FIVE #159

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BASKETBALL FOR LIFE

MIT SPOILERN

DIRK NOWITZKI

06/2019

159

PHILIPP HERKENHOFF

SEINE 14 GRÖSSTEN MOMENTE

DAS UNGEWÖHNLICH GUTE TALENT

NBA DRAFT 2019

JA MORANT

WAS KÖNNEN ZION WILLIAMSON, R.J. BARRETT, JA MORANT UND CO.?

DER BESTE POINT GUARD DER DRAFT 2019!

L.A. LAKERS

ENDE VOM ANFANG ODER ANFANG VOM ENDE?

NBA STUDIOS 3,90 €

Österreich 5,00 € Schweiz 7,80 SFR BeNeLUX 4,60 € Italien 5,25 € Spanien 5,25 €

Skills-Check: Dirk Nowitzki 2011 // Thad young // p.j. tucker // steven adams // jarrett allen // Tomas Satoransky Landry Shamet // Jahlil Okafor // Haywoode Workman // johannes richter // Konrad Wysocki // und vieles mehr!

ISSUE 159 ISSN 1614-9297 WWW.FIVEMAG.DE


THE BEST DAMN BASKETBALL

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K1X SUMMER 2019

SHORTS IN

THE GAME.


editorial

FIVE

IMPRESSUM

159

Redaktion: redaktion@fivemag.de

EIN VERLIERER ALS GEWINNER LIEBE FIVE-GEMEINDE,

Fotos:Glenn James/NBAE via Getty Images

es kam für alle überraschend: das Karriereende von Dirk Nowitzki. Damit ist an dieser Stelle nicht die Tatsache gemeint, dass der beste deutsche Basketballer aller Zeiten seine Sneaker an den Nagel hängt, sondern der Zeitpunkt, an dem er dies kundtat. Über Monate hatte der 40-Jährige immer wieder gesagt, dass er erst im Sommer entscheiden würde, ob es für ihn weitergeht. Doch dann verabschiedete er sich bereits nach dem letzten Heimspiel der Saison gegen die Phoenix Suns. Viel wurde seither über die Bedeutung seiner Karriere, über ihn als Mensch und Sportler geschrieben bzw. gesagt. Eine Sache fehlte aber immer. Eine, ohne die die Geschichte des Dirk Nowitzki nicht dieselbe wäre. Die Rede ist von den Niederlagen, den Rück- und Nackenschlägen, die Nummer 41 in seiner Karriere hinnehmen musste. 2004. Besitzer Mark Cuban entscheidet sich gegen eine Weiterverpflichtung des späteren zweifachen MVPs der Liga, Steve Nash. 2006. 2-0-Führung in den Finals gegen die Miami Heat, gefolgt von einem unfassbaren

Herausgeber: Christian Grosse Chefredakteur: André Voigt (verantw.) Grafik: Patrick „Mochokla“ Ortega Fotos: Getty Images Lektorat: Thomas Brill

Kollaps und vier bitteren Niederlagen in Folge. 2007. 67 Siege in der regulären Saison. Bestes Team in der NBA. Dann das krasse Erstrundenaus gegen die von Don Nelson trainierten Golden State Warriors. 2011. Mark Cuban entscheidet sich dagegen, das Meisterteam zusammenzuhalten, und hofft darauf, künftig starke Free Agents zu verpflichten. 2012 bis 2018. Kein starker Free Agent entscheidet sich für die Mavs. 2015 gibt Defensivcenter DeAndre Jordan zwar Dallas sein Wort, macht dann aber einen Rückzieher und bleibt bei den L.A. Clippers. Nach der Meisterschaft geht es bis zum Ende in acht Saisons vier Mal in die Playoffs – jedes Mal ist in der ersten Runde Schluss. Von 2017 bis 2019 findet die Postseason ohne Dirk Nowitzki und die Mavs statt. Keine Frage: Die Story des Dirk Werner Nowitzki ist auch eine der Rückschläge, des Durchhaltens, des Glaubens an die eigene Stärke. Wie leicht hätte er die Mavs etwa 2010 als Free Agent verlassen können, um irgendwo anders den heiß ersehnten Titel zu gewinnen? Doch Nowitzki blieb. Er ließ alle Kritiker verstummen, als er ohne zweiten

BESTEN DUNK

nächste aUSGABE

Dré dunkt allen, die das Cover dieser Ausgabe schon vorab in den sozialen Medien krass abgefeiert haben!

Die FIVE #160 erscheint am 05. Juli 2019 oder liegt schon bis zu vier Tage vorher bei allen Abonnenten im Briefkasten. Dann im Heft: die NBA-Finals 2019, die NBA-Draft 2019 und vieles mehr!

Ausgabe verpasst? Kein Thema. Scannt den nebenstehenden Code mit eurem Smartphone ein oder

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Verlag: KICKZ Never Not Ballin’ GmbH Landwehrstr. 60 80336 München Tel.: +49-89-324 781 70 Fax: +49-89-324 781 99

schaut auf www.kickz.com/de/five vorbei und ordert einfach nach.

Abo-All-Star Meister wurde – etwas, das im Zeitalter der Superteams sonst niemandem gelungen war. „Irk“? „Nowinski“? Eher „Champinski“ und einer der größten Basketballer aller Zeiten! Und jetzt ist er halt erst mal weg. Auch wenn er nie so wirklich weg sein wird. In Deutschland werden wir ihn wohl selten sehen in den kommenden Jahren, aber das ist okay. Die Erinnerung bleibt, die Momente bleiben ebenfalls. Dirk wird für uns, die ihn erlebt haben, ewig alles überstrahlen, über jeden Zweifel erhaben sein. Mehr noch: Er ist so unantastbar, dass es eine ganze Weile dauern wird, bevor wir jemand anders auch nur irgendwie an ihm messen werden – wenn dieser Punkt überhaupt jemals kommen wird. Die Ära von Dirk Nowitzki ist vorbei. Die NBA geht weiter. So richtig werden wir ihn wohl eh erst nächste Saison vermissen, wenn sich sein Name nicht mehr in den Boxscores „seiner“ Mavericks finden lässt.

Mitarbeiter dieser Ausgabe: Sebastian Dumitru Christian Orban Moritz Wagner Ruben Spoden Manuel Baraniak Jens Leutenecker Peter Bieg Thomas Fritz Torben Adelhardt Björn Lehmkühler Daniel Müller Ivan Beslic Robbin Barberan Aboservice: KICKZ Never Not Ballin’ GmbH E-Mail: abo@fivemag.de Tel.: +49-89-324 781 70 Druck: Dierichs Druck + Media GmbH & Co. KG Frankfurter Straße 168 34121 Kassel Vertrieb: MZV GmbH & Co. KG Ohmstr. 1 85716 Unterschleißheim Für unverlangt eingesandtes und nicht mit einem Urhebervermerk gekennzeichnetes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Beiträge, die namentlich gekennzeichnet sind, geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Vervielfältigung, Speicherung sowie Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlages. Gerichtsstand ist München.

ISSN 1614-9297

Viel Spaß mit FIVE #159! FIVE_MAG

André Voigt

NEXT

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FIVE

inhalt

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24 SECONDS

JARRETT ALLEN

NBA-DRAFT-PREVIEW 2019

INTERVIEW: JOHANNES RICHTER

Prospects, Einwurf, Ruben Spoden,

Der Aufschwung in Brooklyn hat viele

Zion Williamson! R.J. Barrett! Ja

Dicker Bizeps, nichts dahinter?

NBA-Plays, NBA-Skills-Check etc.

Gesichter – und eines davon trägt Afro!

Morant! Die Vorschau auf die Draft!

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ONEPAGER

TOMAS SATORANSKY

JA MORANT

Das ungewöhnlichste Talent im

Thaddeus Young & P.J. Tucker.

Die Geschichte des tschechischen

Der heimliche Star der Draft 2019?

deutschen Basketball.

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Lichtblicks der Washington Wizards.

70

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HAYWOODE WORKMAN

INTERVIEW: DERRICK WILLIAMS

PHILIPP HERKENHOFF

FREE AGENCY 2019

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Wohin gehen die Stars? Welche Teams

LANDRY SHAMET

Die seltene Reise nach „Referee Island“.

Der Bayern-Star im #RealTalk.

können sie holen? Das große Special!

Der neue Edelschütze der L.A. Clippers

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und sein Weg nach Westen.

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94

INTERVIEW: GOGA BITADZE

IN-DRÉ-SSANT

Mischt der Youngster die NBA auf?

FIVE war beim Abschied von Dirk.

78

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L.A. LAKERS

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2018/19 war eine Saison des Scheiterns,

JAHLIL OKAFOR

trotz LeBron James. Warum?

Process. Bust. Hat Jahlil Okafor endlich

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sich selbst gefunden?

STEVEN ADAMS

52

Die unfassbare Geschichte des Steven

DIRK NOWITZKI

A. aus OKC!

FIVE verneigt sich vor dem Größten: die Karriere des Dirk Werner Nowitzki in 14 Momenten.

BBL-TAKTIK-CHECK

WARENKORB

Die Bayern sind der Topfavorit in der

KICKZ & Euroleague!

BBL. Wie spielen sie eigentlich?

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80 INTERVIEW: KONRAD WYSOCKI Über Dirk, Olympia und Unistreik.

IVAN BESLIC Manche Chancen kommen nur einmal im Leben … ein Roadtrip wegen Dirk.

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einwurf

EINWURF

twenty four seconds D

FLASH FOREVER

In seiner Kolumne „Einwurf“ schaut Christian Orban über den Spielfeldrand hinaus und schreibt über die weniger beachteten Aspekte der Basketballkultur. Text: Christian Orban

wyane Wade ist in der Saison 2018/19 etwas gelungen, das vielen NBA-Profis verwehrt bleibt: ein würdevolles und selbstbestimmtes Karriereende. So kann der 37-jährige Altmeister auf eine gelungene Abschiedstour (#OneLastDance) zurückblicken, bei der ihm ligaweit echte Anerkennung und Liebe zuteilwurden. „Ich habe es definitiv genossen“, betont Wade. „Und ich werde es noch mehr genießen, wenn ich zurückblicke. Denn es war ein großartiges Jahr.“ Auch weil er sich seine Gesundheit und den Respekt der Kollegen und Fans zu bewahren vermochte. Schließlich hat der 13-fache All Star in dieser Saison bewiesen, dass er noch immer produktiv zum Erfolg seines Teams beitragen kann. Und zwar als Bankspieler. Eine Rolle, die kaum ein vormaliger Superstar so spät in seiner Karriere so reibungslos angenommen und gut ausgefüllt hat. 15,0 Punkte, 4,2 Assists und 4,0 Rebounds legte „D-Wade“ während seines letzten Tanzes auf – wobei er noch immer in der Lage war, die Offense phasenweise zu tragen und in der Crunchtime Akzente zu setzen. Bemerkenswert ist zudem, dass er von der Weiterentwicklung des Basketballs nicht überrollt wurde, obwohl er seinen Oldschool-Stil beibehalten hat. So könnte „Father Prime“, wenn er denn wollte, sicher noch ein, zwei Jahre effektiv spielen. Stattdessen hat er sich selbstbestimmt erhobenen Hauptes verabschiedet. Als ein wichtiger Teil seines Teams – ein Glück, das gewiss nicht jedem vergönnt ist. Denn oft erfolgt das Ende unzeremoniell, wofür Buddy Carmelo Anthony unfreiwillig Pate steht (wenn es denn bei ihm ein Ende ist …). Dass ihm dies widerfährt, hat Wade selbstreflektiert vermieden: „Es fühlt sich einfach richtig an. Es ist ein Gefühl, das man bekommt. Ich habe auf meine gesamte Karriere geschaut, wo ich im Leben stehe, mein Alter und all das. Es war die Zeit gekommen, mich vom Spiel zu verabschieden.“

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Zugleich hat der Mann aus Chicago seinen würdigen Abgang auch den Miami Heat zu verdanken, in deren Diensten er vierzehneinhalb seiner 16 Profijahre stand. Entsprechend ließ er verlauten: „Ich weiß das zu schätzen. Ich bin froh, dass sie mir diese letzte Saison ermöglicht haben.“ Im Hinblick auf Wades Erfolgskarriere mag es derweil nicht verwundern, dass ihm ein gelungener Abschied geglückt ist. Schließlich schien es immer schon so, als hätte er die Dinge im Griff gehabt: als reifer Rookie, dann ab dem zweiten Jahr als Abo-All-Star sowie als Superstar, der es verstand, mit anderen Ausnahmekönnern wie Shaquille O’Neal freundschaftlich und einträglich zu interagieren. Nach seinem dritten Jahr durfte sich Wade daher bereits NBA-Champ und Finals-MVP nennen. Später gewann er gemeinsam mit den All Stars LeBron James und Chris Bosh in seiner Wahlheimat, die er von der Football- zur Basketballstadt erhob, bei vier Finalteilnahmen zwei weitere Meisterschaften. Wade blieb dabei der Franchise-Player und unangefochtene Fanliebling, wenngleich er James das Team übernehmen ließ und bereitwillig Verantwortung abtrat. Es folgten unerfüllte Abstecher nach Chicago und Cleveland, aber der „Heatle“ machte sich auf den Weg zurück nach „Wade County“, wo er seine Hall-of-Fame-Karriere nun als Leistungsträger beendet hat. Was von dieser bleibt, sind unter anderem folgende Einsichten: Wade war ein Ausnahmespieler, der die Ästhetik und Athletik der (heute verwässerten) Position des Shooting Guards verkörperte. Bevor Außenspieler als Flügel klassifiziert wurden, brillierte der 1,93-MeterMann als vielseitiger Topscorer, der zu seiner Blütezeit 26 Punkte, sechs Rebounds und fünf Assists im Schnitt auflegte. Nicht umsonst „Flash“ genannt, dominierte Wade mit seinem Zug zum Korb und der Abschlussstärke am Ring. Er war zwar kein nennenswerter Distanzschütze, aber dennoch ein effizienter Punktegarant, der für sich und andere

jederzeit kreieren konnte und damals neunmal pro Abend an die Freiwurflinie trat. Zumal der vielleicht beste Shotblocker unter den Guards überhaupt obendrein ein starker Verteidiger war. Im Angriff bestach „D-Wade“ als agiler und smoother Kreativspieler, der es verstand, sich den kleinsten Vorteil zu verschaffen und diesen zu nutzen. Ob im Low- und vom Highpost oder als Dribbler – er vermochte es, Gegenspieler auszumanövrieren und zu überwältigen. Wade war sonach ein smarter, gewandter und elanvoller Athlet, der in jeder Ära Erfolg gehabt hätte. Nämlich ein Akteur, dem die Kollegen den Ball gaben und Platz machten … In der historischen Zusammenschau darf Wade fraglos als Top-5-Shooting-Guard gelten. Das Spiel und seine Position hat er dabei nicht revolutioniert, sondern vielmehr das Vermächtnis von Michael Jordan & Co. sehenswert fortgeführt. Beispielhaft stehen dafür die NBAFinals 2006, als „Flash“ die Heat mit 34,7 Punkten, 7,8 Rebounds, 3,8 Assists und 3,7 Stocks zum Leidwesen von Dirk Nowitzki nach 0-2-Rückstand zum Titel powerte. Die Big-Three-Ära mit James und Bosh (2010 bis 2014) definierte sodann den Sport neu. Egalitäre „Superteams“, positionsloser Skillball und einnehmende Spielerfreundschaften rückten in den Fokus. Denn Wade hatte die Dinge weiterhin im Griff: Er zeigte seine Selbstlosigkeit, teilte das Rampenlicht und formte mit James sowie weiteren NBA-Kollegen eine „Bruderschaft“, die über den Basketball hinausgeht und einer erweiterten Familie gleichkommt. Auch sei erwähnt, dass „D-Wade“ abseits des Feldes wiederholt seine Plattform nutzte, um soziale und systemische Missstände in den USA zu adressieren. Sei es die grassierende Waffengewalt oder der Rassismus gegenüber Minderheiten, die er nachhaltig zu ermächtigen sucht. Der 37-Jährige darf daher als übersportlicher „Unterschiedsspieler“ gelten, der vielen einen Schritt voraus war.


moritz wagner

Fotos: Rob Foldy/Getty Images

MORITZ WAGNER Moritz Wagner hat es geschafft: Er spielt in der NBA. Auch in dieser Saison nimmt euch der Big Man in FIVE mit auf seine Reise, die ihn von Alba Berlin über die University of Michigan zu den L.A. Lakers geführt hat. Text: Moritz Wagner

N

ach einer wirklich sehr ereignisreichen Saison 2018/19 habe ich es nach ziemlich langer Zeit mal wieder geschafft, nach Hause zu fliegen. Am College hatte ich fast immer Glück mit den Spielplänen und konnte in zwei meiner drei Jahre über die Weihnachtszeit nach Hause fliegen. Dieses Jahr ging das natürlich nicht, und dementsprechend war es schon ein bisschen her, dass ich das letzte Mal zu Hause in Berlin war. Ohne es meinen Eltern und meinem Bruder zu erzählen, bin ich zwei Tage nach der Saison nach Hause geflogen und habe sie überrascht. Was die drei Wochen zu Hause echt besonders gemacht hat, waren die Spiele meines Bruders. Da ich in den vergangenen Jahren so beschäftigt war, hatte ich seit dem Frühling nach meiner Freshman-Saison in Michigan kein Spiel von Franz live in der Halle gesehen. Ich erinnere mich noch, wie ich seine Partien aus dem Netz heruntergeladen und dann während des Uniunterrichts geschaut habe. Ihm beim Spielen zuzusehen, hat mich schon immer sehr stolz gemacht. Zu sehen, wie der Kleine, mit dem man so viel zusammen durchgemacht hat und gegen den man wirklich nie bei irgendetwas verlieren wollte, sein Ding durchzieht, ist ein echt schönes Gefühl. Dass er das sogar bei Alba auf der größten Basketballbühne Deutschlands so hinkriegt, macht mich regelmäßig total sprachlos. Die Gelassenheit und Selbstverständlichkeit, die er da an den Tag legt, ist etwas, wo sich der große Bruder eine Scheibe von abschneiden kann. Ich glaube, ich war insgesamt viermal in der Mercedes Benz Arena und habe mir die Alba-Spiele mit meinen Eltern angeschaut, was echt Spaß gemacht hat. Die Leute empfangen mich unglaublich herzlich, und ich fühle mich immer sehr willkommen bei der Alba-Familie. Das erste Mal seit vier Jahren brauchte ich in dieser Offseason eine längere Pause als vier, fünf Tage. Vor

allem mental, da ja doch echt viel passiert ist in den letzten zwei Jahren. Ich hatte es bitter nötig, mal den Ball zur Seite zu legen und den Kopf so gut wie möglich frei zu kriegen. Die ersten paar Tage habe ich in sämtlichen Cafés in Prenzlauer Berg verbracht, Cappuccino getrunken und die Seele baumeln lassen. Natürlich habe ich auch die NBA-Playoffs geguckt, von daher war der Kopf also nicht komplett basketballfrei – aber es hat echt mal gutgetan, alle Fünfe gerade sein zu lassen. Ich habe Freunde gesehen, mit denen ich seit Jahren nicht mehr gepflegt Zeit verbringen konnte. Das mag jetzt kitschig klingen, aber wenn man so lange nicht in seiner Heimatstadt war, dann merkt man erst richtig, warum man diese Stadt so liebt. Simpelste Sachen wie mit dem Fahrrad zu fahren oder mal schnell in eine U-Bahn zu springen, um von A nach B zu kommen – das ist etwas, was ich echt irgendwie vermisse. Ich will gar nicht davon anfangen, wie viele Schawarmas und Ayrans ich in den letzten drei Wochen konsumiert habe ... Jetzt bin ich aber auch wieder „ready“ fürs Training. Es kribbelt schon ein bisschen in den Fingern, und ich habe Bock auf den Sommer. Es ist komisch, ich habe so viele Playoffspiele geguckt in den vergangenen Wochen, und manchmal habe ich mich dabei erwischt, wie ich völlig vergessen habe, dass ich da eigentlich auch dabei sein sollte. Dass ich die Playoffs ja nicht mehr „nur“ als Fan betrachte, sondern vor allem als Motivation. Ich freue mich auch darauf, die Spiele wieder live im TV in den USA ansehen zu können, ohne dass mir die Zeitverschiebung einen miesen Streich spielt. Ich sitze momentan im Flieger zurück nach L.A. und freue mich auf mein Apartment und auch wieder sehr aufs Basketballspielen. Das Rumgammeln hat mich irgendwann ganz kirre gemacht, und es wird höchste Zeit, dass es weitergeht.

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FIVE Buch Klub

Steven Adams: „My Life, My Fight – Rising Up from New Zealand to the OKC Thunder“ 272 Seiten, Penguin Books, 2018, 15 Euro

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Steven Adams

My Life, My Fight Jeden Monat stellen wir euch an dieser Stelle im FIVE-Buchklub lesenswerte Bücher aus der Welt des Basketballs vor. Text: Daniel Müller

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arum schreibt ein NBA-Spieler mit 25 Lenzen nach gerade mal sechs Saisons in der Liga eine Autobiografie? a) Weil er sich selbst so geil findet, dass er schon mal zur Halbzeit berichten will? b) Weil er Geld braucht? c) Weil er eine außergewöhnliche Geschichte zu erzählen hat? Steven Adams ist als zurückhaltender Rollenspieler bekannt und hat einen 100 Millionen schweren Vierjahresdeal bei OKC. Bleibt also nur die außergewöhnliche Geschichte. Und die geht ungefähr so: Steven kommt 1993 als achtzehntes Kind von Sid Adams, einem 2,11 Meter großen Schotten, und dessen fünfter Frau Heilala, einer Tongaerin, im neuseeländischen Rotorua zur Welt. Die materiellen Verhältnisse sind armselig, Zusammenhalt und Unterstützung unter den Geschwistern dafür umso größer. Schule interessiert Steven wenig, er arbeitet lieber auf der Farm seines Bruders und wird von seinen Geschwistern aufgezogen, da seine Mutter sich schnell verabschiedet. Als Steven 13 ist, stirbt sein Vater an Krebs. Mit dem Tod des alten Herrn verliert der Junge seinen Anker: Er geht nicht mehr zur Schule, zockt Tag und Nacht Videospiele, lässt sich treiben. Einer seiner Brüder schleppt ihn zum Basketball, wo Steven sich dank seiner Größe zwar ganz wacker schlägt, im Grunde aber ein krasser Außenseiter ist. In einem Alter, in dem spätere Spitzensportler längst professionell trainieren, hat er noch nie organisiert gespielt und besitzt noch nicht mal Sportschuhe. Aber er hat die Leere satt, will die Trauer überwinden und sucht eine Aufgabe. Als ihn dann Ex-Basketballprofi Kenny McFadden und Fitnesstrainerin Blossom Cameron unter ihre Fittiche nehmen, ist das die Rettung für Steven. Fortan geht es nur noch um Basketball, das gibt ihm Struktur und Fokus. Mit Schule und drei Trainingseinheiten täglich kommt er zwar auf einen 16-Stunden-Tag, aber er hat ein festes Ziel vor Augen: ein CollegeStipendium in den USA. Sein Aufstieg ist kometenhaft, von 2009 bis 2012 wird sein Highschool-Team vier Mal in Folge Staatsmeister, Steven heimst ebenso viele MVP-Trophäen ein. Aber Basketball auf diesem Level kostet Geld, das Steven nicht hat: Ausrüstung, Reisen, Turniere wollen bezahlt werden. Die Eltern seiner Teamkollegen halten ihn aus, aber für die Junior Tall Blacks reicht es trotzdem nicht. Unfassbar, aber der vierfache Junior-MVP Neuseelands kann aus finanziellen Gründen nicht in der Junioren-

Nationalmannschaft der „Kiwis“ spielen! Zudem läuft es schlecht in der Schule. Steven ist zwar relativ smart, war aber nur sehr selten im Unterricht, sodass er sich nicht schriftlich ausdrücken kann. Bei Prüfungen braucht er die Unterstützung eines sogenannten „Reader/ Writer“, also einer Person, die ihm die Aufgaben vorliest und seine Antworten niederschreibt. Mit viel Hilfe packt er es und geht für das letzte Highschool-Jahr in die Staaten an die Notre Dame Prep, wo er sich auf das Studium an der University of Pittsburgh vorbereitet, dem einzigen College, das ihm ein Stipendium angeboten hat. In Pittsburgh darf er allerdings nur rebounden und dunken. Schließt er per Floater ab, kommt er auf die Bank. Nach einem Jahr hat er genug und meldet sich zur 2013er Draft an. Nach Pre-Draft-Workouts bei elf NBATeams geht er als zwölfter Pick nach OKC. Sein großer Traum ist in Erfüllung gegangen: Er ist in der NBA. Musste er sechs Jahre zuvor bei Regenwetter noch Plastiktüten über sein einziges und vollkommen zerfetztes Paar Schuhe ziehen, auf der Couch seiner Fitnesstrainerin schlafen und morgens um 5:30 Uhr aufstehen, um mit seinem Mentor McFadden in eine eiskalte Halle zum Einzeltraining zu gehen, kann er sich jetzt zum ersten Mal im Leben ein Bett leisten, in das sein 2,13-Meter-Körper auch wirklich reinpasst. Die Story klingt verdammt kitschig, sicher ... aber irgendwie auch verdammt gut. Der Rest des Buches erzählt von den Höhen und Tiefen bei OKC; von seiner Schwester Val, der zweifachen Olympiasiegerin im Kugelstoßen; von den Weichteilattacken eines Herrn Green, dem polnischen Abgang eines Herrn Durant und den unterschiedlichen Lesarten des Wortes „Monkey“; von Migräneanfällen, Knochenbrüchen und der Gnadenlosigkeit des „Cut-Throat“-Business NBA. Vom Trashtalk mit „KG“ („Sorry, no English!“), den Bromances mit Enes Kanter und Dre Roberson und natürlich von Stevens Fight – seiner Leidenschaft für den Sport und dem ständigen Bestreben, besser zu werden –, ohne den er heute möglicherweise ein „Mongrel Mobster“ wäre. Der Ton des von Madeleine Chapman co-verfassten Buches ist humorvoll und passt hervorragend zu dem notorischen CamoKlamotten-Träger mit dem Snickers im Gesicht. Aber Vorsicht, Leute: Egal wie ihr jetzt noch zu OKC, „Russ“ und „PG13“ steht, am Ende des Buches werdet ihr den dunkenden Aquaman lieben.

Fotos: Alex Nahorniak-Svenski/NBAE via Getty Images

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five-buchklub


der ruben-report

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ank der sozialen Medien ist man ja heute als Fan ganz nah dran an seinem Team. Auch ich folge natürlich der einen oder anderen Mannschaft aus der BBL oder der NBA. Besonders verfolge ich die Geschehnisse bei meinen alten Teams, und gerade s.Oliver Würzburg lässt uns „Follower“ ja an allen möglichen Tätigkeiten teilhaben. Als ich mich eines Abends, mein Sohn war endlich eingeschlafen, zusammen mit meiner Frau so durch die Storys klickte, blieb ich bei der Dokumentation über eine Auswärtsfahrt der Würzburger hängen. Immer wieder werde ich gefragt, ob ich es nicht vermisse, vor so vielen Zuschauern zu spielen, oder ob es nicht ein komisches Gefühl sei, meine ehemaligen Mitspieler auf dem Parkett zu sehen. Bislang hat mich das Ganze ehrlich gesagt kalt gelassen. Natürlich habe ich immer gerne Basketball gespielt. Doch auch jetzt noch ist die Erinnerung an all das, was man dafür im Laufe einer Saison alles investieren muss, noch viel zu präsent. Ich sehe nicht nur die Körbe und die jubelnden Fans, sondern assoziiere jeden getroffenen Korb mit den unendlichen Stunden an Wurftraining und etlichen Wiederholungen. Ball fangen, Hände positionieren, springen und abdrücken. Immer und immer wieder. Jede gelungene Defensivaktion ruft in mir die Erinnerungen an viele, viele Einheiten hervor, in denen wir durch defensive Rotationen gelaufen sind oder in denen wir bis zum Erbrechen den Shell-Drill durchgeackert haben. Gerade dieser Shell-Drill lässt mir heute noch einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen. Als ich unter Coach Doug Spradley spielte, hatten wir nahezu jedes Training mit diesem heiß geliebten Defensivdrill begonnen. Der entscheidende Unterschied im Training zwischen dem Amateurbereich und dem Profibereich ist natürlich neben der Intensität, Geschwindigkeit und individuellen Klasse der Spieler vor allem die Zeit, die man in Grundlagen investiert. Ein großer Teil der Trainingszeit wird in die immer gleichen Abläufe investiert. Immer wieder werden im defensiven Bereich die Rotationen durchgesprochen und gedrillt.

der Ruben Report Im Offensivbereich sieht das Ganze nicht anders aus. Etliche Stunden werden damit verbracht, durch die verschiedenen Plays zu laufen. 28 verschiedene Spielzüge hatte unser Playbook in meiner letzten BBL-Saison. Dazu kamen immer noch spezielle Spielzüge, die extra an den Gegner angepasst waren. Doch viel wichtiger noch sind die sogenannten offensiven Automatismen. Es macht zwar oft den Anschein, als würden sich Spieler auf dem Feld rein instinktiv und nach plötzlichen Eingebungen bewegen. In Wirklichkeit jedoch folgen die meisten Bewegungen einer festen Regel, denn bewegt sich ein Spieler, müssen alle anderen ihre Position auf dem Feld auch anpassen. Wer sich dabei wohin bewegt, ist also ganz genau vorgegeben und muss als Reaktion geschehen. Die Spielzüge und Automatismen trainierten wir stundenlang im Fünf-gegen-null. So lange, bis man im Schlaf nicht nur die eigenen, sondern auch alle anderen Positionen beherrschte. Sehe ich also heute einen schön rausgespielten Korb, entstanden durch einen Backdoorcut oder eine schöne Passstafette im Angriff, sehe ich auch sofort die viele Zeit, die dafür investiert wurde. So gern ich Basketball spiele, so froh bin ich auch darüber, nicht mehr diese ewig gleichen, monotonen Drills laufen zu müssen. Meine Frau und ich sahen uns die Story weiter an. Plötzlich kamen Bilder aus dem Bus.

„Siehst du, das vermisse ich“, sagte ich meiner Frau und deutete auf die lachenden Gesichter meiner alten Mitspieler, die im Bus Karten spielten. Ein wenig Wehmut ist nämlich schon dabei, wenn ich sehe, dass heute ein anderer auf meinem Platz im Bus sitzt, auf dem ich Woche für Woche für drei lange Jahre durch Deutschland gereist bin. Die Auswärtsfahrten, man reist meist einen Tag vor dem Spiel an, hatten immer ein wenig Klassenfahrtcharakter. Natürlich verflucht man als Spieler hin und wieder die langen Fahrten zu den Auswärtsspielen. Doch die Zeit wussten wir uns immer gut zu vertreiben. Sei es mit Kartenspielen, Lesen oder unendlich langem Philosophieren darüber, welcher Basketballschuh denn nun der beste sei. Im Hotel angekommen, verschwanden zwar alle erst mal auf ihrem Zimmer, doch relativ schnell trafen wir uns immer im Hotelzimmer unseres Physiotherapeuten wieder. Ronny, so sein Name, wusste immer zu unterhalten. Während er den einen oder anderen Spieler durchknetete, packten die anderen ihren Reiseproviant in Form von Süßigkeiten aus und griffen die Diskussionen von der Busfahrt wieder auf. Ein wenig wehmütig klickte ich weiter, und schon das nächste Bild lieferte Eindrücke aus der Trainingshalle: Fünf-gegen-null. „Ach“, dachte ich mir, „manchmal ist es dann doch ganz schön, das Ganze so von außen zu betrachten.“

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Bei der geburt getrennt / Publetter

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- PubLetter -

Bei der geburt getrennt enes kanter

freddie mercury 10

Echt nicht so schlau

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s ist immer gefährlich, Leute aus der Entfernung als dumm zu bezeichnen. Besonders welche, die man eigentlich nur aus dem Fernsehen kennt. Manchmal trügt der erste Eindruck einfach, und überhaupt sollte man niemals über die Intelligenz anderer Leute spekulieren. Zum Glück gibt es den Begriff „Basketball-IQ“, von dem jeder Basketballer schon einmal gehört hat und der auch häufig erkannt wird, wenn man ihn sieht, der aber nur schwer zu beschreiben und unmöglich zu erlernen ist. „Entweder hat man einen hohen Basketball-IQ oder nicht“, dieser Satz gehört zu den unsterblichen Basketball-Weisheiten gleich nach „Ball don’t lie“. Dabei besteht natürlich kein Zusammenhang zwischen normalem IQ und Basketball-IQ. Ohne dass ich meine Hand dafür ins Feuer legen würde, bin ich mir ziemlich sicher, dass zum Beispiel Albert Einstein, Marie Curie und Isaac Newton verhältnismäßig niedrige Basketball-IQs hatten. Russell Westbrook befindet sich also in bester Gesellschaft. Ich kann’s nicht anders beschreiben, und es tut mir auch furchtbar leid, aber „Brodie“ hat an dem Tag, an dem Bball-IQs vergeben wurden, wohl einfach gefehlt. Anders ist es für mich nicht zu erklären, wie einer der besten Basketballer der Liga es seit Jahren mit derselben Taktik versucht, aus den Playoffs fliegt, aber nichts an seiner Vorgehensweise ändern will. „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten“, sagte einst der eben schon erwähnte Albert Einstein. Russell Westbrook ist die Personifizierung dieses Wahnsinns. Drei Jahre ist es jetzt her, dass Kevin Durant seine Koffer packte und „Russ“ alleine in Oklahoma City zurückließ. Seitdem zündete der mittlerweile 30-Jährige fast jeden Abend ein Offensiv-Feuerwerk ab, trug sich in sämtliche Rekordbücher ein, ließ

Triple-Doubles ziemlich einfach aussehen, wurde zum MVP der Liga gekürt … und leistete nichts Nennenswertes für seine ambitionierte Franchise. Unter Westbrooks Führung haben die Thunder in keiner einzigen Saison die 50-Siege-Marke geknackt und nicht eine Playoff-Serie gewonnen. Der Mann mit der Nummer 0 wirft weiterhin, so viel er will und von wo er will, egal ob sein Team hinten liegt oder die Führung innehat. Westbrook spielt die erste Possession nach dem Tip-Off genauso wie die letzte vor der Schlusssirene. Vollgas, kompromisslos, ohne Gewissen. Dabei wäre es schlauer, in manchen Situationen mal Gas wegzunehmen. Mit 29,0 Prozent Trefferquote von der Dreierlinie sollte man beispielsweise nicht über 400-mal von dort werfen, aber das juckt „Russ“ nicht. Auch nicht, dass er von den 70 Spielern, die diese Saison mehr als 15 Punkte pro Spiel erzielten, in Sachen Wurfeffizienz auf dem 69. Rang lag. Darauf angesprochen, entgegnete Westbrook nur, dass er im Sommer fanatisch an seinem Wurf arbeiten würde, um seine Trefferquote zu verbessern. Ist das nicht wundervoll? Der Point Guard des Teams, das in Sachen Offensiveffizienz nur auf dem 17. Platz landete (wobei Westbrook sich den Court auch noch mit einem gewissen Paul George teilt), will nächste Saison einfach mehr treffen, statt weniger Würfe zu nehmen. Problem gelöst, oder? Zunehmend werden die Stimmen lauter, dass Westbrook kein Spieler ist, mit dem man eine Meisterschaft gewinnen kann. Ich schließe mich dem an.

Christian Grosse (Herausgeber)


five-prospects Prospects

Fotos: Pete Still/Redferns/Layne Murdoch/Zach Beeker/Marcel Engelbrecht/NurPhoto via Getty Images

HENRI DRELL

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er 18. März 2019 war für Brose Bamberg unspektakuläre Pflicht: ein ungefährdeter 100:74-Heimsieg gegen die Eisbären Bremerhaven. Serienmeister gegen Abstiegskandidat, ein klares Ding mit klarem Ausgang. Für Henri Drell war der 18. März 2019 dennoch ein ganz besonderer Tag: Denn der 19-jährige Este (zum damaligen Zeitpunkt noch 18 Jahre alt) erzielte seine ersten Zähler in der Basketball-Bundesliga. Verpflichtet haben die Bamberger das Talent aus dem Baltikum bereits 2016 – und das gleich für sechs Jahre. Ein cleverer Schachzug, denn erstens ist Drell grundsätzlich ein spannendes Talent: 2,05 Meter groß, ein guter Scorer, mit einer beeindruckenden Spannweite von 2,16 Meter. Doch zweitens ist Drell in Zukunft ein deutscher Spieler für Bamberg, die sogenannte „Home-Grown-Regelung“ der BBL macht es möglich! Ohne hier aus Platzgründen ins Detail gehen zu können, zählt der Este in Zukunft nicht gegen das Bamberger Ausländerkontingent, weil er seit Jahren im Programm der Franken ausgebildet wird und unter Vertrag steht. Bis er in der BBL dauerhaft und regelmäßig Spielzeit erhalten wird, muss Drell insbesondere noch Muskelmasse aufbauen. Ansonsten ist sein Spiel gerade offensiv vielversprechend: Dreier aus dem Catchand-Shoot, der Sprungwurf nach einem oder

Jeden Monat stellt euch Peter Bieg an dieser Stelle die größten Talente Europas und Deutschlands vor. Text: Peter Bieg

mehreren Dribblings, Drives zum Ring – Drell kann auf vielen Wegen punkten und ist kein reiner Werfer, der Körperkontakt scheut. Seine Scorer-Fähigkeiten zeigt er bisher insbesondere in der ProA, wo er für den Bamberger Kooperationspartner Baunach Young Pikes eine ansprechende Saison spielt: 13,2 Punkte, 3,9 Rebounds und 1,2 Steals pro Partie in durchschnittlich fast 30 Minuten Spielzeit sind respektabel. Zwar muss Drells Wurf konstanter werden (39,9 FG%), aber Auftritte wie gegen Hanau (26 Punkte, 56,3 FG%), Rostock (23 Zähler, zwölf Rebounds) oder Schalke (21 Punkte, 5/9 Dreiern) zeigen, wohin es für den Teenager gehen kann. Für sein Alter liest er gegnerische Verteidigungen bereits auffallend gut. Defensiv ist Drell schon allein aufgrund seiner Spannweite eine Ausnahmeerscheinung und kann mit seinen langen Armen recht viel Abstand zu seinem Gegenspieler lassen. Immer wieder spekuliert er erfolgreich auf Steals oder ist mit seinen Krakenarmen in gegnerischen Passwegen zur Stelle. Wenngleich der Este kein extrem explosiver Athlet ist, reichen Sprungkraft, Schnelligkeit und Spannweite in Kombination definitiv aus, um ihm eine Zukunft als Plus-Verteidiger und guter Rebounder zu prognostizieren, wenn er den Willen zur Verteidigungsarbeit beibehält. redaktion@fivemag.de

Henri Drell Geburtstag: 25.04.2000 Größe: 2,05 Meter Gewicht: 85 Kilogramm Position: Shooting Guard Verein: Brose Bamberg

Stats: Stats: 13,2 PPG, 3,9 RPG, 1,2 SPG, 28,5 MPG, 39,9 FG% (ProA 2018/19)

QR-code: http://bit.ly/HenriDrell Henri Drell im Video.

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skills-check

Dirk

Nowitzki

DIRK NOWITZKI

Im Jahr 2011 gab es einen Spieler, der alle anderen in der NBA überragte. Und er hieß nicht Kobe Bryant, Tim Duncan, Dwight Howard, LeBron James oder Derrick Rose! Text: Jens Leutenecker Position: Power Forward Geburtstag: 19. Juni 1978 Größe: 2,13 Meter Gewicht: 111 Kilo (+2 seit Karriereende) Verein: Dallas Mavericks Erfahrung: 21 Saisons

Stats 2010/11: 24,0 PPG || 7,3 RPG 2,6 APG || 1,8 TPG 0,9 BPG || 42,1 3P% (PER 36 MIN.)

E

s war der lange Blonde aus Deutschland, der mit seinem Mitteldistanz- und Dreierspiel die NBA grundlegend veränderte. Große Spieler dürfen seitdem aus mehr als drei Metern zu einem Sprungwurf ansetzen, ohne direkt ausgewechselt zu werden. Das hatte es in der NBA in dieser Form noch nicht gegeben, und dementsprechend sorgte Dirk Nowitzki für ordentlich Matchup-Probleme. Aber gehen wir es der Reihe nach durch: Durchschnittlich wandert der Ball 2011 knapp sieben Mal zu Nowitzki an den Zonenrand. Viele Centerspieler haben eine Kombination aus Bewegung und Gegenbewegung, und zwar auf einer Seite des Spielfelds. Das ist für viele Postup-Spieler die linke Seite, da sie dort mit ihrer stärkeren rechten Hand zur Mitte abschließen können. Ganz nach der Philosophie von Trainerrebell Holger Geschwindner ist Dirk das völlig egal, er wirft den Ball von überall rein. Das ist insofern schwierig zu verteidigen, als der Gegner einen Angreifer nicht überspielen und Defensivabläufe erzwingen kann, wenn der von rechts wie links alles trifft. Aufgrund des hohen Abwurfpunktes oberhalb Kopfhöhe ist es individualtaktisch eine wahre Mammutaufgabe, den 2,11 Meter großen Nowitzki zu stoppen. Das weiß zum Beispiel Oklahoma Citys Nick Collison, dem schenkt „Dirkules“ in den Western Conference Finals im ersten Spiel 48 und im vierten 40 Punkte ein! Mit dem einbeinigen „FlamingoShot“ im Rückwärtsfallen setzt Nowitzki dem Matchup-Problem die Krone auf, da dieser Wurf nun noch enger verteidigt werden muss. Die komplette restliche Offensive basiert auf Dirks exzellenten Wurffähigkeiten, ähnlich wie Stephen Curry heutzutage ist „The German Wunderkind“ an einem normal guten Tag einfach nicht zu verteidigen.

