FIVE #160

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NBA-FINALS 2019

BASKETBALL FOR LIFE

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BOARD MAN WINS!

NBA-DRAFT DIE ANALYSE

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GEWINNER UND VERLIERER

DAMIAN LILLARD IT’S ABOUT DAME TIME!

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WA L K E R VS . C O N L E Y N I KO L A J O K I C I SA I A H H A R T E N ST E I N DANILO GALLINARI D I K E M B E M U TO M B O BAS K E T BA L L & H I P H O P

ISSN 1614-9297

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WWW.FIVEMAG.DE

NBA-FINALS 2019

ISSUE 160

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3,90 €

Österreich 5,00 € Schweiz 7,80 SFR BeNeLUX 4,60 € Italien 5,25 € Spanien 5,25 €

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07-08/2019

FIVE-MAGAZIN

NBA-FINALS 2019

NBA-FINALS

ALLES ZU DEN DRAMATISCHSTEN FINALS ALLER ZEITEN / / / /

NBA-FINALS 2019

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NBA-FINALS 2019

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THE BEST DAMN BASKETBALL

WWW.K1X.COM

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K1X SUMMER 2019

SHORTS IN

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THE GAME.

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editorial

FIVE

IMPRESSUM

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Redaktion: redaktion@fivemag.de Verlag: KICKZ Never Not Ballin’ GmbH Landwehrstr. 60 80336 München Tel.: +49-89-324 781 70 Fax: +49-89-324 781 99 Herausgeber: Christian Grosse Chefredakteur: André Voigt (verantw.) Grafik: Patrick „Mochokla“ Ortega

BASKETBALL NEVER STOPS!

Fotos:Andrew D. Bernstein/Jennifer Pottheiser/NBAE via Getty Images

LIEBE FIVE-GEMEINDE, wenn diese Ausgabe bei den Abonnenten im Briefkasten und einige Tage später in den Regalen der Kioske liegt, wird die NBASaison 2018/19 nur noch eine ferne Erinnerung sein. Warum? Weil die beste Basketballliga der Welt mitnichten in den Sommerurlaub geht, sobald nach der Parade das letzte Konfetti von den Straßen der Siegerstadt gefegt wurde und die Meisterspieler in den wohlverdienten Sommerurlaub fliegen. Nein, wenn es eine Sportliga versteht, das ganze Jahr interessant zu sein, dann ist es die NBA. Zwischen dem sechsten Spiel der Finals 2019 und der Draft wären dieses Jahr gerade mal sieben Tage Zeit gewesen, um etwas auszuspannen. Die Betonung in diesem Satz liegt auf „wäre“ … Denn genau in diese Zeit fiel der Trade von Anthony Davis von den New Orleans Pelicans zu den L.A. Lakers, wo ihn ein mit Sicherheit freudestrahlender LeBron James sehnsüchtig mit offenen Armen empfängt. Schon bevor also die Free Agency am 30. Juni begann, wurde bei der glamourösesten Franchise der Liga fleißig am nächsten Superteam gearbeitet.

Draft, Trades, Free Agency … es scheint fast so, als wäre die Offseason mittlerweile wichtiger als das Geschehen auf dem Court. Als wäre die NBA wie eure Fantasy League, deren Höhepunkt ebenfalls die jährliche Live Draft ist, während der Rest so dahinplätschert. Fragt sich: Warum ist das so? Und ist das gut? In den vergangenen Jahren hat sich in Sachen Collective Bargaining Agreement eine Menge verändert. Das sogenannte CBA legt die Regeln fest, unter denen die Teams beim Kaderbau operieren dürfen, wie viel Geld die Spieler verdienen können, wie Trades und die Draft funktionieren etc. Dieses Regelwerk wird seit Jahrzehnten immer wieder angepasst, verfeinert und reformiert. Vor allem wenn es um die Wechsel der Profis geht. Es gab Zeiten, da existierte das Konzept der Free Agency einfach nicht. Selbst wenn Verträge ausliefen, lagen die Rechte am Profi weiter bei seinem Team. Damals waren die NBA-Sommer um einiges ruhiger … Heute befindet sich die NBA in der Ära des „Player Empowerment“. Die Profis versuchen den Verlauf ihrer Karriere selbst zu bestimmen, die

BESTEN DUNK

nächste aUSGABE

Dré dunkt Cath und Maik für die Last-Minute-Hilfe! Außerdem eine Berichtigung: Das Interview in der #159 mit Konrad Wysocki führte Manuel Baraniak und nicht Peter Bieg.

Die FIVE #161 erscheint am 16. August 2019 oder liegt schon bis zu vier Tage vorher bei allen Abonnenten im Briefkasten. Dann im Heft: die große NBA-FreeAgency-Analyse, die WM-Vorschau und vieles mehr!

Ausgabe verpasst? Kein Thema. Scannt den nebenstehenden Code mit eurem Smartphone ein oder

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Regeln des CBA für ihre eigenen Zwecke zu nutzen. Hinzu kommt, dass mehr als je zuvor auch viele Fans die Mechanismen der Trades und des Salary Caps verstehen. Der Transfermarkt ist zum einen keine Black Box mehr … die Fans wissen, was möglich ist und was nicht. Auf der anderen Seite gibt es eben einige Wechsel. Somit lohnt es sich, über den einen oder anderen Transfer zu spekulieren und zu hoffen, dass der nächste Star beim eigenen Team anheuert. Also werden wir alle den gesamten Juli hindurch unseren imaginären GeneralManager-Anzug anziehen, die Trade Machine beackern, an den Lippen von Adrian Wojnarowskis Twitterkonto hängen und über die Verpflichtungen diskutieren, bis im August endlich Ruhe einkehrt. Also wenn wir das denn wollen … denn im August beginnt die Vorbereitung der deutschen Nationalmannschaft auf die WM in China, direkt danach starten die NBA-Training-Camps. Basketball never stops. Viel Spaß mit FIVE #160!

Fotos: Getty Images Lektorat: Thomas Brill Mitarbeiter dieser Ausgabe: Christian Orban Sebastian Dumitru Moritz Wagner Ruben Spoden Manuel Baraniak Jens Leutenecker Peter Bieg Louis Richter Thomas Fritz Tobias Feuerhahn Björn Lehmkühler Daniel Müller Ivan Beslic Robbin Barberan Aboservice: KICKZ Never Not Ballin’ GmbH E-Mail: abo@fivemag.de Tel.: +49-89-324 781 70 Druck: Dierichs Druck + Media GmbH & Co. KG Frankfurter Straße 168 34121 Kassel Vertrieb: MZV GmbH & Co. KG Ohmstr. 1 85716 Unterschleißheim Für unverlangt eingesandtes und nicht mit einem Urhebervermerk gekennzeichnetes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Beiträge, die namentlich gekennzeichnet sind, geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Vervielfältigung, Speicherung sowie Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlages. Gerichtsstand ist München.

ISSN 1614-9297 FIVE_MAG

André Voigt

NEXT

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FIVE-ABOSERVICE Heft noch nicht da? Dann mailt an abo@fivemag.de ...

schaut auf www.kickz.com/de/five vorbei und ordert einfach nach.

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FIVE

inhalt

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36 20 42 70 06 24 SECONDS Prospects, Einwurf, Ruben Spoden, NBA-Plays, NBA-Skills-Check etc.

16 ONE-ON-ONE Wer ist der bessere Point Guard: Kemba Walker oder Mike Conley?

18 ONEPAGER Norman Powell & Andre Iguodala.

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DAS WAR 2018/19!

INTERVIEW: THOMAS KLEPEISZ

Die Saison 2018/19 ist vorbei. Wir

Aus Österreich in die BBL – der

Lillard ist endlich ein Star!

haben die besten Fotos für euch!

Point Guard der Basketball Löwen

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Braunschweig über seinen Weg.

36 DAMIAN LILLARD Kleine Uni, großes Game! Damian

INTERVIEW: DIMITRIS ITOUDIS

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Alle wollen Einhörner, die Nuggets

Der Meistercoach im Gespräch!

FIVE MEETS RECAP

lieben ihren Narwal!

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FIVE hautnah bei den BBL-Profis ...

NIKOLA JOKIC

DIKEMBE MUTOMBO

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Ihr kennt den Finger, aber kennt ihr

IN-DRÉ-SSANT

Der deutsche Jung-Big-Man über eine

auch den Mann dahinter?

Die Dynastie der Golden State

Saison zwischen den Welten.

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Warriors ist vorbei – niedergestreckt

50 INTERVIEW: ISAIAH HARTENSTEIN

NBA-FINALS 2019

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Die Raptors sind NBA-Champion, die

DANILO GALLINARI

Warriors liegen am Boden. Diese Finals waren schicksalhaft.

28 NBA-DRAFT 2019 Zion, Ja, R.J. … was kann der neue Rookie-Jahrgang? Und welche Teams sicherten sich die Sleeper?

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vom Schicksal.

Das große FIVE-Special über die

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einzigartige Liebesbeziehung dieser

WARENKORB

meldete sich fulminant zurück!

beiden Kulturen.

KICKZ hat die Styles, die ihr wollt!

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CHRIS BOUCHER

BBL-TAKTIK-CHECK

Ist der Raptors-Center der nächste

Auch wenn Oldenburg früh aus den

Geniestreich von Masai Ujiri?

Playoffs ausschied: Hier ist die Taktik

Verletzt, vergessen? Danilo Gallinari

HIPHOP & BASKETBALL

der Donnervögel.

IVAN BESLIC Ziemlich beste Freunde? Maurice Stokes und Jack Twyman waren viel mehr als das!

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einwurf

EINWURF

HONDO

twenty four seconds E

In seiner Kolumne „Einwurf“ schaut Christian Orban über den Spielfeldrand hinaus und schreibt über die weniger beachteten Aspekte der Basketballkultur. Text: Christian Orban

nde April dieses Jahres ist John Havlicek im Alter von 79 Jahren verstorben. Zuletzt hatte der Hall of Famer unter seiner Parkinson-Erkrankung gelitten. Durch seinen Tod hat die NBA-Gemeinde einen Ausnahmeakteur verloren, den es zu würdigen gilt. Denn nicht allein auf dem Hartholz machte Havlicek den Unterschied. „John war freundlich und rücksichtsvoll, bescheiden und großherzig. Er war in jeder Hinsicht ein Champion“, würdigten die Celtics den Swingman, der seine gesamte Profikarriere in Boston verbracht hatte. „Er war nicht nur ein Mitspieler und großartiger Mensch“, betont Bill Russell. „Er war auch ein Familienmitglied. Denn so eng waren unsere Celtics-Teams. RIP Hondo.“ Mit dem Rekordmeister gewann der 1,96-Meter-Mann aus dem „Buckeye State“ zwischen 1962 und 1978 acht Meisterschaften. Seine erste als 23-jähriger Rookie, die finale 1976 als 36-jähriger Veteran. Nur Kareem Abdul-Jabbar und Tim Duncan gelang als Starspielern Ähnliches. Einzig Russell (elf) und Sam Jones (zehn) haben mehr NBA-Titel als ihr Teamkamerad gesammelt, der mit Karrierewerten von 20,8 Punkten, 6,3 Rebounds und 4,8 Assists aufwarten konnte. Demnach war kaum ein NBA-Akteur über eine so lange Zeit hinweg so erfolgreich wie „Hondo“. Obendrein fungierte einer der spielerisch langlebigsten Profis in „Beantown“ als Verbindungsglied zweier Erfolgsären. 1962 stieß Havlicek als siebter Pick der Draft zu den Kelten. Zuvor hatte er mit Ohio State 1960 den NCAA-Titel gewonnen. „John war zunächst der Sechste Mann, aber er entwickelte sich zu einem echten Star“, erinnert sich Tom Heinsohn, der mit „Hondo“ für die Russell-Celtics spielte und ihn später viele Jahre als Headcoach betreute. „Er war ein außergewöhnlicher Spieler.“ So war der Finals-MVP von 1974 13-mal in Folge ein All Star (FranchiseRekord). Elfmal stand Havlicek in der All-NBA-

Auswahl (viermal im First Team), achtmal im seit 1969 berufenen All-Defensive-Team. Als er 1978 im Alter von 38 Jahren zurücktrat, war er der NBA-Führende in puncto Karriere- und Playoffspiele. Bei den absolvierten Minuten, generierten Punkten und Assists rangierte er auf den Plätzen zwei, drei und fünf. Zudem war der Celtic seinerzeit der erste Profi, der 16 Saisons in der NBA verbracht hatte und dabei in jedem Jahr mehr als 1.000 Punkte erzielte. Rekorde, die erst Abdul-Jabbar 1985/86 brach. Bostons „Eisenmann“ darf daher als einer der komplettesten (Flügel-)Spieler der Liga-Historie gelten. So war Havlicek ein laufstarker Allrounder, der unermüdlich mit Herz und Hingabe hochfokussiert zu Werke ging und stets zuverlässig ablieferte: im Schnellangriff, mit dem Zug zum Korb, an der Freiwurflinie sowie per Sprungwurf aus der damals noch geliebten Halbdistanz. Auch war der selbstlose Teamplayer als fähiger Passgeber, starker Rebounder und hartnäckiger Verteidiger bekannt. „John hat dich auf höchstem Niveau herausgefordert – und er wollte unbedingt gewinnen“, vergegenwärtigt LakersLegende Jerry West, der dem passionierten Wettkämpfer fünfmal in den NBA-Finals unterlag. „Zugleich war er ein wirklich netter Mensch. Ich glaube nicht, dass ich jemals jemanden ein schlechtes Wort über John sagen hörte. Er war auf dem Parkett ein absolut angenehmer Zeitgenosse und abseits davon ebenso.“ Für die Celtics übernahm Havlicek auf großer Bühne wiederholt Verantwortung (22,0 Punkte in den Playoffs) und trat wie 1965 gewinnbringend hervor („Havlicek stole the ball!“). „Wenn wir einen wichtigen Korb brauchten, war er immer derjenige, den wir den Wurf nehmen sehen wollten“, betont Paul Silas, der mit „Hondo“ 1974 und 1976 in Boston den Titel gewann. Was ihn auszeichnete, war vor allem aber seine physische Konstitution. Entsprechend verbuchte Havlicek zu seiner

absoluten Hochzeit routinemäßig 41 bis 45 Einsatzminuten pro Partie – ohne jemals zu straucheln oder müde zu wirken. Etwa spielte der Energizer, der eine bemerkenswert niedrige Herzfrequenz aufwies, 1969 die Finalserie komplett durch. 1974, als er zum Finals-MVP avancierte, kam er im Mittel auf 47,1 Minuten. Cedric Maxwell, der als Rookie mit „Hondo“ zusammenspielte, rekapituliert: „Der Mann war pausenlos unterwegs. Er hat niemals innegehalten. Er machte dabei keine großen Schritte – vielmehr waren es kleine, abgehackte Schritte –, doch war er stets auf und davon. Wenn die Leute sagen: ‚Du kannst kein bewegliches Ziel treffen‘, muss ich an John denken.“ Weggefährte Heinsohn bekräftigt: „Wir waren eine der schnellsten Mannschaften der Liga, und Havlicek war der perfekte Mann, um in einem Fastbreak-Team zu spielen.“ Selbst mit 38 Jahren ging der Vorzeigeprofi in seiner Abschiedssaison in gut 34 Minuten pro Abend noch lauffreudig und einsatzvoll voran. Wie sehr die Fans dies zu schätzen wussten, zeigte sich bei „Hondos“ letztem (Heim-)Spiel am 09. April 1978, als der Tip-Off um mehr als acht Minuten verschoben wurde, weil die Celtics-Anhänger nach seiner Vorstellung nicht aufhören wollten zu jubeln … In Boston führt John Havlicek bis heute die Rekordlisten als erfolgreichster Korbjäger (26.395 Punkte) und Spieler mit den meisten Saisoneinsätzen (1.270) an. Bei den Assists steht er an zweiter Stelle, bei den Rebounds auf Platz fünf. Auch haben überhaupt nur fünf lebende Legenden bei einer NBA-Franchise eine längere Karriere verlebt. Gleichwohl bleibt im Nachleben auch diese Einsicht: „Es werden viele nette Dinge über dich gesagt, wenn du stirbst“, so Havliceks einstiger Co-Star Dave Cowens. „Ich wünschte, die Leute hätten sie zu John gesagt, als er noch am Leben war. John wurde immer übersehen. Es wurde nicht genug über ihn gesprochen.“

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moritz wagner

Fotos: Rob Foldy/Andrew D. Bernstein/NBAE via Getty Images

MORITZ WAGNER Moritz Wagner hat es geschafft: Er spielt in der NBA. Auch in dieser Saison nimmt euch der Big Man in FIVE mit auf seine Reise, die ihn von Alba Berlin über die University of Michigan zu den L.A. Lakers geführt hat. Text: Moritz Wagner

I

ch stehe mit meinen UniKumpels in einem Supermarkt in Florida. Wir sind für ein Sommerwochenende alle zusammengekommen, um für ein paar Tage Zeit miteinander zu verbringen, denn seit die Collegetage vorbei sind, sieht man sich nur noch selten. Wir besorgen gerade Lebensmittel fürs Abendbrot, als ich eine Nachricht bekomme. Mein Telefon ist so eingestellt, dass jeder Tweet von Adrian Wojnarowski direkt zu mir als Nachricht geschickt wird. So verschwende ich nicht auf Twitter meine Zeit und weiß trotzdem Bescheid, wenn jemand getradet wird oder wer wo als Free Agent unterschrieben hat. „The Pelicans have agreed to trade Anthony Davis to the Lakers …“ Ohne mehr zu wissen, lese ich so schnell ich kann weiter „… for Lonzo Ball, Brandon Ingram, Josh Hart and three first-round draft picks.“ Um ehrlich zu sein, habe ich erst gar nicht realisiert, welche Namen da standen, ich habe einfach nach meinem Namen gesucht, wollte wissen, ob ich Teil des Deals bin oder nicht. Als ich verstanden hatte, dass ich nicht nach New Orleans getradet worden war, überkam mich erst mal Erleichterung, ohne weiter drüber nachzudenken. Meine Knie zitterten, und ich habe die Nachricht meinen Homies laut vorgelesen. Ich war so geschockt, das mit dem Einkaufen hatte sich für mich erledigt. Ich brauchte erst mal frische Luft. Die ganze AnthonyDavis-Geschichte zog sich durch die ganze Saison, und ich war froh, dass endlich ein Haken hinter die Sache gemacht werden konnte. Sofort nach der Erleichterung überkam mich aber auch ein komisches Gefühl. Ich dachte an Brandon, Zo und Josh, die an dem Tag erfahren hatten, dass sie jetzt nach New Orleans gehen müssen. Mietvertrag kündigen, Kartons packen (wahrscheinlich eher packen lassen, aber trotzdem …) und Tschüss sagen zu allen Freunden. Einfach so. Man könnte jetzt sagen: „Mann ey, die verdienen so viel Geld, die sollen nicht rumheulen!“ Und das stimmt auch. Aber es gibt da eben auch die menschliche Seite,

egal wie viel Geld du verdienst. Versteht mich nicht falsch, ich glaube jetzt nicht, dass die drei Jungs total am Boden zerstört waren, und ich möchte hier jetzt auch kein künstliches Drama aufbauen, aber für den Otto Normalfan ist ein Trade halt wie ein Puzzleteil und für den Spieler real life. Das geht dann auch mal so weit, dass der Lebensmitteleinkauf mit den Homies unterbrochen wird. Die Geschichte habe ich übrigens nur erzählt, um zu zeigen, wie unerwartet und willkürlich solche Nachrichten einen treffen können. Aber ich glaube, das mit der ganzen TradeProblematik habe ich jetzt hier an dieser Stelle schon oft genug dargestellt … Wer jetzt glaubt, dass es mit Trades für dieses Jahr vorbei ist, hat sich geschnitten. Das ist mir sehr wohl bewusst. Und wenn ich ehrlich bin, bin ich gerade dabei, eine gewisse Taubheit dagegen zu entwickeln. In dieser verrückten Welt wird es immer jemanden geben, der redet. So ist das nun mal. Ich habe mir vorgenommen, die Sachen zu kontrollieren, die ich kontrollieren kann, und dass ich als Basketballer besser werde. Obwohl das einfacher gesagt als getan ist, ist es das, was ich tue. Zurzeit bin ich wieder in der Halle und mache mein Ding. Es fühlt sich gut an, wieder voll im Rhythmus zu sein, nachdem ich ein bisschen zu Hause gechillt habe. Übrigens, ohne jetzt die FIVE mit Schleichwerbung vollzuspammen: Auf DAZN gibt es seit ein paar Wochen eine ganz coole Dokumentation über mein erstes Jahr bei den Lakers. Die Jungs haben mich mehrmals besucht, wir haben in Michigan, Los Angeles sowie Berlin gedreht, und sie haben echt einen guten Job gemacht. Hat sich ein bisschen komisch angefühlt, ständig von einer Kamera verfolgt zu werden, aber daran hat sich mein inneres Hollywood-Ich dann auch irgendwann gewöhnt … Chefredakteur André Voigt hat auch ein paar ganz smarte Szenen beigetragen. Also für alle, die den Kollegen schon immer mal vor der Kamera sehen wollten: Das Einschalten lohnt. Macht’s gut!

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FIVE Buch Klub Idan Ravin: „The Hoops Whisperer: On the Court and Inside the Heads of Basketball’s Best Players“ 256 Seiten, Avery Books/Penguin Books, 2014, ca. 15 Euro

Idan Ravin

The Hoops Whisperer Jeden Monat stellen wir euch an dieser Stelle im FIVE-Buchklub lesenswerte Bücher aus der Welt des Basketballs vor. Text: Daniel Müller

I

dan Ravin (48) hat weder in der NBA noch am College Basketball gespielt. Er hat keine Trainerausbildung, kein Sportstudium, keine Lehrzeit in Vereinsstrukturen absolviert. Von Haus aus ist er Anwalt, ein unglücklicher, wie er sagt. Und doch rufen ihn die ganz Großen an, um Individual-Workouts zu buchen. Carmelo Anthony, Chris Paul, LeBron James, Stephen Curry, Dwight Howard, Kevin Durant … die Liste ist lang, sehr lang. In seinen 2014 veröffentlichten Memoiren erzählt der „Hoops Whisperer“ aus New York seine Geschichte. Und diese Geschichte geht ungefähr so: Als Kind strenggläubiger Juden stehen für den jungen Idan Ravin alttestamentarische Studien und Hebräisch ganz oben auf dem Stundenplan, während seine Liebe für Basketball von seiner Familie nicht nur belächelt, sondern sogar aktiv boykottiert wird. Egal. Der Junge trainiert trotzdem, allein und wie ein Besessener – bei Regen, Schnee, Eis, morgens um fünf, abends um zehn, in der Einfahrt, im YMCA, auf dem Freiplatz. Er spielt sehr erfolgreich Highschool-Basketball, scheitert aber bei den abgekarteten Walk-on-Tryouts am College. Damit ist seine „Spielerkarriere“ zwar beendet, doch sein Leben für den Basketball hat gerade erst begonnen. Während er lustlos in San Diego Jura studiert und in einer Anwaltskanzlei buckelt, zermartert er sich unablässig das Hirn darüber, wie er das Game, das er über alles liebt, zu seinem Lebensinhalt machen kann. Neben der Arbeit versucht er sich als Spieleragent, netzwerkt in NBA-Zirkeln, verschickt Unmengen an Bewerbungen an die 30 Teams der Liga – alles erfolglos. Dann beginnt er Jugendmannschaften zu trainieren und merkt: „Wow, das liegt mir.“ Es folgen Workouts für unbekanntere College-Spieler, die so intensiv und gut sind, dass nach und nach auch (spätere) Größen bei den Sessions auftauchen: erst Steve Francis, dann Juan Dixon, später Elton Brand. Der Durchbruch scheint nah, doch es gibt ein Problem: Ravin traut sich nicht, Geld für seine Dienste zu verlangen. Seine Mutter setzt ihn auf den Topf, sodass er irgendwann kleinlaut zu Elton Brand meint: „Zahl mir einfach, was du für richtig hältst.“ Als dann wider Erwarten tatsächlich der erste Scheck eintrudelt, legt Ravin das elende Anwaltsleben ad acta und trainiert fortan alles, was in NBA und WNBA Rang und Namen hat.

Leider unterlässt es Ravin im gesamten Buch, die konkreten Gründe für seinen Erfolg bei den Profis zu benennen. Was ist es genau, das seine Workouts so begehrt bei der Elite macht? Seine detaillierten und schonungslosen Analysen der Schwächen eines Spielers? Seine eigenwilligen und fein abgestimmten Drills zur Behebung selbiger? Sein Input zu Technik und Taktik? Seine Motivationskünste? Wer sich nicht daran stört, dass Ravin keine Blaupause für sein Geschäftsmodell liefert, bekommt in „The Hoops Whisperer“ Unmengen bemerkenswert tiefer Einblicke in das Individualtraining der NBA-Stars geboten: Da ist die Story von Carmelo Anthony, der seinen nicht mal einjährigen Sohn mit zur Session bringt und damit auf liebenswerte Art das Training sprengt; oder die von Dwight Howard, der nach Verletzungen und Schmähungen bei den Lakers am Boden zerstört ist und mit Ravin daran arbeitet, sein Mojo und den Spaß am Spiel wiederzufinden; die von Amar’e Stoudemire, der mit Ravin nach Israel reist, um seine Wurzeln zu ergründen und Yad Vashem zu besuchen; die von Chris Paul, mit dem Ravin stundenlange Fahrradtouren durch den mörderischen Verkehr von New York City macht, um Erinnerungen an die Kindheit heraufzubeschwören; die von Kobe Bryant, der Ravin nach nur einer Session (die natürlich um fünf Uhr morgens beginnt) wegen angeblicher Illoyalität den Laufpass gibt; oder die von Kara Lawson, der Ravin unbedingten Egoismus einimpft und die linke Hand „repariert“. Auch über Alana Beard, Kevin Durant, Gilbert Arenas, J.R. Smith, Stephen Curry und den „King“ höchstpersönlich gibt es in „The Hoops Whisperer“ lesenswerte Kapitel, die manchmal nicht viel mehr als unterhaltsame Anekdoten, manchmal jedoch mit interessanten Ansätzen aus Psychologie und Philosophie unterfüttert sind. Am Ende des Buches kommt Ravin auf seine Kritiker zu sprechen und beschreibt seine Erfahrungen mit einer Reihe von NBA-Teams und -Headcoaches (Larry Brown, Eddie Jordan, Kurt Rambis, Donnie Nelson), die seinen Workouts und Methoden größtenteils skeptisch bis feindselig gegenüberstehen, aber dennoch anerkennen müssen, dass ihre Besten immer wieder zum „Hoops Whisperer“ gehen. Es gibt allerdings einen Coach, der ihn mit offenen Armen empfängt. Es ist, wenig überraschend, Steve Kerr.

Fotos: Alexander Tamargo/WireImage

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der ruben-report

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ines meiner ersten Spiele als Basketballprofi mit Tübingen war ein Vorbereitungsspiel irgendwo in Franken gegen den damaligen deutschen Meister aus Bamberg. Wir waren im Rahmen einer Halleneröffnung eingeladen und „durften“ uns daher gleich zu Beginn der Vorbereitung mit dem mit Abstand besten Team aus Deutschland messen. Wir wurden demontiert, lagen schon nach dem ersten Viertel mit 20 Punkten zurück, ich kam nur in den letzten Minuten kurz zum Einsatz. Ein wenig geknickt war ich nach der Partie und wollte mich gerade mit den anderen Spielern auf den Weg in die Kabine machen, als ich im Augenwinkel sah, wie mein Mitspieler Joe Herber gemeinsam mit unserem Trainer begann, einzelne Flaschen vom Boden aufzuheben und wieder in den Kasten einzusortieren, aus dem wir sie während des Spiels entnommen hatten. Als junger Spieler wollte ich das nicht auf mir sitzen lassen, stellte meine Tasche ab und half den beiden. Ein großer Luxus als Profisportler ist es, dass einem viele unangenehme Dinge im Alltag abgenommen werden. In vielen Vereinen gibt es einen Wäscheservice. So hatten wir in Würzburg Wäschenetze mit unserem Namen, in die wir nach dem Training unsere gebrauchten Klamotten steckten, um sie dann frisch gewaschen und zusammengelegt am nächsten Tag wieder in unserem Spind zu finden. Fast jedes Team bietet mittlerweile seinen Spielern eine Art von „Essensdeal“ an. Also Restaurants, in die man gehen kann, um vergünstigt oder sogar kostenlos zu essen. Klar, für das Restaurant ist es ein klein wenig Werbung, wenn die Aushängeschilder der Stadt zum Essen kommen und dabei noch ab und an auf Instagram ein Bild hochladen. Im Gegenzug dafür wird einem das Kochen abgenommen, was im Alltag natürlich eine enorme Erleichterung darstellt. Auch für alle anderen Dinge des Lebens hat der Verein normalerweise Angestellte oder Beziehungen. So wurden selbst die Gänge zu Behörden oder

der Ruben Report Ämtern dank der richtigen Beziehungen immer sehr kurzweilig. In Tübingen hatten wir einen Team-Manager: Tobias Fischer. Die gute Seele des Vereins. Egal welches Problem ein Spieler hatte, Tobias konnte einem helfen oder kannte die richtige Person, die einem helfen konnte. Schon bei meinem Einzug in meine erste Wohnung in Tübingen fiel mir auf, wie hilfsbereit Tobias war. Er hatte mir – und wohl den anderen Spielern auch – schon mal die wichtigsten Lebensmittel in die Wohnung gestellt. „Damit du erst mal über die Runden kommst“, sagte er. Ich kannte dieses Gefühl, immer bemuttert zu werden, von meinen vorherigen Vereinen noch gar nicht und war unheimlich überrascht. Einmal musste ich Tobi am späten Abend anrufen. Ich war mit einem Kumpel im Kino gewesen und hatte meinen Schlüssel zu Hause vergessen. Tobi quälte sich also extra aus dem Bett und machte sich auf den Weg, um mich mit einem Ersatzschlüssel reinzulassen. Ich entschuldigte mich mehrmals und hatte wirklich ein schlechtes Gewissen. Tobi winkte nur ab und erzählte mir, dass er nachts schon von anderen Spielern angerufen worden sei, nur um ihnen eine Glühbirne zu wechseln oder Kondome zu bringen. Für Außenstehende mag es vielleicht seltsam klingen, aber man gewöhnt sich daran, dass einem

vom Klub einfach unheimlich viel abgenommen wird, auch wenn es teils wirklich absurde Züge annahm. Für mich war es auf jeden Fall ein extrem seltsames Gefühl, wenn ich wegen einer Verletzung zu unserem Teamarzt in die Notaufnahme musste und plötzlich an all den wartenden und akut kranken, „normalen“ Patienten vorbeigewinkt wurde. Natürlich gefiel es mir an anderer Stelle, immer so privilegiert behandelt zu werden, doch schwang immer ein wenig Unbehagen bei der Sache mit. Als ich damals die Flaschen aufsammelte, war es für mich kein großes Ding. Nachdem alle wieder in der Kiste waren, schnappte ich meine Tasche und stapfte in Richtung Kabine, als unser Cheftrainer Perovic seinen Arm um mich legte und sagte, dass er gesehen habe, wie ich eben die Flaschen aufgehoben hätte. „This is way bigger than Basketball“, sagte er zu mir. „One day, all this will be over, but what lasts is what kind of person you are.“ Heute, wo all der Luxus nicht mehr da ist, ich selbst meine Wäsche waschen, im Amt eine Nummer ziehen, nachts den Schlüsseldienst rufen und beim Arzt im Wartezimmer sitzen muss, weiß ich, was er damals meinte ... und hätte ich es früher verstanden, wäre ich sicherlich oft wirklich sehr viel dankbarer für all diese Dinge gewesen.

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Bei der geburt getrennt / Publetter

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Bei der geburt getrennt Malcolm Brogdon

state farm guy

- PubLetter -

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East Coast Rising

ie NBA-Offseason ist die verrückteste Zeit des Jahres. Komplett chaotisch und unvorhersehbar und eigentlich überhaupt nicht dazu geeignet, einen Publisher’s Letter zu schreiben. Nimmt man als Thema etwas, was in der Saison passierte, ist es alt und interessiert eigentlich keinen mehr. Schreibt man über aktuelle Free Agents und TradeGerüchte, wird man ganz schnell von der Realität überrollt, die gefühlt doppelt so schnell weitergeht, während das Heft im Druck ist. Zum Beispiel weiß ich nicht, bei welchem Team Kawhi Leonard nächste Saison spielen wird. Ihr Leser seid da wahrscheinlich jetzt schon schlauer. Aber während ich hier schreibe, können es laut Woj sowohl die Raptors als auch die Clippers sein. Ich sollte also besser über ein Thema schreiben, das komplett unabhängig davon ist, wo der frisch gekürte Finals-MVP unterschreibt. Ein Thema, das auch noch in vier Wochen aktuell ist und sich nicht mehr ändert. Hier kommt’s. Ready? Der NBA-Westen ist nicht mehr die bessere Conference. Ja, ich hab’s gesagt. Und nein, das hat nicht nur etwas damit zu tun, dass ein Team aus dem Osten Meister geworden ist. Es hat viele Gründe, von denen sich die meisten über Jahre so entwickelt haben. Aber unterm Strich ist die Qualität im Osten gestiegen, während sie im Westen abgenommen hat und weiter abnehmen wird. Unabhängig davon, wo Leonard oder auch Jimmy Butler letztendlich diesen Sommer unterschreiben werden, ist die Eastern Conference nicht mehr die „2. Liga der NBA“. Junge Mannschaften wie die Philadelphia 76ers, Milwaukee Bucks und Brooklyn Nets können jedem Team im Westen gefährlich werden. Die Indiana Pacers haben mit Victor Oladipo ebenfalls das Zeug dazu, oben mitzuspielen, und die Celtics – auch wenn sie Kyrie Irving verlieren – haben in der Saison 2017/18 gezeigt, dass sie auch ohne ihn die Conference Finals erreichen können. Schaut man dagegen, was im Westen los ist, hat sich die Landschaft stark verändert. Natürlich sind die Top-Teams auf dem Papier weiterhin gut, aber kann man sie noch ernst nehmen? Die Rockets und die Thunder sabotieren sich jedes Jahr selbst. Die

Blazers haben alle Sympathien, drehen sich aber im Kreis, und die Golden State Warriors können sich aufgrund von langwierigen Verletzungen erst mal (für immer?) von ihren Titelambitionen verabschieden. Apropos „langwierig“. Ich spreche hier nicht von einem kurzen Intermezzo. Der Osten hat endgültig aufgeholt. Die derzeitigen Superstars im Westen sind zwar noch nicht steinalt, aber sie befinden sich doch alle in der Mitte oder sogar im letzten Drittel ihrer sogenannten Prime. LeBron ist 34 Jahre alt, Chris Paul 33. Westbrook ist 30, aber seine Knie sind 34 (Gas wegnehmen findet er anscheinend uncool). „KD“ ist 30, aber in welchem Zustand er von seinem Achillessehnenriss nächstes Jahr zurückkommt, weiß keiner. Ich würde wetten, dass er nicht besser zurückkehrt. Harden ist 29 … und bis er schnallt, dass man mit seiner Art Basketball nicht Meister wird, ist er mindestens 35. Wer rückt nach? Junge Stars im Westen gibt es, aber die spielen bei Teams, die nicht gut genug sind, um das Pendel zurück Richtung Westen ausschlagen zu lassen. Die Timberwolves mit Karl-Anthony Towns scheinen mit ihrer Rolle im Mittelfeld zufrieden zu sein, und Devin Bookers Phoenix Suns … ich hab keine Ahnung, was das werden soll, wenn’s fertig ist. Luka Doncic und Kristaps Porzingis sind großartige Talente, aber die Mavericks sind noch weit davon entfernt, in die Lücke zu springen, die die Implosion der Warriors hinterlassen hat. Ich sage nicht, dass der Champion jetzt jedes Jahr aus dem Osten kommen wird. Überhaupt nicht. Wahrscheinlich wird die Larry O’Brien Trophy schon nächstes Jahr wieder in den Westen gehen. Aber die Zeiten, in denen der Westen das Maß aller Dinge war und der Osten nur belächelt wurde, sind vorbei. Man kann sich wieder auf Basketball-Schlachten freuen. Der Osten ist zurück.

Christian Grosse (Herausgeber)

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five-prospects Prospects

ISAIAH IHNEN

Fotos: Gary Dineen/Steve Russell/Toronto Star via Getty Images

I

saiah Ihnen steht ein Umzug bevor: In diesem Sommer geht es für den Forward von München nach Minnesota, wo der Deutsche in der kommenden Saison für die University of Minnesota auflaufen wird. Ihnen, der im vergangenen Jahr für die Internationale Basketball Akademie München (IBAM) in der NBBL gespielt hat, setzt seine basketballerische Ausbildung also in den USA fort. „Sein Potenzial ist überwältigend“, ist sein zukünftiger Coach Richard Pitino überzeugt, der besonders die Vielseitigkeit von Ihnen hervorhebt und sich von ihm schon in dessen Rookie-Saison einen großen Einfluss auf das Spiel seiner „Gophers“ verspricht. Pitino und die Gophers begrüßen einen 18-jährigen Neuzugang, der körperlich alles mitbringt: Bei einer Größe von 2,05 Meter verfügt Ihnen über eine Armspannweite von mehr als 2,20 Meter, was ihn in Kombination mit guter Schnelligkeit und Athletik extrem interessant macht. In der Verteidigung ist er dank Einsatzwillen und guter Antizipation sowohl als Shotblocker als auch als Wilderer in gegnerischen Passwegen gefährlich. In der Offensive überzeugt Isaiah Ihnen insbesondere mit einem sehr schönen Sprungwurf, den er auch aus der Distanz sicher verwandelt – gerade aus dem Catch-and-Shoot. Doch Ihnen kann auch etwaige Closeouts per Drive attackieren und dann aus der Mitteldistanz

Jeden Monat stellt euch Peter Bieg an dieser Stelle die größten Talente Europas und Deutschlands vor. Text: Peter Bieg

treffen oder wahlweise per Floater, Layup oder Dunking direkt in der Zone abschließen. Seine Schritte sind dabei lang und platziert, die Fußarbeit des Forwards ist überdurchschnittlich gut. Mit seinem starken Wurf sollte Ihnen weder am College noch perspektivisch als Profi Probleme damit haben, als Stretch-Big moderner Prägung Einfluss auf das Spiel zu nehmen. Was seine Spielanlage angeht, ist der Deutsche – Stand heute – deutlich mehr ein Small Forward als ein Power Forward, attackiert also zumeist mit dem Gesicht zum Korb, da Verteidiger seinen Wurf jederzeit respektieren müssen und er diese mit solidem Ballhandling auch aus dem Dribbling bezwingen kann. Im Trikot der IBAM konnte Ihnen in der NBBL zumeist überzeugen, war aber auch vielen seiner Gegenspieler körperlich und athletisch extrem überlegen. Er ist zwar kein „Freak Athlete“, aber immer wieder für Dunks gut und mit seiner großen Spannweite auch ein dankbares und verlässliches Ziel für hohe Anspiele. Dennoch sollten sich seine körperlichen Vorteile in den Vereinigten Staaten deutlich relativieren, und er wird seine – eindeutig vorhandenen – technischen Fähigkeiten noch stärker nutzen müssen, um kontinuierlich zu produzieren. redaktion@fivemag.de

ISAIAH IHNEN Geburtstag: 15.10.2000 Größe: 2,05 Meter Gewicht: 90 Kilogramm Position: Small Forward/ Power Forward Verein: University of Minnesota (ab der Saison 2019/20)

Stats: Stats: 12,7 PPG, 7,9 RPG, 2,2 APG, 1,4 SPG, 1,0 BPG, 54,3 FG% (NBBL 2018/19)

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street courts of the world

twenty four seconds

Toronto, Kanada

photo by Kasper nyman Website: www.citiesofbasketball.com instagram: citiesofbasketball

Street Courts of the

World

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skills-check

Draymond

Green

Draymond Green

Draymond Green gehört zu jenen Akteuren, bei denen Experten gerne sagen, dass man ihren Wert nicht in Zahlen bemessen kann. Oder anders formuliert: Wie kann ein Spieler, der lediglich 30 Prozent seiner Sprungwürfe und etwas mehr als jeden zweiten Korbleger trifft, zu den besten auf seiner Position in der NBA gehören? Coach Jens hat Green unserem Skills-Check unterzogen. Text: Jens Leutenecker Position: Power Forward Geburtstag: 04. März 1990 Größe: 2,01 Meter Gewicht: 104 Kilo Verein: Golden State Warriors Erfahrung: 6 Saisons

Stats 2018/19: 8,5 PPG || 8,4 RPG 7,9 APG || 2,9 TO 1,2 BPG || 32,3 3P% (PER 36 MIN.)

B

asketballer können ihrer Mannschaft auf dem Spielfeld in drei grundsätzlichen Kategorien zu Siegen verhelfen, nämlich mit Scoring, Playmaking (also dem Passspiel) und ihrer Defense. Etwas mehr als sechs Wurfversuche nimmt Draymond Green pro Spiel und trifft dabei weniger als drei davon. Die Trefferquote von 44,5 Prozent führt ihn beim Scoring auf dem 517. Platz von 579 NBA-Spielern, damit gehört er in dieser Hinsicht zu den ineffizientesten Akteuren der gesamten Liga. Bei den Abschlüssen als abrollender Centerspieler und bei Cut-Bewegungen zum Korb ist er jedoch mit seiner Erfolgsquote von 66 Prozent in den Playoffs als exzellent einzuordnen. Dennoch: Green ist bei Weitem kein Scorer, das war er noch nie und wird es wahrscheinlich auch nicht werden. Sein Playmaking ist jedoch überragend: Auf 2,6 Korbvorlagen kommt lediglich ein Ballverlust, das bringt ihn in dieser Kategorie als einzigen Forward/Center unter die Top 15 der NBA. Konkret glänzt Green in drei Playmaking-Bereichen: beim Fastbreak-Spiel, bei der „Short-Roll-Offensive“ und beim „Top of key passing“. Mit einer Reboundrate von 12,4 Prozent ist Green für seine Größe ein passabler Rebounder, wenngleich dieser Wert in den letzten Jahren aufgrund verminderter Athletik gesunken ist. Die Fähigkeit, den Ball nach vorne zu pushen und dabei das Spielfeld, die Mitspieler und die Verteidigung zu scannen, ist ein großes Plus für Green. Er weiß ganz genau, wann er verzögern oder Gas geben muss – und versteht es, die gegnerische Defense mit Pass- und Blicktäuschungen zu manipulieren. Als „ShortRoll-Offensive“ bezeichnet man folgendes

taktisches Prinzip: Nach dem Block des Centers, in unserem Fall von Green, spielt der Guard den Ball frühzeitig aus dem Pick-and-Roll heraus. Der Center rollt sich nur kurz ab („short roll“), ungefähr auf Höhe der Freiwurflinie, und trifft dann als zweiter Playmaker eine Entscheidung, ob er selbst abschließt oder welchen Mitspieler er anspielen möchte. Greens Entscheidungsfindung ist hier nahezu perfekt, Alley-Oops oder Pässe in die Ecke kommen ebenso selbstverständlich wie der souveräne Layup. Was natürlich nicht unerwähnt bleiben darf, ist die Tatsache, dass Greens Können auf den exzellenten Wurffähigkeiten von Steph Curry und Klay Thompson beruht. Speziell Curry ist mit seinen Würfen aus dem Dribbling so gefährlich, dass man ihn entweder doppeln oder gegen ihn switchen muss, und davon profitiert Draymond Green. Aber auch ohne Short Roll findet Green seine Mitspieler regelmäßig mit präzisen Bodenpässen oder scharfen Anspielen quer durch die Zone. In vielen Fällen mit Ball oben an der Birne (Top of key), aber manchmal auch aus dem Postup-Spiel heraus. Was bei ihm auffällt, ist die clevere Orchestrierung der Golden-State-Offensive: Er zeigt seinen Mitspielern, wo sich freie Räume befinden, setzt gute indirekte Blöcke zur richtigen Zeit und verhilft dadurch den Warriors zu ihrer tödlichen Offense. In Zahlen gesprochen verbessert sich die Trefferquote mit ihm auf dem Feld um sagenhafte 6,2 Prozent, die Assistrate geht um acht Prozentpunkte nach oben, und das Offensivrating steigt in den Playoffs von 109 auf 120 Punkte pro 100 Ballbesitze, das ist schon beeindruckend! Während viele gute Playmaker, meistens Aufbauspieler, am defensiven Ende

nicht mit Bestleistungen aufwarten können, ist Draymond Green eine Verteidigungsmaschine! Auch wenn er in dieser Saison ein bis zwei Kilo mehr mit sich herumschleppte als in den vergangenen Jahren, verteidigte sich Green zum fünften Mal in Folge in ein NBA AllDefensive Team. Er kennt sämtliche Tendenzen und Spielzüge der gegnerischen Offensive und ist daher häufig einen Schritt voraus. Er antizipiert den weiteren Spielverlauf, arbeitet mit Verteidigertäuschungen und schnellen Händen. Dank 3,2 Deflections pro Spiel, also dem Abfälschen des Balles, rangiert er zusammen mit Top-Verteidigern wie Kawhi Leonard oder Chris Paul in den Top 10 dieser Kategorie. In der Postup-Verteidigung gegen größere und schwerere Centerspieler lässt er ebenfalls nichts anbrennen: Eine gegnerische Trefferquote von 38 Prozent bei einer relativ hohen Turnover-Rate bringt ihn unter die besten Post-Verteidiger der gesamten NBA. Insbesondere der letzte Punkt mit der Turnover-Rate ist für Golden State extrem wichtig: Kein Team erzielte in den Playoffs mehr Punkte nach gegnerischem Ballverlust, mit über 19 Zählern ist das ein extrem wichtiger Aspekt in der Warriors-Spielweise. Mit Green forcieren die Dubs auf 100 Ballbesitze knapp zwei Steals mehr als ohne ihn, das gibt ihrem Spiel den nötigen Fastbreak-Push! Um die Eingangsfrage nach der Wertigkeit von Draymond Green kurz und knapp zu beantworten: +20! Mit ihm auf dem Feld ist Golden State in den Playoffs auf 100 Angriffe gerechnet bei +11 in der Offensive und +9 in der Defensive. Ohne den Ball selbst allzu häufig im Korb unterzubringen, ist er mit seiner aggressiven Art der Motor für die Warriors und möglicherweise schwerer zu ersetzen als Kevin Durant. redaktion@fivemag.de

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Toronto

nba-plays

Raptors

A 4

1

5

2

3

Kyle Lowry (1) nutzt einen Stagger-Screen (zwei hintereinander gesetzte Blöcke), um von der rechten Flügelposition nach links zu dribbeln. In den Ecken warten die Schützen Danny Green (2) und Kawhi Leonard (3).

