moment verspürt, ins Gesicht geschrieben. Wenige Minuten zuvor setzte er sich gemeinsam mit seinen Teamkollegen im Finale der U19-WM gegen die Überraschungsmannschaft aus Mali durch. Mit 93:79 sicherte sich das US-Nachwuchsteam die Goldmedaille – Haliburton trug mit acht Assists einen erheblichen Teil zum großen Erfolg bei. Als kreativer Spielgestalter in der Halbfeldoffensive sowie temporeicher Passgeber im Fastbreak drückte „Hali“ dem Spiel seinen Stempel auf. Auch wenn sein Backcourt-Partner Cade Cunningham mit 21 Punkten, sieben Rebounds und sieben Assists der effektivste Spieler an diesem Abend war, wirkte Haliburton zu jeder Zeit wie der Kopf der Mannschaft. Der Aufbauspieler war nicht nur der beste Vorlagengeber im gesamten Turnier (6,9 Assists), er glänzte für die USA auch als effizienter Punktesammler (7,9 Zähler bei einer Feldwurfquote von 69,0 Prozent) sowie Verteidiger am Ball, der in der Ganzfeldpresse der Amerikaner Steals am laufenden Band einsackte (2,3 pro Partie). Die Turnierverantwortlichen honorierten die Darbietungen des Guards mit der Berufung ins All-TournamentTeam. Und so posierte Haliburton nun für die Kameras, die auf ihn und seine vier Kollegen gerichtet waren. Während Joel Ayayi (Frankreich), Oumar Ballo und Siriman Kanoute (beide Mali) sowie Turnier-MVP Reggie Perry (USA) auf relativ emotionsbefreite Weise mit der Trophäe in ihren Händen in Richtung Kameras blickten, grinste Haliburton vom linken bis zum rechten Ohr. Dass Haliburton sich in diesem Moment, der den sportlichen Höhepunkt seiner noch jungen Basketballkarriere markierte, so freudestrahlend zeigte, sagt viel über seinen Charakter aus – und seine Selbstwahrnehmung. „Die drei Buchstaben U-S-A auf meiner Brust zu tragen, bedeutet mir die Welt“, sagte Haliburton im Anschluss an die Siegerehrung. „Ich komme aus Oshkosh, Wisconsin, einer 70.000-MenschenStadt. Kleinstädter wie ich erhalten normalerweise nicht die Möglichkeit, auf so einer Bühne zu spielen. Ich war nicht der bekannteste Highschool-Spieler, flog lange Zeit unter dem Radar. Und jetzt gewinne ich eine Goldmedaille!“ Keine gespielte Coolness, keine Plattitüden. Es war mehr als offensichtlich, dass Haliburton den Triumph vollends auskostete. Dass er überhaupt die Chance erhielt, für das Team von Headcoach Bruce Weber

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(Kansas State) aufzulaufen, kam für den Aufbauspieler überraschend genug. „Es ist eine großartige Erfahrung für mich, mit all diesen Top-Highschool-Kids spielen zu dürfen. Die Jungs triefen vor Selbstvertrauen“, zeigte sich Haliburton während der Trainingseinheiten vor der letztjährigen U19-WM beeindruckt. Neben all den HighschoolPhänomenen wie Cade Cunningham – der zu den vielversprechendsten NBATalenten der vergangenen Jahre zählt –, Jalen Green, Evan Mobley oder Ziaire Williams wirkte der schlaksige Haliburton etwas verloren. Im Gegensatz zu seinen jüngeren Teamkollegen erhielt „Hali“ während seiner Highschool-Zeit keine Stipendienangebote von den Universitäten der NCAA-Beletage. Weder Duke noch Kentucky oder North Carolina klopften an seiner Tür. Und doch überstrahlte er im Sommer 2019 seine übertalentierten Kollegen – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. „Ich liebe ihn. Unsere älteren Spieler, die bereits eine Saison auf dem College-Level gespielt haben, haben uns mit ihrer spielerischen Reife und ihren Führungsqualitäten dabei geholfen, Gold zu holen“, erklärte Coach Weber. „Tyrese war vielleicht nicht unser talentiertester Spieler, aber wenn du auf seine Stats schaust – phänomenal. Er hat 57 Prozent seiner Dreipunktewürfe getroffen. Seine Assist-Turnover-Ratio lag bei 12:1. Er war wirklich gut ... ich glaube, für ihn war es auch eine großartige Erfahrung. Er konnte definitiv auf sich aufmerksam machen und Werbung in eigener Sache betreiben. Hoffentlich hilft es ihm für seinen weiteren Karriereweg.“ Tatsächlich war der Name Haliburton vor der vergangenen U19WM nur unter den Experten der Big12-Conference bekannt. Für die Iowa State Cyclones legte er in seiner Premierenspielzeit im Durchschnitt 6,8 Punkte, 3,6 Assists und 3,4 Rebounds auf. Um das Phänomen Haliburton zu verstehen, muss hinter die klassischen Statistiken geblickt und die Reise des 20-Jährigen von Oshkosh über Ames (Iowa) nach Kreta nachverfolgt werden.

Heimatverbunden

Wer sich für die Geschichte des Tyrese Haliburton interessiert und wissen möchte, wie aus einem schlaksigen DreiSterne-Rekruten ohne namhafte CollegeAngebote einer der besten Playmaker des Landes wurde, findet in Levi Stevenson einen passenden Gesprächspartner. Der Absolvent der Iowa State University ist nicht nur seit Kindheitstagen ein fanatischer Anhänger der Universitätsmannschaft, sondern auch leitender Redakteur des CyclonesBlogs „Wide Right & Natty Lite“ von SB Nation. Stevenson erinnert sich noch gut an seine ersten Gedanken, als er von der

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Zusage erfuhr, die Haliburton der Iowa State University gab. „Er flog komplett unter dem Radar. Er spielte für kein bekanntes AAUTeam und war nur absoluten HighschoolInsidern und Recruiting-Experten ein Begriff. Ich dachte mir, dass er sich in seiner ersten Saison am Ende der Rotation wiederfindet und bei optimaler Entwicklung in seinen letzten College-

„Er gehört zu den kontroversesten Talenten in der diesjährigen Draft. Und das nicht, weil die Leute nicht wissen, was er kann. Sondern weil sie nicht wissen, wie sie seine Qualitäten einschätzen sollen.“ anonymer NBA-GeneralManager -----------

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Jahren ein integraler Bestandteil des Teams sein kann“, berichtet der Blogger im Interview mit FIVE. Haliburton sollte diese Erwartungen bei Weitem übertreffen: Als Vollzeitstarter kam er im Durchschnitt auf rund 33 Minuten Einsatzzeit. Dass Stevenson die potenzielle Rolle von Haliburton in dessen erstem College-Jahr falsch prognostizierte, ist dem 27-jährigen Journalisten nicht anzukreiden. Denn Haliburton flog nicht nur unter dem Radar, er trug Tarnfarben.

Haliburton erblickte am 29. Februar 2000 in Oshkosh, Wisconsin, das Licht der Welt. Wie in den meisten Biografien von Top-College-Spielern und späteren NBA-Profis war auch im Fall von Haliburton der Basketballsport familiär bedingt allgegenwärtig. Sein Vater John trainierte eine lokale Damenmannschaft, weshalb der Sprössling einen Großteil seiner Kindheit in den Turnhallen von Oshkosh und Umgebung verbrachte. „Ich trug schon als Baby immer einen Basketball mit mir herum“, berichtet Haliburton im Gespräch mit der „USA Today“. „Basketball begleitet mich schon mein ganzes Leben.“ An der Oshkosh North Highschool realisierte der Point Guard unter den Fittichen seines Mentors Brad Weber seine basketballerischen Fähigkeiten, die ihn schon in jungen Jahren auszeichneten. „Es war von Beginn an offensichtlich, dass Tyrese über ein herausragendes Talent verfügt. Aber wenn du dich irgendwann auf einem höheren Level befindest, dann reichen Basketball-Skills und Athletik alleine nicht mehr aus. Das hat er früh verstanden“, erinnert sich Weber an seinen damaligen Schützling. „Er ist ein phänomenaler Anführer, seine Energie ist einzigartig. Er bleibt auf dem Feld immer positiv und steckt seine Teamkollegen mit seiner Körpersprache und dem Lächeln auf seinen Lippen einfach an.“ Der Basketballtrainer aus Wisconsin könnte die spielerischen Vorzüge von Haliburton en détail auflisten: Athletik, Passspiel, Länge sowie ein unfassbares Spielverständnis. Doch Weber spricht nicht von diesen Dingen. Wenn er über seinen früheren Starspieler redet, dann sind es die oft zitierten „Soft Skills“, die den Trainer am nachhaltigsten beeindruckt haben. Haliburton war stets mehr Motivator, Anführer und Vorlagengeber als egogetriebener Punktesammler. Oder wie es eine populäre Basketballfloskel beschreibt: He plays the right way. Nur führte dieser Weg eben nicht nach Kentucky oder North Carolina. „Ich habe Haliburton während seiner HighschoolKarriere nie live spielen gesehen oder die Gelegenheit dazu gehabt, ihn persönlich zu bewerten“, gibt Evan Daniels, Direktor der bekannten Recruiting-Website 247Sports, offen zu. „Ehrlich gesagt wusste ich sehr wenig über ihn, als er sich bei Iowa State einschrieb.“ Was dieses Bekenntnis von Daniels bedeutet? Zugespitzt formuliert: Wenn Evan Daniels ein HighschoolBasketball-Talent nicht kennt, existiert es auf dem Recruiting-Radar praktisch nicht. Auch Fran Fraschilla, TV-Analyst für ESPN und langjähriger Highschoolund College-Basketball-Experte, gesteht, dass er Haliburton vor dessen erstem College-Spiel überhaupt nicht kannte.


Fotos: David K Purdy/Getty Images

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Dabei präsentierte sich Haliburton in seinen letzten beiden Jahren für Oshkosh North durchaus produktiv: Als Junior brachte er durchschnittlich 18 Punkte, sechs Assists und fünf Rebounds auf die Anzeigetafel. In der darauffolgenden Spielzeit steigerte er seine persönlichen Zahlen gar auf 22,9 Punkte und 6,2 Assists pro Partie und gewann mit seinem Team die Staatsmeisterschaft. Haliburton war der beste Spieler der besten Mannschaft aus Wisconsin, doch seine innerstaatlichen Konkurrenten Tyler Herro (ging nach Kentucky), Joey Hauser (Marquette) und Jordan McCabe (West Virginia) standen in der Gunst der College-Rekrutierer deutlich vor ihm.

Der Grund: Haliburton spielte für kein populäres AAU-Team und nahm auch an keinem AAU-Turnier teil, das von einem der großen Player in diesem Bereich – namentlich Nike, Adidas und Under Armour – gesponsert wird. Stattdessen lief „Hali“ in den Sommermonaten für Wisconsin United auf. Deren Trainer Bryan Johnikin gehört zu den frühen Förderern von Haliburton, und aus Loyalität zu seinem Coach gab der talentierte Jungspund den großen AAUTeams einen Korb. Johnikin gibt in einem Gespräch mit Jonathan Tjarks von „The Ringer“ zu, dass er mit dieser Entscheidung zu kämpfen hatte. „Ich hätte ihn fast

gezwungen, zu einem der großen AAUTeams zu wechseln. Wir haben in der Saison davor fünf Spieler verloren. Und Hali sagte zu mir nur: ‚Bryan, du hast mir alles beigebracht, ich bleibe.‘ Er wollte nicht gehen. Und ich konnte es nicht glauben.“ Zu den fünf Spielern, die das Team von Wisconsin United verlassen hatten, gehörte unter anderem auch Herro. Dieser nutzte die Aufmerksamkeit, die die großen AAU-Turniere generieren, um die College-Scouts und RecruitingJournalisten von seinen Talenten zu überzeugen. Er kletterte die Rankings von ESPN, 247Sports und Co. empor und entschied sich schließlich für ein Engagement bei den Kentucky Wildcats.

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Haliburton blieb seinen Wurzeln treu und landete schließlich bei den Iowa State Cyclones. „Hätte er in einer der großen AAU-Ligen gespielt, wäre er viel bekannter gewesen. Ich zweifle keine Sekunde daran, dass er mit seinen herausragenden spielerischen Fähigkeiten auch dort für Furore gesorgt hätte und wesentlich mehr CollegeScouts auf ihn gestoßen wären“, stimmt Stevenson im FIVE-Interview zu. Die Iowa State Cyclones zählten in der vergangenen Saison nicht nur zu den Top-Teams in der Big-12-Conference, sondern belegten mit einer Bilanz von 23-12 den 15. Platz im KenPomRanking. Mit den beiden Seniors Marial Shayok (18,7 Punkte im Schnitt) und Nick Weiler-Babb (9,1) sowie den NBATalenten Lindell Wigginton (13,5) und Talen Horton-Tucker (11,8) standen ISU-Headcoach Steve Prohm einige fähige Offensivspieler zur Verfügung, die sich allesamt ihren eigenen Abschluss kreieren können und durchaus wissen, wo der Korb hängt. Was Prohm für seine Offensive noch fehlte: ein selbstloser, passfreudiger „Glue Guy“. Ein Spieler wie Haliburton. Bereits im zweiten Saisonspiel beorderte ihn der Trainer in die Starting Five. Haliburton füllte in der Offensive die Rolle des Distanzschützen aus, der das Spielfeld breit macht und zudem mit seinem guten Auge und den Passfähigkeiten seine Mitspieler bedient. Den Ball dominierten Jungs wie Shayok und „THT“. Haliburton tat das, was ihn sein ganzes Basketballleben bis dato ausgezeichnet hatte: uneigennützig für die Kollegen auflegen und nur die hochprozentigen Würfe nehmen, die ihm die Defense gibt. Ein erstes dickes Ausrufezeichen setzte er am 09. Dezember 2018, als er in der Partie gegen die Southern Jaguars 17 Assists auflegte. Ein solch passfreudiges Händchen hatte in den vergangenen zwölf Jahren nur ein anderer CollegeFreshman gezeigt: Trae Young legte gegen Northwestern State in einem Spiel sogar 22 direkte Vorlagen auf. In der Folgezeit blieb Haliburton seiner offensiven Rolle treu. Nur in einer einzigen Begegnung warf er überhaupt öfter als siebenmal auf den Korb, 80 Prozent der Partien beendete er mit weniger als zwei Ballverlusten. Die selbstlose und nahezu fehlerfreie Spielweise von Haliburton imponierte Mitspielern, Coaches und Fans gleichermaßen, wie Stevenson beschreibt: „Jeder liebt es, mit Tyrese zusammenzuspielen. Er nimmt positiven Einfluss auf das Spiel. Aber nicht, indem er scort, sondern indem er für seine Kollegen die besten Wurfchancen durch seine Pässe ermöglicht.“

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Für das Cyclones-Team endete die vergangene Saison mit einem Erstrundenaus in der March Madness durchaus enttäuschend. Die FreshmanSaison von Haliburton war wiederum ein Erfolg auf ganzer Linie: Sein Offensivrating von 138,3 ist trotz seiner begrenzten Rolle im Angriff der Cyclones ein absurd hoher Wert. Haliburton traf sowohl aus der Dreierdistanz (43,4 Prozent bei 3,2 Versuchen pro Spiel) als auch aus dem Zweipunkteland (68,5 Prozent) mit traumwandlerischer Sicherheit, verlor praktisch nie den Ball (28 Turnovers in 35 Spielen) und hatte stets ein Auge für den besser positionierten Mitspieler. Haliburton war unter allen NCAA-Rollenspielern ein Superstar, viel besser hätte er innerhalb seiner Rolle im Teamgefüge nicht agieren können. Doch in diesem Jahr stand ein Rollenwechsel an – und für „Hali“ auch die forcierte Flucht aus seiner basketballerischen Komfortzone.