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Eine Wurftäuschung von Nowitzki oder von Curry ist mehr wert als eine Pumpfake eines „regulären“ NBA-Angreifers, man MUSS agieren und den Wurf überspielen. In keiner Saison schloss Nowitzki aufgrund dieses Vorteils effektiver in Ringnähe ab als im Jahr 2010/11, die 56 Prozent Trefferquote bei Korblegern und Powermoves brachten ihn ins obere NBA-Drittel. Die NBA ist 2010/11 noch vom physischen Spiel geprägt, die Punkte müssen noch hart (und manchmal schmerzhaft) verdient werden. Trotzdem wäre Nowitzki mit den Zahlen von damals in der heutigen NBA mit deutlichem Abstand der beste Postup-Spieler. Weltklasse ist einfach Weltklasse! Das einzige Manko, das man Dirk zuschreiben könnte, ist sein Passspiel vom Zonenrand auf die Mitspieler: Nur jedes fünfte Mal spielt er den Ball wieder nach draußen, und die Passqualität ist auch nicht gerade überragend. Wenn man dem Spieler Nowitzki in seiner grandiosen Karriere etwas ankreiden kann, dann ist es die Tatsache, dass er aus seinem genialen Postup-Spiel nicht ganz die Offensive kreierte, wie es beispielsweise ein Tim Duncan konnte. Dessen Assistrate liegt in der Karriere bei über 16 Prozent, wenn er den Ball vom Zonenrand wieder rausspielte, und die von Nowitzki lediglich bei 12 Prozent. Bevor wir uns jedoch der Gotteslästerung schuldig machen, kommen wir schnell auf die Isolationen an der Ecke der Freiwurflinie zu sprechen: Das Spielchen ist das gleiche, entweder Mitteldistanzwurf oder Zug zum Korb. 52 Prozent trifft er aus der Mitteldistanz, kein NBA-Spieler mit vergleichbarem Volumen ist da auch nur annähernd konkurrenzfähig! Es ist jedoch der clevere Mix aus Bewegungen abseits des Balles und dem Einsatz der Eins-gegen-eins-Fähigkeiten, der die

besten Spieler der NBA-Geschichte in absolute Höhen aufsteigen ließ. Michael Jordan war mit Einführung der Triangle-Offense, als er deutlich häufiger abseits des Balles agieren konnte (oder musste), ein noch besserer Spieler. LeBron James’ Cuts und Fastbreak-Alley-Oops brachten ihn auf ein anderes Level. Nowitzki? Der läuft im richtigen Moment zum perfekten Spot, stellt einen ordentlichen Block für das Pick-and-Pop oder nutzt indirekte Blöcke, um am Ende erfolgreich per Dreier abzuschließen: Die Quote von 39,3 Prozent von der Dreierlinie ist für einen „Sevenfooter“ nach wie vor überragend! Klay Thompson trifft 2018/19 nur minimal besser (40,2 3P%). Die Dallas Mavericks von 2010/11 sind bei Weitem kein Superteam. Jason Kidd, Shawn Marion, Jason Terry, J.J. Barea oder Tyson Chandler sind zwar gute bis sehr gute NBA-Spieler, aber das Level eines Dwyane Wade oder Chris Bosh haben sie nicht. In Zahlen sieht das dann so aus: Nowitzki steht auf dem Feld, und die Mavs spielen offensiv deutlich und defensiv etwas besser. Nowitzki geht raus, und Dallas kassiert einen Run, sodass das On-OffCourt-Rating von Dirk bei +16 Punkten auf 100 Ballbesitze (Karrierebestwert) liegt. Zum Vergleich: Der 2011er MVP Derrick Rose kommt auf +5, und in der heutigen NBA können lediglich Stephen Curry und Giannis Antetokounmpo vergleichbare Zahlen vorweisen. Dass es am Ende nicht zum MVP reicht, liegt zum einen an der spektakulären Spielweise von „D-Rose“ und zum anderen an Dirks zurückhaltendem Punkteschnitt von 23,0. In den Playoffs hingegen legt Nowitzki noch eine Schippe drauf, steigert seinen Schnitt auf 27,7 Punkte und führt die Mavs zur Meisterschaft! redaktion@fivemag.de

Anmerkung: Ich möchte diesen Artikel meinem guten Kumpel Rico widmen, der den Meistertitel der Mavs leider nicht feiern konnte. Er war so ein großer Nowitzki-Fan, dass er immer die gleiche hässliche Frise wie „Dirk Diggler“ hatte und sogar die Gesten von ihm übernahm.


San

Antonio

nba-plays

Spurs

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Patty Mills (1) dribbelt nach vorn. Bryn Forbes (3) setzt einen Block für LaMarcus Aldridge (4). DeMar DeRozan (2) rückt von der Dreierlinie an den Zonenrand. Jakob Pöltl (5) wartet am Highpost.

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5 3 2

Nach dem Block „popt“ Forbes hinter die Dreierlinie, wo er von Mills angespielt wird. Aldridge läuft in die Zone, wo er von DeRozan einen weiteren Screen gesetzt bekommt. Die Defensive ist in voller Alarmbereitschaft, da dieses Play wohl für den All Star Aldridge läuft.

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Laufweg

San Antonio spurs

Pass Dribbling Block HO Handoff

Auch wenn die Playoffs der Spurs 2019 schnell vorbei waren, dieser Spielzug war grandios! Text: André Voigt

Fotos: Glenn James/Mark Sobhani/NBAE via Getty Images

D

ie San Antonio Spurs mussten sich nach sieben Partien gegen Denver bereits in der ersten Runde der diesjährigen Playoffs verabschieden. Doch die Spurs wären nicht die Spurs und Trainer Gregg Popovich nicht Gregg Popovich, wenn der fünffache Champion aus Texas gegen die Nuggets nicht den einen oder anderen Sahnespielzug gezeigt hätte. Das Play rechts zeigt anschaulich, wie es dem Trainerstab um Coach „Pop“ gelingt, nicht nur einen Spielzug für die beiden Stars – LaMarcus Aldridge und DeMar DeRozan – auf das Taktikbrett zu malen. Denn neben der Option für Power Forward Aldridge – auf den sich die Defensive natürlich konzentrieren muss – wird in diesem Fall der Österreicher Jakob Pöltl in Szene gesetzt.

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Dabei achten die Spurs natürlich darauf, was Pöltl spielerisch liefern kann und was nicht. Der 23-Jährige ist kein Stretch-Center, 2018/19 hat er keinen einzigen Dreier versucht. Trotzdem geht er in dieser Sequenz an die Dreierlinie. Von dort kann der relativ athletische Big Man seine Schnelligkeit einsetzen. Mehr noch: Er bekommt einen Block vom anderen All Star (DeRozan) gesetzt, sodass sich die gegnerische Verteidigung im Zweifel immer ein klein wenig vom vermeintlich ungefährlichen Pöltl wegbewegt. In der Folge kann der Center mit Anlauf entweder zum Alley-Oop hochgehen oder das offensive Brett beackern – eben genau das, was er sehr gut beherrscht. Genau so sollte ein Spielzug designt werden.

Während der Block in der Zone für Aldridge gestellt wird, tritt Pöltl vom Highpost hinter die Dreierlinie, um dort von Forbes mit dem Spalding versorgt zu werden. Sollte der Power Forward schon in der Zone anspielbar sein, kann Pöltl seinen Kollegen bereits bedienen.

D

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Geht für Aldridge nichts am Zonenrand, läuft er in die Mitteldistanz durch und wird angespielt. Hier ist der All Star extrem wurfgefährlich, sodass sein Verteidiger ihn eng decken muss. Auf der ballfernen Seite stehen mit Forbes (42,6 3P%) und Mills (39,4) zwei Schützen.

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Während Aldridge das direkte Duell mit seinem Verteidiger sucht, stellt DeRozan einen Block in den Rücken des gegnerischen Centers. Pöltl kann jetzt seine Schnelligkeit ausspielen, am Verteidiger vorbeiziehen und dann entweder einen Alley-Oop vollenden oder den Offensivrebound sichern, sollte Aldridge abdrücken.

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Thaddeus

Young

Der Teamplayer Power Forward Thaddeus Young erhält wenig Anerkennung. Dabei ist der stete Rollenspieler für die Indiana Pacers kaum verzichtbar. Text: Christian Orban

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eit Anfang des Jahres mussten die Indiana Pacers auf Starspieler Victor Oladipo verzichten. Dass sie ohne den langzeitverletzten AllNBA-Guard dennoch wettbewerbsfähig blieben (23-27-Bilanz) und 2018/19 eine erfolgreiche Saison absolvierten, ist eine beachtliche Leistung. Diese gründet auf einsatzvollem, defensiv fundiertem Teambasketball, den Coach Nate McMillan seit jeher lehrt. Und kein Pacer verkörpert diese uneigennützige Spielweise vortrefflicher als Power Forward Thaddeus Young. Der 30-jährige Veteran, der 2007 sein NBA-Debüt gab und seit 2016 für „Indy“ aufläuft, ist gleichwohl ein unterschätzter Akteur. Denn er agiert unauffällig und steht als Komplementärspieler selten im Fokus. Youngs solide Zahlen – 12,6 Punkte, 6,5 Rebounds und 2,5 Assists – sorgen zudem kaum für Aufsehen. Indes fungiert er für die Tempomacher als „Glue Guy“, der all die kleinen Dinge tut und aus der Mannschaft nur schwer wegzudenken ist. Vor allem am defensiven Ende geht der stete Arbeiter mustergültig voran. So verfügt Young über die Größe (2,03 Meter), Spannweite (2,12 Meter), Robustheit und Agilität, um mit den meisten Spielern Schritt halten und auch am Korb seinen Mann stehen

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zu können. Dabei übernimmt er als exzellenter Verteidiger oft den stärksten Angreifer des Gegners (etwa Giannis Antetokounmpo oder Blake Griffin), der sich sodann jeden Punkt im Halbfeld hart erarbeiten muss. Überdies steht Young mit seinen langen Armen aktiv in den Passwegen und trägt dazu bei, dass die Pacers mit ihrer druckvollen Top-Defense (3. Platz im Defensivrating) ligaweit die zweitmeisten Turnovers forcieren. Entsprechend gehört der mobile Vierer zu den besten Balldieben auf seiner Position (1,5 Steals) und verbuchte 2018/19 die drittmeisten Deflections aller NBA-Profis. Sein einsatzvolles Spiel zeigt sich auch daran, dass er die sechstmeisten Offensivfouls gezogen hat sowie zahlreiche freie Bälle erkämpft. Obendrein erschwert Young als starker Außenverteidiger sehr viele Würfe. Um genau zu sein: nach Torontos Pascal Siakam ligaweit die zweitmeisten Dreierversuche. Im Angriff nimmt der vielseitige Verteidiger drei Viertel seine Abschlüsse in Korbnähe. Schließlich ist Young ohne verlässlichen Sprungwurf ein schwacher Schütze, der recht wenige Dreier wagt, was gerade in den Playoffs gegen Boston ein Hemmnis darstellte. Gleichwohl versteht es der lauffreudige Linkshänder, sich offensiv einzubringen – auch wenn

für ihn als Rollenspieler keine Plays angesagt werden. So bewegt er den Spalding gut (3,0 Assists pro 36 Minuten) und rochiert abseits des Balles clever in die freien Räume. Auch gehört Young seit seinem Ligaeintritt zu den Power Forwards, die am offensiven Brett am erfolgreichsten arbeiten. Hinzu kommt seine Abschlussstärke am Ring und in der Zone, wo er teamintern die zweitmeisten Bälle erhält und diese nicht zuletzt aus dem Postup sicher in Punkte verwandelt. Ein überdurchschnittliches Offensivrating unterstreicht Youngs Bedeutung für den egalitären Angriff der Pacers. Der geschätzte Teamplayer ist sonach als Leistungsträger kaum verzichtbar, wenn auch kaum sichtbar. Aber das ist nichts Neues. Denn Young hat in seiner NBA-Karriere stets solide abgeliefert. Ob über sieben Jahre für die mediokren Post-Iverson-Sixers, bei einer Stippvisite in Minnesota oder im Dienste der im Neuaufbau begriffenen Brooklyn Nets … Im kommenden Sommer wird der 30-Jährige nun erneut Free Agent. Genauso wie weitere Erfolgsträger der Tempomacher: Bojan Bogdanovic, Darren Collison und Cory Joseph. Indiana steht also vor wichtigen Personalentscheidungen. redaktion@fivemag.de


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P.J.

Tucker

Der Verteidigungsminister P.J. Tucker ist der wichtigste Rollenspieler der Houston Rockets. Als Spiritus Rector der Defensive ist der Forward unersetzlich. Text: Christian Orban

Fotos: Michael Hickey/Melissa Majchrzak/Getty Images

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ls Anthony Leon Tucker in Raleigh, North Carolina, aufwuchs, eiferte er Larry „Grandma“ Johnson nach. Wie der damalige HornetsStar brillierte „Pops Junior“ (sein Spitzname) später als Topscorer und -rebounder. Etwa legte er in seinem Junior-Jahr für die Texas Longhorns 16,1 Punkte und 9,5 Bretter auf – mehr als Teamkollege LaMarcus Aldridge. Nur wurde dieser in der Draft 2006 an zweiter Stelle gezogen, während Tucker als Zweitrundenpick von den Raptors verpflichtet wurde. Denn der physische Postspieler galt als zu klein (1,98 Meter) und wurfschwach für die NBA, als sogenannter „Tweener“. Es folgte eine Rookie-Saison zum Vergessen, die Tucker weitgehend in der D-League verlebte, bevor ihn die Raptors entließen. Anschließend verbrachte er fünf Jahre in Übersee (u.a. in Israel, der Ukraine und Bamberg), wo er als All Star und MVP Meisterschaften feierte. Zumal er sich einen respektablen Sprungwurf aneignete. Seine zweite NBA-Chance erhielt Tucker 2012, als ihn die Suns unter Vertrag nahmen. In Phoenix machte er sich über viereinhalb Jahre als Three-andD-Flügel einen Namen und fand in der Pace-and-Space-Ära damit seine Nische. Nach einer erneuten Stippvisite

in Toronto unterschrieb Tucker im Sommer 2017 für vier Jahre in Houston. Für die Mitbewerber um die Meisterschaft ist der inzwischen 34-Jährige zu einem unverzichtbaren Leistungsträger avanciert. Auch wenn seine 7,3 Punkte, 5,8 Rebounds und 1,2 Assists pro Partie nicht darauf hindeuten. Trotzdem haben 2018/19 nur sechs NBA-Profis mehr Minuten auf dem Hartholz zugebracht. Entsprechend betont Erfolgscoach Mike D’Antoni: „Um ehrlich zu sein, ich weiß nicht, ob jemand P.J. ersetzen könnte. Ich bin sicher, es gibt da draußen einige Jungs … Superstars vielleicht. Andererseits zweifle ich aber auch daran, weil er perfekt für uns ist.“ Denn für die ambitionierten Texaner fungiert der extrem bullige und agile Combo-Forward als Verteidigungsminister. Schließlich ist Tucker einer der hartnäckigsten und versiertesten Defensivakteure der NBA. Zuvorderst bringt er seine einschüchternde physische Präsenz ins Spiel. „Es ist meine Intensität und die Energie“, erklärt der Veteran. „Ich setze dem Gegner zu. Er bekommt zu spüren, dass ich da bin.“ So genießt es Tucker, Starspieler anzugehen und sie einzuschränken. Ihnen die „Sweet Spots“ zu nehmen, ihre Würfe zu erschweren

und sie keinen Rhythmus finden zu lassen. Weshalb D’Antoni hinzufügt: „Es ist ein Talent, jeden Tag so fokussiert zu Werke zu gehen, mit der nötigen Energie zu spielen, dauerhaft standzuhalten und auch Schmerzen zu überwinden.“ Es ist jedoch nicht allein die hohe Einsatzbereitschaft, die sich anhand forcierter Offensivfouls, eroberter Looseballs, abgefälschter Pässe und vieler Ballgewinne (1,6 Steals) manifestiert. Schließlich verfügt Tucker über einen raren Mix aus Kraft und Schnelligkeit, der es ihm erlaubt, alle fünf Positionen zu decken. „Wir wissen, dass wir P.J. auf den besten Spieler des Gegners ansetzen werden“, erklärt D’Antoni. „Er wird ihn unabhängig von der Position bewachen. Und wir können mit ihm alles switchen. Er gibt uns defensiv so viele Möglichkeiten. Das ist für uns von unschätzbarem Wert.“ Auch im Angriff weiß der vielseitige und vokale Verteidiger beizutragen. Nämlich als Dreierschütze. So nimmt Tucker drei Viertel seiner Abschlüsse von Downtown. Vornehmlich aus den Ecken, von wo er ligaweit am häufigsten abdrückt und verlässliche 39,4 Prozent einnetzt. Jeder Distanzwurf des geschätzten Teamplayers ist dabei assistiert. redaktion@fivemag.de

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Free

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Free Agency 2019

Summer is coming ... Der Free-Agent-Sommer steht an – und damit einige Veränderungen. Denn es gibt eine Menge Teams mit Fotos: Thearon W. Henderson/Getty Images

genügend Platz unter dem Salary

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Cap, um sich einen der Topstars zu angeln. Wir haben die besten für euch herausgesucht und zeigen, wo diese Stars wohl landen werden. Text: André Voigt


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Kevin Durant

S F / P F, S O P T, 3 0 J a h r e S tat s : 2 6 , 0 P P G , 6 , 4 R P G , 5 , 9 A P G , 57,1 eFG%, 34,6 MPG

Agency

2019

unlängst nach New York City, wo auch Kleiman lebt. ------------------------------------------

Was will Kevin Durant? Der ehemalige MVP schien die gesamte Spielzeit über nicht glücklich zu sein in Oakland, vermied es tunlichst, sich zu einer Zukunft bei den Warriors zu bekennen. Doch würde „KD“ wirklich eventuell das Team verlassen, welches 2019/20 einen vierten Titel in Folge anpeilen könnte? In aller Kürze: ja. Kevin Durant tickt anders. Er verließ die Oklahoma Thunder und schloss sich den Warriors an, die in der Vorsaison sein Team nach einem 1-3-Rückstand in den Playoffs eliminiert sowie einen neuen Siegesrekord aufgestellt hatten. Der folgende Shitstorm scheint seine Spuren hinterlassen zu haben. Es ist durchaus denkbar, dass der 30-Jährige mit einem weiteren Wechsel sein Image nachhaltig reparieren möchte – würde er ausgerechnet den chronisch so erfolg- wie planlosen Knicks eine

Kawhi Leonard

Meisterschaft bringen, wäre er ein Gott im „Big Apple“. Aber nicht nur deshalb halten sich hartnäckig Gerüchte, dass Durant zu den Knicks wechseln wird. Sein Geschäftspartner Rich Kleiman ist großer Knicks-Fan, die gemeinsame Firma zog

anzuheuern. Die andere Franchise aus L.A. beschattet Leonard quasi seit Monaten. Personalchef Lawrence Frank, Besitzer Steve Ballmer sowie andere ClippersAngestellte besuchten so viele RaptorsSpiele, dass es ein Wunder ist, dass es keine Anzeige wegen Stalking gab. Im

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S F / P F, S O P T, 2 7 J a h r e S tat s : 2 6 , 6 P P G , 7 , 3 R P G , 3 , 3 A P G , 54,6 eFG%, 34,0 MPG Es gibt wohl keinen anderen Star-FreeAgent, dessen Sommer-Intentionen so unklar sind. Im vergangenen Jahr wollte Leonard unbedingt zurück in die alte Heimat Los Angeles. Dann folgte der Trade nach Toronto, eine Saison als einer der besten Two-Way-Player der Welt und … kein Sterbenswörtchen über seine Pläne. Der einzige Aufreger war Leonards Lachen am „Media Day“ vor Saisonbeginn … Gut möglich, dass „The Claw“ selbst noch nicht weiß, wo er 2019/20 arbeiten möchte. Genauso gut könnte es sein, dass er schon entschieden hat, ab dem 01. Juli bei den L.A. Clippers

Endeffekt dürfte die Entscheidung zu einem großen Teil vom Playoff-Abschneiden der Raptors abhängen. Leonard wird wohl kaum einen NBA-Champion oder Finalisten verlassen. Oder? Fakt ist: Niemand weiß es. Allerdings scheint alles darauf hinzudeuten, dass sich der 27-Jährige zwischen den Raptors und Clippers entscheiden wird. Die Lakers? Berichten zufolge kann sich Leonard nicht vorstellen, neben LeBron James zu spielen. ------------------------------------------

Kyrie Irving

P G , S O P T, 2 7 J a h r e S tat s : 2 3 , 8 P P G , 5 , 0 R P G , 6 , 9 A P G , 55,7 eFG%, 33,0 MPG Kein anderer Superstar vollführte in dieser Saison eine krassere Kehrtwende als Irving. Noch im Sommer verkündete er auf einem Event für Celtics-Dauerkartenbesitzer: „Wenn ihr mich haben wollt, plane ich, hier zu unterschreiben!“ Einige Monate später

wurde daraus: „Ich schulde niemandem irgendeinen Scheiß!“ Zerbröckelt also der Masterplan von Manager Danny Ainge in seinen Händen? Der Macher wollte eigentlich um Irving, Gordon Hayward oder Jayson Tatum und Anthony Davis eine neue „Big Three“


formen. Um Davis dürften sich die Celtics aber kaum bemühen, sollte Irving als Free Agent den Abgang machen. Wohin zieht es den Point Guard also? Die Gerüchteküche brodelt beim 27-Jährigen mehr als bei jedem anderen Star-Free-Agent. Da werden die Knicks genannt, bei denen er mit Durant direkt ein neues Superteam bilden könnte. Noch „superer“ wäre jedoch eine Wiedervereinigung mit LeBron James von den Lakers … vor allem, wenn dann auch noch Anthony Davis via Trade zu den beiden Ex-Cavaliers stößt. Irving hält also unter Umständen gleich das Schicksal von drei Franchises in seinen Händen. ---------------------------------------------

Klay Thompson

SG, UFA, 27 Jahre S tat s : 2 1 , 5 P P G , 3 , 8 R P G , 2 , 4 A P G , 55,3 eFG%, 34,0 MPG Warum sollte einer der „Splash Brothers“ den anderen verlassen? Warum sollte Thompson seinem kongenialen Partner Stephen Curry die kalte Schulter zeigen? Die einzige Variante, die realistisch erscheint, ist – wie so oft – das liebe Geld. Sollten die Warriors Thompson keinen Maximaldeal offerieren, wäre er wohl bereit, sich anderweitig zu orientieren. Die Lakers (wo Klays Vater Mychal Thompson zwei Titel gewann) scheinen die einzige echte Alternative zu sein. An der Seite von LeBron James wäre Thompson eine traumhafte Besetzung. ---------------------------------------------

Kemba Walker

Fotos: Mark Blinch/Brian Sevald/NBAE via Getty Images

PG, UFA, 29 Jahre S tat s : 2 5 , 6 P P G , 4 , 4 R P G , 5 , 9 A P G , 51,1 eFG%, 34,9 MPG Kemba Walker ist das Gesicht der Charlotte Hornets. Gleichzeitig steht die Franchise von Boss Michael Jordan für Mittelmaß … unteres Mittelmaß. Glaubt der 29-jährige Walker also daran, dass sich an diesem Umstand in den nächsten Jahren etwas ändert? Bindet er sich wirklich über Jahre an eine Mannschaft, die sich seit 2005 nur drei Mal überhaupt für die Playoffs qualifizierte und dort jeweils in der Auftaktrunde scheiterte? Gleichzeitig wird es noch eine Weile dauern, bis die Hornets in Sachen Top-Free-Agents handlungsfähig werden … und selbst wenn das irgendwann der Fall sein sollte: Kommen Stars nach Charlotte? Und: Will Walker weiterhin ohne einen Zweitstar an seiner Seite spielen? Sein nächster Vertrag dürfte der letzte sein, bevor er altersbedingt leistungstechnisch klar abbaut. Sollte Walker bleiben, muss er der Realität ins Auge sehen, dass er wohl nie

einen Titel gewinnen wird. Wenn ihm genau das aber wichtig ist, muss er wechseln. Und das wird er wohl auch. Denn es gibt einige Franchises mit viel Platz unter dem Salary Cap und nur wenige Stars. Walker dürfte für den einen oder anderen Manager ein Plan B auf Point Guard sein. Die Knicks und Mavericks könnten bereitstehen … ---------------------------------------------

Jimmy Butler

S G / S F, S O P T, 2 9 J a h r e S tat s : 1 8 , 7 P P G , 5 , 3 R P G , 4 , 0 A P G , 49,9 eFG%, 33,2 MPG Apropos Plan B. Niemand dürfte sich in den vergangenen Monaten selbst mehr geschadet haben als Jimmy Butler. Ist der 29-Jährige noch immer einer der besten

Two-Way-Player? Kann er offensiv wie defensiv ein Spiel dominieren? Ab und an. Butler hat sich aber auch redlich den Ruf verdient, ein Semi-Irrer zu sein. In Chicago und Minnesota hinterließ er verbrannte Erde. Bei den 76ers gab es immer mal wieder kleinere Anzeichen, dass Butler nicht komplett in die Hierarchie passt. Gleichzeitig will er einen Maximalvertrag, wenn er aus seinem Deal aussteigt. Fünf Jahre für einen bald 30-Jährigen, wenn die beiden anderen All Stars im Kader – Ben Simmons und Joel Embiid – fünf bzw. sechs Jahre jünger sind? Gut möglich, dass Manager Elton Brand lieber Free Agent Tobias Harris (26 Jahre) halten möchte, weil dieser eher abseits des Balles agiert und sich bereitwillig in der Hierarchie hinter den beiden Stars einsortiert. Mit Butler und

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Harris neue Deals aushandeln? Das dürfte in Sachen Luxussteuer wahrscheinlich einfach zu teuer werden. Und dann? Dann könnte auch Butler ein Plan B sein. Zum Beispiel bei den Lakers oder Knicks. Aber vielleicht ist er auch der Plan A der Indiana Pacers, wo er neben Victor Oladipo als Scorer, aber auch in der Defensive glänzen könnte. ---------------------------------------------

DeMarcus Cousins

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C, UFA, 28 Jahre S tat s : 1 6 , 3 P P G , 8 , 2 R P G , 3 , 6 A P G , 51,5 eFG%, 25,7 MPG Wie viel Geld kann DeMarcus Cousins nach gerade mal 30 Partien verlangen? Natürlich: Die Statistiken 2018/19 waren nicht überragend (27,4 3P%), aber „Boogie“ schien nach seinem Achillessehnenriss auf einem guten Niveau zu sein – denn diese Art Verletzung braucht in der Regel ein Jahr zum Heilen und ein weiteres, um wieder auf dem Parkett in Tritt zu kommen.

Trotzdem bleiben Fragezeichen. Denn der Riss im linken Quadrizeps (der große Muskel vorne auf dem Oberschenkel) im zweiten Playoff-Einsatz 2019 ließ ihn den Rest der Postseason verpassen und Cousins zu einem noch größeren Risiko werden. Selbst ein halbwegs lukrativ dotierter Dreijahresvertrag dürfte ihm nicht angeboten werden. Der vierfache All Star wird wohl wieder nur ein einjähriges Engagement angeboten bekommen … bzw. einen Zweijahresvertrag mit Klauseln und Optionen, die seinen Arbeitgeber absichern. Ist also doch ein Verbleib bei den Warriors denkbar? Golden State kann ihm im Sommer 6,4 Millionen Dollar bieten. Vor seiner Verletzung wäre er mit diesem Betrag niemals zufrieden gewesen. Jetzt allerdings erscheint diese Option sehr realistisch, hat Cousins doch über die Monate Vertrauen zur medizinischen Abteilung der Warriors aufgebaut. Und sollte Kevin Durant das Team verlassen, würde Cousins im Angriff auch eine größere Rolle bekommen … wenn er denn dann wieder fit ist. ---------------------------------------------

Nikola Vucevic

C, UFA, 28 Jahre S tat s : 2 0 , 8 P P G , 1 2 , 0 R P G , 3 , 8 A P G , 54,9 eFG%, 31,4 MPG Nikola Vucevic ist der Star-Free-Agent 2019, den wohl niemand so wirklich auf der Rechnung hatte. Mit 28 Jahren legte er Karrierebestwerte bei den Punkten, Rebounds und Blocks auf. Bei der Dreier- und Feldwurfquote kam er nah an seine bisherigen Bestleistungen heran. Selbst seine

Die besten Point Guards auf dem Markt Fotos: Andrew D. Bernstein/Mark Blinch/NBAE via Getty Images

*Legende: UFA – Unrestricted Free Agent (vertragsfrei), RFA – Restricted Free Agent (aktuelles Team kann mit jedem Angebot gleichziehen und Spieler halten), TOPT – TeamOption (Team hat Option auf ein weiteres Vertragsjahr), SOPT – Spieler-Option (Spieler hat die Option auf ein weiteres Vertragsjahr)

1. Kyrie Irving, PG, SOPT, 27 Jahre*

1. Klay Thompson, SG, UFA, 27 Jahre

2. Kemba Walker, PG, UFA, 29 Jahre

2. Jimmy Butler, SG, SOPT, 29 Jahre

3. D’Angelo Russell, PG, RFA, 23 Jahre

3. Danny Green, SG, UFA, 31 Jahre

4. Malcolm Brogdon, PG/SG, RFA, 26 Jahre

4. J.J. Redick, SG, UFA, 34 Jahre

5. Goran Dragic, PG, SOPT, 33 Jahre

5. Tomas Satoransky, PG/SG, RFA, 27 Jahre

6. Derrick Rose, PG, UFA, 30 Jahre

6. Terrence Ross, SG, UFA, 28 Jahre

7. Ricky Rubio, PG, UFA, 28 Jahre

7. Jeremy Lamb, SG, UFA, 26 Jahre

8. Terry Rozier, PG, RFA, 25 Jahre

8. Tyreke Evans, SG, UFA, 29 Jahre

9. Patrick Beverley, PG, UFA, 30 Jahre

9. Reggie Bullock, SG, UFA, 28 Jahre

10. Jeff Teague, PG, SOPT, 30 Jahre

10. Wesley Matthews, SG/SF, UFA, 32 Jahre

11. Darren Collison, PG, UFA, 31 Jahre 12. Elfrid Payton, PG, UFA, 25 Jahre 13. Rajon Rondo, PG, UFA, 33 Jahre 14. Isaiah Thomas, PG, UFA, 30 Jahre 15. Cory Joseph, PG, UFA, 27 Jahre

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Die besten Shooting Guards


Die besten Small Forwards

Die besten Power Forwards

Die besten Center

1. Kevin Durant, SF/PF, SOPT, 30 Jahre

1. Kristaps Porzingis, PF/C, RFA, 23 Jahre

1. Nikola Vucevic, C, UFA, 28 Jahre

2. Kawhi Leonard, SF/PF, SOPT, 27 Jahre

2. Tobias Harris, PF, UFA, 26 Jahre

2. DeMarcus Cousins, C, UFA, 28 Jahre

3. Khris Middleton, SG/SF, SOPT, 27 Jahre

3. Julius Randle, PF/C, SOPT, 24 Jahre

3. Al Horford, C, SOPT, 32 Jahre

4. Bojan Bogdanovic, SF, UFA, 30 Jahre

4. Nikola Mirotic, PF, UFA, 28 Jahre

4. Marc Gasol, C, SOPT, UFA, 34 Jahre

5. Harrison Barnes, SF/PF, SOPT, 27 Jahre

5. Paul Millsap, PF, TOPT, 34 Jahre

5. Brook Lopez, C, UFA, 31 Jahre

6. Rudy Gay, SF/PF, UFA, 32 Jahre

6. Marcus Morris, PF, UFA, 29 Jahre

6. DeAndre Jordan, C, UFA, 30 Jahre

7. Trevor Ariza, SF, UFA, 33 Jahre

7. Thaddeus Young, PF, UFA, 30 Jahre

7. Willie Cauley-Stein, C, RFA, 25 Jahre

8. Jabari Parker, SF/PF, TOPT, 24 Jahre

8. Bobby Portis, PF, RFA, 24 Jahre

8. Jonas Valanciunas, C, SOPT, 26 Jahre

9. Kelly Oubre, SF, RFA, 23 Jahre

9. Taj Gibson, PF, UFA, 33 Jahre

9. Enes Kanter, C, UFA, 26 Jahre

10. Michael Kidd-Gilchrist, SF/PF, TOPT, 25 Jahre

10. Al-Farouq Aminu, PF, UFA, 28 Jahre

10. Thomas Bryant, C, RFA, 21 Jahre

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Fotos: Elsa/Getty Images

cover

Free

Defensivstatistiken stiegen in zuvor ungekannte Höhen. Kann der Montenegriner also ein kleines Einhorn sein und als drittbester Spieler eines exzellenten Playoffteams überzeugen? In der Postseason blieb er gegen Toronto zwar hinter den Erwartungen zurück (36,2 FG% und 23,1 3P%), da musste er aber den Franchise-Player geben. Genau diese Rolle passt jedoch nicht. Deshalb steht er zum Beispiel bei den Mavericks auf dem Zettel, wo er neben Luka Doncic und Kristaps Porzingis die Nummer drei wäre. Allerdings sind die Magic an einer Weiterverpflichtung interessiert, weil Lottery-Pick Mo Bamba noch lernen muss, und auch die Sacramento Kings sollen Interesse haben.

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Agency

2019

Tobias Harris

P F, U F A , 2 6 J a h r e S tat s : 2 0 , 0 P P G , 7 , 9 R P G , 2 , 8 A P G , 54,9 eFG%, 34,7 MPG Es ist davon auszugehen, dass die Philadelphia 76ers mindestens einen ihrer vertragslosen Stars mit einem neuen, hoch dotierten Deal ausstatten. Allerdings dürfte Harris sich vor Angeboten wohl kaum retten können. Die Grizzlies, Jazz, Mavericks und Nets sollen neben den Sixers an seinen Diensten interessiert sein. Kein Wunder! Harris ist der Typ vielseitiger Flügel, der seinen Dreier seit 2017 in 40,5 Prozent der Fälle trifft. Außerdem muss er nicht die Nummer eins

im Angriff sein und versteht seine Rolle neben einem Star. --------------------------------------------

Kristaps Porzingis

PF/C, RFA, 23 Jahre S tat s : 2 2 , 7 P P G , 6 , 6 R P G , 2 , 4 B P G , 48,9 eFG%, 32,4 MPG (2017/18) Die Zukunft des Letten wird in den kommenden Jahren in Dallas stattfinden. Da er ein Restricted Free Agent ist, können die Mavericks mit jedem „fremden“ Angebot gleichziehen – das Einhorn muss dann zu den Konditionen des Angebots in „Big D“ bleiben.


Wer hat Geld? Wer auf dem Free-Agent-Markt zuschlagen will, braucht das nötige Kleingeld. Und das hat nur, wer mit Weitsicht unter der Gehaltsobergrenze (Salary Cap) genug Dollars freigeschaufelt hat. Für den Sommer 2019 haben sich eine ganze Reihe Franchises so aufgestellt, dass sie theoretisch einen oder sogar zwei Spieler verpflichten können, die ein Maximalgehalt aufrufen. Ganz vorne finden sich mit großem Abstand die Knicks, die nicht nur zwei All Stars, sondern auch noch den ersten Pick der Draft in ihren Reihen begrüßen könnten. Dahinter streiten sich mit den Clippers und Nets zwei wenig glamouröse Franchises um die Hochveranlagten. In Brooklyn und Los Angeles haben die Entscheider über Jahre clever für diesen Sommer geplant und bereits funktionierende Kader mit vielversprechenden Youngstern beisammen. Dallas verfügt zwar über viel Platz unter dem Salary Cap, wird aber wohl Restricted Free Agent Kristaps Porzingis ein Maximalgehalt bezahlen, was so um die 160 Millionen Dollar über fünf Jahre betragen dürfte. Atlanta und Indiana sind traditionell keine attraktiven Free-Agent-Ziele, könnten aber mit vielversprechenden Youngstern (Hawks) bzw. einer intakten Infrastruktur und einem bereits angestellten Star (Victor Oladipo, Pacers) punkten. Auch die Lakers sind natürlich auf der Jagd nach einem Star, der mit LeBron James und – im feuchten lila-goldenen Traumszenario – Anthony Davis eine neue Ära in Hollywood einläutet. Die 76ers hingegen werden sich entscheiden müssen, ob sie die in die Vertragsfreiheit gehenden Jimmy Butler und Tobias Harris (beide oder nur einen von beiden) halten wollen. Wildcards sind die Celtics, Warriors, Raptors, Kings und Suns. Bei diesen Teams könnten durch nicht gezogene Spieleroptionen bzw. sich verabschiedende All Stars noch mal einige freie Dollars hinzukommen – was auch für die Raptors und Heat gilt. Utah, New Orleans, Orlando und Chicago könnten sich mit ihrem Cap Space noch einmal verstärken – vor allem, wenn sich die Manager dort gegen eine Weiterbeschäftigung der eigenen Free Agents entscheiden. Keine Rolle spielen nach heutigem Stand die Rockets, Trail Blazers, Cavaliers und Thunder. Allesamt liegen sie weit über dem Cap. Für dieses Quartett bleiben nur die Draft, Trades oder extrem preiswerte Spieler, um den Kader zu verbessern.

RANG

TEAM

1.

New York Knicks

VERTRÄGE

8

GEHÄLTER (Mio. $)

29,7

CAP SPACE

72,9

-

SOPT

TOPT

-

2.

Los Angeles Clippers

8

49,3

59,7

-

-

3.

Brooklyn Nets

9

48,9

54,6

18,5

-

4.

Dallas Mavericks

7

56,8

52,2

10,3

-

5.

Atlanta Hawks

12

60,0

49,0

-

-

6.

Indiana Pacers

8

57,9

48,8

-

-

7.

Los Angeles Lakers

8

62,2

41,8

-

-

8.

Philadelphia 76ers

7

67,8

41,2

21,6

-

9.

Sacramento Kings

10

69,6

37,2

25,1

-

10.

Phoenix Suns

10

83,8

25,2

19,2

-

11.

Chicago Bulls

11

82,2

23,8

-

-

12.

Orlando Magic

9

85,1

23,5

-

-

13.

New Orleans Pelicans

10

92,1

16,9

9,1

1,7

14.

Utah Jazz

12

92,2

16,8

-

-

15.

San Antonio Spurs

11

94,9

9,0

-

-

16.

Charlotte Hornets

11

102,8

6,2

28,0

-

17.

Milwaukee Bucks

10

100,1

5,1

13,0

-

18.

Washington Wizards

8

112,1

-3,1

-

20,0

19.

Minnesota Timberwolves

10

111,7

-3,4

-

-

20.

Detroit Pistons

11

112,4

-8,7

-

-

21.

Memphis Grizzlies

11

119,4

-10,9

17,6

-

22.

Denver Nuggets

12

120,7

-11,7

-

30,2

23.

Golden State Warriors

8

120,8

-11,8

31,5

-

24.

Boston Celtics

10

123,2

-14,3

57,0

-

25.

Houston Rockets

9

123,2

-14,3

-

-

26.

Toronto Raptors

10

131,1

-23,1

46,9

-

27.

Portland Trail Blazers

10

121,7

-24,3

-

-

28.

Cleveland Cavaliers

11

135,0

-26,0

-

-

29.

Miami Heat

13

140,2

-31,5

46,3

-

30.

Oklahoma City Thunder

12

147,6

-39,6

7,7

-

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cover

Free

Aber warum sollte er das auch nicht? Dirk Nowitzki ist Porzingis’ Idol, und auch wenn der Deutsche nicht mehr aktiv ist, so wird er schon noch oft genug in der Trainingsanlage der Mavs auftauchen, um seinem Nachfolger ein paar Dinge mitzugeben. Gleichzeitig steht mit Luka Doncic ein weiterer junger Star bereit, dem noch ein teurer Free Agent folgen kann. Diese Mavs sind direkt im Geschäft um

den Playoff-Heimvorteil in der Western Conference. Allerdings muss „K-Porz“ erst mit hundert Prozent von seinem Kreuzbandriss zurückkommen. --------------------------------------------

Fotos: Nathaniel S. Butler/Zach Beeker/NBAE via Getty Images

Khris Middleton

Agency

2019

D'Angelo Russell

Julius Randle

Der ehemalige Laker machte in Brooklyn eine erstaunliche Entwicklung durch. Folgerichtig dürfte er auch bei den Nets verlängern. Oder Manager Sean Marks hält den Restricted Free Agent, sollte

Randle dürfte seine Option auf eine weitere Saison für 9,1 Millionen Dollar auf gar keinen Fall ziehen. Dafür hat der Big Man zu sehr abgeliefert. Natürlich hängt in New Orleans viel davon ab, was Neu-Manager

dieser anderswo unterschreiben wollen. Eine Verlängerung von Russell dürfte Grundvoraussetzung für die etwaige Verpflichtung eines Star-Free-Agents in diesem Sommer sein. Mit Russel plus Star X sind die Nets eventuell auf Anhieb eines der besten Teams der Eastern Conference.

David Griffin in Sachen Anthony Davis vorhat. Gibt es den Trade des potenziellen MVP-Kandidaten? Kommt der Neuaufbau mit den Youngstern der Lakers bzw. Celtics oder mit einem anderen Paket? Passt Randle dann noch in die Planungen? Sollten die Pelicans sich gegen ein faires Angebot entscheiden, sollen die Mavericks, Nets und Suns interessiert sein.

PG, RFA, 23 Jahre S tat s : 2 1 , 1 P P G , 3 , 9 R P G , 7 , 0 A P G , 51,2 eFG%, 30,2 MPG

S G / S F, S O P T, 2 7 J a h r e S tat s : 1 8 , 3 P P G , 6 , 0 R P G , 4 , 3 A P G , 51,9 eFG%, 31,1 MPG

--------------------------------------------

Three-and-D-Flügel sind heiß begehrt … also auch Khris Middleton. Doch warum sollten die Milwaukee Bucks ihre Nummer zwei hinter Giannis Antetokounmpo gehen lassen? Warum sollte Middleton dem vielleicht besten Spieler der Association den Rücken kehren, noch dazu für weniger Geld? Die Milwaukee Bucks werden Khris Middleton halten, wahrscheinlich sogar mit einem Maximalvertrag. Alles andere wäre ein verheerendes Zeichen – auch und vor allem in Richtung ihres Franchise-Players.

S O P T, U F A , 3 4 J a h r e S tat s : 1 3 , 6 P P G , 7 , 9 R P G , 4 , 4 A P G , 50,5 eFG%, 30,8 MPG

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Marc Gasol

Der älteste Spieler auf dieser Liste dürfte wahrscheinlich gar nicht auf dem freien Markt landen. Gasol stehen noch 25,6 Millionen Dollar zu, und vor allem wenn Kawhi Leonard in Toronto bleibt, dürfte die Kombination von großem Geld und Titelchance sehr überzeugend sein. Die entsprechende Leistung bringt er als Verteidiger, Stretch-Center und cleverer Veteran auf jeden Fall.

P F / C , S O P T, 2 4 J a h r e S tat s : 2 1 , 4 P P G , 8 , 7 R P G , 3 , 1 A P G , 55,5 eFG%, 30,6 MPG

--------------------------------------------

Al Horford

C , S O P T, 3 2 J a h r e S tat s : 1 3 , 6 P P G , 6 , 7 R P G , 4 , 2 A P G , 58,6 eFG%, 29,0 MPG 30,1 Millionen Dollar stehen Al Horford in der kommenden Saison zu – wenn er denn will. Der Big Man kann aus seinem Vertrag aussteigen, dürfte dies aber wohl nur dann tun, wenn er einen längerfristigen Vertrag unterzeichnen kann, der ihm mehr Geld einbringt. Das erscheint – Stand heute – nicht sehr wahrscheinlich, er dürfte bei den Celtics bleiben.


Bojan Bogdanovic

S F, U F A , 3 0 J a h r e S tat s : 1 8 , 0 P P G , 4 , 1 R P G , 4 2 , 5 3 P % , 57,5 eFG%, 31,8 MPG Die Indiana Pacers werden sich die Dienste von Bojan Bogdanovic nicht entgehen lassen und sicherlich gehaltstechnisch einiges drauflegen. Zu sicher, zu passig im System von Coach Nate McMillan präsentierte sich der 30-Jährige. Kommt ein Zweitstar neben Oladipo, kann „Bogey“ als dritte Option weiter stark abliefern. ---------------------------------------------

Harrison Barnes

S F / P F, S O P T, 2 7 J a h r e S tat s : 1 6 , 4 P P G , 4 , 7 R P G , 3 9 , 5 3 P % , 50,4 eFG%, 32,9 MPG

DeAndre Jordan

Nikola Mirotic

Jordan ist Free Agent und der Markt für Center in diesem Sommer kein guter. Sicherlich bringt er immer noch Rebounds und Verteidigung, aber auch für ihn dürfte es keinen längerfristigen Kontrakt jenseits des 30. Geburtstags mehr geben. Zu limitiert kommt der Vertikalakrobat in der Offensive daher. Jordan könnte jedoch im Sommer 2019 einer dieser Veteranen sein, die für weniger Geld bei einem sehr guten Team anheuern, um nochmal die Chance auf einen Ring zu haben. Wäre Golden State ein Ziel, sollte Cousins gehen?