1

5

B

4

Laufweg

Toronto raptors

Pass Dribbling Block HO Handoff

3

2

Nach dem ersten Stagger-Screen stellen Pascal Siakam (4) und Marc Gasol (5) direkt den nächsten – dieses Mal für Kawhi Leonard, der in der Feldmitte von Lowry angespielt werden und eventuell direkt zum Korb ziehen kann …

3

Die Toronto Raptors sind NBA-Champion 2019. Einen großen Anteil hatte ihr Coach: Nick Nurse. Text: André Voigt

Fotos: Steve Dykes/Mark Blinch/NBAE via Getty Images

D

ie Toronto Raptors haben sich mit einer grandiosen Postseason den Meistertitel 2019 gesichert. Großen Anteil am Gewinn der ersten NBAChampionship eines kanadischen Teams hatte der neue Headcoach Nick Nurse. Schon als er noch Assistent seines Vorgängers Dwane Casey war, zeichnete sich Nurse durch seine kreativen Offensivsets aus, die dem – unter Casey oft statischen – RaptorsAngriff neues Leben einhauchten. Gehörten früher Isolationen für die beiden All Stars Kyle Lowry und DeMar DeRozan zur offensiven Grundversorgung, setzte Nurse auf mehr Bewegung von Spielern und Ball. Sicher: Auch er nutzte die überragenden Fähigkeiten seiner Akteure, allerdings bereitete er die Attacken von Lowry und vor allem

von Leonard besser vor und postierte seine Dreierschützen perfekt, um das defensive Aushelfen bei seinen Stars so schwer wie möglich zu machen. Auch aus dem Pick-and-Roll attackierte Nurse den Champion aus Oakland immer wieder clever und setzte sein Personal intelligent ein. Der auf dieser Seite abgebildete Spielzug ist hingegen ein recht konventionelles Beispiel für eines der Plays, die dieses Jahr Bewegung in die Offensive der Raptors brachten. Drei Stagger-Screens bieten hier reichlich Chancen, eine permanent unter Druck stehende Verteidigung anzugreifen – auch weil die Verteidiger der Big Men an der Dreierlinie agieren müssen und so kaum aushelfen können. Denn: Wenn die Offensive sich bewegt, muss das die Defense auch tun.

C 1

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2

Während Leonard den Pass von Lowry bekommt, stellen die beiden Big Men den dritten Stagger-Screen. Jetzt ist es Dreierschütze Danny Green, der sich freiläuft und meist frei abdrücken kann.

3

D 1

2

5

4

Hat Green keinen freien Dreier, ist in der Regel der Pass auf Gasol am Zonenrand möglich, der dort dann eventuell gegen Greens ehemaligen Verteidiger (sofern es einen Switch gab) aufposten kann.

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Kemba

Walker

kemba walker kemba walker Geburtstag: 08. März 1990 Größe: 1,85 Meter Gewicht: 83 Kilo Erfahrung: 7 Saisons

Stats 2018/19*: 26,4 PPG || 4,5 RPG 6,1 APG || 1,3 SPG 2,7 TPG || 41,8 FG% 35,7 3P% || 83,5 FT%

Advanced Stats: 21,7 PER (5.) || 31,9 USG (4.) || 55,8 TS% (22.) || 11,9 RBR (29.) || 18,8 AST (72.)**

vs.

Mike

Conley

K

napp 32 Prozent aller Charlotte-Angriffe laufen durch die Hände von Kemba Walker, nur drei NBA-Aufbauspieler weisen hier einen höheren Wert auf. Fast 20 Pick-and-Roll-Angriffe der Hornets enden entweder mit einem Wurf von Walker oder einem Abschluss eines Mitspielers: Einzig Trae Young, Damian Lillard und D’Angelo Russell liefern vergleichbare Zahlen. Kemba Walker ist ein „Scoring Point Guard“, sechs von zehn Pick-and-Rolls enden mit einem Wurf, Floater oder LayupVersuch von ihm. Der Jumper aus dem Dribbling ist dabei besonders gefährlich, seine Trefferquote von 42 Prozent bringt ihn in eine Kategorie mit Stephen Curry oder Lillard. Der 1,85 Meter große Walker ist robuster als gedacht und kann gegen größere Verteidiger hochprozentig per Floater oder Korbleger abschließen. Eine gute Fähigkeit des 29-Jährigen ist es, den Kontakt zum Big-Man-Verteidiger aufzunehmen, dessen Rhythmus zu verändern und dadurch Fouls zu ziehen. Mit mehr als fünf Freiwurfversuchen erarbeitet er sich immer wieder einfache Punkte und steigert so seinen Punkteschnitt. Die Anspiele zu den Kollegen sind hochwertig, aber nicht überragend. Die Trefferquote der Mitspieler ist zwar nicht unbedingt Walkers Schuld, aber die Qualität der Anspiele zum abrollenden Center ist ausbaufähig. Seit vier Jahren trifft Walker den Dreier mit mindestens 35,5 Prozent, schneidet beim Catch-and-Shoot jedoch nur mittelmäßig ab. Zum Vergleich: Curry trifft knapp acht Prozent besser bei diesen Würfen oder den Abschlüssen nach indirekten Blöcken. Walker hat hier in den vergangenen Jahren zwar einen Schritt nach vorne gemacht, aber für einen All-NBA-Teamer geht bei Volumen und Effizienz noch mehr! Mit ihrem Spielermaterial hätten die Hornets in der abgelaufenen Saison durchaus schneller spielen können, im Fastbreak sollte Walker seine Effizienz ebenfalls noch steigern, wenn er zur absoluten Topklasse gehören möchte.

one-on-one

Ein Scoring Point Guard gegen einen klassischen Playmaker – Kemba Walker gegen Mike Conley! Coach Jens analysiert die beiden Spielmacher bis ins Detail. Text: Jens Leutenecker 16

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mike conley

Fotos: Joe Murphy/Kent Smith/NBAE via Getty Images

M

ike Conley ist ein Playmaker der alten Schule, das erstklassige Assist-Turnover-Ratio von 3,4 Vorlagen pro Ballverlust belegt das eindeutig. Das Problem der Grizzlies ist jedoch das Fehlen fähiger Schützen um Conley herum. Bei der Quote aus dem Catch-and-Shoot belegten die Bären zuletzt den 25. Platz in der NBA. Keine Frage: Mit etwas mehr Firepower um Conley herum wären dessen Vorlagenzahlen noch besser. Denn im Pick-and-Roll agiert der 31-Jährige sehr ausgewogen und kommt auf ein klares 50:50-Verhältnis von Pass zu eigenem Abschluss. Den Wurf aus dem Dribbling und den Korbleger gegen den Mann trifft er ordentlich, die absolute Paradedisziplin ist jedoch sein Floatergame. Kein Spieler nimmt mehr dieser Würfe, und mit 48 Prozent Erfolgswahrscheinlichkeit ist dieser schwierige Wurf für Conley ein guter. Trotzdem: Mit 35 Prozent Trefferquote bei Sprungwürfen aus dem Dribbling und 43 Prozent bei Korblegerversuchen am Ring kommt man in der Western Conference nicht ins All-Star-Team. Wenn Conley das nächste Level erklimmen möchte, muss er sich in einer Kategorie signifikant verbessern. Er könnte beispielsweise die beiden Mitteldistanzwürfe reduzieren, die er pro Spiel wirft. Aus einem Mitteldistanzwurf wird dann ein Dreier, und das könnte bereits für eine Effizienzsteigerung sorgen. Eine große Stärke von „Money Mike“ ist das Spiel abseits des Balles: Mit sinnvollen Bewegungen bekommt er immer wieder freie Würfe oder einfache Cut-Punkte in der Zone, das sieht man nur von wenigen NBAPoint-Guards. Seine SpielmacherKollegen 2018/19, Shelvin Mack und Delon Wright, sind zwar passable Ballhandler, aber wirklich freispielen konnten sie Conley durch ihr Talent nicht, sodass dieser sich jede Möglichkeit hart erarbeiten musste.

fazit

Mike conley Geburtstag: 11. Oktober 1987 Größe: 1,85 Meter Gewicht: 79 Kilo Erfahrung: 11 Saisons

Stats 2018/19*: 22,7 PPG || 3,7 RPG 6,9 APG || 1,4 SPG 2,0 TPG || 43,8 FG% 36,4 3P% || 84,5 FT%

Advanced Stats: 21,5 PER (6.) || 27,9 USG (18.) || 56,9 TS% (16.) || 5,7 RBR (48.) 23,9 AST (48.)**

Mike Conley ist ein defensiver

Topspieler gerne bei limitierten

Saison sieben Mal passiert,

Kettenhund, der häufig den

Offensivspielern.

von Mike Conley sollte man

besten Guard des Gegners deckt

Dafür kann man

das in dieser Regelmäßigkeit

und sich nach jedem freien

bei Walker, der am Ball

nicht erwarten. Der Grizzly

Ball wirft. Eine gegnerische

eigentlich alles kann, eine

ist abseits des Balles etwas

Ballverlustrate von knapp 25

wahre Offensivshow bestaunen:

aktiver, wenngleich Walker auch

*Auf 36 Minuten Spielzeit hochgerechnet

Prozent im Pick-and-Roll gehört

Pick-and-Rolls, Handoffs oder

hier einen Schritt nach vorne

ligaweit zur Spitze und zeugt

Isolations – Walker liefert

gemacht hat.

** In Klammern steht der Rang unter allen Point Guards der Saison 2018/19. PER – Player Efficiency Rating, USG – Usage Rate, TS% – True Shooting Percentage, AST – Assistrate, RBR – Reboundrate

von seinem kämpferischen

ab! Schwache Pick-and-Roll-

Einsatz. Das wird man von

Verteidigungen haben gegen ihn

jüngere Kemba Walker bekommt

Kemba Walker in dieser Form

einen extrem schweren Stand,

hier den Zuschlag, da er offensiv

nicht sehen. Die Hornets

im Zweifel kann er sie mit 40

etwas mehr zu bieten hat und

versuchen ihn defensiv eher zu

oder mehr Punkten nach Hause

defensiv keine herausragende

schonen und „verstecken“ ihren

schicken. Das ist in dieser

Schwachstelle darstellt.

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Der zwei Jahre

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Norman

Powell

Understand the Grind Norman Powell hat in den Playoffs gezeigt, dass er für die Toronto Raptors ein X-Faktor sein kann. Ein teamtypischer Underdog ist er ohnehin. Text: Christian Orban

D

ass die Toronto Raptors 2019 erstmals in die NBA-Finals eingezogen sind, haben sie auf dem Parkett zuvorderst Kawhi Leonard zu verdanken. Doch hat der inoffizielle Playoff-MVP nicht alleine abgeliefert. Vielmehr haben sieben weitere „Dinos“ als Ergänzungs- und Rollenspieler in der Endrunde beigetragen. Das gilt auch für Nick Nurse, der in seinem ersten Jahr als NBA-Cheftrainer zu überzeugen wusste. Überhaupt ist er seit 1976 erst der siebte Rookie-Headcoach, der sein Team in die Finals geführt hat … Was alle Raptors-Akteure dabei eint, ist die erfolgreich kultivierte Underdog-Mentalität. „Wir haben Jungs, die sich nach oben arbeiten mussten, die ausgezählt wurden – ich denke, das macht uns so gut“, erklärt Norman Powell, der nach Anführer Kyle Lowry am längsten in Toronto spielt. „Es macht uns viel hungriger, und deshalb verstehen sich alle gegenseitig so gut. Jeder von uns weiß um die harte Arbeit. Alle kennen Leute, die sagen, dass man dieses und jenes nicht kann. Aber der Glaube und der Einsatz, auf dem diese Jungs ihr ganzes Basketballleben aufgebaut haben, zeigt sich nun … vom Cheftrainer bis zum letzten Mann auf der Bank.“ So hat sich Coach Nurse über die britische BBL und die D-League in

die NBA gearbeitet. Leonard, der 2011 an 15. Stelle gedraftet wurde, ist der höchste Pick im Kader. Lowry war wie Serge Ibaka einst die 24. Wahl, während die „Dinos“ ihr drittes Team sind. Pascal Siakam wurde ebenso spät in der ersten Runde gezogen. Marc Gasol, Danny Green und Powell waren derweil mittlere Zweitrundenpicks. Fred VanVleet blieb sogar ungedraftet. Von ihnen hat Powell in den Playoffs 2019 am meisten überrascht. Besonders im Ostfinale trat „Stormin’ Norman“ gegen Milwaukee gewinnend hervor. 12,3 Punkte legte der BackupFlügel in dieser Serie auf, wobei er zwölf seiner 31 Dreier einnetzte. Indes war dies kein Novum für den 26-Jährigen. Denn bereits 2017 hatte er in der Endrunde gegen die Bucks als Zweitjahresprofi gezeigt (12,4 Punkte, 10 von 11 Dreiern), dass er für Toronto ein X-Faktor sein kann. So erhielt er seinerzeit eine Vertragsverlängerung über vier Jahre und 42 Millionen Dollar, der er fortan jedoch unbeständige Leistungen folgen ließ. 2017/18 spielte der Südkalifornier ein durchweg schwaches Jahr – und auch zuletzt startete er unter Nurse in kleiner Rolle holprig in die Saison. Obendrein verletzte sich Powell Anfang November an der Schulter und war wochenlang außen vor.

Als er zurückkam, war er der „Oddman“, der zu viel forcierte und dessen Wurf nicht fiel. Nach dem Jahreswechsel lief es dann aber deutlich besser: Powell trug in 44 Partien 9,7 Punkte bei, traf 42,4 Prozent seiner Dreier und verteidigte solide. Seiner zugedachten Rolle als Three-and-DFlügel, der von der Bank Impulse setzt, wurde er damit gerecht. Allein die Konstanz geht ihm noch immer ab. „In einer Nacht kann er der Sechste Mann sein, in einer anderen der neunte oder der siebte … Norm ist ein Athlet“, sagt daher Coach Nurse. „Er glaubt wirklich an seinen Wurf, also wird er ihn nehmen … und dann wird er sich ab und an freimachen, selbstbewusst zum Korb ziehen und per Dunk finishen. Mit all seiner Energie kann er in großen Spielen wichtige Plays machen.“ So ist Powell ein guter Schütze, der vor allem den Ecken-Dreier stark trifft (47,2 Prozent). Auch glänzt der dynamische 1,93-Meter-Mann in Transition, während er gern per Drive attackiert und am Korb verlässlich abschließt. Nicht zuletzt ist „Stormin’ Norman“ mit seiner Agilität und Athletik gegen Ballführer und Schützen ein achtbarer Außenverteidiger. Was ihm fehlt, ist wie gesagt mehr Beständigkeit. redaktion@fivemag.de

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24/06/2019 10:50


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Andre

Iguodala

Playoff-Andre Wie jedes Jahr spielt Andre Iguodala in der Endrunde stark auf und ist für den Abomeister aus dem „Golden State“ ein wichtiger Erfolgsgarant. Text: Christian Orban

Fotos:Joe Murphy/Nathaniel S. Butler/NBAE via Getty Images

W

enn die NBA-Playoffs anstehen, weiß Andre Iguodala, dass es seine Zeit ist, um an der Uhr zu drehen. Die Endrunde 2019 illustriert dies beispielhaft. „Ich denke, das ist seine beste Postseason seit Jahren“, äußert Teamkollege Draymond Green. „So sprunggewaltig, wie er ist, die Verteidigung, die er spielt, das Selbstvertrauen, das er ausstrahlt. Er ist ein großartiger Allroundspieler für uns.“ Iguodalas Playoff-Zahlen stützen diese Einschätzung. Bis zu den Finals legte er in rund 30 Minuten pro Partie 10,1 Punkte (59,3 TS%), 4,3 Rebounds, 3,9 Assists und 2,1 Stocks auf. Die Schonmaßnahmen während der Hauptrunde haben sich also in der Postseason abermals ausgezahlt. „Wir wollen, dass Andre zu Playoff-Andre wird und nicht zu JanuarAndre“, sagt Steve Kerr daher über den 35-Jährigen, der seine 15. NBA-Saison absolviert. Der Erfolgscoach fügt an: „Andre sieht für mich nicht wie 35 aus. Er ist einfach ein unglaublicher Athlet. Was ihn aber so besonders und zu einem brillanten Spieler macht, ist die Tatsache, dass er diese Athletik mit viel Verstand kombiniert.“ Deshalb betont Kerr: „Ich habe Glück, Andre Iguodala trainieren zu dürfen. Denn er verbindet viele lose Enden für uns. Er tut so viele Dinge für uns.“

Es sind die Aktionen, die oft den Unterschied machen, aber nicht im traditionellen Boxscore auftauchen. Etwa erstickende Rotationen, effektive Closeouts und erzwungene Ballverluste. So ist der ewig junge Edelrollenspieler vor allem am defensiven Ende ein Maestro. Schließlich deckt „Iggy“ als smarter und vielseitiger Verteidiger alle fünf Positionen. Dabei hat er ein ausgeprägtes Verständnis für die Tendenzen seiner Gegenspieler und passt sich entsprechend an. Der 1,98 Meter große Ausnahmeathlet hebt nicht unbedacht ab, greift trotz schneller Hände kaum unnötig rein und lässt sich keine leichten Fouls anhängen. Hinzu kommt die Fähigkeit, Dinge auf dem Feld zu sehen, bevor sie sich entfalten. Eine Art außersinnliche Wahrnehmung des Spiels, die nur wenige Profis besitzen. Kombiniert mit seiner Physis macht diese seltene Mischung aus defensivem Talent und Feingefühl Iguodala zu einem der versiertesten Verteidiger der Liga. Das mussten in den Playoffs 2019 auch die Profiscorer Lou Williams (33,3 FG%) und James Harden (41,1 FG%, 29,2 3P%) im direkten Duell erfahren. Der Finals-MVP von 2015 ist zudem ein vielseitiger Angreifer, der im Fluss der Offensive beiträgt. Zuvorderst besticht „Iggy“ in Transition und mit

cleveren Cuts zum Korb. Dass er am Ring herausragend abschließt und in der Postseason 2019 die drittmeisten Dunks vollendet hat, verwundert kaum. Auch kann der agile Flügel den Ball auf den Boden setzen und als sekundärer Playmaker sicher verteilen. Der Dreier fällt nur inkonstant – doch trifft Iguodala aus der Distanz gut genug (Playoff-Karriere: 35,6 3P%), um abseits des Balles als Schütze ernst genommen zu werden, was aber nicht immer geschieht (siehe Spiel zwei der Finals). Zugleich ist der Veteran nicht nur ein exzellenter Ergänzungsspieler, sondern auch „der beste Teamkollege, den ich je hatte“, so Draymond Green. Denn „Iggy“ geht als Musterprofi mit all seiner Erfahrung und vorbildhaften Einstellung voran. „Das ist etwas, wofür er nicht genug Anerkennung erhält, wenn es um unseren Erfolg geht“, bekräftigt Green. „Es ist die Präsenz, die er hat, die Stabilität, die er uns gibt. Wir haben Coach Kerr oft sagen hören, dass Andre der Erwachsene im Team ist. Denn wenn er reinkommt, beruhigt er das Spiel. Und abseits des Feldes tut er das genauso. Es ist etwas Besonderes, ihn in der Nähe zu haben.“ Nämlich einen führungsstarken Erfolgsträger, der obendrein Spaß und Freude am Spiel ausstrahlt. redaktion@fivemag.de

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WE THE CHAMpS! Toronto ging mehr Risiko als je eine Franchise zuvor, verschmolz im

Laufe der Saison zu einer abgezockten, unerschütterlichen Einheit und wurde mit einer der unwahrscheinlichsten Meisterschaften aller Zeiten belohnt. FIVE war dabei, als die Warriors-Dynastie von Kawhi Leonard und den Raptors beendet wurde. Text: Sebastian Dumitru

Fotos: Jesse D. Garrabrant/Vaughn Ridley/Getty Images

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4 Jahre hat es gedauert, ehe Toronto das NBA-Finale erreichte. Nur vier Klubs mussten bisher länger auf einen Einzug warten (Clippers – 49 Saisons, Nuggets 43, Timberwolves 30, Hornets 29) als die Raptors. „Started from Bargnani, now we here“, war auf einem Fanplakat in Toronto zu lesen. Basketball-Fans in Kanada hatten sich daran gewöhnt, von ihren Stars verlassen, von der Welt belächelt und in den Playoffs gedemütigt zu werden oder eben mit dem ersten Pick der Draft Andrea Bargnani zu verpflichten … „Gut, aber nie gut genug“ – mit dieser Schwarzseherei konnte sich der kecke Masai Ujiri nie anfreunden. „Wir werden hier gewinnen. Wir werden in Toronto gewinnen“, wiederholte der Architekt dieses Teams unentwegt, fast mantraartig. Was lange währt, wird (mit etwas Glück) endlich gut. Ujiri holte nach einer halben Dekade geduldiger Aufbauarbeit, weitsichtiger Tauschgeschäfte und gescheiterter Versuche, Stars zu verpflichten, zu seinem Coup de grâce aus. Der Nigerianer tradete den besten Spieler der Franchise-Historie, entließ den „Coach of the Year“ und opferte die jahrelang aufgebaute Tiefe im Kader, um Kawhi Leonard, Danny Green, Trainer Nick Nurse und Marc Gasol ins Team zu holen. Aus einem guten Team wurde so

ein erstklassiges. Toronto beendete die reguläre Saison mit der zweitbesten Bilanz ligaweit – und mit nur zwei Siegen weniger als Milwaukee, obwohl Kawhi Leonard 22 Spiele geschont wurde. Geschont, weil er fast die gesamte Vorsaison hatte verletzt aussetzen müssen. Geschont, um dann in Topform zu sein, wenn es darauf ankommt: in den Playoffs. Leonard lieferte einen historischen Lauf gegen Orlando, Philadelphia und Milwaukee ab. Rookie-Coach Nurse deklassierte der Reihe nach Steve Clifford, Brett Brown und Mike Budenholzer. Die Raptors zeigten, warum sie eines von nur zwei Teams waren, die offensiv wie defensiv zu den Top 5 der NBA zählten. Legendäre Szenen (der Buzzerbeater in Spiel sieben gegen die 76ers), dominante Runs (vier Siege in Folge gegen die Bucks) und denkwürdige Interviews („I’m going to Toronto, game three“, Kawhi Leonard nach zwei Auftaktniederlagen in den Conference Finals) überdauern den imposanten Lauf dieses mit Veteranen gespickten Klubs, der auf alle Fragen dieser Postseason eine passende Antwort fand. Im Finale wartete kein geringerer Gegner als das dominanteste Team dieses Millenniums, das einzige seit den 1960er Celtics, das fünf Mal in Folge das Endspiel

erreichte: die „Threepeat“-jagenden Golden State Warriors.

Spiel 1: raptorS 118, Warriors 109

„Er ist einer dieser Typen geworden“, sagt Warriors-Star Draymond Green über sein Pendant auf Raptors-Seite. Es ist die Pressekonferenz nach Spiel eins, tief im Bauch der Scotiabank Arena, wo normalerweise Verpflegung durch die Gegend geschoben wird, HalbzeitEntertainer ihre Auftritte proben und Journalisten hinter eine Sicherheitstür schlüpfen müssen, um den Aufzug zur Pressetribüne im Oberrang zu erwischen. Diese NBA-Finals – die ersten außerhalb der USA – haben mehr Medienvertreter als jemals zuvor in der Geschichte der Franchise angelockt. Es wurde umdisponiert, um dem internationalen Kontingent gerecht zu werden und logistischen Herausforderungen zu trotzen. Vieles wirkt improvisiert, wenngleich exzellent organisiert. Das ist nicht neu bei den Raptors, einem der drei, vier am besten geführten Klubs ligaweit. Dass Toronto auf dieser Bühne steht, ist aber für viele immer noch genauso überraschend wie der „Player of the Game“ nach dem ersten Duell dieser Finalserie: Pascal Siakam. „Er hat ein fantastisches Spiel gemacht. Ich respektiere ihn, weil er

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Fotos:Thearon W. Henderson/Getty Images

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hart gearbeitet hat, um zu einem dieser Typen zu werden“, wird Green nach der Auftaktniederlage der Warriors zitiert. Siakam hat mit 32 Punkten gerade eine neue persönliche Playoff-Bestmarke aufgestellt und die Raptors auf die Siegerstraße gebracht. Dunks, Sprungwürfe und Fastbreak-Punkte satt, viele davon gegen Golden States besten Verteidiger Green, dazu acht Rebounds, fünf Assists, zwei Blocks und 14 von 17 aus dem Feld. Der gebürtige Kameruner, der erst im Alter von 16 Jahren mit organisiertem Basketball anfing und vor drei Jahren an 27. Stelle gedraftet wurde, trägt sich in die Geschichtsbücher ein. Nur vier Spieler haben jemals mehr Punkte in ihrem allerersten Finals-Spiel erzielt: Allen Iverson (48 Zähler in den Finals 2001), Kevin Durant (36 Punkte 2012), Michael Jordan (36 Punkte 1991) und Tim Duncan (33 Punkte 1999). „Ich konnte die Freiräume in Transition nutzen, einfache Punkte erzielen. Wir haben zu Hause einen guten Job gemacht, weil unsere Fans unglaublich waren. So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagt Siakam, der im dritten Viertel sechs von sechs aus dem Feld versenkt und die Warriors auf Abstand hält. Tatsächlich ist die Energie im Gebäude elektrisch, reißt das Team immer wieder mit, wann immer der Gast bedrohlich nahe herankommt. Als „The Tenors“ vor Spielbeginn die kanadische Nationalhymne „O Canada“ anstimmen, singen 19.983 Fans im mehr als ausverkauften Haus dermaßen laut mit, dass das Dach vibriert. Als während einer Auszeit im Spiel neun verdiente Ex-Raptors auf dem Court erscheinen (Isiah Thomas, Muggsy Bogues, Charles Oakley, Jerome Williams, Dell Curry, Tracy McGrady, Morris Peterson, Chris Bosh und Damon Stoudamire), dreht die Meute vollständig durch. „Wir sind mehr als bereit“, sagt Raptors-Edelfan Nav Bhatia, der seit dem NBA-Debüt der Kanadier kein einziges Heimspiel verpasst hat. „Härte, Kommunikation, robuste Entscheidungen mit dem Ball“, betont Raptors-Coach Nick Nurse unentwegt. Toronto will Ballverluste erzwingen und ins Laufen kommen. Das reißt die Fans von den Sitzen und zieht Golden State den Zahn. Siakam (zwei Dreier), Marc Gasol (20 Punkte) und Danny Green (elf Punkte, drei Dreier) treffen von außen genauso häufig wie die „Splash Brothers“ Steph Curry (34 Punkte) und Klay Thompson (21). Fred VanVleet steuert 15 Punkte von der Bank bei. Ein deutliches Plus bei den Fastbreak-Punkten, in der Zone und bei den Ballverlusten legt den nie gefährdeten Heimsieg in trockene Tücher – auch an einem Abend, an dem Leonard und Lowry zusammen nur 30 Punkte erzielen und 16 ihrer 23 Würfe verfehlen.

„Wir liegen 0-1 hinten, sie haben uns total ausgespielt“, sagt ein selbstbewusster Steph Curry nach der Partie. „Aber es ist nicht das Ende der Welt. Unser Vibe ist unverändert gut. Es ist recht offensichtlich, was wir anders machen müssen: ihre einfachen Punkte verhindern und das Tempo besser kontrollieren. Spiel zwei ist unsere Chance, Fehler von heute zu korrigieren, einen wichtigen Sieg zu klauen und dann zurück nach Hause zu fliegen.“

Spiel 2: Warriors 109, Raptors 104

Teams, die Spiel eins der NBA-Finals für sich entschieden, gewannen bisher in 71 Prozent aller Fälle auch die Serie (51-21). Wer 2-0 in Führung ging, sogar in 87 Prozent aller Fälle (26-4). Das

„Wir haben das dritte Viertel von Spiel zwei in Dauerschleife geguckt und heute mit viel mehr Tempo gespielt – egal ob im Halbfeld oder Fastbreak. Das ist wichtig für uns.“ Kyle Lowry -----------

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Selbstvertrauen des Dreifach-Champions ist trotz Rückstand allgegenwärtig. Von Nervosität oder gar Panik nicht die Spur – obwohl die Warriors zum ersten Mal während ihres imposanten Finals-Runs zuerst auswärts antreten mussten und Spiel eins verloren haben. „Wer zuerst vier gewinnt, triumphiert. Nicht, wer zuerst eins gewinnt. Wir zweifeln niemals an uns, egal wie es aussieht“, sagt Klay Thompson vor dem Tip-Off. Die Warriors von Headcoach Steve Kerr lagen vor diesen Finals in bisher 19 Playoff-Serien erst ein einziges Mal 0-1 hinten – in den West-Finals 2016, gegen Kevin Durants Oklahoma City Thunder. Erst vier Mal in dieser Ära lag Golden State in einer Serie überhaupt in Rückstand, alle

vier Serien gewannen die Kalifornier am Ende noch. „Wir sind selbstbewusst, weil wir alles erlebt haben“, erklärt Coach Kerr die Mentalität seiner Veteranen-Truppe im Vorfeld. „Wir haben alles gewonnen, alles verloren. Wir wissen, worum es geht, und können uns auf unsere zahlreichen Erfahrungen verlassen.“ Playoff-Zeit ist bekanntlich die Zeit der „Adjustments“, der taktischen Umstellungen, die Spiele, ja ganze Serien drehen können. Während die Raptors dem großen Favoriten in Spiel eins mit ihrer defensiven Strategie (Toronto entblößte Golden States Mangel an Gefahr aus der Distanz, indem es die am wenigsten gefährlichen Schützen freistehen ließ) den Zahn zogen, ist es Kerr, der in Spiel zwei die richtigen TaktikKnöpfe drückt. Golden State initiiert seine Spielzüge viel weiter vom Korb entfernt, zwingt die Raptors-Verteidiger so zu viel längeren Wegen zwischen ihren Switches. Das öffnet Räume für BackdoorCuts und Alley-Oops. Der offensive Fluss beim Back-to-back-Champion ist viel besser als in Spiel eins, Curry und Thompson (34 der 54 Warriors-Punkte vor der Pause) halten die Gäste früh im Spiel. Kerrs Entscheidung, DeMarcus Cousins in die Startformation zu berufen, ist ebenfalls ein Volltreffer. „#StrengthInNumbers ist nicht nur ein Spruch auf einem T-Shirt oder eine Marketingmasche, sondern Jahr für Jahr unsere Identität“, sagt Curry später auf der Pressekonferenz. „Heute hat diese Tiefe für uns das Spiel gewonnen. Vor allem Boogie war riesig!“ Dass Cousins, der in Runde eins gegen die L.A. Clippers eine verheerende Oberschenkelverletzung erlitt, überhaupt auf dem Parkett steht, ist bemerkenswert. Dass er an diesem Tag mit seinem DoubleDouble (elf Punkte, zehn Rebounds, sechs Assists, zwei Blocks in 28 Minuten) zu einem der Matchwinner avanciert, ist eine der Storys des Abends. Die anderen sind schnell erzählt: Golden State startet Halbzeit zwei mit einem 18:0-Run. Das „Third Quarter of Doom“, ein Markenzeichen dieser Warriors, entfaltet seine geballte Power in der Scotiabank Arena, die immer stiller wird. Wann immer die „Dubs“ so daherkommen, wirken sie unaufhaltsam. Unbesiegbar. Da hilft es auch nicht, dass Ex-US-Präsident Barack Obama – ein Freund von Raptors-Präsident Ujiri – zu frenetischem Beifall auf dem Jumbotron eingeblendet wird. Auf insgesamt 37:12 weiten die Kalifornier ihren Lauf aus, ehe Fred VanVleet (mit 17 Punkten wieder einer der besten Raptors-Akteure) dem kollektiven Leiden ein Ende bereitet. Als Topscorer Klay Thompson im Schlussviertel (beim Versuch, ein Foul zu schinden) unsanft landet und mit einer Oberschenkelrückseitenzerrung vom

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Parkett muss, schöpfen die Hausherren noch einmal Hoffnung, kommen heran. Nurse treibt seinen „Verrückter Professor“-Tick auf die Spitze, als er – neun Punkte hinten und knapp viereinhalb Minuten vor Schluss – in ein „Box-andOne“ schaltet. Diese defensive Strategie wird normalerweise nur im Jugendbereich angewendet, um den einzigen gefährlichen Angreifer einer Mannschaft einzudämmen. Gegen Curry spielt VanVleet eine enge Manndeckung, seine vier Teamkollegen spielen eine 2-2-Zone. Die Warriors verwerfen sechs Mal in Folge und verlieren ein Mal den Ball, Toronto erzielt sieben Punkte in Folge. Der einzige erfolgreiche Versuch aus dem Feld kommt 5,9 Sekunden vor dem Ende, als die Raptors ihre Strategie verlassen, mit aller Macht einen Ballverlust erzwingen wollen (es fast schaffen) – und ausgerechnet Andre Iguodala den entscheidenden Dreier vom linken Flügel zum 109:104-Endstand versenkt. „Zu viele Fehlwürfe von uns, das dritte Viertel war katastrophal“, wird Kyle Lowry anschließend zitiert. „109 Punkte sind eigentlich genug, um das Spiel zu gewinnen. So viele hatten wir aber auch schon in Spiel eins. Die Defense war für uns der Schlüssel heute“, analysiert Kerr. Golden State gestattet nur 37 Prozent aus dem Feld, erzwingt 15 Ballverluste und macht die Dreierlinie dicht. Damit schraubt „DubNation“ die eigene Rekord-Marke von konsekutiven Playoff-Serien mit mindestens einem Auswärtssieg auf 23 – zehn mehr als die nächstbesten Teams San Antonio, Cleveland, Chicago und Boston.

Fotos: Jesse D. Garrabrant/Vaughn Ridley/Gregory Shamus/Getty Images

Spiel 3: raptorS 123, Warriors 109

„Wann immer es brenzlig wird, zeigt sich unsere DNA.“ Nicht nur Steph Curry ist vor Partie drei zufrieden mit dem Ertrag in Kanada: ein Sieg aus zwei Partien, Heimvorteil erobert, jetzt zwei Heimspiele in der altehrwürdigen Oracle Arena in Oakland, die nach den Finals von den Warriors verlassen wird. Viele Erinnerungen, viele Erfolge, legendäre Abende und Meisterschaftsbanner. Die Fans würden sicherlich in Scharen kommen, um ihre Warriors noch mindestens zwei Mal anzufeuern, als wenn es kein Morgen gäbe. Kurz, ganz kurz spricht viel für die Nordkalifornier von der Bay. Am Tag vor der Partie bestimmt vor allem ein Thema die Schlagzeilen: die Verletzungsmisere beim Champion. Die Nervosität in Bezug auf Kevin Durant wird immer größer, Kevon Looney verletzte sich in Spiel zwei am Brustkorb, und jetzt ist auch noch Klay Thompson fraglich. Der All Star weiß: „Es könnte eine längere Serie werden. Ich will natürlich spielen, aber wir müssen das Risiko abwägen.“ Kurz vor dem Tip-Off spricht Coach Kerr ein Machtwort: Thompson wird nach 120 Playoff-Partien in Folge in der

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Postseason zum ersten Mal überhaupt aussetzen müssen. Es wirkt wie Torontos beste Chance, den Heimvorteil zurückzuerobern. Golden State startet mit Shaun Livingston neben Curry, Iguodala, Green und Cousins. Ohne Durant und Thompson hat dieses Team fünf von acht Partien verloren. Curry startet famos, ist an neun der ersten zehn Warriors-Treffer beteiligt, erzielt 17 Punkte im ersten Viertel. Am Ende wird der beste Shooter aller Zeiten eine neue Karrierebestleistung in den Playoffs aufgestellt haben: 47 Punkte bei 14 von 31 aus dem Feld mit sechs Dreiern. Nur sieben Spieler haben in den Finalspielen jemals mehr erzielt. Der Rest des Teams kommt aber nur auf 62 Zähler bei 36,7 Prozent Trefferquote. An vielen Abenden hätte eine solch ikonische Leistung von Curry zum Sieg gereicht. Nicht aber gegen diese abgezockte, tiefe, hochwertige Truppe von Nick Nurse. Jeder Fifty-fifty-Ball … landet bei Toronto. Jeder noch so kleine WarriorsLauf … wird durch perfekt getimte Würfe oder eine fulminante Defensive im Keim erstickt. Serge Ibaka blockt sechs Würfe, VanVleet trifft drei Dreier von der Bank. Die Raptors erzielen 19 Punkte in ihren ersten elf Angriffen, alle Starter treffen – und beenden das Spiel mit jeweils mindestens 17 Zählern. Kawhi Leonard (30 Punkte, davon 15 im dritten Abschnitt), Kyle Lowry (23 Punkte mit neun Assists) und Danny Green (18 Punkte, 6 von 10 Dreiern) sind am Ende die Topscorer im effizientesten Spiel, das ein Warriors-Gegner in 13 Finalpartien in den vergangenen fünf Jahren in der Oracle Arena abgeliefert hat. 52,0 Prozent aus dem Feld, 45,0 Prozent Dreier, 95,0 Prozent Freiwürfe, 67,0 Prozent True Shooting … viel besser geht es nicht. „Wir haben das dritte Viertel von Spiel zwei in Dauerschleife geguckt und heute mit viel mehr Tempo gespielt – egal ob im Halbfeld oder Fastbreak. Das ist wichtig für uns“, sagt Lowry. „Let‘s Go Raptors“-Gesänge und Kanada-Flaggen auf den Zuschauerrängen bestimmen das Bild nach der Partie. Präsident Ujiri steht minutenlang auf dem Parkett und saugt die Stimmung wortlos auf. Toronto hat das Momentum zurückergattert.

Spiel 4: raptorS 105, Warriors 92

Es ist der Tag nach einer seiner besten Leistungen als NBA-Profi. Die Toronto Raptors führen mit 2-1, und eigentlich würde Kyle Lowry am liebsten über alles andere reden als über die hässliche Szene am Abend zuvor. Dass er ausgerechnet von einem Mitbesitzer der Warriors handgreiflich angegangen und beleidigt wurde, ist kein guter Look für die Vorzeige-Franchise aus der Bay Area. „Schade, dass wir ausgerechnet hierüber debattieren müssen. Es sind sehr gute

Finals, und es ist sehr schade, dass es hierzu kommen musste.“ Die Warriors und die National Basketball Association bestrafen den ausfälligen Mark Stevens umgehend, verhängen eine Geldstrafe von 500.000 USDollar und suspendieren ihn für ein Jahr. Zurück auf dem Basketballparkett bestimmt erneut Golden States angespannte Personalsituation den alltäglichen Diskurs. Spielt Thompson wieder? Und was ist mit „KD“? Trainiert er? Wie viel trainiert er? Wann kommt er zurück? Die Warriors könnten ihren zweimaligen Finals-MVP gut gebrauchen. Nicht nur im Angriff, sondern vor allem in der Verteidigung gegen Kawhi Leonard. Es ist und bleibt die Postseason von Kawhi. Spiel vier wird zu seinem definierenden Moment in diesen Finals, ähnlich wie es Spiel drei, fünf und sechs gegen Milwaukee, Spiel vier und sieben gegen Philadelphia oder Spiel zwei gegen Orlando in den Runden zuvor bereits waren. Leonard liefert 36 Punkte, zwölf Rebounds und vier Steals, erzielt einen wichtigen Korb nach dem anderen. Die Menge in der Oracle Arena verstummt zunehmend, während Curry, Green und Thompson ihrem Frust freien Lauf lassen. Golden State erwischt sein ineffizientestes Spiel in den Playoffs, während der beste Spieler in dieser Postseason weiter an seinem Denkmal baut. Leonard brennt sowohl im ersten als auch im dritten Viertel lichterloh, startet mit 14 der ersten 17 Raptors-Punkte und befeuert nach der Halbzeitpause einen 37:21-Lauf der Gäste. Die Warriors müssen einen großen Löffel ihrer eigenen Medizin schlucken: zwei Back-to-back-Dreier von Leonard gleich zu Beginn der zweiten Hälfte, die das Spiel kippen lassen. Serge Ibaka dominiert mit 20 Punkten in 22 Minuten von der Bank, brilliert als Option aus der Mitteldistanz und Ringbeschützer. Es ist verblüffend, wie ihn die kleinere, klarere Rolle unter Nurse revitalisiert hat. Kein anderer RaptorsSpieler trifft an diesem Tag die Hälfte seiner Wurfversuche. Toronto zeigt zudem erstickende Defense, ermöglicht den Warriors nur acht Dreier und erzwingt 17 Ballverluste. „Kawhi kam raus und traf zwei F*ck-dich-Würfe“, sagt Raptors-Guard Fred VanVleet später. „Das kannst du nicht verteidigen. Dagegen hilft dir kein Plan.“ Nach der Heimniederlage in Spiel zwei hatte Nick Nurse von seinem Team verlangt: „Lasst uns nach Oakland gehen und ein Spiel gewinnen.“ Kawhi Leonards trockene Antwort: „F*ck das. Lasst uns zwei holen!“ Die Raptors verziehen beim Verlassen des Oracle-Parketts keine Miene. Sie sind jetzt nur noch 48 Minuten vom ersten Titel der Franchise-Historie entfernt.

Spiel 5: Warriors 106, raptorS 105

Die Warriors-Dynastie hängt jetzt am seidenen Faden. Ein achillessehnendicker

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„Durants Verletzung ist an der Achillessehne. Morgen nach dem MrT wissen wir mehr. Wenn ihr einen Schuldigen suchen wollt, gebt mir die Schuld. ich bin unser präsident für BasketballAngelegenheiten.“ Bob Myers

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Fotos: Claus Andersen/Garrett Ellwood/NBAE via Getty Images

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Faden, wie sich später herausstellt. Diese Finalserie hat eindrucksvoll gezeigt, wie sehr die „Dubs“ Kevin Durant vermissen. Toronto hat seine Top-5-Defensive aus der regulären Saison noch ein paar Level nach oben geschraubt, belästigt Steph Curry unentwegt und findet bisher auf fast alle Aktionen der Warriors die richtige Antwort. Der Ost-Primus hat die Serie komplett im Griff und in Leonard den besten Spieler dieser Finals. Die Champs hingegen wirken müde, ausgelaugt, ideenlos. Selbst die Rückkehr von Thompson und Looney in Spiel vier verpuffte. Wenn Golden State diese Serie noch drehen will, kann nur noch Durant helfen. Der hat die vergangenen zwei Tage intensiv für sein Comeback geschwitzt und will in Toronto endlich auflaufen. Das tut er dann auch, und die Warriors sehen – einen kurzen Moment lang – wieder wie die Warriors aus. Durant trifft seine ersten drei Dreier, erzielt elf Punkte in zwölf Minuten, und sein PlusMinus-Wert von sechs führt das Team an, als das Unvorstellbare passiert: ein Antritt auf dem rechten Flügel, der „Slim Reaper“ geht zu Boden … „Durants Verletzung ist an der Achillessehne. Morgen nach dem MRT wissen wir mehr. Wenn ihr einen Schuldigen suchen wollt, gebt mir die Schuld. Ich bin unser Präsident für Basketball-Angelegenheiten“, sagt ein den Tränen naher Bob Myers nach der Partie. Die schlimmsten Befürchtungen bestätigen sich in den folgenden Tagen: ein Riss der Achillessehne. Die Szenerie in der Scotiabank Arena wird in surreale Farben getaucht. Das Geschehen auf dem Hartholz rückt in den Hintergrund. Es wird nach Schuldigen, Erklärungen und Prognosen gesucht. Fakt ist: Es ist eine der folgenschwersten Verletzungen aller Zeiten, für den vielleicht besten Spieler der Welt, weniger als 14 Tage vor Beginn der Free Agency 2019. Dass die Warriors Spiel fünf dank eines Franchise-Rekords (20 Dreier) und eines geblockten Gamewinners in letzter Sekunde mit einem Punkt Vorsprung klauen: zweitrangig. Dass Toronto die finalen drei Minuten mit fünf von sechs Fehlwürfen und einem Ballverlust beendet, nach einer kontrovers diskutierten Auszeit von Nurse (hätte der Coach einfach laufen lassen sollen?), während Curry und Thompson mit drei Dreiern die Saison ihres Klubs retten, verblasst vor dem Hintergrund der Verletzung Durants. An diesem Abend gibt es keine Sieger: Der Basketball hat heute kollektiv verloren.