Die Lizenz zum Scoren

Durch die Abgänge von Shayok, Wigginton, Hurton-Tucker und WeilerBabb verloren die Cyclones knapp 75 Prozent ihres letztjährigen Scorings. Für Headcoach Prohm stand vor der Saison fest, welcher Spieler diese Lücke schließen sollte. „Ich habe ihm gesagt, dass ich nie ändern will, wer er im Herzen ist. Offensichtlich ist er ein ‚Pass-first-

Guy‘. So ist er nun mal. Es ist in seiner DNA“, erklärte Prohm. „Aber letztes Jahr hatte er auch Gelegenheiten, um selbst zu punkten … die muss er dieses Jahr aggressiver nutzen.“ Haliburton nahm den Ball dankend auf und pflichtete seinem Headcoach bei. „Am Anfang meiner Highschool-Karriere habe ich praktisch nur den Ball gepasst. In der Folgezeit musste ich lernen, den eigenen Abschluss zu forcieren und selbst als Scorer in Erscheinung zu treten. Es ist einfach immer situationsabhängig. Du musst wissen, wann es an der Zeit ist, deine Mitspieler einzubinden, und wann du selbst aktiv sein musst“, sagte Haliburton. „Ich habe das Gefühl, dass ich auch ein Scorer sein kann.“ Und tatsächlich passte Haliburton sein Spiel den neuen Gegebenheiten an. Er operiert nun viel häufiger als Dribbler in Pick-and-RollSpielzügen und zieht auch wesentlich aggressiver zum Korb als noch in der letzten Saison. Am effektivsten ist der 20-jährige Guard immer dann, wenn die gegnerische Defensive zu Rotationen gezwungen wird. Haliburton sieht mit dem Ball in der Hand Lücken in der Verteidigung, noch bevor sie entstehen, und spielt seine Teamkollegen in den richtigen Momenten an. Doch leider lassen ihn seine Mitspieler häufig im Stich. Dass sich die Cyclones nach dem großen

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Dirigent statt zweite Geige


Talent-Aderlass in einem Übergangsjahr befinden, war allen Beteiligten in Ames vor der Saison bewusst. Aber wie dünn das Team wirklich besetzt ist, offenbarte die Niederlage im vergangenen Dezember gegen Florida A&M – eine Mannschaft, die im KenPom-Ranking auf dem 295. Platz steht. Haliburton fiel an diesem Tag mit einer Handgelenksverletzung aus.

Nach den ersten drei Saisonmonaten steht Iowa State zwar bei einer ausgeglichenen Bilanz, aber Top-Teams wie die Baylor Bears oder Kansas Jayhawks demontierten die Cyclones zuletzt auf brutale Weise. Es kommt auch nicht von ungefähr, dass Haliburton in beiden Spielen mit fünf respektive sechs Punkten blass blieb.

Die Gegner richten in dieser Saison ihre Verteidigungsstrategien auf Haliburton aus und zwingen den Point Guard durch aggressives Doppeln und eine Deny-Defense dazu, den Ball aus der Hand zu geben. Sollen doch die anderen Cyclones-Spieler sie schlagen, solange nur die Kreise von Haliburton eingeengt werden. Eine Taktik, die aktuell erschreckend oft aufgeht … Mit 15,7 Punkten, 7,4 Assists, 5,9 Rebounds, 2,5 Steals und einer True-Shooting-Quote von 60,6 Prozent legt Haliburton Zahlen auf, die sich die NBA-Scouts von ihm gewünscht haben. Denn auch ohne Teamerfolg und hohe Punkteausbeute steht der Name des Goldmedaillengewinners von 2019 auf den Notizzetteln der Draft-Experten und NBA-General-Manager. „Er gehört zu den kontroversesten Talenten in der diesjährigen Draft“, wird ein anonymer NBA-General-Manager im Artikel von „The Ringer“ zitiert. „Und das nicht, weil die Leute nicht wissen, was er kann. Sondern weil sie nicht wissen, wie sie seine Qualitäten einschätzen sollen.“ Haliburton interpretiert das Point-Guard-Spiel auf „klassische“ Art, ein dynamischer Scorer wird er nicht mehr. In der NBA sind jedoch primäre Ballhandler gefragt, die eine Defensive mit ihrem Scoring unter Druck setzen. Wenn es nach Levi Stevenson geht, dann gibt es für Haliburton eine ideale NBA-Destination: Golden State. „Stell ihn dir bei den Warriors vor, wenn Steph und Klay in der nächsten Saison auch wieder bei voller Gesundheit zurück sind. Tyrese mit diesen Jungs in einer Aufstellung, das wäre großartig. Steph und Klay könnten im Halbfeld neben ihm abseits des Balles spielen, und er würde ihnen den Spalding regelmäßig in gute Abschlussoptionen am Perimeter servieren“, sinniert der CyclonesBlogger. „Er kann aber auch selbst den Catch-and-Shoot-Dreier treffen und so zum Spacing in einer Pick-and-Rollzentrierten Offensive beitragen. Er ist ein tödlicher Passgeber, nachdem er einen direkten Block bekommen hat. Das erleichtert ihm das Zusammenspiel mit Draymond Green, da dieser auch viel aus Pick-and-Pop-Spielzügen oder nach kurzen Abrollern kreiert. Diese vier Spieler wären für jeden ein Albtraum.“ Ob Haliburton schlussendlich in San Francisco landet, steht noch in den Sternen. Klar ist aber: Der spielintelligente Guard dürfte auf dem Mannschaftsfoto seines kommenden Arbeitgebers mal wieder sein breitestes Grinsen aufsetzen. redaktion@fivemag.de

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NBA-DRAFT 2020 KEIN HYPE, KEINE TALENTE? Desaströs, mies und verheerend – mit diesen Adjektiven wird vielerorts das Talentlevel der NBA-Draft 2020 proklamiert, Quervergleiche mit den kontroversen Draft-Jahrgängen 2013 und 2001 inklusive. Doch wie viel Substanz steckt hinter diesen negativen Prognosen? FIVE leistet erste Aufklärungsarbeit. Text: Torben Adelhardt

Fotos: Steve Dykes/Getty Images

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in latenter Hang zu „clickbaitigen“ Schlagzeilen ist dem Social-MediaManager der „Sports Illustrated“ nicht abzusprechen: „Es ist nicht verrückt zu glauben, dass die NBADraft 2020 die schlechteste seit 2013 sein könnte ... als Anthony Bennett der erste Pick war.“ Mit diesem Tweet bewarb die Zeitschrift im vergangenen Dezember einen Artikel ihres Draft-Experten Jeremy Woo. Der Journalist ging in seinem Text der Frage nach, inwiefern die schwache NBA-Draft 2020 die diesjährige TradingDeadline beeinflusst. Die Logik dahinter liegt auf der Hand: Draftpicks, normalerweise die begehrteste Währung in der NBA, sind in dieser Saison weniger wert, da der kommende Draft-Jahrgang in qualitativer und quantitativer Hinsicht unterdurchschnittlich stark besetzt ist. „Basierend auf den Gesprächen, die ich in den vergangenen Monaten geführt habe, ist die vorherrschende Meinung unter den Experten und NBA-Entscheidern, dass

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die Draft-Klasse … nun ja … irgendwie scheiße ist“, fasste es Woo auf recht plakative Art zusammen. Wer die aktuelle Berichterstattung zur NBA-Draft verfolgt, könnte den Eindruck gewinnen, dass am 25. Juni eine Armada an basketballerisch minderbemittelten Hobbysportlern zur Talentziehung im Barclays Center erscheint. Sicherlich, reißerische Schlagzeilen und Superlative funktionieren im Online-Journalismus noch immer am besten. Und es steckt auch mehr als nur ein Funken Wahrheit in den Bewertungen der diesjährigen Draft-Klasse. „Die Jungs, die in der Gunst der NBA-Scouts und -Entscheider am höchsten stehen, zeigen aktuell keine guten Leistungen – sofern sie denn überhaupt spielen“, erklärte Draft-Experte Sam Veccenie in der Einleitung seiner neuesten Mockdraft, die er auf „The Athletic“ publizierte. Doch woher stammt der zweifelhafte Ruf, den die „Class of 2020“ derzeit genießt?

Ein schwacher Jahrgang?

Der vermutlich wichtigste Faktor bei der prognostizierten Stärke einer Draft ist noch immer der entsprechende amerikanische Highschool-Jahrgang. Wer einen Blick auf die Lottery-Picks von 2018 wirft, erkennt, dass sich gleich zehn College-Freshmen unter den selektierten Talenten befanden. Spieler wie Deandre Ayton, Marvin Bagley und Michael Porter Jr. waren schon als Highschooler auf dem NBARadar und prägten dadurch frühzeitig die Vorstellung, dass die NBA-Draft 2018 mit viel Talent und Potenzial gesegnet sei. Senkrechtstarter wie Jaren Jackson Jr., Shai Gilgeous-Alexander und Trae Young verfestigten diesen Eindruck dann im Laufe der NCAA-Saison 2017/18. Bei der aktuellen FreshmanKlasse liegt der Fall anders: Seit Jahren kommunizieren die Recruitingund Highschool-Experten, dass der amerikanische 2000er Jahrgang unterdurchschnittlich stark besetzt sei. James Wiseman und Cole Anthony wurden als Aushängeschilder des Jahrgangs präsentiert – und selbst bei Wiseman gab es frühzeitig kritische Stimmen, die dem Big Man abseits seiner physischen Attribute wenig basketballerisches Talent bescheinigen. „An der Spitze ist die FreshmanKlasse dünn besetzt“, schrieb CBSJournalist Matt Norlander bereits im Sommer 2018. „Es gibt eine negative


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eine klare Sprache für Okongwu als vielversprechendsten Big Man unter den NBA-Prospects.

Problematisches Scouting

ONYEKA OKONGWU Entwicklung. Die Jahrgänge 2015 bis 2017 brachten einige der vielversprechendsten NBA-Talente hervor, danach ging es etwas bergab.“ Dass die Draft 2020 dermaßen kritisch beäugt wird, ist somit kein absolut neues Phänomen oder sogar eine überraschende Wendung in der medialen Berichterstattung. Für die ambitionierten Athleten wäre die laufende College-BasketballSaison – inklusive der March Madness 2020 als Highlight – die passende Bühne, um Zweifler und Kritiker verstummen zu lassen. Doch vor allem für die beiden am höchsten gehandelten Freshmen Wiseman und Anthony ist die NCAA-Saison 2019/20 eine einzige Katastrophe (siehe Kasten).

Retter Okoro und Okongwu?

In jedem Jahr gibt es auch CollegeNeulinge, die sich zunächst außerhalb der Top 20 des Recruiting-Rankings befinden und in der NCAA dann förmlich explodieren. Trae Young ist hier als prominentestes Beispiel zu nennen: Von ESPN an 23. Position gelistet, pulverisierte der Aufbauspieler für die Oklahoma Sooners reihenweise Assist- sowie Punkterekorde und kletterte so sukzessive die Mockdrafts in Richtung Top-5-Pick empor. Bei Dejounte Murray (2015, #49) und Tyler Herro (2018, #30) verhielt es sich ähnlich: Sie gehörten nicht der Spitzenklasse ihres Highschool-Jahrgangs an, zeigten aber im Laufe ihrer NCAADebütsaison, dass sie NBA-Potenzial besitzen – und hoben auch die Qualität ihres jeweiligen Draft-Jahrgangs an.

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In dieser Saison etablierten sich mit dem ultraathletischen Onyeka Okongwu (#20) und Verteidigungs-Ass Isaac Okoro (#40) zwei Freshmen in der prognostizierten Draft-Lottery, die vor der Saison kaum jemand auf der Rechnung hatte. „Isaac Okoro ist großartig. Ich habe ihn in meiner ersten Mockdraft definitiv unterbewertet. Er bringt ein tolles Gesamtpaket mit, das ihn zu einem gefragten NBA-Spieler machen wird“, zollte Veccenie nach den ersten zwei NCAA-Wochen dem Flügel Respekt. Ähnliches gilt auch für Okongwu, den Center der University of Southern California. „Obwohl erst drei Partien gespielt wurden, sollten wir unsere Vorstellungen von dem Potenzial und den Fähigkeiten von Okongwu grundlegend ändern“, erklärte Jonathan Wasserman in einem Ranking für Bleacher Report. 20 Punkte, 13 Rebounds und acht (!) Blocks gegen Florida A&M, 33 Punkte (17/21 Freiwürfe) gegen Pepperdine und 27 Punkte sowie 14 Rebounds gegen Harvard: Okongwu präsentierte sich im ersten Saisonmonat als der talentierteste NCAA-Big-Man. Denn im Gegensatz zu den Freshman-Centern Isaiah Stewart und Vernon Carey Jr., die hinter Wiseman an den Positionen zwei und drei von ESPN gerankt wurden, scheint Okongwu wesentlich besser den Anforderungen an einen modernen NBA-Center zu entsprechen: Verteidigung an der Dreierlinie, Help-Defense sowie effizientes Scoring als Roll-Man sprechen

Durchwachsene Leistungen der CollegeFreshmen, produktive Big Men, die aber nicht den modernen NBA-Anforderungen genügen, sowie fehlende Star-Power à la Zion Williamson oder Ben Simmons: Es gibt valide Gründe, warum die Vorfreude der NBA-Teams auf die kommende Draft gedämpft ist. Doch ein anderer Aspekt betrifft das Scouting im Allgemeinen: In dieser Saison sind die Top-Talente so weit über den Globus verteilt wie noch nie zuvor. Die Draft-Journalisten und NBA-Scouts sehen sich der Problematik gegenüber, dass die anvisierten Top-Picks nicht mehr nur den typischen „One-and-Done“-NCAASuperstar-Weg für sich in Betracht ziehen. R.J. Hampton und LaMelo Ball spielen oder spielten in der NBL (Australien/Neuseeland), Wiseman hat sich nach drei College-Spielen aus der Öffentlichkeit verabschiedet und feilt mit Privattrainern an seinem Spiel. Die internationalen Talente wie Killian Hayes, Deni Avdija und Theo Maledon spielen in Europa in drei verschiedenen Ligen. Aus diesem Grund fehlt es oftmals an dem notwendigen Kontextwissen, um die gezeigten Leistungen der Prospects adäquat einzuordnen. Nicht jeder Draft-Experte kennt sich mit der NBL oder Adriatic League so umfassend aus, dass er die dortigen Leistungen entsprechend einschätzen kann – für die amerikanischen Journalisten ist es weiterhin um ein Vielfaches leichter, den Output gegen die Clemson Tigers statt gegen medi Bayreuth (Hayes) oder die Brisbane Bullets (Ball und Hampton) zu bewerten. Und wenn die College-Talente keine überzeugenden Leistungen offerieren, erscheint auch schnell der Draft-Jahrgang in seiner Gesamtheit erschreckend schwach. Dabei greift diese Denke ganz einfach zu kurz. Der Draft-Experte Ricky O’Donnell bringt es sehr treffend auf den Punkt: „Am Ende des Tages sollten wir uns darüber im Klaren sein, dass es in jeder Draft gute NBA-Spieler gibt. Manchmal ist das Potenzial der Spieler zum Zeitpunkt der Draft offensichtlich – und manchmal eben nicht.“ Und wenn die NBA-Draft 2020 dann ebenfalls Superstars respektive All Stars hervorbringt, wirkt der Vergleich mit der Talentziehung anno 2013 auch gar nicht mehr so schlimm ... denn damals war zwar Anthony Bennett der erste Pick, aber danach kamen mit Giannis Antetokounmpo (15. Pick), Rudy Gobert (27.), C.J. McCollum (10.), Victor Oladipo (2.), Dennis Schröder (17.) oder Steven Adams (12.) ganz gute Talente in die Liga. redaktion@fivemag.de


DIE DRAFTSORGENKINDER IM SCHNELLCHECK JAMES WISEMAN (Center, Memphis Tigers)

Der 18-jährige Center war der Primus seines Highschool-Jahrgangs und wurde auch von ESPN und Co. frühzeitig als Nummer-eins-Pick gehandelt. Auf AAUEbene ließ Wiseman im vergangenen Sommer jedoch schon jegliche Dominanz vermissen, die von einem Spieler seines Talentlevels zu erwarten ist. Sein NCAAAbenteuer bei den Memphis Tigers endete nach nur drei absolvierten Partien. Wiseman brach seine Zwölf-SpieleSperre, die ihm aufgrund von Verstößen

Fotos: Soobum Im/Anthony Au-Yeung/Getty Images

LAMELO BALL

gegen das NCAA-Regelwerk anlässlich seines Recruitings vom Dachverband aufgebrummt wurde, frühzeitig ab und bereitet sich seitdem in Eigenregie auf die NBA-Draft vor. In begrenzter CollegeSpielzeit ließ Wiseman sein Potenzial als 2,16-Meter-Ringbeschützer und athletischer Vollstrecker in Korbnähe aufblitzen. Als offensiver Spielgestalter, der sich im Lowpost oder aus FaceupSituationen seinen eigenen Abschluss kreieren kann, fiel Wiseman nicht auf. Ein (!) Assist in 69 Einsatzminuten spricht auch nicht für ein potenzielles Playmaking-Talent.