Der Stretch-Vierer sehnt sich bestimmt nach etwas Stabilität, da er seit 2017 für drei Franchises auflief. Gut für den Spanier: Schützen auf den großen Positionen werden immer gebraucht, auch und vor allem in Milwaukee. Er wird eine Menge Angebote bekommen, obwohl er nicht dieser extrem treffsichere Power Forward ist. Trotzdem dürfte die Möglichkeit, an der Seite von Giannis Antetokounmpo zu spielen (und die Aussicht auf die vielen freien Dreier bei den Bucks), unheimlich verlockend sein.

C, UFA, 30 Jahre S tat s : 1 1 , 0 P P G , 1 3 , 2 R P G , 1 , 1 B P G , 64,1 eFG%, 25,9 MPG

P F, U F A , 2 8 J a h r e S tat s : 1 5 , 2 P P G , 7 , 4 R P G , 3 6 , 5 3 P % , 54,6 eFG%, 27,1 MPG

Der „Schwarze Falke“ kann sein Arbeitspapier im Sommer beenden. Dieses bringt ihm aber 2019/20 überragende 25,1 Millionen Dollar ein. Die Kings sollen an einer mehrjährigen Verlängerung interessiert sein … und könnten sogar die Einzigen sein, die viel in Barnes investieren. ---------------------------------------------

Malcolm Brogdon

PG/SG, RFA, 26 Jahre S tat s : 1 5 , 6 P P G , 3 , 2 A P G , 4 2 , 6 3 P % , 57,5 eFG%, 28,6 MPG Ein weiterer Buck, der Free Agent wird und 2018/19 ansprechende Zahlen ablieferte. Eigentlich ist Brogdon Restricted Free Agent und damit haltbar. Der Kader der Bucks könnte aber ziemlich teuer werden … wäre Brogdon dann ein Opfer? Coach Budenholzer würde das nicht gefallen.

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nba

Los

Angeles

Lakers

MEHR DRAMA ALS HOLLYWOOD Die Ankunft von LeBron James im Sommer 2018 sollte der

Startschuss für das große Comeback der L.A. Lakers sein. Stattdessen folgte eine weitere Saison zum Vergessen, mitsamt Verletzungen, internem Zwist und den ersten Playoffs ohne James seit 14 Jahren. Eine Geschichte über Chaos, Unvermögen und Peinlichkeiten in Hollywood – und wie die einstige Vorzeige-Franchise wieder in die Spur finden kann. Text: Sebastian Dumitru

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Fotos: DeAgostini/Axel Koester/Andrew D. Bernstein/Chris Elise/Allen Berezovsky/NBAE via Getty Images

E

s ist gerade einmal zehn Monate her, da waren die Los Angeles Lakers der große Gewinner des NBA-Sommers! „Die Lakers sind back!“, hieß es überall, nachdem der begehrteste Free Agent der National Basketball Association mittels kurzer News-Meldung seinen Wechsel von Cleveland nach Los Angeles bekannt gab. LeBron James unterschrieb damals einen lukrativen neuen Vertrag über vier Jahre und 154 Millionen USDollar. Seine Zusage bis mindestens ins Jahr 2021 (Spieleroption für 2021/22) repräsentierte damals nicht nur seinen längsten Deal seit 2010. Gleichzeitig wurde sie als deutliches Signal interpretiert, dass James das Schlusskapitel seiner fast beispiellosen Karriere in Lila und Gold verbringen möchte – und dass er aus der zuletzt erfolglosen Franchise wieder einen „Gewinner“ formen will.

James machte die Lakers über Nacht wieder relevant. Die Euphorie hielt nicht lange an. Der erhoffte zweite Superstar kam nicht. Nicht nur bei Paul George und Kawhi Leonard blitzten die Lakers ab, selbst die unzufriedenen Jimmy Butler und DeMarcus Cousins zogen es vor, lieber woanders zu spielen. George blieb bei den Thunder in Oklahoma City, Leonard wurde von den Spurs zu den Raptors getradet, Butler erzwang einen Transfer zu den Philadelphia 76ers, und Cousins unterschrieb für die Mini-MidlevelException bei den Golden State Warriors. Die Führungsetage der Lakers, angeführt von Franchise-Ikone Earvin „Magic“ Johnson und Kobe Bryants ehemaligem Spieleragenten Rob Pelinka, bemühte sich in der Folge direkt um die Akquisition geeigneter Rollenspieler, die sich mit kurzen Einjahresverträgen an der

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nba

Los

Seite von James zufriedengeben würden. Ein Übergangsjahr stand an. Das Ziel war klar: Der freie Platz unter dem Salary Cap sollte bis 2019 konserviert werden, um dann eben in diesem Sommer einen erneuten Angriff auf die besten, vertragsfreien Superstars zu wagen.

Fotos: Yong Teck Lim/Axel Koester/Andrew D. Bernstein/Chris Elise/Allen Berezovsky/NBAE via Getty Images

Richtungslos?

Es folgte eine ganze Reihe von Spielerverpflichtungen und Personalmanövern, die im Rückblick als völlige Katastrophe bewertet werden muss. Die Lakers entließen erst Thomas Bryant, einen 20-jährigen, billigen Center, der dann in Washington 10,5 Punkte und 6,3 Rebounds als Starter auflegte. Obwohl das Team die Rechte an seinem Restricted Free Agent und Ex-Lottery-Pick Julius Randle hielt, unterbreitete es dem jungen Big Man dann keine Offerte. Randle unterschrieb für zwei Jahre und 18 Millionen US-Dollar in New Orleans, wo er mit 21,4 Punkten, 8,7 Rebounds und 3,1 Assists im Schnitt die beste Saison seiner Karriere zeigte. Center Brook Lopez fiel ebenfalls über Nacht aus allen Lakers-Planungen. „Ich war schon überrascht“, sagt der Big Man. „Ich meine, ich wäre sehr gerne dort geblieben, aber es ist schon okay, dass es so kam.“ Lopez heuerte fürs VeteranenMinimum in Milwaukee an, avancierte dort zum besten Stretch-Fünfer aller Zeiten, traf alleine 187 Dreier … mehr als Kentavious Caldwell-Pope, der mit 12,0 Millionen Dollar hoffnungslos überteuerte, „beste“ Shooter der Kalifornier. Per Trade und Buyout kamen später Reggie Bullock, Mike Muscala und Tyson Chandler. Das Trio traf zusammen 55 Dreier und erzielte 18,0 Punkte im Schnitt. Der junge Center Ivica Zubac wurde im Februar zu den Clippers geschickt, obwohl er als Starter überzeugt hatte. Der Grund: um Geld zu sparen. Mit den Dollars, die die Lakers Randle, Lopez und Bryant nicht überweisen wollten, verpflichteten sie Rajon Rondo (9,0 Millionen Dollar), Lance Stephenson (4,4 Millionen), Michael Beasley (3,5 Millionen) und JaVale McGee (2,4 Millionen). Die sind nicht nur allesamt das Gegenteil von guten Schützen, sondern obendrein auch noch launenhaftkapriziöse Individuen. Alle vier in einem Team, dazu ein anspruchsvoller, oft passiv-aggressiver James plus sehr wenig Dreierpotenz … was sollte da schon schiefgehen? Die simple Antwort: eine ganze Menge! Management und Lakers-Protagonisten redeten sich die Neuverpflichtungen zwar mit Querverweisen auf „sekundäres Playmaking“, „Playoff-Erfahrung“ und „Basketball-IQ“ schön. Der Mangel an verlässlichen Distanzschützen, die das Spielfeld für James breit machen, sowie die oft lähmende Kombination aus hoher

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Angeles

Lakers

Erwartungshaltung und kollektiver Anspannung machten sich derweil schon vom ersten Spieltag an bemerkbar. Los Angeles startete mit drei Niederlagen in die Saison, traf dabei 23, 25 und 35 Prozent seiner Dreier und 68 Prozent von der Freiwurflinie. Eine Schlägerei in der Partie gegen die Houston Rockets kostete zwei LakersStarter (Rondo und Brandon Ingram) eine Handvoll Spiele im Zuge der folgenden Suspendierung. Fast alle Neuzugänge

Was eine private Konversation zwischen zwei der Hauptverantwortlichen in „Tinseltown“ bleiben sollte, gelangte natürlich umgehend an die Öffentlichkeit. Johnson musste medial gegensteuern, garantierte Walton „Jobsicherheit bis ans Saisonende – es sei denn, es passiert etwas Außergewöhnliches, was natürlich nicht passieren wird!“. Die Kritik an Walton verstummte trotzdem nie. Insider-Berichten zufolge frustrierte er nicht nur die

und Verpflichtungen blieben blass. Diese frühen Trends – desaströses Shooting, fehlende Leistungsträger und verpuffende Personalmanöver – hielten die gesamte Saison an. Nach fünf Niederlagen aus den ersten sieben Partien schritt Magic Johnson erstmals prominent ein. Er stauchte Headcoach Luke Walton – ein Überbleibsel aus der Zeit vor Magic und Pelinka, verpflichtet vom damaligen Chef Jim Buss und General Manager Mitch Kupchak – hinter verschlossenen Türen aufgrund des enttäuschenden Starts zusammen.

eigenen Spieler mit seinen bornierten Rotationen, Minutenverteilungen und Wechseln – Walton schickte laut NBA. com alleine in den ersten sieben Partien


mit einem „LeBron-Team“ sofort gewinnen zu müssen, hielt Walton nie stand.

LeBron-los

Auf den schwachen Start folgte die beste – und einzig gute – Phase der L.A. Lakers 2018/19. Ein puddingweicher Spielplan und das In-Form-Kommen von James und Lonzo Ball ermöglichten einen 18-9-Zwischenspurt, inklusive prestigeträchtiger Siege gegen Portland, Utah, San Antonio, Indiana und Miami. Der aus Phoenix gekommene Tyson Chandler half, das Loch in der Mitte zu stopfen, während James im Angriff übernahm. Eine TopTen-Defensive brachte zwei Monate (November und Dezember) mit

„Ich bin einfach enttäuscht von meinem Körper und der Art, wie er an Weihnachten reagiert hat.“ LeBron James -----------

93 unterschiedliche Formationen aufs Parkett –, sondern vergrätzte auch die Führungsriege mit seiner eigenwilligen Art, dem Beharren auf in Golden State erlernten Mustern und seiner schlichten Weigerung, erfahrenere Veteranen als Assistenztrainer einzustellen. Dem Druck, plötzlich nicht mehr primär für die Entwicklung größtenteils junger Sportler und einer kollektiven Spielkultur verantwortlich zu sein, sondern

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überdurchschnittlicher Effizienz an beiden Enden, die „Lake-Show“ kletterte auf den vierten Platz im Westen, der PlayoffHeimvorteil in Runde eins schien möglich. Die mathematischen Playoff-Chancen lagen zu jenem Zeitpunkt bei mehr als 75 Prozent … und stiegen sogar, als Los Angeles am ersten Weihnachtstag in einem mit unbändiger Vorfreude antizipierten und international gefeierten Matchup den amtierenden Meister Golden

State Warriors in Oakland bezwang. Die 127:101-Klatsche wurde zum Pyrrhussieg für L.A.: James überdehnte beim Kampf um einen Looseball einen Muskel in der Hüfte. Zwangspause. Aus einer „belanglosen Zerrung mit wenigen Tagen Pause“ wurde die schwerste Verletzung in James’ Karriere. Statt zwei oder drei Partien verpasste der wichtigste und beste Spieler des Klubs ganze 17 – mehr als doppelt so viele wie zu irgendeinem anderen Zeitpunkt

in seinen 16 Jahren als Profi. Die Lakers verloren davon elf, gerieten in eine Abwärtsspirale, aus der sie sich nicht mehr zu befreien vermochten. Als wären sechs Wochen ohne LeBron nicht genug, gesellten sich nach und nach auch Ingram, Ball und Chandler im Anzug zu ihm an die Seitenlinie. Von den fünf wichtigsten LakersProtagonisten absolvierten vier maximal 55 Partien, nur einer (Kyle Kuzma) kam intakt durch die reguläre Saison (70 Einsätze). Chandler hatte Nacken, Ball knickte so häufig um, dass er schließlich seine eigene Firma verstieß und bei Nike anheuerte, bei Ingram wurde eine furchteinflößende und potenziell die Karriere gefährdende, tiefe Venenthrombose diagnostiziert. Eine ähnliche Situation hatte Chris Bosh vor drei Jahren in die Sportinvalidität gezwungen. Ohne James geriet die Saison aus den Fugen. Warum der Megastar ausgerechnet in seinem ersten Jahr in der Western Conference von der schwersten Verletzung seiner Karriere geplagt wurde, kann niemand mit Gewissheit sagen. Ob

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nba

Los

Fotos: DeAgostini/Axel Koester/Andrew D. Bernstein/Chris Elise/Allen Berezovsky/NBAE via Getty Images

Pech, mangelnde Vorbereitung, die vielen Off-Court-Interessen, ein zu schnelles Spieltempo oder der nicht zu bremsende Gevatter Zeit eine Rolle spielten, wird niemand haargenau analysieren können. Vielleicht war auch der später geschasste Sportmediziner und ChefPhysio Marco Nunez dafür verantwortlich. Nunez hatte 2016 Lakers-Physio-Legende Gary Vitti ersetzt … bzw. hatte er dies

Angeles

Lakers

zählt, wollte seinen Klienten Davis natürlich zu den Lakers lotsen, übte über diverse Medien viel Druck aus, machte seinen Einfluss geltend. Das ging mächtig nach hinten los und sabotierte gleichzeitig die Saison in L.A. – eigentlich war es ein schlecht gehütetes Geheimnis, dass Davis im Sommer 2019 von den Pelicans verfügbar gemacht werden würde und die Lakers dann einer der realistischsten

Tradegerüchte zum NBA-Geschäft“, erholte sich das neu zusammengestellte Kollektiv nie vom psychischen Schaden, den das Dauergezwitscher offenbar verursacht hatte. New Orleans brach schlussendlich die Verhandlungen mit den Lakers ab, entschloss sich, Davis doch zu behalten und ihn „zu schonen“. Die Playoff-Chancen der Südkalifornier schmolzen nach der AllStar-Pause schneller als ein Juni-Eis am Santa Monica Pier. Team-Meetings wie das in Memphis blieben ergebnislos. Peinliche Pleiten gegen die Hawks, Knicks, Grizzlies und Suns innerhalb weniger Wochen besiegelten das Schicksal dieser enttäuschenden Truppe, die die Saison

Tradepartner geworden wären. Man hätte in der Offseason wohl in aller Ruhe verhandeln und sich einigen können. So aber übernahm der NBAMedienzyklus die Bühne, veröffentlichte beinahe im Tagesrhythmus neue Gerüchte und Tradeszenarien, die das ohnehin fragile Teamgefüge der Lakers vollständig zerstörten. Es traf die Youngsters am härtesten: Ball, Ingram, Kuzma und Josh Hart waren natürlich die Namen, die immer fielen, wenn über das Gegenpaket für den sechsfachen All Star der Pelicans fabuliert wurde. Obwohl Magic Johnson forderte, die Youngsters nicht „wie Babys zu behandeln, denn schließlich gehören

2018/19 mit 31 Niederlagen aus den finalen 48 Partien beendete. Nur eine Mannschaft traf schlechter von der Dreierlinie. Nur eine passte seltener. Nur zwei hatten eine höhere Ballverlustrate. Nur sechs zeigten eine ineffizientere Offensive. Keiner der Neuzugänge vor oder während der Saison – mit Ausnahme von Chandler – war ein Plusspieler, wenn er auf dem Parkett stand.

versucht. „Ich bin einfach enttäuscht von meinem Körper und der Art, wie er an Weihnachten reagiert hat“, sagte James später. Da half es auch nicht mehr, dass er nach seiner Rückkehr viel früher „in den Playoff-Modus schaltete“, wie er selbst sagte, um zu retten, was zu retten war. Während James starke 27,4 Punkte, 8,5 Rebounds und 8,3 Assists im Schnitt produzierte, zahlreiche Rekorde knackte und sich dabei auf Instagram selbst feierte, holten die Lakers mit ihm in der Aufstellung nur 28 Siege bei 27 Niederlagen. Zum ersten Mal seit der Saison 2004/05 finden die NBAPlayoffs ohne den besten Spieler seiner Generation statt.

Was ist denn hier los?

Es stimmt schon: Wer weiß, wie alles gelaufen wäre, wenn sich James, Ingram und Ball nicht verletzt hätten. Das Trio stand in nur 23 Partien gemeinsam auf dem Parkett, die Lakers gewannen 15 davon. Oder wenn New Orleans’ Superstar Anthony Davis nicht über seinen neuen Agenten Rich Paul – einen der besten Freunde von James und Chef der einflussreichen Management-Firma „Klutch Sports“ – bereits im Januar, nur wenige Monate nach seiner Unterschrift bei Klutch, einen Trade gefordert hätte. Paul, der mit seiner Firma zu den einflussreichsten Personen im Business

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Zurück auf Los!

Das letzte Mal standen die Los Angeles Lakers in der Saison 2012/13 in den NBA-Playoffs. Damals setzte es eine 0-4-Klatsche gegen San Antonio in Runde


eins. Seither hat keine Franchise häufiger verloren (163 Siege bei 329 Niederlagen) als die einst glamouröseste der Liga. Drei Top-2-Picks in vier Jahren und die Zusage des lange als bester Spieler der Welt anerkannten James haben diesen Kurs bisher nicht korrigiert. Das Hauptproblem der Lakers bleibt unverändert: ein aus der Erfolgshistorie entstandenes Anspruchsdenken,

wird vermutlich bald dazukommen. Um die letzten produktiven Jahre des „King“ aber nicht zu verschwenden, wird mehr nötig sein, als „alte Bekannte“ in entscheidende Positionen zu hieven oder, wie Teambesitzerin Jeanie Buss es tat, die Presse und deren Verbreiten von „Fake News“ für die sportliche Dauermisere verantwortlich zu machen. Es ist Introspektion in anderer Hinsicht nötig, um die Fehler der jüngeren Vergangenheit nicht zu wiederholen – bei gleichzeitigem Hinausblicken über den Tellerrand, um die verkrusteten Mechanismen aufzusprengen, die diese Franchise plagen. Vielleicht war Magic Johnsons kuriose Kündigung vor Saisonende der letzte, notwendige Assist der dauergrinsenden Ikone, knapp ein Jahr nachdem er mit der Verpflichtung von James zumindest einen Teil seines Antrittsversprechens gehalten hatte. Johnson, einer der erfolgreichsten Geschäftsmänner unter den Ex-Athleten, hatte das für ihn frustrierende Leben als Lakers-Präsident satt. Er hatte es satt, von der Liga Strafen für harmlose Äußerungen zu anderen Spielern zu kassieren. Er hatte es satt, das öde Tagesgeschäft zu leiten, anstatt Mentor und Botschafter der NBA zu sein. Magic Johnson wollte wieder Magic Johnson sein.

gibt ihnen die Chance, neu anzufangen und mit frischem Wind in die nächste, richtungsweisende Offseason zu starten. Dafür muss Jeanie Buss aber endlich über den langen Schatten der vermeintlichen Einzigartigkeit von Lila-Gold springen, muss bei den chronisch erfolgreichen Klubs der Association anklopfen. Smarte Top-Entscheider wie Bob Myers, Masai Ujiri, R.C. Buford oder Neil Olshey sind teuer – jedoch von keiner anderen Franchise einfacher zu verpflichten als von der mit dem lokalen Multimilliarden-Dollar-TV-Deal. Es müssen neue Erkenntnisse, neue Ideen, mehr Mut und vor allem ein kohärenter, langjähriger Plan her. Coach Walton wurde – zwei Jahre vor dem offiziellen Ende seines Vertrages – nur Tage nach Johnsons Rücktritt ebenfalls gegangen. Er fiel den ultrahohen Erwartungen und seiner eigenen Unerfahrenheit zum Opfer. Namen wie Ty Lue, Monty Williams und Jason Kidd machten als Nachfolger die Runde. Was mit Pelinka passiert, wie viel Entscheidungsbefugnis er absorbieren wird und wer künftig die wichtigen Entscheidungen trifft, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Die Lakers waren Anfang Mai mit der Trainersuche beschäftigt – der womöglich nächste Fehler, ohne die Frage nach dem neuen Präsidenten für

vermischt mit inzestuöser Personalpolitik, den tiefsten Taschen diesseits von New York und dieser nie verdampfenden Lakers-Aura. Insgesamt elf Trikotnummern hängen bereits von der Hallendecke im Staples Center, absolut legendäre wie die von Magic Johnson, Kareem AbdulJabbar, Kobe Bryant, Wilt Chamberlain und Shaquille O’Neal. LeBron James

Man darf ihn für die Art kritisieren, wie er seinen Hut nahm – vor versammelter Presse, ohne vorher seine Chefin Buss informiert zu haben (aus Angst, sie zu enttäuschen) –, nicht aber dafür, schon ein Jahr früher als erwartet aus einer Situation auszusteigen, die ihm persönlich nichts gibt. Die Lakers dürften ohne Johnson besser dran sein. Sein Aus

Basketballangelegenheiten beantwortet zu haben. Mindestens ein neuer Star soll dann im Juli verpflichtet werden, am liebsten Anthony Davis oder Jimmy Butler oder Klay Thompson … aber kommt auch einer der Genannten? So oder so: Der Sommer wird heiß in Los Angeles. redaktion@fivemag.de

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STEVEN ADAMS THE LAST (BIG) MAN STANDING Wessen Team sind die Oklahoma City Thunder? Das von Russell Westbrook? Oder das von Paul George? Unter dem Radar bewegt sich Steven Adams, der trotz vermeintlich altbackenem Spiel die Offensive positiv beeinflusst. Der Neuseeländer hat dabei einen unwahrscheinlichen Weg zurückgelegt. Text: Manuel Baraniak

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ie Western Conference Finals 2016 haben die NBA-Landschaft nachhaltig verändert. Damals standen die Golden State Warriors mit 1-3 vor dem Aus gegen die Oklahoma City Thunder, drehten die Serie aber mit drei Erfolgen hintereinander und zogen in die NBA-Finals ein. Auch wenn sich die Franchise aus Oakland dort den Cleveland Cavaliers um „King James“ geschlagen geben musste, krönten sich die Krieger wenig später: durch die Verpflichtung von Star-FreeAgent Kevin Durant – welcher bei einem anderen Ausgang der West-Finals vielleicht nicht die Seiten gewechselt hätte. Für die Warriors folgten zwei Meistertitel mit der Chance zum Threepeat in diesem Jahr und dem endgültigen Ritterschlag als NBA-Dynastie. Rund um jenen Wechsel wurden noch weitere Narrative befeuert: Voller Hysterie beschworen viele die Langeweile in der NBA herauf, dem wechselwilligen

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Star – den Zusammenschluss zu Superteams im Kopf – wurde Eigensinn attestiert und Loyalität abgesprochen. Spieltaktisch schien sich der „Skillball“, geprägt durch die Warriors, endgültig als nächster Evolutionsschritt des Basketballs zu manifestieren – mit dem „Lineup of Megadeath“ als das Nonplusultra und dem Fokus auf die Franchise-Kultur als wichtiger Nährboden. Und mit statistischer Bewunderung wurden Russell Westbrooks Triple-Double-Saisons gefeiert, aber auch als Alleinunterhaltung abgestempelt. Steven Adams wird niemand mit einem „Einhorn“ verwechseln, dem modernen Big Man mit besonders vielen Skills. Bei einem „Lineup of Megadeath“ mag man ob des Erscheinungsbildes des Centers eher an eine neuseeländische Metalband denken. Und doch steht Adams weiter felsenfest in der Zone der Thunder – egal wie oft Draymond Green ihm in den besagten West-Finals in die Kronjuwelen getreten hatte.

Mit einem 100-Millionen-DollarVertrag im Sommer 2016 ausgestattet, ist Adams neben Westbrook der einzige Spieler, der aus dem damaligen ThunderKader auch 2019 für OKC PlayoffBasketball spielt (Andre Roberson sitzt verletzt außen vor). Der 25-Jährige hat nicht nur seine Finger bei Westbrooks Triple-Double-Abos im Spiel, sondern beeinflusst die Thunder-Offensive mehr, als es seine Umschreibung als traditioneller Fünfer vermuten lässt.

Boxout und Ball-Screens

Mittlerweile haben sich die Thunder neu aufgestellt, mit Paul George zuerst als CoStar neben Westbrook, später als bester Spieler des Teams, der im Saisonverlauf auch im MVP-Diskurs aufgetaucht ist. Doch zum Playoff-Auftakt Mitte April gegen die Portland Trail Blazers läuft es für beide Stars nicht, individuell wie kollektiv – mal wieder. Stattdessen schultert Adams sein Team im ersten Viertel offensiv: Elf der


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Fotos: Cooper Neill/Getty Images


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Steven

Adams

ersten 23 Zähler Oklahomas legt der Center auf und mimt in Portlands Zone den Unruheherd. Immer wieder laufen Westbrook und Adams das Pick-and-Roll zusammen. In ihrem nunmehr sechsten gemeinsamen Jahr haben der Point Guard und der Center längst ein effizientes Zusammenspiel entwickelt, das zeigt sich exemplarisch nach dreieinhalb Minuten. Aus einem seitlichen Pick-andRoll rollt Adams ab, ehe er überhaupt einen Block stellt. Westbrook zieht zwei Verteidiger auf sich und legt per Bodenpass ab. Adams zeigt nach dem Auflösen des Screens eine so gute Fußarbeit, dass er nach dem Ballerhalt direkt in die Bewegung zum Korb übergehen und ohne Dribbling den Spalding durch den Ring schlagen kann. Überhaupt agiert Adams sehr gedankenschnell als Abroller und bringt dabei immer wieder einen kaum zu blockenden Jumphook an. Sicherlich stellt Adams in solchen Aktionen nicht die erste Option dar, vielmehr soll er mit seinen Blöcken Westbrook, George, Dennis Schröder und Co. den Zug zum Korb vereinfachen. „Dieser Motherfucker ist stark, ganz im Ernst: Er hat mich mit einem Block getroffen – und ich dachte, mein Leben ist vorbei. Er muss von Krypton sein“, schreibt Jimmy Butler dem ThunderCenter schon Superheldenkräfte zu, als der Flügelspieler im Januar 2018 – damals noch in Diensten der Minnesota Timberwolves – zwar blaue Flecken kassiert, aber immerhin einen Sieg aus Oklahoma City entführt. Auch ein Jahr später macht Butler Bekanntschaft mit einem Block von Adams, diesmal als Teil der Philadelphia 76ers. Mitte Januar dieses Jahres fällt dieser Block zwar nicht so hart aus, er ist dafür aber umso spielentscheidender: 6,9 Sekunden sind zu spielen, die Thunder liegen mit 113:115 zurück, Terrance Ferguson wirft an der Seitenauslinie ein. Adams steht auf Höhe der Freiwurflinie, stellt erst einen Block für Schröder, der um diesen herumläuft, danach einen zweiten für Paul George, der zur Dreierlinie herauskommt, den Ball fängt und trotz Foul den Dreier trifft – Game. „Das ist wie ein Routinespielzug für uns“, erklärt George nach der Partie.

„Ich hatte davor nie eine Krawatte getragen – ich war ein Buschmann. Die Leute damals, die mittlerweile meine Freunde sind, dachten sich nur: ,Wer ist dieser Mörder?‘“

Fotos: Cooper Neill/Steve Dykes/Getty Images

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„Ich bekam aus dem Block von Steve-O das, was ich wollte.“ Der letzte Satz verdeutlicht Adams’ Rolle in der Offensive der Thunder – aber auch seinen Wert: Punkten sollen und müssen eigentlich andere, doch es sind Aktionen wie diese von Adams, die den Scorern den Weg bereiten. Spieler wie Adams erledigen die kleinen Dinge, die nicht im Statistikbogen auftauchen, sagte man früher gerne. Doch mittlerweile lässt sich deren Bedeutung auch statistisch ausdrücken: beispielsweise in Form sogenannter „Screen-Assists“. Hierbei handelt es sich nicht um Assists, bei denen ein Spieler den Ball zu einem Teamkollegen passt, sondern jener Mitspieler wird freigeblockt. 3,5 ScreenAssists hat Adams in der regulären Saison pro Partie verbucht, was einen soliden 18. Platz ligaweit ergibt. In der vergangenen Spielzeit rangierte Adams sogar auf dem zweiten Platz – hinter Rudy Gobert, der die Liga auch 2018/19 bei den ScreenAssists anführt. Gobert, Adams – beides Center, die weniger mit Finesse zu Werke gehen und nicht unbedingt als Offensivmittelpunkte bezeichnet werden. Doch wird solchen Big Men unrecht getan, wenn man sie als offensiv harmlos abstempelt. Gerade im postmodernen Basketball, in dem viele Pick-and-Rolls gelaufen und Schützen im Dreier-Duktus freigeblockt werden wollen, sind Blöcke stellende Center enorm wichtig – und beeinflussen die Offensive positiv. Statistisch lässt sich dies bei Adams wie folgt unterstreichen: Die Thunder haben in der regulären Saison 9,8 Punkte pro 100 Angriffe mehr erzielt, wenn er auf dem Parkett stand, statt auf der Bank zu sitzen. Teamintern war dies knapp hinter Paul George der zweithöchste Wert – noch vor Russell Westbrook. Was Adams seiner Mannschaft noch gibt? Viele zweite Wurfchancen. Fünf Offensivrebounds schnappte sich der Big Man in den vergangenen beiden Saisons pro Partie – mehr als am eigenen Brett. Doch auch das hat System und schneidet die Uneigennützigkeit von Adams an: Denn der Center blockt sehr wohl seinen eigenen Gegenspieler aus – Rebounds ohne Bedrängnis mag sich da vielmehr Westbrook schnappen, der sich so das eine oder andere Triple-Double abgegriffen hat … Adams sei Dank. „Steven gibt zugunsten von Russ, mir und den Scorern unseres Teams nach“, weiß auch George dessen Uneigennützigkeit zu schätzen. Die vielleicht auch darin begründet liegt, dass sich Adams selbst nicht zu ernst nimmt.

Vom „Buschmann“ zum Basketballer

„Ihn beeindruckt so schnell nichts, er nimmt die Dinge nicht allzu ernst. Ich glaube, das liegt in der Kultur seiner Herkunft begründet. Er ist nicht mit dem Traum aufgewachsen, einmal in der NBA


zu spielen – und das sieht man.“ So beschreibt Nick Collison gegenüber ESPN seinen ehemaligen Teamkollegen einmal. Als Adams 2013 als zwölfter Draftpick in die Liga kommt, hat er nur 18 Monate in den USA verbracht – inklusive einer Saison am College in Pittsburgh. Adams’ Vita – von jugendlichen Problemen zur helfenden Bezugsperson – ähnelt der vieler NBA-Kollegen, nur dass sie in Neuseeland ihren Lauf nimmt. Steven Adams wächst in der Kleinstadt Rotorua auf und wird mit 13 Jahren aus der Bahn geworfen, als sein Vater stirbt. Er schwänzt häufig die Schule und verbringt seine Zeit auf den Straßen seiner Heimatstadt – von denen ihn sein älterer Bruder Warren aufsammelt (oder vielmehr einer seiner älteren Brüder, denn Steven hat 17 Geschwister!). Der Sport soll Steven auf eine bessere Bahn lenken. Da er mit 14 Jahren bereits 1,96 Meter misst und schon damals von athletischer Natur ist, stellt Warren eine Verbindung zu Kenny McFadden her, einem US-Amerikaner, der sich in Neuseeland niedergelassen und sich dort einen Namen als Coach gemacht hat. McFadden schlägt für Adams schließlich ein Stipendium am Scots College in Wellington heraus, einer presbyterianischen Schule mit Kleidervorschrift. Ein ungewohntes Umfeld für Adams, der seine Jugend am liebsten auf einer Farm verbracht hätte. „Ich hatte davor nie eine Krawatte getragen – ich war ein Buschmann. Die Leute damals, die mittlerweile meine Freunde sind, dachten sich nur: ,Wer ist dieser Mörder?‘ Am Anfang habe ich mich wirklich unwohl gefühlt“, erinnert sich Adams gegenüber ESPN.

Doch McFadden nimmt ihn unter seine Fittiche, das gemeinsame Training startet vor der ersten Schulstunde mitunter schon um sechs Uhr morgens. Die Zeit am Scots College habe in Adams „einen Funken entfacht und mir die Augen geöffnet“. Zwei Jahre später macht er sich auch über die Landesgrenzen hinaus einen Namen, wieder zwei Jahre später geht es dann in die USA. „Wenn er Kenny McFadden nicht gehabt hätte, wäre er sicherlich nicht dort, wo er heute ist“, weiß Mark Bryant, Assistant Coach bei den Thunder, um Adams’ Geschichte. „Es ist ein ziemliches Wunder, weil es in Neuseeland nicht viel Basketball gibt.“ Für Adams mag es anfangs nicht das Ziel gewesen sein, NBASpieler zu werden, doch das Erfolgsrezept seines Weges dorthin erklärt er mit Arbeitseifer: „Ich wurde süchtig danach, besser zu werden.“ Fortschritte sind kontinuierlich in Adams’ NBA-Karriere auszumachen, statistisch lässt sich dies in der aktuellen Saison mit neuen Karrierebestwerten von 13,9 Punkten, 9,5 Rebounds, 1,6 Assists und 1,5 Steals untermauern. Dass Adams ein Viertel seiner Offensivaktionen aus dem Postup abschließt, mag antiquiert anmuten. Doch zum einen profitiert er davon, dass – seiner Meinung nach – nur noch wenige Spieler wissen, wie am Zonenrand verteidigt wird. Zum anderen kann der Center hier auch einfach seine überragende Kraft ausspielen. „Er ist der stärkste und physischste Spieler der Liga“, bekräftigt Wizards-Coach Scott Brooks. Doch Steven Adams kommt auch mit Finesse daher, wenn er als Passempfänger im Fastbreak den Eurostep auspackt.

Schon in Interviews ist zu merken, dass Adams Interesse an Taktik und Technik hat, wenn er über die Feinheiten des Abrollens philosophiert oder einer gegnerischen Mannschaft Respekt zollt, indem er auf die Qualität ihrer Spielzüge hinweist. Sein neuseeländischer Akzent, die Selbstironie und das obligatorische Hinzufügen von „Mate“ machen ihn zu einer willkommenen Abwechslung am Mikrofon, wo doch so einige Stars fast schon eine Fehde mit der Journaille zu führen scheinen. Adams tritt da eher unbeeindruckt auf, genau wie gegenüber großen Namen auf dem Parkett. So schildert Kendrick Perkins bei ESPN seine Eindrücke von Adams, als dieser in die Liga kam: „Man merkte dem Jungen gleich an, dass er einfach arbeiten wollte. Ich glaube, er wusste nicht mal, wer die meisten seiner Gegenspieler waren. Er war von den Stars nicht beeindruckt, er hat sich einen Dreck darum geschert.“ Wohin es für Adams noch gehen kann? „Ich denke, Steve-O hat vom offensiven Gesichtspunkt her noch eine Menge ungenutztes Potenzial“, sagte Paul George vor dem Saisonstart. „Er könnte sogar zu einem 20/10-Spieler, zu einem der besten Scoring-Bigs der Liga werden.“ Das ist vielleicht etwas übertrieben, mag bei Adams’ Arbeitseifer aber auch nicht auszuschließen sein. Und wer es von den Straßen Rotoruas auf das Parkett der NBA schafft, wer mit 17 Geschwistern aufwächst, wer sich mit Kendrick Perkins im Training bekämpft und in den Playoffs Draymond Greens Karatekicks einsteckt, den haut so schnell nichts um. redaktion@fivemag.de

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Die Brooklyn Nets steckten jahrelang im NBA-Keller fest. Früh draften durfte die Franchise nicht, Free Agents mieden

den Korb“, erklärt der Zweitjahresprofi seine vorbildliche Einstellung am defensiven Ende des Feldes. Dank seiner äußerst populären „Block-Opfer“ kam der junge „Brooklynite“ im Laufe der Saison zu nationaler Prominenz. US-amerikanische Sportsender wie ESPN und CBS Sports begannen unisono über die Blocks von Allen zu sprechen. Die Brooklyn Nets spielten die erfolgreichste Regular Season seit fünf Jahren, und einen großen Anteil daran hat Allen. Denn es sind nicht nur die Highlight-Blocks, mit denen er seinen Einfluss auf die gegnerische Offensive spürbar macht. Wer verstehen möchte, warum der Zweitjahresprofi für das Funktionieren der Nets-Verteidigung so essenziell wichtig ist, muss sich die taktischen Ansprüche von Coach Kenny Atkinson vergegenwärtigen.

das Team. Doch mit viel Weitsicht und Kreativität formten General Manager

Sean Marks und Trainer Kenny Atkinson über Jahre einen Playoff-Kader. Die

Zukunft auf der Center-Position gehört

dabei Jarrett Allen. Über einen Big Man, der Moderne und Tradition verbindet – auf dem Court und im Barbershop. Text: Torben Adelhardt

Fotos: Al Bello/Getty Images

L

eBron James konnte sich ein kurzes Schmunzeln nicht verkneifen. Im Nachgang der Partie seiner Los Angeles Lakers bei den Brooklyn Nets gab James den anwesenden Reportern in den Katakomben des Barclays Center seine kurze Einschätzung zu der Highlight-Szene des Spiels. „Er ist in seinen Zwanzigern, ich bin in meinen Dreißigern. Da dauert es bei mir halt etwas länger, bis ich warm bin“, diktierte der „King“. Er, das ist Jarrett Allen, Nachwuchs-Center der Nets. Und die Szene, auf die sich James bezieht, ist ein Block, mit dem Allen einen krachenden Dunk des 33-jährigen Superstars in den Anfangsminuten des Spiels auf spektakuläre Weise unterbindet. Für James kein alltägliches Gefühl. Von seinen über 1.850 Dunkversuchen endeten lediglich neun mit einer „Rejection“ am Ring. In relativen Zahlen ausgedrückt: 0,49 Prozent. Während „The Chosen One“ an diesem Abend eine für ihn ungewöhnliche Szene erlebte, entspricht das Blocken von NBA-Superstars der Lieblingsbeschäftigung des 21-jährigen Allen. James Harden, Blake Griffin, Anthony Davis, Giannis Antetokounmpo: Sie alle spürten in dieser Saison die ShotblockingQualitäten von Allen am eigenen Leib. „Wenn du hochgehst und den Wurf blockst, bist du in den Highlight-Videos. Und wenn jemand über dich hinwegdunkt, bist du auch in den Highlight-Videos. Also, geh einfach hoch und beschütze

Anti-Morey-Ball

„Wir sagen Jarrett immer, dass er sich Szenen von Rudy Gobert anschauen soll. Das ist ein Typ, dem er nacheifern sollte – in jeder Hinsicht“, erklärt Atkinson. Für den Nets-Übungsleiter ist Gobert der Prototyp eines modernen Ringbeschützers: mobil genug, um das gegnerische Pick-andRoll im gesamten Halbfeld verteidigen zu können. Dazu mit einer Länge sowie Athletik gesegnet, die in der Zone eine konstante Help-Defense versichert. Und genau in diesen Bereichen überragt auch Allen. „Ich bin begeistert von ihm. Er ähnelt Clint Capela, ist ein moderner Center wie Rudy Gobert. Ich will ihn nicht zu sehr hypen, aber er nimmt bereits mit 19 Jahren eine wichtige Rolle in unserem Team ein. Er sprintet wie ein Reh und blockt Würfe“, würdigte Atkinson die Darbietungen seines Zöglings nach dessen Premierensaison in der NBA. Mit seinen Skills am defensiven Ende des Feldes ist der 2,11-MeterMann der Schlüssel zum Upgrade der Nets-Verteidigung in diesem Jahr. Das Team aus New York City stellte im letzten Saisondrittel 2018/19 eine der besten

Verteidigungen der Liga (7. Platz im Defensivrating). Nur die Utah Jazz und Golden State Warriors gestatteten ihren Kontrahenten in diesem Zeitrahmen eine noch niedrigere effektive Feldwurfquote als die Nets (49,3 Prozent). Das Geheimnis ihrer gesteigerten Defensiv-Effizienz ist der konsequente Anti-Morey-Ball: die Taktik, den Gegnern so wenige Dreier oder Layups wie möglich zu gestatten und stattdessen zu Abschlüssen aus der Mitteldistanz zu zwingen. So nahmen die Nets-Gegner nur 32,7 Prozent ihrer Feldwürfe von jenseits der Dreierlinie (3. Platz) – und 22,4 Prozent aus dem Bereich zwischen Zone und Dreierlinie (2. Platz). Den Dreier aus den Ecken, gemeinhin einer der effizientesten Würfe im Basketball, verteidigten nur die Philadelphia 76ers (34,2 Prozent) noch besser als die Nets (34,7). Somit ist die Abwehr Brooklyns das defensive Äquivalent zum analytischen Morey-Ball, bei dem der Fokus auf der „Dreier oder Korbleger“-Offensive liegt. Die Rolle von Allen in diesem Defensiv-Schema sieht auch vor, dass er bei gegnerischen Pickand-Roll-Spielzügen eine „Drop Coverage“ spielt, also vor dem Dribbler bleibt und sich in Richtung eigene Zone orientiert. Der Grund: Dort kommen seine Qualitäten hervorragend zum Tragen. Allen verteidigte in dieser Saison knapp sieben Würfe pro Spiel in der Nahdistanz und erlaubte seinen direkten Kontrahenten eine Trefferquote von 55,1 Prozent – rund acht Prozent unter dem Ligadurchschnitt. Nur Joel Embiid (52,3 Prozent) und Rudy Gobert (51,6) können bei diesem Verteidigungsvolumen noch niedrigere Trefferquoten aufweisen. Dank seiner Agilität und einer Armspannweite von 2,27 Meter erschwert Allen zahlreiche Würfe noch in den letzten Augenblicken. Mit einer Blockrate von 4,5 Prozent gehört der Afro-Träger zu den zehn besten Shotblockern der Liga. „Warum man sich Spiele der Brooklyn Nets anschauen sollte? Wir haben einen All-Star-Guard in unseren Reihen sowie einen zukünftigen Top-Five-Center mit einem überragenden Afro“, rührte unlängst auch Spencer Dinwiddie die Werbetrommel für seinen jungen Teamkollegen. Dass Allen bereits nach seiner zweiten Profisaison dieses Lob verdient, war vor wenigen Jahren noch nicht abzusehen.