Spiel 6: Raptors 114, Warriors 110

Teams, die in den NBA-Finals 3-1 vorne lagen, haben in 97 Prozent aller Fälle den Titel gewonnen (33-1). Nur die Warriors wissen, wie sich eine solche Implosion anfühlt. Nutzen sie dieses Wissen, um ausgerechnet gegen dieses Toronto noch

einmal zurückzukommen? Die Kanadier haben seit November keine drei Spiele in Folge verloren, sind in dieser Saison bei den Warriors noch unbesiegt (3-0). Im letzten Spiel in Oakland muss Golden State unbedingt gewinnen. Die Fans brüllen, Klay Thompson läuft sofort heiß. Der Shooting Guard, der die Strapazierfähigkeit dieser Truppe besser repräsentiert als sonst jemand, erzielt 28 Punkte – bevor er bei einem FastbreakDunk im dritten Viertel unglücklich landet und sich im lädierten linken Bein das Kreuzband reißt. Dass er aus dem Tunnel zurück aufs Feld humpelt und seine beiden Freiwürfe trifft, nährt die Legende vom beinharten Wettkämpfer. Dass sich auch Thompson in die lange Liste verletzter „Krieger“ einreihen muss und bis zu acht Monate ausfallen wird, ist hingegen der Sargnagel in diese Warriors-Dynastie, die die Liga seit 2014 in Angst und Schrecken versetzt hat. Curry hat kurz vor Schluss noch die Chance, mit einem Dreier das Spiel zu entscheiden – scheitert jedoch denkbar knapp. So ist Basketball. Toronto gewinnt auch Spiel sechs, in bekannter Manier und dank seiner beneidenswerten Tiefe und Abgeklärtheit. Lowry, der dienstälteste Raptor, jahrelang für seine Leistungen in der Postseason kritisiert, erzielt 21 seiner 26 Punkte und zehn Assists vor der Pause. Der Point Guard ist in jedem Scharmützel zu finden und gibt mit seiner Energie den Ton an. Fred VanVleet, vor drei Jahren ungedraftet und bis vor wenigen Wochen unfähig, den Ball in den Ozean zu werfen, setzt mit 22 Punkten (fünf Dreier) ein Ausrufezeichen hinter seinen glühenden Lauf seit der Geburt seines Sohnes am 20. Mai. Und Leonard? Der Mann, den viele in Toronto nicht für möglich gehalten hatten, ehe er dieses Team und diese Stadt auf seine breiten Schultern packte, bringt den ersten Titel der Franchise-Historie mit den letzten drei Freiwürfen der Saison 2018/19 unter Dach und Fach. Trefflich. Leonard beendet diese Playoffs mit 30,5 Punkten, 9,1 Rebounds, 3,9 Assists und 1,7 Steals im Schnitt, gewinnt als dritter Spieler überhaupt die FinalsMVP-Trophäe in unterschiedlichen Trikots (Kareem Abdul-Jabbar, LeBron James). Der werdende Free Agent produziert den höchsten Scoring-Schnitt in den Playoffs seit dem Jahr 2000. Nur Michael Jordan (sechs Mal), Hakeem Olajuwon und Shaquille O’Neal hatten je einen höheren Punkteschnitt in der Postseason, nur Leonard legte dabei eine True-ShootingQuote von mindestens 60 Prozent auf. Seine mehr als 700 Punkte und 200 Rebounds haben nur James, Olajuwon und O’Neal jemals zustande gebracht. Ujiri ging ein gigantisches Risiko ein, als er im letzten Sommer für Leonard tradete. Der Plan ging auf. „The Klaw“ infizierte das gesamte Team mit

seiner stoischen Art, blieb auch in den brenzligsten Situation cool und meldete sich als einer der drei, vier besten Spieler der Welt zurück auf der großen Bühne. Die Art und Weise, wie diese Raptors zusammengestellt wurden, der Mangel an Superstars neben Leonard und die vermeintliche Einmaligkeit dieses Runs – das alles macht die erste Meisterschaft eines Nicht-US-Teams in der NBA zu einem surrealen Ereignis. Zigtausende auf den zahlreichen „Jurassic Park“-Fanmeilen an Spieltagen, mehr als 50 Prozent der kanadischen Gesamtbevölkerung an den Bildschirmen, zwei Millionen Einwohner am 17. Juni in der Innenstadt, um der ChampionshipParade beizuwohnen: Der Basketball-Boom ist echt, überwältigend, omnipräsent in diesem Land, das diesen heute so populären Sport einst erfand. Die Raptors sind, für diesen kurzen Augenblick, das Zentrum der Basketball-Welt. Ist dieser Erfolg nachhaltig? Ist die Architektur und Bauweise dieses Kaders replizierbar? Wird Ujiri in dieser Trittbrettfahrer-Liga Nachahmer finden? Vermutlich nicht. Toronto schaffte es, den Gipfel zu erklimmen, obwohl dieses Team keinen einzigen Lottery-Pick in seinen Reihen hatte. Leonard, einst an Position 15 gezogen, kam per Trade – ebenso wie Gasol, Green, Ibaka, Lowry und Norman Powell. Siakam (27. Pick), VanVleet (ungedraftet) und OG Anunoby (23.) stöberten Ujiri und sein erstklassiger Stab irgendwo in den Niederungen der Draft auf. Nurse ist ein Rookie-Coach, der jedoch seit 1989 Erfahrungen an der Seitenlinie sammelt und seit 2013 in Toronto sukzessive in seine Rolle schlüpfen konnte. Und: Ujiri ist ein Unikat. Nur er hatte den Mut, Leonard zu holen – auch weil der gewiefte Macher nicht viel zu verlieren hatte. Vor allem aber, weil er an seine Vision in Toronto glaubte. Gegen alle Zweifler, gegen alle Skeptiker. Kann es sein, dass der wertvollste Spieler dieser Finalserie am 30. Juni – dem Tag, an dem die Free Agency 2019 offiziell losgeht – weitergezogen ist, um sich künftig ein anderes Trikot überzustreifen? Natürlich. Das Risiko war immer präsent. Auch Gasol und Green werden heiß umworben sein. Selbst Ujiri wird gejagt: Teams bieten bereits bis zu zehn Millionen Dollar für seine Dienste pro Jahr! Wer weiß, welchen Welleneffekt diese Meisterschaft letztendlich ausgelöst haben wird? Vielleicht ist der Lauf dieser Raptors bereits nächste Saison ganz weit weg. Das Banner wird für immer unter der Hallendecke hängen. „Never too high, never too low“, betonten die Protagonisten fast täglich, ob nach Siegen oder Niederlagen. „Just stay in the moment.“ Die Toronto Raptors sind NBA-Champion 2019! Zumindest dieser eine Moment wird ewig währen … redaktion@fivemag.de

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NEUE ÄRA IN NEW ORLEANS

Die New Orleans Pelicans blicken dank Zion Williamson zuversichtlich in die Zukunft und stellten ihrem neuen Star zugleich weitere Talente an die Seite. Spieler wie Ja Morant, Jarrett Culver, Jaxson Hayes zeigen zudem, dass an der Draftspitze auch Platz für „Spätberufene“ sein kann. Text: Torben Adelhardt & Björn Lehmkühler

Fotos: Melanie Fidler/Matteo Marchi/NBAE via Getty Images

oder Rui Hachimura

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1. New Orleans Pelicans

Zion Williamson Big Man, Duke, 2,01 Meter, 18 Jahre Stats: 22,6 PPG, 8,9 RPG, 2,1 APG, 70,8 eFG% Das obligatorische Händeschütteln zwischen NBA-Commissioner Adam Silver und Top-Pick Zion Williamson krönte für New Orleans eine Woche, die als Beginn einer neuen Ära bezeichnet werden muss. Erst fünf Tage zuvor hatten die Pelicans ihren Superstar Anthony Davis im Tausch für Lonzo Ball, Brandon Ingram, Josh Hart und diverse Draft-Rechte nach Los Angelos geschickt – und nun mit dem Über-Talent Williamson womöglich direkt den neuen Franchise-Spieler verpflichtet. So können die Anhänger im „Big Easy“ trotz Davis’ Abgang und Gerüchten um eine mögliche Umsiedlung der Franchise nun entspannter in die Zukunft blicken. Denn Williamson gilt nicht nur als das vielleicht größte CollegeBasketball-Talent seit ebenjenem Anthony Davis (Draft 2012), sondern bringt neben seinem basketballerischen Potenzial auch den notwendigen Star-Appeal mit, um die Marketing-Maschinerie in Louisiana anzukurbeln. Der erste „Zion-Effekt“ zeigte sich bereits innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Draft-Lottery: Rund 2.000 Dauerkarten wurden für die neue Saison verkauft – doppelt so viele wie noch 2012, als die Pelicans letztmalig den ersten Pick erhielten. Und auch auf dem Parkett dürfte Williamsons Einfluss unmittelbar zu spüren sein. Seine Kombination aus atemberaubender Physis, Athletik und Ballhandling-Skills macht ihn zum wandelnden Mismatch in der Offensive – er kann gegen kleinere Verteidiger aufposten oder langsamere Kontrahenten vom Perimeter aus attackieren. Zudem agiert der 18-Jährige mit viel Energie, spielt teamorientiert und weist defensives Potenzial auf. Fragezeichen stehen am ehesten hinter seinem Sprungwurf sowie der körperlichen Nachhaltigkeit seiner Spielweise als 130-Kilo-Koloss. Dennoch ist Williamson das Fundament der neuen Ära in New Orleans, und General Manager David Griffin steht nun vor der Aufgabe, die richtigen Komplementärspieler zu akquirieren. Mit Lonzo Ball könnte er zumindest schon den richtigen Alley-Oop-Zuspieler und Fastbreak-Partner gefunden haben.

2. Memphis Grizzlies

Ja Morant Point Guard, Murray State, 1,91 Meter, 19 Jahre Stats: 24,5 PPG, 5,7 RPG, 10,0 APG, 55,3 eFG% Als Ja Morant von Adam Silver auf das Podium gerufen wurde, fand die unglaubliche Geschichte des Temetris Jamel Morant ihren vorläufigen Höhepunkt: von einem unterschätzten Highschool-

Absolventen hin zum NCAA-Star und zweiten Draftpick 2019. Vor drei Jahren interessierte sich kein Top-College für den Aufbauspieler, die Recruiting-Portale von ESPN, 247Sports und Rivals führten Morant in ihren Rankings überhaupt nicht auf. In seiner zweiten CollegeSpielzeit gelangen dem Point Guard dann als erstem Spieler in der NCAA-Historie 20 Punkte und zehn Assists pro Partie. Der 19-Jährige überragte mit einer AssistPercentage von 51,8 Prozent und legte pro Spiel 24,5 Punkte auf – bei einer effizienten True-Shooting-Quote von 61,2 Prozent. Die Memphis Grizzlies sicherten sich die Rechte an dem athletischen Playmaker und machten Morant zum höchsten Draftee aus der Ohio Valley State Conference seit 1952 (Jim Baechtold, Baltimore Bullets). Bei den Grizzlies wird Morant nach dem Trade des langjährigen Spielmachers Mike Conley Jr. von Beginn an eine zentrale Rolle übernehmen und mit Big Man Jaren Jackson Jr. ein vielversprechendes Tandem bilden. Der 1,91 Meter große Point Guard verfügt jetzt schon über ein überragendes Spielgefühl und weiß seine Mitspieler in FastbreakSituationen und in der Halbfeld-Offensive gleichermaßen gut in Szene zu setzen. Morant machte in seiner Sophomore-Saison auch Fortschritte als Schütze, und seine Quoten in direkter Korbnähe (61 Prozent), von der Freiwurf(81 Prozent) und Dreierlinie (36 Prozent)

geben Anlass zur Hoffnung, dass er NBADefensiven nicht nur durch seine Pässe unter Druck setzen kann. In der Defensive nahm sich der amtierende OVC-Spieler des Jahres zwar seine Auszeiten, was angesichts seiner Offensivlast jedoch relativiert werden muss. Dank seiner Athletik und Länge besitzt er gute Voraussetzungen, um als überdurchschnittlicher Verteidiger am Ball in Erscheinung zu treten, auch wenn ihn seine schmale Statur limitieren könnte.

3. New York Knicks

R.J. Barrett Flügel, Duke, 2,01 Meter, 19 Jahre Stats: 22,6 PPG, 7,6 RPG, 4,3 APG, 50,6 eFG% Die Knicks-Jerseys mit der WilliamsonBeflockung waren vor der Draft-Lotterie bereits angefertigt, und für nicht wenige Fans der Knickerbockers war es bereits ausgemachte Sache, dass „Zanos“ in NYC landen würde. Untergegangen war wohl, dass die Wahrscheinlichkeit auf den ersten Pick bei nur bei 14 Prozent lag … Und so verpflichteten die Knicks zwar einen Duke-Spieler, jedoch mit dem Namen R.J. Barrett. Von einem Trostpreis zu sprechen, würde diesem jedoch unrecht tun, und auch der laute Applaus der Fans deutet darauf hin, dass er nicht als solcher verstanden wird. Immerhin galt der Kanadier vor der NCAA-Saison

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noch als Top-Favorit auf den ersten Pick der Draft 2019, bevor ihm Teamkollege Williamson im Saisonverlauf diesen Rang ablief. Dennoch wusste auch Barrett mit 22,6 Punkten, 7,6 Rebounds und 4,3 Assists durchaus zu überzeugen und stellte mit 860 Punkten sogar einen neuen ACCFreshman-Rekord auf. Der Patensohn von NBALegende Steve Nash ist der Prototyp eines modernen NBA-Flügelspielers: lang, dynamisch und ein variabler Scorer. Dabei kann der U19-Weltmeister von 2017 auf ein großes Arsenal an Dribble-Moves zurückgreifen und verfügt – ähnlich wie etwa Duke-Vorgänger Jayson Tatum – bereits in jungen Jahren über eine gute Fußarbeit, Körperkontrolle und Kreativität beim Zug zum Korb. Barrett kann auch mit dem Ball in der Hand aus dem Pick-and-Roll für seine Mitspieler kreieren und ließ immer wieder sein Potenzial als sekundärer Ballhandler aufblitzen. Für Kopfzerbrechen sorgten insbesondere seine schwache Dreierquote (30,8 Prozent bei 6,2 Versuchen pro Spiel), seine teils ineffiziente Wurfauswahl und defensive Aussetzer. Behebt er diese Mankos, kann der Kanadier mit seiner spielerischen Qualität und seinem selbstbewussten Auftreten durchaus zum Hoffnungsträger im „Big Apple“ avancieren.

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In der Offensive liegen Hunters Stärken weniger im Kreieren von Wurfoptionen. Vielmehr agiert der Forward im Fluss einer Offensive, etwa als Cutter, nach indirekten Blöcken oder als Schütze aus dem Catch-and-Shoot. Entsprechend effizient waren Hunters Wurfquoten von 52,0 Prozent aus dem Feld, 43,8 Prozent von jenseits der Dreierlinie sowie 78,3 Prozent von der Freiwurflinie.

5. Cleveland Cavaliers

Darius Garland Point Guard, Vanderbilt, 1,88 Meter, 19 Jahre Stats: 16,2 PPG, 3,8 RPG, 2,6 APG, 63,9 eFG% Trotz der zweitschlechtesten Bilanz der Liga (19-63) rutschten die Cavaliers bis auf Draftposition fünf und entschieden sich acht Jahre nach Kyrie Irving wieder für einen talentierten Point Guard mit verkürzter College-Karriere. Während Irving für Duke immerhin elf Spiele absolvierte, waren es bei Garland sogar nur fünf, ehe er sich am Meniskus verletzte und sich einer Knieoperation unterziehen musste. Geschadet hat dies seinem Draftwert

anscheinend nicht. Auch wenn er nur 139 Minuten auf dem NCAA-Parkett stand, stellte Garland insbesondere seine Fähigkeiten als Schütze unter Beweis. So drückte der 19-Jährige ganze 23-mal – also alle sechs Minuten – von jenseits der Dreierlinie ab und sah den Ball elfmal im Netz zappeln (47,7 3P%). Dies untermauerte Garlands Status als einer der besten Werfer dieser Draft, der sowohl aus dem Dribbling als auch aus Catch-and-Shoot-Situationen Gefahr ausstrahlt – gefragte Qualitäten in der heutigen NBA. Zugleich ist Garland schnell, wendig und stark am Ball, was er insbesondere im Pick-and-Roll unter Beweis stellt. Auch als Passgeber weist Garland Kreativität auf, wobei er häufig noch den spektakulären Assist dem effizienten Anspiel vorzieht. Fragezeichen stehen hinter seinen körperlichen Voraussetzungen, die sich in der Defensive, aber auch beim Abschluss bemerkbar machen. Nicht zuletzt defensiv wirft auch die Kombination aus Garland und dem letztjährigen Nummer-acht-Pick Collin Sexton einige Fragen auf. Zwar wird sich

4. Atlanta Hawks

De’Andre Hunter

Fotos: Jennifer Pottheiser/Steve Freeman/NBAE via Getty Images

Flügel, Virginia, 2,01 Meter, 21 Jahre Stats: 15,2 PPG, 5,1 RPG, 2,0 APG, 57,9 eFG% Während sich die Experten bereits vor der Draft bei der Reihenfolge der ersten drei Picks einig waren, herrschte an vierter Stelle lange Unklarheit. Erst unmittelbar vor Beginn der Draft wurde bekannt, dass New Orleans das vierte Wahlrecht – welches man selbst erst Tage zuvor im AnthonyDavis-Deal aus Los Angeles erworben hatte – sowie Forward Solomon Hill im Tausch für den 8., 17. und 35. Pick nach Atlanta abgeben würde. Das Ziel der Hawks: De’Andre Hunter, frischgebackener NCAA-Champion der Virginia Cavaliers, der den Hawks-Kern um Guard Trae Young, Flügel Kevin Hurter und Big Man John Collins als potenzieller Dreier-und-Defense-Spezialist auf den Forward-Positionen ergänzen soll. Insbesondere in der Defensive profitiert er dabei von seiner exzellenten Kombination aus Körperlänge (2,18 Meter Armspannweite), Kraft und lateraler Geschwindigkeit. So kann Hunter sowohl am Flügel in Eins-gegen-eins-Situationen bestehen als auch größeren Gegenspielern in Korbnähe Paroli bieten. Zudem spielte der 21-Jährige bei Virginia in einem speziellen Defensivsystem, wo eine aktive Helpside-Defense von großer Bedeutung ist, und bringt ein entsprechend gutes defensives Spielverständnis mit, wenn es um die Off-Ball-Verteidigung geht.

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der neue Headcoach John Beilein kaum beschweren, zwei talentierte Dribbler im Team zu haben – eine Herausforderung dürfte diese Konstellation indes darstellen.

6. Minnesota Timberwolves

Jarrett Culver Guard, Texas Tech, 1,96 Meter, 20 Jahre Stats: 18,5 PPG, 6,4 RPG, 3,7 APG, 50,5 eFG% Die Minnesota Timberwolves sendeten Forward Dario Saric nach Phoenix, um von der elften auf die sechste Draftposition zu klettern. Mit diesem Pick verpflichteten die Wölfe in Jarrett Culver einen Spätentwickler, der vielseitiges Potenzial mitbringt. Der Abgänger der Texas Tech University fiel, ähnlich wie Morant, als Highschool-Spieler komplett durchs Raster – 247Sports listete Culver auf Rang 312 seines Jahrgangs. Innerhalb von zwei Jahren entwickelte er sich von einem unbekannten Rekruten zu einem der besten NCAA-Spieler und sicheren LotteryPick. Der Guard führte seine Mannschaft bei den Punkten (18,5), Rebounds (6,4) und Assists (3,7) an und half den Raiders dabei, die erste Final-Four-Teilnahme ihrer Schulhistorie zu erreichen. Culver besticht primär durch seine Allround-Fähigkeiten. Im letztjährigen Raiders-Team übernahm der Spätzünder die Aufgabe des primären Ballhandlers und musste viel mit dem Ball in der Hand initiieren. Dank eines überarbeiteten Wurfs und guter Fußarbeit versenkte Culver vor allem aus der Mitteldistanz auch teils schwierige Würfe, wobei seine Wurfauswahl und -effizienz (30,4 3P%) noch Luft nach oben lassen. Auch deshalb dürfte Culver in der NBA – zumindest anfangs – nicht als primärer Ballhandler agieren. Abseits des inkonstanten Sprungwurfs gibt es jedoch nicht viele Aspekte in seinem Spiel zu bemängeln. Binden die Timberwolves ihn richtig ein, kann sich die Variabilität von Culver definitiv auszahlen.

7. Chicago Bulls

Coby White Guard, North Carolina, 1,95 Meter, 19 Jahre Stats: 16,1 PPG, 3,5 RPG, 4,1 APG, 51,6 eFG% Die Chicago Bulls beendeten die vergangene Saison mit einer ernüchternden Bilanz von 22 Siegen bei 60 Niederlagen. Die Misere setzte sich auch in der DraftLottery fort, wo die Bulls bis an die siebte Position abrutschten. Genau dort durfte Chicago bereits in den vergangenen beiden Jahren auswählen und entschied sich mit den Big Men Lauri Markkanen und Wendell Carter Jr. für den vermeintlichen Frontcourt der Zukunft, den es nun mit den richtigen Komplementärspielern zu verstärken gilt. Einer dieser Akteure soll Coby White sein, ein dynamischer Combo-Guard, der seine Stärken am offensiven Ende des Feldes hat.

Vor allem als Fastbreak-Initiator ist der 19-Jährige mit dem Ball in der Hand nicht zu stoppen. White liebt es, das Spieltempo zu pushen, weshalb ihm der schnelle Spielstil von UNC-Coach Roy Williams entgegenkam. Auch seine Dreier verwandelte er bei einem extrem hohen Volumen (6,6 Versuche) ordentlich (35,3 3P%), vor allem aus Spotup-Situationen. White ist zudem ein bereitwilliger Passgeber und kreiert immer wieder Möglichkeiten für seine Mitspieler, wird jedoch in der Rolle des Spielgestalters perspektivisch eine bessere Balance zwischen Vollspeed und geordnetem Angriff finden müssen. Aufgrund seiner verhältnismäßig kurzen Armspannweite sind ihm zudem in der Defense natürliche Grenzen gesetzt, die er jedoch teilweise durch Schnelligkeit wettmachen kann.

8. New Orleans Pelicans

Jaxson Hayes Big Man, Texas, 2,11 Meter, 19 Jahre Stats: 10,0 PPG, 5,0 RPG, 0,3 APG, 72,8 eFG% Nach Zion Williamson entschieden sich die New Orleans Pelicans auch mit ihrem zweiten Top-Ten-Pick für einen athletischen Big Man: Jaxson Hayes. Auch der 19-Jährige ist ein klassischer Spätstarter, der erst als Senior – und nur dank eines massiven Wachstumsschubs – überhaupt für sein Schulteam startete und in seinem Jahrgang vorigen Sommer außerhalb der Top 100 gelistet war. Doch Texas-Coach Shaka Smart gab Hayes sein Vertrauen, und der 2,11-Meter-Mann zeigte seine Qualitäten als Center, der im Angriff vertikales Spacing liefern und in der Verteidigung den eigenen Korb beschützen kann. So avancierte Hayes im Laufe der Saison zu einem der besten Ringbeschützer der Nation, veranschaulicht durch eine Blockrate von 10,6 Prozent. Gute Antizipation und ein hoher Einsatzwillen zeichneten Hayes in der Verteidigung aus, und auch im Angriff machte ihn seine enorme Mobilität zu einer sehr guten Anspielstation für Lob-Pässe. Sogar von der Freiwurflinie war er solide (74,0 Prozent), auch wenn er bislang als Werfer und Passgeber (0,3 APG) kaum Akzente setzen konnte und sich noch am Anfang seiner spielerischen Entwicklung befindet. Zudem muss er weiter an Muskelmasse zulegen, um auch in der NBA bei den Positionskämpfen im Lowpost zu bestehen und sein Rebounding zu verbessern. Vielleicht kann sich Hayes diesbezüglich einen Tipp von Neu-Teamkollege Williamson einholen, hat ihm dieser doch rund 30 Kilogramm voraus.

Es ist 38 Jahre her, seit der erste und bislang einzige Japaner in der NBA-Draft gezogen wurde. Damals wählten die Golden State Warriors in der achten Runde den 2,34 Meter großen Yasutaka Okayama, der jedoch nie in der NBA auflief. Hachimura ist nun die große japanische BasketballHoffnung und wurde bei der NBA-Draft in Brooklyn – wie bereits während der Saison – von einem großen japanischen Pressekontingent begleitet. Bei Gonzaga hatte sich Hachimura nach nur 4,6 Minuten pro Spiel als Freshman und einer Bankrolle als Sophomore in seiner Junior-Saison zum Leistungsträger entwickelt. Eine ähnliche Entwicklung dürften sich auch die Washington Wizards erhoffen, die Hachimura an neunter Stelle etwas höher wählten als zuvor erwartet. Körperlich und athletisch bringt der 21-Jährige gute Voraussetzungen mit und könnte sich zu einem potenten Offensivspieler entwickeln, der Mismatches generiert. Allerdings ist fraglich, inwiefern der Forward sein Talent schon nächste Saison auf dem NBA-Parkett zur Geltung bringen kann. Denn auch Hachimura, der erst mit 14 Jahren mit dem Basketball anfing, kann als Spätentwickler bezeichnet werden und weist etwa in Sachen Entscheidungsfindung und Defensivverhalten noch Schwächen auf. In der US-Hauptstadt sollte er jedoch die Möglichkeit erhalten, weiterhin Erfahrung zu sammeln und sich zu entwickeln.

9. Washington Wizards

10. Atlanta Hawks

Rui Hachimura

Cam Reddish

Flügel, Gonzaga, 2,04 Meter, 21 Jahre Stats: 19,7 PPG, 6,5 RPG, 1,5 APG, 60,8 eFG%

Flügel, Duke, 2,04 Meter, 19 Jahre Stats: 13,5 PPG, 3,7 RPG, 1,9 APG, 45,9 eFG%

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Nach De’Andre Hunter entschieden sich die Atlanta Hawks auch mit ihrem zweiten Draftpick für einen Forward. Cam Reddish gehörte vorigen Sommer noch zu den begehrtesten Talenten seines Jahrgangs und wurde von BlaublüterUniversitäten wie UCLA, Kentucky und Duke umgarnt. In seiner Freshman-Saison für die Duke Blue Devils konnte er aber nur bedingt überzeugen. Als vielseitiger Scorer gepriesen, legte Reddish eine schwache True-Shooting-Quote von 49,9 Prozent auf und traf sowohl am Korb (51,2 Prozent) als auch aus der Mittel- (27,7 Prozent) und Dreierdistanz (35,3 Prozent) durchschnittlich bis miserabel. Als dritte Offensivoption hinter Williamson und Barrett wirkte Reddish oftmals wie ein Fremdkörper im System von „Coach K“. Dass Reddish nie ernsthaft aus den Lottery-Rängen fiel und die Hawks ihm letztendlich an zehnter Stelle das Vertrauen schenkten, illustriert jedoch zugleich sein enormes Potenzial. Der 19-Jährige verfügt mit 2,04 Meter Körpergröße und 2,13 Meter Armspannweite über gute Anlagen, bewegt sich dennoch überaus flüssig und kann somit defensiv potenziell mehrere Positionen verteidigen und mühelos in Pick-and-Roll-Situationen von Bigs auf Guards switchen. Dieses Talent muss Reddish konstanter abrufen und zugleich in der Offensive zeigen, dass er seine saubere Wurftechnik erfolgreich in „Buckets“ ummünzen und neben Trae Young auch sekundäres Playmaking bringen kann.

11. Phoenix Suns

Cameron Johnson

Fotos: Stephen Pellegrino/Steve Freeman/NBAE via Getty Images

Flügel, North Carolina, 2,05 Meter, 23 Jahre Stats: 16,9 PPG, 5,8 RPG, 2,4 APG, 62,0 eFG% Wenn man die überraschendste Entscheidung der Draftnacht küren müsste, wäre dieser Pick der Phoenix Suns sicherlich ein heißer Kandidat. Dies hat weniger mit Cameron Johnson selbst zu tun, der im Laufe seiner College-Karriere eine enorme Entwicklung durchlaufen hat und bei den North Carolina Tar Heels zu den besten Werfern der NCAA zählte (45,7 3P% bei 210 Versuchen). Dennoch war es überraschend, dass die Suns im Gegenzug für Dario Saric (Free Agent im Sommer 2020) fünf Plätze nach unten tradeten und dort einen Spieler verpflichteten, der nicht einmal zu den 23 Gästen im „Green Room“ zählte und vielerorts als Zweitrundenpick gehandelt wurde. Mit 23 Jahren ist Johnson älter als Suns-Guard Devin Booker, und es wird sich zeigen, ob er neben seinem elitären Wurf weitere Qualitäten aufs Parkett bringen kann.

12. Charlotte Hornets

P.J. Washington Flügel, Kentucky, 2,04 Meter, 20 Jahre Stats: 15,2 PPG, 7,6 RPG, 1,8 APG, 56,7 eFG%

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Auch dieses Jahr wählten die Charlotte Hornets mit P.J. Washington einen etablierten College-Star aus einer renommierten Talentschmiede. Im Gegensatz zu den meisten anderen Talenten der Kentucky Wildcats ist Washington jedoch kein gefeierter Freshman-Star, der Lexington nach seinem ersten Jahr gen NBA verließ. Der 20-Jährige verbrachte zwei Jahre unter den Fittichen von Headcoach John Calipari und zeigte als Sophomore signifikante Fortschritte in seinem Spiel. Der Forward steigerte seine Punkteausbeute von 10,8 auf 15,2 PPG und traf den Dreier mit einer Quote von 42,3 Prozent. Generell verfügt Washington über ein ausgereiftes Offensivspiel. Ob nach Cuts, aus dem Pickand-Roll bzw. -Pop oder am Zonenrand – der Ex-Wildcat kann auf vielfältige Weise scoren. Mit einer Größe von 2,04 Meter und langen Armen (2,16 Meter) bringt Washington auch defensives Potenzial mit.

13. Miami Heat

Tyler Herro Guard, Kentucky, 1,96 Meter, 19 Jahre Stats: 14,0 PPG, 4,5 RPG, 2,5 APG, 53,6 eFG% Nur wenige Minuten nach P.J. Washington kam der zweite Calipari-Zögling in dieser Draft in den Genuss, die Hand des Commissioners zu schütteln. Tyler Herro ist in erster Linie ein Scorer und Schütze (35,5 3P%, 93,5 FT%), der um Blöcke laufen und schnell abdrücken, aber auch ein wenig aus dem Dribbling kreieren kann. Der 19-Jährige verfügt über ein großes Selbstvertrauen (was nicht zuletzt seine

Kleidungswahl bei der Draft unterstrich) und spielt an beiden Enden des Parketts mit Einsatz. Falls sich sein Scoring auf das nächste Level überträgt und er defensiv überzeugt, hat Miami womöglich einen interessanten Rotationsspieler gefunden.

14. Boston Celtics

Romeo Langford Flügel, Indiana, 1,98 Meter, 19 Jahre Stats: 16,5 PPG, 5,4 RPG, 2,3 APG, 49,1 eFG% Wenn Bill Self, John Calipari, Roy Williams und Archie Miller dasselbe HighschoolTalent umgarnen, kann man davon ausgehen, dass der Umworbene ein potenzieller College-Star sein muss. Schlussendlich entschied sich Romeo Langford für Miller und somit für einen Verbleib in seinem Heimatstaat Indiana. Bei den Hoosiers legte der Scorer eine durchwachsene Saison hin, die von mangelnder Konstanz beim Dreier (34/125 Dreier) und durchwachsener Entscheidungsfindung im Halbfeld (2,3 APG bei 2,1 TPG) gekennzeichnet war. Das enttäuschende Abschneiden der Hoosiers (19-16) an dem Freshman festzumachen, wäre jedoch falsch, da es Langford auch an Unterstützung in der Offensive mangelte. Seine größte Waffe im Angriff ist sein Drive, den er immer wieder anbringt. Bei einer Freiwurfrate von knapp 50 Prozent versteht es der 19-Jährige hervorragend, seinen Verteidigern Fouls anzuhängen, und schließt am Korb hochprozentig ab. Hier kommen ihm seine kräftige Statur und seine gute Balance zugute. Für die Celtics kann Langford

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zunächst die Rolle des Bank-Scorers einnehmen und sollte in der NBA auch langfristig seine Nische finden.

17. New Orleans Pelicans

18. Indiana Pacers

Nickeil

Goga Bitadze

15. Detroit Pistons

Alexander-Walker

Center, KK Mega Bemax, 2,11 Meter, 19 Jahre Stats: 12,1 PPG, 6,4 RPG, 1,2 APG, 57,5 eFG%

Sekou Doumbouya

Guard, Virginia Tech, 1,95 Meter, 20 Jahre Stats: 16,2 PPG, 4,1 RPG, 4,0 APG, 54,6 eFG%

Flügel, Limoges CSP, 2,06 Meter, 18 Jahre Stats: 6,7 PPG, 3,0 RPG, 0,7 APG, 54,9 eFG% Die Detroit Pistons wählten mit Sekou Doumbouya den ersten Spieler ohne College-Erfahrung in dieser Draft. Der Franzose befindet sich schon seit geraumer Zeit auf den Notizblöcken der NBA-Scouts: Bei der U18-Europameisterschaft 2016 war er mit 17,8 Punkten pro Spiel der Topscorer seiner Mannschaft und gewann an der Seite von Frank Ntilikina den EM-Titel. Bei seinem Heimatverein Limoges CSP entwickelte sich der junge Franzose in den letzten Jahren zu einem variablen Forward, der durch seine Länge und Athletik frühzeitig im Seniorenbereich abliefern konnte. Nichtsdestotrotz gehört der 18-Jährige zu den Langzeitprojekten in dieser Draft: Seine Entscheidungsfindung im offensiven Halbfeld muss sich noch verbessern, sein Wurf konstanter fallen. Wenngleich der Vergleich mit Pascal Siakam für den im westafrikanischen Guinea geborenen Doumbouya aktuell gerne verwendet wird und eine gewisse Berechtigung hat, bleibt abzuwarten, ob der 2,06-Meter-Mann sein Talent ähnlich schnell und mit ähnlicher Intensität auf das NBA-Parkett bringen kann wie der Kameruner.

16. Orlando Magic

Chuma Okeke Flügel, Auburn, 2,04 Meter, 20 Jahre Stats: 12,0 PPG, 6,8 RPG, 1,9 APG, 57,7 eFG%

Mit ihrem dritten Wahlrecht in der ersten Runde verstärkten die Pelicans ihre GuardRotation mit Nickeil Alexander-Walker. Der Cousin von Clippers-Profi Shai Gilgeous-Alexander spielte zwei Jahre lang für die Virginia Tech Hokies und mimte dort neben dem nominellen Aufbauspieler Justin Robinson die Rolle des vielseitigen Combo-Guards. Alexander-Walker kann sowohl abseits des Balles spielen und als SpotupSchütze in Erscheinung treten als auch mit dem Ball in der Hand für sich und seine Teamkollegen gute Abschlussoptionen kreieren. In der vergangenen Saison musste der Kanadier aufgrund einer Verletzung von Robinson vermehrt die letztere Rolle einnehmen. Hier offenbarte er zwar noch deutliches Verbesserungspotenzial, was seine Entscheidungsfindung betrifft, jedoch gehörte er zu den besten Pick-and-RollBallhandlern des Landes. Hier kommt ihm vor allem seine Qualität als Schütze aus dem Dribbling entgegen – für moderne NBA-Playmaker eine essenzielle Fähigkeit, um jegliche Arten von absinkenden Verteidigungen im Pick-and-Roll zu bestrafen. Arbeiten muss der 20-Jährige noch an seiner Physis – auch in dieser Hinsicht ähnelt AlexanderWalker seinem Cousin. Dennoch bringt er die Anlagen mit, sowohl neben Lonzo Ball als auch neben Jrue Holiday effektiv zu spielen.

Noch hat Zaza Pachulia den inoffiziellen Titel des besten georgischen NBA-Spielers aller Zeiten inne. Doch mit Goga Bitadze betritt ab der kommenden Saison ein Big Man die NBA, der das nötige Talent mitbringt, um Pachulia diesen Ruf streitig zu machen. Der amtierende Gewinner der „Euroleague Rising Star“-Trophäe ist trotz seiner Größe und Masse (114 Kilogramm) ein relativ beweglicher Center, der im Angriff seine große Stärke im Pick-and-Roll hat. Bitadze ist ein sehr guter Screener, der seine Blöcke stets in den richtigen Winkeln setzt. Als Passempfänger in diesen Spielzügen kann der junge Georgier mit beiden Händen in Korbnähe abschließen. Sein Potenzial als Dreierschütze (Karrierewert: 35,5 Prozent) gibt ihm zudem mehr Variabilität als Blocksteller. Bitadze ist kein Überathlet, bringt aber Qualitäten als Ringbeschützer mit, und es gibt Hoffnung, dass er als Pick-and-RollVerteidiger bestehen und gegnerische Guards kurzfristig am Drive hindern kann. Es könnte eine Zeit dauern, bis sich Bitadze an das athletischere Spiel in der NBA gewöhnt hat, und neben Myles Turner und Domantas Sabonis wird er sich bei den ambitionierten Pacers seine Spielzeit erarbeiten müssen. Der Georgier könnte jedoch an dieser Stelle der Draft durchaus zu einem Steal avancieren.

19. San Antonio Spurs

Luka Samanic

Chuma Okeke war der tragische Held der diesjährigen March Madness. In der Sweet-Sixteen-Partie seiner Auburn Tigers gegen die North Carolina Tar Heels rutschte der Flügelspieler beim Zug zum Korb unglücklich aus und riss sich sein Kreuzband. Seine Tigers stürmten noch bis ins Final Four, wo sie sich hauchdünn (62:63) dem späteren Champion aus Virginia geschlagen geben mussten. Okeke hatte zu diesem Zeitpunkt aber bereits genügend Eigenwerbung betrieben und entspricht dem Prototyp eines „Three-andD“-Forwards. Er trifft den Dreier einigermaßen zuverlässig (38,9 3P%), kann herauseilende Verteidiger attackieren und steht in der Defensive am Perimeter und im Post seinen Mann. Als Stretch-Forward führte der Tiger seine Mannschaft in den Kategorien Rebounds (6,8), Blocks (1,2) und Steals (1,8) an. Verläuft seine Genesung komplikationslos, ist der 20-Jährige eine gute Wette für einen langjährigen ImpactSpieler auf NBA-Niveau.

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Flügel, Petrol Olimpija, 2,11 Meter, 19 Jahre Stats: 8,0 PPG, 4,8 RPG, 0,9 APG, 53,1 eFG% Während Goga Bitadze etwas länger warten musste als zuvor gedacht, ging Luka Samanic früher über die Draft-Theke als in den meisten Mockdrafts prognostiziert. Dabei war das Interesse der San Antonio Spurs an dem Spieler vom slowenischen Team Petrol Olimpija nicht überraschend. Der Sohn von Ex-Profi Marko Samanic ist für seine Körpergröße von 2,11 Meter agil und koordiniert und bringt das Potenzial mit, um sich zu einem vielseitigen Spieler auf beiden Seiten des Courts zu entwickeln. Seine Qualität in der NBA wird unter anderem davon abhängen, wie konstant er aus der Distanz trifft (33,8 3P%) und ob er seine defensive Rolle in der NBA findet. Es bleibt abzuwarten, ob die San Antonio Spurs den Kroaten erst in Europa lassen (ähnlich wie ihren 26. Pick von 2015, Nikola Milutinov) oder ihn direkt nach Texas holen und ihm womöglich Einsatzzeit in der G-League geben.

20. Philadelphia 76ers

Matisse Thybulle Flügel, Washington, 1,95 Meter, 22 Jahre Stats: 9,1 PPG, 3,1 RPG, 2,1 APG, 50,0 eFG%

Fotos: Michael J. LeBrecht II/NBAE via Getty Images

Die Boston Celtics trennten sich von ihrem 20. Pick sowie Center Aron Baynes und erhielten im Gegenzug den 33. Pick (Point Guard Carsen Edwards) sowie den BucksErstrundenpick im kommenden Jahr. Dafür durfte der Divisions-Rivale aus Philadelphia an 20. Position wählen und entschied sich mit Flügelspieler Matisse Thybulle für den vielleicht besten Off-Ball-Verteidiger dieser Draft. Dies spiegelt sich nicht nur in seinen 3,5 Steals und 2,2 Blocks pro Partie wider, sondern auch in seiner enormen defensiven Aktivität und Vielseitigkeit. Insbesondere seine Fähigkeit, Pässe zu antizipieren und seine Athletik zu nutzen, um diese abzufangen, ist bemerkenswert. Am Ende wird der 22-Jährige jedoch auch zeigen müssen, dass er in der Offensive eine Rolle erfüllen kann. Für die Huskies erzielte er nur 9,1 Punkte pro Partie und verwandelte 30,5 Prozent seiner insgesamt 151 Dreierversuche.

21. Memphis Grizzlies

Brandon Clarke Big Man, Gonzaga, 2,04 Meter, 22 Jahre Stats: 16,9 PPG, 8,6 RPG, 1,9 APG, 69,3 eFG% Die Memphis Grizzlies nutzten einen zukünftigen Zweitrundenpick, um mit Oklahoma City den 21. und 23. Draftpick zu tauschen. Dieser Deal könnte sich für Memphis mehr als auszahlen, denn Brandon Clarke ist nicht umsonst einer der Lieblinge der Draft-Nerds und StatistikGurus: Im individuellen Offensiv- (137,9) und im Defensivrating (84,0), bei den Win

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Shares (8,8), bei den Blocks (117) und der Feldwurfquote (68,7 FG%) belegte er die Spitzenposition in der NCAA. Abseits von Zion Williamson dominierte kein anderer College-Spieler so sehr wie Clarke – statistisch muss für Vergleiche zur Freshman-Saison von Anthony Davis zurückgegangen werden. Auch seine Statistiken im NCAA-Turnier gegen die Baylor Bears (36 Punkte, acht Rebounds, fünf Blocks und drei Assists) beeindruckten – mehr als 35 Punkte und fünf Blocks in einem Tournament-Spiel schafften vor ihm nur Shaquille O’Neal und David Robinson. Dass Clarke dennoch an 21. Stelle verfügbar war, dürfte unter anderem auf seine suboptimalen Maße als Big Man (bei 2,04 Meter Körpergröße bringt er nur 2,04 Meter Armspannweite und 94 Kilogramm mit) zurückzuführen sein. Diese kontert er jedoch durch exzellente Athletik und Einsatz, was den 22-Jährigen zu einem enorm vielseitigen Verteidiger mit Qualitäten als Help-Defender sowie Pickand-Roll-Verteidiger macht. Offensiv muss Clarke noch weiter an seinem Wurf feilen, damit seine Verteidiger nicht ungestraft anderweitig aushelfen können. Zumindest seine verbesserte Freiwurfquote (von 57,2 auf 69,4 Prozent) ist jedoch ermutigend. Da auch der „Fit“ mit Jaren Jackson Jr. in Memphis auf den ersten Blick vorteilhaft erscheint, könnte sich Clarke als potenzieller Glücksgriff dieser Draft herausstellen.

22. Boston Celtics

Grant Williams Flügel, Tennessee, 2,01 Meter, 20 Jahre Stats: 18,8 PPG, 7,5 RPG, 3,2 APG, 58,2 eFG% In seinen drei Jahren bei den Tennessee Volunteers legte Williams eine bemerkenswerte Entwicklung hin. Der bullige Forward aus North Carolina überzeugte bereits in seiner FreshmanSaison als Lowpost-Scorer und hob sein Spiel von Jahr zu Jahr auf ein höheres Niveau. Am Ende seiner College-Karriere stehen für Williams zwei Auszeichnungen zum SEC-Spieler der Saison (2018 und 2019) sowie zum All American (2019). Williams ist einer von neun Spielern, die in den letzten 25 Jahren über die Saison gesehen 18 Punkte, sieben Rebounds, drei Assists und jeweils einen Block und Steal auflegten. Der 20-Jährige agierte für seine Mannschaft als Spielgestalter im Mid- und Lowpost, von wo aus er von den gegnerischen Defensiven zumeist nur per Doubleteams gestoppt werden konnte. Williams ist ein effizienter PostupScorer, kann seine Gegner aber auch im Faceup attackieren. Sein Spiel entspricht zwar nicht mehr dem Zeitgeist der NBA, aber seine Fähigkeiten als intelligenter Offensivspieler, mobiler Help-Verteidiger

und potenzieller Floor-Spacer sprechen für eine NBA-Zukunft als guter Rollenspieler.