COLE ANTHONY

(Point Guard, North Carolina Tar Heels) Für Cole Anthony hätte der Start in seine NCAA-Karriere nicht besser verlaufen können: 34 Punkte schenkte der Guard mit dem butterweichen Pullup-Wurf den Notre Dame Fighting Irish ein. Erste Vergleiche mit dem All-Star-Playmaker Kemba Walker machten die Runde, und Anthony schien das Rennen um den ersten Draftpick mit einem Kickstart begonnen zu haben. Doch es folgte der spielerische Einbruch. In der vielleicht talentärmsten UNC-Mannschaft der vergangenen zehn Jahre mangelte es Anthony an ScoringEntlastung, der Freshman verzettelte sich vermehrt in Einzelaktionen, nahm schlechte Würfe und hatte Probleme, in der Zone zu punkten. Am 08. Dezember absolvierte der Tar Heel sein bis dato letztes NCAA-Spiel und unterzog sich einer Knieoperation. Bei Redaktionsschluss stand noch nicht fest, ob und wann er auf das Feld zurückkehrt.

LAMELO BALL

(Point Guard, Illawarra Hawks, NBL) Unter den kontroversesten Top-Talenten der NBA-Draft 2020 nimmt LaMelo Ball noch mal eine Sonderstellung ein. Immerhin hat vermutlich jeder NBA-Fan seine eigene Meinung zum jüngsten Sprössling der Ball-Familie – unabhängig davon, ob der Basketball-Liebhaber jemals ein Spiel von ihm gesehen hat. Chino Hill (Kalifornien), Prienai (Litauen), SPIRE Institute (Ohio) und Wollongong (Australien): Die bisherigen Karrierestationen von Ball lesen sich eher wie die Vita eines gescheiterten NBA-Aspiranten statt eines potenziellen ersten Picks. Entsprechend schwierig gestaltet sich auch für NBA-Teams und Draft-Journalisten die Evaluation des Spielmachers. Während Ball zu Beginn seiner Highschool-Tage dem „wilden Spiel“ frönte und kaum Rückschlüsse auf sein Talent möglich waren, präsentierte sich der 18-Jährige in Australien bei den Illawarra Hawks weitaus reifer. Im Gegensatz zu seinem Bruder Lonzo ist LaMelo ein primärer Ballhandler, der eine Defensive mit seinem Scoringund Passspiel gleichermaßen unter Druck setzen kann. Aufgrund einer Fußverletzung machte Ball sein letztes NBL-Spiel am 08. Dezember – es war seine letzte Partie für die Hawks, wie er am 16. Januar bekannt gab. Somit wird es für die NBA-Scouts auch im Fall von LaMelo Ball kein weiteres Anschauungsmaterial vor der Draft geben.

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„DIE MOCKDRAFTS VON GIVONY SETZEN DEN STANDARD“

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icky O’Donnell gehört ohne Zweifel zu den renommiertesten Draft-Journalisten und CollegeBasketball-Experten, die die amerikanische Medienlandschaft zu bieten hat. Für SB Nation analysiert O’Donnell die NBA-Draft seit vielen Jahren, seine Mockdrafts gehören zu den meistrezipierten Listen. Im FIVE-Interview spricht er über die allgemeine Aussagekraft der Mockdrafts und wie er den kommenden Draft-Jahrgang einschätzt. FIVE: Ricky, zum Einstieg würde ich mit dir gerne über das psychologische Phänomen des „Groupthink“ im Kontext der Draft-Berichterstattung sprechen. Als „Gruppendenken“ wird ein Prozess beschrieben, in dessen

Wenn die Draft schließlich näher rückt, ist Givony derjenige unter uns, der am ehesten sagen kann, in welche Richtung die Teams bezüglich der Spieler tendieren. Ich glaube, dass alle anderen Journalisten, die für ihre Arbeitgeber „Mocks“ verfassen, die Artikel von Givony als Grundlage nehmen. Von daher: Ja, es gibt definitiv eine Form der gegenseitigen Beeinflussung.

Verlauf verschiedene Personen ihre eigenen Meinungen an die erwartete Gruppenmeinung anpassen. Findet sich deiner Einschätzung nach dieses Phänomen auch bei den Journalisten wieder, die Mockdrafts veröffentlichen? Ricky O’Donnell: Ja, absolut. Wenn es darum geht, eine Mockdraft zu erstellen, habe ich das Gefühl, dass Jonathan Givony von ESPN der einzige Reporter ist, der von den NBA-Teams und -Scouts wirklich tiefergehende Informationen erhält. Seine Mockdrafts setzen den Standard, an dem sich alle anderen orientieren. Der Trick besteht dann darin, herauszufinden, was er wirklich weiß und in welchem Bereich er Prognosen aufstellt. Zu Beginn der NCAA-Saison spiegeln seine Mockdrafts den Konsens unter den Scouts wider.

BRANDON CLARKE

Findet diese Form der Beeinflussung auch in den Büros der NBA-Teams statt? Bekräftigen die populärsten Mockdrafts die vorherrschende Meinung zu den NBA-Talenten – oder arbeiten die NBAManager da komplett autark? Was den Aspekt der Beeinflussung betrifft, würde ich sagen, dass es eher andersrum läuft: Die Teams beeinflussen die Meinung von Givony, der dann alle anderen beeinflusst. Den größten Einfluss aber haben meiner Meinung nach die Highschool-Recruiting-Ranglisten, vor allem in der „One-and-Done“-Ära. Spieler, die nach ihrer Highschool-Zeit in den Ranglisten von ESPN oder 247Sports weit oben stehen, sind in der Regel auch diejenigen, die an der Spitze der frühen Mockdrafts stehen. Sie bekommen in ihren Karrieren mehr Chancen eingeräumt. Also ist das Mantra „Potenzial vor Produktivität“ in den Köpfen der NBAScouts und -Manager tief verankert? Ja, ich glaube, dass die Mannschaften immer noch weitgehend von den Highschool-Rankings und dem Potenzial der Spieler beeinflusst werden. Ich muss hier an Brandon Clarke denken. Seine basketballerische Klasse war vergangene Saison mehr als offensichtlich, und doch verschmähten ihn so viele NBA-Teams, da sie lieber auf die Upside der jüngeren Spieler setzten ... Richtig. Jeder, der ihn für Gonzaga spielen sah, wusste, dass er einer der besten Spieler in dieser Klasse war. Ehrlich gesagt fand ich es auch lächerlich, dass er bis an Position 21 abgerutscht ist. Ihm mangelte es einfach an Hype. Zudem war er nicht so jung, wie es Lottery-Picks heutzutage normalerweise sind. Es wird interessant sein zu sehen, ob sein Erfolg diese Wahrnehmung ändert. Schlagen wir nun den Haken zur NBADraft 2020. Es ist nahezu überall davon zu lesen, dass die kommende Draft-Klasse so schwach besetzt ist wie seit Jahren nicht mehr. Woher kommt deiner Meinung nach diese negative Reputation? Fehlen die absoluten Top-Prospects? In der letztjährigen Draft-Klasse, die ebenfalls nicht als besonders stark angesehen wurde, waren die meistgehypten

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Fotos: Joe Murphy/Jamie Squire/Getty Images

TYRESE HALIBURTON Talente zugleich auch die Top-Spieler im College-Basketball. Zion war der beste College-Basketballspieler seit vielen, vielen Jahren. Ja Morant war dominant. R.J. Barrett hatte zwar signifikante Schwächen, aber auch er legte sehr gute Zahlen auf. Das ist in diesem Jahr einfach nicht der Fall. Anthony Edwards ist ein Spitzenkandidat auf den ersten Pick, aber er gehört nicht einmal annähernd zu den effektivsten Spielern im College-Basketball. Ich dachte, Cole Anthony würde dieses Niveau erreichen, aber seine Verletzung hat ihn da ausgebremst.

Teams so wichtige Rollen einnehmen. Ihre Limitationen sind aber genauso offensichtlich wie ihre Stärken. Und was ihre Schwächen betrifft, so passen sie nicht mehr wirklich in die moderne NBA.

Du hast die fehlende Produktivität der angepriesenen Top-Freshmen angesprochen. Anders liegt da der Fall bei Jungs wie Vernon Carey Jr. (Duke) und Isaiah Stewart (Washington). Sie sind physisch imposante Lowpost-Big-Men, die als College-Neulinge streckenweise dominieren. Aber ins Schwärmen geraten die NBA-Scouts trotzdem nicht ... Richtig. Sie waren hoch gehandelte College-Rekruten, und es ist auch keine große Überraschung, dass sie für ihre

Bei welchem Spieler siehst du die größte „Gefahr“, dass er in zehn Jahren ein weitaus besserer NBA-Spieler ist, als du ihn aktuell prognostizierst? Jaden McDaniels ist für mich ein extremes Beispiel für einen solchen „Boom or Bust“-Spielertyp. Sehr gute Frage. Wiseman ist so ein Spieler, da ich ihn wesentlich tiefer gerankt habe als die meisten anderen Journalisten. Und jedes Mal, wenn du dich vom Konsens entfernst, besteht die Gefahr, dass du

Von welchem NBA-Prospect hast du dir bis dato mehr erhofft? Anthony Edwards. Und ich habe ihn in meiner aktuellen Mockdraft trotzdem noch an erster Stelle. Er ist einfach noch so verdammt jung und besitzt alle physischen Voraussetzungen. Aber ein besonders guter Basketballer ist er momentan noch nicht.

später dämlich aussiehst. Deni Avdija ist ein anderer Kandidat. LaMelo Ball gehört für mich auch in diese Kategorie. Zum Schluss noch eine Frage, die die allgemeine Bewertung der NBA-Draft 2020 betrifft. Mit Tyrese Haliburton, Devin Vassell, Aaron Nesmith, Obi Toppin, Paul Reed oder auch Aaron Henry gibt es einige Spieler, die mehr als eine NCAASaison hinter sich haben und denen ich anhand ihrer Skills gute Aussichten auf eine langjährige NBA-Karriere einräumen würde. Ist die Draft in diesem Jahr vielleicht auch einfach in der Breite stärker als in der Spitze? Das ist möglich. Ich mag Devin Vassell zum Beispiel sehr. Es geht halt darum, dass du für solche Spieler eine klare Rolle findest, in der sie aufblühen und ihre Stärken zur Geltung bringen können. Aber was das Talentlevel eines Superstars betrifft ... Spieler, die in der NBA wirklich den Unterschied machen können, sehe ich in dieser Draft nicht. Ich kann es aber kaum erwarten zu sehen, wer uns positiv überraschen wird.

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RAMBO IN BARCELONA Brandon Davies ist einer der besten Center der Euroleague. Im Interview spricht er über seine Vergangenheit im Mormonenstaat Utah, den Wechsel nach Barcelona und sein Stirnband. Text und Interview: Martin Vogel

Fotos:Rodolfo Molina/Euroleague Basketball via Getty Images

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1:28 Uhr in einer Hotellobby im Münchener Norden. In zwei Minuten soll das Interview mit Brandon Davies vom FC Barcelona starten, doch bislang gibt es noch keine Spur von den Katalanen. Plötzlich leuchten alle Journalisten-Handys im Umkreis auf. „Sorry, kommen jetzt erst am Flughafen los, gab Probleme mit dem Gepäck“, meldet der BarçaPressesprecher. Jetzt erst am Flughafen los? Dann darf noch einmal gechillt werden – Ortskundige wissen, dass es mindestens noch eine Stunde dauern wird, bis es losgeht. Zeit, noch einmal den Werdegang des FCB-Centers zu studieren: geboren in Philadelphia, aufgewachsen in Provo, Utah. Seine College-Zeit verbringt Davies an der Brigham Young University in seiner Heimatstadt, wo er gemeinsam mit

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Jimmer Fredette 2011 ins Sweet Sixteen vorstößt. Wobei der Sophomore, der bis dahin mit 11,1 Punkten und 6,2 Brettern im Schnitt einer der Schlüsselspieler des an dritter Stelle gerankten Teams war, damals nicht mitspielt … Davies hat den „Honor Code“ der von Mormonen geführten Uni verletzt und wird vor Beginn des NCAA-Turniers suspendiert. Der Grund, so schreibt es damals die „Salt Lake Tribune“: Davies hatte Sex mit seiner Freundin … vorehelichen Sex. Das ist an der BYU sämtlichen Studenten verboten, ebenso wie


Alkohol, Kaffee, Tee oder Fluchen. Obwohl die Suspendierung den Cougars wohl die letzte Chance auf den Titel nimmt, sagt Fredette damals: „Die Sache tut ihm mehr weh als uns.“ Davies exmatrikuliert sich zunächst, doch das Ethik-Komitee der Uni erlaubt ihm im Herbst die Rückkehr auf den Campus und ins Team der Cougars. Den Erfolg der 2011er-Saison kann er aber nicht wiederholen: Im Jahr darauf reicht es immerhin noch für die zweite Runde im NCAA-Turnier, 2013 endet seine CollegeKarriere im NIT-Halbfinale gegen Baylor. In der NBA-Draft des folgenden Sommers geht Davies leer aus, doch er erkämpft sich einen Platz im Kader der Philadelphia 76ers. Zu dieser Zeit durchläuft die Franchise in seiner Geburtsstadt den „Process“ unter Manager Sam Hinkie. Siege sind unerwünscht, frühe Draftpicks müssen her. Nach 71 Auftritten für die 76ers wird er für den Zweitrundenpick 2020 der Nets, Jorge Gutierrez (der inzwischen bei den Hamburg Towers spielt), und Andrei Kirilenko (der sich nicht einmal die Mühe macht, in Philly aufzutauchen, und deswegen nach vier Wochen erst suspendiert und kurz darauf entlassen wird) nach Brooklyn getradet. Bei den Nets endet nach gerade einmal sieben Spielen Anfang 2015 sein NBA-Traum vorerst. Davies’ Karriere geht in Europa weiter: Zunächst direkt nach seinem NBA-Aus bei Élan Chalon in Frankreich, in den Jahren darauf beim italienischen Traditionsklub Varese und bei AS Monaco, ehe er 2017 beim Euroleague-Klub Zalgiris Kaunas unterschreibt. Gleich in seiner ersten Saison unter Trainer Sarunas Jasikevicius gehören die Jungs in Grün überraschend zu den Topteams der Euroleague: Davies, Aaron White (ehemals Bonn) und der Ex-Münchener Vasilije Micic stürmen ins Final Four, wo sie sich zwar im Halbfinale Fenerbahce geschlagen geben müssen, aber dank eines 79:77 über ZSKA Moskau immerhin Platz drei sichern. Vergangenes Jahr kommt dann der endgültige Durchbruch für Davies: Mit 14,2 Punkten und 5,5 Rebounds in gerade einmal 24 Minuten auf dem Parkett sichert sich der Amerikaner einen Platz im „AllEuroleague First Team“ und einen neuen Zwei-Jahres-Vertrag im Starensemble des FC Barcelona. Es ist inzwischen 22:45 Uhr, als der 28-Jährige aus dem Aufzug in die Lobby schlurft. Zeit für ein Late-NightInterview mit Davies … FIVE: Du bist in Utah aufgewachsen. In kaum einem US-Bundesstaat gibt es so wenige Afroamerikaner. Dann bist du 2,08 Meter groß, spielst Basketball – hast du dich in deiner Jugend manchmal am falschen Ort gefühlt? Brandon Davies: Nein, nicht wirklich. Ich wurde adoptiert, meine Mutter ist

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1,50 Meter groß und weiß, meine beiden Geschwister kommen aus Indien – Hautfarben bedeuten mir nichts. Natürlich bemerkst du das ein oder andere, wenn du älter wirst, aber ich war sowieso vor allem mit Sportlern befreundet. Und es gibt eine große Community von Polynesiern in Utah. Es ist also deutlich vielfältiger, als die Zahlen vielleicht aussagen. Du bist Mormone. Hast du dir damals die Frage gestellt, ob du aufs College gehen oder zwei Jahre missionieren sollst, wie es beispielsweise Shawn Bradley gemacht hat, der ebenfalls an der BYU war? Ich habe darüber nachgedacht, aber das wäre damals einfach nicht das Beste für mich gewesen. Aber ich habe durch Basketball die Chance genutzt zu missionieren. Wenn meine Karriere vorbei ist, können meine Frau und ich uns gut vorstellen, danach noch einmal auf eine Mission zu gehen.