Smart Move

Am 03. Juni 2016 gab Jarrett Allen den Reportern von ESPN die offizielle

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Fotos: Cooper Neill/Steve Dykes/Getty Images

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Jarrett

Bestätigung: Ab der kommenden Saison würde der Schlaks aus Austin seine Sneakers für die University of Texas schnüren. In Zeiten, in denen die meisten Top-Rekruten ihre College-Entscheidungen vor den TV-Kameras zeremoniell aufbereiten, verlief das Recruiting von Allen jedoch abseits der ganz großen Berichterstattung. Dabei gehörte der Big Man zu den höchstgehandelten Talenten seines Jahrgangs und stand frühzeitig auf den Notizblöcken zahlreicher EliteUniversitäten aus dem Mittleren Westen und Umgebung: Kansas, Kansas State, Kentucky, Houston und Texas sowie North Carolina, Notre Dame und Indiana. In seinem Junior-Jahr an der St. Stephen’s Episcopal School führte Allen sein Team bis zur ConferenceMeisterschaft und erhielt die Auszeichnung zum „All-Central Texas Player of the Year“. Als Senior zementierte Allen seinen Status als Top-Talent und legte im Durchschnitt 20 Punkte, 13 Rebounds und fünf Blocks pro Partie auf. Trotz des gestiegenen Interesses an seiner Person vermied es Allen, seinen Recruiting-Prozess öffentlich zur Schau zu stellen. „Er ist kein Kerl, der um Aufmerksamkeit buhlt – was ich wirklich respektiere. Er ist ein entspannter Typ. Ich denke, dass er seine Entscheidung in aller Ruhe durchdenken wollte, um sicherzustellen, dass er für sich das Richtige tut“, erklärt Texas-LonghornsCoach Shaka Smart. Dass sich Allen damals für einen Verbleib in seinem Heimatstaat entschied, überraschte indes kaum jemanden. Smart machte es sich in seinem ersten Jahr als Headcoach der Longhorns zur Hauptaufgabe, den FünfSterne-Rekruten für ein Texas-Engagement zu begeistern. Die Aussicht auf einen festen Platz als Starter sowie eine tragende Rolle im Offensivsystem gaben schließlich den Ausschlag zugunsten der Longhorns. Smart bekam seinen Wunsch-Center. Gemeinsam mit Freshman-Guard Andrew Jones und den beiden Sophomores Tevin Mack und Kerwin Roach Jr. sollte Allen die Big-12-Conference im Sturm erobern und das junge Texas-Team bis ins große NCAA-Turnier führen. Soweit der Plan von Smart und die Hoffnungen der Fans in und um Austin. Doch die NCAA-Saison 2016/17 entwickelte sich für die Longhorns frühzeitig zu einem Desaster. Die Abstinenz von erfahrenen Rotationsspielern machte sich schnell bemerkbar. Am Ende beendete Texas die Saison mit 22 Niederlagen bei nur zwölf Siegen. Es mangelte an Konstanz und Ruhe im Aufbauspiel – ein Umstand, der vor allem Big Man Allen zu schaffen machte. Vor der Saison von seinem Headcoach noch als Spieler charakterisiert, der „nur so über das Parkett zu fliegen scheint“, wurde Allen häufig in PostupSituationen eingebunden, wo er sich gegen physischere Kontrahenten schwertat.

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Statt seine Stärken in einer Fastbreak-Offensive zur Geltung zu bringen, belegten die Longhorns den 217. Platz beim Spieltempo. Zudem überragte Allen auch nicht in der Verteidigungsarbeit als Ringbeschützer. Mit seiner BlockProzentzahl von lediglich 5,0 rangierte er ligaweit auf dem 100. Platz. 13,4 Punkte und 8,4 Rebounds in rund 32 Minuten Einsatzzeit standen schlussendlich für Allen in seiner ersten und einzigen College-Basketball-Saison zu Buche. Auf individueller Ebene absolvierte der Freshman eine ordentliche Spielzeit, ohne dabei wirklich zu überragen. „Er wurde besser und besser. Was Jarrett

„Er ist ein unglaubliches Talent, extrem vielseitig und steckt voller Potenzial. Er hat sich in seiner College-Zeit klar weiterentwickelt und passt perfekt zu dem, was wir momentan in Brooklyn aufbauen wollen.“ Sean Marks -----------

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aber wirklich von allen anderen Spielern abhebt, mit denen ich bislang gearbeitet habe, ist sein Wissensdurst. Er hat ein Verlangen und Bestreben danach, neue Dinge kennenzulernen und zu verstehen. Ich denke, das ist ein wesentlicher Grund, warum er sich stetig verbessert hat“, erläutert Smart die Leistungssteigerung seines Starting-Centers. Als athletischer Center mit Gardemaß generierte Allen nach seinem Freshman-Jahr ausreichend NBAInteresse, um seine Zelte in Austin abzubrechen. Für seinen College-Trainer eine logische Entscheidung: „Ich glaube wirklich, dass er weiterhin ein explosives Wachstum an den Tag legt. Er bringt alles mit, was ein Spieler mitbringen muss, um

sich jeden Tag zu verbessern. Jarrett hat einen tollen Charakter, und das ist wichtig. Es war hier an der University of Texas wichtig, und es wird in seiner NBA-Karriere wichtig sein.“

Marks’ Man

Die Brooklyn Nets sicherten sich bei der NBA-Draft 2017 mit dem 22. Pick die Rechte an Jarrett Allen. „Ein absoluter Glücksfall“, wie Brooklyn-General-Manager Sean Marks direkt nach der Talentziehung zu Protokoll gab. „Er ist ein unglaubliches Talent, extrem vielseitig und steckt voller Potenzial. Er hat sich in seiner College-Zeit klar weiterentwickelt und passt perfekt zu dem, was wir momentan in Brooklyn aufbauen wollen.“ Für die favorisierte Spread-Pickand-Roll-Offensive von Coach Atkinson fehlte den Nets noch ein athletischer RollMan, der gute Blöcke setzt und vertikales Spacing liefert. Ein Rollenprofil, dem die anderen damaligen Big Men im Kader – Jahlil Okafor, Timofey Mozgov, Brook Lopez und Justin Hamilton – nicht entsprachen. Mit Allen brachte ein NBAFrischling genau jenes athletische Upgrade, das die Nets nicht nur für ihre Defensive, sondern auch für die Offensive benötigten. Als Rookie legte er in 20 Minuten Einsatzzeit pro Spiel 8,2 Punkte, 5,4 Rebounds und 1,2 Blocks auf. 2018/19 steigerten sich diese Werte auf 10,9 Punkte, 8,3 Rebounds und 1,5 Blocks. Coach Atkinson bindet seine beiden Big Men Jarrett Allen und Ed Davis fast exklusiv als Screener und in Dribble-Handoffs an der Dreierlinie ein. Kein anderer NBA-Spieler weist eine höhere Nutzungsrate als abrollender Blocksteller in Pick-and-Roll-Aktionen auf als Allen (36,8 Prozent). Dabei erzielt er im Durchschnitt 1,18 Punkte und scort somit effizienter als Myles Turner oder Jusuf Nurkic, die bei einem ähnlichen Volumen auf 1,03 beziehungsweise 1,13 Punkte pro Spielzug kommen. „Unsere Dribbler lieben es, mit ihm zusammenzuspielen. Er sprintet zum Block, setzt einen harten Screen und rollt direkt zum Korb ab“, berichtet Atkinson. Ein Satz, den Spencer Dinwiddie bestätigt: „Er ist athletisch, kann den Fastbreak mitlaufen, bietet vertikales Spacing, weil er Lobpässe zu Dunks verarbeitet, und kann mit beiden Händen gleich gut abschließen. Jarrett macht das Spiel als Pick-and-RollPartner leichter“, sagt der 26-Jährige. Es würde dem zurückhaltenden und reflektierten Charakter von Allen widersprechen, lautstark Ziele zu proklamieren – ob auf individueller oder mannschaftlicher Ebene. Doch nicht nur seine markante Frisur weckt Erinnerungen an einen früheren All Star, der als DefensivSpezialist das Herzstück eines Championship-Teams war. Sein Name: Ben Wallace. Es ist Zeit, wieder den Afro zu fürchten. redaktion@fivemag.de


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Tomas Satoransky Der perfekte Mitspieler

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Tomas Satoransky dirigiert bis zu John Walls Rückkehr die Offensive der Washington Wizards – und könnte ihn sogar beerben. Steht der einzige Tscheche in der NBA nicht auf dem Court, liest er gern schwedische Krimis oder klettert aus Langeweile Hotelwände hoch. Text: Thomas Fritz

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ls Tomas Satoransky im März 2018 bei den San Antonio Spurs auflief, spielte der Aufbau der Washington Wizards so schlecht, dass er keinen Gedanken daran verlor, sein Idol Manu Ginobili nach dessen Trikot zu fragen. Null Punkte und acht Fehlwürfe standen nach der 90:98-Niederlage für ihn auf dem Statistikbogen. Eine Saison später hat der Argentinier seine Sneakers an den Nagel gehängt. Chance vertan … Dieses Jahr sind Auftritte wie gegen die Spurs eine Seltenheit geworden. Nach dem Achillessehnenriss von All Star John Wall Ende Dezember hat sich der einzige tschechische NBA-Profi in die Herzen der Hauptstadt-Fans gespielt und legte als Starter (53 Spiele) in knapp 33 Minuten 10,5 Punkte, 6,2 Assists sowie 4,3 Rebounds auf. Er traf 48,5 Prozent aus dem Feld, 39,5 Prozent von Downtown und 81,9 Prozent von der Freiwurflinie. Auch dank

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seiner uneigennützigen Spielweise, seiner krachenden Dunks und seiner humorvollen Persönlichkeit galt der 27-Jährige als einer der wenigen Lichtblicke in einer Saison ohne Zauber, die nach nur 32 Siegen ohne Playoff-Teilnahme der Wizards endete. Ein etablierter Starter ist der 2012 gedraftete Aufbauspieler zwar noch nicht. Aber drei Jahre nach seinem NBA-Debüt befindet er sich auf dem richtigen Weg. Schon jetzt ist er der beste Tscheche, der jemals in der besten Liga der Welt aufgelaufen ist. Vor ihm schafften den Sprung aus der Fußballund Eishockey-Nation nur George Zidek (135 Spiele, 3,4 Punkte pro Spiel), Jiri Welsch (247, 6,1) sowie Jan Vesely. Letzterer wurde 2011 von den Wizards als sechster Pick gezogen und läuft nach 162 NBA-Partien (3,6 Punkte) inzwischen für Fenerbahçe Ülker auf. Satoransky setzt also die übersichtliche tschechische NBA-Tradition


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Fotos: Samuel Corum/Anadolu Agency/Getty Images


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Satoransky

fort, agiert jedoch schon auf so hohem Niveau, dass er wegen seines Gardemaßes von 2,01 Meter mit ähnlich langen europäischen Spielmacher-Legenden wie Antoine Rigaudeau, Dejan Bodiroga oder Theo Papaloukas verglichen wird.

Fotos:Jonathan Daniel/Will Newton/Getty Images

Spider-Challenge

Kaum jemand kennt Satoranskys Werdegang und Wesen so gut wie Jiri Welsch. Zwischen 2008 und 2018 sind sie Teamkollegen in der tschechischen Nationalmannschaft. Das Duo freundet sich trotz zwölf Jahren Altersunterschied an. Der Jüngere ist nie um einen Spaß verlegen, nennt die Veteranen wie Welsch und Lubos Barton „Opas“ und denkt sich verrückte Spiele wie die Spider-Challenge aus. Dabei muss man sich in einem engen Hotelflur, die Füße auf der einen Seite der Wand und die Hände auf der anderen Seite, nach oben drücken. „Tomas will immer um irgendetwas wetten“, sagt Welsch. Mit dem Duo qualifiziert sich Tschechien 2013 erstmals seit 2007 wieder für die Europameisterschaft. „Er nahm das Playbook mit in sein Hotelzimmer und lernte es in zwei Tagen auswendig“, sagt der damalige Nationaltrainer Pavel Budínský über seinen Jungstar. „Es ist eine große Freude, so einen großartigen Spieler und Menschen zu coachen.“ 2015 belegen die Tschechen sogar den neunten Platz, 2017 sind sie wieder bei der EuroBasket dabei. Die Karriere des gebürtigen Pragers beginnt 2007 bei USK Prag, obwohl in der Familie eher Volleyball großgeschrieben wird. In den weißen Trikots des Klubs läuft er mit 15 Jahren als jüngster Spieler aller Zeiten in der ersten Liga auf und gewinnt auf Anhieb den Slam-Dunk-Contest. Es ist nicht der letzte Beweis seiner überdurchschnittlichen Athletik. 2009 folgt der Wechsel zu Baloncesto Sevilla in die spanische ACB, die stärkste nationale Liga Europas. Die große Leistungsdichte auf der Iberischen Halbinsel tut seiner Entwicklung gut. 2011 verliert er mit seiner Mannschaft das Eurocup-Finale knapp gegen Kasan. Schnell wird die NBA auf den langen Tschechen aufmerksam. 2012 draften ihn die Wizards in der zweiten Runde mit dem 32. Pick. Auch in der Summer League hinterlässt er durch seine spektakuläre Spielweise einen bleibenden Eindruck. Satoransky widerlegt das Klischee, dass weiße Jungs nicht springen können, mit dem ihn einige afroamerikanische Athleten konfrontieren. Spielerisch kann er auf höchstem Niveau mithalten, aber es fehlt noch Muskelmasse. Deshalb setzen die Verantwortlichen zunächst auf eine Weiterentwicklung in Spanien. Von 2014 bis 2016 steht Satoransky in Diensten des FC Barcelona, mit dem er 2015 den spanischen Supercup gewinnt. 2016 wird er zum spektakulärsten Spieler der Liga

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gewählt. Ihm bleibt das gemeinsame Trainingszentrum mit den FußballSuperstars um Neymar und Messi besonders in Erinnerung. Tausende Fans warteten draußen auf die Kicker, um Autogramme zu ergattern. Erblickten sie die Korbjäger, riefen sie manchmal: „Die wollen wir nicht.“ Für einen erfolgreichen Basketball-Profi durchaus eine ungewohnte Erfahrung.

Pass first, shoot second

Vier Jahre nach seiner Draft wechselt Satoransky schließlich nach Washington. Als Backup von John Wall oder Small Forward Otto Porter schickt ihn Coach Scott Brooks 12,6 Minuten aufs Feld. In den Playoffs spielt er so wenig, dass er kaum ins Schwitzen kommt. Im zweiten Jahr verdoppelt sich seine Spielzeit jedoch fast. Wegen einer Verletzung von Wall darf Satoransky 30 Mal als Starter aufs Feld. Die Wizards gewinnen die ersten fünf Spiele und insgesamt zehn von 13 mit dem Ersatzmann auf der Eins. Vor allem in den ersten Partien scoren die Wizards besser, treffen hochprozentiger und verteidigen enger. Wall ist ein balldominanter Guard, Satoransky bringt seine „Pass first, shoot second“-Mentalität ein. Nach dem dritten Erfolg twittert Center Marcin Gortat: „Unglaublicher Sieg heute! Großartiger ‚Team‘-Sieg!“ Die Betonung von „Team“ deuten manche als Seitenhieb auf Wall, dem nachgesagt wird, zu sehr auf seine

eigenen Zahlen zu schielen. Außerdem soll er hin und wieder mit Teamkollegen aneinandergeraten sein und sogar schon seinen Coach beschimpft haben. Satoransky erklärt, die Stimmung im Locker Room könnte besser sein. Die Mannschaft erreicht trotz der Befindlichkeiten erneut die Playoffs. „Tomas Satoransky hat mit seinem großartigen Spiel und Einsatz, mit großer Entschlossenheit und Mumm unsere Saison gerettet“, ist Coach Brooks voll des Lobes. Kurz vor der K.o.-Runde kehrt Wall von seiner Verletzung zurück. Satoransky muss sich bei der 2-4-Niederlage gegen die erstplatzierten Toronto Raptors wieder mit der Reservistenrolle begnügen und nimmt dies auch hin. Dennoch hat er zum ersten Mal bewiesen, dass er in der Liga eine gute Rolle spielen kann. „Die Spieler lieben Satoransky, weil er die richtigen Dinge macht“, heißt es in einem Porträt auf theringer.com. Er ist der Erste zurück in der Defense, wirft sich nach Looseballs, entschuldigt sich, wenn er einen Mitspieler beim Backdoor-Cut übersehen hat, und flucht wütend, wenn er einen Spielzug vermasselt. „Er ist so wütend, weil er die Leidenschaft hat, das richtige Play zu machen“, sagt Coach Brooks, der sich an die Schimpftiraden in tschechischer Sprache gewöhnt hat. Macht Brooks einen Fehler, können sich die Worte auch gegen ihn richten. „Ich kann nicht zurückfluchen“,


und jemanden, der auf Nachrichten – im Gegensatz zu anderen Kollegen – immer antwortet. Brauchte Gortat jemanden zum Reden oder hatte Lust auf einen Restaurantbesuch – Satoransky war sein Mann. „Wenn es um die Chemie in der Kabine geht“, sagt der vereinslose Pole, „dann ist er der perfekte Mitspieler.“

Aufbau der Zukunft?

Gortats Nachfolger Dwight Howard lief in der aktuellen Spielzeit in gerade mal neun Partien auf. Nimmt man Walls schwere Verletzung und die Trades für Bobby Portis und Jabari Parker hinzu, sind das schon einige handfeste Gründe, warum die Wizards zum zweiten Mal in den vergangenen sechs Jahren die Postseason vom Fernsehsessel aus verfolgen müssen. Für Satoransky ist diese Misere indes eine Chance, sich weiter in den Mittelpunkt zu spielen. Im ersten Spiel nach Walls Saisonaus legt der 27-Jährige 20 Punkte,

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„Ich kann nicht zurückfluchen, weil ich nicht weiß, was er gesagt hat.“ Scott Brooks -----------

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lacht der Cheftrainer, „weil ich nicht weiß, was er gesagt hat.“ Auch bei den Soft Skills kann der Sohn einer Kindergarten-Erzieherin, der gern in Cafés geht, schwedische Krimis liest und im Video des tschechischen Rappers Ektor einen Cameo-Auftritt hatte, durchaus punkten. Er gilt als witziger, kommunikativer und umgänglicher Typ, der sein Gegenüber ernst nimmt. „Ich mochte die Art, wie er meine Augen fixiert hat. Er hörte allem zu, was ich gesagt habe“, erinnert sich Brooks an die erste Begegnung 2016. Ex-Mitspieler Gortat schätzt ihn als guten Gesprächspartner, als Witzbold

sechs Assists und vier Rebounds gegen die Charlotte Hornets auf. Knapp zwei Wochen später gelingt ihm das erste TripleDouble seiner Karriere (18 Punkte, zwölf Rebounds, zehn Assists) bei einem Sieg gegen Milwaukee. „Tomas ist konstant aggressiv und kreiert konstant Plays“, sagt Shooting Guard Bradley Beal, der Topscorer der Wizards. „Er hat seine Chance ergriffen und genutzt.“ Und das, obwohl er nicht wie Wall oder Beal die Kugel in der Offensive dominiert. Mit einer Usage Rate von 13,9 liegt der Stratege unter allen 74 NBAGuards mit mindestens 1.000 gespielten

Minuten auf Platz 69. Ein extrem niedriger Wert für einen Spielmacher. Dafür gibt es mehrere Gründe. Beal, Parker oder Portis sind ebenfalls in der Lage, für ihre Teamkollegen zu kreieren. Und dank seiner Länge weicht Nummer 31 schon mal auf den Flügel aus, wo der Spalding nicht zwingend durch seine Hände läuft. Zudem passt er den Ball lieber weiter, als einen schlechten Wurf zu forcieren. Die große Stärke ist der Abschluss direkt in der Zone, wo er fast 50 Prozent aller Abschlüsse nimmt und mit 64,2 Prozent Trefferquote unter allen Guards im oberen Drittel rangiert. Auch den Dreier aus der rechten Ecke trifft er mit 57,1 Prozent elitär. Da stellt sich die Frage, warum er seine Stärken nicht häufiger ausspielt und aggressiver zu Werke geht. Denn trotz erfolgversprechender Ansätze und solider Durchschnittswerte macht „Sato“ noch keinen nachhaltig großen Unterschied. Gerade in der Verteidigung muss er noch zulegen. Was heißt das für die Zukunft? Im Sommer wird der Tscheche Free Agent. Vieles deutet darauf hin, dass die Wizards ihn halten wollen, zumal Wall im schlechtesten Fall die gesamte Saison 2019/20 verpassen könnte. Aber es gibt da einen Haken. Das aktuelle Gehalt von 3,1 Millionen Dollar entspricht nicht mehr Satoranskys Marktwert. Wollen die Wizards einen Übergangsstarter mit einem mehrjährigen lukrativen Vertrag ausstatten? Das würde nur Sinn ergeben, wenn Wall die Franchise über kurz oder lang verlässt. Schon vor seiner Verletzung hatten die Verantwortlichen einen Wechsel ihres Franchise-Players, der das Team nie über die zweite Playoffrunde hinausführte, nicht mehr ausgeschlossen. Nun kommt hinzu, dass er als auf die dreißig zugehendes AchillessehnenrissOpfer vielleicht nie wieder zu alter Stärke zurückfindet. Allerdings ist ein Trade unter diesen Voraussetzungen sehr schwierig, zumal Wall 2019/20 rund 38 Millionen Dollar und im letzten Jahr seines Vertrages 2022/23 rund 47 Millionen Dollar verdient. Sollte er bleiben, werden die Hauptstädter für Satoransky nicht mehr Geld als unbedingt nötig ausgeben wollen, um die Point-Guard-Position nicht noch mehr überzubezahlen. In diesem Fall wäre der Weggang des frischgebackenen Familienvaters wahrscheinlicher. Mit bald 28 Jahren ist der Sommer 2019 praktisch seine letzte Chance auf einen großen Zahltag. Egal in welchem Team er im Herbst aufläuft, seine Mitspieler dürfen sich auf einen extrem ehrgeizigen Baller mit „Play the right way“-Attitüde und einem tollen Sinn für Humor freuen. Wenn Manu Ginobili noch in der Liga spielen würde, hätte Tomas Satoransky jetzt wahrscheinlich keine Hemmungen mehr, sein Idol ganz direkt nach dem Trikot zu fragen. redaktion@fivemag.de

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Landry

Shamet

LANDRY SHAMET MEHR ALS EIN SCHÜTZE Rookies auf dem Vormarsch: Luka Doncic, Trae Young, Jaren Jackson Jr. und Co. eroberten die NBA im Sturm und hinterließen in ihren Premierensaisons einen bleibenden Eindruck. Zu dieser Armada an talentierten Jungspunden gehört auch ein dürrer Dreierschütze aus Kansas City, den vor der Saison nur die wenigsten auf dem Zettel hatten. Für Landry Michael Shamet ist das Übertreffen von Erwartungen mittlerweile zur Gewohnheit geworden. Text: Torben Adelhardt

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evin Durant fühlte sich an der Ehre gepackt. Obwohl seine Golden State Warriors zur Halbzeit mit 62:55 gegen die Los Angeles Clippers führten, war dem amtierenden NBA-Champion klar, dass im zweiten Spielabschnitt die defensive Intensität erhöht werden musste. Regular Season hin oder her. „Er hatte in der ersten Halbzeit einen starken Lauf und uns von der Dreierlinie abgeschossen. In solchen Momenten setzt mich unser Coach gerne

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auf diese Jungs an, um sie aus dem Spiel zu nehmen“, schilderte „KD“. Dass Warriors-Headcoach Steve Kerr den zweifachen NBA-Finals-MVP mit dieser Sonderaufgabe betreute, lag an dem herausragenden Shooting-Abend von Landry Shamet. Der Clippers-Rookie fackelte im ersten Viertel des Spiels ein Feuerwerk ab und verwandelte vier seiner ersten fünf Dreierversuche. Zur Halbzeit stand Shamet bei 15 Punkten, stellte die Golden-StateDefensive vor schwerwiegende Probleme.


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Fotos: Adam Davis/Icon Sportswire via Getty Images

Immer wieder nutzte der Liganeuling Blöcke abseits des Balles, um genügend Platz für seinen sicheren Distanzwurf zu bekommen. „Ich habe versucht, mich der Herausforderung zu stellen und ihm über die Blöcke hinterherzujagen. Ich musste eine Menge Energie lassen, denke aber, dass ich ihm mit meiner Länge in der zweiten Halbzeit dann Probleme bereiten konnte“, erklärte Durant im Anschluss an die Partie. Die defensive Anpassung zeigte Wirkung. Shamet erzielte im zweiten Spielabschnitt keinen weiteren Dreier und sah sich einer engeren Bewachung ausgesetzt. „Man muss ihm Respekt zollen – nur wegen ihm haben wir unsere komplette Defensiv-Taktik geändert“, ergänzte Durant. Es war eine Würdigung der speziellen Fähigkeiten von Shamet. Der 22-Jährige gehört bereits jetzt zu den besten Dreierspezialisten der Liga und beendete seine NBA-Debütsaison mit einer Dreierquote von 42,2 Prozent bei durchschnittlich fünf Versuchen pro Partie. Noch nie traf ein Rookie in der NBAHistorie bei diesem Volumen so effizient wie Shamet. Insgesamt kommen nur zehn Spieler in dieser Saison auf eine Dreierquote von über 40 Prozent bei mindestens fünf Versuchen. Damit steht der Clipper in einer Riege mit ausgewiesenen Wurftalenten wie Joe Harris, Stephen Curry, Klay Thompson, Buddy Hield und Danny Green. Unter allen Dreierspezialisten (mindestens 70 Prozent der Abschlüsse sind Dreier) traf lediglich Davis Bertans (San Antonio Spurs) den Distanzwurf mit 42,9 Prozent noch effizienter als der Jung-Clipper. Kein Wunder, dass nicht nur Durant dem Youngster eine gehörige Portion Respekt zollt. „Es ist sehr wichtig, einen Spieler wie Shamet aus dem Rhythmus zu bringen. Wenn er heiß läuft, kann das ein ganzes Spiel verändern“, sagte Edelverteidiger Draymond Green im Anschluss an die erste PlayoffPartie zwischen den beiden Teams aus dem Bundesstaat Kalifornien. Wenn die Stars des Ligaprimus einem NBA-Rookie diese Art von Wertschätzung entgegenbringen, spricht es für das außergewöhnliche Leistungsvermögen, das


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Landry

Shamet

Shamet bereits in seinem ersten NBAJahr mitbringt. Was zu der Frage führt: Wieso flog der Abgänger der Wichita State University so lange unter dem Radar?

Fotos: Noah Graham/Adam Davis/Icon Sportswire/NBAE via Getty Images

Lange Zeit unbekannt

Die basketballerische Reise von Landry Shamet entspricht nicht dem typischen Werdegang eines kommenden NBASpielers. Keine Recruiting-Trips der Elite-Universitäten nach Kansas City, um Shamet für die Park Hill Highschool spielen zu sehen. Keine nationale Prominenz durch die Teilnahme an großen AAU-Turnieren in den Sommermonaten. In seinen ersten beiden Highschool-Jahren erhielt Shamet kein einziges Division-I-Angebot … Wenn es einen singulären Moment in der frühen Basketball-Karriere von Landry Shamet gibt, in dem der Grundstein für eine spätere Profikarriere gelegt wurde, dann ist es die HighschoolPartie zwischen Park Hill und den Blue Springs South Jaguars. Die Junior-Saison von Shamet ist wenige Wochen alt, als er mit seinem Team auf die Jaguars trifft. In deren Reihen steht mit Forward Kevin Puryear ein heiß umworbenes College-Talent. Zahlreiche Scouts reisen nach Missouri, um Puryear von einem Engagement an ihrer Universität zu überzeugen. Doch im Anschluss an das Spiel, welches die Außenseiter von Park Hill mit 68:65 für sich entscheiden, steht nicht mehr Puryear im Zentrum der Recruiting-Bemühungen. „Ich war zwar nicht selbst bei dem Spiel, aber direkt danach erhielt ich Anrufe aus dem ganzen Land. Ich konnte mir zuerst nicht erklären, was da los war“, berichtet Darin Mason, Headcoach der KC Pumas, des lokalen AAU-Teams von Shamet. „Wie sich herausstellte, war Landry in diesem Spiel förmlich explodiert, und alle Coaches wollten jetzt wissen, wer eigentlich dieser Landry Shamet ist.“ Tatsächlich änderte sich nach diesem Spiel für den Angepriesenen eine ganze Menge. Denn aufgrund eines Wachstumsschubs in den vorangegangenen Sommerferien stand der Aufbauspieler nun bei einer Körpergröße von knapp 1,94 Meter. 20,1 Punkte, 4,7 Rebounds und 3,4 Assists legte er in seiner Junior-Saison auf. In einem Alter, in dem die meisten Spieler einen natürlichen Leistungssprung hinlegen, übersprang Shamet gleich mehrere Level. „Ich habe keinen anderen Spieler bis dato trainiert, der seine Mitspieler dermaßen besser macht, wie es bei Landry der Fall ist“, weiß auch David Garrison, Trainer der Park Hill Trojans, die besonderen Fähigkeiten von Shamet zu schätzen. Als Senior führte der Aufbauspieler seine Mannschaft bei den Punkten (18,1), Rebounds (6,0), Steals (1,7) und Blocks (1,6) an. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Shamet bereits dazu entschieden, seine College-Karriere bei den Wichita State Shockers zu verbringen.

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Hinter Point Guard Jimmy Whitt (Arkansas Razorbacks) sowie Juwan Morgan und OG Anunoby (beide Indiana Hoosiers) listete ESPN Landry Shamet auf Platz vier der besten Highschool-Talente seines Jahrgangs im Bundesstaat Missouri. Neben Wichita State hatten auch Colorado, Illinois, Kansas State, Missouri, Minnesota und Nebraska dem Distanzschützen ein Stipendium angeboten. „Ich hatte bei Wichita State einfach das beste Gefühl. Wie Coach Marshall spielen lässt und wie ich meine Talente dort einbringen kann – das hat alles einfach super gepasst“, erklärte der Neu-Shocker seine Entscheidung zugunsten des Final-Four-Teams von 2013.

Endlich auf dem Radar

„Die Shockers bekommen einen Spieler, der sehr vielseitig ist. Er ist hochveranlagt und versteht das Spiel auf einem hohen Niveau“, so Eric Bossi, RecruitingAnalyst für Rivals.com. „Er ist ein guter Schütze, schließt auch hochprozentig aus dem Dribbling ab. Der Junge hat ein ausgeprägtes Gespür für das Spiel und trifft immer die richtige Entscheidung.“ Mit diesen Lobpreisungen gab der Experte allen Shockers-Anhängern die Hoffnung, dass Shamet zusammen mit den Senior-Guards Ron Baker und Fred VanVleet das Team

wieder zurück ins Final Four des NCAATurniers führen würde. Für Shamet nahm die NCAASaison 2015/16 jedoch ein abruptes Ende. Aufgrund einer Stressfraktur im linken Fuß strich er bereits nach drei Saisonspielen die Segel und legte ein „Redshirt“-Jahr ein, um in aller Ruhe die Reha-Maßnahmen nach seiner Fußoperation durchzuführen. In der Folgesaison legte Shamet dann ein starkes Comeback hin: 11,4 Punkte und 3,4 Assists erzielte der Guard pro Partie und bewies damals schon sein außergewöhnliches Wurftalent. Seine Wurfquoten als Redshirt-Freshman: 51,6 Prozent aus dem Feld, 43,9 von der Dreiersowie 80,2 von der Freiwurflinie! Von dem Namen Landry Shamet nahm die breite Öffentlichkeit dann am 19. März 2017 erstmalig Notiz. An diesem Tag traf Wichita State in der zweiten Runde des NCAA-Turniers auf die Kentucky Wildcats. Im direkten Matchup mit Freshman-Star De’Aaron Fox legte Shamet 20 Punkte auf und hatte die Möglichkeit, das Spiel mit einem Dreier in die Verlängerung zu schicken. Sein Wurf wurde jedoch von Bam Adebayo geblockt, die Shockers schieden aus dem Turnier aus. „Er ist echt gut. Er ist furchtlos, kann werfen, führt die Offensive seines Teams hervorragend an“, urteilte KentuckyHeadcoach John Calipari nach der knappen Turnierniederlage der Shockers. Auch wenn Shamet eine starke NCAA-Debütsaison hinlegte, erst das


„Er ist mehr als nur ein Catch-and-ShootTyp.“ Brett Brown -----------

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Physiotherapeuten: Wieder musste er sich aufgrund einer Stressfraktur unters Messer legen – diesmal am rechten Fuß. Doch der operative Eingriff hatte keine spürbaren negativen Auswirkungen auf das Spiel des Guards. In den ersten beiden Saisonmonaten scorte Shamet zehnmal mehr als 15 Punkte – und hatte darunter auch sechs Begegnungen mit mindestens vier Dreiern. Am Ende der Spielzeit traf Shamet 44,2 Prozent seiner Distanzwürfe bei knapp sechs Versuchen pro Partie. Unter allen Draft-Prospects kam nur Sviatoslav Mykhailiuk (Kansas) auf eine noch bessere Quote (44,4 Prozent). Seine Sophomore-Saison beendete er mit 14,9 Punkten, 5,2 Assists und 3,2 Rebounds. Die Entscheidung, dem Campus den Rücken zu kehren und in Richtung NBA aufzubrechen, reifte schon in den letzten Saisonmonaten. „Ich habe ehrlich gesagt gedacht, dass ihm noch ein weiteres Jahr guttun würde“, so Wichita-State-Coach Marshall. „Ich dachte, er bräuchte noch etwas mehr Zeit, um spielerisch weiter zu reifen. Aber ich wollte nicht versuchen, ihm seine Entscheidung auszureden. Ich wollte nicht der Typ sein, der ihm sagte, er solle nicht gehen. Denn was passiert, wenn er sich bei uns noch einmal den Fuß bricht und dann keine Chance mehr auf die NBA hat?“

Erst der Anfang?

Spiel gegen die Kentucky Wildcats samt dem NBA-Backcourt Fox und Malik Monk brachte den schlaksigen Guard aus Kansas City auf den Radar der NBA-Scouts. „Wir hatten bislang noch keine NBA-LotteryPicks – aber was nicht ist, kann ja noch werden“, ergänzte WSU-Trainer Gregg Marshall mit einem Augenzwinkern nach dem Turnier. Tatsächlich prognostizierten diverse Draft-Portale Shamet zum Start der NCAA-Saison 2017/18 als mittleren Erstrundenpick. Den Sommer vor seiner Sophomore-Spielzeit verbrachte der Shocker jedoch erneut mit Ärzten und

Zu dünn, zu unathletisch, zu verletzungsanfällig und kein verlässlicher Zug zum Korb – vor der NBA-Draft 2018 mehrten sich bei genauerer Analyse des Spiels von Landry Shamet die Zweifel an dessen NBA-Potenzial. Sicher, da war der Wurf. In der fließenden und auf Bewegung ausgerichteten Offensive von Wichita State stellte Shamet regelmäßig sein Talent zur Schau, auch abseits des Balles zu agieren und indirekte Blöcke clever für sich zu nutzen. Zudem zeigte er als Spielgestalter in Pick-and-Roll-Situationen ein gutes Gespür für die Einbindung seiner Mitspieler. Doch bereits auf dem College-Level gehörte der effiziente Abschluss in Korbnähe nicht zu seinen Stärken. In einer Liga, in der Spacing für jede Offensive von elementarer Bedeutung ist, genießen elitäre Schützen große Wertschätzung. Die Philadelphia 76ers wissen mit J.J. Redick einen der besten Shooting Guards in ihren Reihen und sicherten sich bei der letztjährigen Talentziehung mit ihrem 26. Pick die Rechte an Shamet – und somit am potenziellen Nachfolger von Redick. „Wir sehen in ihm einen Spieler, der Basketball auf einem extrem hohen Niveau verstanden hat und spielt“, erklärte Philly-Headcoach Brett Brown die Draft-Entscheidung zugunsten von Shamet. Durch gute Leistungen in der Preseason machte der Rookie früh auf sich aufmerksam, sodass Brown dem Liganeuling bereits in den ersten Saisonwochen rund 20 Minuten Spielzeit

pro Partie einräumte. Und Shamet zahlte das Vertrauen in Form von „Buckets“ zurück. Durchschnittlich 8,1 Punkte erzielte der junge Guard im Trikot der Sixers. Vor allem seine 29 Punkte (acht von 14 Dreiern) gegen die Washington Wizards katapultierten den Namen des 22-jährigen Youngsters in die Schlagzeilen der NBA-Berichterstattung. Dass Shamet so schnell als Schütze verlässlich ablieferte, verdankt er auch dem gemeinsamen Training mit J.J. Redick. „Ich habe von ihm eine Menge gelernt. Wahrscheinlich mehr, als er überhaupt weiß. Er hat sich um mich gekümmert. Er hat mich in eine Position gebracht, in der ich glänzen kann. Ich weiß nicht, ob ich ohne seine Unterstützung jetzt schon da wäre, wo ich bin“, weiß Shamet das Mentoring von einem der treffsichersten NBA-Guards der vergangenen Jahre enorm zu schätzen. Als die 76ers dann Anfang Februar in einem Blockbuster-Trade ihren Rookie gen Los Angeles verschifften, trauerten die Anhänger in der Stadt der brüderlichen Liebe ihrem „Shammy“ nach. Bei den Clippers wiederum herrschte trotz des Verlustes ihres Topscorers Tobias Harris große Vorfreude. „Wir haben gründlich überlegt, ob wir Landry mit einem unserer Lottery-Picks draften sollten – er war unserer Meinung nach der beste Schütze in seiner Draft-Klasse“, sagt Doc Rivers. Der Headcoach betreute J.J. Redick, den Shamet öffentlich als sein Vorbild bezeichnet, vier Jahre lang bei den „Clips“ und greift nach der Ankunft von Shamet wieder auf einzelne Plays zurück, die er früher für Redick laufen ließ. Denn Shamet funktioniert in der Offensive tatsächlich am effizientesten, wenn er um Blöcke rennt und als Schütze auf der Weakside die gezogene HelpDefense bestraft. Dass er mit dem Drive noch keine große Gefahr ausstrahlt und Probleme hat, am Korb abzuschließen, illustriert seine geringe Trefferquote von 34,5 Prozent nach dem Zug zum Korb. Für seinen früheren Trainer besitzt Shamet nichtsdestotrotz genügend Potenzial, um seiner Rolle als reiner Scharfschütze zu entwachsen. „Er kratzt aktuell nur an der Oberfläche seines Talents. Ich sehe in ihm auch einen primären Ballhandler, der das Pick-and-Roll laufen kann und seine Mitspieler durch seine Kreativität in gute Abschlusspositionen bringt. Er ist mehr als nur ein Catch-and-Shoot-Typ“, sagt Brett Brown. Lobeshymnen für einen Spieler, der lange Zeit unter dem Radar flog. Zeiten, die nun vorbei sind – wie Kevin Durant eindeutig proklamiert: „Landry Shamet ist ein toller junger Spieler, und ich denke, er wird für eine ganze Weile eine feste Größe in dieser Liga sein. Es macht Spaß, ihm zuzuschauen.“ redaktion@fivemag.de

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Jahlil

Okafor

JAHLIL OKAFOR GAMECHANGER?

Ausgerechnet Jahlil Okafor entwickelt sich bei den New Orleans Pelicans zum ebenso großen wie günstigen Hoffnungsträger. Dabei schien die Karriere des dritten Picks der 2015er Draft nach Schlägereien, Verletzungen und mentalen Problemen fast vorbei. Neben dem TradeDrama um Anthony Davis verdankt Okafor seine Chance in letzter Minute aber insbesondere einem sommerlichen Reifeprozess. Text: Peter Bieg

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m Spiel zwischen den Indiana Pacers und den New Orleans Pelicans läuft das zweite Viertel. Jahlil Okafor dribbelt den Ball über die linke Seite nach vorne. Ein Crossover durch die Beine von links nach rechts, dann Behind-the-back blitzschnell zurück auf links – und Attacke! Mit langen Schritten und kräftigen Dribblings bringt der Center seinen massiven Körper unter das Brett, verteidigt von Domantas Sabonis. Okafor pusht den Litauer nach hinten, dribbelt unter dem Backboard hindurch und vollendet per Korbleger von rechts – keine Chance für einen der besten Verteidiger 2018/19. 25 Punkte, 13 Rebounds sowie je einen Block, Assist und Steal bei 68,8

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Prozent Feldwurfquote liefert Jahlil Okafor an diesem Abend für die Pelikane. Er präsentiert den Eurostep, Spinmoves, Finten, Floater, trifft aus der Mitteldistanz ebenso wie seine drei Freiwürfe. So bullig sein Körper mit den großen, soften Händen ist, so sicher und tänzerisch wirkt seine Fußarbeit, so selbstbewusst und zielgerichtet sind seine Aktionen. „Jah ist ein Tier, er ist ein Monster“, sagt sein Teamkollege Frank Jackson anschließend. „Er ist ein großer Spieler, so talentiert, so befähigt. Er hat seine Gelegenheit beim Schopf gepackt.“ Denn Okafor, der 23-jährige 2,11-Meter-Mann, spielt an diesem 04. Februar 2019 genau so, wie es von ihm

immer erwartet wurde. Bereits im Sommer des Jahres 2015 scheint die NBA dem jungen Center zu Füßen zu liegen: An dritter Stelle picken die Philadelphia 76ers „Jah“ und erklären ihn zum Schlüsselspieler in ihrem „Process“ genannten Neuaufbau. Damals ist Jahlil Okafor 19 Jahre alt. Nach nur einem Jahr College und der NCAA-Meisterschaft mit den Duke Blue Devils ist Chukwudi Obika Jahlil Okafor bereit für die NBA. Schon zuvor an der Highschool kann den Chicagoer niemand aufhalten. Er sackt Auszeichnungen, Rekorde und Meisterschaften ein, wie andere Teenager Trading Cards sammeln. Die „Sports Illustrated“ sieht ihn im Jahr 2012 als


einen „Future Gamechanger“, der seinen Sport dominieren und verändern kann.