23. Oklahoma City Thunder

Darius Bazley Flügel, Kein College, 2,06 Meter, 18 Jahre Stats: keine Darius Bazley ist das Mysterium dieser Draft, denn anstatt wie geplant für die Syracuse Orange zu spielen, entschied er sich stattdessen dafür, ein Jahr alleine zu trainieren und ein Praktikum bei New Balance anzunehmen. Wie bereits im Vorjahr, als sie Terrance Ferguson aus der australischen Liga verpflichteten, ließen sich die Oklahoma City Thunder jedoch nicht von der mangelnden College-Präsenz verunsichern. Stattdessen setzten sie voll auf Bazleys Talent, das er als hoch gehandeltes Highschool-Talent und wohl auch in den Pre-Draft-Workouts unter Beweis stellte. Trotz seiner athletischen und spielerischen Qualitäten bleibt abzuwarten, ob und wann er Paul George und Russell Westbrook tatsächlich auf dem Parkett helfen können wird.

24. Phoenix Suns

Ty Jerome Guard, Virginia, 1,95 Meter, 21 Jahre Stats: 13,6 PPG, 4,2 RPG, 5,5 APG, 53,2 eFG% Die Phoenix Suns akquirierten den 24. Pick (und Aron Baynes) von Boston und sicherten sich mit dem zusätzlichen Wahlrecht die Dienste von Ty Jerome, einem der Eckpfeiler des NCAA-Meisters aus Virginia. Jerome ist kein Überathlet, allerdings ein überaus smarter ComboGuard, der im Suns-Backcourt sowohl im Spielaufbau als auch abseits des Balles unterstützen kann und damit eine sinnvolle Ergänzung zu Devin Booker darstellen sollte. Hier profitiert er unter anderem von seinem sicheren Distanzwurf (39,9 3P%). Auch wenn er aufgrund seiner physischen und athletischen Limitierungen auf NBANiveau kein prädestinierter Eins-gegeneins-Verteidiger ist, bringt er vorbildliche Qualitäten als Team-Verteidiger mit.

25. Portland Trail Blazers

Nassir Little Flügel, North Carolina, 1,98 Meter, 19 Jahre Stats: 9,8 PPG, 4,6 RPG, 0,6 APG, 50,5 eFG% Die Freshman-Saison von Little als „unscheinbar“ zu bezeichnen, wäre eine Untertreibung. Immerhin kam der Flügelspieler als eines der absoluten TopTalente seines Jahrgangs nach Chapel Hill, wo er dann von Headcoach Roy Williams jedoch als Bankspieler eingesetzt wurde. Auch in den entscheidenden Spielminuten vertraute Williams zumeist seinen Veteranen um Cameron Johnson und Luke Maye. In der Offensive baute Little fast

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damit den Weg ins Finale ebnete. Poole ist ein starker Scorer, der im Eins-gegen-eins kreieren kann und keine Scheu hat, dies auch zu tun. Dass er im College-Podcast von „The Ringer“ nur als „Swaggy Poole“ bezeichnet wird, trägt diesem Umstand Rechnung und deutet auf seine Parallelen zu Nick Young hin. Wie bei Young stehen auch bei Poole hinter dessen Wurfauswahl und Entscheidungsfindung oftmals Fragezeichen – ebenso wie hinter seinen Qualitäten in der Defensive.

29. San Antonio Spurs

Keldon Johnson Flügel, Kentucky, 1,98 Meter, 19 Jahre Stats: 13,5 PPG, 5,9 RPG, 1,6 APG, 52,3 eFG%

ausschließlich auf seine herausragende Athletik und überpowerte seine Kontrahenten, wobei der Tar Heel bei jeder Gelegenheit den Zug zum Korb suchte. Das NBA-Potenzial des 19-Jährigen ist trotzdem unbestreitbar. Der Flügelspieler verfügt über Gardemaße, und seine Athletik genügt den höchsten Ansprüchen, was ihm vor allem defensiv eine gewisse Upside verleiht. Sein Sprungwurf fiel zwar unterdurchschnittlich (26,9 3P%), aber seine Technik scheint in diesem Bereich keinesfalls irreparabel. An 25. Position musste Portland wohl nicht lange überlegen, auf Littles Potenzial zu wetten.

26. Cleveland Cavaliers

Dylan Windler Flügel, Belmont, 2,04 Meter, 22 Jahre Stats: 21,3 PPG, 10,8 RPG, 2,5 APG, 65,1 eFG% Wie viele andere Spieler in dieser Draft befand sich auch Dylan Windler als Highschool-Recruit nicht wirklich auf dem NBA-Radar. Statt an einer der namhaften Talentschmieden zu spielen, entschied er sich für die kleine Belmont University in der weniger beachteten Ohio Valley Conference – dieselbe Liga also, in der auch Ja Morant antrat. Dort avancierte er vom Bankdrücker (4,3 PPG als Freshman) zu einem erstklassigen College-BasketballSpieler und NBA-Talent. Die Cleveland Cavaliers dürften sich in Windler einen „Three-and-D“-Spieler erhoffen, der Qualitäten beim Distanzwurf (42,9 3P%) mit engagierter Verteidigung

und Reboundarbeit verbindet. In Cleveland wird er nun zeigen müssen, dass er seine Leistungen von der Ohio Valley Conference in die NBA übertragen kann.

Vor der Draft wurde Keldon Johnson zumeist als Spieler charakterisiert, der viele Dinge gut kann, aber nichts großartig. Vielleicht führte dieser Umstand dazu, dass Johnson bis ans Ende der ersten Runde und in die Hände der San Antonio Spurs fiel. Wenn man eine Qualität von Johnson hervorheben müsste, ist es wohl vor allem sein Einsatz auf dem Parkett. Johnson ist ein Spieler, der hart verteidigt, die Bretter beim Rebound attackiert, nach Bällen jagt und offensiv attackiert. Die spannende Frage dürfte sein, ob er seine ordentliche Dreierquote (38,1 3P%) im Spurs-Trikot bestätigen und sich als echter „Three-andD“-Spieler etablieren kann.

27. Los Angeles Clippers

30. Cleveland Cavaliers

Mfiondu Kabengele

Kevin Porter Jr.

Big Man, Florida State, 2,08 Meter, 21 Jahre Stats: 13,2 PPG, 5,9 RPG, 0,3 APG, 53,8 eFG%

Guard, USC, 1,98 Meter, 19 Jahre Stats: 9,5 PPG, 4,0 RPG, 1,4 APG, 56,1 eFG%

Dieser Pick gehörte ursprünglich den Brooklyn Nets, die ihr Wahlrecht jedoch im Tausch für Philadelphias Erstrundenpick 2020 sowie den 56. Pick (Jaylen Hands) an die Los Angeles Clippers abgaben. Mfiondu Kabengele kam bei Florida State zwar nur von der Bank, überzeugte in durchschnittlich 21,6 Minuten Spielzeit aber als physischer Ringbeschützer mit großer Energie und sogar Anzeichen eines Distanzwurfs (36,9 3P%). Nur das Konzept des Passens hat der Neffe von Dikembe Mutombo noch nicht vollends verinnerlicht: In 1.301 Minuten College-Basketball spielte er nur 21 Assists.

Ganze vier Zweitrundenpicks transferierten die Cleveland Cavaliers an die Detroit Pistons, um sich die Rechte an Kevin Porter Jr. zu sichern (Detroit selbst hatte diesen Pick erst am Vortag von Milwaukee erworben). Die Wahl von Kevin Porter Jr. fällt wohl unter die Kategorie „High Risk, High Reward“, wobei sich das Risiko bei einem 30. Pick klar in Grenzen hält. „KPJ“ bringt eine ganze Palette an interessanten Skills mit, die in der NBA von einem Scorer auf den Guard-Positionen gefragt sind: Pullup-Shooting, Dribble Drives und die Fähigkeit, Freiwürfe zu ziehen – mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass Porter Jr. nur 52,2 Prozent seiner Freiwürfe traf. Auch in der Defensive zeigte der USC-Abgänger zumindest vielversprechende Ansätze. Warum Porter Jr. trotz seines Talents noch am Ende der ersten Runde zur Verfügung stand? Es bestehen Fragezeichen hinsichtlich seiner Arbeitsmoral und seines Motors. In guten Sequenzen sah der 19-Jährige wie ein kommender NBAStarter aus – und in seinen persönlichen Auszeiten auf dem Feld eher wie ein G-League-Spieler. redaktion@fivemag.de

28. Golden State Warriors

Jordan Poole Guard, Michigan, 1,96 Meter, 20 Jahre Stats: 12,8 PPG, 3,0 RPG, 2,2 APG, 53,8 eFG% Die meisten Basketballfans werden sich an Jordan Poole erinnern, da er beim NCAATournament 2018 im Sweet-Sixteen-Spiel für die Michigan Wolverines – an der Seite von Moritz Wagner – den glorreichen Buzzerbeater gegen Houston versenkte und

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Es war verdammt nochmal Zeit … dass Damian Lillard hinsichtlich der besten Guards der Liga genannt wird. Spätestens nach seinem Coup samt Parkplatz-Gamewinner gegen Russell Westbrooks Oklahoma City Thunder sollte die „Dame Time“ angebrochen sein.

Fotos: Sam Forencich/NBAE via Getty Images

Text: Manuel Baraniak

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Damian

asketball hat seinen Ursprung bei Pfirsichkörben. James Naismith erfindet 1891 in Springfield, Massachusetts, eine neue Sportart, damit die Studenten des ansässigen Colleges während des kalten Winters weiterhin körperlich aktiv sein können. Dabei werden in der Sporthalle Pfirsichkörbe am unteren Rand des Geländers der Empore angebracht – am Anfang noch mit Boden, sodass nach jedem Korb ein Helfer den Ball herausholen muss. Viel hat sich geändert seit den 1890er Jahren … Damian Lillard macht seine Anfänge an einer Kiste. Sein Großvater bringt eine solche für Milchflaschen an einem Telefonmast in Oakland, Kalifornien, an, damit der Enkel darauf werfen kann. Natürlich an der Seite zum Bürgersteig – von der Straße soll Damian fernbleiben. Zuvor hat er an einem Baum gespielt – kein Scherz: Die Äste, so erzählt es Lillard später, hatten die Form eines Korbs, durch die es zu werfen galt. Doch als der Baum gefällt wird, braucht es eine andere

Lillard

„Korbanlage“. Ja, wir schreiben mittlerweile die 1990er, nicht 1890er Jahre. Dem kleinen Damian ist das egal, er kennt es nicht anders. Und vielleicht waren diese widrigen Umstände auch die optimale Vorbereitung auf die Karriere, die Lillard letztlich nehmen sollte, wenn er sich erinnert: „Ich habe so gut auf die Milchkiste geworfen – als ich auf einem echten Basketballfeld gespielt habe, war das wie im Himmel.“

„My life came full circle, at the park was throwing left hooks / Now I’m in the league with Steph Curry and Russell Westbrook“* Wie der Himmel auf Erden. So muss sich das Moda Center in Portland, Oregon, für Blazers-Fans am 23. April 2019 anfühlen. 20.241 Zuschauer schreien sich in Ekstase, bis auf die Plätze am Spielfeldrand. Dem Courtside-Publikum zu Füßen liegt eine Menschentraube aus Blazers-Akteuren, der Held des Abends obendrauf. Der bleibt ruhig, vielmehr stoisch blickt Damian Lillard

in die auf den Spielerhaufen gerichtete Kamera. Als wolle er sagen: „Ihr habt richtig gesehen, ich haue vom Parkplatz den Buzzerbeater zum Seriengewinn rein – einfach weil ich es kann.“ Soeben hat Lillard seine Portland Trail Blazers in die zweite Playoff-Runde geworfen. Mit einem Dreier aus über elf Metern. Mit dem er die 50 Punkte vollmacht. Zum 118:115-Sieg im fünften Duell mit den Oklahoma City Thunder, um die Serie mit 4-1 zu beenden. Als würde Lillard damit nicht schon genug jüngere Playoff-Geschichte schreiben, winkt er nach seinem Gamewinner im Zurückgehen der Thunder-Bank. „Die Serie war vorbei – ich habe ihnen zum Abschied gewunken. Das ist alles“, beschreibt Lillard anschließend trocken die Szene samt nonverbalem Trashtalk. Diesen hatten sich die Beteiligten im Laufe der Serie immer wieder geliefert, Lillards Duell mit OKC-Guard Russell Westbrook hat zudem auch seine Vorgeschichte. „Im dritten Spiel hat Dennis Schröder auf sein Handgelenk getippt“,

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die Zeit des „Sprawlball“. Lillard bietet in beiden Fällen bestes Anschauungsmaterial. So schließt sich der Kreis erneut. Das alles hat Lillard nach erst sieben Jahren in der NBA erlebt. Vor Kurzem zockte er noch im Park, nun spielt er in einer Liga mit Stephen Curry und Russell Westbrook, wie Lillard unter dem Künstlernamen „Dame D.O.L.L.A.“ in seinem Rap-Song „Soldier in the Game“ anschneidet. Während er in der Gunst der Guards Westbrook zu überholen scheint, schießt er sich mit seinen Dreiern und seiner sympathischen Art zumindest in einen Atemzug mit Curry. Als Westbrook und Curry in die NBA kommen, 2008 bzw. 2009, lässt sich eine solche Karriere bei Lillard noch nicht erahnen. Denn der hat da gerade sein erstes Jahr am College absolviert – bei einem Mid-Major-Team, nach zuvor drei Highschool-Wechseln …

„All the times I struggled just prepared me for the highlights / Used to circle shoes in East Bay, now mine on fly sites“ Bei jeder Begegnung trägt Damian Lillard seinen Weg an sich, während jeder Spielervorstellung bei Heimpartien wird er an seine Laufbahn erinnert. Wo für gewöhnlich die Akteure vor dem Tip-Off mit Größe, Position, College und Trikotnummer vorgestellt werden, verhält es sich bei Lillard etwas anders. Ja, er ist der 1,98 Meter große Guard von der Weber State University, der aber nicht die Nummer 0, sondern „den Buchstaben O trägt“, wie es der Hallensprecher der Blazers ansagt. Warum die Bedeutung des Buchstabens? Lillard wuchs in Oakland (Kalifornien) auf, ging in Odgen (Utah) aufs College und spielt nun im Bundesstaat Oregon in der NBA. Sein Weg verlief aber weniger geradlinig, als diese Auflistung vermuten lässt. Wie es zum Buchstaben O passt, lief Lillard mitunter auch im Kreis. Oakland mag die derzeit hipste Franchise der NBA beheimaten, die Stadt ist aber nicht unbedingt ein attraktives Pflaster – aufgrund einer überdurchschnittlich hohen Kriminalitätsrate. Auch Lillard macht als Minderjähriger damit Bekanntschaft: In seinem Senior-Jahr an der Highschool wartet er eines Abends an der Bushaltestelle, um nach dem Training nach Hause zu fahren. Dort wird er von drei etwa gleichaltrigen Teenagern aufgefordert, seine Taschen zu leeren. Nachdem einer von ihnen an seinen Rucksack packt und ihn davonstößt, sieht er auf einmal eine Waffe auf seine Stirn gerichtet. „I had to learn my lesson, be careful of my surroundings. Pull that gun up on me, remember, my heart was pounding“, verarbeitet Lillard jene Episode in seinem Song „Roll Call“. Damals spielt Lillard für die Oakland High, die dritte Highschool in seiner Schulzeit. Drei Jahre davor beginnt

er an der Arroyo Highschool, wo es für ihn ganz gut läuft. An der Schule in einer Vorstadt Oaklands ist Lillard nur einer von zwei afroamerikanischen Spielern, auch sein Coach ist schwarz. Den Eltern mancher Mitspieler scheint Lillards etwas roughe Art aber zu missfallen. Während der Saison verlassen immer mehr Spieler das Team, der Coach wird schließlich gefeuert, womit Lillard nicht für ein zweites Jahr an die Arroyo High zurückkehrt. Stattdessen geht es für ihn an der St. Joseph Notre Dame weiter, einer Privatschule, an der einst auch Jason Kidd aktiv gewesen ist. Doch hier kommt Lillard nicht mit seinem Trainer klar – und der nicht mit Lillards Art. „Der Coach hatte Probleme mit mir, dass ich zu aggressiv war oder Trashtalk redete“, erinnert sich Lillard bei „Bleacher Report“ an die geringe Einsatzzeit, obwohl er „einer der besseren Spieler“ gewesen sei. Als Lillard seinem Coach Don Lippi seine Pläne offenbart, es in die NBA schaffen zu wollen, knallt dieser ihm die Unwahrscheinlichkeit dieses Traums vor die Brust. Auch diese Episode verarbeitet Lillard später in einem Song, wenn er auf „Bill Walton“ rappt: „I’m like a product of poverty and a prodigy. My private school coach said I couldn’t – what a hypocrisy“. Ein Produkt aus Armut und Wunderkind: Die Basketballanfänge an Bäumen und Milchkasten allein sprechen schon Bände über die armen Verhältnisse, unter denen Lillard aufwächst. Sein Ausnahmetalent wird spätestens in seinem letzten HighschoolJahr ersichtlich, als er immerhin 22,4 Punkte pro Spiel auflegt. Dennoch reißen sich keine Top-Colleges um ihn, Lillard generiert keinen Hype, mit Gratisschuhen und -klamotten wird er nicht umworben. Vielmehr umkreist er Sneaker im Eastbay. com-Shop, die er gerne haben würde. So geht es für ihn schließlich an die Weber State University, die in der Big Sky Conference ansässig ist. Ein Indiz für die geringe Qualität der Big Sky: Lillard ist der einzige aktuelle NBA-Spieler, der in jener Conference aufgelaufen ist. Weber State selbst sticht intern auch nicht heraus: Als sich Lillard 2008 dem College anschließt, haben es die Weber State Wildcats zuletzt 1972 über die zweite Runde des NCAA-Tournaments hinausgeschafft. Lillard erreicht in seinen drei kompletten Jahren kein einziges Mal das NCAA-Turnier. Sein Junior-Jahr muss der damals 20-Jährige aufgrund einer Fußverletzung nach zehn Spielen beenden. Nicht die besten Voraussetzungen, um sich auf das Radar von NBA-Franchises zu manövrieren. Aber umso mehr die Möglichkeit, unter dem Radar an seinem Spiel zu feilen – und ein gewisses Feuer zu entwickeln. Als Katalysator hierfür dient der damalige Assistant Coach von Weber State, Phil Beckner. Der verfolgt bei Spielern den Ansatz, wie er der Tageszeitung „Standard-

Fotos: Sam Forencich/NBAE via Getty Images

blickt Lillard auf die einzige Niederlage Portlands zurück. Schröder spielt damit auf eine Geste Lillards an: die der „Dame Time“, die der Blazers-Guard dann tätigt, wenn seine Zeit in der Crunchtime angebrochen ist. Das bleibt Lillard nicht verborgen. „Sie sind ins Feiern geraten. Wir haben einfach unsere Haltung bewahrt. Nach einem einzelnen Sieg haben sie sich für so etwas entschieden. Aber wir wollten vier Spiele gewinnen.“ Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Paul George deklariert Lillards Gamewinner auf der Pressekonferenz als „schlechten Wurf“, weil Lillard diesen aus so großer Entfernung abgefeuert habe. „Wenn überhaupt, dann war es schlechte Defense“, kontert Lillard später im Podcast von Teamkollege C.J. McCollum. Den ganzen Sommer über hat Lillard daran gearbeitet, seine Reichweite zu verbessern. Und die Zahlen geben ihm recht: Während George im Saisonverlauf 38,6 Prozent seiner Dreier versenkt (gute Würfe, oder?), netzt Lillard aus einer Distanz von neun bis zwölf Metern 39,2 Prozent seiner Versuche ein (schlechte Würfe?)! Passend eröffnet Lillard die Erstrundenserie mit einem Parkplatzdreier. So schließt sich der Kreis, denn so beendet Lillard die Serie. Damit hat sich 28-Jährige schon jetzt in die Annalen der NBA-Historie geworfen. Nach Houstons Ralph Sampson (1986 gegen die Lakers), Chicagos Michael Jordan (1989 gegen die Cavs und 1993 gegen die Cavs), Charlottes Alonzo Mourning (1993 gegen die Celtics) und Utahs John Stockton (1997 gegen die Rockets) ist Lillard nämlich erst der fünfte Spieler der Playoff-Geschichte, der eine Serie mit einem Buzzerbeater beendet. Nur MJ hat wie Lillard zwei dieser „Walk-off“Buzzerbeater in seiner Vita stehen. Bereits 2014 sorgt Lillard mit einem solchen Wurf für Aufsehen. Damals schießt er im sechsten Playoff-Duell mit den Houston Rockets die Blazers in die zweite Runde, womit die Franchise zum ersten Mal seit 2000 wieder eine Serie gewinnt. Mit weniger Zeit auf der Uhr und mit einem Rückstand im Nacken hatte jener Gamewinner wohl noch mehr Dramatik zu bieten. Schon damals brachte jener Wurf in gewisser Hinsicht eine Entwicklung ins Rollen: das Filmen des Geschehens von Zuschauern am Spielfeldrand, wie gemacht für kurze Highlight-Clips der Social-Media-Zeit. Näher dran geht nicht, und einer dieser Clips hat sich besonders ins kollektive Gedächtnis gebrannt: Denn Lillards Klatschen, um den Ball zu fordern, ist darauf zu hören. Fünf Jahre später, und Lillards Heldentaten schreiben eine weitere Entwicklung: die der immer größeren Bedeutung des Dreiers, der von immer weiter außen genommen wird. Oder, wie es der ESPN-Journalist und Autor Kirk Goldsberry in seinem Buch umschreibt:

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Examiner“ erklärt, „über Motivation hinauszugehen und bis zum Punkt der Inspiration zu gelangen“. Beckner versucht dies auch mit Zitaten zu erreichen. So erinnert sich der Coach an eine Episode während der gemeinsamen College-Zeit, als Lillard nach dem Training zu müde ist und eine geplante Wurfeinheit mit Beckner absagen will: „Ich sagte zu ihm: ,Weißt du, warum die meisten Menschen scheitern? Sie scheitern, weil sie das, was sie am meisten wollen, für das aufgeben, was sie gerade im Moment wollen.‘“ Was sich Lillard in dem Moment wünscht? Eine Ruhepause. Doch was er wirklich will? Es in die NBA schaffen. Und so zieht er die Wurfeinheit durch – ein Sinnbild für den Trainingseifer und ein passendes Beispiel dafür, dass der „Struggle“ einen auch auf die „Highlights“ im Leben vorbereiten kann.

Fotos: Jonathan Ferrey/Getty Images

„I stand out ’cause I’m a soldier in a sucker’s game / That paparazzi tryin’ to shine me boy, I’m duckin’ fame“ Denn so unscheinbar Lillard an der Highschool und in seinen ersten Jahren am College sein mag, so schnell geht es für den Guard ab seinem letzten CollegeJahr aufwärts: 24,5 Punkte legt er in jener NCAA-Saison auf, die Auszeichnung zum „Big Sky Player of the Year“ streicht er dabei ein, in der NBA-Draft wird er an sechster Stelle gezogen. Einstimmig wird er nach durchschnittlich 19,0 Zählern und 6,5 Assists sowie einem Rookie-Rekord von 185 verwandelten Dreiern zum besten Liganeuling des Jahres gewählt. Und ein Jahr später schießt er die Blazers zum ersten PlayoffSeriengewinn nach 14 Jahren. Abgehobenheit? Nicht bei Lillard. Der besinnt sich mehr auf seine Wurzeln, erinnert sich an die Tugenden, die ihn dorthin gebracht haben. „Wenn das, was du gestern getan hast, immer noch bedeutend erscheint, dann hast du heute noch nicht viel gemacht“, lässt er seine vielen TwitterFollower nach dem Coup gegen die Rockets wissen. Es handelt sich dabei um ein Zitat, das er von seinem College-Coach Beckner mitgenommen hat. Ein wenig Starruhm darf es aber auch für Lillard sein: In seiner dritten Saison erhält er von Adidas seinen eigenen Signature-Schuh. Längst sind die Zeiten vorbei, als er bei Eastbay Sneaker umkreisen musste. Doch der Übergang vom „Struggle“ zu den „Highlights“ verläuft nach jener Saison 2013/14 mit dem Einzug in die zweite Playoff-Runde nicht stringent weiter. In den folgenden drei Jahren sinkt die Anzahl der Saisonsiege Portlands kontinuierlich. In der Free Agency 2016 binden sich die Blazers, wie so viele Teams, Akteure mit (zu) hochdotierten Verträgen ans Bein. Ein Jahr zuvor verlässt mit LaMarcus Aldridge der bisherige

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Franchise-Spieler Portlands den Klub. „Als er gegangen ist, musste ich eine andere Rolle einnehmen hinsichtlich Führungsqualität und Verantwortung“, macht Lillard in einem Interview auf der NBA-Homepage deutlich. Er ist nun der Franchise-Spieler, mit Co-Star C.J. McCollum an seiner Seite. Dieses Backcourt-Duo ist aber nicht frei von Kritik: zu klein und zu schwach in der Verteidigung sei das Guard-Gespann. Manche werfen deswegen die Frage auf, ob es nicht besser sei, sich von einem der beiden Guards zu trennen. Nach den Playoffs 2018 wird diese Kritik nicht leiser. Die Blazers stoppen zwar endlich den Negativtrend der regulären Saison und beenden die Hauptrunde als Dritter, werden in der ersten Runde aber von den New Orleans Pelicans mit dem Besen aus den Playoffs gefegt. Gerade Lillard steht im Fokus der Kritik, da er mit der aggressiven Pick-andRoll-Defense der Pelicans um Jrue Holiday nicht zurechtkommt. „Im Fernsehen haben sie ganz schön viel Mist über mich erzählt. Ungelogen: Ich habe schon einige Zeit geschmollt“, gibt Lillard zu, dass jener Sweep an ihm gezehrt hat – gesteht Fehler aber auch ein. Blazers-Coach Terry Stotts sitzt in der Offseason nicht fest im Sattel, doch die Franchise hält an ihm fest. Mit veränderten Rotationen und taktischen Kniffen bringt er vor allem die Offensive Portlands auf Vordermann. Das Team bricht nicht auseinander, vielmehr wächst es zusammen. „Wir sind nicht auseinandergebrochen, weil wir wissen, dass wir besser sind, als wir gespielt haben“, erklärt Lillard gegenüber ESPN die Folgen des Ausscheidens. McCollum geht noch weiter: „Der Sweep hat uns stärker gemacht. Wir haben nicht mit dem Finger auf andere gezeigt. Und wir müssen vor nichts Angst haben – weil das Schlimmste schon passiert ist.“ Wie 2018 geht Portland auch in der diesjährigen Endrunde als Dritter in die Playoffs – doch diesmal wiederholen sich keine schlimmen Ereignisse für die Blazers, vielmehr stürmen sie bis in die Conference Finals. Auch wenn dort gegen die Golden State Warriors per Sweep Endstation ist, beweisen sie mit jeweils 17-PunkteFührungen in den letzten drei Spielen, wozu sie fähig sind. Und auch wenn Lillard nicht an seine Leistungen aus den ersten beiden Runden anknüpfen mag – immerhin geht es gegen Verteidiger wie Andre Iguodala, Klay Thompson und Draymond Green –, so präsentiert er sich dennoch verbessert im Vergleich zur Erstrundenpleite 2018. Und mehr denn je als Anführer. „Damian ist der vielleicht beste Star-Anführer der Liga“, bekräftigt Terry Stotts bei ESPN. „Es gibt in dieser Liga Anführer, aber er ist sowohl ein Star als auch ein Anführer, und er benimmt sich gegenüber seinen Mitspielern, auf dem

Basketballfeld, in der Kabine und in der Community stets auf die gleiche Weise.“ Lillard tut dies unter anderem, indem er die Bildung von Highschool-Schülern fördert. Mit seinem „RESPECT“-Programm ist er für den diesjährigen „NBA Cares Community Assist Award“ nominiert worden. Lillard wird sich vielleicht an seine wechselhafte HighschoolZeit erinnern. Und wohl mehr noch an die widrigen Verhältnisse in seiner Geburtsstadt Oakland – den Buchstaben O trägt er eh stets am Rücken und auf der Brust. Einmal auf den Druck angesprochen, in der NBA Basketball zu spielen, erklärt Lillard mit Weitsicht und in Relation setzend: „Druck? Nein, den verspüre ich nicht. Das ist doch nur Basketball. Druck verspürt der Obdachlose, der nicht weiß, woher das nächste Essen kommt. Druck verspürt die alleinerziehende Mutter, die versucht, ihre Miete zu bezahlen. Wir verdienen eine Menge Geld, um ein Spiel zu spielen. Nicht falsch verstehen: Es gibt Herausforderungen. Aber das alles ,Druck’ zu nennen, ist fast schon eine Beleidigung für die ganz normalen Leute.“

„I love my life from the good to the bad / Feel good to live with riches when coming from rags“ Lillard kennt beide Welten, wird den in den USA so häufig geträumten Weg vom „Tellerwäscher zum Millionär“ aber noch weiterverfolgen können. Nachdem der Guard erneut in ein All-NBA-Team gewählt worden ist, liegt für ihn voraussichtlich ein „Supermax“-Vertrag bereit. Demnach könnte der 28-Jährige in diesem Sommer eine vorzeitige Vertragsverlängerung über vier Jahre und 191 Millionen Dollar unterzeichnen. Bislang haben vier Spieler einen solchen „Supermax“-Vertrag erhalten: neben Stephen Curry und James Harden auch Russell Westbrook und John Wall. In Oklahoma City und Washington wird man hinsichtlich der jüngsten Leistungen der Franchise-Spieler und der Frage, wie die beiden Guards altern, wohl nicht so ganz glücklich darüber sein. Zu welcher Kategorie Lillard gehören könnte? Nun, vielleicht beantwortet sein Wurf die Frage. Lillard könnte also ein „Lifer“ werden: einer jener Spieler, die ihr gesamtes Leben als Profisportler bei derselben Franchise verbringen. Betrachtet man seinen Karriereweg, sein Arbeitsethos und seine Bodenständigkeit, so sollten sich die Blazers über eine Beziehung auf Lebenszeit freuen. Zumal sein Hunger nicht gestillt scheint. „Ich habe diesen Komplex in mir – wie ich hierher gelangt bin, woher ich komme und wie ich gesehen werde. Jede Kleinigkeit nehme ich als Ansporn, um das Feuer in mir weiter zu entfachen.“ Lillard dürfte also weiter feuern: egal ob Dreier vom Parkplatz oder Zeilen ins Mikro. redaktion@fivemag.de

*Alle Zitate der Zwischenüberschriften stammen aus Damian Lillards Rap-Song „Soldier in the Game“. Im Juli 2015 veröffentlichte er unter seinem Künstlernamen Dame D.O.L.L.A. seine erste Single. Seitdem hat er unter anderem zwei Alben herausgebracht.

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DER NARWAL UNTER DEN EINH Ö RNERN

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Auch wenn Nikola Jokic in den Playoffs aufgrund der Zerstörung eines Mikrofons viral ging, besitzt der Center der Denver Nuggets die vielleicht magischsten Hände der Liga. Denn: Einen Spieler wie den „Joker“ hat die NBA bislang noch nicht gesehen. Text: Manuel Baraniak

Fotos:AAron Ontiveroz/MediaNews Group/The Denver Post via Getty Images

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olge mir zurück. Hier ist Larry Hughes’ Neffe aus St. Louis.“ Im April 2012 richtet ein 14-Jähriger jene Nachricht über Twitter an LeBron James. Angeheftet ein Foto der beiden, auf dem der Junge vielleicht neun Jahre alt ist und James nur bis zur Brust geht. Sechs Jahre später geht jener Tweet viral – denn der damalige Teenager, nun 20 Jahre alt, und James stehen sich in den Eastern Conference Finals gegenüber. „Larry Hughes’ Neffe“ ist mittlerweile selbst NBA-Spieler und hat gerade als Rookie in der USamerikanischen Profiliga überzeugt. Sein Name: Jayson Tatum, einer der Hoffnungsträger der Boston Celtics. Erst nach sieben Spielen setzen sich James und die Cleveland Cavaliers gegen die aufstrebenden Celtics durch, Tatum glänzt als Liganeuling mit 18 Punkten im Schnitt. In der Offseason wird sein Wunsch dann in Erfüllung gehen: James folgt ihm auf Instagram. Im heutigen Social-MediaZeitalter, in dem das Netz nichts vergisst und immer wieder Dinge aus der Vergangenheit ausgräbt, verbreiten sich solche Fotos von NBA-Spielern im Kindesoder Teenageralter immer wieder rasend schnell. Man denke beispielsweise an das Bild von Kevin Love und Isaiah Thomas als 16-Jährige, die 13 Jahre später in Cleveland zusammenspielen sollten. In den diesjährigen Western-Conference-

Finals machen Videoaufnahmen von Stephen und Seth Curry die Runde, die das Bruderpaar während der Profikarriere ihres Vaters Dell Curry auf dem NBAParkett zockend zeigen. Es ist aber ein anderer NBASpieler, dessen Vergangenheit ihn noch häufiger einholt. Nicht durch Fotos mit zukünftigen Gegen- oder Mitspielern, sondern wegen seines serbischen Personalausweises. Darauf zu sehen: Nikola Jokic – als 14-Jähriger mit Pausbäckchen. Wann immer der Center der Denver Nuggets seine Fähigkeiten präsentiert, Zuckerpässe aus dem Handgelenk schüttelt oder Triple-Doubles auflegt, wird auf Social Media gefeiert, was aus diesem dicken Jugendlichen geworden ist. Spätestens in Jokic’ viertem Jahr in der NBA ist aber ein Großteil des Babyspecks gewichen – und hat Platz gemacht für die Züge eines Franchise-Spielers.

Ein Künstler am Ball

„Fuck this shit!“ Nach der sechsten Begegnung der diesjährigen PlayoffErstrundenserie hat Nikola Jokic die Schnauze voll. Soeben hat der Center gegen die San Antonio Spurs zwar eine Galavorstellung mit 43 Punkten, zwölf Rebounds und neun Assists auf das Parkett des AT&T Center gezaubert, seine Denver Nuggets verpassen es aber mit einer 103:120-Niederlage, die Serie

zuzumachen. Doch nicht deswegen entweichen Jokic diverse Schimpfwörter auf der Pressekonferenz. Vielmehr bereitet dem Hünen das Mikrofon Probleme. Wann immer Jokic auf das Podium schreitet und Platz nimmt, zieht er das Mikro von der Halterung ab und hält es während der Fragerunde in seinen Händen. Gut erzogen, wie er ist, will er es wieder anbringen – scheitert jedoch bei seinem Vorhaben, schimpft kurz und geht von dannen. Ein Spiel später hat Jokic gesiegt – kollektiv mit den Nuggets über die Spurs, individuell im Duell mit dem Mikro, das er nach Ende der PK erfolgreich wieder anbringt. „1-1!“, lässt er seinen „Gegner“ nach einem triumphierenden Lachen wissen, als er vom Podium geht. Der „Joker“ und das Mikro: eine Beziehung für YouTube-Highlights der sonderbaren Art. Der größte Lacher stammt aber aus der Zweitrundenserie gegen die Portland Trail Blazers, als Jokic das Mikrofon so rabiat abzieht, dass er das XLR-Kabel aus dem Steckplatz reißt – und eine Unschuldsmiene aufsetzt, die wie geschaffen scheint für Memes. Diese Szenen auf dem Podium schneiden zum einen die Bodenständigkeit

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Fotos: Bart Young/Mark Sobhani/NBAE via Getty Images

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von Jokic an, der mittlerweile zweifellos zum Gesicht der Franchise avanciert ist. Dieser unschuldige Blick, diese Unbeholfenheit schreien eher nach „der Junge von nebenan“ als nach Superstar. Zum anderen zeigen sie aber auch ein Paradoxon auf: Denn wie kann jemand so tollpatschig mit einem Mikrofon umgehen, der bei seinen Pässen die vielleicht magischsten Hände der Liga besitzt? „Es hat wahrscheinlich mit meinen Händen zu tun – ich weiß es nicht. Aber der Ball geht immer dorthin, wohin ich möchte“, antwortet Jokic einmal auf die Frage, wie er seine Pässe erklärt. Der General Manager der Nuggets, Arturas Karnisovas, beschreibt es bei „The Ringer“ wie folgt: „Er ist ein Künstler. Wenn man berühmte Maler fragt: ,Wie haben Sie das gemacht?‘, antworten diese: ,Ich habe es einfach getan.‘ So ist es auch mit Nikola, wenn man ihn zu seinen Pässen fragt. Er macht es einfach – und dann passiert es.“ Und dann passiert es einfach, dass Jokic vom Lowpost den Ball über seine Schulter hinter seinem Rücken auf einen cuttenden Mitspieler passt – als wäre er Arvydas Sabonis. Oder dass er den Ball im Fastbreak selbst nach vorne bringt und einen Teamkollegen per No-Look bedient – als wäre er Magic Johnson (gut, Jokic tut dies in seinem eigenen Tempo). Oder dass er beim Defensivrebound den Ball mit einer Hand fängt und noch in der Drehung über das ganze Feld nach vorne wirft – als wäre

Jokic

„Ich wurde müde, mein Kopf konnte einfach nicht denken.“ -----------

besitzt, mit seinen Pässen Mitspieler in die richtigen Bahnen zu lenken. Als könne er die Laufwege seiner Teamkollegen vorausahnen, als besitze er ein fotografisches Gedächtnis aus Spielen, Trainings und Workouts. Solche Anspiele ist die Basketballwelt von Jokic mittlerweile gewohnt, und dennoch stellt die Serie gegen die Spurs die endgültige Comingout-Party des 24-Jährigen dar – absolviert er doch seine erste NBA-Playoff-Serie überhaupt. Bei seinem Playoff-Debüt verbucht Jokic direkt ein Triple-Double – als vierter Spieler der NBA-Historie (und als erster seit LeBron James 2006). In der entscheidenden siebten Begegnung schließt Jokic die Serie mit einem weiteren Triple-Double ab, 21 Punkte, 15 Rebounds und zehn Assists stehen für den „Joker“ im Boxscore. Seine letzte Korbvorlage bereitet den Gamewinner vor: aus einem Pick-and-Roll mit Jamal Murray, das Jokic per Handoff einleitet (man kann sicherlich darüber streiten, ob solche Aktionen wirklich als Assist gewertet werden sollten). Letztlich kratzt Jokic bei seinen Serienstatistiken sogar am Triple-Double. Nach 23,1 Punkten, 12,1 Rebounds und 9,1 Assists ist sogar SpursTrainerlegende Gregg Popovich ein wenig sprachlos: „Er ist großartig ... großartig. Ich belasse es einfach dabei.“ Über Jokic’ Karriereweg muss man derweil viel mehr Worte verlieren.

Spiel um Schokokekse

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er ein NFL-Quarterback. Johnson hat die Lakers mit „Showtime“ geprägt, dank Jokic sind die Nuggets „funky“ – zumindest bezeichnet Tim Connelly, Denvers President of Basketball Operations, derart den Stil seines Teams. Natürlich sorgt Jokic auch in der zuvor erwähnten Playoff-Serie gegen die Spurs für Highlights als Passgeber. Wie im zweiten Spiel, als zu Beginn des dritten Viertels Denvers Offensive wieder über den Center läuft. Am Highpost wird Jokic von Gary Harris angespielt, der läuft hinter den Big Man zur freien Spielfeldseite. Harris befindet sich noch auf Höhe der Dreierlinie, dessen Verteidiger Bryn Forbes steht näher zum Korb. Und doch feuert Jokic schon jetzt einen Bodenpass los – einhändig, mit rechts, auf eine Stelle links von ihm, was enormes Ballgefühl erfordert. Das Spielgerät schlägt genau hinter Forbes’ Rücken auf den Boden und ist mit so viel Geschwindigkeit und Effet gespielt, dass Harris den Ball optimal in der Bewegung aufnehmen und mit zwei Schritten vollenden kann. Wer diese Sequenz sieht, könnte meinen, dass Jokic die Kraft

Die NBA-Draft stellt für die meisten Spieler einen der größten Momente ihrer Karriere dar. Nikola Jokic erlebte diesen nicht live – denn er schlief während der Talentziehung in seiner Heimat Serbien. Hätte er die Draft am Fernsehen verfolgt, hätte er auch nicht viel verpasst. Denn als die Denver Nuggets ihn 2014 an 41. Stelle auswählten, lief im TV eine Taco-Bell-Werbung. Welche Ironie hinsichtlich Jokic’ Kampfgewicht von bis zu 136 Kilogramm und seiner Vorliebe für nicht gerade gesundes Essen. In Serbien lief Jokic drei Spielzeiten lang bei der Talentschmiede Mega Bemax auf. Der Belgrader Klub wird von der Spieleragentur BeoBasket geleitet, an deren Spitze Misko Raznatovic steht. Vor wichtigen Spielen, so schildert es „Sports Illustrated“ einmal, motivierte Raznatovic seinen Schützling mit den Worten: „Schließ deine Augen und stell dir vor, du spielst gegen mich und meine Tochter. Und wir spielen um Kekse mit Schokoladensplittern.“ Bei Mega Bemax spielen sie in erster Linie um Verträge in der Association. Jokic ist einer von drei Spielern des Klubs, die 2014 in der Draft gezogen werden. Auch 2016 (u.a. Timothe Luwawu-Cabarrot und Ivica Zubac) und 2017 wird ein Mega-Trio ausgewählt. Seit 2016 steht Kostja Mushidi beim Belgrader Nachwuchsklub unter

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Vertrag, im FIVE-Interview aus dem vergangenen Jahr (checkt die Ausgabe #152) erklärte der deutsche Flügelspieler das NBA-Flair von Mega Bemax wie folgt: „Unser Boss Misko Raznatovic hat eine neue Trainingshalle bauen lassen: Mega Factory. Wenn du dort reinkommst, siehst du oben eine NBA-Terrasse. Dort stehen jeden Tag Scouts. Ich glaube, dass Mega Bemax von den europäischen Klubs mit am nächsten zur NBA ist. Auch unser Spielstil ist NBA-mäßig: schnell, viel Eins-gegeneins und Pick-and-Roll.“ Für einen Big Man klingt dies eher nach traditionellen Aufgaben. So präsentierte Jokic während seiner Zeit in Belgrad noch nicht das vielseitige Offensivpaket, das er nun in Denver zeigt. Im Pick-and-Roll strikt abrollen, ab und an aus dem Catch-and-Shoot abschließen und natürlich im Postup zu Werke gehen – dies war seine Offensivrolle. In der

Highschool-Formation – Jokic erzielte nur fünf Punkte und sieben Rebounds in 16 Minuten –, sondern in Übungseinheiten gegen Karl-Anthony Towns und Clint Capela. Die Verantwortlichen der Nuggets, die Jokic mehrere Male in Belgrad besuchten, waren überzeugt. Überhaupt pflegt das Front Office von Denver einen guten Draht nach Übersee: Connelly war selbst einmal als internationaler Scout tätig, Karnisovas arbeitete vor seinem Engagement bei den Nuggets als Scout für die Rockets und blickt auf eine 15-jährige Spielerkarriere in Europa zurück. Dass die Goldklumpen Jokic in der zweiten Runde der Draft 2014 ziehen sollten und der Center ein Jahr später – mit einer Auszeichnung zum wertvollsten Spieler der ABA im Gepäck – schließlich nach Denver wechseln würde, verlief aber weniger stringent. Wenige Tage vor der Draft vermeldete Raznatovic, dass man

Saison 2013/14 legte der Big Man in der länderübergreifenden Adriatic League ABA 11,5 Punkte, 6,4 Rebounds und 2,0 Assists auf. Sehr solide Werte, mehr aber nicht. Wie so viele Nachwuchsspieler hinterließ auch Jokic beim renommierten Nike Hoop Summit einen nachhaltigen Eindruck. Nicht so sehr bei der Partie zwischen der Weltauswahl und der US-

Jokic’ Teilnahme an der Talentziehung zurücknehmen würde. Connelly konnte Raznatovic noch umstimmen. Während der Saison 2014/15 stand Jokic beinahe vor einem Wechsel zum FC Barcelona. Schließlich bestand der Plan zunächst darin, bei einem EuroleagueTeam die nächsten Schritte zu machen und erst nach zwei oder drei Jahren

über den großen Teich zu gehen. Die Verantwortlichen Barcelonas reisten nach Belgrad, um einen Deal zu unterzeichnen, sahen Jokic noch einmal spielen – und schreckten zurück angesichts dessen, was sie dort sahen. „Ich spielte vor den Scouts schrecklich, erzielte nur vier Punkte und blamierte mich bis auf die Knochen“, erinnerte sich Jokic im FIVE-Interview Anfang 2017 (siehe Ausgabe #137) an jenes Vorspielen – das einem Wechsel nach Barcelona zwar einen Strich durch die Rechnung gemacht, aber einer Unterschrift bei den Nuggets zur Saison 2015/16 den Weg geebnet hatte. „Ohne diese Begegnung damals wäre ich wohl heute noch beim FCB. Das war wohl ein Zeichen von oben.“

Ciao, Cola … hallo, Pepsi Center

In seiner letzten Saison in Europa absolvierte Jokic 38 Spiele innerhalb von acht Monaten. In seiner Rookie-Spielzeit in der NBA sollten 80 Partien innerhalb von fünfeinhalb Monaten anstehen. Drei Liter Cola am Tag, wie bisher, konnte Jokic also nicht mehr trinken. Den letzten Schluck des zuckerhaltigen Getränks nahm Jokic auf seinem Flug nach Colorado. Innerhalb der ersten drei Monate in den Staaten speckte Jokic rund 15 Kilogramm ab, die Nuggets stellten für ihn einen strikten Ernährungsplan auf – zwar mit vielen Mahlzeiten, dafür aber mit gesunden Speisen. „Ich denke, das ist nur Kopfsache. Wie: ‚Lass die Coke nicht stärker als du selbst sein‘“, erklärte Jokic gegenüber ESPN die Ernährungsumstellung. Doch geistig hatte der Rookie auch mit den vielen Partien zu kämpfen: „Ich wurde müde, mein Kopf konnte einfach nicht denken.“ Keine guten Umstände für einen Spieler, der weniger auf Athletik, sondern mehr auf Spielintelligenz setzt. Nichtsdestotrotz zeigten sich die Nuggets mit Jokic’ Fortschritten zufrieden. Zum Jahreswechsel avancierte der Serbe endgültig zum Vollzeitstarter. Wie stark der Big Man die Offensive Denvers schon in seinem ersten Jahr beeinflusste, zeigt folgende Statistik: Mit Jokic auf dem Parkett wiesen die Nuggets das beste Offensivrating der Liga auf, mit ihm auf der Bank das schlechteste! „Jedes Mal, wenn ich denke, er hat das Maximum erreicht, macht er etwas anderes, das mich beeindruckt“, zeigte sich Coach Mike Malone Anfang Februar 2016 von seinem Schützling beeindruckt, als Jokic mit 27 Punkten seinen damaligen Karrierebestwert auflegte. „Man kann über diese jungen und talentierten Big Men in New York, Minnesota und Philadelphia sprechen – ich kenne ihre Namen nicht. Aber ich kenne den Namen dieses Jungen, ich kenne Nikola Jokic. Und ich würde ihn für niemanden auf der Welt traden“, schnitt Malone schon damals Jokic’ potenzielle Rolle als Franchise-Eckpfeiler an.