Fotos:Giuseppe Cottini/Rodolfo Molina/Euroleague Basketball via Getty Images

Nach der Highschool hattest du einige Angebote von renommierten BasketballColleges, hast dich aber für die Brigham Young University in deiner Heimat entschieden. Konntest du dir damals schon vorstellen, dass du auch da genug Aufmerksamkeit für dein Game bekommst, oder waren die Gründe für deine Entscheidung andere? Ich habe mich da einfach wohl gefühlt. Meine Highschool war auf der anderen Straßenseite, ich musste einfach nur über einen Zebrastreifen gehen, und schon war ich auf dem Campus. Ich war BYU-Fan, als ich aufgewachsen bin, viele meiner Freunde haben dort gespielt. Es war trotzdem eine harte Entscheidung, am Ende hatte ich die Wahl zwischen BYU, Gonzaga und CalBerkeley. Aber für deine Heimat zu spielen, vor meiner Familie zu spielen – das hat den Ausschlag gegeben. Du bist einer der besten Center der Euroleague. Wer ist deiner Meinung nach da noch in deiner Kategorie? Es gibt viele gute große Spieler dieses Jahr, viele Jungs, die in der NBA gespielt haben oder gute Karrieren in Europa hatten. Eigentlich hat jedes Team mindestens einen Spieler mit NBA-Kaliber. Wer ist für dich das schwierigste Matchup in Europa? Puh, keine Ahnung. Keiner ist einfach, aber ich finde auch gegen jeden einen Weg, um mich durchzusetzen. Du bist im Sommer von Zalgiris Kaunas nach Barcelona gewechselt. Die Litauer sind zwar ein großer Name im europäischen Basketball, aber Barcelona ist ein Weltklub. Spürst du Unterschiede zwischen den Vereinen? Es gibt sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede. In Kaunas fühlst du einfach die Liebe der Fans, es ist eine absolute Basketballstadt und ein Basketballland.

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Barcelona ist natürlich bekannt für Fußball, aber auch wir haben sehr leidenschaftliche Fans. Mir macht es eine Menge Spaß, es ist für mich ein großer Schritt in meiner Karriere gewesen. In den USA machen ja viele keinen Unterschied zwischen den verschiedenen europäischen Ligen – „overseas is overseas“. Bekommst du eine andere Art von Respekt, seit du für einen Klub spielst, den man auch drüben kennt – wenn auch vor allem für die Fußballabteilung? Der Name hat natürlich ein größeres Renommee. Es gibt eine Menge Ignoranz in den USA, was das angeht. Da nehme ich mich nicht aus. Bevor ich nach Litauen gegangen bin, wusste ich auch kaum etwas über das Land – und es war ein großartiger Ort, und ich werde das Land immer lieben. Wenn ich Leuten erzähle, dass ich bei Barcelona unterschrieben habe, wissen sie zumindest, wo das ist, und sie wissen, dass da eine Geschichte dahintersteckt. Es ist einfach bekannter. In deiner Jugend hast du Fußball gespielt. War das auch schon ein Grund für dich, nach Barcelona zu gehen? Ja, da war ich noch so groß wie meine Freunde. Ich war ziemlich schnell, aber dann gab es einen Wachstumsschub, und ich hatte plötzlich Bambi-Knie (X-Beine, d. Red.) … ich musste mich ganz neu mit meinem Körper zurechtfinden, hatte Schmerzen und war plötzlich so viel größer als alle anderen. Da habe ich dann was Neues gesucht und bin zum Basketball gekommen. Aber ich war kein Fan oder so, ich habe einfach nur Fußball gespielt, weil meine Freunde das gespielt haben. Das kam dann erst, als ich nach Europa gekommen bin. Aber jetzt bin ich der größte Barcelona-Fan von allen und gucke alle Spiele!

„Dieses Jahr gibt es Mannschaften, die in einem Spiel völlig chancenlos sind und im nächsten Spiel wie ein Titelaspirant aussehen.“ -----------

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weniger werden, wenn die Saison in ihre heiße Phase geht. Dann kann ich dir eher sagen, wer wirklich um den Titel mitspielt.

Im Sommer hat Barça richtig zugeschlagen: Neben dir sind auch noch Malcolm Delaney und Nikola Mirotic gekommen. Da ist alles außer dem Euroleague-Titel eine Enttäuschung. Spürt ihr da besonderen Druck? Die Einkäufe waren für mich auf jeden Fall ein Grund, hier zu unterschreiben. Unser Manager Nacho Rodriguez hat mir seine Vorstellung des Kaders beschrieben und erklärt, was er erreichen will. Uns allen ist also klar, was die Ziele sind. Natürlich ist da Druck, aber nicht nur von außen, sondern auch bei uns intern in der Mannschaft. Wir wissen: Wenn alles gut läuft, haben wir alles, was wir brauchen, um Titel zu gewinnen. Aber dafür müssen wir eben auch arbeiten.

In Kaunas hast du für Sarunas Jasikevicius gespielt, der seinerseits unter Svetislav Pesic 2003 die Euroleague mit Barcelona gewonnen hat. Hast du im Vorfeld mit ihm über den Wechsel gesprochen? Was hat er dir geraten? Ja, ich habe mich ein bisschen mit ihm abgesprochen. Nicht nur, was Barcelona angeht, auch andere Teams. Wenn einer sich in Europa auskennt, dann er! Die Entscheidung habe ich natürlich selbst getroffen, und er hätte sich auch gefreut, wenn ich nicht hier gelandet wäre. Aber zu wissen, dass er hier war und Titel gewonnen hat, ist gut. Er ist immer noch ein Mentor für mich, und ich versuche ein bisschen in seine Fußstapfen zu treten, auch wenn er eine andere Position gespielt hat.

Gibt es ein Team, das euch auf eurem Weg stoppen kann? Schwer zu sagen. Dieses Jahr gibt es Mannschaften, die in einem Spiel völlig chancenlos sind und im nächsten Spiel wie ein Titelaspirant aussehen. Das wird

Siehst du Gemeinsamkeiten in ihren Coaching-Stilen? Beide wissen genau, was sie wollen und wie sie das wollen. Am Anfang ist das für manche Spieler schwierig. In meinem ersten Jahr in Kaunas musste ich erst


meine Rolle finden, aber das hat mir geholfen, im zweiten Jahr aufzublühen. Das ist mit Coach Pesic ähnlich, auch wenn ich dieses Jahr einen deutlich besseren Start hatte. An der BYU musstet ihr einen Ehrenkodex unterschreiben, der euch unter anderem verboten hat, „ordinäre Sprache“ zu verwenden. Du spielst ja jetzt schon ein paar Jahre in Europa – wie viele deiner Coaches hätten an deiner Uni den ersten Monat überstanden? (lacht) In Europa verstehst du ja zum Glück nicht alles, was die Trainer immer so zu dir sagen. Bis das so weit wäre, hätten sie also eine Chance.

Wenn du die Wahl hättest, was würdest du nehmen: einen nicht garantierten Vertrag bei den Utah Jazz in deiner Heimat oder einen Drei-Jahres-Vertrag bei einem Euroleague-Klub? Das ist eine schwierige Frage. Nach dem Ende jedes Vertrages überlegst du hin und her, aber ich habe eine Familie, und ich muss auch an sie denken. Momentan läuft es super für mich hier in Europa, es müsste also schon ein ziemlich lukrativer und vorteilhafter Vertrag sein, damit ich in die NBA gehe. Du spielst mit einem Ninja-Stirnband, wechselst regelmäßig deine Schuhe – bist du ein Styler? Ich hab schon in meiner NBA-Zeit immer ein Stirnband getragen. Jetzt trage ich das Rambo-Stirnband. Der Name kommt von unserem Equipment Manager: Als er mich das erste Mal in der Vorbereitung sah, hatte ich ein Spiel, in dem ich so richtig wütend war. Ich wollte mit Leuten kämpfen, bin die ganze Zeit Bällen hinterhergesprungen, solche Sachen. Nach dem Spiel kam er zu mir: „Mann, du sahst aus wie Rambo da draußen!“ Der Name blieb dann hängen, und jetzt ist es für mich so eine Art Alter Ego auf dem Feld. Es passt aber auch zu

meinem Spiel. Ansonsten bin ich einfach ein Sneakerhead, aber ich gucke immer, was sich am besten anfühlt. Hat du einen Lieblingssneaker? Momentan mag ich den „LeBron 16“ gerne. Als ich aufgewachsen bin, hab ich „Air Force 1“ gesammelt, alle Farben. Meine Sammlung wächst natürlich ständig, auch viele Jordans, aber zum Spielen bleibe ich bei den LeBrons. Ich versuche Farben zu tragen, die auch zu unseren Trikots passen, manchmal auch einfach, indem ich die Schnürsenkel wechsle. Die schwarz-weißen Schuhe trage ich dann mit gelben Schnürsenkeln zum gelben Trikot, zu unseren weinrot-blauen Trikots die weinroten Schuhe. Nach dem Spiel bei Panathinaikos Athen hast du mit deinem alten College-Kumpel Jimmer Fredette das Trikot getauscht. Welches ist dein All-Time-Favorite, was Jerseys angeht? Das klassische lila Jazz-Trikot mit den schneebedeckten Bergen von Karl Malone. Er ist ein Vorbild, ich habe mir viel von ihm abgeguckt. Oder auch ein DominiqueWilkins-Throwback, das würde ich auch anziehen. redaktion@fivemag.de

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Andrea Trinchieri, Luca Banchi, Ainars Bagatskis, Federico Perego – und nun Roel Moors. Brose Bamberg hat in der Offseason erneut einen Trainerwechsel vollzogen, um ein junges Team zu entwickeln. Wie macht Moors dies taktisch? Text: Manuel Baraniak

Fotos: TF-Images/Getty Images

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ie einzige Konstante ist Veränderung. Dieser Kalenderspruch könnte gut und gerne an der Wand des Bamberger Headquarters hängen. Denn kaum ein Team hat in den vergangenen Jahren so viele Veränderungen durchgemacht wie Brose Bamberg. Vor zwei Spielzeiten noch Teil der Euroleague, laufen die Oberfranken nun in der FIBA Basketball Champions League auf. Der Name täuscht jedoch: Die Champions League gilt als drittstärkster der vier europäischen Wettbewerbe – Champions spielen anderswo. Fünf Trainer standen in den vergangenen eineinhalb Jahren an der Seitenlinie: Auf Maestro Andrea Trinchieri folgte nach dessen Entlassung im Februar 2018 Luca Banchi, der im nachfolgenden Sommer Ainars Bagatskis Platz machen musste. Auch der musste im Saisonverlauf gehen, im Januar 2019 übernahm der bisherige Assistant Coach Federico Perego – mit dem über das Saisonende hinaus aber nicht verlängert wurde. So stellten die Bamberger im Juni 2019 Roel Moors als neuen Headcoach vor.

Bundesligamannschaft insbesondere die Entwicklung und Einbindung junger Spieler“, hatte de Rycke die Verpflichtung von Moors erklärt. Das lässt sich schon allein beim PointGuard-Wechsel von Rice (32 Jahre alt) zu Lee (24) beobachten, gilt aber vor allem mit Blick auf den einheimischen Nachwuchs. So überzeugt der 21-jährige Forward Louis Olinde (siehe Spieler im Fokus) mit einer in dieser Saison klar definierten Rolle. Aus München liehen die Bamberger den 20-jährigen Combo-Guard Nelson Weidemann aus – der als Energizer sogar schon in der Startformation stand. Olinde und Weidemann gewannen 2016 als Teil der U18-Nationalmannschaft das renommierte Albert-Schweitzer-Turnier. Christian Sengfelder zählt als 1995er Jahrgang nicht mehr zu den „Talenten“, der Power Forward absolviert nach seiner CollegeKarriere aber auch erst seine zweite Profistation und zeigt sich nach seinem Wechsel von Braunschweig nach Bamberg stark verbessert. Vor allem dank dieser drei deutschen Akteure lohnt sich in dieser Saison ein Blick nach Bamberg.

Defense statt Offense

Post statt Pace

Das Final Four der FIBA Basketball Champions League verlief aus Bamberger Sicht enttäuschend: Eine Mannschaft, die eigentlich mehr offensiv ausgerichtet war, kam weder im Halbfinale noch im Spiel um den dritten Platz über 58 Punkte hinaus. Warum dies mit Blick auf die aktuelle Bamberger Mannschaft erwähnenswert ist? Im Duell um den dritten Platz ging es für die Oberfranken gegen die Antwerp Giants, die damals von Roel Moors trainiert wurden. Moors nahm im vergangenen Sommer sowohl seinen Assistant Coach Thomas Crab als auch seinen Point Guard Paris Lee von Belgien nach Bamberg mit. Diese Transfers vollzogen hatte der neue Sportdirektor Leo de Rycke, der – welch Überraschung – ebenfalls zuvor in Antwerpen aktiv gewesen ist. Lee mag im Duell gegen Bamberg mit drei Punkten nicht aufgefallen sein, dafür sorgte der Guard aber dafür, dass Bambergs Offensivmittelpunkt Tyrese Rice nicht über acht Punkte hinauskam. Diese Veränderung auf der Point-Guard-Position kann als beispielhaft für die gesamte Bamberger Umstrukturierung gelten: Die Verteidigung soll wieder im Mittelpunkt stehen. Da die Taktikreihe die Offensive Bambergs behandelt, sei nur kurz erwähnt: In der Tat steigerten sich die Bamberger vom elftbesten Defensivrating 2018/19 zum zweitbesten in der laufenden Spielzeit! „Brose Bamberg möchte sich neu aufstellen. Das betrifft neben der

Sengfelder ist Teil einer äußerst soliden Big-Men-Troika, die von Elias Harris und BBL-Rückkehrer Assem Marei komplettiert wird. Dieses Trio sorgt dafür, dass die Bamberger wohl das Team in der BBL sind, das am häufigsten den Weg zum Zonenrand sucht. Im Erhebungszeitraum der acht BBLSpiele von Mitte November 2019 bis Mitte Januar 2020 entfielen ganze 11,3 Prozent der Offensivaktionen auf ein Postup – die dritthäufigste Abschlussart nach SpotupAktionen und Abschlüssen eines Ballführers im Pick-and-Roll. Vor allem Marei überzeugt beim Spiel mit dem Rücken zum Korb. Der Center besitzt eine erstklassige Fußarbeit – trotz seiner 113 Kilogramm. Beim Spinmove springt er förmlich um die eigene Achse. Marei nimmt überhaupt eine wichtige Rolle in der Offensive ein – auch als Blocksteller. Der Center dürfte zusammen mit Aufbauspieler Paris Lee das Duo in der BBL bilden, das mit die meisten Side-Pick-and-Rolls läuft. Der rechts skizzierte Spielzug endet derweil mit einem hohen Pick-and-Roll des Guards und des Centers. Auch wenn das Two-Man-Game zwischen Lee und Marei eine Bamberger Primäroption ist, im Halbfeldangriff zeigt sich das Team bislang wenig variabel. Lee mag mit seiner Schnelligkeit überzeugen, doch sein Pullup-Dreier nach einem Block fällt zu selten (4 von 15 Dreiern im hier erhobenen Zeitraum).

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Bamberg verpflichtete Retin Obasohan nach – der als Kugelblitz aber mehr zu einem Fastbreak-Stil passt, als dass er ein guter Spielmacher im Setplay ist. Doch diese Mannschaft spielt nicht sehr schnell: Nur zwei BBL-Teams weisen eine niedrigere Pace auf. Überhaupt das Ballhandling: Nur 0,69 Punkte erzielen die Bamberger nach einem direkten Block pro Possession, bei jeder vierten Aktion begehen die Ballführer einen Turnover. Das ist ineffizient. Mehr Post statt Pace, viele direkte Abschlüsse aus dem Pick-and-Roll, hingegen wenige Aktionen nach ballfernen Blöcken (ein Anteil von nur 4,7 Prozent an allen Abschlussarten) oder nach Cuts (6,8 Prozent): Die Offensive der Bamberger kommt fast schon etwas antiquiert daher, zumal Moors’ Playbook nicht sehr groß ausfällt. Mit fünf 40-Prozent-Dreierschützen und starken Post-Spielern präsentiert sich die Inside-outside-Balance dennoch gut. Das Problem: Mit 22 Dreiern nehmen die Bamberger die drittwenigsten der Liga. Dass Moors offensiv aber durchaus innovative Ideen hat, beweist der Coach nach Auszeiten – wenn er beispielsweise ein ReversePick-and-Roll laufen lässt (dann stellt ein kleiner Spieler einen Block am Ball für einen Big Man) oder bei einem Einwurf-Spielzug wie CelticsCoach Brad Stevens einen Skip-Pass in die ballferne Ecke aufzeichnet.