Fotos: Quinn Harris/Getty Images

Streets of Philadelphia

Okafor beginnt seine NBA-Karriere mit 26 Punkten, sieben Rebounds und zwei Blocks gegen die Boston Celtics. Auch die 21 Punkte und 15 Rebounds gegen die Chicago Bulls nur wenige Tage später bestätigen den Eindruck, dass die 76ers mit der Wahl von Okafor alles richtig gemacht haben. Doch die Sixers anno 2015 sind jung und mies. Kein Spieler im Kader ist älter als 24 Jahre oder hat mehr als drei Jahre NBA-Erfahrung. 18 Niederlagen in Folge zu Beginn der Spielzeit 2015/16 bedeuten den schlechtesten Saisonstart aller Zeiten in einer der großen nordamerikanischen Mannschaftssportligen. Jahlil Okafor lässt das nicht unberührt. Mehrfach tauchen Videos auf, die den Center bei Prügeleien mit Passanten zeigen, die sich zuvor über ihn lustig machen. Zunächst stellen ihm die Sixers einen Leibwächter zur Seite, bevor der Klub ihn nach einer weiteren Schlägerei für mehrere Spiele suspendiert. Seine Rookie-Saison hält viele Lektionen für den erfolgsverwöhnten Big Man bereit. Immerhin wird er ins All-Rookie First Team gewählt, obwohl er auf dem Feld nur bedingt mit Sophomore Nerlens Noel harmoniert. Doch zehn Siege bei 72 Niederlagen und der Druck als neuer Hoffnungsträger hinterlassen ihre Spuren bei Okafor, dessen Debüt-Saison mit einer Knieverletzung vorzeitig endet. 17,5 Punkte, 7,0 Rebounds und 1,2 Blocks pro Spiel bei mehr als 50,8 Prozent aus dem Feld machen dennoch berechtigte Hoffnung, dass er der neue Franchise-Spieler in „Philly“ ist. In seiner Sophomore-Saison stagniert Okafor jedoch – bestenfalls. Die Meniskusverletzung aus dem Vorjahr flammt immer wieder auf, er beginnt die Saison mit einer Minuten-Restriktion und beendet sie erneut auf der Verletztenliste. Der nun 21-Jährige verbessert sich in keiner statistischen Kategorie, seine Spielzeit sinkt. Denn da ist ja auch noch Joel Hans Embiid … Den hatten die 76ers bereits im Jahr 2014 gedraftet, sein Debüt zögerte sich aufgrund von Verletzungen jedoch bis zur Saison 2016/17 hinaus. Zwar macht Embiid nur 31 Spiele als Rookie, doch die ersten Eindrücke des athletisch wie technisch extrem beschlagenen Kameruners reichen dem Management der Sixers: Embiid ist der Center der Zukunft und gemeinsam mit dem im Jahr 2016 selektierten Australier Ben Simmons der neue Nukleus der Franchise. Für Jahlil Okafor stehen die Zeichen auf Abschied. In der Saison 2017/18 macht er nur noch zwei Spiele für Philadelphia, verbringt die verbleibende Zeit auf der Ersatzbank oder auf der Injured List. Sein Vater Chuck besucht die

Heimspiele seines Sohnes mit T-Shirts, auf denen in großen Lettern „Free Jah“ gedruckt ist. Doch es nützt nichts. In seinem dritten NBA-Jahr ist der Center in der Sackgasse: Die Sixers verzichten auf ihre Team-Option für ein viertes Vertragsjahr, finden jedoch erst keinen Abnehmer für ihren Center. Längst hängt Okafor zu diesem Zeitpunkt ein zweifelhafter Ruf nach. Sicher sind da noch immer die basketballerischen Tools, die Mischung aus Power und Feinmotorik. Doch vor allem sind da die Schlägereien, die negative Körpersprache und die Fettpolster, die das Interesse an dem einst so hoch gehandelten Pivoten ligaweit überschaubar halten. „Ich wollte einfach nur Basketball spielen“, erinnert sich Okafor in einem bewegenden Beitrag für „The Players’ Tribune“ an die unfreiwillige Auszeit. „Aber ich habe nicht in die Pläne von Philly gepasst und verstanden, warum der Trainer mich nicht einsetzen würde. Doch es war immer noch hart, und ich wollte immer noch spielen. Jeder wusste, dass ich gehen würde. Und wir haben alle nur noch darauf gewartet.“ Es sind die Brooklyn Nets, die sich im Dezember 2017 erbarmen und Okafor für den Gegenwert von Trevor Booker aufnehmen. Mangels Spielpraxis ist der Big Man jedoch arg außer Form. Zwar erzielt er im folgenden Januar 21 Punkte bei einer Niederlage gegen Minnesota, doch vorrangig fällt Okafor durch fehlende Fitness auf: Nie steht er länger als 25 Minuten für Brooklyn auf dem Parkett, und am Ende der Saison haben die Verantwortlichen genug gesehen. Die Nets lassen den Vertrag mit Okafor auslaufen, der damit Unrestricted Free Agent ist.

Der Sommer seines Lebens

Die Zweifel sind groß und die Zukunft ungewiss für Jahlil Okafor, der im Sommer des Jahres 2018 als vertragsloser Spieler dasteht. Der Hype aus seinen HighschoolTagen, die Ehrungen und der College-Titel – sie sind längst vergessen. Sein Gewicht, seine Einstellung und sein Versagen prägen die Berichterstattung. Das Label „Bust“ haftet ihm schon an, der Leim beginnt gerade zu trocknen … Doch Okafor rafft sich gerade noch rechtzeitig auf: Eisern befolgt er die Regeln veganer Ernährung, die er sich auferlegt hat. Täglich praktiziert er YogaÜbungen. Schonungslos schuftet er in der Halle und im Kraftraum. Die Defense, der Rebound und das Kreieren für Mitspieler sind die zentralen Baustellen, an denen er arbeitet. Angeleitet wird er erstmals vom schillernden Idan Ravin, einem ehemaligen Anwalt, der mittlerweile als Individualtrainer für die Elite der Liga arbeitet. Offen und ehrlich spricht Okafor außerdem über seine mentalen Probleme und Selbstzweifel, ermutigt insbesondere durch Kevin Loves Worte zum Thema mentale Gesundheit.

„Ich habe verstanden, dass meine Entwicklung als Person mindestens ebenso wichtig ist wie die Arbeit am Sportlichen. Ich muss davon wegkommen, einer der jungen Kerle zu sein, die dumme Fehler machen. Ich muss mich von schlechten Einflüssen fernhalten und darf keine Ausreden mehr suchen. Daran habe ich hart gearbeitet, und daran werde ich weiter hart arbeiten“, so Okafor gegenüber „The Players’ Tribune“. Aus einem schüchternen Riesen wird im Zeitraffer ein reifer junger Center, der das traditionelle Spiel mit dem Rücken zum Korb und ausgefeilten Bewegungen beherrscht, aber auch offene Würfe trifft und seine Mitspieler sieht. Die Zweifel an Jahlil Okafor bleiben trotzdem groß. So groß, dass er zur Saison 2018/19 einen nur teilweise garantierten Zwei-Jahres-Vertrag in New Orleans unterschreiben muss. Im Trainingscamp erobert er einen der letzten Kaderplätze und sticht dabei seinen entfernten Cousin Emeka Okafor aus. Nur 50.000 Dollar sind ihm zunächst garantiert, den Backup von Überspieler Anthony Davis soll er geben. Die Aussichten könnten besser sein. Doch immerhin ist „Big Jah“ überhaupt noch in der NBA, bleibt geduldig – und wird belohnt! Zuerst ist da die Handverletzung von Davis, die Okafor erste Schritte ins Rampenlicht ermöglicht: etwa in Form von 20 Punkten und zehn Rebounds gegen die Memphis Grizzlies in Davis’ Abwesenheit am 21. Januar 2019. Oder zwei Tage später die 17 Punkte, zehn Rebounds und sechs Blocks gegen Detroit. Als Davis dann eine Woche später öffentlich einen Trade fordert, ist klar, dass die Zeit für Jahlil Okafor gekommen ist. In seither 23 Spielen als Starter für „NOLA“ erzielt der 23-Jährige im Schnitt 13,2 Punkte, 7,4 Rebounds und 1,3 Blocks bei einer Feldwurfquote von 61,2 Prozent. Nach seiner Trade-Forderung kehrt Davis nur kurz zurück aufs Parkett, bevor er sich – offiziell aufgrund von Verletzungen und von der NBA mit einem saftigen Bußgeld bedacht – aus dem Spielbetrieb verabschiedet. Der Kampf um die meisten Minuten in der Big-ManRotation der Pelicans ist zu diesem Zeitpunkt längst eröffnet. Neben Power Forward Julius Randle ist es insbesondere Okafor, der sich ins Rampenlicht spielt. Dass die Verantwortlichen im „Big Easy“ Okafors unfassbar günstigen Vertrag für die kommende Saison (1,7 Millionen Dollar) verlängern werden, ist nur noch eine reine Formsache. Wenn er nach Davis’ Abschied im kommenden Sommer wieder hart arbeitet, seine Leistungen stabilisiert und seine persönliche wie sportliche Entwicklung weiter vorantreibt, kann Jahlil Okafor doch noch zum „Gamechanger“ werden. redaktion@fivemag.de

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Dirk

Nowitzki

DIRK LANDRY NOWITZKI SHAMET MOMENTE MEHR ALS EIN SCHÜTZE

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Dirk Nowitzki ist kein Profisportler mehr. Der beste deutsche Basketballer aller Zeiten wird er aber bleiben. Deshalb wollen wir an dieser Stelle auf 14 Momente mit dem „German G.O.A.T.“ zurückblicken und in Erinnerungen schwelgen, die schon längst verblasst sind … Text: André Voigt 52


Der Clown

Dirk Nowitzki wird wahrscheinlich immer für einen Scherz zu haben sein … doch jetzt werden das wohl nur noch seine Familie und Freunde genießen dürfen. Dabei waren seine Videos, die im American Airlines Center auf dem Videowürfel liefen oder auf YouTube zu sehen waren, zum Teil legendär … genau wie sein Auftritt bei LateNight-Talker Conan O’Brien sowie einige der Pressekonferenzen nach wichtigen Playoff-Partien. „Guess what day it is? Gameday!“, „The Sevenfoot Schnitzel“, „Shut it down! Let’s go home!“, die Käfer-Pressekonferenz, der Alley-Oop-Dunk beim All-Star-Game in New York und, und, und … Der Mann konnte immer über sich selbst lachen und machte jeden Scherz mit. Und genau so gab er sich auch nach dem Titel 2011. In der Edeldisco LIV in Miami stibitzte er Center Ian Mahinmi dessen Brille und lief nicht nur die ganze Nacht, sondern auch noch im Teamflieger tags darauf damit herum. Beim Empfang am Flughafen in Dallas präsentierte er ein legendäres T-Shirt, auf dem einfach nur die Worte „I’m that Dude!“ standen. 2002 feierte er die WMBronzemedaille in Indianapolis, indem er mehrmals versuchte, sich vom Neuseeländer Pero Cameron den HakaTanz beibringen zu lassen. Bis dieser irgendwann lachend aufgab. Aber uns allen bleibt ja Dirk Nowitzki immer noch auf Twitter erhalten. Denn auch wenn er dort nicht allzu viel tweetet: Wenn er denn mal in die Tasten haut, kommt pures Internetgold dabei raus. Etwa so wie am 28. Juli 2018, als er von einer Dopingkontrolle berichtete: „Wurde gerade in der Offseason auf Doping getestet. Ich habe dem Tester gesagt: ‚Hast du mich vergangene Saison laufen sehen? Wenn ich etwas nehme, muss ich sofort das Mittel ändern!‘“

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Onkel Dirk

Der Sportler Dirk Nowitzki wurde von so vielen Stellen beleuchtet, dass es wohl keine Geheimnisse mehr auf dem Parkett gibt. Über Jahre gelang es ihm jedoch, seine jährlichen Weihnachtsbesuche in einem Kinderkrankenhaus mehr oder weniger „geheim“ zu halten. Über Jahre wollte er nicht, dass über diese Besuche berichtet wurde. Das Team gab keine Pressemitteilung darüber heraus, Nowitzki wollte einfach schwerkranken Kids und deren Familien helfen. Er war „Onkel Dirk“. Warum? Weil er so Freude bringen konnte, den Kindern wie deren Eltern. Überhaupt haben es ihm Kinder angetan. Mit seiner Foundation in den USA und seiner Stiftung in Deutschland hilft er den Kleinsten. Wo sich andere Stars durch ihre „NBA Cares“-Verpflichtungen quälen, machte und macht Nowitzki Überstunden. Er macht Späße, inspiriert, hilft.

Nike Hoop Summit/Draft

Wer weiß, wie die Karriere von Dirk gelaufen wäre, hätte er sich nicht mit Mentor Holger Geschwindner in einer Nacht-und-Nebel-Aktion nach San Antonio geschlichen. Denn dort stieg 1998 – mitten in der Aufstiegsrunde zur Basketball-Bundesliga – der Nike Hoop Summit. Dieses Spiel der besten internationalen gegen die besten US-Talente sorgte erst dafür, dass der Name des damals 19-Jährigen überhaupt auf dem NBA-Radar erschien. Da mussten seine Würzburg X-Rays aus der zweiten Bundesliga eine Partie ohne ihren Star auskommen … was in der Heimat niemand wirklich gut fand. Damals vergucken sich Don und Donnie Nelson schon in der Woche vor dem eigentlichen Spiel in Nowitzkis Talent, weil dieser mit dem „Team World“ in Dallas trainiert, bevor es nach San Antonio geht. Die Partie gegen die US-Auswahl droht zunächst zu einem Blowout für das Heimteam zu werden, bevor Dirk in der zweiten Hälfte 19 Punkte und 33 insgesamt auflegt. Keiner der US-Amerikaner kann Nowitzki stoppen. Insgesamt 23 Freiwürfe bekommt der Würzburger zugesprochen, von denen er 19 verwandelt. Plötzlich ist Nowitzki jemand – auch wenn sein Nachname auf dem HoopSummit-Jersey „Nowitzski“ geschrieben wird. Die Scouts haben ihn fortan auf dem Zettel, vor allem Celtics-Coach Rick Pitino hat Gefallen am langen Blonden gefunden. Da Boston an Nummer zehn draften darf, organisieren die Nelsons einen Trade mit den Milwaukee Bucks, um aus ihrem sechsten Pick den neunten und 19. zu machen. Dallas wählt Robert Traylor an sechster Stelle für die Bucks, Nowitzki kommt an neunter nach Texas – überraschend ist da aber auch noch Paul Pierce zu haben, was den Mavs kurzzeitig Kopfzerbrechen bereitet. Folgerichtig geht der spätere zehnfache All Star an Nummer zehn nach Boston. Den 19. Pick (Pat Garrity) nutzen die Nelsons noch am selben Tag, um Steve Nash per Trade aus Phoenix zu holen.

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Dirk

Überballer

Dass Dirk Nowitzki einer der besten Basketballer aller Zeiten ist, hat jeder mitbekommen. Aber wie krass „Dirkules“ stellenweise unterwegs war, dürfte vielen bereits entfallen sein. Das ist auch verständlich, ist der NBA-Titel 2011 mittlerweile ja schon acht Jahre her. Seinen Leistungshöhepunkt erreichte Dirk Nowitzki bereits von 2005 bis 2007. 2006/07 etwa wurde er in einen der exklusivsten Klubs der Association aufgenommen: den 50-40-90-Klub. Eintritt wird dort nur gewährt, wenn ein Spieler über eine Saison hinweg mindestens 50 Prozent aus dem Feld, 40 Prozent von der Dreier- und 90 Prozent von der Freiwurflinie trifft. Nowitzki gelang das 2006/07 mit folgenden überragenden Zahlen: 50,2 FG%, 41,6 3P%, 90,4 FT%. Seit der Einführung des Dreiers wurden nur die folgenden Akteure in den Klub aufgenommen: Steve Nash (vier Saisons), Larry Bird (zwei), Kevin Durant, Stephen Curry, Jose Calderon, Malcolm Brogdon, Mark Price und eben Nowitzki. Der Würzburger schrammte jedoch 2005/06 (48,0 FG%), 2009/10 (48,1 FG%), 2010/11 (39,3 3P%, 89,2 FT%) und 2013/14 (49,7 FG%, 39,8 3P%, 89,9 FT%) nur jeweils denkbar knapp an diesem Meilenstein vorbei. Natürlich gab es auch diese einzelnen Partien für die Ewigkeit, in denen Dirk N. aus W. auf der größten Bühne über sich hinauswuchs und in den Playoffs Statistiken lieferte, die aus heutiger Sicht fast unwirklich erscheinen. Da waren die 48 Punkte zum Auftakt der Western Conference Finals 2011 gegen die Oklahoma City Thunder. Nowitzki traf zwölf seiner 15 Feld- und jeden seiner 24 Freiwürfe. Dreier? Der damals 32-Jährige versuchte KEINEN EINZIGEN. 48 Punkte aus dem Zweierbereich gegen Kevin Durant, Serge Ibaka und Kendrick Perkins als Verteidiger, bei 80,0 Prozent Feldwurfquote. In den Westfinals gegen die Phoenix Suns 2006 waren es sogar 50 Zähler. Im vorentscheidenden fünften Spiel beim Stand von 2-2 traf Nowitzki 14 von 26 Würfen, fünf von sechs Dreiern, 17 von 18 Freiwürfen. Er lieferte also unter Druck unfassbar ab. Neben diesen beiden Highlights gelangen „Dirkules“ auch noch 46 Punkte gegen die Trail Blazers in der ersten Postseason-Runde 2003. Seit 1990 haben nur die folgenden Spieler öfter in den Playoffs mindestens 45 Zähler in einer Partie aufgelegt: Michael Jordan, LeBron James (beide 11), Allen Iverson (7), Kobe Bryant (5) und Russell Westbrook (4).

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30.000. Punkt

Der Gegner: die Lakers. Der Ort: Dallas. Das Jahr: 2017. Es ist der 07. März, als sich Dirk Nowitzki an der Grundlinie vor der Bank seiner Mavericks Larry Nance Jr. so hinstellt, wie er ihn haben möchte. Was folgt, ist ein Fadeaway für die Ewigkeit. 30.000 NBA-Punkte. Es ist nicht irgendeine Marke. Ihr Überschreiten katapultiert den besten Basketballer, den Deutschland je hervorbringen wird, in eine Sphäre, die nur den größten Legenden vorbehalten ist. Kareem Abdul-Jabbar (38.387 Punkte), Karl Malone (36.928), Kobe Bryant (33.643), LeBron James (32.543), Michael Jordan (32.292), Dirk Nowitzki (31.560), Wilt Chamberlain (31.419). So liest sich seit dem Ende der regulären Saison 2018/19 die Liste der ewigen NBA-Topscorer. Wäre Nowitzkis Karriere mit 29.999 Punkten weniger legendär einzuschätzen? Natürlich nicht. Aber in einer Welt der Zahlen ist die 30.000 eine, die unsterblich macht.

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Berlin 2015

Vier Jahre vor dem endgültigen Abschied vom Basketball war Berlin. Die Heimgruppenphase der EuroBasket 2015 zeigte Dirk Nowitzki zum letzten Mal im Trikot der deutschen Nationalmannschaft. Sportlich lief es nicht in der Hauptstadt. Einem 71:65-Sieg gegen Island folgten denkbar knappe Pleiten gegen Serbien (66:68), die Türkei (75:80), Italien (82:89) und am Ende Spanien (76:77). Im Alter von 37 Jahren waren Nowitzki in der Mercedes Benz Arena nur noch 13,8 Punkte pro Partie mit 36,4 Prozent Wurfquote gelungen. Deutschland reiste nicht zur Endrunde nach Lille in Frankreich. Und so kam es nach der Niederlage gegen Spanien zum Abschied. Die 13.050 Zuschauer wussten, dass sie gerade das Ende einer Ära gesehen hatten, die letzten zehn Punkte Nowitzkis für den DBB. So ungeplant wie ungeschminkt, ohne Luftballons und ohne Tamtam, sagte eine Arena und mit ihr Basketballdeutschland „Tschüss“. Dirk verbeugte sich. Es kullerten Tränen. Es war so bittersüß, wie ein Abschied sein kann.


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Bronze 2002

2002 ist das Jahr, welches 2001 vergessen machen soll. 2001 war Istanbul. Das Foul, was nicht war, und am Ende nur der vierte Platz bei der Euro. Ein Jahr später ist WM. Dieses Mal in Indianapolis. Eine verschlafene Millionenstadt im Mittelwesten der USA, wo abends die Bürgersteige hochgeklappt werden. Wo sich die Basketballstars frei bewegen können, ohne großartig von Fans belagert zu werden … alle außer den Profis des Team USA und Dirk Nowitzki. Denn in Indiana, dem basketballverrücktesten aller USBundesstaaten, wissen sie zu schätzen, wie dieser Dallas Maverick spielt. Während abends selbst Paul Pierce oder Elton Brand in der Stadt um die Häuser ziehen, bleibt Nowitzki im Hotel. Der Trubel wäre zu groß. Mit 24,0 Punkten wird er nicht nur Topscorer des Turniers, sondern auch MVP. Das Team von Bundestrainer Henrik Dettmann scheitert erst im Halbfinale knapp gegen die goldene argentinische Generation um Manu Ginobili, Andrés Nocioni und Luis Scola mit 80:86, lässt dann im Spiel um Platz drei Neuseeland mit 117:94 keine Chance. Trotz der Medaille hängt Nowitzki das Halbfinale nach. „Das Halbfinale gegen Argentinien hätten wir gewinnen müssen. Wir haben kurz vor Schluss mit fünf, sechs Punkten vorne gelegen, aber das Spiel am Ende noch weggeschenkt“, blickt er zurück. „Ich kann mich an einen wichtigen Turnover erinnern ... Ich stand im Lowpost, wollte den Ball über einen Verteidiger hinwegwerfen, aber der Pass war zu kurz, und dadurch konnten die Argentinier noch zwei Punkte erzielen. Außerdem hab ich nicht gut getroffen … trotzdem hätten wir das Halbfinale noch gewinnen müssen.“

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Euro-Silber 2005

Drei Jahre nach WM-Bronze gelingt Nowitzkis größter Triumph im DBB-Dress. Bei der EuroBasket 2005 avanciert das Team zum Basketball-Aschenputtel. Die DBB-Truppe ist offensiv ein Einmannteam. Nowitzki erzielt 24 Punkte beim 51:50 gegen Russland, 33 beim 66:57 gegen die Türkei. 26,1 Zähler plus 10,6 Rebounds legt er pro Partie auf, Patrick Femerling ist zweitbester Scorer der Nationalmannschaft mit 8,3 Punkten. Auf Platz drei rangiert Pascal Roller mit 7,9. Dabei ist die Vorbereitung auf das Turnier für Nowitzki alles andere als optimal verlaufen. „Damals musste Holger Geschwindner ins Gefängnis, außerdem war meine Schwester zum ersten Mal schwanger. So kam es, dass ich mich alleine auf die Europameisterschaft vorbereiten musste“, erinnert sich Nowitzki im Buch „Planet Basketball 2“. „Teilweise habe ich dann sogar meine schwangere Schwester mit in die Halle genommen, oder auch ihren Mann, manchmal auch meine Mutter oder meinen Vater. Je nachdem, wer gerade Zeit hatte. Das war echt ein Wahnsinns-Sommer.“ Nowitzki wird auch hier zum MVP des Turniers gewählt, ist Topscorer sowie je zweitbester Rebounder und Shotblocker der Euro. Sein Gamewinner im Halbfinale gegen Spanien über Jorge Garbajosa wird zu einem legendären Moment der deutschen Basketballgeschichte. „In der Umkleide war danach die Hölle los. Vor der EM haben wir ein Vorbereitungsturnier gespielt, da haben wir alle drei Partien abgegeben“, blickt Nowitzki zurück. „Ich glaube, wir haben in Serbien nichts erwartet. Von Spiel zu Spiel sind wir besser geworden und haben da echt Silber geholt.“ Im Finale ist das Märchen gegen Griechenland zu Ende. Doch erst in der Niederlage zeigt sich, wie sehr Dirk Nowitzki nicht nur die Basketballfans in Deutschland begeistert hat. Als er einige Minuten vor Schluss ausgewechselt wird, erheben sich die 18.900 Zuschauer in der Belgrader Arena, um dem besten Spieler des Kontinents die Ehre zu erweisen. Selbst die vielen Griechen, die ihn zuvor mit ihren Gesängen hart attackiert hatten, stehen und klatschen Beifall. Ein Moment für die Ewigkeit.

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Empfang in Würzburg

Am 28. Juni 2011 kommt Nowitzki als Champion und FinalsMVP zurück in seine Heimat. Vor knapp 3.000 Fans gibt er eine Pressekonferenz in der Würzburger BBL-Halle. Danach geht es per Autokorso zur historischen Residenz, wo knapp 10.000 Menschen auf ihn warten. 10.000 Fans feiern in Deutschland einen Basketballer, der in den USA Meister geworden ist. So etwas gab es noch nie. Das von Nowitzki angestimmte „We are the Champions“ mag genauso schief sein wie ein paar Tage zuvor auf dem Balkon des American Airlines Center, doch das kann diesen Moment nicht trüben. „Ich bin sprachlos. Dass so etwas in Würzburg möglich ist, hätte ich nie für möglich gehalten“, sagt er selbst.

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Olympia-Qualifikation 2008

Neben dem NBA-Titel waren die Olympischen Spiele der andere große Traum von Dirk Nowitzki. Doch dem DBB gelang weder die Qualifikation für die Spiele in Sydney im Jahr 2000 noch für Olympia 2004 in Athen. Vor allem die missglückte EuroBasket 2003, als Nowitzki angeschlagen ins Turnier ging, hing der „Generation Dirk“ nach, als noch nicht mal die Endrunde erreicht wurde. 2007 jedoch sicherte sich das Team von Nationalcoach Bauermann den fünften EM-Platz und damit das Ticket zum Olympia-Qualifikationsturnier in Athen. Dort lief an Nowitzkis Seite erstmals der eingedeutschte Amerikaner Chris Kaman auf. In einem Interview mit FIVE hatte Kaman von seinen deutschen Urgroßeltern erzählt. Als Nowitzki vom US-Journalisten Eric Bucher darauf hingewiesen wird, nimmt er Kontakt zum Center der L.A. Clippers auf. Wenige Monate später bekommt Kaman seinen deutschen Pass. In Athen avanciert der US-Import zum zweitbesten Rebounder und Shotblocker des Turniers. Im Halbfinale gegen Kroatien geht es um die Qualifikation für die Spiele in Peking. Nowitzki überragt mit 30 Punkten und 13 Rebounds. 18 Fouls begehen die zum Teil überhart agierenden Kroaten allein am Würzburger. Am Ende unterliegt Deutschland mit 70:76. Es kommt zum Endspiel gegen Puerto Rico. Der Sieger fährt nach China, für den Verlierer platzt der Olympia-Traum. Es ist die letzte realistische Chance für Dirk Nowitzki. Gegen seinen Freund J.J. Barea, der auf 18 Punkte, sechs Rebounds und vier Assists kommt, liefert Nowitzki eine Galavorstellung. 32 Zähler, neun Abpraller und drei Vorlagen steuert er zum 96:82Sieg bei. Dann kommen die Tränen. Nach der Schlusssirene überwältigen ihn die Gefühle. Er eilt vom Parkett. Später findet ihn seine Mannschaft in der Kabine, von den Emotionen übermannt. Einer seiner großen Träume ist in Erfüllung gegangen. Während andere Sportler eine Silbermedaille sofort nach der Siegerehrung angewidert wieder ablegen, weint dieser Multimillionär, weil er sich überhaupt für Olympia qualifiziert hat.

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Fahnenträger 2008

Als Dirk Nowitzki zum deutschen Fahnenträger ernannt wird, gibt es Kritik. Denn zum ersten Mal trägt ein deutscher Athlet (bzw. Athletin) die Fahne, der zuvor weder Gold gewonnen noch teilgenommen hat. „Es ist ein Tabubruch“, entschuldigt sich Nowitzki. „Ich will niemandem auf den Schlips treten.“ In Peking ist all das vergessen. Bevor die deutsche Delegation ins Olympiastadion zur Eröffnungsfeier einzieht, steht sie in einem dunklen Tunnel, als jemand ruft: „Dirk, wir wollen die Fahne sehen!“ Der Superstar schwenkt sie. Die Delegation johlt. Später wird Nowitzki sagen, dass das „Wahnsinn“ war … das trifft es ganz gut. Im positivsten aller Sinne.

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Der Abschied

Eigentlich sollte es anders kommen. Im Sommer sollte die Entscheidung fallen. Doch dann geht alles ganz schnell. Dallas schlägt im letzten Heimspiel der Saison 2018/19 die Phoenix Suns mit 120:109. Dirk Nowitzki erzielt 30 Punkte, nimmt 31 Würfe … in 33 Minuten. Nach der Partie dann ergreift er das Mikro und sagt mit der ihm so eigenen Beiläufigkeit: „Wie ihr euch das vielleicht schon gedacht habt, war das mein letztes Heimspiel.“ Bei allem Pomp und angesichts der NBA-Legenden, die ihre Laudationen halten, verabschiedet sich Dirk Werner Nowitzki, so still er es selbst kann. FIVE-Autor Björn Lehmkühler war an diesem Tag vor Ort in Dallas und beschreibt den Abschied ab Seite 94.


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MVP 2007

Als Dirk Nowitzki 2007 während einer – damals noch üblichen – Zeremonie von NBA-Chef David Stern die MVP-Trophäe erhält, hat das Symbolcharakter. Am Tag seines individuell vielleicht größten Triumphes, als er zum 26. MVP der regulären Saison gekürt wird, ist seine Saison bereits vorbei. Die Mavericks hatten nach der Finalpleite 2006 gegen die Heat eine Rekordsaison absolviert. 67 Siege, so viele wie noch nie in der Franchise-Geschichte, die beste Bilanz der Liga, großer Favorit auf den Titel … und trotzdem ist schon in der Auftaktrunde gegen die Golden State Warriors Schluss. Sein Entdecker Don Nelson demütigt ihn als Coach einer wild zusammengewürfelten Warriors-Truppe mit 4-2. 38,2 Prozent aus dem Feld, 21,1 Prozent von der Dreierlinie … mit 19,7 Punkten ist Nowitzki nicht mal Topscorer seines Teams in dieser Serie (das ist Josh Howard mit 21,3). Warum dieses historische Ausscheiden Symbolcharakter hat? In Nowitzkis Karriere finden sich auch immer wieder diese Rückschläge. Die Finals 2006, die Warriors 2007, die Euro 2003, das EMHalbfinale 2001, der Weggang von seinem Kumpel und späteren zweifachen MVP Steve Nash, die Free Agencys nach dem NBA-Titel 2011, in denen sich kein Star dem Deutschen anschließen möchte. Zu Nowitzkis Geschichte gehören nicht nur die großen Siege, ebenso prägend sind die vielen großen wie kleinen Niederlagen. Ohne letztere wäre diese Geschichte nicht komplett.

Die Meisterschaft 2011

Als der letzte große sportliche Traum plötzlich real geworden ist, will Nowitzki nur noch weg. Raus aus dem Rampenlicht. Wie 2008 in Peking kommen auch 2011 in Miami die Tränen. Wieder flüchtet er sich in die Kabine. Die Bilder aus der American Airlines Arena haben sich eingebrannt. Und doch scheint heute ein wenig in Vergessenheit geraten zu sein, wie groß, wie unerwartet dieser Triumph 2011 eigentlich war. Sicher: Die Dallas Mavericks spielen eine exzellente Saison. 57 Siege stehen nur 25 Niederlagen gegenüber. Doch wie soll dieser Kader ein ernsthafter Meisterkandidat sein? Wer Meister werden will, braucht zwei Stars – Abo-All-Stars, die zu den besten 20 Spielern der Liga gehören. Jason Terry, Jason Kidd, Shawn Marion und Peja Stojakovic sind alle jenseits der 30 Jahre. Zusammen mit Nowitzki bilden sie eine Rentnerband, in deren Rotation Tyson Chandler (28 Jahre) und J.J. Barea (26) die Youngsters sind. Sie gelten als „Regular Season Team“, als Truppe, die in den Playoffs nicht die Topqualität hat, die ein Champion braucht. Apropos Champion … bis 2011 gilt Nowitzki selbst als zu weich und zu verliebt in den Sprungwurf, um Meister zu werden. Doch dann starten die Mavericks nach Anfangsschwierigkeiten gegen die Portland Trail Blazers einen unbeschreiblichen Run durch den NBA-Westen. 4-0 gegen den Champion L.A. Lakers mit Kobe Bryant, 4-1 gegen die Oklahoma City Thunder um Kevin Durant, James Harden, Russell Westbrook und Serge Ibaka. Trotzdem gelten die Mavs gegen das vermeintliche Jahrhundertteam aus Miami als chancenlos. LeBron James, Dwyane Wade und Chris Bosh bildeten im Vorsommer ein Team, das auf Jahre unschlagbar scheint … aber eben verliert. Denn plötzlich ist Terry der verlässliche Zweitstar, Kidd der umsichtige Spielgestalter, DeShawn Stevenson auf einmal ein extrem sicherer Dreierschütze, Marion und Chandler überragende Defensivstützen, die die vom Trainerstab erfundene Zonenverteidigung gegen James überragend ausagieren. Diese Mavericks schaffen den perfekten Spagat. Nowitzki ist der alleinige Superstar, der sich aber perfekt ins Team einfügt – ein Team, in dem jeder Akteur den anderen besser macht, in dem jeder seinen Beitrag leistet. Sie sind das Abbild ihres Franchise-Players, der immer der Star war, aber gleichzeitig eben auch nur Teil eines Teams sein wollte. dre@fivemag.de

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With the First Pick … In der Nacht vom 20. auf den 21. Juni steigt die NBADraft 2019. FIVE nimmt die größten Talente des aktuellen Jahrgangs unter die Lupe, erklärt die Stars, nennt die Sleeper und rät zur Vorsicht. Text: Sebastian Dumitru

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Die Picks #1 bis #14 R.J. Barrett Flügel, Duke, 2,01 Meter, 18 Jahre Stats: 22,6 PPG, 7,6 RPG, 4,3 APG, 50,6 eFG%

Zion Williamson PF/C, Duke, 2,01 Meter, 18 Jahre Stats: 22,6 PPG, 8,9 RPG, 2,1 SPG, 70,8 eFG% Zion Williamson gilt als sicherer erster Pick. Jede einschlägige Draft-Seite und jeder Experte sieht den Big Man von der Duke University als kommenden Superstar und imposantesten Frischling dieser Klasse. Der Bolide sprengt die Grenzen der menschlichen Vorstellungskraft, wenn es um Flugeinlagen und athletische Plays über Ringniveau geht. Egal ob kraftvolle Dunks oder spektakuläre Blocks – Williamson ist ein fleischgewordenes Highlight-Video in Dauerschleife. Er reboundet exzellent, passt bereitwillig und dominiert Gegenspieler durch seine schiere Physis (130 Kilogramm). Typen wie er sollten nicht in der Lage sein, so schnell zu springen oder sich überhaupt mit dieser Geschwindigkeit auf dem Feld zu bewegen. Auch wenn er an seinem nicht voll ausgereiften Wurf feilen muss: Williamson legte eine der dominantesten Freshman-Saisons aller Zeiten aufs Parkett und wird bei dem Team, das ihn an Nummer eins draftet, direkt in den Mittelpunkt rücken.

Ja Morant Point Guard, Murray State, 1,91 Meter, 19 Jahre Stats: 24,5 PPG, 5,7 RPG, 10,0 APG, 55,3 eFG% Nach einer soliden Freshman-Saison für Murray State avancierte der Wirbelwind-Point-Guard zu einem der beeindruckendsten Spieler der NCAA. Seine Schnelligkeit ist Trumpf. Der 1,91-MeterMann gelangt mit spielerischer Leichtigkeit auf dem Parkett überall dorthin, wo er

hinmöchte. Seine Explosivität macht es ihm leicht, an jedem Gegenspieler vorbeizuziehen und Gegner im Fastbreak sowie per Drive zu überwältigen. Seine Assistrate lag bei mehr als 50 Prozent. Morant allein war für mehr als ein Drittel aller Punkte seiner Murray State Racers verantwortlich. Verbessern muss Morant vor allem seine Physis, die Konstanz beim Wurf sowie die Anfälligkeit für Turnovers.

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Fotos: Mitchell Layton/ Patrick Smith/Getty Images

Der Teamkollege von Williamson ging bei all dem Hype um seinen vielfliegenden Partner fast unter. Dabei ist auch der kanadische Flügelspieler ein sicherer Top-3-Pick. Barrett ist ein prototypischer Flügelscorer, dem seine Länge, Athletik, Nase für den Korb und Allroundfähigkeiten viele Möglichkeiten eröffnen. Er besticht sowohl im Schnellangriff als auch im Halbfeld, kann sich den eigenen Wurf kreieren und hat sich eine ganze Palette an Bewegungen angeeignet, um sich Platz zu verschaffen. Egal ob Stepbacks, Eurosteps, Spinmoves etc. – Barrett will den Ball in den Korb befördern. Seine starke Arbeitsmoral lässt zudem vermuten, dass er seine Schwächen (u.a. nur 30,8 Prozent von der Dreierlinie) mit der Zeit ausmerzen wird.


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NBA-Draft-Preview

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Cam Reddish Flügel, Duke, 2,04 Meter, 19 Jahre Stats: 13,5 PPG, 3,7 RPG, 1,9 APG, 45,9 eFG% Wie gut ist Cam Reddish? Bei dieser Frage scheiden sich die Geister. Für die einen bringt der junge Flügelspieler alles mit, um zu einem Two-Way-Superstar im Stile eines Paul George heranzureifen. Für die anderen ist er zu lethargisch und undiszipliniert – also eher ein neuer Ben McLemore. Reddish hat in der Theorie das volle Paket am Start: Er ist lang, beweglich, mit zahlreichen Moves im Angriff ausgestattet und hinten in der Lage, ohne Aussetzer mehrere Positionen selbst in einem Ballbesitz zu verteidigen. Gleichzeitig frustriert er Beobachter, Coaches und Teamkollegen durch seine ständigen mentalen Aussetzer, seine fehlende Härte und die zum Teil uninspirierte Herangehensweise. Wer auch immer ihn draftet, wird ihn vor allem mental coachen müssen.

Darius Garland Point Guard, Vanderbilt, 1,88 Meter, 19 Jahre Stats: 16,2 PPG, 3,8 RPG, 2,6 APG, 63,9 eFG% Garland überzeugte während seiner Freshman-Saison an der University of Vanderbilt, ehe ein Meniskusriss diese vorzeitig beendete. Der Point Guard kommt als exzellenter Schütze daher (47,8 3P%), erinnert in seiner Art an Damian Lillard. Auch als Dribbler und Entscheider aus dem Pick-and-Roll ist der 19-Jährige seinem Alter weit voraus. Minuspunkte verteilen Scouts beim Blick auf seinen dürren Körperbau und die fehlenden Zentimeter.

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Wie wird er als Finisher in der NBA mit der physischeren Spielweise zurechtkommen? Kann er defensiv dagegenhalten, ohne vorher an Masse zugelegt zu haben? Mannschaften auf der Suche nach einem Point Guard wollen diese Fragen beantwortet wissen, ehe sie bei Garland zuschlagen.

Jarrett Culver Guard, Texas Tech, 1,95 Meter, 20 Jahre Stats: 18,5 PPG, 6,4 RPG, 3,7 APG, 50,5 eFG% Culver wurde an der Texas Tech University vermehrt als Dribbler

eingesetzt – eine Maßnahme, die ihm in der Association zugutekommen wird. Seine Position liegt irgendwo zwischen der Eins und der Drei. Er ist groß und sehr kräftig für einen Guard, kann also auch Flügel verteidigen. Er reboundet gut und postet kleinere Gegner am Zonenrand auf. Die Franchise, die ihn letztendlich zieht, wird zunächst mit Culvers vermeintlich schwachem Sprungwurf (30,4 3P% 2018/19, 38,2 3P% 2017/18) und seiner hölzernen Art im Angriff leben müssen, erhält dafür aber einen vielseitigen Basketballer, der definitiv liefern kann.


De‘Andre Hunter Flügel, Virginia, 2,01 Meter, 21 Jahre Stats: 15,2 PPG, 5,1 RPG, 2,0 APG, 57,9 eFG% Hunter überraschte viele, als er 2018 zu den Virginia Cavaliers zurückkehrte. Dort zeigte er eine stark verbesserte Sophomore-Saison, die ihm einen Sprung unter die ersten zehn Picks verspricht. Der Flügelspieler ist einer der besten und vielseitigsten Verteidiger dieses Jahrgangs. Seine kräftigen Beine gepaart mit knapp 2,20 Meter Spannweite erlauben es ihm defensiv, an der Dreierlinie, nach Switches gegen Guards oder in der Zone gegen größere Gegner zu bestehen. Hunter besticht sowohl im Eins-gegen-eins als auch bei der HelpDefense mit einer beeindruckenden Mischung aus individuellen Fähigkeiten und hohem Basketball-IQ. Im Angriff traf er 48,3 Prozent seiner Dreierversuche – ein exzellentes Zeichen für alle Teams, die sich auf dem Flügel mit einem waschechten Three-and-D-Talent verstärken möchten.

Brandon Clarke PF/C, Gonzaga, 2,04 Meter, 22 Jahre Stats: 16,9 PPG, 8,6 RPG, 3,2 BPG, 69,3 eFG%

Romeo Langford

Fotos: Grant Halverson/Rich Schultz/Getty Images

Flügel, Indiana, 1,98 Meter, 19 Jahre Stats: 16,5 PPG, 5,4 RPG, 2,3 APG, 49,1 eFG% Indianas Romeo Langford ist ein Projektspieler, der sich eine klare Nische in der NBA erst noch erarbeiten muss. Das passt zu seiner Palette an Fähigkeiten, die mehr Quantität als Qualität bereithält. Langford kann irgendwie von allem etwas, ohne in irgendeinem Bereich zu überragen. Seine Athletik lässt das Scoren mühelos erscheinen. Sein wackliger Sprungwurf hingegen sabotiert oft seine Bemühungen. Er überzeugt als Passgeber und kann das Blocken-und-Abrollen laufen. Wenn er den Ball bekommt, wartet er jedoch meist zu lange, bevor er eine Aktion einleitet. Er kann am Halbkreis fast jeden Screen switchen, durchschaut aber die vielen Taktiken dieser Aktion noch nicht vollends. Teams werden Langford während der Workouts vor der Draft ganz genau studieren, um zu entscheiden, ob sie ihn mit einem Lottery-Pick holen.

Gonzagas Big Man lieferte eine imposante Saison und schoss sämtliche Draft-Boards hinauf – nicht nur wegen seiner NCAAGalavorstellung gegen Baylor. Kein Division-I-Spieler in den letzten 25 Jahren schaffte, was Clarke heuer gelang: mehr als 16 Punkte und drei Blocks im Schnitt bei mindestens 65 Prozent aus dem Feld. Der „schon“ 22-Jährige mag weniger Potenzial haben als jüngere Talente – wenn er aber vom ersten Tag an auf hohem Niveau abliefern kann, wird das Scouts und Funktionären ziemlich egal sein. Clarke verfügt über exzellente Sprungkraft, beschützt den Ring und kann mühelos switchen. Er spielt intelligenten, teamdienlichen Basketball, gibt immer 100 Prozent und stellt das Kollektiv an oberste Stelle. Sein Wurf indes ist alles andere als eine Waffe (26,7 3P%). Seine Mobilität und die Fähigkeit, beide Forward-Positionen zu spielen, sind hingegen ein weiteres großes Plus. Clarke kann direkt als Rotationsspieler funktionieren.

Jaxson Hayes Center, Texas, 2,11 Meter, 18 Jahre Stats: 10,0 PPG, 5,0 RPG, 2,2 BPG, 72,8 eFG% Hayes ist ein ultraathletischer Center, der zu den besten Shotblockern dieser Draft-Klasse zählen wird und

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im Pick-and-Roll stark zum Korb abrollt. Seine gigantische Spannweite (2,25 Meter) wirkt einschüchternd, Sprungkraft und Schnellkraft suchen ihresgleichen. Der ehemalige Wide Receiver schärfte so seine Instinkte als Fänger – ein großes Plus, wenn er einhändig Anspiele über Ringniveau in spektakuläre Alley-OopDunks umwandelt. Apropos … in Korbnähe dunkt Hayes alles. Er entstammt einer ProfiSportlerfamilie und bringt die nötige Disziplin mit, um an seinen Schwächen – Spielverständnis, Fundamentals, Verteidigungsprinzipien – zu arbeiten. Er ist zudem noch sehr unerfahren und muss die mentalen Aspekte an seine körperlichen Fertigkeiten heranführen. Das wird Jahre dauern. Trotzdem wird der 2,11-MeterMann wohl als erster waschechter Center gewählt werden.

Sekou Doumbouya PF/C, Limoges/FRA, 2,06 Meter, 18 Jahre Stats: 6,7 PPG, 3,1 RPG, 46,5 FG%, 32,0 3P% Der in Guinea geborene Franzose Sekou Doumbouya ist eine der großen Unbekannten dieses Jahrgangs. 2,06 Meter lang und nur 95 Kilo schwer, bringt einer der jüngsten Spieler dieses Talentpools gerade in puncto Athletik alle Anlagen mit. Er bewegt sich geschmeidig,

reboundet gut und zeigt solide Bewegungen am Zonenrand (vor allem einen Mini-Hakenwurf). Sein erster Schritt ist sehr explosiv für einen Akteur seiner Größe. Allerdings hapert es beim fortgeschrittenen Spielverständnis. Sein Einsatz fluktuiert ebenfalls – gerade defensiv ein Problem. Es wäre also nicht überraschend, wenn Doumbouya aus den Lottery-Plätzen rutscht – es könnte jedoch auch passieren, dass ihn ein zockendes Team als Langzeitprojekt weit oben draftet.