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nba

Nikola

Jokic

„Die einzigen Muskeln, die man beim Basketball braucht, sind die im Gehirn.“ -----------

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Fotos:AAron Ontiveroz/MediaNews Group/The Denver Post via Getty Images

In der Folgesaison 2016/17 wurde Jokic nicht getradet, aber der Zweitjahresprofi tauschte selbst seine Rolle: vom Starter zum Reservisten. Malone schickte zum Saisonstart eine Zwei-Center-Aufstellung aus Jokic und Jusuf Nurkic von Beginn an aufs Feld – doch nach den ersten acht Partien, von denen die Nuggets fünf verloren, sah Jokic dieses Experiment als gescheitert an. Er erklärte Malone, dass er lieber von der Bank kommen wolle – welcher aufstrebende Jungstar in seinem zweiten NBA-Jahr tut dies schon? Malone willigte ein, doch nach acht Niederlagen aus den folgenden zwölf Partien schwenkte der Coach um. „Damals entschied ich mich, Nikola das Vertrauen auszusprechen. Ich war es ihm schuldig, nachdem er uns gezeigt hatte, was er zu leisten imstande ist“, erinnert sich Malone. Jokic startete fortan anstelle von Nurkic, von dem sich die Nuggets rund eine Woche vor der Trading-Deadline trennten. Im ersten Spiel nach dem Nurkic-Trade legte Jokic das zweite Triple-Double seiner NBA-Laufbahn auf: 17 Punkte, 21 Rebounds und zwölf Assists lieferte der „Joker“ bei einem 22-Punkte-Blowout gegen die Golden State Warriors ab. In einer Spanne von 13 Partien explodierte der Center mit vier TripleDoubles! Der Lohn: Jokic wurde Zweiter bei der Wahl zum meistverbesserten Spieler, die Nuggets verbesserten sich von 33 auf 40 Saisonsiege – und verpassten die Playoffs nur um zwei Erfolge. Trotz des entgegengebrachten Vertrauens seitens der Franchise tat sich Jokic jedoch schwer, in die Rolle des Go-to-Guys zu schlüpfen, der zuvorderst seinen eigenen Abschluss im Sinn hat. Daran hatte in der Saison 2017/18 vielleicht auch die Verpflichtung von Paul Millsap ihren Anteil. Zwar kam der Power Forward als 32-jähriger Veteran nach Colorado, aber auch mit der Vita von vier All-Star-Nominierungen und einem CareerHigh von 18,1 Punkten in der Saison davor. Millsap war – neben Andre Miller – die vielleicht beste Free-Agent-Verpflichtung Denvers in der Franchise-Geschichte (ja, das spricht nicht gerade für den Standort). Als Millsap im Februar 2018 von einer Verletzungspause zurückgekehrt war, machte Malone seinem Center deutlich: „Hör auf damit zu versuchen, alle glücklich zu machen. Hör auf damit, so passiv zu sein. Du bist unser bester Spieler. Begrüße das“, zitierte „The Ringer“ den Nuggets-Coach. Jokic schien zu verstehen, denn in den letzten 18 Hauptrundenspielen legte der Center 24 Zähler im Schnitt auf, fünfmal knackte er dabei die 30-Punkte-Marke. Das war Jokic auch Mitte Februar geglückt, als er bei einem Erfolg über die Milwaukee Bucks neben 30 Punkten noch 15 Rebounds und einen Karrierebestwert von 17 Assists erzielte. Das Triple-Double hatte Jokic bereits 1:54 Minuten vor der Halbzeitpause perfekt gemacht!

Letztlich benötigte Jokic nur 14:33 Minuten dafür – keinem Spieler in der NBA-Historie gelang ein Triple-Double schneller. „Für ihn sind nach oben keine Grenzen gesetzt“, bekräftigte Millsap gegenüber „The Ringer“. „Er kann ein Triple-Double im Schnitt auflegen – ganz einfach, wenn er das eben möchte. Und ich glaube auch, dass er auf dem Weg dorthin ist.“

Denver zieht einen Joker

25,1 Punkte, 13,0 Rebounds, 8,4 Assists pro Spiel. In der Tat, Jokic befindet sich auf dem Weg dorthin. Jene Werte sind die Statistiken des Centers aus seinen 14 Playoff-Partien dieses Jahres – wohlgemerkt die ersten NBA-Playoffs seiner Karriere. Mindestens 24 Zähler, elf Rebounds und acht Assists über eine ganze Postseason haben neben Jokic nur drei weitere Spieler in der NBA-Historie aufgelegt: Oscar Robertson, LeBron James und Russell Westbrook. Keiner agierte aber effizienter aus dem Feld als Jokic mit seinem True Shooting von 59,6 Prozent. Zum ersten Mal seit sechs Jahren standen die Denver Nuggets in dieser Saison in den Playoffs, zum ersten Mal seit der Saison 2008/09 schaffte es die Franchise über die erste Runde hinaus. In der zweiten Runde erwiesen sich die Portland Trail Blazers mit ihrem BackcourtDuo um Damian Lillard und C.J. McCollum aber als zu stark. Wie noch gegen die Spurs konnte Jokic diesmal nicht in die Zone zurückweichen – zu gefährlich war Portlands Guard-Gespann von außen. Dies schneidet eine Schwachstelle bei Jokic an: die Defensive. Der Sevenfooter ist einfach zu behäbig auf den Beinen, um ein überdurchschnittlicher Verteidiger zu sein. In der Pick-andRoll-Defense kann Jokic nicht gut auf Richtungswechsel der gegnerischen Ballhandler reagieren, beim Closeout bringt ihn das Hinausrennen und Abstoppen etwas außer Balance. Wegen seiner eher unterdurchschnittlichen Athletik bietet er auch keinen wirklichen Ringschutz. Und dennoch haben die Nuggets sowie Jokic in dieser Saison Fortschritte gemacht. Der Center hat derart an seinem Körper gearbeitet, dass die Nuggets mit ihm das Pick-and-Roll per „Hedge and Recover“ verteidigen können – Jokic kann also kurz auf den Dribbler rausspringen, bis ihn sein Kollege ablöst. Beim Defensivrating landeten die Nuggets letztlich auf dem zehnten Platz. In den drei Spielzeiten davor mit Jokic kam Denver nie über den 24. Rang hinaus. Letztlich geht es bei Jokic darum, dass er seine Spielintelligenz von der Offense auf die Defense überträgt, dass er auch in der Verteidigung antizipiert. „Wir erwarten von ihm, dass er ein guter Verteidiger wird. Das wird ihm gelingen, wenn er versteht, wohin er sich bewegen muss“, schätzt Millsap ein.

Auf Big Men von Jokic’ Statur wird seit einigen Jahren ein Abgesang angestimmt. In Verteidigungssystemen, in denen das Switchen immer konsequenter auf allen Positionen durchgezogen wird, seien demnach solche Center nicht spielbar. Doch Jokic besitzt allein schon in der Offensive einen zu großen Wert, als dass dies auch auf ihn zutrifft. Wie sehr er Denvers Offensivmittelpunkt ist? Kein Spieler verteilte 2018/19 mehr Pässe, keiner verzeichnete mehr Touches als Jokic. Seine 7,3 Assists pro Partie wurden in der NBA-Historie nur von einem anderen Sevenfooter überboten: Wilt Chamberlain. Trotz seiner vielen Kilos schneidet Jokic auch über ballferne Blöcke, als wäre er ein Flügelspieler. Außerdem agiert der Hüne als Ballführer im Pick-and-Roll und tut dies äußerst geschmeidig. Häufig tritt in solchen Aktionen der eigentliche Point Guard Jamal Murray als Blocksteller auf – diese Aktionen eines „Inverted Pick-andRoll“ (wenn die Rollen vertauscht werden) machen das Duo Murray/Jokic zum vielleicht interessantesten der ganzen NBA. Mit Murray und natürlich Jokic haben die Nuggets ihr Händchen in der Draft bewiesen: Von den elf Spielern, die 2018/19 die meisten Minuten absolviert haben, wurde einzig Murray als siebter Draftpick in der Lottery gezogen. Jokic als 41. Pick hätte in der abgelaufenen Spielzeit eigentlich mickrige 1,5 Millionen Dollar verdient – die Nuggets hatten im vergangenen Sommer verständlicherweise ihre Team-Option nicht gezogen und ihren Franchise-Spieler über fünf Jahre und 148 Millionen Dollar an sich gebunden. Damit zogen sie einen Joker. Denn ein Jahresgehalt von 26,6 Millionen Dollar, das Jokic in der kommenden Spielzeit einstreicht, ist bei aktuellen Marktbedingungen für einen FranchiseSpieler seiner Bauart ein Schnäppchen. Gilt der Big Man doch als eines der wenigen Einhörner der Liga. Dass Jokic in seiner Heimat Serbien drei Pferde besitzt (übrigens namens Dream Catcher, Donita Firm und Bella Marguerite), ist da nur passend. Und doch setzt er sich von Spielern wie Embiid, Antetokounmpo oder Porzingis ab – es ist die Kombination aus Oldschool-Moves im Lowpost, Zauberpässen aus dem Highpost und Distanzgefahr von außen, die Jokic einmalig macht. Einhörner sind Fabelwesen, in der Realität schwimmen Narwale, auch „Einhörner der Meere“ genannt, durch den Arktischen Ozean. Da Jokic wohl immer etwas Babyspeck im Gesicht tragen wird, darf man ihn eben als Narwal bezeichnen. Aber das ist vollkommen okay. Schließlich ist er selbst auch der Meinung: „Die einzigen Muskeln, die man beim Basketball braucht, sind die im Gehirn.“ Und davon hat dieser 122 Kilogramm schwere Center mehr als genug. redaktion@fivemag.de

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interview

ISAIAH HARTENSTEIN Isaiah

Hartenstein

RAKETE IN DER

WARTESCHLEIFE Finals-MVP in der G-League, Bankdrücker beim erneuten Ausscheiden seiner Rockets in den NBA-Playoffs – die abgelaufene Saison war abwechslungsreich für Isaiah Hartenstein. FIVE hat den deutschen Big Man in Houston erreicht und erfahren, wie er die Rotation der Raketen im kommenden Jahr knacken will, wie es sich anfühlt, in zwei Teams gleichzeitig zu spielen, und wieso Henrik Rödl wohl vorerst auf ihn verzichten muss. Text und Interview: Peter Bieg 50

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der G-League im Schnitt, traf 46,9 Prozent seiner über sechs Dreier pro Partie. Das sind Fabelwerte und zugleich die Gründe dafür, dass Hartenstein anschließend zum Finals-MVP gekürt wurde. „Dieser Kerl wird ein Biest sein. Er ist ein aufsteigender Star und wird ein unglaublicher Spieler werden“, sagte sein Mitspieler Michael Frazier nach dem Titel. „Ihr könnt sehen, wie dominant er jetzt ist, aber es wird beängstigend zu sehen sein, wo er in zwei, drei Jahren ist.“ Doch die G-League ist nicht der Maßstab, an dem sich der 2,13 Meter große Nationalspieler orientiert: Im vergangenen Jahr hat er einen Drei-Jahres-Vertrag bei den Houston

Rockets unterschrieben, für die er in der NBA glänzen will. Das Problem: Bei den Rockets, die auch in der vergangenen Saison den Titel angreifen wollten, blieb kaum Zeit für Spielerentwicklung. Headcoach Mike D’Antoni und General Manager Daryl Morey halten zwar vernehmlich große Stücke auf Hartenstein, sind jedoch voll im „Win now“-Modus. Aber erneut war der Traum für die Truppe aus Texas früh ausgeträumt: Mit einem 4-2-Sieg beendete Meister Golden State die Saison der Raketen vorzeitig. Isaiah Hartenstein konnte daran nichts ändern – der Big Man kam in der Serie gegen die Warriors keine Sekunde zum Einsatz. Nur in der ersten Playoff-Runde gegen

Fotos:Joe Murphy/NBAE via Getty Images

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0 Punkte und 17 Rebounds. 42 Punkte und 21 Rebounds. 33 Punkte und 17 Rebounds … was sich liest, als hättet ihr an der Konsole eurer Wahl einen Cheat-Code eingegeben oder den Schwierigkeitsgrad auf „Rookie“ gestellt, sind die Statistiken von Isaiah Hartenstein. Der 21-jährige Deutsche in Diensten der Houston Rockets hat die NBA-Entwicklungsliga, insbesondere in den diesjährigen Playoffs, komplett durchgespielt. Nur folgerichtig führte Hartenstein die Rio Grande Valley Vipers, das Farmteam der Houston Rockets, zur Meisterschaft: 24,0 Punkte, 15,2 Rebounds und 1,0 Blocks lieferte er in den Playoffs

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interview

Isaiah

die Utah Jazz stand das deutsche Talent für insgesamt zwei Minuten auf dem Parkett. Isaiah Hartenstein ist also noch immer in der NBA-Warteschleife, trotz seiner G-League-Dominanz und massiver Fortschritte auf dem Parkett. FIVE: Isaiah, eure Saison ist seit vielen Wochen beendet. Trotzdem bist du noch in Houston. Wie sieht dein Alltag derzeit basketballerisch aus? Isaiah Hartenstein: Ich gehe meistens schon morgens um 8:00 Uhr in die Halle und trainiere. Es sind noch Trainer da, es sind noch zwei jüngere Spieler da. Ich trainiere meistens von 8:00 bis 11:00 oder 12:00 Uhr Basketball. Danach ein, zwei Stunden Krafttraining, abhängig davon, was wir machen. Es ist immer noch viel zu tun. Abends gehe ich meist noch werfen oder zu einer Behandlung. Nach der Saison habe ich eine Woche Pause gemacht. Vielleicht werde ich auch ein paar Spiele in der Summer League absolvieren. Danach fliege ich aber definitiv zwei Wochen nach Deutschland und werde mich ausruhen.

Fotos: Mark Sobhani/NBAE via Getty Images

Hast du seit Saisonende überhaupt schon Urlaub gemacht? Ein bisschen. Ich war kurz in Mexiko, nur für vier Tage. Ich bin aber auch nicht der Typ, der vom Basketball weggehen kann. Es war ein bisschen schwierig, eine Woche wegzugehen. Aber nach der Summer League werde ich zwei Wochen Pause machen. Wie fällt dein persönliches Saisonfazit 2018/19 aus? Für mich ging es hoch und runter. Am Anfang habe ich meine Minuten bekommen, habe okay gespielt. Ich könnte wahrscheinlich viel besser spielen, war aber trotzdem ganz gut im Rennen. Dann fand ich es schade, dass ich in die G-League gehen musste. Doch es hat sich schon ausgezahlt, ich habe mich dort stark weiterentwickelt. Ich bin aber nicht runtergegangen, weil ich nicht gut genug war. Wir hatten in Houston zu viele Leute auf meiner Position, und die Verantwortlichen wollten nicht, dass ich nur fünf bis zehn Minuten spiele. In der G-League habe ich meine Einsätze bekommen, zwischendurch kam ich dann auch mal wieder hoch, dann wieder zurück zu den Vipers. In der G-League habe ich den Titel geholt, wurde FinalsMVP. Schlussendlich war es gut, wie es abgelaufen ist.

Hartenstein

besser werden. Es gibt nicht so viel zu verändern. Wir müssen uns verbessern und nächste Saison angreifen.

„Ich werde sehr wahrscheinlich dieses Jahr nicht für die Nationalmannschaft spielen. Die Verantwortlichen in Houston wollen, dass ich mich ganz auf meine Entwicklung bei den Rockets konzentriere.“ -----------

Wie war die Stimmung nach dem letzten Spiel? In den nordamerikanischen Medien war von Wortgefechten zwischen euren Führungsspielern Chris Paul und James Harden zu hören. Wir sind in die Kabine gegangen und haben nicht viel geredet … wir waren enttäuscht, weil wir dachten, dass wir viel mehr erreichen könnten. Wir haben uns über die Saison verbessert und dachten, dass wir eine echte Chance gegen Golden State haben. Nach dem letzten Spiel haben wir nichts mehr zusammen unternommen, jeder ist seinen eigenen Weg gegangen. Es war hart für uns alle. Du hast deine erneuten Einsätze für die Rio Grande Valley Vipers bereits angesprochen. Du hast mit dem Farmteam der Rockets die Meisterschaft gewonnen und wurdest zum Finals-MVP gewählt. Das war dein zweites Jahr in der G-League, in welche die NBA-Franchises immer mehr investieren. Wie erlebst du die Entwicklung der Entwicklungsliga?

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Und mit den Rockets? Erneut war gegen Golden State Schluss mit dem Traum vom ersten Titelgewinn seit 1995. Mit den Rockets war es schade. Ich dachte, wir hätten eigentlich ganz gute Chancen gegen die Warriors. Es waren Kleinigkeiten, insbesondere in der Defense, warum wir die Serie verloren haben. Aber wir müssen nach vorne blicken, einfach

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Die G-League wird besser und besser. Die Two-Way-Contracts helfen der Liga sehr, weil die Verträge einfach attraktiver und lukrativer sind. Leute, die in Europa etwas mehr verdienen könnten, aber in Amerika bleiben wollen, haben so eine neue Option. Mich hat es an mein erstes Jahr in der G-League erinnert. Am Anfang war ich nicht so gut, und am Ende habe ich gut gespielt. Dieses Jahr wollte ich einfach zeigen, dass ich da nicht hingehöre, und ich glaube, ich habe das sehr gut gezeigt. Ich bin kein G-League-Spieler, ich bin ein NBA-Spieler. Die Rockets waren sehr zufrieden mit mir, und ich war auch nicht da unten, weil sie dachten, dass ich ein G-League-Profi bin. Die wollten einfach nur, dass ich viel spiele. Ich habe ganz gut gezeigt, wo ich wirklich hingehöre. Das Hin und Her zwischen G-League und NBA-Franchise klingt anstrengend. Immer wieder haben dich die Rockets für einige Tage zu den Valley Vipers geschickt, nur um dich dann – etwa nach einer Verletzung im Frontcourt – wieder nach Houston zu holen. Besonders am Anfang ist das sehr schwer. Du nimmst sehr frühe Flüge, bekommst um 24:00 Uhr Bescheid, dass du um 6:00 Uhr am nächsten Morgen irgendwohin fliegen sollst, um zu spielen. Daran muss man sich erst gewöhnen. Du hast eben mehr als nur eine Mannschaft. Ich hatte eine Tasche jederzeit gepackt, damit ich nicht kurzfristig für die G-League packen musste. Die G-League hat mir auf jeden Fall geholfen, aber das Hin und Her ist schon gewöhnungsbedürftig. Auf der anderen Seite: Ich spiele Basketball und finanziere damit meinen Lebensunterhalt. Man kann es auch wesentlich schlechter treffen … Neben dir haben in der abgelaufenen G-LeagueSaison weitere Big Men stark aufgespielt und sich daraufhin mit einem NBA-Engagement belohnt. Ich denke da etwa an Christian Wood, der bei den New Orleans Pelicans zu Saisonende in der NBA überzeugt hat, und an Chris Boucher (siehe auch die Story in dieser FIVE), der zum MVP und zum „Defensive Player of the Year“ der G-League

gewählt wurde. Das ist vorher noch keinem Spieler gelungen, und Boucher steht inzwischen bei den Toronto Raptors unter Vertrag. Hast du mit den Rio Grande Valley Vipers auch schon gegen diese Jungs gespielt? Leider nein. Ich war immer mit den Rockets unterwegs, als in der G-League Spiele gegen sie anstanden. Das sind Spieler, die gut abgeliefert haben und schon etwas älter sind, Mitte zwanzig. Wer in die G-League runtergeht, muss genau so spielen, wenn er zurück in die NBA will. Beide haben sehr gut gespielt. Aber ich glaube, dass ich der beste Big Man der Liga war. Was waren denn die Hausaufgaben, die dir die Coaches der Rockets in die G-League mitgegeben haben? Ich sollte mich insbesondere beim Verwerten von Lob-Anspielen verbessern, beim Dunken von Alley-Oop-Anspielen. Daran habe ich stark gearbeitet, und in der Richtung soll es weitergehen. Die Coaches waren sehr zufrieden mit meiner Entwicklung dort. Ich habe nächstes Jahr sehr gute Chancen, konstant in der NBA zu spielen. Wie sieht der Weg zu mehr Spielzeit aus? Du hast in den G-League-Playoffs starke 46,9 Prozent deiner Distanzwürfe getroffen. Einige Fans und Journalisten in Houston sehen dich bereits als einen Clint Capela mit Wurf – einen Spieler, der die Lob-Anspiele dunkt, aber auch von hinter der Dreierlinie Gefahr ausstrahlt. So ist es. Es ist wichtig für mich, dass ich mich weiterbringe. Ich habe meinen Wurf sehr stark entwickelt. Der ist inzwischen sehr konstant. Alley-Oops sind auch wieder einfach für mich. Das waren die wichtigsten Punkte für die Coaches. Die Rockets haben im Laufe der vergangenen Saison Kenneth Faried nachverpflichtet, und mit dem Brasilianer Nenê war ein weiterer Veteran zumeist vor dir in der Rotation auf den großen Positionen. Hat das nicht genervt? Klar will man immer spielen. Aber der Saisonbeginn lief nicht so gut für uns als Team, sodass die Veteranen zum Zug kamen. Ich habe im Training viel von ihnen gelernt, muss mich aber im nächsten Jahr neu beweisen. Die Free Agency beginnt bald, und der NBA steht ein aufregender Sommer ins Haus, der vieles verändern könnte. Houstons General Manager Daryl Morey hat zwar unlängst betont, alle Leistungsträger halten zu wollen, aber was sagt dein Gefühl: Wird auch euer Team zum Start des Training Camps ein neues Gesicht haben? Das ist schwer zu sagen. Wir haben sehr viele Verträge, wo man nicht weiß, wie sie getradet werden können. Aber auch mit derselben Mannschaft wie im

vergangenen Jahr haben wir sehr gute Chancen, wieder anzugreifen. Denn jeder von uns arbeitet sehr hart. Wir waren dieses Jahr schon nah dran und können die Golden State Warriors auch mit dieser Mannschaft schlagen. 28 Partien hast du in der vergangenen Saison für Houston in der NBA gemacht. Einer deiner Mitspieler dort hat eine historische Saison in Sachen Scoring aufs Parkett gelegt. Wie war für dich das Zusammenspiel mit James Harden, der die Rockets über Wochen im Alleingang getragen hat? Da muss man sich dran gewöhnen. Er spielt in einem eigenen Tempo. Ich habe noch nie einen solch offensivstarken Spieler gesehen. Er hat gegen jedes Team seine 30 Punkte erzielt. Du kommst in die NBA und denkst: „Der redet nicht mit einem Rollenspieler.“ Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Er nimmt mich immer zur Seite, hilft mir und ist eine sehr entspannte Person, die hart arbeitet. Wenn du nach dem Ende der Summer League wieder in Deutschland landest, wie sehen deine Pläne aus? In der Zeit halte ich mein eigenes Basketball-Camp in Quakenbrück ab. Vom 18. bis zum 20. Juli steigt das erste „Isaiah Hartenstein Basketball-Camp“ für ambitionierte Jugendspieler. So etwas wollte ich schon immer machen, seitdem ich jünger bin. In meiner Jugend gab es kaum Basketball-Camps in Deutschland, im Gegensatz zu Amerika, wo fast jede Stadt ihr eigenes Basketball-Camp hat. Auch in Litauen hatten viele Spieler ihr eigenes Camp, Donatas Motiejunas zum Beispiel. Das fand ich cool. Also wollte ich jetzt, wo ich es in die NBA geschafft habe, eigene Camps machen. Das wird mein erstes, in Quakenbrück. Ich will Jugendspielern helfen, Basketball zeigen, meinen Weg beschreiben und mit ihnen darüber reden, was ich durchgemacht habe. Ich werde wohl einen Coach aus der NBA mitbringen und ein NBA-Camp in Deutschland abhalten. Wir werden sehen, wie sich das weiterentwickelt, und vielleicht auch in anderen Städten solche Camps abhalten. Und wie sieht es mit einer Teilnahme an der WM in China mit der deutschen Nationalmannschaft aus? Ich werde sehr wahrscheinlich dieses Jahr nicht für die Nationalmannschaft auflaufen. Die Verantwortlichen in Houston wollen, dass ich mich ganz auf meine Entwicklung bei den Rockets konzentriere. Die Nationalmannschaft ist grundsätzlich sehr wichtig für mich. Aber ich spiele um einen Kaderplatz im kommenden Jahr. Das ist sehr wichtig für meine Zukunft und hat aktuell Priorität. Aber in Zukunft möchte ich wieder in der Nationalmannschaft spielen. redaktion@fivemag.de

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„GESUNDHEIT IST ALLES“ Die L.A. Clippers waren eines der Überraschungsteams der Saison 2018/19. Das lag auch an Danilo Gallinari. Endlich gesund, seiner Karriere. Eine imposante Leistung, die angesichts seiner Leidensgeschichte viel Anerkennung verdient. Text: Christian Orban

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ie Los Angeles Clippers haben in der abgelaufenen Spielzeit demonstriert, dass man im hart umkämpften Westen der NBA auch ohne All-StarAkteure bestehen kann. Entgegen allen Erwartungen und trotz erheblicher Kaderveränderungen formte Headcoach Doc Rivers ein eingeschworenes Team, das mit 48 Saisonsiegen souverän in die Playoffs einzog. So standen die Angelinos als Einheit zusammen und spielten einsatzvollen, erfrischenden Offensivbasketball. Dabei verkörperten sie eine gelungene Mischung aus jungen Talenten und erfolgshungrigen Veteranen, welche die produktivste Bank der Association stellte. In der Endrunde unterlagen die Clippers erwartungsgemäß den Golden State Warriors – doch erst nach sechs Partien. Zumal ihnen gegen das Ausnahmeteam der höchste ComebackSieg der Playoff-Historie (nach 31 Punkten Rückstand) gelang. Ein Achtungserfolg, der stellvertretend für die starke Saisonleistung der „Segler“ (das ist die Übersetzung von „Clippers“) steht. In den Fokus rückte zuvorderst ihr kongeniales Bank-Duo, bestehend aus Profiscorer Lou Williams und Powerplayer Montrezl Harrell. Shai Gilgeous-Alexander und Landry Shamet überzeugten als Rookie-Starter und bildeten mit Patrick Beverley (nun Free Agent) ein fähiges Guard-Gespann. Der wohl wichtigste und beständigste Spieler, der in der Ersten Fünf die Hauptlast schulterte, war indes Danilo Gallinari. Endlich gesund, spielte der 30-Jährige 2018/19 ein Karrierejahr, in dem er 19,8 Punkte, 6,1 Rebounds und

2,6 Assists beisteuerte. Vor allem: Nahezu verletzungsfrei, konnte er in 68 Partien und in den Playoffs auflaufen. Beileibe keine Selbstverständlichkeit in Gallinaris bisheriger Karriere. Schließlich hatte er zuvor in zehn Jahren NBA nur zweimal mehr als 70 (zuletzt 2013) und fünfmal weniger als 55 Saisonspiele absolviert. Wie im Vorjahr, als der Topverdiener der Clips auf enttäuschende 21 Einsätze kam. Nach allzu vielen Verletzungen – besonders des Rückens und der Knie – schien der Italiener demnach auf dem absteigenden Ast zu sein. Und zwar ohne je sein großes Potenzial realisiert zu haben. Viele Fans und Fachleute hatten den verletzungsgeplagten Forward daher bereits abgeschrieben. Für sie hält „Gallo“ klare Worte parat: „Wenn sie mich vergessen haben, haben sie wohl Gedächtnisprobleme.“ Denn seine Fähigkeiten standen nie infrage. „Er hat Ausnahmetalent“, betont etwa Nets-Coach Kenny Atkinson. „Denn welche Jungs, die 2,08 Meter groß sind, können so mit dem Ball umgehen, werfen und punkten, wie er es tut?“ Entsprechend hatte Gallinaris Karriere einst vielversprechend in jungen Jahren begonnen.

Die Anfänge

In den 1990er Jahren wuchs Gallinari in der Nähe von Mailand auf. Sein Vater Vittorio war Profibasketballer, der in Italien große Erfolge feierte. Aufgrund seines Talents trat auch der Filius frühzeitig hervor. „Ich war eines dieser Kinder, die im Alter von fünf Jahren dribbeln und werfen konnten“, erinnert sich Gallinari. Gleichwohl griff sein Vater in die Sportsozialisation kaum aktiv ein. „Wir haben wenig über Basketball gesprochen. Er kam anfangs nie zu meinen Spielen. Er sagte, er wolle meinen Trainern nicht auf die Füße treten.“ Es folgte eine rasante Entwicklung: Bereits mit zwölf Jahren unterschrieb Gallinari bei einem Team, mit 14 begann er alleine zu leben. Im Alter von 16 Jahren wurde er Profi. Ein Begleiteffekt war die öffentliche Aufmerksamkeit. „Sehr

Fotos: Photo by Andrew D. Bernstein/NBAE via Getty Images

spielte der 30-Jährige den besten Basketball

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früh hatte ich viel Druck auf mir lasten“, berichtet „Gallo“, der mit 18 Jahren in der A-Nationalmannschaft debütierte. „Die Leute sprachen und schrieben über mich. Meine Eltern sagten mir, ich solle die Zeitung nicht lesen.“ Hinzu kam die Herausforderung auf dem Feld: „Ich habe von klein auf ausschließlich Point Guard gespielt – und plötzlich war ich ein 16-jähriger Small Forward, der sich 35-jährigen Männern gegenübersah. Damals fing mein Vater an, mir beim Spielen zuzuschauen.“ Auch weil Gallinari mit 17 zu Rekordmeister Olimpia Milano wechselte. Also dem Vorzeigeklub, für den bereits der defensivstarke Papa gespielt hatte. Für das Team seines Herzens lieferte der Youngster umgehend ab und avancierte 2008 mit 19 Lenzen zum MVP der Serie A sowie zum „Rising Star“ der Euroleague. Es war die Zeit, als er aktiv über die NBA nachdachte und die Scouts bei seinen Spielen auftauchten. 2006 war zudem Auswahlkollege Andrea Bargnani als erster Pick in die beste Profiliga gewechselt. Gallinaris Hoffnung war daher diese: „Vielleicht kann ich das auch tun.“

Fotos: Photo by Andrew D. Bernstein/NBAE via Getty Images

Der Leidensweg

Im Sommer 2008 meldete sich der frischgebackene MVP zur Draft an. Anschließend waren es die New York Knicks, die ihn mit dem sechsten Pick in die NBA brachten. „Meine Meinung über ihn hat sich seit dem ersten Tag, an dem ich ihn sah, nicht geändert“, sagt heute Mike D’Antoni, der damals die Knicks trainierte und einst in Mailand Teamkollege von Gallinaris Vater war. „Er ist ein großartiger Spieler. Und wenn er gesund bleibt, werden es alle vermehrt sehen.“ Stichwort Gesundheit. Bereits vor seiner Rookie-Saison begannen die Leiden des jungen „Gallo“. Auch weil dem technisch versierten Youngster das andere Trainingsregime in den USA zusetzte. „Ich wollte zeigen, was ich kann, aber ich war an all die Gewichte nicht gewöhnt“, rekapituliert Gallinari. „Dann begann ich, Schmerzen im unteren Rücken zu verspüren.“ Es war eine hartnäckige Verletzung, die ihn in die Knie zwang und fast die komplette Debütsaison kostete. Dabei waren die ausstrahlenden Nervenschmerzen so extrem, dass er über Monate nachts nicht länger als zwei Stunden schlafen konnte. „Ich konnte nicht einmal auf einem Stuhl sitzen. Ich aß Frühstück auf dem Boden kniend“, erklärt Gallinari. „Es waren wohl die schlimmsten sieben oder acht Monate meines Lebens.“ Auf diverse Heilansätze folgte letzten Endes die unumgängliche RückenOP. Danach konnte der Italiener in seiner zweiten NBA-Spielzeit mit 15,1 Punkten (38,1 Prozent Dreierquote) und 4,9 Rebounds in 81 Partien durchstarten. Im dritten Jahr in New York stellte sich auch

Gallinari

der Teamerfolg ein. Doch wurde die junge Truppe vorschnell auseinandergerissen, ein enttäuschter Gallinari im Zuge des Carmelo-Anthony-Trades im Februar 2011 nach Denver geschickt. In Colorado war er zunächst Teil einer – wie er selbst sagt – „großartigen Offensivmannschaft mit unglaublicher Teamchemie“. Auch konnte der Forward an seine Leistungen anknüpfen und wiederholt in die Playoffs einziehen. 2012/13 gewannen die Nuggets gar 57 Spiele – ihre beste Ausbeute seit der fernen ABA-Saison 1975/76. Doch dann zog sich Gallinari Anfang April 2013 im linken Knie einen Kreuzbandriss zu, der ihn über eineinhalb Jahre zum Zuschauen zwang. Statt der herkömmlichen Operation wurde von einem empfohlenen

„Wenn du in der NBA bist und nicht im Kader stehst, kannst du dich unsichtbar fühlen.“ -----------

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Spezialisten eine weniger invasive Technik angewandt – die keine Wirkung zeitigte. „Nach acht Monaten Reha fühlte sich mein linkes Knie immer noch nicht wie mein rechtes an. Der Mannschaftsarzt machte ein MRT und sah, dass das Band weiterhin gerissen blieb“, berichtet Gallinari. „Also unterzog ich mich der Standardoperation, aber mein linkes Knie war so geschädigt, dass der Chirurg ein Stück Band vom rechten Knie entnehmen und mit dem im linken verbinden musste. Dann begannen weitere sechs Monate Rehabilitation. Es war ein Albtraum. Es fühlte sich an, als wäre mir eine Saison gestohlen worden.“ In Denver absolvierte Gallinari in sechs Jahren nur 303 Spiele. Doch war er halbwegs gesund, lieferte er ab. Von 2015 bis 2017 etwa 18,8 Zähler, 5,2 Rebounds und 2,3 Assists bei 37,8 Prozent von Downtown. Entsprechend betont er: „Gesundheit ist alles. Wenn ich gesund bin, habe ich keinen Zweifel daran, was ich bringen kann.“ Im Sommer 2017 wurde der Italiener im Zuge eines „Sign-and-Trade“Deals mit einem Dreijahresvertrag über 65 Millionen US-Dollar ausgestattet und zu den L.A. Clippers transferiert. Dort traf er

mit Blake Griffin und DeAndre Jordan auf die beiden verbliebenen Bürgermeister der „Lob City“. Doch bevor sich „Gallo“ neu beweisen konnte, verdarb ihm ein Riss des Gesäßmuskels den Neuanfang und forderte ihn erneut heraus. Zunächst als Prellung fehldiagnostiziert, die ihn stark einschränkte, kam er zu früh zurück und musste abermals wochenlang pausieren. Nach ein paar Comeback-Partien stieß Gallinari sodann mit Draymond Green unglücklich zusammen, wobei er eine Fraktur der Wurfhand erlitt. „Ich sagte: ‚Das passiert nur mir‘“, haderte er später. Die Saison war für ihn danach gelaufen, Griffin zu diesem Zeitpunkt längst getradet. Jordan wanderte wenig später ab. „Ich habe mit all den Verletzungen viel ertragen“, rekapituliert Gallinari. „Wenn du in der NBA bist und nicht im Kader stehst, kannst du dich unsichtbar fühlen. Aber Verletzungen passieren, du musst damit klarkommen. Auch haben sie mir eine größere Wertschätzung gegeben – für jeden Tag, an dem ich aufwache und das tun kann, was ich liebe.“

Der Comeback-Player

So wie 2018/19, als „Gallo“ sein Potenzial endlich dauerhaft auszuschöpfen vermochte. Eine Genugtuung für ihn: „Ich konnte schon im Trainingscamp sehen, dass ich zurückkommen und eine starke Saison haben würde. Ich bin ein Wettkämpfer, mittlerweile dreißig und fühle mich besser vorbereitet, beständiger denn je. Das Team vergütet mich für meine Leistungen zudem sehr gut, das nehme ich nicht auf die leichte Schulter. Ich bin stolz auf das, was wir hier erreicht haben.“ Gallinari selbst legte zuletzt auf breiter Front Karrierebestwerte auf: bei den Punkten, Rebounds, der Nutzungsrate, der Feldwurf- und Dreierquote sowie mit der höchsten Assistrate seit Jahren. Die offensive Effizienz war dabei herausragend. Ligaweit konnte „Gallo“ mit der fünftbesten Trefferquote von Downtown (43,8 Prozent) und der viertbesten Freiwurfquote (90,4) aufwarten. Auch ist er einer von nur neun Profis, die im Mittel mindestens 19 Zähler bei einem True Shooting von 60 Prozent erzielten. Zumal der wurfstarke Combo-Forward seit jeher gut auf den Ball aufpasst. All dies manifestiert sich im fünftbesten individuellen Offensivrating der Saison. Ein gesunder Gallinari ist sonach ein vielseitig effizienter Angreifer, der nicht leicht zu verteidigen ist, da er überall auf dem Court Gefahr ausstrahlt und variantenreich punktet. Für die Clips trägt „Gallo“ daher von allen Startern die offensive Hauptlast – indem er das Feld mit seiner Wurfstärke weit macht, Mismatches attackiert, sich den eigenen Abschluss erarbeitet, Freiwürfe zieht (6,0 pro Partie) und seine Nebenmänner findet.

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Bei sechs Abschlussarten, die Gallinari am häufigsten ausagiert, rangiert er allein in vier von ihnen (Spotup, Postup, Pick-and-Roll-Dribbler und nach einem indirekten Block) ligaweit unter den oberen zehn Prozent der Angreifer. Zudem überzeugt er im Eins-gegen-eins und im Schnellangriff. Dabei geht nur 46 Prozent seiner Zweier ein Pass voraus. Entsprechend kann der 30-Jährige für sich selbst kreieren. Etwa indem er verstärkt zum Korb zieht, wo er solide finisht sowie dank seiner Finesse und mit allerlei Finten meisterhaft Fouls provoziert. Auch kommt beim Drive seine Wurfstärke zum Tragen, die für ihn (und die Mitspieler) Räume zum Attackieren öffnet. Mike D’Antoni nannte Gallinari einst nicht umsonst den besten Schützen, den er je gesehen habe. So verwandelt der Italiener aus dem Catchand-Shoot heuer 44,4 Prozent seiner Dreier. Zur Einordnung: Nur vier Spieler, die 2018/19 pro Partie mindestens vier dieser Distanzwürfe nahmen, trafen besser. Wobei Gallinari von vielen offenen Schüssen profitierte, die er bekam. Da er sich ohne Ball klug bewegt und die freien Stellen findet. Obendrein kann der Forward auch mal einen Dreier aus dem Dribbling (36,4 Prozent Trefferquote) oder einen Jumper aus der Halbdistanz einstreuen. Schließlich kann er mit seiner Länge über jeden hinwegwerfen und den Ball für seine Größe gut auf den Boden setzen. Beeindruckend ist aber nicht nur die Qualität der offensiven Produktion, sondern zugleich die Konstanz, die „Gallo“ an den Tag legt. Auch wenn er in den Playoffs gegen die starken Forwards der Warriors strauchelte, blieb er 2018/19 nur in drei vollen Partien unter zehn Punkten … Am defensiven Ende ist der exzellente Komplementär-Scorer gewiss kein Plusverteidiger, dennoch keineswegs eine Schwachstelle. Vielmehr „ein unterschätzter Verteidiger“, sagt Kenny Atkinson. „Gallo ist wirklich gut darin, seine Länge und sein Spielverständnis zu nutzen, und er hat schnellere Füße, als man denkt.“ Und er selbst betont seinen defensiven Einsatzwillen: „Wenn es einen der großen Jungs im Eins-gegen-eins zu bewachen gilt, will ich ihn verteidigen – und meine Coaches wissen das.“ Schließlich vermag ein fitter Gallinari dank seiner Länge, Stärke und gewissen Agilität mehrere Positionen zu decken. Als Starter auf der Vier hält er die meisten Gegner vor sich, erschwert Würfe und lässt sich kaum Fouls anhängen (1,9), da er nicht leicht abhebt. Zudem hält er physisch dagegen und nimmt clever Offensivfouls auf. Generell spielt Gallinari also smarte, beständige Defense. Was ihn zudem auszeichnet, ist die Tatsache, dass er weitgehend ignoriert, was über ihn gesagt oder geschrieben wird. Er meidet Sportzeitungen und schaut sich die NBA nebenher nicht an. Stattdessen geht er raus und unaufgeregt seiner Arbeit nach. Dabei würde „Gallo“ gern in Los Angeles bleiben. Gleichwohl weiß er darum, dass er verschifft werden könnte, wenn es den Seglern im Sommer gelingt, vertragsfreie Superstars nach Südkalifornien zu lotsen. „Ich fühle mich sehr wohl bei dieser Franchise und in diesem Team“, lässt Gallinari entspannt verlauten. „Ich weiß nicht, was ihre Planungen sind. Ich bin nur ein Zuschauer. Ich habe noch ein weiteres Jahr Vertrag. Wenn ich lange Zeit ein Teil dieses Teams sein kann, ist das mein Ziel. Das ist mein Traum.“ redaktion@fivemag.de

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CHRIS BOUCHER SCHMALE HOFFNUNG Mit 19 Jahren hatte Chris Boucher weder ein Team noch einen Schulabschluss. Nicht einmal sein eigener Vater glaubte mehr an ihn. Heute ist er studierter Soziologe, NBA-Champion und vielleicht das nächste Einhorn der Liga. Wer Bouchers Geschichte liest, zweifelt nicht an dieser Vision. Text: Peter Bieg

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ein Junge ist nutzlos, er wird in seinem Leben nichts erreichen. Aber wenn Sie glauben, dass Sie ihn retten können … nur zu.“ Was Jean-Guy Boucher dem Basketballtrainer Igor Rwigema über seinen Sohn Chris sagt, ist alles andere als ermutigend. Die angebliche Aussage, die Coach Rwigema der „Sports Illustrated“ diktiert und die der Vater inzwischen bestreitet, stammt aus dem Jahr 2012. Chris Boucher ist damals 19 Jahre alt, weit über zwei Meter groß …

und nicht nur in den Augen seines Vaters ein Nichtsnutz. Ohne Schulabschluss bessert Boucher (gesprochen „BouShay“) das Einkommen seiner Familie als Tellerwäscher und Aushilfskoch auf. Doch die meiste Zeit verbringt er mit seinen jüngeren Geschwistern in der Wohnung seiner Mutter in der kanadischen Metropole Montreal. „Meine Schwester hat immer gesagt: ,Das ist mein älterer Bruder, er ist einfach bei uns zu Hause‘“, verrät Boucher der „USA Today“.