Rück- statt Fortschritt? Dennoch hapert es an Effizienz sowie Variabilität, womit die Bamberger offensiv leicht auszurechnen sind. Vor allem, wenn es in eine Crunchtime ging, stand die Mannschaft offensiv vor großen Problemen: Von sieben Spielen, die in der BBL mit fünf Punkten Differenz oder weniger entschieden wurden, verloren die Bamberger sechs! In der Champions League ist die Bilanz bei Crunchtime-Spielen jedoch immerhin ausgeglichen (3-3). Es stellt sich die Frage, wer der Bamberger Entscheider ist. Ein Paris Lee ist nun mal kein Tyrese Rice. Der wechselte übrigens mit Panathinaikos Athen zurück zu einem Euroleague-Klub. „Wir schaffen es nicht, Spiele erfolgreich zu beenden. Vielleicht müssen wir jemanden finden, der Spiele übernehmen und entscheiden kann“, erklärte Moors nach der 85:86-Heimniederlage gegen Vechta. Wohin führt der Bamberger Weg also? Es stellt sich mittelfristig ebenfalls die Frage, ob Bamberg als Champions-League-Team in der BBL-Hierarchie nicht weiter abreißen lassen muss. Veränderungen könnte es also auch in Zukunft geben. Wobei das immerhin eine Konstante wäre. redaktion@fivemag.de


spielzug 3

2

4

A

5 1

Depth Chart 2019/ 2020 Pos. Spieler

PG

Paris Lee

Retin Obasohan

SG

Kameron Taylor

Bryce Taylor

Nelson Weidemann

SF

Louis Olinde

Tre McLean

PF

Christian Sengfelder

Darion Atkins

Mateo Seric

C

Assem Marei

Elias Harris

Fünf Guards hin oder her, die Ballhandler-Rolle ist bei Bamberg nicht optimal besetzt. Viele Big Men sind gleichbedeutend mit vielen Postups. Olinde kann in Smallball-Lineups auf die Vier rutschen.

Spieler im Fokus:

Paris Lee (1) bringt den Ball, die Big Men Christian Sengfelder (4) und Assem Marei (5) stehen an den Verlängerungen des Ellbogens. Lee läuft ein Pick-and-Roll mit Center Marei, der zur Birne poppt und den Ball bekommt.

LOUIS OLINDE Was sind die Signature-Moves in der BBL? Da wäre Maodo Los CrossoverDribbling, ehe er zum Pullup-Dreier hochgeht. Da wäre Luke Sikmas Bodenpass hinter dem Rücken, wenn er die Cutter bedient. Da wäre Zoran Dragic’ Fastbreak-Wille oder der einbeinige Dreier von Jovan Novak. In den ersten Saisonmonaten schickte sich auch Louis Olinde an, derart die Liga zu prägen: mit seinen Chase-Down-Blocks. So wurde unter anderem Frankfurts Richard Freudenberg Opfer von Olindes Rettungstat im Zurücksprinten beim Fastbreak. Freudenberg war so optimistisch, zum beidhändigen Dunk hochzugehen – ein gefundenes Fressen für Olinde, um seinen ehemaligen Kollegen aus den Nachwuchsnationalmannschaften zu rupfen. Aus dieser Szene kann man nun zweierlei interpretieren: Zum einen Olindes Defensivstärke – der Forward ist nicht nur mit solchen HighlightPlays zur Stelle, sondern agiert durch seine Explosivität und Armspannweite samt einer Körpergröße von 2,05 Meter sehr vielseitig in der Verteidigung. Da er vornehmlich auf der Drei aufläuft, wird der schlaksige Olinde von stärkeren Gegenspielern auch nicht mehr überpowert – zumal er über den Sommer deutlich an

PLAY-TYPE Spotup transition cut Putbacks Off-Screen isolation Handoff Summe

Muskelmasse zugelegt hat. Stärker geworden ist Olinde auch beim Wurf. Nach 54,2 Prozent in den ersten sieben Saisonspielen traf er in den nachfolgenden sieben Partien jedoch nur noch 23,8 Prozent seiner Dreier (siehe Statistiken unten). Die Wahrheit liegt wie meistens also in der Mitte. Als 40-Prozent-Schütze deutet sich Olindes Potenzial als SpotupVollstrecker an, der sich vor allem in den Ecken wohlfühlt. Wobei Olinde in Zukunft noch vielseitiger agieren dürfte. Hier und da bringt er mal den Ball auf den Boden, um einen PullupJumper zu nehmen, nutzt ballferne Blöcke, um am Korb Größenvorteile auszuspielen, oder agiert mit langen Schritten im Eins-gegen-eins. Dies passiert aber noch zu selten, weil vor allem Olindes Offensivspiel noch im Prozess begriffen ist. Nichtsdestotrotz hat Olinde bereits mit 21 Jahren bewiesen, dass er ein Spiel beeinflussen kann – ohne zu viel zu forcieren. Es schlummert noch so viel Potenzial in ihm. Die zuvor erwähnte Aktion gegen Freudenberg lässt sich noch in einem anderen Licht sehen – mit Blick auf gleichaltrige Spieler: Der Bamberger hat das Zeug, zum besten deutschen Nachwuchsspieler 2019/20 gekürt zu werden.

FREQ% PPP FG% FT FREQ% TO FREQ% 43,5 0,97 29,6 6,7 3,3 15,9 1,45 70,0 9,1 0,0 8,7 1,00 60,0 0,0 16,7 4,3 1,67 100,0 66,7 0,0 4,3 1,0 0,0 66,7 0,0 2,9 1,0 50,0 0,0 0,0 2,9 0,0 0,0 0,0 0,0 100,0 0,96 39,2 14,5 11,6

Die Play-Type-Stats für Louis Olinde aus seinen vergangenen acht BBL-Spielen 2019/20. Legende: Freq% – Prozentsatz der Abschlussart an allen Abschlüssen des Spielers, PPP – Punkte pro Abschluss, FG% – Feldwurfquote, FT Freq% – Wie häufig zieht der Spieler Freiwürfe, TO% Freq – Wie häufig produziert der Spieler einen Ballverlust; Daten: Manuel Baraniak

B

2

3

4 1

HO

5

Sengfelder rotiert Richtung Baseline und stellt einen ballfernen Block für Kameron Taylor (2). Der schneidet nach oben und erhält per Handoff den Ball von Marei.

3

C

4

2

5 HO

1

Nach seinem Block bezieht Sengfelder am Zonenrand Position. Ist das Anspiel nicht möglich, rotiert er in die Ecke. Taylor dribbelt daraufhin zu Lee und übergibt ihm den Ball.

D 3

4

2 5 1

Lee und Marei laufen nun ein hohes Pick-and-Roll, Marei rollt hart zum Korb ab. Ist das Anspiel daraus nicht direkt möglich, kann Lee auch auf Taylor abgeben. Marei positioniert sich dann in der Zone für das Postup, wo er seine Fußarbeit einsetzen kann.

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bbl

Joey

Dorsey

JOEY DORSEY

ÜBER DEN MBC NACH …

Joey Dorsey denkt nicht ans Aufhören. Der 36-jährige Routinier wittert mit seinem Comeback im europäischen Basketball seine Chance auf eine weitere Meisterschaft. Beim Syntainics MBC möchte er mit starken Leistungen im Abstiegskampf die Aufmerksamkeit auf sich lenken, nachdem er fast schon aus dem Blickfeld der Top-Klubs verschwunden war. FÜNF sprach mit ihm und Coach Björn Harmsen über Verteidigung, Fitness und Führungsqualität. Text: Sebastian Finis 84


Fotos: City-Press/Getty Images

D

ie Wölfe des Syntainics MBC spielen in der ersten Saisonhälfte höchstens wie Golden Retriever. Kein Biss in der Verteidigung. Sie stehen am Tabellenende – und das trotz eines überragenden Angriffsspiels mit den zweitmeisten Punkten hinter Alba Berlin. Nach einer Niederlagenserie wird zunächst Coach Wojciech Kaminski im November aus dem Wolfsrudel verjagt und durch Björn Harmsen ersetzt, der den MBC bereits von 2008 bis 2011 trainierte. Harmsen stellt fest, „dass die Defense wie ein Schweizer Käse ist und dass bei der Mannschaft in der Kommunikation auf dem Feld eine gewisse Führungsqualität fehlt“. Insbesondere am Korb kassiert der MBC viele Punkte – gar nicht so sehr von den Big Men, sondern die Guards des Gegners attackieren die Zone der Wölfe nach Belieben. Der Name Joey Dorsey kommt als Verstärkung auf. 129 Kilogramm schwer und 2,06 Meter groß. Die geballte Power auf der Fünf – ein Verteidigungsmonster und Ringbeschützer, eine Vita in den beiden stärksten Ligen der Welt. Das Prädikat „Euroleague-Champion und fünf Jahre NBA“. Ein zu großes Kaliber für den Basketballzwerg-Standort Weißenfels? Nein. Das Management um Planer Martin Geissler kann sich den Alpha-Rüden leisten. Der Grund: Dorsey ist nicht teuer. Für viele Scouts steht er nämlich auf dem Abstellgleis und ist mit 36 Jahren jenseits seines Zenits. Zudem ist der Millionär nicht auf jeden Cent angewiesen. Für den MBC ist Dorsey ein Schnäppchen. Ob er sich als Glücksgriff oder Katze im Sack erweist, wird sich zeigen. „Ich bin einfach froh, wieder in Europa spielen zu können und mich auf höchstem Niveau zu beweisen“, sagt Joey Dorsey gegenüber FÜNF. „Das Gehalt ist für mich nebensächlich.“ Vergangene Saison war der Center nach seinem Engagement bei Panionios Athen quasi unsichtbar für die europäische Basketballszene: In Südkorea quälte er sich jeden Morgen und Abend durch je eine zweieinhalbstündige Trainingseinheit. Dazwischen gab es Mittagessen und Ruhe in Schlafräumen. Nach Hause gehen durften die Spieler nicht – wie in einer Ganztagsschule für Erwachsene. „Jeder Tag war wie ein Sommercamp in der Saisonvorbereitung“, ächzt selbst Dorsey, der in Europa als Arbeitstier bekannt ist. „Das war einfach zu viel für mich!“ Zudem fühlt sich der sehr kommunikative Dorsey beim koreanischen Erstligisten Jeonju KCC sozial isoliert, da außer ihm nur ein Amerikaner im Kader ist. Frustriert kehrt er im Sommer 2019 zu seiner Homebase nach Barcelona zurück und hält sich mit Euroleague-Größen wie Nick Calathes und Kyle Hines fit. Angebote für die Saison 2019/20 sind in der Folge rar für ihn. Dorsey ist vom Radar der großen Klubs verschwunden.

Schließlich war er aufgrund von Verletzungen am Rücken und den Beinen öfter inaktiv. Umso glücklicher ist Dorsey, dass sein neuer Agent George David den Deal mit dem MBC einfädelt. „Ich erwarte von ihm, dass er uns in der Defensive führt“, sagt Coach Harmsen. „Das kann er auf jeden Fall. Ich erwarte von ihm keine 15 Punkte pro Spiel. Er soll uns in der Verteidigung und beim Rebound helfen. Das sind die entscheidenden Faktoren.“ Schon in Dorseys erstem Spiel für den MBC, nur zwei Tage nach seiner Ankunft, zahlt sich dessen Präsenz unter dem Korb aus. Die Wölfe gewinnen am zehnten Spieltag ihr zweites Saisonspiel auswärts in Vechta. Auch wenn weitere Siege zunächst ausbleiben, klickt das Team in der Verteidigung mit Dorsey immer besser. „Ich rede sehr viel mit meinen Mitspielern“, erklärt der Alpha-Rüde. „Die Kommunikation auf dem Feld ist extrem wichtig. Damit kann ich dem Team sehr helfen. Dazu gehört auch, die Spieler aufzumuntern und zusammenzuhalten.“ Das hohe Tempo, welches in der BBL gespielt wird, ist für Dorsey jedoch (noch) eine Herausforderung. Im fortgeschrittenen Basketballeralter hadert er damit, seine knapp 130 Kilo Lebendgewicht im Eiltempo von Korb zu Korb zu bewegen. In Griechenland wird deutlich langsamer gespielt. „Joey hat natürlich noch körperliche Defizite“, erkennt Harmsen. „Er ist von seinem Fitnesslevel nicht auf seinem besten physischen Niveau. Aber er setzt alles daran, dorthin zu kommen. Wenn er auf dem Feld ist, sieht die Verteidigung deutlich stabiler bei uns aus.“ Wahrscheinlich wird Dorsey nicht mehr auf sein ursprüngliches Leistungslevel kommen, da er in seiner Karriere sehr über seine Athletik dominierte und mit nun 36 Jahren keinen Flummi mehr unter den Fußsohlen hat. Dorsey denkt aber nicht ans Aufgeben bzw. Aufhören und kämpft sich stattdessen motiviert zurück. Vier bis fünf Mal in der Woche stemmt er Gewichte (Dorsey: „Ich liebe den Kraftraum!“). Diese Gewohnheit hatte er sich mit Dwight Howard bei den Houston Rockets angeeignet, wo sich beide in der Muckibude jeden Tag ans Limit pushten. Selbst an freien Tagen nach einem Spiel geht Dorsey ins Gym des MBC für ein Ganzkörperworkout sowie ein SkillsTraining mit dem Ball und lässt sich auch von Coach Harmsen nicht bremsen. Sein Trainingseifer beim MBC wird ihm allerdings zum Verhängnis. Im Training beginnt seine Wade zu krampfen, und im folgenden Spiel gegen Oldenburg verletzt er sich schließlich mit einer Einblutung in der Wade und einem leichten Muskelfaserriss – weniger als einen Monat nach seinem Debüt im Wölfe-Trikot. „Joey hat gemerkt, dass er nicht auf dem körperlichen Level ist, auf dem er gerne sein möchte. Deshalb hat er an jedem

freien Tag trainiert. Wenn du eh noch nicht körperlich auf dem höchsten Niveau bist, dann ist schon das normale Training sehr viel für dich“, erklärt Harmsen. „Wenn du zusätzlich noch mal drauftrainierst, kommt es schnell zum Übertraining. Das birgt ein Verletzungsrisiko. Genau das ist auch passiert. Aber das zeigt auch wieder seinen Charakter und seine Mentalität.“ Als sein eigener größter Kritiker ist Dorsey über seinen Ausfall mehr als frustriert: „Der Coach hat mich gewarnt, mich nicht zu sehr zu pushen, eine Pause einzulegen und Geduld mit mir zu haben. Ich habe nicht auf ihn gehört. Die Verletzung war mein Fehler.“ Zum Zeitpunkt des Gesprächs mit FÜNF Mitte Januar strampelt Dorsey noch im Pool statt auf dem Parkett – gelenkschonende Aquagymnastik vor dem Comeback. Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass die Verletzung Dorsey zurückwirft. „Er wird uns nach seiner Rückkehr nur über zehn, 15 Minuten helfen können, und dann wird hoffentlich gegen Ende der Saison wieder mehr kommen“, erwartet Harmsen. Wenn es dann im Abstiegskampf noch nicht zu spät ist … „Ich tue alles dafür, dass der MBC mit meiner Hilfe die Klasse hält“, verspricht Dorsey. Im Abstiegskampf kennt er sich aus. 2017 verhilft er dem letztplatzierten türkischen Klub Best Balıkesir, in der Liga zu bleiben, und erreicht sogar fast die Playoffs. Panionios Athen gehört 2018/19 ebenfalls zu den Abstiegskandidaten, und Dorsey trägt zum Klassenhalt bei. Gleiches gilt für die Saison 2012/13 in der Türkei mit Gaziantep. In sportlichen Krisenregionen hat Dorsey Erfahrung. Seit zwölf Jahren ist der Mann von der Ostküste der USA als Profi aktiv. 2008 erreicht er mit den Memphis Tigers an der Seite von Derrick Rose das NCAAFinale und wird an 33. Stelle von den Houston Rockets gedraftet. Mit seinem Kindheitsidol Tracy McGrady spielt er zwei Jahre bei den Rockets sowie anschließend bei den Sacramento Kings und den Toronto Raptors. Drei Jahre später beginnt seine erfolgreiche Karriere in Europa. 2012 gewinnt er mit Olympiakos Piräus die Euroleague sowie die griechische Meisterschaft, wird Verteidiger des Jahres in Griechenland und reißt in einem Spiel à la Shaquille O’Neal einen Korb ab. 2013/14 wird er mit dem FC Barcelona spanischer Meister, spielt erneut im Euroleague-Final-Four und verdient sich die Rückkehr in die NBA zu den Houston Rockets. „Dieses Jahr habe ich das Ziel, der beste Rebounder der BBL zu werden“, verrät der Routinier. „Und bevor ich mit dem Spielen aufhöre, möchte ich einen weiteren Titel in Europa gewinnen.“ Der MBC ist sein Sprungbrett … es wird sich zeigen, wohin. redaktion@fivemag.de