Coby White Point Guard, North Carolina, 1,95 Meter, 19 Jahre Stats: 16,1 PPG, 3,5 RPG, 4,1 APG, 51,6 eFG% North Carolinas Dynamo wird als möglicher Superstar gehandelt. Kein Wunder: Dieser Guard ist dafür gemacht, um den Ball im Korb unterzubringen. Vor allem im Fastbreak ist der 19-Jährige gut unterwegs. Seine Stärke ist jedoch der Wurf, egal ob im Catch-and-Shoot, nach Curls oder Handoffs. Auch mit dem Dribbling strahlt er jederzeit Gefahr aus, kann mühelos abstoppen und wieder beschleunigen. Sein Dribbling ist eine regelrechte Waffe, genauso wie sein Dreier mit NBA-Reichweite. Defensiv ist White

Bol Bol Center, Oregon, 2,18 Meter, 19 Jahre Stats: 21,0 PPG, 9,6 RPG, 2,7 BPG, 61,0 eFG% In einem Jahrgang, der nur wenige mögliche Stars parat hält, ist Bol Bol nicht nur einer dieser Kandidaten, sondern schon vor seinem ersten NBA-Spiel ein Mann mit Kultstatus. Der Sohn von NBA-Legende Manute Bol hat nicht nur den Namen von seinem Vater in die Wiege gelegt bekommen – sogar doppelt, denn das hält bekanntlich besser –, sondern auch dessen Fähigkeiten. Der Stretch-Fünfer blockte 2,7 Würfe pro Partie und traf 52,0 Prozent seiner fast drei Dreierversuche, ehe ein Fußbruch seine Saison vorzeitig beendete. Bol dribbelt gut, trifft seine Würfe, bewegt sich überraschend flüssig und schmeißt in der Zone regelmäßig seine eigene Blockparty. Wie aber steht es um seinen Gesundheitszustand? Und wie ernst sind die kollektiven Bedenken in puncto Leidenschaft und körperlicher Robustheit? Bol bleibt das größte Fragezeichen unter den potenziellen Lottery-Picks.

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schon jetzt auf höherem NBA-Niveau. Sein Problem ist, dass er zu viel will. Er dribbelt sich oft fest, nimmt schlechte Würfe, überdreht. Seine Rolle in der Association wird also davon abhängen, wie sehr er seine schlechten Tendenzen in den Griff bekommen kann. Schafft er diesen (schweren) Übergang, kann White zu einem Jamal Murray 2.0 werden.

Nassir Little Flügel, North Carolina, 1,98 Meter, 19 Jahre Stats: 9,8 PPG, 4,6 RPG, 0,6 APG, 50,5 eFG% Auch wenn seine Produktivität bei den North Carolina Tar Heels zu wünschen übrig ließ, sabbern viele NBA-Scouts im mittleren Erstrundenbereich ob der explosiven Mischung, die der 19-Jährige in der NCAA andeutete. Erst spät zum Basketball gestoßen, ist Little als Scorer und Verteidiger mit allem ausgestattet, um direkt durchzustarten. Er kann dank seiner Power bis zu vier Positionen verteidigen, attackiert vorne mit Nachdruck den Korb und kann aus der Mitteldistanz punkten. Sein Wurf ist hingegen wenig beeindruckend (26,9 3P%), allerdings technisch auch keine ausgemachte Katastrophe. Mit etwas Zeit und Geduld kann sich Little zu einem sehr guten Three-and-D-Flügel entwickeln.


Die Picks #15 bis #30 Kevin Porter Jr. Point Guard, USC, 1,98 Meter, 19 Jahre Stats: 9,5 PPG, 4,0 RPG, 1,4 APG, 56,1 eFG% Kevin Porter Jr. hat absolutes Star-Potenzial. Und eine Menge Arbeit vor sich, um dieses zu realisieren. Fakt ist, dass der Power Guard noch nicht viel organisierten Basketball gespielt hat. Idealerweise landet er also in einer Situation, in der seine Entwicklung und Coaching zur Priorität gemacht werden. Tritt das ein, könnte Porter Jr. zum besten Point Guard der Draft 2019 heranreifen. Bei USC konnte er nur selten zeigen, wie schwer er dank seines Antritts und Scoring-Instinkts zu stoppen ist. In der NBA wird er mehr Gelegenheiten haben, sich zu entfalten. Porter muss jedoch seine Nachlässigkeiten abstellen und konzentriert an seiner Profikarriere arbeiten, um nicht wie Rodney Stuckey zu enden.

PJ Washington Flügel, Kentucky, 2,04 Meter, 20 Jahre Stats: 15,2 PPG, 7,6 RPG, 1,8 APG, 56,7 eFG% Der Combo-Forward weckt Vergleiche mit Noah Vonleh, Jerami Grant und Taj Gibson. Seine Stärke ist das Scoring: Er traf in Kentucky zuletzt 42,3 Prozent seiner Dreierversuche, erzielte 15,2 Punkte pro Einsatz. In der NBA wird er vor allem als Dreier auflaufen, kann aber auch auf die Vier ausweichen. In der Defensive ebenso. Washington gilt als solider Ersatzmann oder unspektakulärer Starter.

Tyler Herro

Fotos:Leslie Plaza Johnson/Chris Williams/Icon Sportswire via Getty Images

Guard, Kentucky, 1,95 Meter, 19 Jahre Stats: 14,0 PPG, 4,5 RPG, 2,5 APG, 53,6 eFG% Herro machte sich als einer der besten Schützen der NCAA einen Namen, der in den Mittelpunkt des Interesses drängte. Der Guard traf 35,5 Prozent seiner Dreier und 93,0 Prozent seiner Freiwürfe – Ergebnis einer perfekten Technik aus dem Dribbling oder im Stand. Herros Feingefühl sticht auch bei seinen wenigen Drives hervor. Leider fehlt ihm die Explosivität, um heranpreschende Verteidiger konstant zu bestrafen. Seine stark verbesserte Verteidigungsarbeit lässt jedoch hoffen, dass er zu einem Plusspieler avancieren kann, der einer Ersten Fünf Shooting geben kann.

Goga Bitadze Center, KK Mega Bemax/GEO, 2,11 Meter, 19 Jahre Stats: 12,1 PPG, 6,4 RPG, 1,2 APG, 57,5 eFG% Der Georgier erinnert stark an Jusuf Nurkic – ein weiterer osteuropäischer Center, der in Portland dank solider Offense und guter Defense den Durchbruch geschafft hat. Entwickelt sich Bitadze wie erhofft, kann auch er zu einem überdurchschnittlichen Akteur an beiden Enden reifen. Sein Sprungwurf ist mechanisch sauber und bis hinter die Dreierlinie brauchbar. Sein Basketball-IQ ist genau wie seine Passbereitschaft sehr hoch. Er stellt hervorragende Blöcke und hält den Angriffsfluss am Laufen. Seine Betonfüße am hinteren Ende sind das größte Problem – und einer der Hauptgründe, warum er kein sicherer Top-Ten-Pick ist.

Rui Hachimura Flügel, Gonzaga, 2,04 Meter, 21 Jahre Stats: 19,7 PPG, 6,5 RPG, 1,5 APG, 60,8 eFG% Der Japaner Rui Hachimura begann erst im Alter von 14 Jahren mit Basketball. Das fällt vor allem beim Blick auf sein Spielgefühl und -verständnis auf. Hachimura scheint oft ein paar Schritte zu spät und spaltet nicht zuletzt deshalb die Gemüter: Die einen sehen im Junior einen klaren Lottery-Pick, die anderen ein Projekt, das frühestens in Runde zwei – wenn überhaupt – gedraftet werden sollte. Der Forward ist bullig, kräftig und flink genug, um auf der Drei und Vier zu funktionieren. Er kann durch die Luft fliegen und an den Brettern biesten. Auch als Abwehrspieler macht er eine solide Figur. Sein Wurfgefühl ist ausgeprägt – allerdings noch nicht bis hinter die Dreierlinie. Teams, die glauben, dass er sein Potenzial noch lange nicht angezapft hat, werden wohl gegen Ende der ersten Runde zuschlagen.

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NBA-Draft-Preview

Keldon Johnson Flügel, Kentucky, 1,98 Meter, 19 Jahre Stats: 13,5 PPG, 5,9 RPG, 1,6 APG, 52,3 eFG% Wird Johnson jemals ein Star in der NBA? Mit Sicherheit nicht. Als dritte oder vierte Angriffsoption ist der 1,98-Meter-Mann aber gut aufgehoben. Der Freshman erzielte sechs Mal 20 Punkte oder mehr, weiß sich also als Scorer durchzusetzen. Er ist aggressiv und vielseitig, spielt hart und mit Stolz. Sein Wurf lässt zu wünschen übrig, kann sich aber sicherlich verbessern. Die Frage ist: Kann Johnson – abseits seines tollen Motors – irgendetwas überdurchschnittlich gut?

Cameron Johnson Flügel, North Carolina, 2,06 Meter, 23 Jahre Stats: 16,9 PPG, 5,8 RPG, 2,4 APG, 62,0 eFG% Ein weiterer Rollenspieler – allerdings einer, der sofort helfen kann – ist auch Cam Johnson von den North Carolina Tar Heels. Der lange Flügel wirft exzellent (45,7 3P%) und besticht durch seine Effizienz, wenn andere das Spiel für ihn machen. Das ist Musik in den Ohren vieler Playoff-Klubs, die gegen Ende der ersten Runde nach Rotationsspielern suchen.

Talen Horton-Tucker PF/C, Iowa State, 1,93 Meter, 18 Jahre Stats: 11,8 PPG, 4,9 RPG, 2,3 APG, 47,0 eFG% Nicht nur der Name ist außergewöhnlich, auch das Profil von Talen Horton-Tucker ist so selten wie faszinierend. Der ehemalige Iowa State Cyclone ist nur 1,93 Meter groß, hat aber eine immense Spannweite (2,16 Meter) und wiegt fast 110 Kilogramm. Damit einher geht die einmalige Fähigkeit, als Point Guard den Angriff aufzuziehen und hinten gegen gegnerische Power Forwards und kleine Center im Lowpost zu verteidigen. Bringt Horton-Tucker seinen Körper auf Vordermann, wartet hier eine LightVersion von Draymond Green auf den kreativen General Manager.

Nickeil Alexander-Walker

Fotos: Sam Forencich/USA BAsketball

Guard, Virginia Tech, 1,95 Meter, 20 Jahre Stats: 16,2 PPG, 4,1 RPG, 4,0 APG, 54,6 eFG% Exzellentes Passspiel, überlegenes Spielverständnis, guter Schütze, respektable Defense ... der Draftkurs von Nickeil Alexander-Walker schoss dank zahlreicher Einsätze als Angriffsgestalter bei den Virginia Tech Hokies nach oben. Scouts und Funktionäre wissen nun, dass der Shooting Guard auch den Aufbau übernehmen und trotz fehlender Explosivität effektiv die Fäden ziehen kann, während er hinten die Eins bis Drei deckt. Im mittleren bis unteren Erstrundenbereich gibt Alexander-

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Walker interessierten Teams, die über ein gesundes System verfügen, genügend Mehrwert, um zuzuschlagen.

Matisse Thybulle Flügel, Washington, 1,95 Meter, 22 Jahre Stats: 9,1 PPG, 3,5 SPG, 2,2 BPG, 50,0 eFG% Matisse Thybulle sprengte die Grenzen dessen, was von 1,95 Meter großen Flügelspielern in der NCAA normalerweise erwartet wird. Der Defensivspezialist stellte neue All-Time-Bestwerte bei Steals und Blocks auf. Er antizipiert mit siebtem Sinn, springt in Passwege und ist gleichzeitig diszipliniert genug, um trotz seiner Aggressivität kaum Fouls zu begehen. Er kämpft, switcht mühelos hoch und runter, stellt das Teamkonzept immer an erste Stelle. In einer Mannschaft, die offensiv nicht mehr erwartet, als dass er respektabel trifft (35,8 Prozent Dreier in vier CollegeJahren), kann Thybulle zu einem Rotationsspieler werden.

Grant Williams Flügel, Tennessee, 2,01 Meter, 20 Jahre Stats: 18,8 PPG, 7,5 RPG, 3,2 APG, 58,2 eFG% „Glue Guy“ – das ist die Top-Qualität von Grant Williams. Wie P.J. Tucker hat auch Williams kaum einen Plan, wie er seinen eigenen Wurf kreieren soll. Dafür besticht er als Verteidiger, Rebounder, physischer Spielmacher am Zonenrand und guter Dreierschütze. Er spielt smart, er spielt hart, er spielt immer fürs Team – manchmal so uneigennützig, dass er sogar freie Würfe ausschlägt. Williams ist sehr jung für einen Junior, bringt also auch eine Menge Reife mit.

KZ Okpala Flügel, Stanford, 2,06 Meter, 20 Jahre Stats: 16,9 PPG, 5,7 RPG, 2,0 APG, 51,0 eFG% Die moderne NBA lebt vom Dreier und der Vielseitigkeit ihrer Akteure. Spieler sollen mehrere Dinge überdurchschnittlich gut können. Je mehr davon, desto mehr Spielzeit. KZ Okpala hat die Chance, zu einem der besten Three-and-D-Flügel des Jahrgangs heranzureifen. Er ist nicht der Schnellste und noch viel zu dünn, um schon zu Beginn eine wichtige Rolle einzunehmen. Wer jedoch Geduld mitbringt und ihn ideal fördert, wird an diesem Scorer/Verteidiger sehr viel Freude haben.

Ty Jerome Guard, Virginia, 1,95 Meter, 21 Jahre Stats: 13,6 PPG, 4,2 RPG, 5,5 APG, 53,2 eFG% Euer alter Rechner, der nicht über die modernste Hardware verfügt, aber

perfekt optimiert wurde und auch nach Jahren effizient vor sich hinschnurrt: Das ist Ty Jerome. Er spielte sowohl Point Guard als auch Shooting Guard für die Cavaliers – eine Ausbildung, die ihm auf dem nächsten Level gelegen kommen dürfte. Jerome ist der vielleicht am wenigsten beeindruckende Athlet unter diesen fünfzig Talenten, macht seine Defizite aber mit dem vielleicht schnellsten Prozessor wett. Wer einen verlässlichen Spielmacher und Shooter im Stile eines Malcolm Brogdon sucht, wird hier fündig.

Daniel Gafford Center, Arkansas, 2,11 Meter, 20 Jahre Stats: 16,9 PPG, 8,7 RPG, 2,0 BPG, 66,0 eFG% Lobs und Blocks liefert Daniel Gafford. Wie Clint Capela versteht es der 20-Jährige schon jetzt sehr gut, wie er seine Sprungkraft und den immer angeschalteten Motor für leichte Punkte, Rebounds gegen Kontakt und die Defensive einsetzen muss. Da er außerhalb der Zone hingegen völlig unbrauchbar ist (null Dreierversuche), wird das Spielsystem zu Gaffords Anlagen passen müssen. Heißt im Klartext: Pick-and-Roll, Pick-and-Roll, Pick-and-Roll ...

Bruno Fernando Center, Maryland, 2,08 Meter, 20 Jahre Stats: 13,6 PPG, 10,6 RPG, 2,0 APG, 61,2 eFG% Wer auf der Suche nach einem Big Man für die Zukunft ist, wird auf Bruno Fernando schielen. Der Modellathlet besticht natürlich durch seine körperlichen Vorzüge: Länge, Beweglichkeit, Explosivität, Kraft. Das macht ihn im Angriff zu einem Mann, der von Tag eins beitragen kann. Wie sehr er seinem neuen Team helfen kann, wird davon abhängen, wie er seine poröse Defensive und den Mangel an Fundamentals in den Griff bekommt.

Jontay Porter Center, Missouri, 2,11 Meter, 19 Jahre Stats: 9,9 PPG, 6,8 RPG, 1,7 BPG, 52,1 eFG% Der Bruder von Nuggets-Forward Michael Porter Jr. meldete sich bereits vor einem Jahr für die Draft an, zog dann aber zurück und absolvierte seine SophomoreSaison in Missouri, nur um sich zum zweiten Mal innerhalb von sechs Monaten das Kreuzband zu reißen (deshalb stammen die Statistiken oben aus der Saison 2017/18). Kann der vielseitige Big Man beweisen, dass er gesund und in der Lage ist, sein vielversprechendes Spiel auf die NBA zu übertragen? Wenn ja, ist er sicher einen mittleren Erstrundenpick wert.


Second Rounder & Sleeper Mfiondu Kabengele

Chuma Okeke

Darius Bazley

Center, Florida State, 2,08 Meter, 21Jahre Noch unausgereifter Center, der als Energizer sofort helfen kann. Stats: 13,2 PPG, 5,9 RPG, 1,5 BPG, 53,8 eFG%

Center, Auburn, 2,04 Meter, 20 Jahre Überdurchschnittlicher Verteidiger, der sich im NCAA-Turnier das Kreuzband riss. Stats: 12,0 PPG, 6,8 RPG, 1,2 BPG, 57,7 eFG%

Flügel, kein College, 2,06 Meter, 18 Jahre Mysterium. Umging die NCAA und trainierte ein Jahr alleine für den Sprung in die NBA. Stats: keine

Admiral Schofield

Dedric Lawson

Ayo Dosunmu

Flügel, Tennessee, 1,98 Meter, 22 Jahre Wird in der NBA nicht physisch dominieren können, trifft aber den Dreier. Stats: 16,4 PPG, 6,1 RPG, 2,0 APG, 54,8 eFG%

Flügel, Kansas, 2,06 Meter, 21 Jahre Athletik pfui, Spielverständnis und Feingefühl hui. Stats: 19,4 PPG, 10,3 RPG, 1,1 BPG, 52,5 eFG%

Point Guard, Illinois, 1,95 Meter, 19 Jahre Bissiger Scoring-Guard und Verteidiger mit wackligem Sprungwurf. Stats: 13,8 PPG, 4,0 RPG, 3,3 APG, 50,1 eFG%

Eric Paschall

Naz Reid

Deividas Sirvydis

Flügel, Villanova, 2,04 Meter, 22 Jahre Vielseitiger Combo-Forward, der vieles solide kann, aber nichts sehr gut. Stats: 16,5 PPG, 6,1 RPG, 2,1 APG, 52,8 eFG%

Center, LSU, 2,08 Meter, 19 Jahre Koloss mit Ballerina-Fußarbeit, der zeigen muss, dass er defensiv bestehen kann. Stats: 13,6 PPG, 7,2 RPG, 0,7 BPG, 50,7 eFG%

Flügel, Lietuvos Rytas/LTU, 2,01 Meter, 18 Jahre Flügel, der gut wirft und smarten Basketball spielt. Oder auch: der prototypische litauische Flügel. Stats: 6,6 PPG, 2,2 RPG, 42,9 FG%, 37,6 3P%

Dylan Windler

Charles Bassey

Flügel, Belmont, 2,04 Meter, 22 Jahre Exzellenter Schütze und Rebounder mit prototypischer NBA-Flügel-Länge. Stats: 21,3 PPG, 10,8 RPG, 2,5 BPG, 65,1 eFG%

Center, Western Kentucky, 2,11 Meter, 18 Jahre Gefürchteter Shotblocker mit sicherem Wurf (9/20 Dreier), aber noch sehr grün und nicht immer konstant. Stats: 14,6 PPG, 10,0 RPG, 2,4 BPG, 64,2 eFG%

Louis King

Shamorie Ponds

Nicolas Claxton

Point Guard, St. John’s, 1,85 Meter, 20 Jahre Versierter Scorer (19,7 PPG) mit schwachen Quoten in Korbnähe. Stats: 19,7 PPG, 5,1 APG, 2,6 SPG, 52,2 eFG%

Center, Georgia, 2,11 Meter, 20 Jahre Talentierter Big Man, der passen und werfen kann. Stats: 13,0 PPG, 8,6 RPG, 2,5 BPG, 49,0 eFG%

Luguentz Dort Guard, Arizona State, 1,93 Meter, 20 Jahre Kräftiger All-Defensive Teamer in der Pac12, der hinten seine Brötchen verdient. Stats: 16,1 PPG, 4,3 RPG, 2,3 APG, 46,7 eFG%

Carsen Edwards Point Guard, Purdue, 1,83 Meter, 21 Jahre Wurde am College ständig gedoppelt, erzielte trotzdem 24,3 Punkte pro Spiel. Stats: 24,3 PPG, 3,6 RPG, 2,9 APG, 48,9 eFG%

Flügel, Oregon, 2,03 Meter, 20 Jahre Solider Scorer (38,6 3P%), überstand eine schwere Knieverletzung. STats: 13,5 PPG, 5,5 RPG, 0,9 SPG, 52,2 eFG%

Joshua Obiesie Flügel, Würzburg/GER, 1,98 Meter, 18 Jahre NBA-Talent mit Fähigkeiten als Scorer und Verteidiger, möglicher Zweitrundenpick. Stats: 6,9 PPG, 2,4 RPG, 44,6 FG%, 30,0 3P%

Isaiah Roby Center, Nebraska, 2,01 Meter, 21 Jahre Pick-and-Pop-Center, der auch den Ring beschützt. Potenzieller Steal in Runde zwei. Stats: 11,8 PPG, 6,9 RPG, 1,9 BPG, 49,7 eFG%

Jalen McDaniels Center, San Diego State, 2,08 Meter, 18 Jahre Lang und vielversprechend, aber dürr und (noch) ein mieser Schütze. Stats: 15,9 PPG, 8,3 RPG, 2,1 APG, 49,2 eFG%

Luka Šamanic Wing/Big, Petrol Olimpija/CRO, 2,11 Meter, 19 Jahre Der kroatische Big Man ist ein idealer Kandidat dafür, selbst nach der Draft noch ein, zwei Jahre in Europa zu bleiben. Stats: 7,6 PPG, 4,6 RPG, 48,1 FG%, 31,9 3P%

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Morant

MORANT MADNESS Er ist der größte Senkrechtstarter der NCAA-Saison und eine der heißesten Aktien in der anstehenden Draft. Ja Morant legte einen außergewöhnlichen Weg zurück, um seinen NBA-Traum zu realisieren. Als Highschool-Spieler interessierte sich keine Top-Uni für den schmächtigen Point Guard. In seiner zweiten College-Saison legte er dann für Murray State als erster Spieler in der NCAA-Historie eine 20-Punkte-10-Assists-Saison aufs Parkett. Nun will er die NBA-Fans verzaubern. Text: Torben Adelhardt

E

s musste ja so kommen. Immerhin war auch alles für diesen Moment angerichtet. Die TV-Kameras, die ausverkaufte Halle und die zig Millionen Basketball-Fans vor den Fernsehgeräten. Sie warteten nur darauf, dass das hochgejazzte NBA-Talent sie in seinen Bann zieht. Im Vorfeld des großen NCAA-Turniers gab es keine überregionale Tageszeitung und kein Sportmagazin, das nicht über diesen elektrisierenden Point Guard der kleinen Murray State University aus dem US-Bundesstaat Kentucky berichtet hatte. Sie alle zeichneten seine junge Basketball-Karriere nach. Wie James Kane, Assistant Coach der Murray State Racers, Ja Morant vor drei Jahren im Rahmen eines Basketball-Camps zufällig kennengelernt hatte und von dessen Spiel komplett beeindruckt war. Es folgte der Anruf bei seinem Chef und RacersHeadcoach Matt McMahon. Dieser

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überzeugte sich selbst von dem Talent des hageren Aufbauspielers und bot ihm ein Stipendium an. Zu diesem Zeitpunkt hatten sonst nur Maryland Eastern Shore, South Carolina State und Duquesne versucht, Morant von einem Engagement an ihrem Campus zu überzeugen. In den darauffolgenden Monaten sollten Angebote von Wofford und auch South Carolina, der einzigen High-Major-Schule, folgen. Doch Morant entschied sich für Murray State: McMahon zeigte einfach das stärkste Interesse und konnte mit Isaiah Canaan und Cameron Payne auf zwei Spieler verweisen, die er bei Murray State betreute (damals noch als Assistant Coach) und die ebenfalls den Sprung in die NBA schafften. All diese Geschichten, die davon berichteten, wie Ja Morant zu den Racers kam, wurden zur Genüge in diesem Jahr erzählt. Jetzt war sein großer Moment gekommen – die grellen Scheinwerfer der

March Madness schienen für Ja Morant noch greller. Die Murray State Racers standen an zwölfter Stelle gesetzt den Marquette Golden Eagles (5. Setzplatz) gegenüber, die mit Guard Markus Howard über einen der versiertesten CollegeScorer verfügten. Morant selbst hatte eine Saison für die Geschichtsbücher gespielt: 24,5 Punkte und 10,0 Assists pro Spiel – das erste Punkte-Vorlagen-Double-Double in der Geschichte der NCAA. Nur drei Spieler lieferten über eine Saison hinweg jemals eine Assist-Percentage von mindestens 50 Prozent: Jason Brickman (Long Island, 2013/14), Kris Dunn (Providence, 2014/15) und eben Ja Morant in diesem Jahr. In 26 Partien legte Morant mindestens 20 Punkte auf, im Endspiel des Conference-Turniers schenkte er Belmont gar 36 Punkte ein – und sicherte seinem Team dadurch die Teilnahme am großen NCAA-Turnier. Und er war


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Fotos: Michael Hickey/Getty Images


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bereit, dem Millionenpublikum zu zeigen, dass er mehr ist als nur ein weiterer Mid-Major-Star, der gegen unterklassige Kontrahenten überragt.

Fotos: Rob Carr/Joe Robbins/Getty Images

Die Morant-Show im März

Im Grunde genommen waren es „nur“ 40 Minuten Basketball. Doch für Ja Morant war das erste Spiel im NCAA-Tournament die Chance, seine Fähigkeiten auf einer der größten Bühnen, die der amerikanische Basketball zu bieten hat, zur Schau zu stellen. Mit 17 Punkten, 16 Assists und elf Rebounds führte er seine Racers zur 83:69-Überraschung. Es war das erste Triple-Double im NCAA-Turnier seit sieben Jahren (zuletzt war das Draymond Green für Michigan State gelungen) – und Morant erst der achte Spieler, dem dieses Kunststück überhaupt gelang. Es war nicht nur ein herausragendes Spiel von Morant, es wurde historisch. „Das Beste an diesem Jungen ist seine Entscheidungsfindung mit dem Ball in der Hand. Ich meine, wir reden hier über einen herausragenden ‚Decisionmaker‘ mit unglaublicher Athletik“, geriet Marquette-Headcoach Steve Wojciechowski regelrecht ins Schwärmen. Elitäre Passing-Skills, elitäre Athletik – zu dieser Einschätzung kam auch ein anonymer NBA-Scout, der nach der Partie zum Potenzial von Morant befragt wurde. Und tatsächlich zeigte das

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NBA-Talent eine nahezu perfekte Leistung für einen Aufbauspieler. Kein Marquette-Verteidiger konnte Morant am Perimeter vor sich halten, immer wieder attackierte der 19-Jährige seine Gegenspieler per Drive und erzwang so die Hilfe. Die Folge: Pässe zu den Schützen an der Dreierlinie oder Durchstecker auf die Big Men. Seine Kreativität im Halbfeld und seine natürlichen Passinstinkte waren in der Marquette-Partie augenscheinlich. Freshman-Guard Tevin Brown, mit 19 Punkten Topscorer des Spiels und Hauptempfänger der Morant-Anspiele, erklärte danach das Point-GuardPhänomen: „Man weiß nie, welche Aktion bei ihm als Nächstes kommt. Man muss einfach immer die Hände oben halten, denn er könnte jederzeit einen Pass spielen. Ob er dribbelt oder zum Wurf hochgeht – du weißt als Mitspieler nie, wann die Pässe kommen. Er könnte zum Layup ansetzen und sich dann in der Luft noch umdrehen und dir den Ball zupassen.“ Diese Uneigennützigkeit zeichnet Morant aus und stellt ihn – allem ScoringPotenzial zum Trotz – in eine Reihe mit „Pass first“-Spielmachern wie John Stockton, Jason Kidd oder Rajon Rondo. „Ich liebe es zu passen, meine Mitspieler einzubinden. Ich spiele lieber einen Assist, als selbst zu scoren“, sagt Morant. „Es ist unglaublich. Pässe quer über das Feld, Alley-Oops, Backdoor-Cut-

Anspiele – Ja hat ein unfassbares Talent dafür, seine Mitspieler mit seinen Pässen in die optimalen Abschlusspositionen zu bringen“, bringt es Coach McMahon auf den Punkt. „Sein Spielgefühl ist einmalig. Er ist dem Gegner immer einen Schritt voraus und sieht Lücken in der Verteidigung, die andere Ballhandler nicht sehen.“ Während der Erstrundensieg das perfekte Anschauungsmaterial für den Spielwitz und die Passing-Skills von Morant lieferte, zeigte der Point Guard in der zweiten Runde gegen Florida State, dass er auch als primärer Scorer in Erscheinung treten kann. Morant eröffnete die Partie auf spektakuläre Weise: drei von drei aus der Distanz, ein Assist im Fastbreak, ein Steal und ein Block – all das in den ersten fünf Spielminuten! Es schien fast so, als würden die Morant-Festspiele ihren Lauf nehmen und auch die Florida State Seminoles dem herausragenden Spiel des Sophomores zum Opfer fallen. Ob Stepback-Dreier oder Pullup-Jumper von der NBA-Dreierlinie – Morant bestrafte jedes Absinken seines Gegenspielers und hielt seine Mannschaft eigenhändig im Spiel. Doch im weiteren Spielverlauf wurden die athletischen Vorzüge und Größenvorteile der Seminoles immer offensichtlicher. Morant beendete die Partie zwar mit 28 Punkten, fünf Rebounds und vier Assists, doch wurde ihm auch eine seiner stärksten Waffen genommen


„Er war in seiner ersten Saison nur ein weiterer Typ, der drittbeste Spieler im Team. Du wolltest ihn zwar nicht als Ballhandler in FastbreakSituationen sehen, aber bei jedem Pickand-Roll haben wir ihm gerne den Wurf gegeben.“ Rick Byrd -----------

„Wir haben diesen Sprung nicht kommen sehen. Aber wir wussten, wie viel Arbeit er in sein Spiel steckt und dass er das dazugehörige Talent besitzt“, sagt Casey Long, Assistant Coach von Murray State. 38 Punkte gegen Alabama, 25 Punkte gegen Auburn und 40 Punkte gegen Edwardsville (inklusive 21/21 von der Freiwurflinie) – es verging in dieser Saison kein Monat, in dem Morant nicht mit Monster-Leistungen auf sich aufmerksam machte. Und so stieg auch seine DraftAktie kontinuierlich: Mitte der ersten Runde im Oktober, Ende der Lottery im November, Top-Ten-Pick zum Jahreswechsel und schließlich die Diskussion um Morant als Top-3-Pick seit Februar. Der 19-Jährige, der nur wenige Monate älter ist als viele seiner FreshmanKollegen, ist zusammen mit Darius Garland (Vanderbilt) der einzige Ballhandler unter allen Draft-Prospects mit echtem Starter-

hergehen!“ Ein Mantra, das Rick Byrd, Headcoach des Ligarivalen Belmont, bestätigt: „Er war in seiner ersten Saison nur ein weiterer Typ, der drittbeste Spieler im Team. Du wolltest ihn zwar nicht als Ballhandler in Fastbreak-Situationen sehen, aber bei jedem Pick-and-Roll haben wir ihm gerne den Wurf gegeben.“ Einst die große Schwachstelle in seinem Spiel, traf Morant in der vergangenen Saison den Dreier mit einer respektablen Quote von 36,3 Prozent. Hinzu kommt, dass 63,2 Prozent dieser Würfe aus dem Dribbling kamen. Zudem traf der Point Guard 81,2 Prozent seiner Freiwürfe (8,2 pro Spiel) und schloss am Ring mit einer Trefferquote von 61 Prozent ab. Progression, wo Progression vonnöten war.

bis All-Star-Potenzial. „Ich wusste, dass er es schaffen kann. Ich wusste, dass er das nötige Talent für die NBA besitzt und auch in der ersten Runde gezogen wird. Aber an erster oder zweiter Stelle? Damit habe ich ehrlich gesagt nicht gerechnet“, konstatiert der ehemalige Teamkollege Stark. Es besteht eigentlich kein Zweifel daran, dass Zion Williamson der kommende Nummer-eins-Pick werden wird. Aber für Teams wie die Phoenix Suns oder Memphis Grizzlies könnte Ja Morant der Starting Point Guard der Zukunft sein. Und so geht der Spätentwickler mit dem elektrisierenden Spiel seinen Weg weiter: von South Carolina über Kentucky bis in die Hallen der NBA. Wo ab Oktober 2019 die „Morant Madness“ ihre Fortführung finden soll. redaktion@fivemag.de

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– der Pass. „Wir kamen im Rahmen unseres Scoutings zu der Erkenntnis, dass Morant eigentlich nicht zu verteidigen ist. Also mussten wir sicherstellen, dass wir zumindest seine Teamkollegen aus dem Spiel nehmen, die zum Punkten auf seine Pässe angewiesen sind. Und wir haben ihn hart für seine Körbe arbeiten lassen“, erklärte FSU-Headcoach Leonard Hamilton nach der Partie die erfolgreiche Strategie. Florida State zeigte Murray State klar die Grenzen auf und siegte schlussendlich deutlich mit 90:62. Im Gegensatz zu den Marquette Golden Eagles, die kontinuierlich versuchten, Morant im Pick-and-Roll zu doppeln, oder bei seinen Drives frühzeitig die Hilfe schickten, gewährte Florida State dem Racers-Star mehr Freiräume für seinen eigenen Wurf. In dem Wissen, dass seine Teamkollegen ohne die nötigen Freiräume nicht effizient scoren würden. So endete die „Morant Madness“ am dritten Turniertag – der Hype um Ja Morant hatte jedoch längst neue Sphären erreicht.

Best of the Rest?

College-Spielzeit überzeugte Morant bereits als passfreudiger Aufbauspieler (6,3 Assists), hatte jedoch mit Jonathan Stark (21,4 Punkte) und Terrell Miller Jr. (15,1) zwei Senior-Scorer an seiner Seite, die für 46,4 Prozent aller Racers-Punkte verantwortlich waren. Morant nutzte die Sommerpause, um an seinem Spiel zu feilen – vor allem an seinem Distanzwurf. Als Freshman traf er lediglich 30,7 Prozent seiner Dreier (27/88), wobei sogar zwei Drittel dieser Würfe ein direktes Anspiel vorausging. Morant wusste, dass er den Wurf aus dem Dribbling verbessern musste, da er ohne die Unterstützung von Stark und Miller wesentlich öfter seine eigenen Abschlussmöglichkeiten kreieren würde. Wie bei jedem anderen Ballhandler ohne verlässlichen Sprungwurf lautet auch gegen Morant die gegnerische Devise: „Unter jedem Ball-Screen

Am 03. April verkündete Morant seine Entscheidung, sich für die NBADraft 2019 anzumelden. Keine große Überraschung, kletterte er doch im Laufe seiner Sophomore-Saison kontinuierlich die Draftboards empor. In seiner ersten

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Haywoode

Workman

HaYwOoDe WoRkMaN

- AuF DeR AnDeReN SeItE Früher Spieler, heute Schiedsrichter: Haywoode Workman hat diesen ungewöhnlichen Karrierewandel gemeistert. Die Liga könnte davon profitieren, wenn mehr Ex-Profis seinem Beispiel folgen würden. Text: Thomas Fritz

Fotos: Hannah Foslien/Getty Images

A

ls Kobe Bryant im April 2016 an der Linie steht, um die Punkte 59 und 60 in seinem sensationellen Abschiedsspiel gegen die Utah Jazz zu werfen, erlebt auch Haywoode Workman eines der Highlights seiner Karriere. Er ist der Schiedsrichter, der dem fünffachen NBA-Champion vor den Freiwürfen den Ball zupasst. Wenige Minuten zuvor, bei Kobes letztem Treffer aus dem Feld, einem Jumper über die ausgestreckten Arme von Trey Lyles, steht Workman wenige Meter daneben, mit der Pfeife im Mund, und blickt konzentriert auf das Geschehen. Als „KB24“ 1996 als Teenager bei den Los Angeles Lakers sein Debüt feierte, schwitzte Workman auch schon auf den Courts der Association. Allerdings stand er damals als Point Guard im Kader der Indiana Pacers und befand sich im Herbst einer elfjährigen Spielerkarriere. Der Zweitrundenpick schnürte zudem für die Atlanta Hawks, Washington Bullets, Milwaukee Bucks und Toronto Raptors die

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Schuhe. Insgesamt 359 Mal, davon 159 Mal als Starter, plus 41 Playoff-Einsätze. Damit ist der heute 53-Jährige neben Bernie Fryer und Leon Wood einer von nur drei früheren NBA-Profis, die den Wechsel zum Unparteiischen erfolgreich gemeistert haben. Workman betrachtet das Spiel nun aus einer völlig anderen Perspektive. Aus Sicht der Spieler steht er „auf der anderen Seite“ – was ihn der eine oder andere zu Beginn seiner Zeit als Ref im Jahr 2008 auch spüren ließ.

20 Dollar pro Spiel

Rückblick ins Jahr 2001. Haywoode Wilvon Workman kehrt nach seiner Spielzeit beim israelischen Klub Hapoel Jerusalem nach Florida zurück, wo er noch heute lebt, um sich in einer Sporthalle in der Kleinstadt Bradenton fit zu halten. Er hofft auf eine letzte Chance in der Association. Sein letztes Spiel in Diensten der Toronto Raptors liegt schon mehr als ein Jahr zurück. Beim privaten Training trifft er eher zufällig auf NBA-Schiedsrichter

Bob Delaney. Der fragt ihn ganz offen, ob er nicht Lust habe, als Unparteiischer zu arbeiten. Der 35 Jahre alte Veteran überlegt, ist aber zunächst skeptisch. Als Ref? Denen hat er als Spieler kaum Beachtung geschenkt. Er kann sich nicht erinnern, jemals mit einem Offiziellen ein Wort gesprochen zu haben. Doch als die Angebote für einen Vertrag als Spieler ausbleiben, freundet er sich langsam mit dem Gedanken an, die Seiten zu wechseln. Ein weiteres Europa-Abenteuer schließt der Familienvater aus. „Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr dachte ich, dass ich dafür gut geeignet bin“, sagt Workman der „Tampa Bay Times“. „Und vor allem war es ein Weg, um in der Liga zu bleiben. Da gab es eine Leere in mir, denn ich hatte mein ganzes Leben Basketball gespielt.“ Doch so einfach ist das nicht mit der beruflichen Neuorientierung. Zunächst beginnt Workman, lokale Spiele zu pfeifen, dann leitet er Matches in der Tampa Bay Pro-Am League. Bekannte raten ihm,


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weitere Erfahrungen zu sammeln. Er reist auf eigene Kosten nach Los Angeles, um dort eineinhalb Monate ebenfalls ProAm-Spiele zu leiten. Diese Ligen haben semiprofessionellen Charakter und werden von erfahrenen Profis und College-Spielern sowie jungen Talenten frequentiert. „Ich versuchte zu pfeifen, wo ich nur konnte. Drew League, Venice Beach und L.A. College“, vertraut Workman dem „Bleacher Report“ an. „Für 20 Mäuse pro Spiel.“ Der Ex-Profi, der als Ergänzungsspieler knapp sieben Millionen Dollar an Gehalt verdient hat (plus die Löhne als Europa-Legionär), muss wieder ganz unten anfangen.

Tätigkeit skeptisch. Ex-All-Star Rasheed Wallace ist nicht der Einzige, der den „Verräter“ direkt anspricht: „Mann, ich kann nicht glauben, dass du zur anderen Seite gewechselt bist.“ Leon Wood, wie Workman einst in der NBA am Ball, erklärt: „Wenn du als Spieler oder Coach zum Referee wirst, bist du auf die dunkle Seite gegangen. Du bist auf dieser Insel, Refereesville, und deine einzigen Freunde sind ab jetzt die anderen Schiedsrichter.“ Mit den Vorurteilen seiner früheren Kollegen kann Workman wenig anfangen. Wenn es die Zeit zulässt, erklärt er ganz offen seinen Standpunkt: „Nun, ich habe für fünf verschiedene Teams

Problem. Ganz im Gegenteil. Manchmal riefen sie gezielt Workmans Namen, weil sie nicht dachten, dass der andere Referee sie verstanden hatte, oder weil sie dachten, die anderen Offiziellen hätten einen Fehler gemacht. Neben diesem Vertrauensvorschuss profitiert er auch von seinen exzellenten athletischen Grundlagen und dem Wissen um die Tricks und Tendenzen der Akteure. Wenn ein Rechtshänder den Ball mit der linken Hand führt, weiß Workman, dass er sehr wahrscheinlich nach rechts gehen wird, um mit seiner starken Hand abzuschließen. „Für mich geht es dann nur darum, in die richtige Position zu

Von seinen ersten Erfahrungen ermutigt, schickt er eine Bewerbung an die CBA, die 2009 aufgelöste, frühere Aufbauliga der NBA. 15 Partien darf er dort auf Anhieb leiten. Danach pfeift er Spiele im NBA Pre-Draft Camp in Chicago und in der Summer League. Ab 2004 gehört er zu den Refs der NBA Development League, 2006/07 und 2007/08 engagiert ihn die NBA für die Preseason. 2008 wird er schließlich in den NBA-SchiedsrichterKader aufgenommen. Gegenüber der „New York Times“ sagt er, der Wechsel sei für ihn keine große Sache gewesen: „Du spielst für die Firma, du pfeifst für die Firma. Ich bin nur von einer Abteilung in die nächste gewechselt.“

gespielt, und alle haben mich aus dem Kader entlassen. Was genau wollt ihr mir eigentlich sagen?“ Auch das Verständnis für einige seiner Pfiffe lässt zu wünschen übrig. Nach dem Motto: „Wie kannst du das als Schrittfehler pfeifen? Du hast das doch früher selbst so gemacht!“ Mit den Jahren sind solche Vorfälle aber merklich zurückgegangen. Mittlerweile gibt es nur noch eine Handvoll Spieler, die Workman in Trikot und Sneakers kennen. Für die Jüngeren ist er einfach nur der glatzköpfige Ref mit der Rückennummer 66. Doch auch die Rookies nehmen seine Gesprächsangebote, mit denen er ihnen die Regeln besser vermitteln will, kaum an. Er bleibt für einige ein merkwürdiges Wesen, ein Außenstehender. Für Coaches war sein Karrierewechsel damals weniger ein

kommen.“ Für das Lesen und Antizipieren blitzschneller Moves ist sein Hintergrund ein großer Vorteil. Zehn bis zwölf Spiele pfeift er aktuell pro Monat, Back-to-Backs inklusive. Annähernd 600 Partien kamen seit 2008 zusammen, deutlich mehr als zu aktiven Zeiten. Der Absolvent der Oral Roberts University (17,0 Punkte, 5,2 Rebounds, 4,3 Assists und 2,9 Steals), der auch ein Jahr Football und Basketball an der WinstonSalem State University gespielt hat, wird in der zweiten Runde der Draft 1989 als 49. Pick von den Atlanta Hawks gezogen. Die Falken entlassen ihn schon nach sechs Saisonspielen, weil sie in Sedric Toney einen besseren Backup für ihre Point Guards Doc Rivers und Spud Webb sehen. Danach verdingt sich Workman zunächst in der CBA und der World Basketball League und muss die

Refereesville

Das sieht nicht jeder so locker. Einige frühere Gegenspieler beäugen seine neue

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Fotos: Nathaniel S. Butler/Layne Murdoch Jr./NBAE via Getty Images

Hawks nach zwei Zehntagesverträgen ein zweites Mal verlassen. Vor der Saison 1990/91 erkämpft er sich einen Platz bei den Washington Bullets und beweist mit Durchschnittswerten von 8,0 Punkten, 4,8 Assists, 3,3 Rebounds und 1,2 Steals in 27,9 Minuten, dass er das Zeug zu einem soliden NBA-Profi hat. Ein Gamewinner über seinen späteren Mitspieler Reggie Miller verstärkt diesen Eindruck. Im Sommer entschließt er sich trotzdem, das lukrative Angebot des italienischen Meisters Scavolini Pesaro anzunehmen, ein schicker Sportwagen und ein Haus an der Adriaküste inklusive. Mit einem Sieg im nationalen Pokalwettbewerb, einer Vizemeisterschaft und der Teilnahme am Korac Cup ein lohnenswertes Abenteuer für den bulligen Strategen, der in Übersee 15,0 Punkte und 4,6 Assists pro Partie auflegt. In einem Beitrag des italienischen Fernsehens erklärt er, wie er seine Pasta zubereitet, in einer Uralt-Röhre läuft die ganze Zeit NBA. Sein Blick wirkt ein wenig traurig. Nach zwei Jahren „Dolce Vita“ kehrt er schließlich in die USA zurück und unterschreibt einen Vertrag bei den Indiana Pacers. Mit Miller, Derrick McKey, Rik Smits, den „Davis Brothers“ (Dale und Antonio Davis, die keine echten Brüder sind) und später auch Marc Jackson scheitert das von Larry Brown gecoachte Team zweimal erst im siebten Spiel am Einzug ins NBA-Finale. 1994 gegen die Knicks und 1995 gegen die Orlando Magic, denen er ein Jahr zuvor in Spiel eins der ersten Playoffrunde sieben Mal den Ball klaut – Teamrekord. Workman ist auch für seine groovigen Tanzeinlagen mit Miller bei der Teamvorstellung bekannt und gilt dank seiner körperlichen Robustheit und starken Defensive als wichtiger Ergänzungsspieler. Bis ihm im November 1996 in einer Partie gegen die Bullets das vordere Kreuzband im linken Knie reißt. Die Verletzung ist so schwer, dass auch der Knorpel am Knie geschädigt wird. Nach der Genesung bleiben die Schmerzen. Eine komplizierte Operation, bei der Knorpelgewebe aus einem anderen Teil des Knies in ein dafür gefrästes Loch versetzt wird, ist seine letzte Hoffnung. „Wir könnten ihn noch gebrauchen“, sagt Teampräsident Donnie Walsh. „Der Junge ist ein Tier.“ Doch die Hoffnungen auf eine schnelle Rückkehr erfüllen sich nicht. Im Februar 1999, zweieinhalb Jahre nach dem Kreuzbandriss, entlassen ihn die Pacers. Dass er im Alter von 33 Jahren nach dieser schweren Verletzung überhaupt noch einmal aufs Parkett zurückkehrt, kommt einem kleinen Wunder gleich. Für die Bucks und Raptors bestreitet er weitere 65 Partien. In Israel lässt Workman seine Spielerkarriere im Alter von 35 Jahren schließlich ausklingen. Dann geht es nach Refereesville.