Mit fünf Jahren landet Chris Boucher in Kanada, geboren wird er auf der karibischen Insel St. Lucia, einem Ferienparadies für Gutbetuchte. Doch anstatt dort weiter Kokospalmen zu erklimmen und einen Großteil seines Tages am Strand zu verbringen, muss der kleine Chris seinen Eltern nach Kanada folgen. Kennengelernt hat seine aus St. Lucia stammende Mutter Mary McVane seinen Vater Jean-Guy Boucher, als sie für einige Zeit in Montreal als Haushälterin arbeitet. Der Weg nach Kanada soll für die junge Familie die große Chance auf ein besseres Leben sein. Wie viele Einwanderer landen die Bouchers im Norden Montreals, einer der gefährlichsten Gegenden Nordamerikas, beherrscht von rivalisierenden Gangs. Dass Chris in seiner Kindheit fast nur zu Hause rumhängt, erscheint vor diesem Hintergrund fast schon als Glücksfall.

Die Wachstumsphase

„Ich war kein Vorbild für meine Schwester“, sagt Boucher heute. „Ich musste einen Weg finden, sie stolz zu machen. Und es musste doch mehr geben, als jeden Tag zu arbeiten.“ Zusammen mit seinem Kindheitsfreund Morgan Michael Asibey-Bonsu malt er sich das Leben als Millionär aus. Der schlaksige Chris träumt von einer Karriere als Profi-Basketballer, Asibey-Bonsu möchte es als Sänger und Tänzer schaffen. Basketball ist einer von wenigen Schutzräumen für den heranwachsenden Boucher, dessen Eltern sich trennen, als er neun Jahre alt ist. Fortan pendelt er zwischen verschiedenen Stadtteilen und Schulen hin und her, ohne seinen Platz zu finden. Oft übernachtet Boucher bei Asibey-Bonsu, wenn er mal wieder Stress mit seinem Vater hat und der neue Freund seiner Mutter ihm die Grenzen aufzeigt. „Mit all diesen Unwägbarkeiten in seinem Leben hatte Chris nie die Möglichkeit, sich einen Plan zu machen“, sagt Ibrahim Appiah, ein weiterer Trainer und zusammen mit Igor Rwigema der Entdecker von Chris Boucher. „Wenn du bloß über deine nächste Mahlzeit nachdenkst oder darüber, wo du nachts einen Schlafplatz findest, denkst du nicht über den kommenden Tag hinaus.“ Obwohl er an manchen Abenden hungrig ins Bett geht, wächst Boucher von seinem 16. bis zu seinem 20. Lebensjahr fast 20 Zentimeter – und verbringt auch deshalb immer mehr Zeit auf dem Freiplatz. Rumstehen und Dreier nehmen, aus viel mehr bestehen Chris Bouchers basketballerische Anfänge nicht. Es dauert, bis er sich gut genug fühlt, um mit Fremden zu zocken. An einem regnerischen Tag im Juli 2012 spielt er im Stadtteil Little Burgundy mit einigen Bekannten aus dem Park sein erstes Turnier in der Halle. Der Wettbewerb ist für sein Team nach einer frühen Niederlage bereits beendet, doch Bouchers Stern geht gerade erst auf: 44

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Punkte erzielt er gegen ein von Adidas gesponsertes Auswahlteam. Er rennt das Feld auf und ab, reboundet unermüdlich und quält den Ring mit unzähligen Tip-Dunks. Boucher ist unfassbar lang, unfassbar dünn, ebenso koordiniert und versprüht unerschöpfliche Energie. „Wer ist dieser Typ?“, fragt sich Igor Rwigema, der im Norden des Landes eine eigene Auswahlmannschaft betreut.

Fotos: Andrew Lahodynskyj/NBAE via Getty Images

Der Ahnungslose

Nur wenige Wochen später überzeugt er Boucher davon, sich seinem Programm anzuschließen. Rwigema und sein CoTrainer Ibrahim Appiah sind selbst Einwanderer, sechs Stunden nördlich von Montreal wollen sie jungen Spielern ein stabiles Umfeld, eine solide Ausbildung und damit eine Perspektive für die Zukunft bieten. Ihr Plan für Boucher ist relativ simpel: Der junge Big Man soll seinen Schulabschluss nachholen, zwei Jahre an einem Junior-College spielen und dann seine Optionen abwägen. Aber 29 Punkte, 12 Rebounds, fünf Blocks und keinen einzigen Ballverlust später hat sich Chris Boucher am 01. Februar 2013 bereits in neue sportliche Sphären katapultiert. Rwigemas und Appiahs Alma Academy spielt an diesem Tag bei einem Turnier gegen die renommierte Blair Academy aus New Jersey. Bouchers junge Karriere geht fortan am New Mexico Junior College weiter, nach einer Saison wechselt er erneut – an das Northwest College in Powell, Wyoming. 22,5 Punkte erzielt er dort pro Spiel, trifft 62,7 Prozent aus dem Zweierbereich und 44,4 seiner Würfe aus der Distanz, die er mit durchschnittlich 11,8 Rebounds und 4,7 Blocks garniert. Es ist die dritte Saison, in der Chris Boucher organisierten Basketball spielt. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache, allein er selbst versteht sie nicht. Als ihm Wyomings Headcoach Brian Erickson zur Auszeichnung als bester Junior-College-Spieler der USA gratuliert, glaubt Boucher an eine Verwechslung. „Er hat überhaupt nicht realisiert, wie gut er war“, sagt Erickson zur „Sports Illustrated“. Boucher ist so gut, dass seine Karriere an der renommierten University of Oregon im Nordwesten der USA weitergeht. Von 2015 bis 2017 spielt Boucher für die Oregon Ducks, die zunächst ihre Zweifel an der Haltbarkeit ihres Neuzugangs haben: Bei einer Körpergröße von 2,08 Meter wiegt Boucher nur 76 Kilogramm – nein, das ist kein Tippfehler! Doch die Sorgen verfliegen spätestens im zweiten Saisonspiel. Es geht gegen die Baylor University, und Bouchers Matchup heißt Rico Gathers. Gathers ist 2,03 Meter groß, 125 Kilogramm schwer und wird im Jahr 2015 von der NFL gedraftet … 15 Punkte und acht Rebounds stehen dennoch am Spielende für Boucher in den Statistiken, sein schwergewichtiger

Gegner kommt nur auf neun und vier, außerdem gewinnt Oregon die Partie. Bei Instagram heißt Chris Boucher bis heute „Slimmduck“, obwohl er inzwischen stolze 95 Kilogramm wiegt. 12,1 Punkte, 7,4 Rebounds und 2,9 Blocks liefert er als Junior für die Ducks in der Saison 2015/16 – und landet auf dem Cover der „Sports Illustrated“. Ein Kreuzbandriss verhindert in seiner letzten College-Saison nicht nur, dass der Kanadier diese Werte steigern kann, sondern auch einen Platz in der NBA-Draft.

Das nächste Einhorn?

Die Golden State Warriors statten Boucher dennoch am 14. Juli 2017 mit einem TwoWay-Contract aus. Der bewegliche Riese mit dem weichen Handgelenk und dem irren Werdegang ist längst kein Geheimtipp mehr. Doch nach seiner Verletzung dauert es bis zum 14. März 2018, ehe er in der NBA debütiert – mit einem Rebound und einem Dreierversuch in einer Minute Spielzeit. Trotzdem darf sich Boucher, der zu keinem weiteren Einsatz kommt und von den Warriors nach der Saison entlassen wird, offiziell NBA-Champion 2018 nennen. Im folgenden Sommer kehrt Boucher zurück nach Kanada: Die Toronto Raptors geben dem Spätentwickler einen Vertrag über eine Spielzeit und somit eine weitere Chance in der besten Liga der Welt. Erneut verbringt er viel Zeit in der G-League, erneut wandelt seine Mannschaft den Vertrag zwischenzeitlich in einen Two-Way-Contract um. Doch „Slimmduck“ lässt keinen Zweifel an seiner NBA-Tauglichkeit aufkommen. 28 Spiele macht der 26-Jährige in der Entwicklungsliga, erzielt im Schnitt 27,2 Punkte, holt 11,4 Rebounds

„Mein Junge ist nutzlos, er wird in seinem Leben nichts erreichen. Aber wenn Sie glauben, dass Sie ihn retten können … nur zu.“ Jean-Guy Boucher -----------

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und blockt 4,1 Würfe. Am Ende der Saison 2018/19 wird Boucher zum besten Verteidiger und wertvollsten Spieler der G-League zugleich gewählt – niemandem ist dies jemals zuvor gelungen. In der Association macht er nur 28 Spiele für die Raptors, die sich im „Win now“-Modus befinden, spielt in Summe 163 Minuten. Wer sich jedoch seine auf 36 Minuten hochgerechneten Werte anschaut, weiß Bescheid: 20,5 Punkte, 12,4 Rebounds und 5,3 Blocks stehen für Boucher 2018/19 zu Buche. Die Einsatzzeit in Torontos Farmteam bei den Raptors 905 hat ihm gutgetan. Der Eurostep sitzt, das Ballhandling ist souverän, der Wurf sauber. Mit seinen Körpermaßen (2,11 Meter Größe, 2,23 Meter Spannweite) und Fähigkeiten ist Boucher ein bisschen „KD“, ein wenig Giannis, eine Prise „AD“. Er hat – noch immer – immenses Potenzial und braucht bloß (Spiel-)Zeit. 26 Jahre ist Chris Boucher jetzt alt. Er hat einen College-Abschluss, ein Basketballteam und einen Millionenvertrag. Die schmale Hoffnung ist dabei, zu einem fetten Erfolg zu werden. Dass es wenig Sinn ergibt, an den Fähigkeiten seines Sohnes zu zweifeln, hat inzwischen auch Jean-Guy Boucher verstanden. „Ich bin sehr stolz darauf, was Chris gerade macht“, sagt er. redaktion@fivemag.de

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DAS WAR DIE NBA 2018/19 Die Saison 2018/19 war lang und spektakulär – wir haben

Fotos:Al Bello/Zach Beeker/Steve Dykes/Ezra Shaw/Getty Images

die besten Bilder dieser Spielzeit für euch.

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Fotos:Christian Petersen/Glenn James/Jesse D. Garrabrant/Matthew Stockman/Ronald Cortes/Getty Images

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Dimitris

Itoudis

DIMITRIS ITOUDIS „ICH COACHE KEINE N AT I O N A L I TÄT E N , ICH COACHE DIE SPIELER VON ZSKA MOSKAU“ x

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Ein Saisonfazit ziehen? Da könnte ja jeder kommen. Wir haben deshalb niemand Geringeren als Dimitris Itoudis, Headcoach von Euroleague-Champion ZSKA Moskau, zum Interview gebeten. Heraus kam ein Gespräch über die Lage der Euroleague, die Macht der Zuschauer und den Unsinn von Quotenregelungen, gewürzt mit russischem Pathos. Interview: Peter Bieg

„Du hast mich stolz gemacht, wie versprochen“, hat Klub-Chef Vatutin nach dem Endspiel zu Ihnen gesagt. Hatten Sie ihm zuvor den Titel versprochen? Ich habe ihm genau das versprochen, was er gesagt hat. Mein Ziel ist es, ihn stolz zu machen. Ihn und jeden in unserem Klub. Das ist das Ziel für mich und meine Spieler, sie stolz zu machen. Die Art, wie wir uns verhalten, die Art, wie wir spielen – damit repräsentieren wir einen großartigen Klub, die großartige Stadt Moskau und das großartige Land Russland. Die multinationale VTB League ging danach aber bald weiter. Wie haben Sie es geschafft, nach dem Euroleague-Titel den Fokus zu behalten? Wir waren schon oft in dieser Situation. Wir haben das Final Four 2016 in Berlin gewonnen und mussten sofort danach Halbfinale und Finale in der VTB League bestreiten. Und wir kamen auch schon vom Final Four zurück, ohne die Trophäe gewonnen zu haben. Dennoch waren wir professionell und entschlossen, das zu tun, was wir tun müssen. Es ist definitiv nicht einfach für die Spieler, weil mit dem Titel andere Verpflichtungen einhergehen: Feiern mit den Fans und den Sponsoren etwa. Aber das ist eine gute Sache, das kann ich sagen. Das sind süße Nachwirkungen. Dennoch ist es nicht unser gewohnter Rhythmus, es ist anstrengender. Welche Art von Euroleague-Saison war das aus Ihrer Sicht? Die Euroleague hat einmal mehr bewiesen, dass sie komplett anders ist. Zunächst die reguläre Saison, jeder gegen jeden, Hinund Rückspiel. Dann die Playoffs, Best-of-

Five, dann das Final Four. In jeder Phase des Wettbewerbs ist das ein ganz anderer Ansatz. Zunächst geht es für uns immer nur darum, überhaupt in die Playoffs zu kommen. Ist das geschafft, geht es darum, als eines der besten vier Teams möglichst Heimrecht zu haben. Der nächste Schritt ist, die Playoff-Serie zu gewinnen und ins Final Four einzuziehen. Und das Final Four ist dann wieder eine ganz andere Nummer: Do or die, zwei Siege bis zum Titel. Und dann gibt es auf jedem Level neue Schwierigkeiten, wie etwa die vielen Verletzungen vor dem Final Four in diesem Jahr, die Fenerbahce Istanbul das Leben sehr schwer gemacht haben. Kommende Saison spielen zwei weitere Teams in der Euroleague, ASVEL Villeurbanne aus Frankreich und eine Mannschaft aus Deutschland. Wie stehen Sie zu dieser Erweiterung? Sie haben die Euroleague als „Marathon für die Spieler“ bezeichnet, „ohne Stillstand“. Zunächst einmal freue ich mich sehr für beide Mannschaften. Das sollten gute Zugänge für die Liga sein. Ich würde mich sogar freuen, noch mehr Mannschaften aus Deutschland, Frankreich oder Russland zu sehen. Ich möchte immer mehr Teams in der Euroleague sehen, denn die Euroleague ist mit Abstand der beste Wettbewerb in Europa. Es gibt nach der NBA wohl überhaupt nichts Besseres.

Fotos: Luca Sgamellotti/Mikhail Serbin/Francesco Richieri/EB via Getty Images/Isa Terli/Anadolu Agency/Getty Images

FIVE: Unter Tränen lagen Sie sich nach der Schlusssirene des Euroleague-Finales mit ZSKA-Präsident Andrei Vatutin in den Armen. Waren diese Tränen pure Freude oder auch nachlassender Druck? Dimitris Itoudis: Das war beides. Es war eine Art Genugtuung, würde ich sagen. Zufriedenheit zu sehen, dass wir ans Ende der Straße gekommen sind, mit dieser Trophäe belohnt wurden und der Anerkennung, dass unser Team den besten Basketball gespielt hat.

Aber … Dennoch ist es für Teams wie uns natürlich schwierig, die nationale Liga und die Euroleague mit all ihren Reisestrapazen zu kombinieren. Das sind sehr viele Spiele. Die meisten unserer Spieler haben zudem Verpflichtungen mit ihren Nationalmannschaften, und manche machen mittlerweile mehr als 100 Spiele in einem Jahr, ohne viel Rehabilitation oder die Möglichkeit, individuell zu trainieren. Und dann sind die Gegebenheiten nicht überall gleich: Die Saison und die Entfernungen in der VTB League sind etwas anderes als in Deutschland oder Griechenland. Und auch das Leistungsniveau ist unterschiedlich. Aber es ist, wie es ist. Und wir versuchen jedes Jahr, eine Mannschaft zusammenzustellen,

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Interview:

die mit diesem Druck umgehen kann und vielseitig einsetzbar ist – die in der Euroleague Spiele gewinnt und in der VTB League auf Kurs bleibt. Aber nochmal: Die beiden neuen Mannschaften sind herzlich willkommen, und ich hoffe, es kommen in Zukunft weitere Teams dazu! Die BBL möchte im kommenden Jahr die beste nationale Liga Europas sein. Wie sehen Sie solche Ziele? Das kann ich nur begrüßen. Wenn die Verantwortlichen dieses Ziel ausgegeben haben, zeigt es, dass sie sehr motiviert sind. Zugleich hoffe ich, dass sie auch das Wissen haben, dieses Ziel in die Realität umzusetzen. Ich als Basketballer würde mir einen solchen Einsatz von noch mehr Ligen wünschen. Die BBL ist mehr als willkommen, wenn sie in den besten Mannschaftssport der Welt investiert.

Fotos: Mikhail Serbin/EB via Getty Images

Die meisten Partien in der abgelaufenen Euroleague-Saison waren sehr eng, auch die letzten Playoff-Plätze waren hart umkämpft. Aber drei, vier Mannschaften fielen früh in der Saison weit zurück. Was denken Sie über diese Klubs ohne permanente Euroleague-Lizenz und mit teilweise deutlich geringeren Mitteln, die sich über die nationalen Ligen für die Euroleague qualifizieren? Für mich ist das zunächst einmal immer interessant, mehr Mannschaften zu haben, etwa aus Deutschland. Die Deutschen haben unglaubliche Fans, die wissen, wie man ein Team unterstützt. Die Hallen sind voll, die Fans sind begeistert, sie genießen die Spiele. Das ist eine feine BasketballKultur. Bei uns ist es oft so: Wir spielen etwa an einem Donnerstag zu Hause gegen Barcelona – vor 15.000 Menschen in unserer großen Halle. Aber am folgenden Wochenende geht es in der VTB League gegen Mannschaft X – und wir haben bloß 500 Zuschauer in der Halle. Am Ende des Tages sind es unsere Zuschauer, die darüber entscheiden, was wir machen. Die Wünsche der Zuschauer erzählen die Wahrheit – sie wollen mehr EuroleagueSpiele sehen, und deshalb steigt die Anzahl der Teams. Jonathan Givony vom amerikanischen Sportsender ESPN hat die folgende These aufgestellt: Das neue Jeder-gegen-jedenFormat der Euroleague mache es schwer für die Coaches, jungen Spielern Chancen zu geben. Denn jedes einzelne Spiel sei viel zu wichtig. Deshalb mangele es in der modernen Euroleague an Talenten im Teenager-Alter. Stimmen Sie zu? Das ist vom Einzelfall abhängig. Aber der Wettbewerb erfordert definitiv eine gewisse Erfahrung auf Seiten der Spieler. Viel hängt aber auch davon ab, welche Resultate der jeweilige Klub schlussendlich erwartet: Wo will der Verein hin? Was sind die Erwartungen? Wie sieht das eigene Jugendprogramm aus? Jeder Klub arbeitet mit jungen Spielern in der

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zweiten Mannschaft und somit SeniorenWettbewerben. Alle diese Spieler arbeiten dafür, es in die erste Mannschaft zu schaffen. Ergibt das keinen Sinn, können diese Spieler vielleicht an einen etwas schwächeren Klub ausgeliehen werden. Antonis Fotsis (ehem. griechischer Nationalspieler, d. Red.) etwa hat für uns bei Panathinaikos zu spielen begonnen, da war er 18 Jahre alt. Es geht nicht um das Alter. Fotsis hat gezeigt, dass er mithalten und liefern kann. Aber grundsätzlich stimme ich der Idee Ihres Kollegen zu: Die Euroleague ist anspruchsvoll und nicht so sehr ein Biotop für Nachwuchsspieler. Zwei Euroleague-Giganten liefern sich in Ihrer Heimat seit Monaten eine Schlammschlacht, die sich durch gegenseitige Vorwürfe, Spiel-Boykotte

„Das Gehirn eines Basketballtrainers arbeitet immer. Da gibt es keinen Ruhetag.“ -----------

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und befeuert von den Medien immer mehr hochschaukelt. Die Rede ist von Olympiakos Piräus und Ihrem ehemaligen Klub Panathinaikos Athen. Was denken Sie als Grieche beim Blick auf diese unschönen Geschehnisse? Ich bin natürlich seit mittlerweile sieben Jahren recht weit weg von der griechischen Liga. Doch was auch immer dort gerade wirklich abläuft, macht mich traurig. Denn am Ende verliert der Basketball. Das Wohl der Sportart muss in jedem Wettbewerb an oberster Stelle stehen. Ich weiß nicht viel über die Details in der aktuellen Auseinandersetzung. Aber ich hoffe, dass Logik und gesunder Menschenverstand am Ende siegen werden. Sobald die Euroleague-Saison beendet ist, beginnen die Gerüchte um Transfers. Mit dem Titelgewinn standen Ihre Spieler noch mehr im Rampenlicht. Macht die Meisterschaft es schwerer oder doch leichter, Ihre Spieler zu behalten? Jeder, der zu ZSKA kommt, weiß, um welche Art Verein es sich hier handelt. Er weiß um das Prestige und die Erwartungen. Wann auch immer ich einen Spieler rekrutiere und mit ihm spreche, erkläre ich ihm das System ZSKA von

A bis Z, auch bezüglich Erwartungen und Verpflichtungen. Gesteigerte Aufmerksamkeit ist nicht so wichtig. Das ist im Endeffekt ein Markt, ein Geschäft. Aber niemand kommt zu ZSKA mit einem besonderen Druck, einer Pistole an der Schläfe oder dem Messer an der Kehle. Die Spieler kommen mit der vollen Überzeugung, einen großartigen Klub zu repräsentieren. Ob das jetzt durch den Titel härter ist oder nicht – ZSKA wird immer gute Spieler anziehen. Nicht nur der Titelgewinn weckt Begehrlichkeiten. Die NBA G-League wird immer stärker und bezahlt immer besser, zumindest der zweite Punkt gilt auch für die chinesische CBA. Ist es insgesamt schwieriger geworden, Ihre Wunschspieler zu bekommen? Definitiv ist das so. Der Markt wird kleiner und kleiner. Immer weniger Spieler denken darüber nach, in die Euroleague zu kommen. Für mich ist das der beste Wettbewerb nach der NBA – der härteste und der prestigeträchtigste. Viele Spieler sollte das anziehen. Doch die Spieler kommen inzwischen aus allen Teilen der Welt und haben oft auch vor der Haustür attraktive Angebote. Darüber müssen die Verantwortlichen der Euroleague definitiv nachdenken. Es geht auch darum zu schauen, wie lange die Saison in China geht, wie der Spielplan der NBA aussieht, wie sich die Chancen in der G-League entwickeln. Es sind nicht nur die sogenannten Two-Way-Contracts, auch die regulären Verträge in der G-League sind attraktiver geworden, höher dotiert. Ein nordamerikanischer Spieler wird heute doppelt so lange nachdenken, ob er den Kontinent wirklich verlassen will. Bei Ihrem Team fällt der recht hohe Anteil russischer Leistungsträger auf. Diese sind zwar nicht die besten Werfer, tragen aber kontinuierlich zum Erfolg des Klubs bei. In einigen anderen Euroleague-Teams gibt es kaum oder gar keine einheimischen Spieler. Sehen Sie hier einen gewissen Handlungsbedarf für die Euroleague, etwa in Form einer Quote? Das ergibt keinen Sinn, und eine solche Regelung lehne ich entschieden ab. Ich coache keine Nationalitäten, ich coache die Spieler von ZSKA Moskau. Alle Spieler von ZSKA haben sich in einem langen Prozess dafür qualifiziert, diesen Klub zu repräsentieren. Wir können dabei jeden akzeptieren, ganz unabhängig von der Hautfarbe oder der Nationalität im Pass. Es geht nur um den Willen, die Farben dieser Mannschaft zu verteidigen. Wir sind da alle unter einem Schirm, und ich bin ein großer Fan des freien Marktes. Und glauben Sie mir, in Russland, Deutschland, Spanien, Griechenland oder der Türkei – es ist völlig egal, wo: Die Talente dort, die jungen Spieler, die werden Basketball spielen. Ich coache keine Verträge. Ich coache keine Namen. Ich coache nur Spieler. Sie

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spielen gut oder schlecht. Sie helfen dem Team oder nicht. Natürlich beschäftige ich mich im Prozess der Rekrutierung mit den Nationalitäten dieser Persönlichkeiten. Aber wenn wir zum Training gehen, wenn das Spiel beginnt, dann gibt es nur noch die Spieler. Haben Sie schon mal Erfahrungen mit einer Quote gemacht? Ich hatte diese Situation mit einer Quotenregelung in meinem ersten Jahr in der Türkei. In Banvit musste ich zu jeder Zeit zwei Einheimische auf dem Parkett haben. Das ist kein Coaching mehr, das ist Rechnerei. Damit nimmt man dem Trainer seinen wirksamsten Hebel, die Spieler zu führen und zu lehren. Denn am Ende

des Tages können sich die einheimischen Spieler ja denken: „Okay, er braucht mich, also wird er mich spielen lassen. Egal ob ich trainiere oder abliefere.“ In der NBA gibt es auch keine solche Quote. Aber man kann sehen, wie der Einfluss europäischer Spieler dennoch zugenommen hat. Man kann sehen, was Dirk Nowitzki dort ausgelöst hat. Vor Nowitzki war es Drazen Petrovic. Davor Toni Kukoc und Dino Radja. Oder Vlade Divac. Diese Spieler haben große Rollen gespielt, und ich kann viele weitere Europäer nennen, die dort drüben großen Respekt genießen. Es geht nicht um Nationalität, es geht um Qualität. Der Euroleague-Titel ist sicher. Wann und wie entspannen Sie und schalten ab?

(lacht) Das Gehirn eines Basketballtrainers arbeitet immer. Da gibt es keinen Ruhetag. Es geht immer um Basketball, Spielerrekrutierung, die bestmögliche Defense und Offense. Mein Hirn bearbeitet 365 Tage im Jahr dieses Thema. Aber Entspannung ist sehr wichtig, für jeden Profi, in jedem Job. Also nehme auch ich mir meine Ruhetage. Die bestehen dann aus Training: Ich gehe ins Fitnessstudio, schwimme sehr viel. Auch dort denke ich dann über Basketball nach, aber auch über andere Dinge. Mit Büchern versuche ich meine Gedanken in neue Richtungen zu lenken. Aber auf dieser Stufe der Professionalität denkt ein Coach 365 Tage im Jahr über Basketball nach. redaktion@fivemag.de

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Dikembe

Mutombo

DIKEMBE MUTOMBO

MOUNT MUTOMBO Ein Körper wie ein Wolkenkratzer, Arme wie ein Albatros, eine Stimme wie eine Tuba. Dikembe Mutombo war einer der besten Shotblocker der Ligageschichte – und

Fotos: Jennifer Pottheiser/Scott Cunningham/Andy Hayt/NBAE via Getty Images

vielleicht auch der Mann mit dem größten Herzen. Text: Thomas Fritz

N

BA-Playoffs 1994. In der ersten Runde treffen die Seattle SuperSonics, mit 63 Siegen das beste Team der Liga, auf die achtplatzierten Denver Nuggets. Seattle-Star Shawn Kemp schnappt sich einen Offensivrebound, dribbelt zwei Meter Richtung Ring und springt in der Mitte der Zone aus dem Parallelstopp ab. Er hält den Ball über dem Kopf, seine Füße sind fast einen halben Meter über Bodenniveau. Der Power Forward ist wahrscheinlich der meistgefürchtete Dunker der NBA, seine Poster hängen in Kinder- und Jugendzimmern auf der ganzen Welt. Plötzlich baut sich ein Schatten vor ihm auf. Der Schatten wird immer größer – mit jedem Zentimeter, den Kemp zum Ring fliegt. Der Schatten ist 2,18 Meter lang und hat eine Armspannweite, die fast die ganze Zone von rechts nach links abdeckt. Kemp steigt höher, seine Augen fixieren das Ziel, sein Körper ist

bis in die kleinste Faser gespannt. In gut 90 Prozent der Fälle schlägt der Spalding jetzt hart in den Korb ein. Boom! Aber nicht dieses Mal. Eine Hand schlägt von der anderen Seite gegen den Ball, der oben rechts gegen das Brett fliegt und dann in den Armen des Deutschen Detlef Schrempf landet. Es ist die Hand von NuggetsCenter Dikembe Mutombo. Seattle bleibt zwar am Ball, doch der Schatten hat seinen Schaden angerichtet. „Er war von Anfang an in den Köpfen meiner Spieler – und hat sie nicht wieder verlassen“, seufzt SuperSonics-Coach George Karl. Insgesamt 31 Bälle blockt Mutombo in der Fünf-Spiele-Serie – ein neuer NBA-Rekord. Dutzende weitere Versuche verhindert oder erschwert er. Die von seinen 6,2 Blocks und 12,2 Rebounds elektrisierten Nuggets gewinnen das Duell mit 3-2. Kemp erzielt nur 14,8 Punkte pro Spiel und trifft 37,1 Prozent aus dem Feld – fast

vier Zähler bzw. 17 Prozent weniger als in der regulären Saison. Es ist bis zum heutigen Tag eine der größten Sensationen der Playoff-Geschichte. Nach dem entscheidenden Sieg, einem 98:94-Overtime-Krimi, lässt sich „Mount Mutombo“, wie der kongolesische Center ehrfürchtig genannt wird, erschöpft auf den Court fallen. Den Mund weit aufgerissen, hält er den Spalding über seinem Kopf nach oben. Das Bild gehört zu den ikonischen Szenen der jüngeren NBAVergangenheit. Die Nuggets müssen sich im Conference-Halbfinale erst in Spiel sieben den Utah Jazz geschlagen geben.

Ein großes Herz

Aber Mutombo war weit mehr als ein Weltklasse-Verteidiger. Er besaß vielleicht das ansteckendste Lachen der Liga und hatte ein Herz so groß wie die Regenwälder seines Heimatlandes, der Demokratischen Republik Kongo.

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Fotos: Jesse D. Garrabrant/Nathaniel S. Butler/STEVEN R. SCHAEFER/AFP/Getty Images

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Dikembe

Der 1966 in Leopoldville, dem heutigen Kinshasa, geborene Sohn eines Schuldirektors wächst mit neun Geschwistern in einem kleinen Haus in der Nähe des Zentrums der drittgrößten Stadt Afrikas auf. Sein vollständiger Name lautet: Dikembe Mutombo Mpolondo Mukamba Jean-Jacques Wamutombo. Seiner Heimat, dem früheren Zaire, bleibt er auch als BasketballProfi eng verbunden. Mit der 1997 gegründeten Dikembe Mutombo Foundation lässt er das modernste Krankenhaus Kinshasas bauen und spendet dafür fast 20 Millionen Dollar aus seinem eigenen Vermögen. 143,66 Millionen hat er laut „Basketball Reference“ in der Association verdient. Das 300-Betten-Haus, in dem bislang rund 150.000 Patienten behandelt wurden, heißt Biamba Marie Mutombo Hospital. Es ist nach seiner verstorbenen Mutter benannt. Fast jeden Sommer kehrt Mutombo nach Afrika zurück, um Basketball-Camps zu betreuen, über Gesundheitsgefahren aufzuklären oder Motivationsreden zu halten – seit 2009 als globaler Botschafter des NBAProgramms „Basketball without Borders“. Er will Menschen Hoffnung geben, die keine Hoffnung haben, verrät er der „Sports Illustrated“. „Mein Vater hat mich immer daran erinnert, dass ich daran denken soll, wo ich herkomme, und dass ich etwas zurückgeben soll.“ Die NBA würdigte sein Engagement schon zweimal mit dem „J. Walter Kennedy Citizenship Award“. Ex-Präsident George W. Bush erwähnte ihn sogar in seiner jährlichen Rede an die Nation vor einem Millionenpublikum, nachdem Mutombo vom Weißen Haus ausgezeichnet worden war. Manche NBA-Stars cruisen in der Offseason mit einer Yacht durch die Karibik. Mutombo? Der setzt sich lieber für Hilfsbedürftige ein. Der heute 52-Jährige war schon immer neugierig und kommunikativ. Er spricht neun Sprachen. Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch und fünf zentralafrikanische Dialekte. Als Kind verschlingt er alles, was mit den USA zu tun hat. Astronauten, Präsident Jimmy Carter und Sport. Vor allem Basketball. Er ist fasziniert, wenn er Filmsequenzen der Harlem Globetrotters oder von NBA-Spielern wie Kareem AbdulJabbar sieht. Seine Freunde nennen ihn den „jungen Amerikaner“. Als Jugendlicher schießt Mutombo auf 2,13 Meter in die Höhe, sodass ihn sein Vater Samuel zum örtlichen Basketballverein schickt. Beim ersten Training stolpert er und zieht sich eine große Platzwunde am Kinn zu. Er will den Sport gleich wieder aufgeben, aber der Senior besteht darauf, dass er sich durchbeißt. Denn seine Länge bereitet dem jungen Dikembe einige Probleme. Auf dem zentralen Markt

Mutombo

Kinshasas rennen einige Menschen eines Tages vor ihm weg und behandeln ihn, als ob er ein Geist oder ein Monster wäre. Einmal erscheint sogar ein Artikel in einer Zeitung – mit der Überschrift: „Die Giraffe von Kinshasa“. „Das hat mich sehr traurig gemacht“, erinnert sich Mutombo. Den Markt betritt er so schnell nicht wieder. Dann nimmt das Schicksal eine gute Wendung. Als er eines Tages vor

Dort will er lieber Arzt werden als Profisportler und später den Menschen in seiner Heimat helfen. Thompson kann ihn schließlich überzeugen, sich doch dem Basketball-Team anzuschließen. Der Rest ist Geschichte. Mutombo schafft den Sprung in die beste Basketballliga der Welt, wird in 18 Jahren achtmal All Star und viermal „Defensive Player of the Year“.

„Dikembe war ein rohes Talent, aber die eine Sache, die er in die Waagschale warf und die man nicht lernen kann, war sein Hunger.“ Alonzo Mourning -----------

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der US-Botschaft Zeitung liest, spricht ihn ein Mitarbeiter an, der früher zufällig als Basketball-Coach gearbeitet hat und Trainerlegende John Thompson von der Georgetown University kennt. Die Ausbildung von Centern wird dort großgeschrieben, schon Knicks-Legende Patrick Ewing ging bei den Hoyas in die Lehre. Mutombo bewirbt sich um ein Stipendium und zieht 1987 nach Washington, D.C.

Dreimal schafft er es in eines der drei All-NBATeams, zweimal steht er in den Finals. Er ist nach Hakeem Olajuwon der zweitbeste Shotblocker aller Zeiten, liegt bei den Double-Doubles auf dem zwölften Platz und hat nach Olajuwon die zweitmeisten Triple-Doubles mit Punkten, Rebounds und Blocks geholt (sieben an der Zahl).

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Rohes Talent

Doch aller Anfang ist schwer. Als er auf dem riesigen Hauptstadtflughafen in D.C. landet, findet er sich in dem Wirrwarr aus Gängen, Rolltreppen und Durchsagen kaum zurecht. Und er muss erst mal richtig Englisch lernen. Nach einem Monat auf dem Campus klopfen in der Nacht plötzlich Mitstudenten an seine Tür, weil es schneit.

„Die waren so dumm. Sie dachten, ich käme aus dem Busch und nicht aus einer Millionenstadt“, erinnert er sich. „Ich habe ihnen gesagt, dass sie verrückt

sind, denn es gibt im östlichen Bergland von Zaire die ganze Zeit Schnee. Aber ich mache die Studenten nicht für ihr Unwissen verantwortlich, sondern das amerikanische Bildungssystem.“ Sportlich könnte es auch besser laufen. In den ersten Trainingseinheiten als Sophomore – das erste Jahr muss er aussetzen – dunkt Teamkollege Alonzo Mourning nach Belieben über den schlaksigen Afrika-Import hinweg. Doch Mutombo, der erst mit 17 mit dem Sport angefangen hat, lernt schnell. Was ihm an Technik und Finesse fehlt, macht er durch Einsatz wett. In einem Spiel gegen

gelegentlichen Powermove und einen wackligen Sprungwurf in Zonennähe hat er offensiv wenig anzubieten. Dafür verwandelt er Offensivrebounds gerne und oft in Punkte um und strahlt auch als Trailer Gefahr aus. 1991 macht Mutombo seinen Abschluss in Linguistik und Diplomatie, im Anschluss meldet er sich für die Draft an. Er hat die harte Schule von Coach Thompson überstanden. Die Denver Nuggets wählen den Collegeabsolventen als vierten Pick in der ersten Runde aus. Über Nacht wird der Junge aus Kinshasa zum Millionär. „Das war einer der glücklichsten Tage meines Lebens“, sagt er. „Ich wusste, dass ich damit wirklich meinem Volk helfen konnte.“

St. John’s blockt er zwölf Würfe, ein neuer Schulrekord. „Dikembe war ein rohes Talent, aber die eine Sache, die er in die Waagschale warf und die man nicht lernen kann, war sein Hunger“, lobt Mourning. Die beiden Pivoten gelten als das meistgefürchtete Defensiv-Duo der NCAA. In der Saison 1988/89 erreichen die Hoyas nach dem Gewinn der Big East Conference das Elite Eight, bevor sie gegen Duke ausscheiden. Offensiv allerdings bleibt „Deke“ während seiner Sportlerlaufbahn limitiert. Seine Bewegungen wirken staksig und hölzern. Bis auf einen Hakenwurf direkt am Ring, den

Nach dem Nigerianer Hakeem Olajuwon und Manute Bol aus dem Sudan avanciert der Kongolese zum dritten NBA-Profi aus Afrika überhaupt. Er erobert die Liga im Sturm. Beim Debüt gegen die Golden State Warriors kommt der 25-Jährige auf 18 Punkte, 16 Rebounds und drei Blocks. Die Houston Rockets bezwingt er tags darauf mit 27/17/5 fast im Alleingang. Lange ist Mutombo der führende Kandidat als „Rookie des Jahres“, doch am Ende setzt sich Larry „Grandma“ Johnson durch. Immerhin: Dank 16,6 Punkten, 12,3 Rebounds und fast drei Blocks wird er direkt als Liganeuling ins All-StarGame gewählt. Die Nuggets machen beim Defensivrating einen Sprung vom letzten

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legendE

Dikembe

auf den 13. Platz, verpassen aber trotzdem klar die Playoffs. Insgesamt fünf Jahre läuft er für das Team am Fuße der Rocky Mountains auf, wird dreimal All Star und 1995 erstmals „Defensive Player of the Year“. 1994 bis 1996 führt er die Liga bei den Blocks an. Der sensationelle Sieg gegen Seattle ist sein größter Mannschaftserfolg mit den Goldklumpen – und eine von zwei Playoff-Teilnahmen bei seiner ersten NBA-Station.

Fotos: Nathaniel S. Butler/NBAE via Getty Images

Not in my house!

In Denver entwickelt Mutombo sein Markenzeichen, das heute von vielen Athleten und Fans, auch in anderen Sportarten, nachgeahmt wird: der „Mutombo Finger Wag“. Nach jedem Block wackelt er mit seinem langen Zeigefinger. „No! No! No!“, soll das heißen. „Not in my house!“ Viele Fans lieben diese Geste, aber bei manchen Gegnern kommt sie gar nicht gut an. Michael Jordan, selbst ein paar Mal von Nummer 55 abgeräumt, revanchiert sich mit einem krachenden Dunking und zeigt ihm selbst den Finger. Nach seinem Wechsel zu den Atlanta Hawks 1996 trifft Mutombo in einem Spiel auf Boston. Achtmal wehrt er die Versuche der Celtics ab, achtmal bringt er den „Finger Wag“. Coach Rick Pitino empfindet das als respektlos und beschwert sich bei Commissioner David Stern. Schließlich verhängen die Schiris immer häufiger Technische Fouls gegen Mutombo. „Der ,Finger Wag‘ hat mich viel Geld gekostet“, lacht der Kritisierte einige Jahre später. „Aber er hat mir durch einen Schuhdeal und Werbeverträge auch viel Geld eingebracht.“ 2013 spielt er in einem Werbeclip des Autoversicherers Geico mit, in dem er in Alltagssituationen verschiedene Gegenstände abblockt. Etwa eine Packung Cornflakes, die Kinder im Supermarkt in den Einkaufswagen werfen wollen. Nach einem Treffen mit Ligaboss Stern geht Mutombo einen Kompromiss ein: Er zeigt den Finger nur noch in Richtung der Fans und darf seine Geste weiter benutzen. Doch es ist nicht die einzige Kontroverse seiner Karriere. Dem 2,18-Meter-Mann wird vorgeworfen, ein „Dirty Player“ zu sein. Insgesamt 22 Nasen soll Mutombo durch den ungeschickten Einsatz seiner Ellbogen gebrochen und viele weitere lädiert haben. „Er hat mich zweimal am Mund getroffen“, beschwert sich Jayson Williams von den New Jersey

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Nets einmal. „Wie viel kann ein Mann einstecken?“ Williams appelliert an die Liga-Funktionäre, endlich einzugreifen. „Sonst haben wir hier draußen Jerry Springer.“ Ein Verweis auf eine trashige und inzwischen eingestellte US-Talkshow, die fast immer in Handgreiflichkeiten gipfelte. Auch Olajuwon findet deutliche Worte. „Ich denke, er ist ein gefährlicher Spieler.“ Mutombo selbst verteidigt sich damit, dass er nun mal sehr groß sei und sich seine Ellbogen weiter oben befänden als bei fast allen anderen NBA-Kollegen. „Ich wollte mir nur Platz verschaffen. Ich habe niemals etwas absichtlich gemacht. All die 22 gebrochenen Nasen … nein, das war nicht mit Absicht“, sagt er. Shaquille O’Neal – ebenfalls kein Kind von Traurigkeit in der Zone – kann die Erklärung nachvollziehen. „Er spielt ziemlich sauber“, meint der „Diesel“. „Er ist nun mal groß.“ Klein ist dagegen Mutombos Geschäftsverstand, den er im Jahr 2011 an den Tag legt. Er will mit Partnern Gold im Wert von 30 Millionen Dollar kaufen, das angeblich aus Kenia stammen soll. Wie sich später durch einen Artikel des „Atlantic“ herausstellt, profitiert aber der kongolesische Warlord und Kriegsverbrecher Bosco Ntaganda von dem Deal. Der Imageschaden für Dikembe Mutombo ist enorm.

Mit „A.I.“ in die Finals

Zurück ins Jahr 2001. Nach viereinhalb mäßig erfolgreichen Jahren bei den Hawks wird der Pivot im Februar für Allrounder Toni Kukoc und den verletzten Center Theo Ratliff zu den Philadelphia 76ers getradet. In Atlanta wurde er weitere viermal All Star und zweimal bester Verteidiger der Liga. Die zweite Playoff-Runde war in Sachen kollektiver Erfolg das höchste der Gefühle. Ganz anders in der Stadt der brüderlichen Liebe. Philly spielt schon vor dem Trade eine bärenstarke Saison, aber in den Playoffs kann ein Kaliber wie Mutombo gegen Tim Duncan oder eben Shaquille O’Neal natürlich wertvoll sein. Tatsächlich zieht die Truppe von Coach Larry Brown dank Allen Iverson und des DefensivKollektivs um Mutombo, Aaron McKie, George Lynch, Tyrone Hill und Eric Snow in die Finals ein. In Spiel eins schafft der Außenseiter die Überraschung und entführt nach Verlängerung einen Sieg aus L.A. In den nächsten vier Partien macht Shaq die Sixers inklusive Mutombo platt. O’Neal drückt seinen Center-Kollegen wie einen großen Plüschteddy durch die Zone.

Auch einer der besten Verteidiger seiner Generation findet in dem 2,16 Meter großen 150-Kilo-Brocken seinen Meister. Shaqs 33,0 Punkten, 15,8 Rebounds, 4,8 Assists und 3,4 Blocks pro Spiel stehen Mutombos 16,8 Punkte, 12,2 Rebounds und 2,2 Blocks gegenüber. Eine starke Vorstellung des 34-Jährigen, die für die in der Offensive völlig von Iverson abhängige Truppe dennoch zu wenig ist. Im Jahr darauf schafft der Veteran das letzte Mal ein Double-Double im Schnitt. Nur: Philly scheidet schon in der ersten Playoff-Runde aus. Bereits im Sommer 2002 tradet ihn das Management nach New Jersey. Mutombo ist nur noch Ergänzungsspieler, Verletzungen nagen immer mehr an seinem alternden Leib. Auch in der K.o.-Runde muss er zwischenzeitlich pausieren und ist in seiner zweiten Finalserie – die Nets verlieren 2-4 gegen San Antonio – mit 2,3 Punkten und 2,8 Rebounds kein Faktor mehr. Nach dem nächsten einjährigen Intermezzo (bei den New York Knicks) wird Mutombo nach Houston transferiert, wo er die letzten fünf Jahre seiner Karriere den Backup für Yao Ming gibt. Fällt der Chinese verletzt aus (was oft vorkommt), muss der Veteran die Lücke füllen. Noch im fortgeschrittenen Alter kann Mutombo, wenn er gesund ist, defensiv brillieren: In der Saison 2006/07 reboundet er zwölf Spiele in Folge zweistellig und schnappt sich als fast 41-Jähriger gegen Denver spektakuläre 22 Boards – you can’t teach height. Eine schwere Knieverletzung nach einer Kollision mit Greg Oden zwingt ihn schließlich nach 1.196 Spielen (plus 101 in den Playoffs) 2009 zum Rücktritt. Vor ihm gab es nur zwei Afrikaner in der NBA, heute verdienen so viele Profis vom schwarzen Kontinent wie nie zuvor ihr Geld in der Liga. Allen voran Joel Embiid von den 76ers und Pascal Siakam von den Toronto Raptors. 2015 wird Mutombo in die Hall of Fame in Springfield aufgenommen. Stolz steht er am Mikrofon, die Stimme tief und kratzig wie eh und je, der Akzent immer noch ein bisschen unverständlich. Aber wichtiger als alle sportlichen Ehrungen ist dem Familienvater sowieso der Einsatz für seinen Heimatkontinent. Als er in Kinshasa aufwuchs, war ein Krankenhaus ein Ort, an den Menschen zum Sterben gingen. „Jetzt ist es ein Ort“, sagt er über das von ihm erbaute Hospital, „wo sich Menschen erholen und leben.“ redaktion@fivemag.de

Es kommt nicht oft vor, dass „urbane Legenden“ verifiziert werden, doch im Jahr 2015 passierte es in der ESPNShow „Highly Questionable“. Damals zu Gast: Alonzo Mourning. Der ehemalige Mitspieler von Dikembe Mutombo bei Georgetown und den New Jersey Nets wurde nach einem von „Dekes“ angeblichen Anmachsprüchen gefragt, die dieser in Discos gern an die Frau gebracht haben soll. Hier ist die lohnenswerte Auflösung: http://bit.ly/SexMutombo

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„Ich wollte mir nur Platz verschaffen. Ich habe niemals etwas absichtlich gemacht. All die 22 gebrochenen Nasen … nein, das war nicht mit Absicht.“ -----------

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lifestyle

Basketball

&

HipHop

Basketball & HipHop Basketball und

HipHop gehören

zusammen wie der

Ring und das Netz,

wie das Instrumental

und die Lyrics.