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BBL

Greg

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„DER COURT KOMMT MIR KLEINER VOR“ Greg Monroe kommt! Mit diesem Paukenschlag schockte der FC Bayern Basketball im Sommer die Konkurrenz – zumindest national. Denn während es in der BBL für den amtierenden Meister läuft, ist die Euroleague-Saison

Fotos: Zach Beeker/NBAE via Getty Images

1

2,5 Punkte, 4,9 Rebounds, 2,9 Assists und bärenstarke 59,6 Prozent aus dem Feld – das sind die Werte, die Greg Monroe in der BBL erzielt. Und das in weniger als 20 Minuten Einsatzzeit pro Partie. Der Mann, den sie wegen seiner tiefen Stimme „Moose“ (Elch) nennen, dominiert unter den Körben der Bundesliga – ganz so, wie es sich die Verantwortlichen in München nach der Verpflichtung des NBA-Veteranen (632 Spiele) erhofft hatten. Für Detroit, Milwaukee, Phoenix, Boston, Toronto und Philadelphia kann Gregory Keith Monroe Karrierewerte von 13,2 Punkten und 8,2 Rebounds bei einer Feldwurfquote von 51,4 Prozent vorweisen. Der Transfer des Centers, der fast zehn Jahre in der NBA spielte und dabei mehr als 75 Millionen US-Dollar verdiente, war ein weiteres Ausrufezeichen des FC Bayern Basketball. Als 2,11 Meter großer Brecher der älteren Schule sollte der Linkshänder auch in der Euroleague zum Faustpfand der Bayern werden. Mit 12,7 Punkten, 6,7 Rebounds und 2,4 Assists pro Partie sind seine individuellen Werte in der Königsklasse – bei etwas höherer Einsatzzeit – sogar noch besser als in der Bundesliga. Dennoch lief es in den ersten Monaten überhaupt nicht für sein neues Team. Headcoach Dejan Radonjic

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bisher ein Desaster. FÜNF hat den Star-Center nach seiner Erklärung gefragt, mit ihm über ein mögliches Karriereende gesprochen und von seiner Vorliebe für Deftiges erfahren. Text und Interview: Peter Bieg kostete die Formkrise der Bayern in der Euroleague, wo die Playoffs früh außer Reichweite gerieten, schlussendlich den Job. FÜNF hat nach der Niederlage gegen Olympiakos Piräus mit Greg Monroe über die Münchner Krise und viele weitere Themen gesprochen. FÜNF: Greg, gerade habt ihr in der Euroleague beide Spiele eines Doppelspieltages verloren, zuerst gegen Panathinaikos Athen, dann gegen Olympiakos Piräus. Wo liegt der Unterschied zur Bundesliga, wo Bayern München lange ungeschlagen blieb und die Tabelle anführt? Greg Monroe: Wenn ich das wüsste … es ist wirklich schwer zu sagen. Es ist natürlich ein anderer, härterer Wettbewerb, und wir haben da in den vergangenen Wochen ziemlich unseren Rhythmus

verloren. Wir müssen einen Weg finden, endlich wieder in die Erfolgsspur zu kommen und die Euroleague-Saison so anständig wie möglich zu beenden. Den einen entscheidenden Unterschied zur BBL sehe ich eigentlich nicht. Vor einigen Wochen hat dein neuer Klub Headcoach Dejan Radonjic freigestellt und bis zum Saisonende durch einen seiner bisherigen Assistenten, Oliver Kostic, ersetzt. Wie würdest du diese beiden Coaches vergleichen? So unterschiedlich sind die beiden aus meiner Sicht gar nicht. Oliver Kostic möchte, dass wir etwas schneller spielen, mehr rennen. Coach Radonjic ging es da noch mehr um Struktur, um Stabilität. Er wollte, dass wir so gut wie möglich auf den Ball aufpassen und überlegte Entscheidungen treffen. Insgesamt finde ich ihre Stile aber recht ähnlich. Und nachdem du so lange sehr erfolgreich in der NBA gespielt hast und jetzt erstmals in Europa unterwegs bist, wo siehst du den größten Unterschied zum Basketball in der NBA? Das Spiel ist insgesamt etwas schneller, das ist der Hauptunterschied. Und das Spacing ist anders: In der NBA haben einzelne Spieler mehr Platz für Isolationen, ob auf dem Flügel oder im Post. Hier ist alles etwas dichter, die


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bbl

Greg

Monroe

Rotationen sind schneller, und der Court kommt mir insgesamt kleiner vor. Und was das Training angeht? Ja, das war mir vorher klar: Es gibt hier etwas weniger Spiele als in der NBA, was es uns erlaubt, mehr zu trainieren. In der NBA bist du nur unterwegs, und obwohl wir auch hier durch die Doppelbelastung aus BBL und Euroleague immer wieder reisen, haben wir auch regelmäßig die Gelegenheit, mehrere Tage einfach nur zu trainieren und konzentriert zu arbeiten. Hast du hier mit dieser erhöhten Trainingsintensität etwas Neues lernen können? Nun ja, Basketball ist immer noch Basketball. Und obwohl es diese angesprochenen Unterschiede gibt, verlangen die Coaches von mir mehr oder weniger das Gleiche wie zuvor in der NBA. Insofern mache ich da jetzt nichts großartig anders als zuvor. Ich habe meine Bewegungen, meine Routinen – und die wiederhole ich, um sie stabil abrufen zu können.

Fotos: Hannes Magerstaedt/Getty Images for Paulaner/TF-Images/Getty Images

Wie lange hast du gebraucht, um dich an das europäische Spiel zu gewöhnen? Es geht ja nur darum, einige Ideen zu verstehen und zu verinnerlichen. Das waren vielleicht ein, zwei Spiele, die das gedauert hat. Vielleicht waren es auch eher vier, fünf Spiele – denn am Anfang war ja wirklich alles neu für mich. Das Land, die BBL, die Euroleague. Es gab da schon viele Kleinigkeiten, die ich verstehen musste. Also nach vier, fünf Partien habe ich wirklich verstanden, was die Coaches von mir wollen und wie das Zusammenspiel mit meinen Teamkollegen am besten funktioniert.

„Es gab da schon viele Kleinigkeiten, die ich verstehen musste. Also nach vier, fünf Partien habe ich wirklich verstanden, was die Coaches von mir wollen.“

Wer waren in der Euroleague bisher die schwierigsten Gegenspieler für dich? Die Center-Position in der Euroleague ist insgesamt sehr gut besetzt, und es kann jetzt sein, dass ich den einen oder anderen vergesse. Dafür schon einmal Entschuldigung. Am gestrigen Abend habe ich etwa gegen Nikola Milutinov von Olympiakos Piräus gespielt, ein sehr guter Spieler. Aber auch Tarik Black und Othello Hunter von Maccabi Tel Aviv sind ein sehr starkes Gespann auf der Fünf. Ante Tomic und Brandon Davies vom FC Barcelona, das ist auch ein sehr starkes Center-Duo. Wie gesagt, ich habe bestimmt den einen oder anderen vergessen. Aber das waren jetzt die Gegenspieler, die mir als Erstes in den Kopf gekommen sind und vor denen meine Teamkollegen und ich den größten Respekt haben.

geholfen haben. Das gilt aber auch für die gesamte Organisation und auch die Bevölkerung in München. Alles sehr nette und hilfsbereite Menschen. Mir hat München auch auf Anhieb sehr gefallen. Es war ein weicher Übergang für mich, kein Kulturschock. Ich konnte meine Zeit in München von Anfang an genießen. Natürlich fehlen mir meine Familie und meine Freunde von Zeit zu Zeit. Der Zeitunterschied macht es nicht so einfach, entspannt Kontakt zu haben. Sie schlafen, wenn ich wach bin – und umgekehrt. Wenn wir dann in Europa reisen, sind wir manchmal in anderen Zeitzonen, was es dann noch etwas komplizierter macht.

Du hast also Gefallen an bayrischem Essen gefunden? Definitiv. Mein absoluter Favorit ist … wenn ich jetzt wüsste, wie das heißt … (überlegt) diese Hähnchen vom Drehspieß, die es immer auf dem Oktoberfest gibt (gemeint sind Brathendl, d. Red.). Diese Art Hühnchen, das ist besonders gut!

Wie verlief die Anpassung abseits des Courts? Immerhin hattest du zuvor noch nie außerhalb der Vereinigten Staaten gespielt und gelebt. Die Anpassung war sehr, sehr einfach, weil meine Teamkollegen mir da prima

Was ist dein Lieblingsplatz in München? Der Audi Dome natürlich! (lacht laut) Aber ich war auch schon in einigen Restaurants, die mir sehr gefallen haben. Ich mag es zum Beispiel, schön deftig frühstücken zu gehen …

Was hat dich insgesamt überzeugt, nach München zu gehen? Als ich begonnen habe, meine Optionen in Europa abzuwägen, war das einfach die beste Gesamtsituation. Ich habe viel mit Sportdirektor Daniele Baiesi

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gesprochen und auch mit Spielern, die in den vergangenen Jahren hier unter Vertrag waren. Sie haben mir von der Stadt erzählt, von der Vereinskultur, der Organisation. Danach war ich mir ziemlich sicher, dass München die beste Option für mich sein würde. Wie viel wusstest du über diesen in Europa doch extrem berühmten Verein? Eine ganze Menge, da hier ja in der Vergangenheit auch schon große Namen aus den Staaten gespielt haben. Und natürlich auch, weil der Fußballklub selbst in den USA bekannt ist. Ich war recht vertraut mit einigen Namen und Geschichten. Das hat mir meine Entscheidung entsprechend relativ einfach gemacht. Ich habe es allerdings bisher noch nicht in die Allianz Arena geschafft, um mal ein Fußballspiel zu schauen. Unser Spielplan hat mir da immer wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber ich weiß, dass ich es im Lauf der Saison noch schaffen werde, und ich freue mich darauf. Was machst du generell in deiner Freizeit und auf euren Reisen? Ich versuche so viel wie möglich zu sehen und mache klassisches Sightseeing. Denn in vielen dieser Städte, in denen wir jetzt spielen, war ich noch nie zuvor in meinem Leben. Ich schaue mir die berühmtesten

Plätze und Orte an, versuche mir einen Eindruck zu verschaffen. Und ansonsten geht natürlich auch viel Zeit für übliche Regeneration zwischen den Spielen drauf. Hast du je mit dem Gedanken gespielt, deine Karriere zu beenden, bevor du dann den Schritt nach Europa gewagt hast? Nein, niemals. Ich liebe das Spiel noch immer, liebe es, mich mit anderen Spielern zu messen. Und hier in Europa wird guter Basketball gespielt. In der BBL und in der Euroleague, das ist Basketball auf einem sehr hohen Niveau, mit sehr guten Einzelspielern, die ich teilweise aus der NBA kenne. Ich habe noch nie über einen Rücktritt nachgedacht. In deiner Heimat engagierst du dich in einer Stiftung für benachteiligte Kinder in Louisiana. Wird das nach dem Karriereende dein weiterer Weg sein? Oh ja, auf jeden Fall. Und auch bevor meine Karriere vorbei ist, werde ich weiter dafür arbeiten, meiner Heimat in New Orleans etwas zurückzugeben. Diesen Kindern Chancen für Bildung und sozialen Aufstieg zu geben, erfüllt mich sehr. Wenn aus dir kein Basketballer geworden wäre, was würdest du dann machen? Wahrscheinlich würde ich als Coach arbeiten (lacht). Dieses Spiel ist so ein großer Teil von mir, ein Leben ohne

Basketball kann ich mir nicht recht vorstellen. Und das andere ist das, was ich mit meiner Stiftung versuche: soziales Engagement, anderen Menschen Chancen eröffnen. Wie genau verfolgst du das Geschehen in der NBA, jetzt wo du vorerst kein Teil mehr davon bist? Heutzutage verfolgt dich das Thema auf Social Media ja ohnehin permanent. Da ist es nicht schwer und ziemlich natürlich für mich, auf dem Laufenden zu bleiben. Gerade über Instagram bekomme ich eigentlich alles mit. Und immer wieder nehme ich mir dann auch die Zeit, um mir die Statistiken und die Highlights anzuschauen und einfach auf dem neuesten Stand zu sein. Die NBA beschäftigt mich so gesehen jeden Tag. Wer waren deine Vorbilder als junger Basketballer in den USA? Die Spieler, die ich am meisten bewundert habe, das waren wahrscheinlich Tim Duncan und Kevin Garnett. Aber ich hatte schon als sehr junger Spieler immer tolle Coaches und Lehrer, die mir das Spiel nahegebracht haben. Sie haben diese Liebe fürs Spiel genährt, mir den rechten Weg gezeigt. Dafür bin ich bis heute sehr dankbar. Meinen Coaches verdanke ich diese Liebe fürs Spiel und auch meinen gesamten Erfolg. Wie wichtig ist es dir, eines Tages in die NBA zurückzukehren? Wenn es Zeit ist, werde ich meine Optionen abwägen. Doch noch sind so viele Saisonspiele zu spielen, hier in München. Gerade geht es nur darum, meinem Team dabei zu helfen, erfolgreich zu sein. Wenn sich dann im Sommer neue Gelegenheiten in der NBA auftun, dann muss ich schauen, was die beste Option für mich ist. Es muss dann aber auch alles passen. Damit beschäftigen werde ich mich aber erst nach der Saison. Gerade zählt nur das Hier und Jetzt. T.J. Bray ist gerade von einer langen Verletzung zurückgekehrt, und mit dem Slowenen Zan Mark Sisko habt ihr sogar einen neuen Aufbauspieler verpflichtet. Werden sie euch zu mehr Stabilität verhelfen, auch in der Euroleague? Beide sind echte Spielmacher und echte Wettkämpfer. Sisko braucht noch das eine oder andere Spiel, bis er bei uns im Team angekommen und vollständig integriert ist. T.J. kann richtig gut werfen, kann sehr gut punkten, sieht aber auch seine Mitspieler. Es macht wirklich großen Spaß, mit ihm zusammenzuspielen. Das wird jetzt mit mehr gemeinsamen Spielen und dem ganzen Training nur noch besser. Ich denke, in einigen Wochen werden wir nochmals ein ganz anderes Team sein. Hoffentlich auch in der Euroleague. redaktion@fivemag.de

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Euroleague

Adidas

Next

Generation

Tournament

DIE NÄCHSTE GENERATION WIRBELT IN MÜNCHEN

Das Adidas Next Generation Tournament (ANGT) der Euroleague Mitte Januar in München war ein Schaulaufen europäischer Perspektivspieler unter 18 Jahren. FIVE hat für euch Eindrücke von der Atmosphäre gesammelt, Profile besonders beeindruckender Vertreter zusammengestellt und ein Interview mit dem deutschen NBA-Kandidaten Ariel Hukporti geführt. Text und Interview: Peter Bieg 90


E

SPN-Draft-Experte Mike Schmitz, Scouts aller NBA-Klubs, Manager, Agenten und Headcoaches aus ganz Basketball-Europa – was sich an den drei Tagen des Adidas Next Generation Tournament in München auf der Haupttribüne tummelte, ging schon fast in Richtung NBA Summer League in Las Vegas. Und das ist auch nicht weiter verwunderlich, gaben doch beim Qualifikationsturnier in München fast 100 Talente der Jahrgänge 2002 und jünger ihre Visitenkarte ab. Primoz Brezec (ehemaliger slowenischer NBA-Spieler und heutiger Scout der Cleveland Cavaliers), Jaka Lakovic (Headcoach ratiopharm Ulm), Denis Wucherer (Headcoach s.Oliver Würzburg), Daniele Baiesi (Sportdirektor FC Bayern Basketball) oder auch die EuroleagueSpieler Nihad Djedovic (München) und Vasilje Micic (Anadolu Efes Istanbul) – die Liste an bekannten Gesichtern im Münchner Audi Dome war lang. Vier deutsche Mannschaften (München, Berlin, Ulm und Ludwigsburg) sowie vier internationale Teams (Madrid, Moskau, Rom und Patras) bildeten das Teilnehmerfeld bei diesem Vorturnier zur europäischen U18-Klubmeisterschaft. Bei insgesamt vier Turnieren – neben München in Kaunas, Belgrad und Valencia – spielen die besten Nachwuchsmannschaften Europas jene Teams aus, die beim Euroleague Final Four in Köln (vom 22. bis 24. Mai) um die Krone spielen dürfen. In Köln treten dann die vier Sieger der Qualifikationsturniere sowie noch vier weitere eingeladene

Mannschaften gegeneinander an. Bereits zum 18. Mal fand das Adidas Next Generation Tournament der Euroleague statt, zum dritten Mal gastierte die Veranstaltung in der bayrischen Landeshauptstadt. Die diesjährige Auflage in München gewann souverän und ungeschlagen die Mannschaft von Real Madrid, welche sich das Ticket für Köln sichern konnte. Das ANGT ist traditionell ein Schaulaufen der größten europäischen Talente unter 18 Jahren. Spieler wie Luka Doncic (Dallas Mavericks), Bogdan Bogdanovic (Sacramento Kings), Nikola Mirotic (FC Barcelona), Dragan Bender (Milwaukee Bucks) oder Dario Saric (Phoenix Suns) setzten hier erste Duftmarken ihrer Karrieren. Folgende zehn Spieler sind uns nach dem Besuch in München (neben Sasha Grant, siehe Rubrik „Prospects“) besonders in Erinnerung geblieben.