Fehlende Attraktivität

„Du spielst für die Firma, du pfeifst für die Firma. Ich bin nur von einer Abteilung in die nächste gewechselt.“ -----------

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Im Gegensatz zu den anderen großen USSportligen gibt es in der NBA nur wenige ehemalige Spieler, die den Sprung zum Schiedsrichter gewagt haben. In der NFL sind es mehr als 60, in der Major League Baseball über 30 und in der NHL um die 20. Wo liegen die Ursachen für die geringe Zahl im Basketball? Workmans Ex-Coach Larry Brown kann sich das nicht erklären: „Du siehst Haywoode, Leon und Bernie, die das Spiel lieben, die den Sport lieben und etwas zurückgeben wollen. Nicht dass ich die anderen Offiziellen nicht respektieren würde. Aber du siehst diese Jungs in einem anderen Licht.“ Einer der handfesten Gründe für die geringe Attraktivität ist das Geld. Schiedsrichter verdienen laut „Yahoo Sports“ je nach Erfahrung 150.000 bis 500.000 Dollar pro Saison. Das Minimalgehalt für einen Spieler beträgt 2018/19 als Rookie rund 840.000 Dollar, für einen Fünf-Jahres-Veteran sind es knapp 1,8 Millionen Dollar und nach mehr als zehn Saisons auf dem Buckel knapp 2,4 Millionen. Selbst für die „NBAGeringverdiener“ ist die Entlohnung als Referee ein Rückschritt. Als Workman vor einigen Jahren die damals noch aktiven Luke Ridnour, Mike James und Mickael Pietrus direkt ansprach, war die Reaktion eher ablehnend. Die Aussicht, einen zweiten Beruf neu erlernen und sich in der Hierarchie unten anstellen zu müssen, macht den Job für viele nicht reizvoller. Hinzu kommen öffentliche Kritik und die ständigen ligainternen Bewertungen. Die NBA plant inzwischen eine Initiative, die die SchiedsrichterKarriere von Spielern fördern soll. Workman sieht in dem Job dagegen nur Vorzüge. Er bleibt fit, ist nah dran an dem Spiel, das er liebt, und steht nicht mehr ganz so im Rampenlicht wie früher – wenn er seinen Job gut macht. „Was mir an den besten Schiedsrichtern aufgefallen ist, ist die Tatsache, dass sie eine tiefe Leidenschaft für das Spiel mitbringen. Sie verfolgen das Geschehen und die Liga die ganze Zeit“, erklärt er. „Sie haben ein starkes Bedürfnis, alles richtig zu machen und etwas zum Basketball beizutragen. Das sind die Qualitäten, die man wahrscheinlich auch bei den hingebungsvollsten Spielern finden wird.“ Wenn er seinem Job weiter so leidenschaftlich nachgeht, wird er seine Ziele vielleicht erreichen: in den Playoffs pfeifen und Dick Bavetta, den Rekordhalter bei gepfiffenen Spielen und Saisons, überholen. Dann würde Haywoode Workman wie bei Kobe Bryants letztem Spiel nicht nur danebenstehen und zuschauen, wenn Geschichte geschrieben wird. Sondern er würde selbst in die Geschichtsbücher der Association eingehen. redaktion@fivemag.de

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Goga

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IVE: Goga, die Euroleague-Saison ist gerade zu Ende gegangen. Nachdem du die Spielzeit bei Mega Bemax in Serbien begonnen hast, wurdest du an Buducnost Podgorica ausgeliehen. 13 Spiele hast du für das Team aus Montenegro in der Euroleague gemacht. Die Playoffs habt ihr klar verpasst, aber du hast im Schnitt 12,1 Punkte, 6,4 Rebounds und 2,3 Blocks aufgelegt. Was nimmst du aus deiner Debüt-Saison mit? Goga Bitadze: Es war ein riesiger Schritt für mich, während der Saison von der ABA-Liga (adriatische, multinationale Basketball-Liga, auch als Adria-Liga bekannt, Anm. d. Red.) in die Euroleague zu wechseln und dort auf einem deutlich höheren Niveau zu spielen. Die Teams und die Big Men dort sind viel stärker, ganz andere Kaliber und sehr, sehr unterschiedlich. Das war eine großartige Erfahrung für mich. Auch vor dem

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fantastischen Publikum in Podgorica zu spielen, in der ersten Euroleague-Saison überhaupt für diesen Klub, war eine unvergessliche Erfahrung. Vor einigen Wochen bist du mit 19 Jahren zum „Most Valuable Player“ in der ABA-Liga gewählt worden, dazu herzlichen Glückwunsch. 16,3 Punkte, 6,4 Rebounds und 2,0 Blocks sind dir in der regulären Saison im Schnitt gelungen. Was bedeutet dir diese Auszeichnung als wertvollster Spieler? Zunächst einmal vielen Dank. Natürlich bedeutet mir das eine Menge. Die AdriaLiga gehört zu den besseren Spielklassen in Europa. Doch ohne meine Mitspieler bei Mega Bemax bzw. jetzt bei Buducnost Podgorica und ohne meine Coaches hätte ich diese Auszeichnung nicht gewonnen. Sie haben mir sehr geholfen. Aber ich habe im vergangenen Sommer auch sehr hart gearbeitet, und das zahlt sich jetzt aus.

Außerdem bist du der klare Favorit auf den Gewinn der „Euroleague Rising Star Trophy“, womit du in die Fußstapfen von Luka Doncic treten würdest, der diese Auszeichnung letztes Jahr erhalten hat. Das wäre definitiv eine große Sache. Luka Doncic hat diese Trophäe gewonnen, ebenso Bogdan Bogdanovic. Dieser Titel wäre riesig für mich. Du warst in der abgelaufenen Saison bester Shotblocker der gesamten Euroleague. Wieso bist du in diesem Bereich abgesehen von deiner großen Spannweite so gut? Ich habe ein wirklich gutes Timing, denke ich. Ich habe ein Gefühl dafür. Aber es ist auch eine Einstellungssache. Ich will meinen Gegnern keine einfachen Körbe erlauben, immer da sein. Ob zum Closeout oder von der Weakside, ich will präsent sein. Das sind die beiden wichtigsten Punkte aus meiner Sicht.


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Fotos: Savo Prelevic/EB via Getty Images

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„Sie versuchen jeden Tag, einen besseren Spieler aus dir zu machen. Jeder Tag bei Mega ist wie ein Tag im SommerTrainingscamp.“ ----------Welchen Aspekt deines Spiels musst du dagegen schnellstmöglich verbessern? Ich muss zuallererst meinen Körper verbessern, explosiver und stärker werden. Ich werde besser, habe im vergangenen Sommer schon viel Zeit investiert. Aber auch davon abgesehen muss ich in allen Aspekten besser werden. Nach dieser Saison werde ich dafür sorgen, dass ich bereit für den nächsten Schritt bin.

Fotos: Patrick Albertini/Savo Prelevic/EB via Getty Images

Ich habe gelesen, dass du insbesondere Videos von Tornike Shengelia, Shaquille O’Neal und Pau Gasol angeschaut hast, als du jünger warst. Wer sind heute deine basketballerischen Vorbilder? Kevin Garnett. Mit seinem Willen, seinem Kampfgeist, seiner Einstellung war er immer ein „Tough Guy“ auf dem Parkett. Was immer Garnett tun konnte, um ein Spiel zu gewinnen, er hat es versucht. Ich schaue zu ihm auf, und er ist mein aktuelles Vorbild.

überhaupt eine Chance, die Schule zu beenden? Ja, ich bin gerade dabei, die Schule zu beenden. Ich bin von Georgien nach Serbien gewechselt und musste eine Klasse zurückgehen. Das ist die Regel hier in Serbien. Aber ich habe in Belgrad viele Arbeiten geschrieben und werde im Sommer meinen Schulabschluss machen. Was würdest du ohne Basketball in deinem Leben machen? Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Jeder Tag, mein ganzes Leben – es geht immer nur um Basketball. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Jeder Moment in meinem Leben ist Basketball. Manchmal denke ich natürlich darüber nach, aber ich weiß es wirklich nicht (lacht). Basketball ist das Erste, was mir in den Sinn kommt, wenn ich darüber nachdenke, was ich machen sollte (lacht weiter).

Garnett war auch ein gefürchteter Trashtalker, der manchmal Grenzen überschritten hat. Du bist noch recht jung, beteiligst du dich dennoch manchmal an TrashtalkAuseinandersetzungen? Nein, ich spreche normalerweise nicht mit anderen Spielern. Ich versuche, komplett auf die Partie fokussiert zu bleiben. Vielleicht sage ich ab und zu etwas, aber dann spreche ich mit mir selbst, versuche mich zu motivieren. Ich bin ein junger Kerl, ich muss mich zu 100 Prozent auf das Spiel konzentrieren.

Auch dein Vater hat professionell Basketball gespielt. Der Sport wurde dir in die Wiege gelegt. Mein Vater hat für Dynamo Tiflis gespielt, ein Team in der georgischen Hauptstadt. Er war ein Power Forward und kein Center, weil er nicht so groß war … nur 2,02 Meter. Längere Zeit war er nur in der zweiten Mannschaft von Tiflis, bevor er aufrücken durfte. Aber seine Karriere war früh vorbei: Er hatte eine komplizierte Knieverletzung, lag nach einer Operation ein halbes Jahr durchgehend im Krankenhaus. Danach war es sehr schwierig für ihn, auf das Parkett zurückzukommen.

Du hast bereits mit 16 Jahren als Profi in Georgien gespielt. Hattest du denn

Deine georgische Heimatstadt Sagaredscho ist insbesondere für

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ihre Ringer bekannt. Aber wie groß ist Basketball in Georgien insgesamt? Ringen ist definitiv die Sportart Nummer eins bei uns. Aber Basketball ist im Aufwind, wird immer populärer. Mehr und mehr Leute kommen zu den Spielen, und der georgische Verband macht in der Vermarktung einen sehr guten Job. Aber auch wir mit der Nationalmannschaft entwickeln uns sehr gut. Wir waren bei den vergangenen Europameisterschaften dabei, und Basketball rückt in meiner Heimat mehr und mehr in den Fokus. Dein Berater ist der berühmte Spieleragent Misko Raznatovic, der in den vergangenen Jahren viele internationale Big Men in die NBA gebracht hat, etwa Nikola Jokic oder Ivica Zubac. War Raznatovic derjenige, der während der Saison dafür gesorgt hat, dass du zu Podgorica gingst? Ja. Ich hatte ein Treffen mit ihm, und er hat mir diesen Plan präsentiert, mir erklärt, dass Buducnost mich für die Euroleague verpflichten wollte. Er hat mir gesagt, dass das ein riesiger Schritt in die richtige Richtung für mich sein würde. Es war immer eines meiner Ziele, in der Euroleague zu spielen, deshalb habe ich ihm zugestimmt. Er hat mir bisher sehr geholfen, und dieser Wechsel war dabei einer von vielen Schritten. Mega Bemax, der serbische Ausbildungsverein von Raznatovic, hat in den vergangenen Jahren viele NBASpieler und -Draftpicks produziert. Was ist das Erfolgsgeheimnis eures Programms bei Mega? Sie versuchen jeden Tag, einen besseren Spieler aus dir zu machen. Jeder Tag bei


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diesem Trainingsaufwand bei Mega nicht gewachsen sind und gehen? Das habe ich noch nie gesehen oder gehört. Die Spieler sehen ihre Verbesserung und wissen, dass sie harte Arbeit dorthin gebracht hat. Und die Coaches sind für dich da, wenn du im Training eine schwere Zeit hast oder irgendetwas nicht auf die Reihe bekommst. Sie helfen dir, sind für dich da, verstehen dich. Deshalb habe ich wirklich noch nie gehört, dass ein Spieler das Programm vorzeitig verlassen hat. Bei Mega hast du auch mit zwei deutschen Nachwuchsspielern zusammengearbeitet, mit Filip Stanic (Big Man, 2,07 Meter, Jahrgang 1998) und Kostja Mushidi (Guard, 1,95 Meter, Jahrgang 1998). Was denkst du über die beiden und ihre Entwicklung bei Mega Bemax in den vergangenen Monaten? Das sind richtig gute Jungs, und bevor ich nach Podgorica gewechselt bin, habe ich

Mega ist wie ein Tag im Sommer-Trainingscamp. Du wirst besser, arbeitest an jedem Skill. Die Coaches wollen das Beste aus dir herausholen. Natürlich wollen sie auch die Partien gewinnen, aber das Wichtigste ist die individuelle Verbesserung von jedem einzelnen Spieler. Mega ist eines der besten europäischen Programme zur Talententwicklung, die ich mir vorstellen kann.

Gibt es denn auch Spieler, die diesem Druck und

Für dich geht es in diesem Sommer höchstwahrscheinlich in die NBA, du wirst als First-Round-Pick gehandelt. Wie sehr beschäftigt dich das? Und hast du eine bevorzugte Mannschaft in der besten Basketballliga der Welt? Zunächst einmal spielen wir jetzt die Finals in der ABA-Liga mit Podgorica. Mein ganzer Fokus liegt nur darauf. Ich versuche nicht daran zu denken, was in der NBA-Draft passieren kann. Aber auch davon abgesehen habe ich nicht das eine Lieblingsteam in der Association. Ich mag es, LeBron James zuzuschauen. Aber eigentlich mag ich es generell, einfach NBABasketball zu sehen. Du hast in einem Interview gesagt, andere georgische Spieler wie Tornike Shengelia, Zaza Pachulia oder auch Giorgi Shermadini seien wie eine Familie für dich. Was ist der wichtigste Ratschlag, den dir diese Veteranen gegeben haben? Wir haben ein sehr enges Verhältnis, speziell Toko (Shengelia, Anm. d. Red.) und ich. Jedes Mal, wenn ich ein Spiel habe, schreibt er mir. Wir reden miteinander wie gute Freunde und haben uns getroffen, als wir mit Buducnost in Vitoria gespielt haben. Sie haben mir gesagt, dass ich einfach weiterarbeiten, nie aufhören und meinen Rhythmus beibehalten soll. Das sei das Wichtigste, und dementsprechend gibt es keine Ruhetage für mich.

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Also bedeutet Mega Bemax automatisch Training 24/7? Ja, das lässt sich so sagen. Und dazu kommt Dejan Milojevic, der Headcoach (ein 41-jähriger Serbe, der von 1997 bis 2009 als Profi auf dem Balkan, aber auch in Spanien aktiv war. Seit dem Jahr 2012 ist Milojevic Cheftrainer von Mega Bemax, Anm. d. Red.). Er ist unheimlich erfahren, hat mit ganz verschiedenen Arten von Talenten zusammengearbeitet. Dejan ist einer der Schlüssel zum Verständnis des Erfolges von Mega.

viel mit ihnen gemeinsam rumgehangen. Filip ist ein sehr starker Typ, der sich gut entwickelt. Er spielt aktuell in der serbischen Liga für OKK Belgrad und macht sich dort extrem gut. Ich denke, er hat sich im vergangenen Jahr enorm entwickelt. Für seine Größe ist er sehr schnell, spielt mit hoher Intensität und viel Einsatz. Kostja auf der anderen Seite ist ein großartiger Scorer, ein purer Shooter. Auch er spielt bei OKK Belgrad und hat eine große Zukunft vor sich. Beide haben noch viel Potenzial und die Möglichkeit, besondere Spieler zu werden.

Es ist noch sehr früh in deiner Karriere, die gerade erst beginnt. Wofür sollen dich Sportfans in Georgien in 20 Jahren in Erinnerung behalten? Für meinen Wettbewerbsgeist, meine Moral, meine Energie, meinen Einsatz. Aber dieser Wettbewerbsgeist, das ist das Erste und Wichtigste für mich. Sie sollen sich daran erinnern, dass ich immer 100 Prozent gegeben habe. redaktion@fivemag.de

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bbl-taktik

Münchens

Offensive

MÜNCHENS OFFENSIVE

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Der FC Bayern München gewann vor allem dank seiner Verteidigung im vergangenen Jahr die Meisterschaft. Doch wie läuft die Offensive von Trainer Dejan Radonjic mittlerweile? Vor allem im Hinblick auf die Neuzugänge Derrick Williams und Petteri Koponen? Text: Manuel Baraniak

n einer Euroleague-Saison voller Highlights stachen beim FC Bayern München der 31. Januar und der 21. März heraus: Einen Sieg nach zweifacher Verlängerung gegen Fenerbahce Istanbul sowie einen Erfolg dank Petteri Koponens Buzzerbeater gegen den FC Barcelona feierten die Bayern an jenen Tagen. Befanden sich die Münchner nach dem Coup gegen Fenerbahce noch voll auf Playoff-Kurs, waren die Hoffnungen auf eine Endrundenteilnahme trotz des Sieges über Barcelona nur noch theoretischer Natur. Fünf Niederlagen zwischen den beiden Erfolgen waren der Grund. Letztlich beendeten die Münchner die Euroleague-Saison mit der drittbesten Siegquote eines deutschen Teams in der fast 20-jährigen Geschichte der Eliteliga Europas, die absoluten 14 Siege sind unerreicht – wobei der neue Modus samt 30 Hauptrundenpartien auch erst drei Jahre alt ist. Der Euroleague-Kalender hat so sehr Gewicht, dass eine solche europäische Saison natürlich auch die Spielzeit in der BBL beeinflusst. Und womit sich die besagten Partien auch gut eignen, um die BBL-Taktik-Reihe über die Bayern zu eröffnen.

Fotos: Patrick Albertini/Isa Terli/Anadolu Agency/EB via Getty Images

Euroleague- und NBA-erprobt Sechs Sekunden hatte Koponen an jenem 21. März Zeit, um von der eigenen Seitenauslinie noch vorne zu dribbeln und einen letzten Wurf zu nehmen. 71:71 stand es gegen Barcelona, ehe Koponen das Heft in die Hand nahm, nach einem Crossover-Dribbling hinter dem Rücken Jaka Blazic zu Fall brachte und mit der Schlusssirene den Wurf aus der Mitteldistanz zum Sieg einnetzte. Blazic stützte sich nach dem Stolpern mit den Händen am Boden ab, brachte noch einen Arm nach oben – ein fast ikonisches Bild für einen entscheidenden Wurf. Koponen ist „clutch“. 1,69 Punkte pro Possession erzielte der Guard in ClutchSituationen seiner Euroleague-Partien – also in den letzten fünf Minuten einer Partie oder in der Verlängerung, wenn die Differenz nicht mehr als fünf Punkte betrug. Koponen ist in gewisser Hinsicht auch eine Geheimwaffe. Denn nur rund 18 Minuten steht der 31-Jährige sowohl in der BBL als auch in der Euroleague auf dem Parkett, sechs BayernSpieler erhalten eine höhere Einsatzzeit. Auch wenn Koponen in besagtem Spiel gegen Barcelona aus dem Eins-gegen-eins kreierte: Seine volle Stärke als Schütze schöpft der Guard aus, wenn er abseits des Balles eingesetzt wird. Im Erhebungszeitraum seit dem Nationalmannschaftsfenster Ende Februar entfielen in der BBL knapp 20 Prozent von Koponens Abschlüssen auf Off-Screen-Aktionen, ungemein effiziente 2,5 Punkte pro Ballbesitz

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erzielte der Guard daraus. Nach Eins-gegeneins- und Aktionen als Ballführer (Anteil: 40 Prozent) waren es hingegen nur 0,56 Punkte. Koponen kam im vergangenen Sommer mit der Erfahrung von 101 EuroleagueSpielen nach München, Derrick Williams mit der Vita von 428 NBA-Partien. Beide Neuzugänge haben sich unter allen Bayern-Akteuren bisher am längsten auf den größten Bühnen bewiesen – womit man ein ganz besonderes Augenmerk auf deren Integration in Münchens Offensivsystem werfen muss. Dies scheint mit Koponen bislang besser geklappt zu haben als mit Williams – welcher mit seiner Athletik und Physis aber auch als Ein-Mann-Abrissbirne funktionieren kann (siehe Spieler im Fokus). In zitierter Partie gegen Fenerbahce stellte Williams mit 19 Zählern Münchens Topscorer, obwohl er sich mit europäischen Top-Verteidigern wie Nicolo Melli oder Nikola Kalinic duellieren musste. In acht seiner 29 Euroleague-Partien knackte der Forward die 20-Punkte-Marke. Genauso oft waren aber auch Begegnungen mit acht Zählern oder weniger auszumachen. Sowohl Koponen als auch Williams gehören auf ihren Positionen zu den TopOffensivspielern in der BBL – sie nahmen während der Euroleague-Doppelbelastung auf nationaler Ebene aber gar keine so gewichtige Rolle ein, wie es nun in den BBL-Playoffs der Fall sein dürfte.

hoch im Kurs, was mit deren NBA-Wechseln 2017 auch verständlich ist. Doch wäre Barthel nicht ebenso ein Kandidat für die US-Profiliga? Im Postup macht dem 27-Jährigen auf BBLNiveau niemand etwas vor. Apropos Postup: Das Spiel am Zonenrand suchen die Bayern auch gerne im rechts aufgeführten Spielzug. Aus diesem forcieren sie immer wieder Mismatches, wenn die Gegner switchen. Vladimir Lucic nach dem Curl oder Barthel nach seinem Handoff gehen dann in Korbnähe gegen schwächere Gegenspieler an die Arbeit. Jenes Play ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie gerne Headcoach Dejan Radonjic mit Handoffs agieren lässt. So kann der Big Man nach Ballübergabe auch einen Wurfschirm stellen, womit der Passempfänger zum Wurf kommen kann. In anderen Spielzügen folgt auf einen Dribble-Handoff ein Block am Ball, mitunter steht dahinter noch ein zweiter großer Mann für den direkten Block am Spalding bereit. Mit drei nominellen Point Guards, Ballhandlern bis auf die Drei – mit Lucic und Nemanja Dangubic – sowie versierten Big Men haben die Bayern im Pick-and-Roll enorm viele Optionen. Ein Aushelfen gestaltet sich für die gegnerische Verteidigung deswegen so schwierig, weil die Dreierschützen hochprozentig abschließen.

Spotup und Handoffs

Und deshalb fällt es vielleicht gar nicht so sehr ins Gewicht, dass Dejan Radonjic nicht das dickste Playbook in München installiert hat. Zum einen ist die individuelle Qualität auf BBLNiveau einfach zu hoch, sodass es fast schon reicht, dass die Spieler die Plays konsequent durchlaufen. Zum anderen halten einige Spielzüge durchaus mehrere Ausstiege bereit. Dank ihrer Verteidigung haben die Bayern in der vergangenen Saison den Titel gewonnen. Offensiv haben sie – dank Koponen und Williams – an Qualität hinzugewonnen, während auch dienstältere Spieler wie Barthel oder Nihad Djedovic sich weiter verbessert haben. Zudem ist auch deutlich zu erkennen, wie sehr Radonjic eine ganze Saisonvorbereitung dabei geholfen hat, dem Kader sein System einzuimpfen. Eine Bewertung der Bayern-Saison in der Bundesliga war lange Zeit schwierig: Zu stark beeinflusste die Euroleague die Vorbereitung auf BBL-Partien, zu sehr wurden Spieler je nach Doppelbelastung geschont. Mit dem Ende der Hauptrunde und dem Start der Playoffs ist das nun anders – und es wird deutlich, dass vielleicht eines der stärksten Teams der BBL-Historie auf dem Parkett steht. redaktion@fivemag.de

In gewisser Hinsicht verkörpern Koponen und Williams Ausnahmenrollen in der BayernOffensive: Kollektiv suchen die Münchner gar nicht so oft den Abschluss aus dem Einsgegen-eins oder nach ballfernen Blöcken, Williams sowie Koponen kommt hierbei jeweils die größte Rolle zu. Aus dem Standard-Spielzug des postmodernen Basketballs, dem Pick-and-Roll, suchen die Münchner zuallererst die Schützen an der Dreierlinie. Wenig verwunderlich: Schließlich haben die Bayern gleich acht 40-Prozent-Dreierschützen im Team. Nochmal … ACHT! Über 40 Prozent! Aus dem Blocken-und-Abrollen werden verhältnismäßig oft die Abroller in Szene gesetzt, allen voran Danilo Barthel und Devin Booker trumpfen hierbei auf. Nach der Auszeichnung zum FinalsMVP 2018 hat Barthel noch einmal einen Schritt nach vorne gemacht und präsentiert sich in dieser Saison ungemein konstant von außen. Nach dem Pick-and-Pop versteht es der Big Man zudem besser, auf ihn zustürzende Verteidiger zu attackieren. In der deutschen Big-Man-Riege stehen meist Maxi Kleber oder Daniel Theis

Mit Offense zum Repeat?


spielzug A

2

3

5 HO

4 1

Stefan Jovic (1) bringt den Ball und läuft ein hohes Pick-and-Roll mit Derrick Williams (4). Jovic dribbelt auf die linke Seite und gibt per Handoff auf Petteri Koponen (2) ab, der zum Flügel kommt.

Depth Chart 2018/ 2019 Pos.

Spieler

PG

Stefan Jovic Maodo Lo Braydon Hobbs

SG

Nihad Djedovic Petteri Koponen

SF

Vladimir Lucic Nemanja Dangubic Robin Amaize

PF

Danilo Barthel Derrick Williams Alex King

C

Leon Radosevic Devin Booker Marvin Ogunsipe

Im Playoff-Verlauf könnte sich die Startformation ändern und der lange Zeit pausierende Booker als Starting Center Radosevic ersetzen. Im NBA-tiefen Kader wartet mit Nelson Weidemann noch ein 20-jähriges Guard-Talent. Die Größe der Starting Five ist beeindruckend.

Spieler im Fokus:

Derrick Williams Dass Spieler mit NBA-Vita in der BBL aufschlagen, ist mittlerweile nichts mehr ganz so Besonderes. In dieser Saison heuerten unter anderem Darnell Jackson (in Bremerhaven), Reggie Williams (Jena) und Hollis Thompson (Crailsheim) in der deutschen Beletage an. Und doch darf man die Verpflichtung der Bayern Anfang Oktober 2018 als Coup bezeichnen: Schließlich handelt es sich bei Derrick Williams nicht nur um einen Spieler mit der Erfahrung von 428 NBA-Partien über knapp sieben Jahre, sondern um den zweiten Draftpick 2011 und einen Athleten im besten Basketballeralter. Manche gingen schon so weit zu behaupten, dass nun der beste BBL-Spieler aller Zeiten über das Parkett fliegen würde … Was sicherlich etwas voreilig ist. Ein Argument wird Williams’ Mismatch-Potenzial sein. Wenn der 27-Jährige mit dem Gesicht zum Korb isoliert wird, ist er mit seiner Antrittsschnelligkeit für einen Vierer, seiner guten Fußarbeit beim Spinmove sowie seiner Athletik kaum zu halten. Das Eins-gegen-eins beinhaltet dennoch eine Krux: Denn mit dem Rücken zum Korb agiert Williams ineffizienter – sucht das Postup aber vermehrt. Am Zonenrand

PLAY-TYPE spotup Postup cut isolation transition putbacks P&R man Summe

FREQ% 32,5 15,0 13,8 13,8 10,0 5,0 5,0 100,0

PPP 1,19 0,50 1,09 1,00 1,00 1,25 0,75 0,98

agiert Williams berechenbar: meist ein Dribbling, die direkte Drehung und der Wurf im Zurückfallen aus der Mitteldistanz. Das sind alles andere als effiziente Würfe. Im Erhebungszeitraum zog Williams aus dem Postup keinen einzigen Freiwurf. Dabei besitzt der 2,03-Meter-Mann durchaus den Körper für den Zonenkampf. Das sieht man Williams nach Cuts oder Putbacks an, wenn er teilweise auch von drei Gegenspielern nicht aufzuhalten ist. Williams’ Wurf muss respektiert werden (44,0 3P% in der BBL), zudem attackiert er gut die Closeouts. Als Abroller im Pickand-Roll tritt er hingegen kaum in Erscheinung, was ein wenig verwundert und was sein Spiel variabler machen würde. Sicherlich könnte Williams noch ein wenig besser in das System Münchens integriert und sein Anteil an Eins-gegeneins-Aktionen verringert werden. Dennoch hat sich der USAmerikaner im FIBA-Basketball bislang gut geschlagen. Womit auch die Frage bleibt, ob Williams im Sommer das Ziel der NBA-Rückkehr gelingt oder ob sich die Bayern sogar Chancen auf eine Weiterverpflichtung machen dürfen.

FG% 55,6 33,3 66,7 55,6 50,0 66,7 33,3 50,9

FT FREQ% 15,4 0,0 18,2 9,1 0,0 25,0 25,0 13,8

TO FREQ% 15,4 25,0 27,3 9,1 0,0 0,0 0,0 15,0

Die Play-Type-Stats für Derrick Williams aus seinen BBL-Spielen nach dem Nationalmannschaftsfenster im Februar 2019. Legende: Freq% – Prozentsatz der Abschlussart an allen Abschlüssen des Spielers, PPP – Punkte pro Abschluss, FG% – Feldwurfquote, FT Freq% – Wie häufig zieht der Spieler Freiwürfe, TO% Freq – Wie häufig produziert der Spieler einen Ballverlust; Daten: Manuel Baraniak

B 3 5 4

1

FAKE-HO

2

Koponen nimmt das Dribbling auf, passt auf Danilo Barthel (5) und geht dem Ball nach. Barthel täuscht den Handoff an, Koponen rotiert aber weiter und stellt einen Pin-Down-Block für Vladimir Lucic (3).

C1

4

3 2 1 5 HO

Lucic hat zwei Optionen nach dem Block von Koponen: Entweder kommt er zu Barthel und erhält den Ball per Handoff, oder er curlt in die Zone und kann direkt oder nach einem Switch im Post bedient werden.

C2

4 3

1

2

5 HO

Als zweite Option wird Lucic nicht angespielt, stattdessen cuttet er auf die Weakside. Nun kommt Koponen nach oben und bekommt per Handoff den Ball. Mit einem Wurfschirm kann Koponen direkt den Dreier nehmen oder mit Barthel das Pick-and-Roll laufen.

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interview

Konrad

Wysocki

KONRAD WYSOCKI „Die ganze deutsche Delegation sang: ,Dirk, wir wollen die Fahne sehen!‘“ Zwei der drei noch aktiven Spieler des deutschen Olympiakaders von 2008 haben jüngst ihre Karriere beendet: neben Dirk Nowitzki auch Konrad Wysocki. Im Interview blickt der 37-Jährige auf Gänsehautmomente bei Olympia zurück, erklärt seinen Protest an der Princeton University und schildert, wie ein Architekturabschluss beinahe seine Basketballkarriere verhindert hätte. Interview: Peter Bieg

F

ÜNF: Als Basketballprofi und Absolvent eines Architekturstudiums: Worauf achtest du, wenn du bei Auswärtsspielen in eine Halle kommst? Deckenkonstruktion, Kabine, Außenfassade der Arena oder etwas ganz anderes? Konrad Wysocki: (schmunzelt) Mehr auf Zirkulation: Wie kommt man am schnellsten von A nach B? Es gibt einige Arenen, die ziemlich gut konzipiert sind, aber auch andere, bei denen man durch tausend Gänge laufen muss. Natürlich achte ich auch auf das äußere Erscheinungsbild einer Arena und wie sie sich zu anderen Gebäuden in der Nähe einfügt. Wenn man einmal gelernt hat, so etwas wertzuschätzen und etwas architektonisch zu betrachten, dann schaut man immer wieder auf bestimmte Aspekte und sieht Details, die manche nicht sehen. Du blickst auf eine fast 20-jährige Karriere als Basketballer zurück. Welche Arenen sind dir in dieser Zeit besonders in Erinnerung geblieben? Vom Gefühl her natürlich der Madison Square Garden während meiner CollegeZeit. Hinter einer solchen Arena steckt

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eine gewisse Geschichte: Wenn man überlegt, wer schon alles über das Parkett gelaufen ist und was an Schweiß und Blut auf dem Feld verloren wurde … Ansonsten hat sich in der BBL in den vergangenen Jahren sehr viel getan: Es wurden viele moderne Arenen gebaut. Ich war zu meiner Oldenburger Zeit beim Umzug in die große Arena dabei, das war aufregend. Zu meiner Ulmer Zeit habe ich noch in der Kuhberghalle gespielt, das war etwas ganz anderes. In den kleinen, lauten Hallen habe ich mich irgendwie um einiges wohler gefühlt. Dort herrscht eine verrücktere Atmosphäre, die Zuschauer sind näher dran, und es gibt ein Wechselspiel zwischen Zuschauern und Spielern. Mit welchen Empfindungen gehst du aktuell in die Hallen? Schließlich wirst du deine Karriere in ein paar Wochen beenden (Anm. d. Red.: Wir sprachen mit Wysocki Mitte April). Geht es darum, noch einmal alles aufzusaugen? Absolut. Ich glaube, an einem Sportler gehen Momente sehr schnell vorbei, und man hat wenig Zeit, darüber zu reflektieren. Diese Erfahrung habe ich bei Olympia gemacht. Im Nachhinein denke ich, das hätte ich mehr genießen können. Vielleicht kann man das aber auch nicht, weil man so unter Strom steht. Ich habe gelernt, ein wenig die Bremse anzuziehen und jeden Moment auszukosten. Jetzt, in meinem letzten Jahr, habe ich ein kleines Ritual vor jedem Auswärtsspiel: Wenn vor der Partie


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Fotos: Fernando Medina/NBAE via Getty Images


interview

Konrad

Wysocki

die Spieler aufgerufen werden, die Lichter ausgehen, die Zuschauer schreien, stelle ich mich bewusst hin und sauge alles auf, was es aufzusaugen gibt.

Fotos: Sebastian Widmann/Mike Hewitt/Christian Ciamillo-Castoria:Stuart Franklin/Bongarts/ARIS MESSINIS/AFP/Getty Images

Wann hast du den Entschluss gefasst, deine Karriere zu beenden? Eigentlich schon vergangene Saison. Mein großer Sohn wird im Sommer sechs Jahre alt und kommt in die Schule. Wir werden unseren Lebensmittelpunkt wieder nach Heidenheim verlegen, wo wir ein Haus haben. Das ist einfach ein passender Moment. So wie die Saison gelaufen ist, wundern sich viele, warum ich überhaupt darüber nachdenke, meine Karriere zu beenden. Mir geht es körperlich ganz gut, und ich fühle mich fit. Ich war immer jemand, der sich um seinen Körper gekümmert und der auf Schlaf, Ernährung und Pausen geachtet hat. Ich habe mir aber geschworen, meine Karriere nicht ewig in die Länge zu ziehen, nur um Basketballspieler zu sein. Ich glaube, ich bin ein schlechter „Handtuchwedler“, der auf der Bank sitzt – das ist einfach nicht meine Persönlichkeit. Und wenn man dann noch gegen Jungs spielt, die meine Söhne sein könnten, merkt man, dass es doch langsam Zeit wird … (schmunzelt) Wie schwer ist dieses bewusste Aufsaugen eigentlich, da du mit den HAKRO Merlins Crailsheim um den Klassenerhalt kämpfst und ihr ja auch unter Druck steht? Dieser Druck ist ja das Schöne an unserem Sport. Egal in welchem Team man ist: Man ist selten damit zufrieden, wo man gerade steht, und man hat immer Ziele, die man erreichen möchte. In den vier Jahren, in denen ich in Crailsheim bin, haben wir vieles durchgemacht. Wir sind eindeutig zu gut, um eine ProA-Mannschaft zu sein, aber waren noch nicht auf dem Level, um eine BBL-Mannschaft zu sein. Das hat sich jetzt geändert. Von der Mannschaft und dem Basketballstil her gehören wir in die BBL. Ich würde mich freuen, wenn wir in der Liga bleiben – wovon ich stark ausgehe. Und ich würde mich freuen, wenn sich Crailsheim in den nächsten Jahren als BBL-Mannschaft etabliert. Man könnte sagen, dass sich auch Crailsheim als BBL-Team gerade in der „March Madness“ befindet. Wie sehr verfolgst du als ehemaliger CollegeSpieler die NCAA? Ach, das ist lange vorbei. Ich liebe Basketball, spiele unheimlich gerne, und wenn es um mich selbst und um meine Entwicklung geht, dann setze ich mich gerne hin, schaue Videos – auch von anderen Spielern – und spreche mit meinem Coach. Aber ansonsten bin ich der Allerletzte, der Basketball verfolgt und anschaut. Wenn wir am Samstag ein Spiel hatten und die Jungs in unserem Gruppenchat am Sonntag schreiben: „Hey, habt ihr das Spiel gesehen?!“, ist

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„Meine Regenerationszeit ist viel länger als früher. Nach einem Spiel brauche ich den nächsten Tag auf jeden Fall frei, da geht bei mir gar nichts.“ -----------

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mein Kommentar meistens: „Lasst mich in Ruhe mit diesem Basketball, ich habe heute meinen freien Tag.“ (lacht) Wir verbringen einfach so viel Zeit in der Halle. Ich liebe es, andere Sachen zu machen, und investiere meine Zeit darin, meinen Horizont zu erweitern.

Der ehemalige Nationalspieler Johannes Herber ist wie du ans College gegangen und hat sich in der Reportage „Halt die Klappe und spiel!“ auf eine „Reise durch das zerrissene Sportland USA“ begeben. Spielt das Land in deinem Leben noch eine Rolle? Das auf jeden Fall. Ich habe noch sehr viele Freunde in den USA. Ich hatte nach meiner College-Zeit ja auch ein Jobangebot aus Florida, und irgendwie zieht es mich immer noch in die USA. Ich mag das Leben dort sowie die Lockerheit und Offenheit. Ich glaube, ich bin mittlerweile durch und durch Basketballer: Mich hält es selten für eine längere Zeit an einem Ort. Immer mal


dass es weniger eine Sport-Uni als eine schulische Hochburg ist. Dieses Architekturstudium hat mich enorm viel Kraft und Energie gekostet. Ich hatte mich von meinem Coach aber nicht verstanden gefühlt. Wir hatten sehr viele Gespräche, auch ein wenig Streit. Meine basketballerischen Leistungen litten ein wenig darunter, sodass ich irgendwann eine Entscheidung treffen musste: Fahre ich weiter zweigleisig? Oder konzentriere ich mich nur auf eine Sache? Ich entschied mich dafür, es mit dem Basketball sein zu lassen und mich nur auf die Architektur zu konzentrieren. Das würde ich heute genauso machen. Letztlich war es kein großer Akt: Es war zum Ende der Saison, und die Mannschaft hat es trotzdem noch zum NCAA-Turnier geschafft.

wieder ein Tapetenwechsel, etwas Neues ausprobieren, bei null anfangen und eine neue Herausforderung suchen – das spornt mich an und macht mir Spaß.

Du hast ein Jobangebot aus Florida erwähnt. Das kam direkt nach deiner College-Zeit? Genau, ich bin nach meiner Uni-Zeit nach Florida geflogen, habe mir dort alles angesehen und angefangen zu arbeiten. Die USA vergeben an ausländische Staatsbürger aber nur ein bestimmtes Kontingent an Arbeitsvisa, ich glaube, so 75.000 bis 100.000 Stück. Die werden im August vergeben. Sind alle weg, muss man bis nächsten August warten – das war bei mir der Fall. Sie haben mir dann garantiert, dass ich im nächsten Jahr kommen könnte. Das war okay für mich. Ich bin dann eben wieder zurück nach Deutschland, wusste hier aber nichts mit mir anzufangen. Dann habe ich wieder angefangen, Basketball zu spielen – und Blut geleckt. Professionell Basketball zu spielen war toller, als ich gedacht hatte. Es lief für mich auch gleich am Anfang gut, und ich dachte mir: Wenn ich in der Lage bin, mit meiner Sportart Geld zu verdienen, kann ich Architektur später immer noch machen. Irgendwann wurde dann auch mein Ehrgeiz geweckt: Wie weit kann ich es eigentlich bringen? Dann ging alles ganz rasant: Von Ehingen bin ich nach Ulm gewechselt, ich bin mit Ulm aufgestiegen und in Ulm zum All Star geworden, ich wurde zur Nationalmannschaft berufen und war bei Olympia dabei.