Lifestyle, Outfits, Mindset –

die gegenseitige

Einflussnahme

beider Kulturen ist omnipräsent.

FÜREINANDER BESTIMMT

Die lange und ereignisreiche Geschichte einer einzigartigen Fotos:Cole Burston/NBAE via Getty Images

Liebesbeziehung. Text: Louis Richter

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B

asketballer wollen Rapper sein und Rapper Basketballer. Dieser wie in Stein gemeißelte Grundsatz scheint niemals an Aktualität zu verlieren. Basketball und HipHop haben seit mehr als drei Jahrzehnten ein fast schon geschwisterliches Verhältnis zueinander, das sich in diversen kreativen und immer mehr auch in geschäftlichen Kooperationen von Akteuren beider Subkulturen widerspiegelt.

Die ähnlichen Werdegänge und die gemeinsamen Herkunftsorte vieler Athleten und Rapper? Der Straßen-Hintergrund, der viele von ihnen eint? Der Wettbewerbsgedanke, der auf den Basketballcourts und in den Gesangskabinen gleichermaßen ausgelebt wird? Warum nun gerade Basketball und HipHop so eng zueinander gefunden haben, dafür gibt es sicherlich nicht den einen Grund. Und nein, nicht jeder Basketballer

hört automatisch HipHop (siehe z.B. Country-Fanatiker Jimmy Butler). Und nicht jeder Mensch, der im HipHop sozialisiert ist, steht automatisch Woche für Woche in seiner lokalen Sporthalle und arbeitet an seinem Shooting oder dem Crossover. Die Gemeinsamkeiten beider Kulturen sind dennoch nicht von der Hand zu weisen, so entscheidend haben sie sich über die Jahre gegenseitig beeinflusst. Basketball und HipHop – das ist die sehr

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lifestyle

Basketball

&

HipHop

wahrscheinlich engste Beziehung und fruchtbarste Symbiose von einer Sportart und einem Musikgenre. Ihren Ursprung fand sie in der Stadt, die für beide Kulturen für immer als Mekka gelten wird. Und sie basiert auf dem Teilbereich der Beziehung, der lange die wahrscheinlich engste Verbindung der beiden Welten darstellte: der Mode – und das schon lange bevor Allen Iverson und

Spitznamen „Clyde“ auf die Schuhe zu sticken. Die Firma gewann so einen prominenten Werbeträger, während Frazier zu dem elitären Kreis der Spieler gehörte, die mit individualisierten Kicks über das Hardwood dribbelten. Die „Clydes“ gingen in den Verkauf und fanden sich während der späteren 70er Jahre immer öfter an den Füßen der New Yorker B-Boys wieder, die in den Parks und somit auch in

Co. die NBA mit tiefhängenden Hosen und XXL-Swag 2005 zur Einführung eines ligaweiten Dresscodes bewegten. Los ging es früher, viel früher. 1973, um genau zu sein. In New York City.

unmittelbarer Nähe zu vielen StreetballCourts tanzten und die Baller mit Breakbeats beschallten. Der Einfluss des „Suede“ auf die New Yorker Basketball- und HipHop-Szene war so groß, dass MC Shan aus Long Island den Schuh noch 14 Jahre später auf dem Cover seiner LP „Down by Law“ zeigte. Während all das aber noch im Lokalen passierte, sorgte die Sugarhill Gang 1979 für die erste HipHop-Basketball-Anleihe, die über die Landesgrenzen der USA hinaus gehört und vernommen wurde. „After school, I take a dip in the pool, which really is on the wall / I got a color TV so I can see the Knicks play basketball“, rappte Big Bank Hank auf „Rappers Delight“, dem ersten wirklich bekannten HipHop-Song aller Zeiten. Fünf Jahre später, 1984, wummerte die bis dato engste Verwebung aus HipHop und Basketball durch die Lautsprecher der Boomboxen.

Die Anfänge

Dass das verdammt lange her ist, lässt sich schon daran erkennen, dass die New York Knickerbockers 1973 ihren zweiten und bis dato letzten NBA-Titel errangen. Angeführt vom legendären Walt Frazier schlugen die Knicks die Los Angeles Lakers mit 4-1 und bescherten ganz New York einen Sommer voller Basketball-Euphorie. Im selben Jahr fragte Frazier bei Puma an, ob er das „Suede“-Modell, in dem er spielte, in einer breiteren Version haben könnte. Das gängige Modell sei an seinen Füßen auf Dauer zu eng gewesen. Puma erfüllte Frazier den Wunsch und bot ihm zugleich an, seinen

Kurtis Blow widmete dem orangefarbenen Leder mit dem legendären Song „Basketball“ eine bis heute allgemeingültige Hymne, die Lil Bow Wow 2002 im Rahmen des Films „Like Mike“ neu auflegte. „Basketball is my favorite sport, I like the way they dribble up and down the court“, rappte der damals noch 25-jährige Blow, während er im dazugehörigen Musikvideo mit frechen Bewegungen durch einen Streetcourt-Käfig tänzelte, Bernard King, Moses Malone, Pistol Pete und weiteren NBA-Stars huldigte. „Meine Frau hatte die Idee zu dem Song. Sie sagte: ‚Du musst einen Song über Basketball machen, es ist die beliebteste Sportart der Afroamerikaner, und niemand hat es bis jetzt gemacht‘“, sagte Kurtis Blow später in einem Interview mit „SB Nation“. So erschien der Song zu einer Zeit, in der weitere Künstler wie Grandmaster Flash zwar Platten veröffentlichten und der als Geburtsstunde von HipHop bezeichnete „Back to School Jam“ von DJ Kool Herc bereits elf Jahre her war, in der Afroamerikaner generell und Rapper speziell aber kaum ScreeningZeiten mit ihren Musikvideos erhielten. „Basketball“ schaffte es dagegen in die Heavy Rotation bei MTV. „Ich glaube, es war das erste Rap-Video, das auf MTV lief. Auch wenn Run DMC behaupten, sie hätten es schon davor mit einem geschafft“, sagt Kurtis Blow. Ein Umstand, der allerdings auch deshalb zustande kam – und dafür musste sich Blow jahrelang Sellout-Vorwürfe anhören –, weil alle Cheerleader in dem Video weiß waren, was das Plattenlabel genau so wollte. Die NBA wollte mit dem Videodreh zunächst nichts zu tun haben und verweigerte die Bereitstellung von Videomaterial ihrer Spieler. Doch auch sie profitierte von dem Hit. Blow erinnert sich: „Als der Song immer bekannter wurde, hat mich die NBA überall hingeflogen, um Shows zu spielen und die Hallen zu füllen. Sie haben mich beispielsweise zu Spielen zwischen den Cleveland Cavaliers und den New Jersey Nets geschickt, die nicht einmal annähernd ausverkauft waren.“ Aber nicht nur auf die größte Basketball-Liga der Welt habe der Song Einfluss gehabt, er habe eine gesamte Sportart geprägt, sagt Blow: „College-, Highschool-, Jugend- und Grundschulteams haben ihn als Song für ihren Korblegerkreisel beim Aufwärmen vor dem Spiel benutzt. Ich glaube absolut, dass ‚Basketball‘ der meistbenutzte AufwärmSong überhaupt ist.“ Es kommt also nicht von ungefähr, dass Converse nur zwei Jahre später den „Weapon“-Sneaker in einem Werbespot präsentierte, in dem Magic Johnson, Isiah Thomas, Kevin McHale, Mark Aguirre, Bernard King und Larry Bird jeweils zwei Zeilen über den Sneaker … nun, äh … rappten. HipHop fand plötzlich nicht mehr nur Verknüpfungen zu den Streetball-

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Courts, sondern auch erstmals lose zu den Spielern in den NBA-Kabinen sowie zu den Geschäftsmännern und -frauen in den Büros der Liga und der Sportartikelhersteller. Mit dem Beginn der Neunziger griffen die Rädchen immer mehr ineinander. Sport-Enthusiast Phife Dawg von A Tribe Called Quest trug im Klassiker „Check the Rhime“ (1991) laut „HipHopDX“ als erster Rapper aller Zeiten ein Basketball-Trikot in einem Musikvideo

„Called up the homies ‚ ‚ and I’m askin y all / ‚ ‚Which park are y all ‚ playin basketball?‘ / Get me on the court ‚ and I m trouble / Last week, messed around and got a triple ‚ double / Freakin brothers every ‚ way, like MJ / I can t believe today was a good day“ Ice Cube

Fotos: Juan Ocampo/Focus on Sport/Getty Images

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– das der Seton Hall Pirates mit der Nummer vier. Bis heute weiß niemand genau, wem er damit eigentlich huldigte. 1992 leistete Knicks-Forward Anthony Mason Pionierarbeit als erster aktiver NBA-Profi, der in einem Rap-Video zu sehen war. In Diamond Ds „Best kept Secret“ dunkte der einstige Gewinner des „Sixth Man of the Year“-Awards die Ringe der Streetball-Courts der Bronx kaputt. Seine Freundin, und das ist eine weniger rühmliche Verbindung zwischen Basketball und HipHop, soll laut Fat Joe in den Neunzigern mit Notorious B.I.G. fremdgegangen sein. 1997 rappte Biggie auf „I got a story to tell“ lediglich von einem Knicks-Spieler, dessen Freundin bei ihm vorbeigeschaut hätte. 1993 veröffentlichte Ice Cube mit „It was a good Day“ dann nicht nur

eine Hymne für seine Heimat South Central, sondern auch einen Track voller Basketball-Referenzen: „Called up the homies and I’m askin‘ y’all / ‚Which park are y’all playin’ basketball?‘ / Get me on the court and I’m trouble / Last week, messed around and got a triple double / Freakin’ brothers every way, like MJ / I can’t believe today was a good day“, rappte das NWAGründungsmitglied im ersten Verse. In der zweiten Strophe spielt das orangefarbene Leder sogar bei einem Date mit einer Highschool-Flamme eine Rolle: „It’s ironic, I had the brew, she had the chronic / The Lakers beat the SuperSonics“. Ice Cubes Liebe zum Spiel ist so nicht nur musikalisch gut dokumentiert, sondern mittlerweile auch geschäftlich relevant: Im Januar 2017 gründete er die Drei-gegendrei-Liga „Big 3“.

WENN RAP UND BASKETBALL GESCHÄFTE MACHEN … … entstehen meistens, wenn auch nicht immer, lukrative Geschäftsmodelle. Wir stellen einige von ihnen vor.

LIGENGRÜNDER

Die Outfit-Revolution

Es war nur konsequent, dass der Kleidungsstil des HipHop zu Beginn der Neunziger auch in der NBA ankam. Schließlich dribbelten nun die ersten Spieler durch die Arenen, die eben vornehmlich mit HipHop aufwuchsen und weniger mit dem Soul oder dem Funk, die einst noch die Kleiderschränke von zum Beispiel Julius Erving oder dem eingangs erwähnten Walt Frazier prägten. Eine der einschneidendsten Veränderungen fand dabei aber zunächst nicht neben, sondern unmittelbar auf dem Court statt – und das nicht einmal auf einem der NBA. Die legendäre Fab Five (1991-1993) der Michigan University um Chris Webber (zu dem später mehr), Juwan Howard, Jalen Rose, Ray Jackson und Jimmy King ist hauptverantwortlich dafür, dass Basketball heute nicht mehr in etwas längeren Boxershorts gespielt wird. Howard erinnerte sich bei ESPN: „Als wir in Michigan ankamen, haben wir die Anfrage gestellt, ob wir in Baggy Shorts spielen könnten. Wir hatten damals keine Ahnung, dass diese Shorts so populär werden würden.“ Das wurden sie – sie fluteten die NBA geradezu. Michael Jordan selbst gilt als einer der ersten NBA-Spieler, die die knappen gegen die weiten Hosen tauschten. Plötzlich deckten die Shorts mitunter sogar die Knie der Spieler ab. Mit John Stockton verabschiedete sich 2003 der letzte populäre Verfechter der kurzen Hosen in den Ruhestand. Parallel zu dieser Entwicklung ließ sich am Kleidungsstil der Athleten abseits des Parketts fast schon eins zu eins die Entwicklung des US-HipHop ablesen. Als in der ersten Hälfte der Neunzigerjahre noch Acts wie A Tribe Called Quest oder De La Soul Hit um Hit landeten, orientierten sich auch die Spieler am damaligen Style der Gruppen. Die Outfits waren bunt, mitunter goofy und, wenn man so will, auch so nett wie die Musik und die Artworks. Trainingsanzüge oder Windbreaker in knalligen Farben dominierten dabei die Kleiderschränke.

Today was a good day? Das war der 11. Januar 2017 für Ice Cube auf jeden Fall. Da gründete er zusammen mit dem Unternehmer Jeff Kwatinetz die Drei-gegendrei-Liga „Big 3“. Nach anfänglichen Schwierigkeiten erfreut sich die Liga immer größerer Beliebtheit. Auch dank Spielern wie Baron Davis, Nate Robinson oder Brian Scalabrine. Auch Master P, der 1998 und 1999 Pre-Season-Verträge bei den Charlotte Hornets und Toronto Raptors erhielt, hat eine Liga gegründet: die Global Mixed Gender Basketball, in der Männer und Frauen zusammen in den Teams spielen.

TEAMBESITZER 2004 kaufte sich Jay-Z für eine Million Dollar bei den Brooklyn Nets ein. Ihm gehörte laut dem „Forbes“Magazin nicht viel mehr als ein Prozent der Franchise. Seine Anteile verkaufte er 2013 – laut „Forbes“ mit einem Gewinn von 1,35 Millionen Dollar. Auch Nelly ging 2004 unter die Besitzer. Er kaufte sich bei den damaligen Charlotte Bobcats ein. Als Michael Jordan 2010 die Franchise übernahm, war Nelly raus.

LEBRONS BEATS 2008 kamen LeBron James und Dr. Dre überein: Dafür, dass „LBJ“ die Kopfhörer von Dres Unternehmen tragen würde, erhielt er kleine Besitzanteile an der Firma. Die wurde 2014 für drei Milliarden Dollar von Apple aufgekauft. James erhielt dafür 30 Millionen Dollar – 19 Millionen mehr, als er im selben Jahr an Gehalt bei den Miami Heat verdiente.

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lifestyle Zeitgleich umschlangen sich HipHop und Basketball immer enger, als die „Air Jordans“ zu DEM Go-to-Sneaker nicht nur für jeden Baller, sondern auch für jeden Rapper wurden. Michael Jordan wurde übrigens – vor allem vom weißen NBA-Publikum, von dem Teile mit dem Aufkommen von afroamerikanischer Musik- und Kleidungskultur in „ihrer“ NBA lange Zeit Probleme hatten – gerne als Anti-Held zum HipHop-Boom im Basketball aufgeführt, was alleine ob des kulturellen Einflusses der „Air Jordans“ rückblickend absolut absurd erscheint. Als die Lyrics, Themen und Auseinandersetzungen rauer und die Lebens- und Kleidungsstile vieler Künstler – vornehmlich von der Westküste oder aus dem Süden stammend – immer hedonistischer und offensiv-luxuriöser wurden, übertrug sich das in Echtzeit auch auf die NBA. Weite Hosen und Jacken, Durags, Tattoos und sehr viel glitzernder Schmuck gehörten spätestens ab dem Anfang des neuen Jahrtausends nachhaltig zum NBAAlltag wie Korb und Netz. „Das war die Ära, als vornehmlich Rapper, aber auch jemand wie ich Tonnen von Geld für extravaganten Schmuck ausgaben“, erinnert sich der ehemalige Highflyer Jason Richardson gegenüber upscalehype.com. Spieler wie Latrell Sprewell revolutionierten mit ihren Cornrows auch frisurentechnisch das Aussehen der Liga. Allen Iverson, Ricky Davis und auch Carmelo Anthony ikonisierten den Haircut nachhaltig. „The Answer“ nahm seinen „Rookie of the Year“-Award 1997 im Straßen-Outfit entgegen. Noch heute gilt Iverson als der wohl wichtigste Vermittler zwischen HipHop und Basketball. Kein anderer Athlet transportierte seine Liebe für die Musik, die wiederum wie keine andere die Lebensrealitäten vieler – wie Iverson – in Armut aufgewachsener Athleten einfing, so offensiv und so selbstbewusst in den Alltag des Profisports. „Jungs mit Cornrows, Baggy Jeans und Tattoos wurden lange als Verdächtige angesehen. Nun sieht man Polizisten Baggys tragen, wenn sie gerade keinen Dienst haben“, sagte Iverson 2005. Doch die Entwicklung stieß auf Gegenwind. Teile des NBA-Publikums, aber auch Sponsoren und Investoren taten sich schwer mit dem Auftreten vieler Spieler. Über Jahrzehnte konnte die Liga Akteure wie Larry Bird, Magic Johnson oder auch Michael Jordan problemlos vermarkten, so kantenlos und clean war ihr Aussehen und ihr Auftreten auch abseits des Courts. Plötzlich sah sich der damalige Commissioner David Stern aber Berichten wie dem von 2004 aus Belgrad ausgesetzt, als u.a. Allen Iverson, LeBron James und Carmelo Anthony zu einem Dinner mit dem US-Olympia-Team und der serbischen Nationalmannschaft in einem der renommiertesten Restaurants der Stadt

in Trainingsanzügen oder Baggy Jeans und mit reichlich Platin-Schmuck erschienen. Hinzu kam die Massenschlägerei zwischen den Detroit Pistons und den Indiana Pacers im Herbst 2004, bei der auch Zuschauer verletzt wurden. Die NBA hatte plötzlich große Image-Probleme und sah sich gezwungen zu handeln. Im Oktober 2005 veranlasste Stern den ominösen Dresscode, der es den Spielern vorschrieb, bei den Spielen in einem Business-Look gekleidet sein zu müssen. Durags, Ketten, Caps, T-Shirts, Shorts – all das war fortan verboten. Viele Spieler wehrten sich vehement, allen voran auch Allen Iverson: „Sie zielen es auf meine Generation ab – die HipHop-Generation.“ Jason Richardson warf der NBA unterschwelligen Rassismus vor. Stephen Jackson unterstellte der Liga, dass sie Angst davor habe, „zu HipHop“ zu werden. Paul Pierce sagte: „Das Tragen von Ketten oder Throwback-Jerseys gehört wie

HipHop generell zu unserer Kultur. Die NBA besteht nun mal aus jungen schwarzen Männern.“ Ex-Profis wie Walt Frazier und Charles Barkley unterstützten die Liga dagegen in ihrer Entscheidung.

Und dann kam And1 …

Bevor ein falscher Eindruck entsteht: Nein, die Verbindung zwischen HipHop und Basketball festigte sich nicht nur auf der großen Bühne der NBA. Im Gegenteil: Nicht nur der Grundstein der Beziehung wurde fernab großer Arenen und siebenstelliger Gehaltsschecks gelegt, sie wurde vor allem auf den Freiplätzen weiterentwickelt und kam erst dadurch in der NBA an, dass Spieler, die die Kultur in ihren Nachbarschaften aufsaugten und lebten, sie in die Liga transportierten. Echte Streetball-Legenden wie Rick „Pee Wee“ Kirkland aus Harlem verdienten sich so viel Respekt auf der Straße, dass auch sie sich in Lines von

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Fotos: Duane Burleson

diversen Rappern wiederfinden konnten. Lobhuldigungen und Vergleiche mit Kirkland sind beispielsweise auf den Tracks „Always on Time“ von Ja Rule (2002), „Lean back“ von Fat Joe (2004) oder sogar auf „Zoom“ von Future (2017) zu hören. 2002 war Kirkland auch im Video zur allerersten Single von Clipse, „Grindin‘“, zu sehen. „The jewels is flirting me, damned if I’m hurting / Legend in two games like I’m Pee Wee Kirkland“, rappte ein junger Pusha T damals über das Neptunes-Instrumental. Doch wenn es um die konsequente, vor allem nachhaltige und schlichtweg auch stylishste Kombination von HipHop und Basketball geht, gibt es kein Projekt und keine Bewegung, die nur annähernd an den Einfluss von AND1 herankommt. Was 1993 als in Pennsylvania gegründete Basketball- und Streetwear-Firma startete, entwickelte sich ab 1998 bis zur Mitte der Zweitausender

zur Legende: Die AND1-Mixtapes brachten hochklassigsten Streetball unterlegt mit feinstem HipHop auf hunderttausende Bildschirme auf der ganzen Welt. Dafür hauptverantwortlich war DJ Set Free. Der arbeitete neben vereinzelten DJ-Gigs auf Hauspartys im Jahr 1998 noch hauptberuflich im Marketing-Bereich von AND1, als sein damaliger Chef, Jeffrey Smith, ihn in sein Büro holte und ihm per VHS-Kassette Aufnahmen von Streetballern zeigte. Set Free sah die Crossovers, die Pässe, den Swagger, mit dem die Spieler die Plätze ihrer Heimat dominierten. Am nächsten Tag nahm er die Videokassetten mit nach Hause und spielte sie über den Fernseher ab, den er gegenüber von seinem DJ-Pult montiert hatte. Er hatte eine Idee. Set Free stellte die Tapes auf stumm und legte zu den Spielszenen HipHop-Tracks und -Beats auf. „Ich werde nie vergessen, wie die Kick Drum perfekt zu einem Dunk passte. Wie die Snare einen Jumpshot untermalte. In dem Moment wusste ich: ‚Das hier ist special‘“, sagte Set Free später zu wbur.org. Auch Jeffrey Smith zeigte sich begeistert von der Idee und buchte Set Free in ein Studio in Florida, in dem dieser das erste Demo-VHS-Tape erstellte. Das schickte er an Labels, Rapper, DJs und Radiostationen. Das Feedback war so positiv, wie der Wunsch diverser Künstler und Labels groß war, Tracks für die Mixtapes beisteuern zu dürfen. So erschien 1998 das erste AND1-Mixtape, auch bekannt als das „Skip Tape“, in dem der später langjährige NBA-Profi Rafer „Skip to my Lou“ Alston seine Gegner rundspielte, während Tracks von Common, Talib Kweli, Wu-Tang-Clan-Gründungsmitglied GZA oder Mos Def die Kassette zu einem echten Basketball-HipHop-Kulturgut abrundeten. „Das war ein Aha-Moment in Sachen Sport und Kultur“, sagt Set Free heute. „Jeder brachte Mixtapes auf Kassetten oder CDs raus. Ich bin einfach scharf links abgebogen und habe sie auf VHS-Kassetten gepackt.“ AND1 entwickelte sich zu einem Phänomen, von dem jeder Teil sein wollte. Snoop Dogg, M.O.P., Kool G Rap, Busta Rhymes, EPMD, Kurupt – alles, was Rang und Namen hatte, war entweder in Shoutout- oder eben in Songform auf den Tapes zu hören. „Die Soundtracks von den ersten drei Mixtapes waren für Generationen von Ballern echte Hymnen. Diese Tracks haben ganze Sommer geprägt“, erinnert sich die deutsche Streetball-Ikone Paul Gudde im Gespräch mit FIVE zurück. Plattensammler, Basketball-Nerd und Beat-Produzent DJ Soulclap (u.a. im Social-Media-Team der Basketball Löwen Braunschweig aktiv) sagt der FIVE: „Viele dieser Songs sind für mich bis heute noch meine absoluten Lieblingssongs. Es war einfach eine gute Mischung aus bekannten und unbekannten Tracks.“ Der Spielerkader vergrößerte sich mit der Zeit, Baller wie „Hot Sauce“

RAPPENDE BALLER UNTER DER LUPE Rappende Basketball-Profis, das ist ein Thema für sich. Aber wie gut – oder schlimm – ist es wirklich? Wir haben Juri Andresen, Redakteur beim HipHopMagazin „JUICE“, eine Handvoll Videos vorgespielt und seine Reaktion eingefangen.

DAME D.O.L.L.A. FEAT. LIL WAYNE L O YA L T O T H E S O I L ( 2 0 1 6 ) Das finde ich erstaunlich dope. Dames Rap-Stimme gefällt mir gut, da ist viel Druck dahinter. Es erinnert tatsächlich ein wenig an Jay-Z, auch von der Intonation her. Generell klingt er sehr nach New York – ohne zu wissen, wo er herkommt (Lillard kommt aus Oakland, Anm d. Red.). Inhaltlich ist es die klassische Rags-to-Riches-Story. Das fällt aber nicht negativ auf, weil die Delivery passt.

IMAN SHUMPERT HANDEL BARS (2018) Man merkt einfach, wie viel Swag der Typ hat: Stimme, Delivery, Style. Shumpert mischt eine gewisse Conscious-Rap-Ästhetik à la Mick Jenkins oder Saba sehr gekonnt mit Hood-Attitüde. Dirty Talk auf einem künstlerisch aber gar nicht stumpfen Level. Auch das Video ist sehr stark.

MARVIN BAGLEY III LOOK AT ME NOW (2018) Der Typ hat ziemlich viel Drake gehört. Und entweder ist er so brav, oder er will einfach gefallen. Das ist schon extrem pathetisch, wie er davon erzählt, wie er es immer schaffen wollte und dass Leute sich nicht von ihren Zielen abbringen lassen sollen. Technisch ist das gut gerappt, insgesamt wirkt es aber doch zu glatt geschliffen – und dadurch langweilig.

LONZO BALL ZO2 (2017) Puh. Joa. Wie alles, was Lonzo irgendwie darstellt, wirkt auch der Song künstlich. Auf mich wirkt das sehr konzipiert. Ich habe nicht das Gefühl, dass er unbedingt Bock hatte zu rappen, sondern eher, dass jemand meinte: „Rap doch mal, um dich noch besser zu vermarkten.“ Das kommt irgendwie nicht cool rüber.

KEVIN DURANT FEAT. LEBRON JAMES IT AIN’T EASY (2011) (lacht) Das find ich witzig. Viel Haus-Maus-Rap dabei, gerade bei LeBron. Da find ich Durant auf jeden Fall stärker. Die Hook finde ich ganz schlimm. Und auch hier ist so viel Pathos dabei. Vielleicht haben es Profi-Sportler an sich, ihre Erfolgsstory in möglichst bildstarken Worten erzählen zu müssen. Ich glaube allerdings, dass die sich als Rapper auch nicht ernst nehmen. Was es schon wieder sympathisch macht.

MARQUIS DANIELS AKA Q6 GHET TO SUPERSTAR (2014) Bei dem Song gefällt mir gut, dass es da eben nicht diesen sehr künstlerischen Approach gibt, es dafür aber umso straighter wirkt. Wie er im Video vor seiner Karre steht, vor der Skyline von Miami – dem würde ich abnehmen, dass er ein Thug ist. Der wirkt sehr authentisch. Einfach wirklich wie ein „Ghetto Superstar“. (lacht)

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lifestyle

Basketball

und „The Professor“ wurden zu lebenden Streetball-Legenden. Auch in der NBA fanden die VHS-Kassetten Anklang. „Ich schaute ein Spiel auf ESPN, und die Kommentatoren sagten: ‚Hey, hast du von diesen AND1-Mixtapes gehört? Die machen diese Videokassetten’“, erinnert sich DJ Set Free. Immer öfter waren auch NBA-Spieler bei den Events als Zuschauer zu Gast. AND1 flog um die ganze Welt, ging auf richtige Touren und hinterließ so global seinen Stempel auf dem Spiel. Die Mixtapes verkauften sich dabei mehrere hunderttausendmal. Anfangs gab es sie noch in vielen Sneakerund Streetwear-Läden als Zugabe, wenn man zum Beispiel ein Paar Schuhe

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HipHop

gesponserten Teams meistens im Finale gegeneinander gespielt haben, weil sie die besten Baller ranbekommen haben. Die Highlights liefen mitunter sogar im DSF“, erinnert sich Gudde. 2009 startete er mit seiner „Germany’s Finest“-Crew noch einmal eine von AND1 gesponserte Tour durch Deutschland. „Wir waren damals in acht Städten unterwegs, haben in jeder Stadt den meistbesuchten Playground gecrasht und dort gegen die lokalen Baller gespielt. Also wirklich nach dem AND1-Vorbild.“ So schnell die AND1-Mixtapes plötzlich da waren, so schnell waren sie ab der Mitte der Zweitausenderjahre gefühlt auch wieder weg. Dennoch sagt DJ Set

mittlerweile wieder zurück, unterstützt von zum Beispiel Kevin Garnett. Auch die ersten Events auf Freiplätzen fanden bereits wieder statt. Heute wie damals noch federführend dabei: DJ Set Free.

Seitenwechsel

Nochmal zurück zum ersten Satz dieses Textes: Basketballer wollen Rapper sein und Rapper Basketballer. Viele Basketballer wollten es wiederum nicht nur, sie wurden es auch. Nun ja, zumindest auf HobbyBasis und manche mehr schlecht als recht, dennoch gibt es eine reiche Historie an „Seitenwechslern“ in Richtung Mikro. Den Stein so richtig ins Rollen brachte Shaquille O’Neal aka „Shaq Diesel“.

„Wenn heute Kumpels zu mir kommen, freuen wir uns immer, wenn wir die alten And1-Tapes reinschmeißen. Weil einfach jeder, der früher mit Rap oder Basketball zu tun hatte, die geguckt hat.“ DJ Soulclap ----------kaufte – auch in Deutschland. „Durch die Tapes hat sich für mich eine völlig neue Welt eröffnet. Ich wusste vorher nicht, dass Basketball mit so viel Style gespielt werden kann. Ich wollte die ganzen Moves sofort selbst können und bin sofort rausgegangen, um sie zu üben“, sagt Gudde rückblickend. Hierzulande adaptierte die Streetball-Community den AND1-Lifestyle. „Zwischen 1999 und 2005 gab es auch in Deutschland echte Streetball-Touren, von denen es später auch Highlight-Mixtapes gab“, sagt Gudde. Kickz, Mazine, Sir Benny Miles, Rocawear – so wie AND1 sponserten auch in Deutschland plötzlich StreetwearMarken die besten Streetball-Teams. „Das war eine Welle, bei der die von den Brands

Free heute zu Recht: „Die Mixtapes hatten einen Einfluss auf die Welt. Sie waren eine Lupe, die verschiedene Kulturen in den Vordergrund rückte.“ Paul Gudde fasst es für sich zusammen: „Es gibt so viele Leute, die diese Tapes nachhaltig geprägt haben. Bei mir ist es auch so: Alles, was sich für mich in den letzten zehn, fünfzehn Jahren ergeben hat, basiert auf dieser Playgroundund HipHop-Kultur. Und die hat AND1 nun mal maßgeblich mitgeprägt.“ DJ Soulclap sagt: „Wenn heute Kumpels zu mir kommen, freuen wir uns immer, wenn wir die alten AND1-Tapes reinschmeißen. Weil einfach jeder, der früher mit Rap oder Basketball zu tun hatte, die geguckt hat.“ Und: Nach einer langen Pause ist AND1 als aktive Brand

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Und wie: „Now who’s the first pick? Me, word is born and / Not a Christian Laettner, not Alonzo Mourning“, rappte Shaq 1993 auf dem Silben- und Sample-Massaker „What’s up Doc? (Can we rock)“ mit dem Brooklyn-Trio Fu-Schnickens. Es war Shaqs erste Single, der im selben Jahr sein Debütalbum „Shaq Diesel“ folgte. Das verkaufte sich über eine Million Mal und ging nach rund fünf Monaten Platin – weder er noch ein anderer rappender Basketballer erreichte bis heute noch einmal diese Marke. Shaq ließ drei weitere Solo-Alben folgen und sicherte sich u.a. Features von Method Man, Warren G oder Notorious B.I.G., mit dem er 1996 die Video-Single zum gleichnamigen Album „You can’t stop the reign“ auskoppelte. DJ Soulclap erinnert

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FRIENDS AND FAMILY Zwischen einigen Ballern und Rappern haben sich echte Freundschaften entwickelt. Ein kleiner Überblick. Baron Davis ist der Patenonkel des Kindes von The Game. Beide lernten sich in Compton kennen und spielten auch Basketball zusammen. The Game galt seinerzeit als großes Talent auf dem Court. Wer 2019 schon mal in einem HipHop-Club war, dürfte um die Nahtoderfahrung, wenn „Mo Bamba“ von Sheck Wes aus den Boxen dröhnt, nicht herumgekommen sein. Beide wuchsen zusammen auf und sind Freunde seit Kindertagen. In der Highschool spielten sie auch Basketball zusammen. Sheck Wes führte das Team sogar bei den Assists an. Der Rapper Dave East spielte laut „Complex“ AAUBasketball mit Ty Lawson – und einmal gegen Kevin Durant und Michael Beasley. Mit beiden verbindet Dave East eine enge Freundschaft, nachdem Durant Jahre nach diesem Spiel über seine Musik stolperte, sie mochte und ihn daraufhin anschrieb.

Fotos: Michael Hickey/Steve Grayson/WireImage/Joe Murphy/NBAE/Getty Images

2003 riss LeBron James beim McDonald’s All American Game alles ab. Damals im Publikum: Jay-Z. Hova nahm den Teenager unter seine Fittiche. Jay-Z verteidigte James 2008 sogar mit einem Disstrack, nachdem dieser von DeShawn Stevenson als „überbewertet“ bezeichnet wurde.

sich: „Das war meine allererste Platte. Ich war als Kind schon großer Basketball-Fan, habe das Video oft im Fernsehen gesehen und mir die Vinylausgabe zu Weihnachten gewünscht. Damals wusste ich die noch nicht wirklich zu schätzen, mittlerweile finde ich sie aber supergeil. Ich höre die heute sogar noch häufiger als damals.“ Generell gilt Shaq bis heute als einer der talentiertesten Basketballer, die ein Mikrofon in der Hand hielten. Nicht zu

vergessen der legendäre Live-Freestyle von 2008, bei dem Shaq Kobe mit Zeilen wie „Now that’s the difference between first and last place / Kobe (...) tell me how my ass taste“ disste und sie das Publikum mehrmals wiederholen ließ. „Ich habe einfach gefreestyled. Mehr nicht. Das ist alles aus einem Spaß heraus entstanden“, sagte Shaq wenig später dazu. Ebenjener Kobe Bryant versuchte sich 2000 mit dem Plattenlabel Sony im

Bei J. Cole und Dennis Smith Jr. wurde aus einer FanKünstler-Beziehung eine echte Freundschaft. Beide kommen aus Fayetteville (North Carolina). Smith Jr. überragte an der Highschool dermaßen, dass Cole regelmäßig die Spiele der Trinity Christian School besuchte. Fast schon zwangsläufig lernten sie sich kennen und schätzen. Noch heute ist Cole oft in der ersten Reihe bei Smiths Spielen zu sehen. Erst in Dallas, jetzt in New York. Zudem unterstützte er ihn beim Slam-Dunk-Contest des diesjährigen All-Star-Games.

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lifestyle

Basketball

Rücken selbst am Mikrofon. Seine einzige Single „Kobe“ mit Tyra Banks kam dabei aber so schlecht weg, dass sein geplantes Debütalbum „Visions“ nie erschien und Sony ihn wieder vom Label droppte. Bereits sechs Jahre zuvor erschien die fragwürdig-legendäre Compilation „B-Ball’s Best Kept Secret“ bei Epic Records. Das Prinzip der Platte sah vor, Basketballer und Rapper zusammenzubringen. So waren auf den 16 Tracks neben Shaq auch Spieler wie Dennis Scott, Brian Shaw, Cedric Ceballos oder Jason Kidd zu hören. Das Experiment scheiterte krachend, bis heute gilt die Platte als Tiefpunkt der langen Liste an Basketball-Rap-Releases – mit Jason Kidds katastrophalem Song „What The Kidd Didd“ als absolutes Lowlight. Auch an diese LP erinnert sich DJ Soulclap noch gut – und nimmt sie, zumindest ein wenig, in Schutz: „Die Platte habe ich mir später für 2,95 Euro besorgt. Da waren tatsächlich auch zwei, drei ganz coole Songs drauf. Der ,Check it‘-Song von Dana Barros (Sonics, Celtics, 76ers, Pistons) war ganz gut. Der hatte diesen Mitte-Neunziger-Big-L-Vibe.“ Kurzum: Die Rap-Releases der Basketballer taten sich am Markt enorm schwer. Da war zum Beispiel Allen Iverson aka „Jewelz“, der 2000 den Track „40 Bars“ veröffentlichte und darauf die extrem homophoben Zeilen „Come to me with

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HipHop

faggot tendacies / You’ll be sleeping where the maggots be“ rappte. Iverson erntete dafür einen Shitstorm sondergleichen und cancelte den geplanten Release seines Soloalbums „Misunderstood“. Und da war auch noch Ron Artests 2006er Album „My World“, das der Legende nach in der ersten Woche nur 365 Mal verkauft wurde. Ein Jahr später veröffentlichte Troy Hudson als „T-Hud“ das Album „Undrafted“, das trotz Features der Südstaaten-Legenden UGK und Three 6 Mafia in der ersten Woche erwiesenermaßen 78 Mal verkauft wurde. Dennoch schickten sich weitere Baller an, zu rappen und teilweise sogar eigene Labels zu gründen. Steve Francis, Tony Parker, Joe Smith, Marquis Daniels, Delonte West, Stephen Jackson, Martell Webster – man könnte diese Liste munter weiterführen. Die Musikkarriere eines Basketballers wird dabei oft vergessen, obwohl sie zu den erfolgreicheren gehört: die von Chris Webber. Der releaste als Rapper 1999 das solide Album „2 Much Drama“, dessen Single „Gangsta Gangsta“ mit Kurupt es seinerzeit auf Platz zehn der „Hot Rap Singles Charts“ schaffte. Seine Sternstunde als Musiker hatte „C-Webb“ allerdings nicht als Rapper, sondern als Produzent. Webber begleitete Nas während der Produktion von dessen Album „HipHop

is dead“. Im Studio spielte er ein selbst produziertes, sehr düsteres Instrumental vor, das den Track „Mercy, Mercy Me“ von Marvin Gaye sampelte. Da war es ein Uhr nachts. Nas gefiel das Instrumental sofort – drei Stunden später stand der Track „Blunt Ashes“, der es schlussendlich auch auf das Album schaffte. Es war nicht die letzte Zusammenarbeit der beiden. Webber produzierte auch den Track „Surviving the Times“, den Opener von Nas‘ Best-ofAlbum von 2007. Dafür sampelte Webber den wunderschönen Song „What Would I Do If I Could Feel“ von Nipsey Russell und ebnete Nas so den Soundteppich, über dem „Queensbridge‘s Finest“ seine Karriere von „Illmatic“ bis zum LegendenStatus als einer der größten HipHopPoeten aller Zeiten szenisch Revue passieren lässt. Nuff said. „Er bewegte sich nicht, er starrte einfach geradeaus. Das Größte für mich daran, mit ihm zu arbeiten, war, erleben zu dürfen, wie etwas Großartiges entsteht“, sagte Webber später zu thesource.com über die gemeinsamen Studionächte. Bis heute gibt es immer wieder Basketballer, die rappen. Manche mehr aus Zeitvertreib wie LeBron James oder Kevin Durant. Andere dagegen voller Leidenschaft, wie Damian Lillard aka „Dame D.O.L.L.A.“, der bereits zwei StudioAlben veröffentlichte und eine ausgefeilte

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DAS ALL-TIME-NBARAPPER-POWERRANKING Streng subjektiv und ohne Gewähr auf Allgemeingültigkeit. Das sind die fünf besten rappenden NBA-Profis.

1. DAMIAN LILLARD

Fotos: Gabe Ginsberg/Getty Images for JBL/Noel Vasquez/Getty Images/Focus on Sport/Getty Images

Muss man nicht lange drüber diskutieren. Damian Lillard verbindet eine Technik, bei dem manchem FlowNerd das Herz aufgeht, mit einer sehr angenehmen Rap-Stimme und viel Inhalt. Seine Songs sind okay, es gibt bessere und schlechtere. Allein für den legendären Freestyle bei der Radio-Show „Sway in the Morning“ von 2015 verdient er diesen Platz. Aufrufe auf YouTube bei Redaktionsschluss: mehr als 9,2 Millionen.

Technik mit tiefgründigen Lyrics verbindet. Oder wie Iman Shumpert, dessen Musik und vor allem Videos sich durch ein hohes Maß an Experimentierfreudigkeit und künstlerischem Anspruch auszeichnen. Auch in Deutschland griffen sich übrigens schon professionelle Basketballer das Mikrofon – wenn die Sample Size logischerweise auch deutlich kleiner ist als in den Staaten. Ex-Nationalspieler Nino Garris veröffentlichte Mitte der Zweitausender einige Songs und Videos, darunter auch Kollaborationen mit den aus Berlin stammenden Spezializtz. Aber warum machen manche Basketballer so gerne Rap-Musik? Weil sie daraus einen Ausgleich zum anstrengenden Sport-Alltag ziehen? Laut Acha Njei, der u.a. in der Bundesliga für Oldenburg, Quakenbrück, Göttingen und Vechta spielte, ist das ein Mitgrund: „Meine Mitspieler haben in ihrer Freizeit immer viel Playstation gezockt, was auch nicht verkehrt ist. Ich wollte eher etwas machen, was mir ein Gefühl von Produktivität verleiht“, sagt der 34-Jährige. Njei produziert leidenschaftlich gerne, zusammen mit einem guten Freund hat er als Rapper auch das „Off Court“Mixtape veröffentlicht. „Beim HipHop gibt es das Credo, dass man selbst aktiv ist und nicht nur konsumiert. Deswegen war es für mich klar, dass ich mich in dieser Form ausdrücken will“, sagt Njei, der nebenbei auch elektronische Musik produziert. „In der Abi-Zeit habe ich mit dem Produzieren angefangen. Es war schon immer ein Traum von mir, meine eigenen Beats zu hören.“ Gerappt habe er nur, um mal Vocals auf seinen Instrumentals zu hören. Was ihn über die Jahre beim Produzieren gehalten hat, ist das Glücksgefühl, etwas fertigstellen zu

können. „Sei es ein kompletter Song oder auch einfach ein Beat. Wenn man etwas von null auf kreiert hat, das es vorher noch nicht so gab“, sagt Njei. Zumal genau das im krassen Widerspruch zum Sport stehe, wo man den Ausgang eines Spiels nie zu hundert Prozent selbst bestimmen könne. Aber beim Musikmachen gibt es schließlich keine Gegner oder Schiedsrichter. „Man muss auf niemanden hören. Man kann sein eigenes Ding machen“, sagt Njei.

Für die Ewigkeit

Es gibt Stimmen, die Basketball als das fünfte Element des HipHop manifestieren wollen. Das ist ein schöner Gedankengang, weil er die Zuneigung und den gegenseitigen Respekt der beiden Geschwister füreinander mit der Erweiterung einer über Jahre bestehenden Struktur wertschätzen möchte. Aber: Genauso können Argumente dafür angebracht werden, dass HipHop wiederum als fester Bestandteil der Basketball-Kultur eingeordnet werden kann. In dieser Beziehung gibt es nämlich nicht den größeren Part, der den kleineren in sich aufnimmt und als Baustein der eigenen Historie für sich beansprucht. HipHop und Basketball – das war und ist ein Geben und Nehmen, ein gleichberechtigter, organischer Profit. Eine natürliche Liebesbeziehung, deren Historie auch ein Text dieser Länge allenfalls anreißen kann. Weil – und das ist vielleicht das Schönste an dieser Symbiose – man sich sicher sein kann, dass diese Beziehung so schnell kein Ende nehmen und weiter ihre Geschichten schreiben wird. Große wie kleine, viel erzählte wie im Verborgenen gebliebene. Man darf sich darauf freuen. redaktion@fivemag.de

2. CEDRIC CEBALLOS Das Problem, das viele rappende Baller hatten: Sie klangen am Mic zu anstrengend, zu ungeübt oder schlichtweg zu steif. Bei Cedric Ceballos war genau das Gegenteil der Fall. Man nehme nur den Track „Flow On“ von 1994. Viel smoother kann ein Hobby-Rapper kaum klingen. Schade, dass von ihm nicht mehr kam.