LEFTERIS MANTZOUKAS 08.07.2003, 2,07 Meter Promitheas Patras Small Forward, Griechenland

Der erst 16-jährige Lefteris Mantzoukas war der beste Werfer des ANGT und stellte mit 49 Punkten im Spiel gegen ALBA Berlin einen neuen Rekord auf. Bei diesem 93:87-Sieg spielte Mantzoukas fast die gesamten 40 Minuten und lieferte neben unglaublichen 49 Punkten auch noch 19 Rebounds. Der groß gewachsene Grieche ist einer der vielversprechendsten

Spieler seiner Generation, ein unfassbar vielseitiger Scorer mit starkem Wurf und Führungsqualitäten. In seinem Körperbau ähnelt er Spielern wie Ioannis Papapetrou (Athen) und Kostas Papanikolaou (Piräus), spielerisch scheint er schon jetzt deutlich weiter zu sein. ------------------------------------------

ARIEL HUKPORTI

12.04.2002, 2,13 Meter Porsche BBA Ludwigsburg Center, Deutschland Das beste Center-Talent des Turniers: Lang, agil, athletisch und technisch stark verbessert, festigte Hukporti seinen Platz in den Notizbüchern der NBA-Scouts. Nur eine frühe Verletzung verhinderte noch mehr Aufmerksamkeit für den deutschen Big Man – und eine womöglich bessere Platzierung für sein Team aus Ludwigsburg. Ein sehr dominanter Spieler mit vielen Möglichkeiten. ------------------------------------------

ABRAMO CANKA

18.03.2002, 1,96 Meter Stellazurra Roma Shooting Guard, Italien Canka ist ein athletischer Scorer auf der Zwei, der trotz eines enormen Talents weder Kampfgeist noch Einsatzwille vermissen lässt. Zudem ist er der Führungs- und Starspieler in einer starken Mannschaft. Dreier aus der Bewegung treffen? Gegenspieler aufs Poster dunken? Canka kann beides und bringt auch defensiv alle Voraussetzungen mit. Sein Debüt in der italienischen SeniorenNationalmannschaft ist nur eine Frage der Zeit.

Fotos: DBB/Christina Pahnke/Euroleague Basketball via Getty Images

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LUIS WULFF

14.03.2004, 1,97 Meter FC Bayern München Point Guard, Deutschland Sehr großer und noch extrem junger Point Guard aus den Reihen des TurnierAusrichters. Wulff gefiel nicht nur vielen der anwesenden Scouts mit einem weitgehend souveränen Ballvortrag, toller Übersicht und einigen genialen Anspielen. Allein seine Mischung aus Körper, Jugend und Anlagen macht ihn zu einem besonderen Talent in Deutschland. Für einen 15-Jährigen beeindruckend weit entwickelt und auch mit guter Mechanik beim Sprungwurf. ------------------------------------------

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Euroleague

Adidas

ANTON KARDANAKHISHVILI 19.03.2002, 1,93 Meter ZSKA Moskau Point Guard, Russland

Der beste Spieler in den Reihen von ZSKA Moskau. „Kardashian” ist trickreich, clever, ein guter Werfer und Vorbereiter. Limitierende Faktoren für den Russen sind definitiv eine bescheidene Athletik sowie ein nicht allzu langer Körper. Dass Kardanakhishvili eines Tages in der NBA landet, erscheint deshalb unrealistisch. Eine Zukunft als europäischer Qualitätsspieler in seinem Heimatland ist aber sehr wahrscheinlich. ------------------------------------------

JUAN NUNEZ

04.06.2004, 1,91 Meter Real Madrid Point Guard, Spanien Der Spielmacher wurde zum Most Valuable Player des Turniers gewählt, nachdem er mit der U18 von Real Madrid den ersten Platz klarmachte. Für einen 15-Jährigen ist der Spanier ein extrem reifer Spieler, technisch exzellent ausgebildet, mit Spielwitz und Abgeklärtheit. Nunez’ Spiel ist nicht das eines Teenagers.

Next

Generation

Tournament

Der Linkshänder sollte sich in die Ahnenreihe großer spanischer Point Guards der Vergangenheit einreihen können, wenn er seine Entwicklung weiter fortsetzt. Mit seinem Spielstil, der Leichtigkeit und Kreativität erinnert er dabei mehr an Sergio Rodriguez als an Sergio Llull oder Juan Carlos Navarro. Nunez kann ein WeltklasseAufbau werden. Seine Achillesferse ist die bescheidene Athletik sowie eine gewisse (und erwartbare) Anfälligkeit für Ballverluste bei allzu gewagten Passversuchen. ------------------------------------------

URBAN CLAVZAR

25.05.2004, 1,84 Meter Real Madrid Point Guard, Slowenien Ein weiterer 15-jähriger Spielmacher im Kader des Turniersiegers war der Slowene Urban Clavzar. Als 13-Jähriger begann Clavzar seine basketballerische Ausbildung bei den Spaniern – und die trägt bereits pralle Früchte. Ein schneller, gewandter Point Guard, der auch abseits des Balles großen Schaden anrichten kann – das ist Urban Clavzar. Für einen solch jungen Spieler ist er unfassbar souverän, selbstbewusst und abgezockt.

Auch zahlreiche weitere Spieler von Real Madrid hätten an dieser Stelle eine Erwähnung verdient, wobei mit dem Kroaten Boris Tisma der vermeintlich talentierteste Spieler der Madrilenen verletzungsbedingt gar nicht zum Einsatz kommen konnte. ------------------------------------------

FEDOR ZUGIC

18.09.2003, 1,96 Meter Stellazurra Roma Shooting Guard, Montenegro Zugic spielte als Leihgabe von Buducnost Podgorica bei den Römern mit. Ein abgezockter Combo-Guard mit starkem Wurf, Scoring-Gen … und EuroleagueErfahrung! Mit 15 Jahren und 157 Tagen feierte er bereits im Februar 2019 sein Debüt in Europas Beletage. Der heute 16-Jährige ist körperlich und spielerisch bereits sehr weit und war neben Canka der große Star im Kader von Rom. Smart, ruhig und immer gefährlich – Fedor Zugic hat eine große Zukunft vor sich. ------------------------------------------

IGOR MILICIC

27.08.2002, 2,06 Meter ratiopharm Ulm Power Forward, Polen Igor Milicic kam vor einiger Zeit mit seinen beiden jüngeren Brüdern nach Ulm, um hier seine Basketball-Ausbildung bei ratiopharm Ulm fortzusetzen. Der vielseitige Forward wurde in Polen geboren, wo sein Vater heute den Spitzenklub Anwil Wloclawek trainiert. Milicic ist ein guter Werfer, langarmig, lernwillig und sehr athletisch. Er bewegt sich sehr flüssig, was ihn insbesondere auch als multidimensionalen Verteidiger sehr interessant macht. ------------------------------------------

JACOB PATRICK

21.11.2003, 1,97 Meter Porsche BBA Ludwigsburg Shooting Guard, Deutschland Ein weiterer „Coach’s Son“ beim ANGT. Der Sohn von Ludwigsburgs John Patrick ist ein Shooting Guard im wörtlichen Sinne – mit Bilderbuch-Wurf und nie verlegen, diesen auch loszuwerden. Clever, variantenreich und mit starker Fußarbeit ausgestattet, ist auch der 16-jährige Jacob Patrick ein Spieler zum Vormerken. Lediglich sein schmaler, dünner Körper braucht noch jede Menge Zeit. redaktion@fivemag.de

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„ICH MUSS NOCH SEHR VIEL LERNEN“ Bevor er sich im zweiten Spiel des Turniers verletzte und nicht mehr mitwirken konnte, war Ariel Hukporti der Akteur, der für die meisten Ohs und Ahs unter den Anwesenden sorgte: 24 Punkte, acht Rebounds und vier Blocks erzielte er im Spiel gegen ALBA Berlin. FIVE hat mit dem 17-Jährigen über das Turnier, Stretching-Routinen und seine Zukunft gesprochen. FIVE: Ariel, dies ist das zweite Jahr, in dem du mit Ludwigsburg an einem Adidas Next Generation Tournament der Euroleague teilnimmst. Was hältst du von diesem Programm? Ariel Hukporti: Man kann sich hier beim ANGT sehr gut weiterentwickeln, sehr viel lernen. Es gibt schon noch mal einen großen Unterschied zwischen der NBBL und diesem Turnier, da hier nur die besten Mannschaften dabei sind. Insbesondere hier in München ist das Turnier sehr gut besetzt. Wir spielen gegen Real Madrid, gegen ALBA und Bayern … das ist sehr stark.

mehr und mehr gefallen, sodass ich mit Fußball aufgehört habe, um nur noch Basketball zu spielen.

das erst noch verstehen. Wie wichtig das ist, jeden Tag eine Routine zu haben, zu stretchen, auf sich aufzupassen.

Stichwort Wachstum: Wächst du noch? Ja, ich glaube schon. Ich bin ja erst 17 Jahre alt. Die ursprüngliche Prognose eines Arztes waren 2,20 Meter, aber das glaube ich nicht. Ich denke, es werden noch zwei, drei Zentimeter, und dann hört es auf.

Beide sind aber keine Big Men. Da habe ich nur in der NBA meine Vorbilder. Anthony Davis, Giannis Antetokounmpo und Joel Embiid sind da meine Idole.

Wie oft hast du aufgrund deines Vornamens in der Vergangenheit dumme Sprüche kassiert? (grinst) Das kenne ich alles! Arielle, die Meerjungfrau. Ariel, das Waschmittel … dass das ein Mädchenname ist … ich hab alles schon gehört. Hat dein erster Vorname denn eine spezielle Bedeutung? Ariel hat keine spezielle Bedeutung … aber Washington, mein zweiter Vorname. Meine Mutter hat mich Washington genannt, weil sie den Schauspieler Denzel Washington sehr mag.

Fotos: DBB

Du bist in Stralsund geboren. Wie bist du dort gelandet? Meine Eltern stammen beide aus Togo und sind nach Deutschland geflüchtet, da in Togo ein Bürgerkrieg ausgebrochen ist. Sie wollten mich in einem sicheren Land aufziehen. Wieso sie aber genau in Stralsund gelandet sind, das weiß ich selbst nicht (lacht). Begonnen mit Basketball hast du dann später in Freiburg. Zuerst sind wir von Stralsund nach Köln gezogen, dort bin ich aufgewachsen, bis ich vier Jahre alt war. Dann sind wir von Köln nach Freiburg gezogen. Dort habe ich meine Jugend verbracht, habe natürlich erst einmal, wie jedes Kind, Fußball und dann erst später Basketball gespielt. Ich habe angefangen, sehr stark zu wachsen. Meine Mutter hat mir dann Basketball vorgeschlagen, vorher habe ich nur mal auf dem Freiplatz ein paar Körbe geworfen. Ich habe gesagt: „Okay, ich versuche es mal.“ Es hat mir

Wer ist der beste Spieler, gegen den du bisher gespielt hast? Usman Garuba von Real Madrid, würde ich sagen. Er ist nur 2,00 Meter groß, spielt aber auf der Fünf. Das hat mich sehr beeindruckt. Er ist sehr stark, gerade im Lowpost. Er kann sich immer wieder durchsetzen, obwohl er recht klein ist, und hat einen sehr guten Touch. Wenn wir über andere Spieler sprechen, wer sind Vorbilder für dich? Christian von Fintel und David McCray, mein Mitspieler bei den Ludwigsburger Profis und mein jetziger Assistant Coach in der Jugend. Sie haben jeden Tag ihre Routine durchgezogen, und ich muss

In der Bundesliga hast du bei den MHP Riesen Ludwigsburg inzwischen deine ersten Einsätze erhalten. Dort ist John Patrick der Coach, ein recht autoritärer Vertreter, der sehr streng sein kann. Welches Feedback bekommst du bisher von ihm? Er hat gesagt, dass ich noch sehr viel lernen muss. Ich habe noch nicht viel Erfahrung und merke, dass das alles ist. Diese Erfahrung fehlt mir noch komplett, und sie wird entscheidend sein. Im Training muss ich sehr hart arbeiten und sehen, was es an kleinen Tricks gibt. Er hat mir klargemacht, dass ich geduldig bleiben muss. Du hattest Angebote von vielen Klubs aus Deutschland, nachdem du in Freiburg deine ersten Schritte gemacht hast. München soll Interesse gehabt haben, Bamberg, Frankfurt … warum wolltest du nach Ludwigsburg? Ich war damals noch sehr jung, 13, 14 Jahre alt. Ich habe meine Mutter gefragt, was sie denn am besten finden würde. Denn es geht da ja nicht nur um mich, sondern um meine ganze Familie. Meiner Mutter hat Ludwigsburg im Endeffekt am besten gefallen. Eine schöne Stadt, eine ziemlich gute Jugendförderung. Und so haben meine Mutter und ich das gemeinsam entschieden. Was ist zurzeit die größte Baustelle in deinem Spiel? Ich muss mich nach dem Training konsequent stretchen. Auf jeden Fall. (lacht, auch Co-Trainer David McCray lacht) Nach dem Training bin ich immer einfach nur kaputt und will nach Hause. Und deine größte Stärke aktuell? Ich bin ein Rim Protector, auf jeden Fall. Ich helfe meinen Teammates, habe eine sehr starke linke Hand. An meiner rechten Hand muss ich noch arbeiten.

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in-dre-ssant

Die

FIVE-All-Stars

2019/20

In-Dré-ssant Die FIVE-All-Stars 2019/20

Es ist mal wieder so weit: Die NBA bat vom 25. Dezember bis 20. Januar um die Wahl der All Stars 2019/20. Also bitte … Text: André Voigt

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as All-Star-Game … einst der absolute Höhepunkt der regulären NBA-Saison. Die Besten untereinander. Die Besten gegeneinander. Die Besten ohne Taktikfesseln, „Michael, Larry, Magic unchained“! Ja, einst wurde an diesem Sonntag im Februar auf kurzem Dienstweg geklärt, wer die Chabos und wer die Babos sind. Diese Zeiten sind leider schon länger vorbei. Das All-Star-Game entwickelte sich zum faden Showevent ohne den Hauch einer defensiven Anstrengung. Zuletzt brachte zwar die Neuerung der Team Captains sowie die damit verbundene Wahl etwas frischen Wind, aber … nee. 178:164 gewann Team LeBron gegen Team Giannis 2019. Zusammen versuchten die beiden Mannschaften 167 Dreier. Am Ende blieben die 48 Minuten von Charlotte vor allem in Erinnerung, weil Dirk

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Nowitzki (drei von drei Dreiern) und Dwyane Wade als Ehren-All-Stars nachnominiert wurden. Doch so sehr das Event an sich in den letzten Jahren gelitten hat, der Status eines All Stars hat noch immer einen gewissen Wert. Gut, die besten Spieler der NBA-Saison 2019/20 stehen wahrscheinlich am 17.02. (ab 2:00 Uhr deutscher Zeit) in Chicago nicht auf dem Parkett. Die werden in den All-NBA-Teams am Ende der Spielzeit gekürt. Aber eine Berechtigung hat das ASG sehr wohl: Es soll Show und Anerkennung für die Leistungen der ersten Saisonhälfte sein. Was braucht es also, um ein All Star zu sein? Schön, dass ihr fragt … Die Kriterien für die Wahl zum All Star bleiben auf diesen Seiten Jahr für Jahr dieselben: Offensive zählt mehr als Verteidigung, wer einen großen Teil der ersten Saisonhälfte

verletzt verpasst, ist raus. Individuelle Auszeichnungen hin oder her: Profis, die bei vermeintlichen Playoff-Teams abliefern, haben die Nase gegenüber Leistungsträgern bei Lottery-Teams in der Regel vorn. Außerdem bekommen nur absolute Spitzenteams (lies: Anwärter auf die Conference-Finals) zwei All Stars. Abschließend noch ein Wort zum Wahlprozess: Gefühlt war er dieses Jahr schwerer als zuletzt. Warum? Weil einige verdiente Stars komplett verletzt ausfielen oder so lange, dass sie kaum zum All Star gekürt werden können. Kyrie Irving, Paul George, KarlAnthony Towns, Steph Curry, Klay Thompson, Victor Oladipo, Kevin Durant oder etwa Blake Griffin hätten zusammen eine extrem gute Truppe gebildet.


Starter – Guards JAMES HARDEN, PG, ROCKETS Harden ist und bleibt ein Phänomen. Zu Saisonbeginn wurde ihm noch vorgeworfen, dass er ineffizient sei. Dann steigerte er seine Quoten auf ein absolutes Topniveau. Der 30-Jährige ist der beste Scorer der NBA und – nur für die ewigen Nörgler – mittlerweile defensiv längst keine Lachnummer mehr. LUKA DONCIC, PG, MAVERICKS Luka F*cking Doncic. Der Slowene macht mit 20 Jahren Dinge auf dem Feld, die so in diesem Alter noch niemand gewagt hat. Das bedeutet nicht, dass er der beste 20-Jährige aller NBA-Zeiten ist, aber er liefert ab wie noch kein Youngster vor ihm. Unter allen 20-Jährigen, die je in der NBA spielten, erzielt er die meisten Punkte, verteilt die meisten Assists und greift die elftmeisten Rebounds. Sein Player Efficiency Rating ist das höchste, genau wie die Win Shares auf 48 Minuten und das Box Plus-Minus.

Fotos: Atiba Jefferson/Brian Babineau/Andrew D. Bernstein/Michael Reaves/Allen Berezovsky/Ray Tamarra

KEMBA WALKER, PG, CELTICS Bei den Celtics haben gleich drei Spieler einen legitimen Anspruch auf den Status eines All Stars (dazu später mehr). Walker aber ist der absolute Offensivmotor der Kelten. Er gibt der Mannschaft von Coach Brad Stevens dieses offensiv überraschende Etwas, das es eben manchmal braucht. TRAE YOUNG, PG, HAWKS Ja, die Hawks sind mies. Zu mies, um einen All Star zu haben … es sei denn, dieser Spieler liefert so ab wie Young. Der Point Guard hat sich zu einem Pick-and-Roll-Maestro und einem der besten Scorer der Liga entwickelt. Sein offensives Real Plus-Minus ist das viertbeste der NBA (hinter Giannis Antetokounmpo, James Harden und LeBron James), er wirft effizient und ist kein Statistikdieb in einem schlechten Team – er ist die einzige Chance, die die Hawks allabendlich haben. Ist er defensiv ein Desaster? Ja, aber das hier ist das All-Star-Game …

Starter – Frontcourt GIANNIS ANTETOKOUNMPO, PF, BUCKS Der derzeitige MVP-Anwärter #1 spielt beim bilanztechnisch besten Team der Association, erzielt die zweitmeisten Punkte der NBA und führt die Riege der Liga-Topscorer beim Player Efficiency Rating an. Der „Greek Freak“ traf im Dezember und Januar (bis Redaktionsschluss) sogar 37,6 Prozent seiner Dreier. Übrigens: Unter allen All Stars absolviert „’Po“ die wenigsten Minuten pro Partie. LEBRON JAMES, PF, LAKERS Gibt es wirklich noch etwas Neues über LeBron James zu sagen? Ja. Der „King“ führt erstmals in seiner Karriere die Liga bei den Assists pro Partie sowie bei der Assistrate an. Über der Hälfte der Körbe seiner Kollegen geht eine Vorlage von James voraus, wenn er auf dem Feld steht. Hinzu kommt seine nach wie vor

defensiv nicht zu konternde physische Präsenz im Angriff. ANTHONY DAVIS, PF, LAKERS Anthony Davis ist wieder zurück auf MVPNiveau. Der führende Shotblocker der NBA profitiert von der Paarung mit LeBron James, zeigt 2019/20 aber eine klare Schwäche: die Dreier vom Flügel. Eine Trefferquote von 22,7 Prozent aus diesem Bereich ist ausbaufähig. KAWHI LEONARD, PF, CLIPPERS Ja, ja … Load Management. Doch in den Partien, die Leonard absolviert, liefert er auf MVP-Niveau an beiden Enden des Feldes. Und das, obwohl er scheinbar nicht bei voller Gesundheit auf das Parkett tritt. Allerdings kam er im neuen Jahr so richtig in Schwung, traf im Januar 41,5 Prozent seiner Dreier und legte 30,5 Punkte auf. JOEL EMBIID, C, 76ERS Joel Embiid … auf den ersten Blick muss er in der Eastern Conference natürlich als Starter gewählt werden. Auf den zweiten Blick … wünscht man sich einfach mehr vom Kameruner. Es mag unfair sein, dass 23,4 Punkte und 12,3 Rebounds irgendwie nicht genug zu sein scheinen, aber der Big Man der Sixers dominiert oft nicht so, wie er sollte. JIMMY BUTLER, SF, HEAT Butler? Butler! Gefühlt geht der einstige Querulant in Miami inmitten des dortigen Jugendstils unter. Dabei ist „Jimmy Buckets“ nicht nur Herz und Seele dieser tollen Truppe, sondern auch mit Abstand der effizienteste sowie effektivste Spieler der Heat. Im Real Plus-Minus rangieren nur fünf legitime MVPKandidaten vor ihm (James, Antetokounmpo, Harden, Leonard und Jokic).

NIKOLA JOKIC, C, NUGGETS Warum Jokic nicht startet? Weil er wohl mit John Bryant von den Gießen 46ers die Offseason verbracht hat … Übergewicht und NBA passt nicht so. Aber das hier ist Jokic’ Punkteschnitt von Oktober bis Januar: 15,0 PPG, 15,8, 20,8 und 23,8. Der Serbe wird langsam fit. RUDY GOBERT, C, JAZZ Über Defense ins All-Star-Game? Es wird verfickt nochmal Zeit! Denn dass Gobert noch nicht berufen wurde, ist eine basketballerische Schande! Der wichtigste Jazzer MUSS 2020 dabei sein! LAMARCUS ALDRIDGE, C, SPURS An dieser Stelle könnten verschiedene andere Namen stehen. Aldridge bekommt den Zuschlag, weil er sein Spiel hinter die Dreierlinie verlagert hat und damit eventuell den Playoff-Streak der Spurs rettet.

Reserve – Osten SPENCER DINWIDDIE, PG, NETS Der beste Guard der Nets heißt derzeit Dinwiddie und nicht Irving. Der Dreier fällt zwar nicht – aber die Art, wie der 26-Jährige sein Team trotz arger Verletzungssorgen zusammenhielt, war mehr als vorbildlich. Und sein erster Schritt … wow! BEN SIMMONS, PG, 76ERS Ja, er wirft nicht … und das macht uns alle verrückt. Niemand sollte jedoch vergessen, was der Australier sonst bringt: Nämlich fast alles, was sein Team braucht, um zu gewinnen.

Reserve – Westen

JAYLEN BROWN, SG/SF, CELTICS Jayson Tatum oder Brown? Es gibt hier wohl keine falsche Antwort. Brown ist effizienter und von daher hier dabei.

DAMIAN LILLARD, PG, TRAIL BLAZERS Auch wenn die Blazers seit Saisonbeginn nur schwer in Tritt kommen, an Lillard liegt es nicht. Er liefert auf All-Star-Niveau als einer der besten Scorer der Liga.

KHRIS MIDDLETON, SF, BUCKS Der zweitbeste Spieler des bilanzbesten Teams der Liga gehört natürlich gewählt. Middleton ist jedoch noch viel mehr und kann übernehmen, wenn Antetokounmpo fehlt.

CHRIS PAUL, PG, THUNDER Wer dachte, dass sich „CP3“ nur bis zur TradingDeadline in OKC fit halten würde, lag falsch. Der „Point God“ riss die Zügel an sich und führt das vielleicht überraschendste Team der Liga als Clutch-Scorer.

PASCAL SIAKAM, PF, RAPTORS Siakam übernahm die Rolle von Kawhi Leonard als Franchise-Player in Toronto und füllt sie extrem gut aus. Am erfreulichsten ist hierbei: Der 25-Jährige trifft den Dreier endlich auch vom Flügel und nicht mehr nur aus den Ecken.

DONOVAN MITCHELL, PG/SG, JAZZ Ist Mitchell mittlerweile unterbewertet? Gut möglich, denn wer spricht derzeit über die Jazz im Allgemeinen und Mitchell im Besonderen? Dabei liefert „Spida“ Karrierebestwerte in fast allen relevanten Statistiken.

DOMANTAS SABONIS, PF/C, PACERS Ist der Sohn von Arvydas der unwahrscheinlichste All Star dieser Wahl? Gut möglich. Dank 18,1 Punkten, 13,1 Rebounds und 4,3 Assists pro Partie ist er das aber vollkommen zu Recht. Er ist der Über-Glue-Guy.

BRANDON INGRAM, SF/PF, PELICANS Ingram ist explodiert! Hinter James Harden und Damian Lillard ist er der dritteffektivste IsolationsScorer der Liga. Wann immer die Pelicans einen Korb brauchen – der „Slenderman“ liefert. Ach, und von der Dreierlinie trifft er 40,6 Prozent.

BAM ADEBAYO, C, HEAT Kommando zurück: Adebayo ist der unwahrscheinlichste All Star 2020. Was ist mit diesem Typen passiert? Wie konnte dieser Defensiv-Pivot zu einem Playmaker werden? dre@fivemag.de

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ivan beslic

ivan beslic „Pistol Pete“

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reunde, in der Geschichte der NBA gab es viele revolutionäre Spieler, die ihrer Ära um Jahre voraus waren, aber nur wenige vom Kaliber eines „Pistol Pete“. Peter Press Maravich wurde 1947 in Pennsylvania geboren, den nach Balkan klingenden Nachnamen verdankt er seinen serbischen Großeltern, die einst mit Hoffnung und Slivovic im Gepäck in die USA auswanderten. Sein Vater spielte selbst Profibasketball, jedoch eher mit mäßigem Erfolg, was dieser dann im LaVar-Ball-Style durch den Sohn kompensierte. Bereits mit sieben Jahren wurde die Holzlokomotive gegen einen Basketball ausgetauscht, und Klein Pete hatte von da an einen neuen Weggefährten. Wie besessen von seinem Ball, nahm er ihn überallhin mit und spielte damit bis zu acht Stunden am Tag. #talkingboutpractice Sein Vater zeigte ihm die Fundamentals, und Petes fantasiereiches Köpfchen kümmerte sich um den Rest. Die Art, wie der Junge bereits in den 60er Jahren mit der Lederfluppe umgehen konnte, war einzigartig. Seine Kreativität schien grenzenlos! Gesegnet mit den Fingerfertigkeiten eines Uhrmachers riss er die Zuschauer mit seinen Dribblings und No-Look-Pässen regelmäßig aus den Sitzen. Showtime, Baby! Doch des

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einen Freud ist des anderen Leid, denn Coaches hassten seine verspielte Art und hielten sie für ineffektiv. Haters gonna hate! Die Welt war noch nicht bereit. Doch sie ließen ihn gewähren, denn neben dem kranken Ballhandling hatte er noch eine andere Waffe im Holster: seinen Schuss. Der schnelle Wurf ähnelte der Art, wie Cowboys mit ihren Pistolen feuerten, was ihm schon zu Highschool-Zeiten den legendären Namen „Pistol Pete“ einbrachte. Er schoss wie Lucky Luke, schneller als sein Schatten, und das endete meistens tödlich für die gegnerische Defense. #powpow Sein heißes Händchen machte ihn bereits am College zur Legende. Der „College Player of the Year“ erzielte an der LSU durchschnittlich kranke 44,5 PPG und ist bis heute mit 3.667 Punkten der All Time Leading Scorer der NCAA. Und das, obwohl er nur drei Jahre spielte. #nuffsaid Dann wurde es Zeit für das große Rampenlicht. Als dritter Pick der Draft wurde er 1970 von den Atlanta Hawks gezogen und brillierte als Frischling mit starken 23,2 Punkten pro Spiel. Pete wusste sich gekonnt mit seiner Beatles-Gedenkfrise und den schlabbrigen Socken gewinnbringend zu vermarkten und erhielt mit 1,9 Millionen Dollar den bis dato höchstdotierten Vertrag für einen Rookie. Er wurde gefeiert wie ein Rockstar. Doch trotz seiner starken Stats blieben die Teamerfolge aus. Also ging es für den schlaksigen Dude 1974 zu den neu gegründeten New Orleans Jazz (später Utah Jazz). Der Klub brauchte einen Publikumsmagneten, und Pete war – immerhin kannten sie ihn in Louisiana bereits von der Uni – der Richtige für diesen Job. Wie gewohnt lieferte er ab und spielte zwei Jahre später mit 31,3 Punkten seine persönlich beste Saison inklusive einer 68-Zähler-Bombe gegen die Knicks. Mit den Jazz erreichte er allerdings nie die Playoffs, und als sich mit der Zeit auch die Knieprobleme häuften, wurde die Nummer sieben im Januar 1980 zu den Celtics getradet: Die wollten den Titel und hatten einen hungrigen Rookie namens Larry Bird, der für ordentlich Heckmeck sorgte. Doch ein tiefer Run bis in die Eastern Conference Finals war das Höchste, was Maravich in seiner NBA-Karriere erreichen sollte. Daraufhin warf er die Flinte ins Korn und beendete seine Laufbahn nach

zehn Jahren verletzungsbedingt mit einem Karriereschnitt von 24,2 Punkten, 5,4 Assists und 4,2 Rebounds. Im Folgejahr gewannen die Celtics die Meisterschaft. #dummgelaufen So spektakulär Petes Game auch daherkam, die Kritiker waren nicht weit. Böse Zungen behaupteten, er würde seine Performance und Stats über den Erfolg des Teams stellen … zu seinem Schutz muss gesagt werden, dass er nicht immer die besten Mitspieler an seiner Seite hatte. Nach der Karriere widmete er sich den wichtigen Fragen des Lebens und ging auf Selbstfindungsreise. Ob als Vegetarier, Hindu, Christ oder Ufologe – Maravich ging den Sachen auf den Grund … oder zumindest versuchte er es. Einmal schrieb er in riesigen Buchstaben „Take me“ auf das Dach seines Hauses, um UFOs zu bezirzen, ihn abzuholen. #ETnachhausetelefonieren Das Leben des Pete sollte 1988 ein frühes Ende finden, als er während eines Freundschaftsspiels wegen Herzproblemen auf dem Platz zusammenbrach. Erst bei der späteren Obduktion wurde festgestellt, dass er einen angeborenen Herzfehler hatte. Ein Wunder, dass er unter diesen Umständen überhaupt 40 Jahre alt werden konnte. Wie es im Showbusiness so ist, macht erst der Tod aus Superstars unsterbliche Ikonen. Maravich setzte dem ganzen Hype noch die Krone auf, als ein Interview auftauchte, in dem der damals 26-jährige Pete scherzhaft quasi seinen Tod voraussagte: „I don’t want to play ten years in the NBA and die of a heart attack at the age of 40.“ #Gänsehaut Drei verschiedene Teams haben sein Jersey retired, er wurde als jüngster Spieler überhaupt in die Hall of Fame aufgenommen und zählt zu den 50 besten Playern der NBA-Geschichte. Pete war zu seiner Zeit so populär, dass anstelle seines Nachnamens nur „Pistol“ auf seinem Trikot stand, und seine Throwback-Jerseys verkaufen sich bis heute noch wie Yeezys am Release Day. Bleibt noch zu erwähnen, dass der Offensivspezialist viel besser war, als es eigentlich dokumentiert wurde. Wenn man bedenkt, dass die Dreierlinie erst 1979 eingeführt wurde und Pete eine Menge von Downtown feuerte, wäre seine Punkteausbeute nach den heutigen Regeln noch um einiges höher ausgefallen.#justsayin Eine Ehrensalve für „Pistol Pete“, einen der coolsten Dudes, die der Basketball je erleben durfte. Bei allem Respekt, und so tragisch sein Tod auch sein mag: Aber was gibt es Schöneres für einen Baller, als auf dem Basketballplatz zu sterben?! #nevernotballin Und außerdem, liebe Freunde: Vegetarier werden ist auch keine Lösung, mit Waffen spielt man nicht – und passt auf, was ihr so auf eure Häuserdächer schreibt, mit Aliens ist nicht zu spaßen.

Peace, Ivan


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