3. IMAN SHUMPERT „Shump“ ist nicht unbedingt der allerbeste MC, setzt dafür aber eine gesamtkünstlerische Vision, die vom Sound über die Videos bis zum Artwork führt, in aller Konsequenz um. Der Typ will mehr als nur rappen, er will Kunst schaffen, die bleibt. Zum Glück wirkt er dabei nicht wie ein gescheiterter Kunststudent, sondern angenehm selbstbewusst und talentiert.

4. SHAQUILLE O’NEAL Muss allein wegen seines Platin-Albums in diese Liste. Hat sich den Platz aber durch seine anfängliche Beständigkeit in Sachen Releases und zitierwürdige Lines verdient. Wollte manchmal mehr, als er konnte, aber das nahm man Shaq ja noch nie übel.

5. LOU WILLIAMS Die Sample Size ist klein, zugegeben. Aber die Tracks, die von Lou Williams im Netz rumgeistern, haben es trotz mitunter schlimmer Instrumentals in sich. Der Clippers-Guard besticht durch einen guten Stimmeinsatz, ehrlichen Hunger und die eine oder andere Punchline. Dem Vernehmen nach hat der mehrmalige „Sixth Man of the Year“ ein unveröffentlichtes Album rumliegen. Dürfte er gerne mal raushauen.

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bbl-taktik

Oldenburgs

Offensive

OLDENBURGS OFFENSIVE Für die EWE Baskets Oldenburg stand nach der Hauptrunde das ligaweit beste Offensivrating und ein Vereinsrekord von 28 Siegen zu Buche. Wie gelang dies dem Team von Mladen Drijencic? Und warum ließ es sich nicht auf die Playoffs übertragen? Text: Manuel Baraniak

K

eine Teilnahme an einem der vier internationalen Wettbewerbe, aber dennoch die Verpflichtung eines amtierenden Eurocup-Champions. Den EWE Baskets Oldenburg gelang im Sommer 2018 mit Neuzugang Will Cummings ein absoluter Coup – was dessen MVP-Auszeichnung in der abgelaufenen BBLSaison unterstreicht. Während Cummings 2018 mit Darüssafaka Istanbul den Eurocup und damit den zweithöchsten europäischen Wettbewerb gewonnen hatte, verzichteten die Oldenburger in der Saison 2018/19 darauf, im viertklassigen FIBA Europe Cup anzutreten. Die Hoffnung, in der FIBA Basketball Champions League aufzulaufen, hatte sich nach dem Bekenntnis Bambergs für die Oldenburger zerschlagen. Die europäische BasketballLandschaft ist kompliziert – zu kompliziert, um sie hier eindeutig zu erklären. Für die Oldenburger war der Tenor aber einfach: „Volle Konzentration auf die Saison in der Basketball Bundesliga.“ Diese Simplizität sollte letztlich auch über den Ausgang in der deutschen Beletage entscheiden …

Fotos: TF-Images/Getty Images

Härtetests? Voll auf die BBL-Hauptrunde sollten sich die Oldenburger auch gezwungenermaßen konzentrieren. Schließlich schieden die Niedersachsen überraschend in der ersten Runde des BBL-Pokals aus – nach einer Heimniederlage gegen den späteren Absteiger aus Jena. Dennoch setzten die Oldenburger früh Akzente, vor allem dank ihrer Offensive: Nach zwölf Spieltagen hatten die Donnervögel sechs Siege mit mindestens 18 Zählern Differenz eingefahren und fünfmal die 90-Punkte-Marke geknackt. „Wir haben vom vergangenen Jahr her auf- und eben nicht abgebaut, den Kern um Schlüsselspieler ergänzt. Der Trainer ist geblieben, das System ist gleich geblieben“, sah Rasid Mahalbasic im FÜNF-Interview (siehe Ausgabe #157) den Schlüssel in der Kontinuität. Schließlich mussten nur drei Neuzugänge integriert werden. Während Vojdan Stojanovski Erfahrung auf den Flügel und sekundäres Playmaking brachte, erfüllte der StretchVierer Nathan Boothe die Rolle im Oldenburger „Four Out, One In“-System. Mit Cummings initiierte als Point Guard wieder ein Scorer die Offensive, wohingegen Mickey McConnell in der vergangenen Spielzeit als passdienlicher Aufbauspieler fungiert hatte. Diese Wechsel unterschiedlicher Point-Guard-Typen waren in

Oldenburg schon mehrfach zu beobachten. Der Schritt zum Einser mit Scorer-Mentalität zahlte sich aus: Cummings und Co. führten die Liga beim Offensivrating an, unter anderem aufgrund der fünftbesten Dreierquote und der zweitmeisten Freiwurfversuche der Liga. Zudem verlor kein Team in der regulären Spielzeit seltener den Ball. Regeneration sowie Vorbereitung über eine komplette Woche: Die fehlende Teilnahme an einem europäischen Wettbewerb bekräftigte Oldenburg. Letztlich stellten die Niedersachsen mit 28 Saisonsiegen einen neuen Vereinsrekord auf und sicherten den zweiten Tabellenplatz. Doch Fragen nach wirklichen Härtetests blieben.

Hardenesque „Meine Frau hat mich durch das Haus gejagt, etwas zu machen – ich hatte so viel Freizeit. Jetzt sind Playoffs, und man hat nichts anderes zu tun“, scherzte Oldenburgs Mladen Drijencic, nachdem seine Truppe das zweite Playoff-Viertelfinalspiel in Bonn gewonnen hatte. Den Härtetest im Haushalt überstanden, machten die Oldenburger auch in den Playoffs zunächst eine gute Figur. Weil sie mehr denn je auf ihre „Big Three“ aus Cummings, Mahalbasic und Rickey Paulding setzten. In jenem Spiel gegen Bonn verzeichnete Mahalbasic das erste PlayoffTriple-Double in der BBL seit 15 Jahren. Cummings bewies, wie sehr er eine Partie übernehmen kann – und inwieweit er auf den Spuren von James Harden wandelt: Mitte des dritten Viertels gegen Bonn reißt Cummings das Spiel an sich, trifft einen Stepback-Dreier zur Neun-Punkte-Führung und lässt einen anderen Signature-Move Hardens folgen: „stirring the pot“. Cummings imitiert das Umrühren in einer Schüssel – nicht dass etwas anbrennt, so heiß läuft Cummings. Nun fokussierten sich die Oldenburger nicht so stark auf Isolationen wie die Houston Rockets, aber dennoch lassen sich Parallelen aufstellen: Denn eine gewisse Abhängigkeit muss man konstatieren, das bewies das anschließende Halbfinalaus per Sweep gegen ALBA Berlin. 88 der 115 Offensivaktionen, die Oldenburg in den Playoffs aus der Isolation und dem Postup verzeichnete, schloss jenes Trio ab – das sind über 75 Prozent. 1,01 Punkte pro Possession mögen effizient sein, jedoch ist eine Berechenbarkeit des Oldenburger Offensivsystems nicht von der Hand zu weisen. In der Vergangenheit waren in Drijencic’ Offensivsystem viele StaggeredScreens eingebunden, solche Elemente sah

man in dieser Saison kaum. In den Playoffs entfielen gerade einmal mickrige 2,2 Prozent der Abschlüsse auf Off-Screen-Aktionen. Blöcke wurden da vielmehr an der Birne gestellt, für ein Pick-and-Roll mit Cummings als Ballhandler. Mitunter nutzte Cummings zwei Ball-Screens hintereinander, um daraus zu attackieren (siehe Spielzug rechts, den die Oldenburger im dritten Halbfinalspiel gegen Berlin Ende des dritten Viertels dreimal in Folge liefen). Der USAufbau ist der vielleicht schnellste Spieler aus dem Blocken-und-Abrollen, auf diese Weise zog er viele Freiwürfe: In den Playoffs stand er pro Spiel über achtmal an der Linie! Während Cummings mit dem Ball in den Händen mehr auf den eigenen Abschluss achtete, gab Mahalbasic mitunter den Spielmacher auf dem Flügel: Mit Bodenpässen für Cutter oder nach Handoffs aus dem Dribbling weiß der Center die Offensive zu dirigieren (siehe Spieler im Fokus). Doch sowohl bei Cummings als auch bei Mahalbasic sah man in der Endrunde gewisse Verschleißerscheinungen – defensiv wurde das Duo attackiert, womit beide teilweise in Foultrouble gerieten und Spiele auch nicht beendeten. Mahalbasic’ Saisonaus kam im dritten Spiel gegen Berlin zweieinhalb Minuten früher.

Felsenfest Eine Acht-Mann-Rotation trug die Donnervögel ohne Doppelbelastung über die reguläre Saison, doch in den Playoffs war dies letztlich zu wenig. So sehr ein Sweep im Halbfinale als Tabellenzweiter schmerzt, so ist die Saison letzten Endes dennoch als Erfolg zu werten. Zumal die Oldenburger durch einige vorzeitige Vertragsverlängerungen schon während der Saison die Weichen für die Zukunft stellten. Zu Redaktionsschluss hatten mit Paulding, Philipp Schwethelm, Karsten Tadda, Mahalbasic und Boothe gleich fünf Spieler ihre Unterschrift auf ein neues Arbeitspapier gesetzt, der Kern des Kaders steht also felsenfest an der Hunte. Was auf den deutschen Positionen nur zum Teil zutrifft, denn die Nachwuchsarbeit verlief zuletzt nicht optimal: Haris Hujic wurde in der Offseason als Backup angepriesen, in den Playoffs spielte der 22-Jährige nur 15 Sekunden. Jan Niklas Wimberg oder Dominic Lockhart (in Göttingen zum Nationalspieler gereift) kamen in der Vergangenheit nicht zum Zug. Oldenburgs Kader sollte also in der Breite verstärkt werden – zumal der Klub nun sicherlich wieder international antreten wird. redaktion@fivemag.de

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spielzug A 2

4

3

5

1

Depth Chart 2018/ 2019 Pos.

Spieler

PG

Will Cummings Frantz Massenat Haris Hujic

SG

Karsten Tadda Vojdan Stojanovski

SF

Rickey Paulding

PF

Philipp Schwethelm Nathan Boothe

C

Rasid Mahalbasic Marcel Keßen Justin Sears Marko Bacak

Oldenburg spielte mit einer Acht-MannRotation. Sears absolvierte nach seinem Kreuzbandriss im Mai 2018 nur zwei Hauptrundenspiele. Wo viel Erfahrung ist, findet sich wenig Athletik.

Karsten Tadda (2) und Philipp Schwethelm (4) stehen in den Ecken, Rasid Mahalbasic (5) und Rickey Paulding (3) in einer HornsFormation. Paulding stellt einen Ball-Screen für Will Cummings (1) und rotiert vom Ball weg.

Spieler im Fokus:

Rasid Mahalbasic „I love Mr. Triple-Double“. Die BBL-All-Stars trugen beim Training zum diesjährigen Show-Event ein T-Shirt mit diesen Worten. Darauf zudem abgebildet: Rasid Mahalbasic. Was Teil eines Pranks von C-BAS gewesen ist, zollt auch dem Center der EWE Baskets Oldenburg Respekt, der in der abgelaufenen Saison Historisches geleistet hat: Denn Mahalbasic legte Anfang Februar das erste Triple-Double in der BBL seit fast neun Jahren auf. Doch dabei sollte es nicht bleiben: Der Center ließ innerhalb von einem Monat drei weitere Triple-Doubles folgen. Dabei hatte es in der BBL-Historie (seit der digitalen Datenerfassung 1998/99) zuvor nur sechs Triple-Doubles gegeben – insgesamt! Bemerkenswert ist, dass Mahalbasic dies als Center geschafft hat. Denn alle anderen BBL-Triple-Doubles kamen bislang durch Guards zustande. Damit lässt sich eines konstatieren: Mahalbasic ist einer der besten passenden Big Men, die die deutsche Beletage jemals gesehen hat. Sein gutes Timing und Gefühl beweist der 28-Jährige zuallererst bei Anspielen aus dem Low- oder Highpost, wenn er per Bodenpass die cuttenden Mitspieler in Szene setzt. Anspiele über die Schulter vom Zonenrand oder Pässe hinter dem Rücken im Fastbreak

PLAY-TYPE Postup P&R man putbacks Spotup cut isolation Summe

FREQ% 38,4 14,0 11,6 10,5 9,3 8,1 100,0

PPP 1,06 1,50 1,20 0,56 1,38 1,71 1,14

machen aus effizienten Anspielen Highlight-Assists. Der Big Man verteilt auch deswegen so viele Assists, weil er im Lowpost dominiert. Dort muss Mahalbasic häufig gedoppelt werden, Kickout-Pässe auf die Distanzschützen folgen prompt. Im Lowpost besitzt Mahalbasic einerseits die Kraft, um sich bis zum Ring durchzupowern, und andererseits die Finesse, um sich dank Spinmoves, Fakes und feinfüßiger Schrittfolgen an seinen Gegenspielern vorbeizutanzen. Es verwundert also nicht, dass Mahalbasic über ein Drittel seiner Offensivaktionen in den Playoffs nach Postups abgeschlossen hat. Sein Wurf fällt für einen Center ordentlich, jedoch nimmt Mahalbasic nur wenige Dreier und zögert von Downtown immer wieder. Stärker tritt der 2,10-Meter-Koloss im Catch-and-Drive auf, wo er dank Diätprogramm in der Offseason seine Kilos schneller in Bewegung bringen kann. Seine Triple-Doubles wollte Mahalbasic im FÜNFInterview nicht zu hoch hängen: „Das bedeutet mir überhaupt nichts. Aber es ist gut für den Verein, darauf bin ich stolz: dass sich die EWE Baskets Oldenburg immer an mich erinnern werden.“ Das werden sie auch in der BBL.

FG% 63,6 77,8 85,7 14,3 71,4 85,7 65,6

FT FREQ% 15,2 16,7 10,0 11,1 12,5 0,0 14,0

TO FREQ% 21,2 8,3 20,0 11,1 0,0 0,0 16,3

Die Play-Type-Stats für Rasid Mahalbasic aus seinen BBL-Playoff-Spielen 2019. Legende: Freq% – Prozentsatz der Abschlussart an allen Abschlüssen des Spielers, PPP – Punkte pro Abschluss, FG% – Feldwurfquote, FT Freq% – Wie häufig zieht der Spieler Freiwürfe, TO% Freq – Wie häufig produziert der Spieler einen Ballverlust; Daten: Manuel Baraniak

B 2

4

5

1

3

Paulding nutzt einen ballfernen Block von Mahalbasic und platziert sich in der Folge am ballfernen Flügel.

C 2

4

3 5

1

Dort kann Paulding von Cummings für den Dreier angespielt werden – sollte er den nötigen Platz zum Abschluss finden.

D 2

4

3

5 1

Ist ein solches Anspiel nicht möglich, folgt ein zweites Pick-andRoll: diesmal zwischen Cummings und Mahalbasic. Dieses Play veranschaulicht die Bedeutung der Oldenburger „Big Three“.

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BBL

Interview:

Thomas

Klepeisz

„MEIN BRUDER HAT MICH GEZWUNGEN, AUF DEN KORB ZU WERFEN“ Die USA sind das Mutterland des Basketballs. Daran gemessen ist die Heimat von Thomas Klepeisz etwa das Land der Katze des Schwippschwagers des Basketballs. Seit drei Jahren läuft der Österreicher für die Basketball Löwen Braunschweig auf und ist fester Teil seiner Nationalmannschaft. Im Interview spricht er über die Bedeutung des Sports im Alpenstaat, fehlende Weitsicht des österreichischen Verbandes und warum ein einbeiniger Dreier aus dem Lauf nicht unbedingt ein schlechter Wurf ist. Interview: Tobias Feuerhahn

F

ÜNF: Warum bist du nicht Skifahrer geworden? Ist das in Österreich nicht naheliegender, als zum Basketball zu kommen? Thomas Klepeisz: (lacht) Also ich komme aus Güssing, das liegt im Südosten von Österreich. Da ist die Landschaft ziemlich flach. Das heißt, Skifahren war eher umständlich und nicht naheliegend für mich. Wenn, dann wäre es Langlauf gewesen. Dennoch ist Basketball ja nicht gerade Volkssport in Österreich ... Nachdem mein Bruder und ich zunächst Fußball gespielt haben, entschied er sich dann irgendwann für Basketball. Dann hat er mich mehr oder weniger gezwungen, mit ihm im Garten auf den Korb zu werfen. Früher oder später hat es mir dann auch Spaß gemacht. Ist es denn schwer, einen Klub zu finden? Oder ist die Vereinsstruktur im Basketball ausgeprägter, als man vielleicht denkt? Güssing hat weniger als 4.000 Einwohner. Das ist eine ganz kleine Stadt. Der Verein spielte in der zweiten Bundesliga, als ich im Nachwuchsbereich war. Da gab es schon eine Struktur, in der man gut ins Training gehen konnte. Gleichzeitig habe ich im Schulteam gespielt – da kam man dann auf genügend Trainingseinheiten. Wie wird denn Basketball allgemein in Österreich wahrgenommen? Das Spiel ist ja auch in Deutschland Randsportart.

In Österreich ist Basketball noch mehr Randsport als in Deutschland. Der Klub in Güssing war erfolgreich, deshalb war die Halle voll. Basketball stand dort im Vordergrund und war die Sportart Nummer eins in der Stadt. Der strukturelle Unterschied zur BBL ist schon deutlich, oder? Ja. Die Strukturen sind viel kleiner. Wir hatten im Büro einen Angestellten. Dazu kamen ein Headcoach, ein Assistenzcoach und zwei Nachwuchstrainer. Das war alles. Da gibt es keinen PR-Beauftragten, keinen Fanshop. Das macht alles einer allein. Einen Physiotherapeuten hatten wir dann bei den Spielen. Beim Training aber nicht. Wie groß ist denn der Niveau-Unterschied im Vergleich zwischen der BBL und der Eliteklasse Österreichs? In Österreich gibt es ein starkes Leistungsgefälle. Als ich noch in Güssing war, waren wir unter den Top 16 der EuroChallenge, haben also auch international gespielt. Da waren wir zumindest fast auf BBL-Niveau. Aber heutzutage bin nicht mehr so nah an der Liga dran, um das genauer beurteilen zu wollen. Und wie läuft es für dich in der österreichischen Nationalmannschaft? Zurzeit läuft es gut, weil wir die Vorqualifikation zur Europameisterschaft 2021 geschafft haben. Aber in der Vergangenheit haben wir uns das Leben

etwas schwerer gemacht, als es hätte sein müssen. Inwiefern? Wir hatten uns etwa vorgenommen, uns für die EM 2017 zu qualifizieren. Bei einem der letzten Vorbereitungsspiele habe ich mich dann verletzt, konnte der Mannschaft nicht helfen. Wir sind trotzdem mit einem Auswärtssieg in den Niederlanden gestartet und haben dann im Heimspiel gegen Deutschland bis kurz vor Schluss geführt, wurden dann nervös und verloren mit zwei Punkten. Nach dieser Niederlage ist die Mannschaft dann auseinandergebrochen, und wir haben unser Ziel nicht erreicht. Wir haben uns dann als Mannschaft im nächsten Sommer wiedergefunden und die Vorqualifikation zur WM unter Coach Kestutis Kemzura souverän geschafft. Darauf folgten aber aufgrund der neu eingeführten FIBA-Nationalmannschaftsfenster Trainerwechsel, weil Coach Kemzura auch Assistant Coach bei Darüssafaka Istanbul war. Mit denen war er auch im Eurocup aktiv und wurde vom Klub nicht für das FIBA-Fenster freigegeben. Danach kam mit Matthias Zollner ein super Trainer, der eine fast unmögliche Aufgabe hatte. Er musste uns innerhalb einer Woche auf zwei unglaublich schwere Spiele in Serbien und zu Hause gegen Deutschland vorbereiten. Dass du in dieser Zeit nicht alles umsetzen kannst, was ein Trainer gerne hätte, ist selbstverständlich. Die zwei Spiele gingen als Konsequenz deutlich verloren. Wir

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KLEPEISZ Five160.indb 3

Fotos: TF-Images/Getty Images

THOMAS

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BBL

Interview:

Thomas

Klepeisz

hätten mit etwas mehr Vorbereitungszeit bessere Chancen gegen die Top-Nationen gehabt, was wir im zweiten Fenster unter Zollner im Heimspiel gegen Serbien beweisen konnten. Diese Begegnung ging mit 81:82 verloren, wobei wir den Sieg mit dem letzten Wurf in der Hand hatten. Nach diesem Fenster kam es erneut zu einem Trainerwechsel, was uns zunächst natürlich wieder zurückwarf. Trotz einer Niederlage am letzten Spieltag gegen Großbritannien habt ihr nun die Vorqualifikation zur EM 2021 geschafft, dürft also an der eigentlichen Qualifikation teilnehmen. Das ist doch schon etwas, oder? Ja, die Vorqualifikation mit dem neuen Trainer Mike Coffin haben wir jetzt geschafft. Aber ein Traum von mir wäre es, mit Österreich bei einer EM oder WM dabei zu sein.

Fotos: TF-Images/Getty Images

Wie könnte man den österreichischen Basketball als Ganzes deiner Meinung nach voranbringen? Die österreichische Liga muss weiter gestärkt werden, und es braucht Aushängeschilder wie Jakob Pöltl. Dazu müsste man es schaffen, die Leute zum Basketballsport zu bringen, indem man die Hallen wieder füllt. Ich denke, durch volle Hallen kann man am besten den Nachwuchs begeistern, um somit eine breite Basis aufzubauen. Um den Sport attraktiver zu machen, müssen Verband und Liga noch besser und enger zusammenarbeiten und auch die Vereine untereinander zusammen versuchen, Basketball nach vorne zu bringen. Natürlich will jeder Verein erfolgreich sein und gewinnen, aber trotzdem sollte man hierbei das große Ziel, Basketball populärer zu machen, nicht aus den Augen verlieren. Deine erste Auslandsstation in Braunschweig startete für dich im Jahr 2016 eher etwas unglücklich … Ja, im Sommer vor der Saison bin ich für die Nationalmannschaft aufgelaufen. Dabei habe ich mir meine erste schwere Verletzung zugezogen, mit doppeltem Bänderriss im Knöchel. Da war ich dann erst einmal acht Wochen lang außer Gefecht. Davon zurückzukommen und dann auch noch auf ein ganz anderes Niveau, als ich es aus der österreichischen Bundesliga kannte, war eine große Herausforderung. Ich hatte ja noch nicht einmal meinen Platz in der Mannschaft gefunden, weil der Kader komplett neu zusammengestellt war. Jeder hat versucht, seine Rolle zu finden und die auch zu behaupten. Und dann kam ich nach acht Wochen dazu, wollte mich beweisen – das war schwierig. Gab es durch diese Rollenkämpfe auch Diskrepanzen innerhalb der Mannschaft?

Diskrepanzen gab es nicht. Aber dadurch, dass ich erst später dazukam, musste ich mich mit einer Rolle zufriedengeben, die nicht unbedingt gut für die Mannschaft war. Ich glaube, wenn ich ohne die Verletzung gleich eine größere Rolle gehabt hätte, dann hätte die Mannschaft anderen Basketball gespielt. Das musst du genauer erklären. Hättet ihr dann mehr als die sechs Siege eingefahren, die am Saisonende auf eurem Konto standen? Wir waren damals sehr stark auf Einzelaktionen angewiesen und haben wenig Teambasketball gespielt. Ich

denke, dass ich einen anderen Spielstil eingebracht hätte. Wir hatten mit Carlos Medlock einen Scoring Point Guard, der unglaubliche Würfe getroffen hat. Der war richtig gut und im Scoring sicher auch besser als ich. Aber Scoring ist auf der Aufbauposition eben nicht das Einzige. Mitspieler in Szene setzen, Systeme laufen, die Schwächen der Gegner attackieren und wissen, wo der Ball hinmuss, ist sicher genauso wichtig. Im Endeffekt haben wir alles richtig gemacht, weil wir das Ziel Klassenerhalt geschafft haben und deshalb jetzt die Möglichkeit haben, weiterhin Top-Basketball in Braunschweig zu spielen.

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gerade so in der Liga bleibt. Wir konnten – besonders mit Blick auf unser Budget – in meinem zweiten Jahr überraschen. Im dritten haben wir in den Playoffs gespielt. Das erfüllt mich auch ein wenig mit Stolz.

habe ich sicher auch schon getroffen. Die Mitspieler sind auch überrascht, wenn sie ihn beim ersten Mal sehen. Aber mittlerweile wissen sie, dass es mein Markenzeichen ist.

War nach dem Wechsel aus Österreich nach Deutschland auch etwas Ehrfurcht vor den Gegenspielern dabei? Ehrfurcht ist vielleicht etwas zu viel. Aber ich hatte schon Respekt – vielleicht zu viel Respekt. Die BBL habe ich früher als Kind im Fernsehen verfolgt, und auf einmal spielte ich dann selbst gegen Leute wie Julius Jenkins. Irgendwann erarbeitest du dir dann aber dein Selbstvertrauen.

Du bist jetzt 27 Jahre alt, hast mit Güssing und Braunschweig in deiner Karriere aber erst für zwei Vereine gespielt. Im Profibasketball ist das doch eher ungewöhnlich … Ich bin da sehr ... sagen wir ... sesshaft, so eine Art Gewohnheitstier. Wenn ich mich irgendwo wohlfühle und meine, dass das Umfeld stimmt, sehe ich keinen Grund, daran etwas zu verändern. Wenn mein Verein in Güssing nicht pleitegegangen wäre – ich weiß nicht, ob ich da jemals weggegangen wäre.

Und du hast auch gemerkt, dass du dich auch auf diesem höheren Level durchsetzen kannst … Ja, auf jeden Fall. Den Moment gab es auch. Jetzt fühle ich mich als etablierter Spieler. Da spielt man mit einem anderen Selbstvertrauen. Der Coach etwa will, dass ich eigentlich noch mehr werfe. Aber ich nehme nicht gerne schlechte

„Wenn dann noch ein Dritter dabei ist, der alles draufwirft, ist das schnell kontraproduktiv.“ -----------

Du sagtest, du bist in die BBL gegangen, um dich zu beweisen. Jetzt in deinem dritten Jahr ... hat das geklappt? Ja. Also natürlich passt man seine Ziele dann immer wieder an, aber ich denke, dass ich schon halbwegs in der Liga angekommen bin. Nur halbwegs? Luft nach oben ist natürlich immer. Ich will auch zeigen, dass noch mehr in mir steckt. Die immer besseren Leistungen der Mannschaft geben mir aber die größte Bestätigung. Ich meine damit auch, dass ich mir beweisen konnte, nicht nur in einem Team spielen zu können, das

-----------

Würfe. Vielleicht bin ich dafür im Kopf auch zu viel Point Guard. Ich denke aber, dass es gut für die Mannschaft ist, wenn man zwei Spieler auf dem Feld hat, die den Ball bewegen wollen, und nicht einen Guard, der nur draufballern will. Vor allem, wenn du mit Scorern wie Scott Eatherton und DeAndre Lansdowne spielst. Wenn dann noch ein Dritter dabei ist, der alles draufwirft, ist das schnell kontraproduktiv. Dein einbeiniger Dreier aus dem Lauf – den du ja recht hochprozentig triffst – ist demnach antrainiert und kein schlechter Wurf für dich? (lacht) Den musste ich bei meinen Coaches zunächst einmal durchsetzen. War das eine harte Diskussion? In Güssing war das noch eine große Diskussion. Aber wenn du triffst, hast du eben recht. Diesen Wurf trainiere ich auch genau so – und fünf bis zehn davon

Echt? Hätte es dich nie gereizt, mal im Ausland beziehungsweise auf höherem Niveau zu spielen? Doch, das auf jeden Fall. Aber wir haben dort auch in internationalen Wettbewerben gespielt. Und wir haben da auch gut gespielt und schon bewiesen, dass wir auch auf diesem Niveau mithalten können. Du hast deinen Vertrag verlängert, gehst im Herbst in deine vierte Saison in Braunschweig. Die Entwicklungskurve der letzten zwei Jahre zeigt nach oben. Kann das nächste Spielzeit so weitergehen, obwohl Trainer Frank Menz dann nicht mehr dabei sein wird? Ich hoffe natürlich, dass wir uns weiterhin so gut entwickeln. Frank Menz hatte daran einen großen Anteil, was hier geschehen ist. Sein Abgang schmerzt natürlich sehr. In Braunschweig müssen wir versuchen, andere Möglichkeiten zu finden und das weiterzuführen, aus den Erfahrungen zu lernen und den Schwung mitzunehmen. Alles, was hier in den vergangenen drei Jahren aufgebaut wurde, muss dafür als Basis dienen. Wolltest du durch deine frühzeitige Vertragsverlängerung dahingehend auch ein Zeichen setzen? In diesem Sinne war es schon ein Zeichen. Dafür, dass wir hier weiterhin gut arbeiten wollen und dass jetzt nicht alles wieder auseinanderbricht. Ich hoffe, dass der eine oder andere Spieler da auch noch nachzieht. Das wäre schön, und das wäre wichtig. Dann können wir hier auch weiterhin guten Basketball spielen. Gab es denn auch andere Angebote für dich? Zum Beispiel aus der BBL? Ja, die gab es tatsächlich. Aber ich hatte schon ziemlich früh entschieden, dass ich in Braunschweig bleiben werde. Der Markt geht ja eigentlich erst im Sommer so richtig los. Dennoch gab es Interesse von einigen anderen Klubs, auch aus Deutschland. redaktion@fivemag.de

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social media F I V E

FIVE

MEETS

M E E T S

5IVE FACTS ... ABOUT Gleich drei Mal trafen Saison mit deutschen

BADU BUCK

BBL-Spielern für einen

20 Jahre,

detaillierten Blick hinter

s.Oliver Würzburg

die Kulissen. Egal ob

1. ICH HATTE NIE WIRKLICH EIN VORBILD, BIS ICH ANGEFANGEN HABE, STRUKTURIERTEN BASKETBALL ZU SPIELEN. AB DANN WAR ES RUDY GAY, DER DAMALS NOCH BEI DEN MEMPHIS GRIZZLIES GESPIELT HAT, ABER NATÜRLICH GUCKT MAN SICH VON VIELEN ANDEREN SPIELERN AUCH GERNE SACHEN AB.

wir uns in der letzten

zu Hause, bei der Fahrt zum Training oder beim Einkaufen im Supermarkt. FIVE war live mit dabei und präsentiert euch die Spieler hautnah. Unter

2. ES GAB KEINEN PLAN B! ;-)

anderem haben wir den

3. FUSSBALL … UND ICH WÜRDE GERN MAL ODELL BECKHAM JR. UND KOBE BRYANT TREFFEN.

Jungs fünf Insider-Fragen gestellt, auf die ihr schon immer mal die Antwort wissen wolltet. Folgt @five_mag auf Instagram und verpasst keine Folge von FIVE MEETS!

1.

WER WAR ALS KIND DEIN BASKETBALL-VORBILD? ------------------------------------

2.

WENN DU NICHT BASKETBALLER GEWORDEN WÄRST, WÄRST DU JETZT ...? ------------------------------------

3.

WELCHE ANDERE SPORTART BEGEISTERT DICH, UND WELCHEN SPORTLER WÜRDEST DU GERNE EINMAL TREFFEN? ------------------------------------

4.

KANNST DU UNS EINE CHARAKTEREIGENSCHAFT NENNEN, DIE AUS DEINER SICHT TYPISCH FÜR BASKETBALLER IST? ------------------------------------

5.

IN WELCHEM BASKETBALLSCHUH ZOCKST DU AKTUELL, UND WELCHEN SNEAKER ROCKST DU AUF DER STRASSE?

4. WE BRING THE SWAG TO THE COURT. KILLER-INSTINKT! 5. IM MOMENT SPIELE ICH IN DEM NEUEN KOBE AD, DEN HARDENS UND PG S . AUF DER STRASSE IST MEINE KOLLEKTION GRÖSSER. VON SEAN WOTHERSPOON ÜBER JORDAN 1 & 4 UND DIE KLASSISCHEN VANS IST ALLES DABEI.

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BASTI DORETH

ALEX KING

30 Jahre,

34 Jahre,

medi Bayreuth

FC Bayer n

1. STEVE NASH. 2. STUDENT/BARKEEPER. 3. GOLF. TIGER WOODS. 4. TO COOL FOR SCHOOL. 5. PUMA UPROAR AUF DEM COURT, AUF DER STRASSE DEN PUMA RS-X.

München 1. ALLEN IVERSON, MICHAEL JORDAN. 2. PILOT. 3. FUSSBALL ODER BASEBALL. PATRICK KLUIVERT WAR EINER MEINER LIEBLINGSSPIELER. 4. EHRGEIZIG, AMBITIONIERT. 5. JAMES HARDEN VOL. 3, OFF-COURT UNTERSCHIEDLICH, ABER ZURZEIT ZIEHE ICH VANS AN.

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in-dre-ssant

Das

Ende

der

Warriors

In-DrĂŠ-ssant Das Ende

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2019 endete die Ära der überragenden Golden State Warriors. Schuld daran hat niemand. Text: André Voigt

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3. Juni 2019. Spiel sechs der NBAFinals 2019. 2:23 Minuten waren im dritten Viertel noch zu spielen, als die Dominanz der Golden State Warriors endete. Klay Thompson bekam einen Pass von Steph Curry im Fastbreak. Der Shooting Guard ging im Vollsprint hoch, bereit, per Dunk auf fünf Punkte Vorsprung zu erhöhen. Die Oracle Arena wäre explodiert in diesem Do-or-die-Spiel. Doch Danny Green springt mit Thompson zum Ring, versucht den Dunk zu blocken. Der Toronto Raptor trifft seinen Gegner am Oberkörper, Thompson verliert in der Luft sein Gleichgewicht, landet unglücklich auf seinem rechten Bein, sein Knie knickt nach vorne innen weg. Schmerz verzerrt sein Gesicht. Wenige Stunden nach Ende der Partie, nach Ende der Finals, besiegelt die Diagnose „Kreuzbandriss“ auch das Ende der Dynastie der Golden State Warriors. Erst Kevin Durant, jetzt Thompson. Achillessehnenriss, Kreuzbandriss …

Zu früh?

Was war nicht alles geschrieben und geschrien worden, als diese Warriors vor gut einem Jahr DeMarcus Cousins an Bord holten. Langweilig würde die NBA werden, der Titel ohnehin nach Oakland gehen. Die Liga, sie wäre kaputt. Über Jahre. Jetzt sind die Warriors kaputt. Dahingerafft von Verletzungen, für die wohl niemand etwas kann. Sicher: Durants Comeback in der fünften Begegnung dieser Endspiele war kontrovers. Das allgemeine Verletzungsrisiko nach einer so langen Pause ist natürlich erhöht – das ist es bei jeder Rückkehr zurück in den Leistungssport nach langer Pause. Eine direkte Verbindung zwischen seiner Wadenzerrung und dem Achillessehnenriss kann aber niemand auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse ziehen. War das Risiko seiner Rückkehr zu hoch? Der Spieler, die medizinische Abteilung und die sportliche Leitung trafen die Entscheidung nach eigener Aussage gemeinsam – wohl wissend, dass die Verletzungsgefahr erhöht war. Dass aber am Ende die Achillessehne riss, war wohl schlicht und einfach Pech. Durant wollte spielen. Er war fit genug, um es zu versuchen. Es kam zum GAU. Hätte er den Rest der Finals nicht gespielt, wäre es nicht dazu gekommen. So zu argumentieren, liegt nahe, doch niemand weiß, ob die Sehne nicht eh schon geschädigt war. Zum Zeitpunkt des Erscheinens dieser Ausgabe wird klar sein, wo der im September 31 Jahre alt werdende Superstar in der kommenden Saison sein Geld verdient. Dass er 2019/20 indes keine NBA-Partie bestreiten wird, steht schon länger fest.

Durant wird wohl ein gutes Jahr brauchen, um aufs Parkett zurückzukehren. Die Erfahrung zeigt zudem, dass die Comeback-Saison nach einem Achillessehnenriss kein Erfolg wird – der Rekonvaleszent braucht diese Spielzeit, um wieder reinzukommen … wenn er das je wieder vollends tut. Die Chancen, dass Kevin Durant nie wieder derselbe dominante Scorer sein wird, dass wir alle schon den besten „KD“ aller Zeiten gesehen haben, sind leider sehr, sehr groß.

Ein Unfall

Auch bei Klay Thompson gab es Zweifel, ob er hätte spielen sollen. Immerhin hatte er selbst wegen einer Muskelverletzung die dritte Finalpartie verpasst. Die Bilder seiner Verletzung zeigen jedoch recht eindeutig, dass es ein Unfall war, der zu seinem Kreuzbandriss führte. In der Luft das Gleichgewicht zu verlieren, ist mit das Ekligste, was einem Basketballer auf dem Feld passieren kann. Die Landung gerät dann zum Risiko, weil das Körpergewicht unter Umständen nicht optimal abgefangen werden kann – so wie in Thompsons Fall. Mit einer langen NBA-Saison in den Knochen erhöht sich natürlich auch hier das Verletzungsrisiko, aber auch hier kann niemand ein Vorwurf gemacht werden. Da Kreuzbandrisse viel häufiger vorkommen als die der Achillessehne, ist sein Weg zurück klar skizziert. Er könnte eventuell spät 2019/20 wieder eingreifen, wenn der Heilungsprozess gut verläuft. Die anstehenden Rehamaßnahmen sind bekannt und wurden in den letzten Jahrzehnten stark verfeinert. Es ist anzunehmen, dass Klay Thompson halbwegs der Alte sein wird, wenn er 2020 im Alter von 30 Jahren zurück zwischen die Linien tritt. Trotzdem sind die Warriors kaputt. Das Team, welches die einen ob seiner Dominanz verfluchten und die anderen wegen seines traumschönen Basketballs an beiden Enden des Feldes feierten, wird nie wieder sein – selbst wenn Durant, Thompson und auch Cousins in dieser Free Agency bei den Warriors geblieben sind. Die Dynastie ist zu Ende. Drei Titel in fünf Jahren sind eine überragende Ausbeute. Die Warriors werden als eines der besten Teams der Geschichte in die NBA-Annalen eingehen. Diese fünf Jahre waren ereignisreich, sie haben polarisiert, haben schöne und schaurige Momente parat gehalten. Diese Zeit hat das Beste aus den Warriors, aber auch aus LeBron James und seinen Cleveland Cavaliers sowie den Toronto Raptors um Kawhi Leonard herausgeholt. Diese Zeit hat die Liga verändert. Sie hat den Basketball verändert. redaktion@fivemag.de

Fotos: Ezra Shaw/Getty Images

Mit den NBA-Finals

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ivan beslic

ivan beslic Ziemlich beste Freunde

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reunde, pünktlich zum Saisonende wurden wieder mal die NBA-Awards verteilt. Neben der unwichtigen MVPTrophäe oder einer nichtssagenden Auszeichnung für den „Rookie des Jahres“ gibt es auch einen Award, bei dem es um mehr als „nur“ Basketball geht. Dies ist die Geschichte von Maurice Stokes und Jack Twyman – zwei Hall of Famer, deren Namen ihr euch hinter die Löffel schreiben solltet. #realtalk Beide Spieler wurden 1955 von den Rochester Royals (heute Sacramento Kings) gedraftet, Small Forward Jack Twyman war ein geborener Scorer, während sein Mitspieler Maurice Stokes als revolutionärer Power Forward für Furore in der Liga sorgte. Twyman (zweiter Pick der Draft) wurde in seinem ersten Jahr zum ROY und ins All-Star-Game gewählt, führte die Liga bei den Rebounds an und war sowohl im Scoring als auch bei den Assists unter den Top 10 zu finden. Er war ein unglaubliches Talent, dessen Game der Konkurrenz um Jahrzehnte voraus war, quasi der Papa von Magic Johnson und dem „Mailman“. Nach einem Übergangsjahr in Rochester zog die Franchise aus finanziellen Gründen nach Cincinnati, wo Stokes und Twyman das Team bereits in ihrem dritten gemeinsamen Jahr in die Playoffs führten. Alles lief bestens, bis sich am 12. März 1958 alles ändern sollte … Im letzten Saisonspiel fiel Stokes beim Korbgetümmel so ungünstig auf den Kopf, dass er für mehrere Minuten bewusstlos war. Etwas Riechsalz später spielte er unbeeindruckt weiter und beendete die Partie sogar noch als Topscorer. #Noexcuses Der Sturz wurde damals nicht so ernst genommen, was fatale Folgen haben sollte. Drei Tage später ging es zum ersten Playoff-Game nach Detroit. Die Royals verloren den Auftakt, und „Moe“ fühlte sich den ganzen Tag sehr unwohl, während des Heimflugs kam es dann zum Worst-Case-Szenario. Stokes

brach unter Schweißausbrüchen und großen Schmerzen zusammen. Der Sturz hatte eine Gehirnschwellung verursacht, die der Kabinendruck verstärkte, was zu einer Schädigung des Nervensystems führte. Trotz Notlandung und Blaulichtfahrt zum Krankenhaus war nicht mehr viel zu retten. Stokes wachte erst Wochen später aus dem Koma auf, und nichts sollte mehr so sein, wie es war … sein gesamter Körper war gelähmt. Ein dramatischer Schicksalsschlag für den damals 24-Jährigen. Vom umjubelten Star zum Pflegefall fünften Grades. Dazu kam, dass seine medizinische Betreuung mit 100.000 Dollar im Jahr alles andere als billig war, seine 20.000 Dollar Spielergehalt, die er pro Saison verdiente, reichten da vielleicht gerade mal für das Krankenhausfutter. Zum Glück gab es da aber noch Jack Twyman. Er besuchte Maurice so oft wie möglich in der Klinik, die beiden waren mehr als nur Teamkameraden, sie waren echte Homies. Da Stokes nicht mehr reden konnte, wurde durch Augenblinzeln kommuniziert, wie bei Ü40-Singlepartys. Twyman, der in den Sommerpausen als Versicherungsvertreter arbeitete, machte es sich zur Aufgabe, seinem Kumpel zu helfen. Er übernahm die rechtliche Vormundschaft für Stokes – ein ehrenhafter Move, der ihm damals aber ziemlich viel Rassenhass einbrachte. #stillaProblem Da es sich um einen Arbeitsunfall handelte und NBA-Spieler damals nicht krankenversichert waren, klagte er gegen die Liga, auch für diesen aufzukommen. Twyman hatte in der Folge auch einen großen Anteil an der Gründung der NBA-Spielergewerkschaft. Doch da ging noch mehr! Der sechsfache All Star nutze alle seine Kontakte und rief jedes Jahr zum Benefizspiel. Legenden wie Wilt Chamberlain, Bob Cousy oder Oscar Robertson gehörten neben vielen damaligen Stars zu den Aushängeschildern der Games, die das nötige Geld für Stokes’ Behandlungen einbrachten.

Der unglaubliche Support und sein starker Wille gaben Maurice die Kraft, sich tagtäglich in Rehakliniken wieder ins Leben zurückzukämpfen. So erlernte er mit der Zeit erneut das Sprechen und konnte sogar wieder selbstständig essen. Da wirken die eigenen Probleme plötzlich Muggsy-Boguesklein! Leider erlitt er nur zwölf Jahre nach dem tragischen Unfall einen Herzinfarkt und verstarb im Jahr 1970. Nach dessen Tod machte Jack Twyman weiter und nominierte Stokes für die nächsten 34 Jahre immer wieder für die Hall of Fame, bis die Basketballgötter ihn letztendlich 2004 aufnahmen. Was am meisten von seiner Laudatio über Maurice bei mir hängenblieb, ist der Satz: „Was ich auch immer für Maurice getan habe, er hat es mir zehnfach zurückgegeben.“ Trotz der Umstände habe er ihn niemals depressiv, wütend oder traurig erlebt. „Moes“ Einstellung war eine Bereicherung und Inspiration für sein ganzes Umfeld. #Stokesmentality Nachdem auch Twyman im Jahr 2012 verstarb, ehrte die NBA die beiden Ehrenmänner mit einem eigenen Award, der seit 2013 jährlich vergeben wird: dem „TwymanStokes Teammate of the Year Award“, der an selbstlose und vorbildliche Spieler auf und neben dem Court verliehen wird. Ein Titel, den auch unser Dirk 2017 dankend annahm. #bestermann Freunde, auch wenn diese Story über 50 Jahre her ist, spielen sich ähnliche Dinge tagtäglich überall auf der Welt ab. Einen fetten Respekt an alle Jacks und Maurices da draußen, die nicht aufgeben und sich auch nicht von Krankheiten oder Schicksalsschlägen unterkriegen lassen. Auch wenn es dafür keinen Award gibt – ihr seid die wahren MVPs! Keep on fighting und genießt den Sommer!

Peace, Ivan

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