In Herbers Reportage wird auch dessen persönliche Protestgeschichte angeschnitten. Du hattest in gewisser Hinsicht auch eine: Als Senior in Princeton hast du in einem offenen Brief die „unfaire und respektlose Behandlung“ durch den Trainerstab angeprangert. Was hat dich dazu bewogen? Es war mein Senior-Jahr, ich hatte also meine Abschlussarbeit in Architektur vor mir. Princeton ist dafür bekannt,

Was ist dir von den Olympischen Spielen besonders in Erinnerung geblieben? Natürlich der Einmarsch in die Arena vor 80.000 Leuten mit Dirk Nowitzki als Fahnenträger. Wir haben draußen gewartet, ehe wir in die Arena gehen durften. Man geht durch einen langen Tunnel, alles ist komplett schwarz, am Ende des Tunnels siehst du die Öffnung zur Arena, von draußen strahlt es hell in den Tunnel hinein. Man sieht Dirk mit seiner Fahne

wedeln, und dann singt die ganze deutsche Delegation: „Dirk, wir wollen die Fahne sehen!“ Das war ein Gänsehautmoment. Ich erinnere mich zudem, wie wir mit Dirk auf dem Präsentierteller waren, wo immer wir hingegangen sind: Er hatte eine enorme Aura, jeder wollte ein Foto oder Autogramm haben. Irgendwann sind wir nur noch in einer Traube gelaufen: außen herum wir Spieler und Dirk in der Mitte, damit keiner irgendwie drankommt. (lacht) Ansonsten war das Leben im olympischen Dorf sensationell: Athleten aus allen Ländern sind zusammen, man konnte sich unterhalten und Blödsinn machen. Dann siehst du im Fernsehen, wie Sportler Medaillen gewinnen – und eine Viertelstunde später triffst du sie in der Mensa beim Abendessen … Im Zuge von Dirk Nowitzkis Karriereende wurde häufig darauf verwiesen, dass er eine Entscheidung bald nach Saisonende treffen müsse – weil er nicht zu lange pausieren kann, ohne an seinem Körper zu arbeiten. Kannst du das nachempfinden? Absolut. Meine Regenerationszeit ist viel länger als früher. Nach einem Spiel brauche ich den nächsten Tag auf jeden Fall frei, da geht bei mir gar nichts. Dann dauert es noch ein oder zwei Tage, bis die ganzen blauen Flecken und Blutergüsse verheilt sind. Meistens sind ein, zwei Tage Pause gut, aber wenn es drei, vier oder fünf Tage werden, hat man gleich wieder Probleme, reinzukommen. Man muss seinen Körper also ganz genau kennen. Wir sind nicht mehr die Schnellsten, Explosivität ist kein Thema mehr, Richtungswechsel sowieso nicht. Was bei uns beiden zutrifft: Wenn wir den Fleck auf dem Parkett gefunden haben, wo wir uns wohlfühlen, und dort den Ball bekommen, dann sind wir immer noch brandgefährlich – egal ob einer vor dir steht, dann gehen die Dinger rein. Ich glaube, das wird sich nie ändern – auch nicht mit 50 oder 60 Jahren. Du warst bei Olympia in Peking, in diesem Sommer steht die WM in China an. Hast du für die Nationalspieler Tipps, was sie tun oder auf keinen Fall machen sollten? Das richtige China haben wir gar nicht kennengelernt, Peking wurde für die Athleten damals extra sauber gemacht. Von daher kann ich nicht so richtige Tipps geben. Wir haben uns aber die Chinesische Mauer angeschaut – das war unfassbar cool. Wir waren ein paar Mal Party machen – das war auch unfassbar cool. Aber wo genau das war, kann ich leider nicht mehr sagen. (lacht) Das Einzige, was ich allen mitgeben kann, ist das, was ich vorhin gesagt habe: Man sollte sich mal Zeit nehmen und tief durchatmen, um alles aufzusaugen. Damit man realisiert, wo man ist und was man erreicht hat. Man sollte sich mental ein paar Notizen oder Bilder machen, damit man sich an diese tollen Momente erinnern kann. redaktion@fivemag.de

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interview

Johannes

Richter

JOHANNES RICHTER „Basketballer ist ein vollständiger Beruf“ Zurück in seiner fränkischen Heimat ist A2-Nationalspieler Johannes Richter bei den s.Oliver Baskets Würzburg zu einem wichtigen Rollenspieler unter den Brettern avanciert. Kurz vor Saisonende erwischte den angehenden Mediziner allerdings eine Ellbogenverletzung. Im Gespräch mit dem 25-Jährigen hat FÜNF erfahren, wo die Würzburger in ihrer Entwicklung stehen, worum es in Richters Doktorarbeit geht und wieso seine dicken Oberarme größtenteils eine optische Täuschung sind. Interview: Peter Bieg

F

ÜNF: Johannes Richter, was ist das für eine erste Saison in Würzburg für dich unter dem neuen Headcoach Denis Wucherer? Johannes Richter: Das ist eine ganz typische Saison für ein neues Team. Wir haben recht erfahrene Spieler verpflichtet, die die Bundesliga kennen. In der Vorbereitung haben wir uns relativ schnell gefunden und ganz gut gespielt. Aber man hat gemerkt, dass wir nicht wirklich gefestigt sind. Wir haben gleich zwei Mal gegen Bamberg gespielt, hatten ein schweres Auswärtsspiel in Göttingen – und standen gleich mal bei 0-3. Dann hat jeder angefangen zu denken. An einem Standort wie Würzburg entsteht da recht schnell ein bisschen Druck. Es ist schwierig, dagegen anzuarbeiten. Es hat bis zum ersten Nationalmannschaftsfenster gedauert, bis wir uns wieder etwas gefangen haben.

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Wie siehst du deine eigene Entwicklung? Ich habe so ein bisschen das durchgemacht, was die Mannschaft auch durchgemacht hat. Ich habe mich am Anfang ein bisschen schwergetan im neuen System, wusste nicht so genau, was meine Rolle ist und was Denis Wucherer wirklich von mir erwartet. Je nach Gegner und Rotation mit unseren sieben Ausländern habe ich auf der Vier und Fünf gespielt. Mit dem neuen System musste ich erst in beide Rollen reinkommen und diese verinnerlichen. Das hat sich mit der Zeit ganz gut ergeben. Und seit Dezember spiele ich eine gute Rolle. Egal ob als Starter oder von der Bank soll ich Energie bringen, vor allem auf Center dann harte Screens für die Guards setzen, gut abrollen, viele Rebounds holen. Denis legt allgemein Wert darauf, dass der Ball gut rotiert, und hat deshalb eher spielende Fünfer – also Center, die auch auf der Vier spielen


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Fotos: TF-Images/Getty Images


interview

Johannes

können. Zusätzlich hat er mit Gabriel Olaseni auch einen sehr guten Passgeber, weil er will, dass der Ball immer sehr gut läuft. Wir spielen häufig ein Pick-andPop zu den Ecken der Freiwurflinie, dann weiterpassen und ein neues Pick-and-Roll oder den freien Schützen suchen … da passe ich auf der Fünf ganz gut rein. Zwischendurch habt ihr noch Mike Morrison nachverpflichtet, einen weiteren Center. Hattest du da nicht den Wunsch, dass der Coach noch zwei, drei Spiele länger auf dich setzt, um zu sehen, ob eine Nachverpflichtung überhaupt nötig ist? Damals im November bin ich auf der Fünf gestartet, weil Gabe Olaseni gewisse Probleme hatte. Dann kam Mike, und die Rollen wurden wieder neu verteilt. Im Endeffekt war es so, dass wir sieben Ausländer hatten. Und es hat dann etwa

Richter

Liga muss sich weiterentwickeln, und das funktioniert nur mit größeren Arenen. Mit Joshua Obiesie habt ihr ein großes Talent auf den Guard-Positionen im Kader. Wie erlebst du ihn? Ohne Frage ist Joshi ein großes Talent. Gerade prasselt sehr viel auf ihn ein. Dass die NBA sein Traum ist, hat er in seinen Interviews ja schon gesagt. Aber im Moment ist es aufgrund der Fahrerei schwer für ihn, bei uns voll durchzustarten. Fuß gefasst hat er auf jeden Fall, aber er spielt noch NBBL in München, ist nicht konstant bei uns. Jetzt war er beim Hoop Summit, dann muss er wieder nach München zum Trainieren fahren … er wird gerade von sehr vielen Leuten gesteuert. Wenn er dann nächstes Jahr – hoffentlich bei uns – eine ganze Saison spielen wird, werden wir noch wesentlich mehr von ihm sehen.

ein weiteres Jahr dort gespielt. Das hat dann leider aus verschiedenen Gründen nicht funktioniert. Dementsprechend lag es dann nahe, das Angebot von Würzburg anzunehmen, nachdem ich mehrere Jahre etwas weiter weg von zu Hause gespielt habe und es schon zuvor öfters Kontakt gab. Heimatverbundenheit war nicht der primäre Grund. Ich wollte dieses Zwei-Jahres-Projekt mit Denis Wucherer mitmachen, und aktuell sind wir da auf einem sehr guten Weg. Wie wichtig ist es bei deinen Wechseln, dass bei deinem jeweils neuen Klub eine Universität mit medizinischer Fakultät in der Nähe ist? (lacht) Gar nicht. Ich versuche gerade, meinen Studienplatz von Frankfurt nach Würzburg zu verlegen. Aber aktuell konzentriere ich mich voll auf Basketball, und das habe ich in den vergangenen zwei

„Ich wollte dieses Zwei-Jahres-Projekt mit Denis Wucherer mitmachen, und aktuell sind wir da auf einem sehr guten Weg.“ Fotos: Jan-Philipp Burmann/City-Press via Getty Images/TF-Images/Getty Images

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einen Monat gedauert, bis ich mich im Training wieder durchgesetzt habe und einer von beiden pausieren musste. Dementsprechend hatte ich dann trotzdem wieder meine Rolle. Eure Halle in Würzburg gehört noch zu den wenigen verbliebenen Schulturnhallen in der BBL. Ist das ein Vorteil für euch, weil es so eng, dicht und laut ist? Würzburg war schon immer eine sehr schwer zu spielende, sehr laute Halle – auch als ich noch zu den Gegnern gehörte. Die Heimmannschaft hat einen gewissen Vorteil. Ich bin ein Fan der Halle. Trotzdem finde ich es für den Standort Würzburg gut, dass eine neue Arena in Planung ist. Die

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Du kommst selbst aus Franken, hast aber zuletzt einige Jahre in Frankfurt und Bonn gespielt. Dein Wechsel nach Würzburg im vergangenen Sommer, wie viel hatte der mit Heimatverbundenheit zu tun? Ich komme ja ursprünglich aus dem Nürnberger und Bamberger Programm. Der erste Wechsel von dort nach Frankfurt hat mir gutgetan, ich habe mich in Frankfurt sehr wohl gefühlt. Es ist kein Geheimnis, dass es danach in Bonn für mich persönlich nicht so gut gepasst hat. Aber ich möchte den Standort nicht schlechtmachen: Bonn ist einer der professionellsten Klubs, bei denen ich je war. Auch vergangene Saison in Erfurt, bei den Oettinger Rockets, habe ich mich sehr wohl gefühlt und hätte gern

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Jahren auch schon so gemacht. Gerade sitze ich an meiner Doktorarbeit, und meine Doktormutter sitzt in Frankfurt. Du bist also mit deinem Studium schon recht weit? Ich habe das erste Staatsexamen, habe das sogenannte „Physikum“ in Frankfurt abgeschlossen. Ich bin also insgesamt etwa bei der Hälfte meines Medizinstudiums. Die klinischen Semester fehlen mir noch und das praktische Jahr im Anschluss. Wenn ich wieder anfange zu studieren, bräuchte ich noch drei Jahre, um dann Arzt zu sein. Seit dem Staatsexamen besuche ich keine Vorlesungen mehr, ich habe danach sechs Monate pausiert


und dann begonnen, meine Doktorarbeit zu schreiben. Die Umfragen und die Studienergebnisse habe ich alle schon, und ich habe auch schon angefangen zu schreiben. Mir fehlt eigentlich nur noch die Diskussion, und ich versuche, sie diesen Sommer abzuschließen. Dein Studium ruht also … Mein Studium ruht, weil der sogenannte vorklinische Teil noch neben dem Basketball zu bewältigen war. Aber im klinischen Teil sind mehr Präsenzzeiten vorgeschrieben. Und die Doppelbelastung in Frankfurt war auf Dauer schon enorm. Das möchte ich mir jetzt nicht mehr antun. Und vor allem möchte ich später ein sehr guter Arzt werden. Auf Lücke zu lernen, nur um jetzt durch das Studium zu kommen, das ist nicht das, was ich möchte. Deswegen trenne ich da jetzt klar. Auch Basketballer ist ja ein vollständiger

Beruf – es ist ja jetzt nicht so, dass ich da nur am Chillen bin (lacht). Ich versuche, auch Basketball komplett ernst zu nehmen, individuelle Einheiten zu machen, und dann spielen wir ja auch noch international. Worum geht es in deiner Doktorarbeit eigentlich? Gibt es einen Sportbezug? Das ist eine arbeitsmedizinische Arbeit über Schmerzen im Basketballsport und darüber, wie Profis mit diesen Schmerzen umgehen. Das geht dann sehr ins Detail, und es gibt noch keinen endgültigen Titel, aber darum geht es grob. Die Umfragen hast du also unter Kollegen in der BBL durchgeführt?

Genau. Ich habe jedem Verein am Ende meiner Zeit in Bonn Fragebögen zugeschickt. Die Ergebnisse vergleiche ich mit denen von Amateursportlern, aber auch mit anderen Arbeitsfeldern. Du willst ein sehr guter Arzt werden – in welchem Bereich? Ich tendiere zwischen Orthopäde und Kinderarzt hin und her. Eins von beiden wird es vermutlich werden. Da muss ich auch noch einige Praktika abwarten. Ich habe aber schon ein Angebot als Facharzt in der Orthopädie. Das kann ich mir schon sehr gut vorstellen, dann auch im Bereich Basketball oder Sport allgemein zu bleiben. Das würde sich natürlich anbieten. Aber ich kann mir auch vorstellen, Kinderarzt zu werden. Auf jeden Fall möchte ich auf Dauer nicht im Krankenhaus, sondern als niedergelassener Arzt arbeiten.

Musstest du schon mal einen Mitspieler verarzten, und waren deine Kenntnisse irgendwie hilfreich? Noch nicht, dazu fehlt noch etwas. Ich kann immer ganz gut einschätzen, ob bei meinem Körper etwas Ernstes ist oder nicht. Ansonsten überlasse ich diese Aufgaben unseren Teamärzten und dem Physiotherapeuten. Mit denen du im regen Austausch stehst? Ich verstehe mich natürlich allgemein immer ganz gut mit dem medizinischen Stab. Die sind auch immer recht interessiert an meinem Weg. Und da ich irgendwann in diesen Bereich reinmöchte, versuche ich natürlich, Kontakte zu knüpfen.

Nutzt du dein Wissen ansonsten für Regeneration, Training oder Ernährung? Denn du gehörst nach meinem Eye-Test zu den Kandidaten für den Award „Dickste Oberarme der BBL“ … (lacht laut) Ich glaube, da haben andere noch ein Wörtchen mitzureden. Ich mache recht wenig Krafttraining für den Oberkörper, mache eher Beintraining. Die dicken Oberarme sind dem Umstand geschuldet, dass ich recht kurze Arme habe. Das ist eher eine genetische Veranlagung, die nichts mit Ernährung oder besonderem Krafttraining zu tun hat. Inwiefern erleichtert ein klarer Plan B, wie du ihn hast, die Gedanken an ein Leben nach dem Profisport? Das war der Gedanke, als ich damals das Medizinstudium angefangen habe: Was mache ich, wenn ich eine Verletzung habe? Entsprechend habe ich das

angefangen, weil man nach der Karriere ohnehin einen Plan B braucht. Aber ich sehe das nicht so kritisch wie vielleicht der eine oder andere. Es gibt so viele Studienabbrecher, die sich erst mit 25 oder 30 Jahren für etwas entscheiden. Man kann immer noch genügend machen, Polizist werden, Physiotherapeut … es gibt so viele Möglichkeiten, die man nicht bereits mit 20 Jahren angehen muss. Ich glaube nicht, dass viele ehemalige Profis nach der Karriere auf der Strecke bleiben. Wenn du 15 Jahre Basketball gespielt hast, kennst du so viele Leute, du hast ein so großes Netzwerk, dass das kein Problem sein dürfte. redaktion@fivemag.de

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Herkenhoff

PHILIPP HERKENHOFF UNGEWÖHNLICH GUT Philipp Herkenhoff gehört zu den unkonventionellsten Talenten im deutschen Basketball – und zu den größten. Der 19-Jährige entwickelte sich in dieser Saison bei RASTA Vechta zum A-Nationalspieler und hat große Ziele, zu denen allerdings keine Tattoos gehören. FÜNF hat ein bodenständiges Dorfkind mit Potenzial und Charakter kennengelernt. Text: Peter Bieg 88


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Fotos: TF-Images/Getty Images

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ie Aussagen von Philipp Herkenhoff und seine Art, Basketball zu interpretieren, weisen unverkennbare Ähnlichkeiten auf. „Ich glaube, eine Tätowierung sähe bei mir nicht gut aus, bei meiner weißen Haut“, sagt Herkenhoff im Gespräch mit FÜNF und lacht. „Ich kann mir nicht vorstellen, später ein Tattoo zu haben, wenn ich älter bin. Das ist der Hauptgrund, warum ich das nicht machen würde.“ Schlüssig, überlegt, vorausschauend, nicht unbedingt gewöhnlich für sein Alter – das gilt für die Aussagen ebenso wie für das Spiel des inzwischen 2,09 Meter großen Philipp Herkenhoff. Geboren am 29. Juni 1999 in der Kleinstadt Hagen am Teutoburger Wald, ist Herkenhoff seit Jahren nicht nur eines der unkonventionellsten Basketball-Talente des Landes, sondern auch eines der größten. Dass er ausgerechnet bei RASTA Vechta spielt, einer ebenfalls unkonventionellen Mannschaft mit aktuell großem Erfolg, erscheint in vielerlei Hinsicht folgerichtig – obwohl es unwahrscheinlich war. Denn Philipp Herkenhoff ist nicht irgendein Lulatsch vom Dorf: Er war Finals-MVP in der JBBL, „Rookie des Jahres“ in der NBBL, ist seit Jahren Bestandteil der deutschen U-Nationalmannschaften, spielte beim „Jordan Brand Classic“ in New York vor, steht entsprechend seit langer Zeit auch auf den Notizzetteln von NBA-Talentspähern und meldete sich zur Draft 2019 an. Doch sein Weg führte nach ersten Gehversuchen beim örtlichen SV Hagen über die Artland Dragons im benachbarten Quakenbrück ins beschauliche Vechta – und nicht an ein US-College oder zumindest ins europäische Ausland. „Ich hatte auch Angebote aus Spanien und habe mir das dort genau angeschaut“, sagt Herkenhoff, der seit 2015 in Vechta lebt und spielt. „Aber es war so, dass ich noch mein Abitur machen wollte. Das war in Spanien um einiges schwieriger. Ich war damals 15, da war es auch wichtig, meine Familie nicht von jetzt auf gleich aus den


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Philipp

Augen zu verlieren. Vechta hat für mich sehr viel Sinn gemacht.“ Da ist sie wieder, diese Herkenhoffsche Nüchternheit, die wenig Raum oder Anlass für Zweifel oder Kritik lässt. Die ersten zwei Jahre lebt der Teenager in einer Vechtaer Gastfamilie, seit dem vergangenen Jahr steht er auch in Sachen Wohnung auf eigenen Beinen. Das Fachabi ist eingetütet und Herkenhoff zwar noch keine 20 Jahre alt, aber bereits Vollprofi. „Ich wohne etwas außerhalb von Vechta, das passt einfach perfekt zu mir“, sagt er. „Vechta ist wie zu Hause. Ich komme auch aus einem Dorf, bin es seit meiner Geburt gewohnt, in einem kleinen Dorf in einer kleinen Straße zu wohnen.“ Aber nicht nur, was die räumlich-sozialen Gegebenheiten angeht, hat Dorfkind Herkenhoff im westlichen Niedersachsen das Biotop gefunden, in dem seine Entwicklung auch in den kommenden drei Jahren – so lange läuft sein Vertrag bei RASTA – weitergehen soll. Auch in der Sporthalle läuft es: Bereits mit 17 Jahren gab er im November 2016 sein BBL-Debüt für RASTA, agierte damals aber vorrangig noch in der ersten Regionalliga. Inzwischen ist er mit den Profis nicht nur einmal aus der BBL ab- und sogleich wieder aufgestiegen, sondern mischte in den vergangenen Monaten sogar die Tabellenspitze der BasketballBundesliga auf. „Harte Arbeit, Zusammenhalt und Teamgeist“, das sind für Herkenhoff die wesentlichen Zutaten im Vechtaer Erfolgsrezept, raffiniert zusammengemischt von Chefcoach Pedro Calles. Herkenhoff ist ein großer Fan seines spanischen Übungsleiters. „Er ist ein Perfektionist, versucht alles auf 100 Prozent zu kriegen“, sagt er. „Calles ist ein toller Mensch, man kann sich sehr gut mit ihm über Persönliches unterhalten. Aber wenn es um Basketball geht, ist er total ernst, will alles perfekt machen.“ Es perfekt machen, das ist auch das Ziel von Philipp Herkenhoff, der die Euroleague als Fernziel ausgegeben hat und auch von einer Zukunft in der NBA träumt. Sein Headcoach sieht „noch viel Luft nach oben“ und erklärt FÜNF, wie er Herkenhoff einschätzt: „Wir sind dabei, seine Vielseitigkeit zu stärken, damit er auf mehreren Positionen spielen und sowohl innen als auch außen – in der Offense genauso wie in der Defense – einsetzbar ist. Speziell geht es jetzt darum, dass er auf dem Flügel und in der Zone ein noch besserer Verteidiger wird. Wir möchten ihm helfen, ein kompletter Spieler zu werden.“ Denn obwohl Herkenhoff die körperlichen Ausmaße von Isaiah

Herkenhoff

„Wir sind dabei, seine Vielseitigkeit zu stärken, damit er auf mehreren Positionen spielen und sowohl innen als auch außen – in der Offense genauso wie in der Defense – einsetzbar ist.“ Pedro Calles

Fotos: Sebastian Widmann/Bongarts/Getty Images

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Hartenstein und die Eleganz von Isaac Bonga fehlen, mit denen er in den vergangenen Jahren für Deutschland beachtliche Erfolge erzielte, ist auch er ein besonderer junger Spieler. Bei einer Körpergröße von 2,09 Meter ist Herkenhoff ein sehr beweglicher Spieler mit einem hohen Basketball-IQ, der stark davon profitiert, dass er lange Jahre auch auf den Guard-Positionen zum Einsatz kam. Neben seiner Spielintelligenz sind folglich das Passspiel und der Wurf zwei Bereiche, die Headcoach Calles als Herkenhoffs Stärken herausstellt. „Der Vierer spielt im modernen Basketball immer weiter draußen, agiert an der Dreierlinie. Deshalb ist die Vier eine sehr gute Position für mich“, antwortet Herkenhoff auf die Frage nach seiner Lieblingsposition. Obwohl er das Rebounding und die Physis als größte Schwächen seines Schützlings sieht, setzte Calles den Deutschen im Saisonverlauf allerdings

auch schon einige Minuten auf der Centerposition ein. Positionsunabhängig fehlt insbesondere noch die Konstanz im Spiel des Youngsters: 4,6 Punkte und 2,9 Rebounds lieferte Herkenhoff bei Redaktionsschluss in durchschnittlich rund 15 Minuten Einsatzzeit pro BBLPartie. 48 Prozent seiner Zwei-PunkteWürfe, 34,7 Prozent seiner Dreier und 66,7 Prozent seiner Freiwürfe fanden ihr Ziel. Nach zwischenzeitlichen Höhen wie zwölf Zählern, acht Rebounds und drei Assists gegen Ludwigsburg oder ebenfalls zwölf Punkten bei vier von fünf Dreiern gegen Bonn ist Herkenhoffs Händchen zuletzt wieder abgekühlt. In drei seiner letzten fünf BBLEinsätze vor Redaktionsschluss „nullte“ der Deutsche. Einen Kopf macht er sich nicht: „In jeder Saison gibt es Höhen und Tiefen. Zurzeit bin ich vielleicht in einem kleinen Loch. Aber ich trainiere weiter hart, mache


viel extra und denke auch nicht darüber nach, ob ich in einem Loch bin.“ Hart arbeiten, nicht viel darüber reden, Erfolge sehen – auch aufgrund dieser Einstellung passt es zwischen Herkenhoff und Vechta. „Ich bin der Meinung, dass wir immer noch ein Underdog sind“, sagt er auf den Tabellenplatz und die Erfolge der Norddeutschen angesprochen. „Wir wollen die Saison gut zu Ende spielen, aber bei uns im Verein hat sich nicht viel verändert. Auch in der nächsten Saison gehen wir wieder als Underdog ins Rennen.“ Und die Playoffs 2019? „Wir haben über die Playoffs noch nicht nachgedacht“, sagt Herkenhoff. „Wir konzentrieren uns von Spiel zu Spiel neu. Wenn die Playoffs vor der Tür stehen, dann fokussieren wir uns darauf.“ Diese Profi-Floskeln kommen auch deshalb so glaubwürdig rüber, weil sie sich in Herkenhoffs Spiel auf dem

Feld widerspiegeln: überlegt, geradlinig, schnörkellos … aber effizient. Seinen noch immer spinnenartig anmutenden Körper mit den langen Gliedmaßen, auf denen sich aber die ersten Muskelpakete abzeichnen, setzt Herkenhoff aktiv und aufmerksam ein. Sein Spiel ist „Inside-Out“. Er trifft den offenen Dreier aus dem Stand, hat aber auch die Täuschungen, das Ballhandling und die Schrittkombinationen, um allzu aggressiv auf ihn zustürzende Verteidiger per Drive zu bestrafen. Seine Schritte sind lang, seine Arme ebenso, er kann als Blocksteller im Pick-and-Roll ebenso erfolgreich sein wie mit dem Pick-and-Pop. Ein dribbelnder Stretch-Vierer könnte Herkenhoff eines Tages sein, denn er kann den Ball auch auf Profi-Niveau nach dem eigenen Rebound selbst schnell machen. Auch einen Babybook im Post zeigt er gelegentlich, wenngleich für den

Infight auf lackiertem Parkett ebenso die Kilos wie die Erfahrung fehlen. Entsprechend steht die Arbeit an seinem Körper ganz oben auf seiner Prioritätenliste für den kommenden Sommer, wie Herkenhoff selbst sagt. Sein Headcoach Pedro Calles hat lobende, aber auch mahnende Worte, wenn er über die Perspektiven seines BackupVierers spricht: „Auf jeden Fall ist es bei Philipp so, dass da noch viel Luft nach oben ist. Er muss aber auch verstehen, dass jeder jetzt noch kommende Schritt immer schwerer zu gehen sein wird. Denn in nicht allzu ferner Zukunft wird er nicht mehr als Talent gesehen, sondern als Vollprofi im Basketball-Business.“ Unterstützung bei den kommenden Schritten erhält Herkenhoff auch von Bundestrainer Henrik Rödl, unter dem der Vechtaer vor einigen Monaten in der A-Nationalmannschaft debütieren durfte. „Er sieht mich als Talent und glaubt, dass ich in einigen Jahren ein Bestandteil der A-Nationalmannschaft sein könnte“, erzählt Herkenhoff von den Gesprächen mit Rödl. „Aber da darf ich mich nicht drauf ausruhen, sondern muss weiter daran arbeiten.“ Diese Aussagen könnten streberisch klingen, nach einem Musterschüler. Doch dieser Eindruck erscheint nur bedingt treffend. Wenn er über den Austausch mit den älteren Kollegen spricht, ist Herkenhoff der Stolz über sein Nationalmannschaftsdebüt ebenso anzuhören wie das, was Pädagogen eine „hohe intrinsische Motivation“ nennen. Diese könnte ihn eines Tages hinaus aus Vechta in die große glitzernde Basketball-Welt führen. Im Februar 2017, beim „Basketball Without Borders“Camp in New Orleans, hat er einen ersten Vorgeschmack bekommen. „R.J. Barrett hat das Camp komplett zerstört“, sagt Herkenhoff über seine erste Begegnung mit dem kanadischen Ausnahmetalent. Nach einem Jahr an der Duke University wird Barrett in wenigen Wochen bei der NBA-Draft 2019 seinen Namen sehr früh hören. Isaac Bonga, der das Camp damals gemeinsam mit Herkenhoff besuchte, ist sogar schon einen Schritt weiter und hat seine erste NBA-Saison im Trikot der Los Angeles Lakers hinter sich. Als „Vorbild“ bezeichnet Herkenhoff seinen Nationalmannschaftskollegen Bonga, mit dem er bereits in zahlreichen deutschen Jugendauswahlen gespielt hat und mit dem er in Zukunft womöglich auch zu den Stützen der deutschen A-Nationalmannschaft gehören wird. Bis es so weit ist und er vielleicht seine eigene Chance in der NBA bekommt, arbeitet er weiter in Vechta an seinem Spiel: ohne Tattoos, Schnörkel oder große Worte. Philipp Herkenhoff ist nicht nur ungewöhnlich. Er kann auch ungewöhnlich gut werden. redaktion@fivemag.de

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DERRICK WILLIAMS „ICH MUSS NICHT ZURÜCK IN DIE NBA!“ Derrick Williams ist viel herumgekommen und hat genug Basketball-Erfahrung gesammelt, dass es für zwei Karrieren reichen würde. Wir haben uns mit dem derzeitigen Star des CHECK THE FULL VIDEO @KICKZ93

FC Bayern Basketball bei Burgern und Fritten im Münchner FIVE GUYS getroffen, um mal ungezwungen #RealTalk zu betreiben. Interview: Robbin Barberan

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IVE: Derrick, du bist nun seit etwas mehr als sechs Monaten in Deutschland. Wie gefällt es dir? Derrick Williams: Es ist toll! München ist eine sehr schöne Stadt. Besonders jetzt, wo es wärmer wird. Man läuft durch die City, sieht die ganzen kleinen Restaurants und Cafés, die Leute sitzen draußen oder fahren mit dem Fahrrad. Einfach eine tolle Atmosphäre. Du hast an der University of Arizona gespielt, sieben Jahre in der NBA (Minnesota, Sacramento, New York, Miami, Cleveland, Los Angeles), sogar ein Jahr in China. Mit welchen Erwartungen bist du nach Europa gekommen? Eigentlich hatte ich gar keine. Viele Leute sprechen hier Englisch. Damit habe ich definitiv nicht gerechnet. Aber ich versuche generell, immer offen für Neues zu sein und mich auf die Leute und das Land einzulassen. Über Deutschland wusste ich nicht viel, außer dass es die Autobahn gibt, wo man so schnell fahren kann, wie man möchte. Zumindest in gewissen Abschnitten. (lacht) Und Bayern München. Den Namen kannte ich schon, bevor ich hergekommen bin. Aber bestimmt nur aus dem Fußball … Ja, ich war schon immer ein großer Fußball-Fan, und Bayern war in den letzten 15, 20 Jahren immer vorne mit dabei. Jedem, der sich mit Fußball auseinandersetzt, ist Bayern natürlich ein Begriff. Auch in den USA. Als ich mich entschieden habe, hier zu spielen, konnten viele meiner Freunde das auch direkt einordnen. Sonst heißt es immer: „Du spielst WO? Muss ich mir mal anschauen. Haben die Instagram?“ Aber Bayern … die kennt jeder. War der Name der entscheidende Faktor dafür, das Angebot anzunehmen? Auch. Aber mir war zunächst wichtig, dass die Rahmenbedingungen stimmen. Ich wollte in einem Team spielen, das mich gebrauchen kann und weiß, wie man mich am besten einsetzt. Ein junger

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Verein, der in der Euroleague spielt und einen Boost braucht, um sich auch auf der europäischen Bühne zu beweisen. Ich wollte Teil davon sein. Und die Entscheidung war offensichtlich richtig. So viel Spaß am Basketball hab ich schon lange nicht mehr gehabt. Du hast jetzt mehr Spaß als vorher? Definitiv. Das mag sich jetzt komisch anhören, aber ich muss nicht unbedingt zurück in die NBA. Es macht nicht so viel Spaß, wie viele denken. Versteh mich nicht falsch, es ist toll, gegen Legenden wie Dirk und Kobe zu spielen und seine Idole aus nächster Nähe zu sehen. Es ist die höchste Form des Wettkampfes in unserem Sport, und man will sich schließlich mit den Besten messen. Aber die NBA ist auch ein knallhartes Geschäft, und dieser Teil wird besonders von jungen Spielern meist unterschätzt. Ich hab’s am eigenen Leib erfahren, wie es ist, von Team zu Team getradet zu werden. Irgendwann schaut man nur noch über seine Schulter und fühlt sich nirgendwo mehr zu Hause. Das ist nicht gerade unbeschwertes Basketballspielen. Im Gegenteil. Es ist eine große Ablenkung, mit der man besonders als junger Spieler nur schwer zurechtkommt. Konntest du damals auf die Hilfe von NBA-Veteranen zählen, die dir ein bisschen die Business-Seite erklärten? Ja, Brad Miller war mir zu Anfang eine große Hilfe in Minnesota. J.J. Barea auch. Aber die größte Hilfe war mir LeBron James. Ich hatte gerade den Zehn-TagesVertrag in Cleveland unterschrieben und war sehr nervös. Das sind nur wenige Spiele, wo man sich beweisen kann, und jeder Fehler wiegt umso schwerer. Was hat dir LeBron damals gesagt? Dass ich mir keine Sorgen machen soll. Fehler sind normal. Keiner macht hier absichtlich Sachen falsch oder verursacht absichtlich Turnovers. Wenn es passiert, dann passiert es halt. Das Einzige, was man selbst tun kann, ist, so hart wie

möglich zu spielen und wirklich alles zu geben, was man hat. Wenn dir jemand von LeBrons Kaliber so etwas sagt, bewirkt das Wunder für dein Selbstbewusstsein. Auch wenn deine Rolle im Team nicht so groß ist, wie du es vielleicht gerne hättest. Ein Zustand, der für dich nicht neu ist. Du bist in deiner Karriere praktisch immer nur von der Bank gekommen. Woran liegt das? Puh, da fragst du den Falschen. Ich bin nicht der Coach. Am Anfang meiner Karriere wollte ich immer Starter sein. Teilweise so verbissen, dass es mich daran gehindert hat, meine Bestleistung abzurufen. Zum einen ist es gut, dieses Ziel zu haben. Es spornt einen jungen Spieler an, an sich zu arbeiten. Aber wenn der Trainer dann entscheidet, dass jemand anders startet, muss man trotzdem das Beste daraus machen. Es hat gedauert, bis es bei mir klick gemacht hat und ich dieses Verlangen, auf Teufel komm raus starten zu wollen, abstellen konnte. Seitdem ist vieles einfacher. Schau dir meine Situation bei Bayern an. Ich starte immer noch nicht. Aber ich spiele die meisten Minuten im Team. Darauf kommt’s an. Leider hat es nicht ganz gereicht, um auch in der Euroleague vorne mitzuspielen. Wie war das für dich, als Ex-NBA-Spieler gegen die besten Europäer anzutreten? Das hat riesigen Spaß gemacht. Andere Länder und Kulturen zu besuchen und gegen sie Basketball zu spielen. Das ist verrückt. Ich meine, in Europa kennt man es vermutlich nicht anders, aber für mich als Amerikaner ist es nicht normal, nach nur ein paar Stunden Flug ein Dutzend verschiedene Länder und Kulturen erreichen zu können. Überhaupt die Gelegenheit, gegen Teams in anderen Ländern zu spielen, das bekommt man eigentlich nur in der Nationalmannschaft. Und das Spielniveau in der Euroleague? Ohne Frage die zweitbeste Liga der Welt. Das Niveau ist extrem hoch, viele Spieler haben NBA-Talent. Ich mag besonders, dass es nur so wenige Spiele


sind. Damit gewinnen die einzelnen Partien an Bedeutung. Jedes Spiel ist extrem wichtig. In der NBA mit ihren 82 Begegnungen kann es schon mal passieren, dass man die Zügel schleifen lässt. Nach der Hälfte der Saison zum Beispiel, am zweiten Abend eines Backto-Backs gegen den Tabellenletzten in einer halb leeren Halle. Da können auch die Warriors mal gegen die Suns verlieren. So etwas passiert. Man kann als Team auch ein paar schlechte Wochen haben und immer noch in die Playoffs kommen. Nicht in der Euroleague. Wenn du drei, vier Spiele in Folge verlierst, kannst du dich eigentlich schon von den PlayoffChancen verabschieden.

erst mal zurück ans College und meinen Abschluss machen (Williams meldete sich nach seinem Sophomore-Jahr zur NBADraft an, Anm. d. Red.). Aber es ist witzig, dass du gerade Kobe erwähnt hast. Er und ich waren bei derselben Spieleragentur für die ersten fünf Jahre meiner Karriere, und schon damals hatte er dieses Interesse für Business. Weil viele sagen, dass er jetzt so einen abrupten Cut gemacht hat, aber er war schon Jahre vor seinem Rücktritt so. Der Eindruck täuscht einfach, weil ihn die Menschen immer nur als verbissenen Basketballer kannten.

Das sind die besten Spieler der Welt! Stell dich auf den Court und versuch mal, sie zu verteidigen, und dann erzählst du mir, wie schlecht sie sind. Haters, man ... Wer war für dich persönlich am schwierigsten zu verteidigen? Carmelo. Der hat offensiv einfach alles drauf. In meinem Rookie-Jahr hat er mir 40 oder so eingeschenkt (lacht). Inside und outside. Mit dem Rücken zum Korb, im Zurückfallen, von der Dreierlinie, aus dem Dribbling, Dunks, Alley-Oops. Es regnete Körbe von überall, aus allen Lagen. Schlimm war, dass ich viele seiner Moves eigentlich kannte, weil ich sie mir schon als Kind von ihm abgeschaut habe. Ich wusste genau, was er als Nächstes macht. Das hat mir aber nicht dabei geholfen, ihn zu verteidigen. Melo war definitiv der beste Scorer, gegen den ich je gespielt habe. Der beste Scorer ist nicht automatisch auch der beste Spieler, oder? Nein. Melo ist jemand, der am Ende 30 bis 40 Punkte haben kann, und du hast nicht mal gemerkt, wie er sie gemacht hat. Es fällt ihm so leicht. Das macht er nebenbei. Aber der beste Spieler, mit dem ich zusammengespielt habe, ist LeBron. Mit weitem Abstand. LeBron macht weniger Punkte, dominiert aber das ganze Spiel. Er hat diese „Pass first“-Mentalität und ist trotzdem jedes Jahr in den Top 3 oder Top 4 im Scoring. Das ist unglaublich. Dazu ist er der geborene Leader, treibt seine Mannschaft zu Höchstleistungen an und lässt sie über sich hinauswachsen. So etwas macht einen wahrhaft großen Spieler aus.

Fotos: Kickz.com

Wenn dich einer deiner NBA-Kumpels fragt, was ihn in der Euroleague erwartet … was würdest du ihm sagen? Verrückte Fans. Das würde ich ihm sagen. Die Fans sind einfach mit nichts zu vergleichen, was man als NBA-Profi schon mal erlebt hat. Selbst College kommt da nicht ran. Wenn du zum ersten Mal im Auswärtsspiel in Griechenland oder in der Türkei antrittst, dann denkst du, die Fans rennen gleich auf den Court. Crazy, was da abgeht. So viel Leidenschaft. Die interessiert es nicht, wo du vorher gespielt hast. Ob du aus der vierten Liga oder vom Streetcourt nebenan kommst. Wenn du Teil ihres Teams bist, gehörst du zur Familie. Das geht weit über Basketball hinaus. Apropos „über Basketball hinaus“. Möchtest du nach dem Basketball bei dem Sport bleiben oder komplett aussteigen und dich deinem eigenen Business widmen, wie zum Beispiel Kobe Bryant? Damit habe ich mich tatsächlich noch nicht auseinandergesetzt. Ich würde schon sagen, dass mich die Business-Seite reizt, und Architektur interessiert mich zum Beispiel sehr, aber ich müsste dann

Ist es bei dir schon mal vorgekommen, dass du dich in einem Basketballer komplett getäuscht hast? Wo die Wahrnehmung zuerst anders war als dann tatsächlich auf dem Court? Das ist eine gute Frage … (überlegt). John Wall. Du hast keine Ahnung, wie schnell der Mann ist, wenn du ihn nur im Fernsehen gesehen hast. Er kam ein Jahr vor mir in die NBA. Ich habe sein erstes Jahr bei den Wizards verfolgt und dachte mir: Der Typ ist echt gut. Aber als ich dann in meiner Rookie-Saison gegen ihn gespielt habe, habe ich nicht schlecht gestaunt. Wenn er im TV schon schnell rüberkommt, dann multipliziere das mal hundert, und du weißt ungefähr, wie es ist, gegen ihn zu spielen. Dasselbe gilt für Russell Westbrook und Steph Curry. Das sind unglaubliche Spieler. Es ist Irrsinn, wenn ich mir Online-Kommentare durchlese oder ESPN einschalte, und die Leute – Fachleute genauso wie Fans – regen sich auf, dass diese Jungs so und so gespielt haben und dies und das nicht gut machen. Die haben mal eine schlechte Partie und werden direkt zerrissen. Das macht keinen Sinn.

Auch ein LeBron muss sich viel anhören. Besonders jetzt, wo die Lakers sich nicht für die Playoffs qualifiziert haben … Die Menschen respektieren „Greatness“ erst, wenn der Spieler im Ruhestand ist. Das glaube ich wirklich. Dasselbe ist bei Kobe passiert. Jahrzehntelang mochten die Leute ihn nicht. Haben jeden Teil seines Spiels kritisiert. Bis zu seiner letzten Saison. Dann kam auf einmal: „Eigentlich ist er schon ganz gut.“ Anscheinend muss man erst zurücktreten, damit die Fans erkennen, was sie an so einem Spieler haben. Das sind einzigartige Basketballer. Ich bin froh, dass ich mit beiden Spielern auf dem Platz stand. Vermisst du die NBA nicht ein wenig? Nein. Alles, was passiert, hat schon seinen Grund. Ich bin sehr glücklich, so wie es ist, und meine Erfahrung in der NBA hat mir dabei geholfen, meine Situation jetzt mehr genießen zu können. Man wird älter und reifer. Und wenn die NBA doch nochmal durchruft? (lacht) Dann höre ich mir an, was sie zu sagen haben, und denke darüber nach. redaktion@fivemag.de

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in-dre-ssant

Dirk

Nowitzkis

Abschied

In-Dré-ssant Der letzte Wurf Björn Lehmkühler war für FIVE vor Ort in Dallas, als Dirk Nowitzki seinen Abgang verkündete. Deshalb findet sich an dieser Stelle nicht der übliche Essay unseres Chefredakteurs, sondern Björns Beschreibung dieses Abends. Text: Björn Lehmkühler

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Es ist ein Moment, der einmal mehr die menschliche Seite des Sportlers Dirk Nowitzki offenbart. Ein Moment, der zeigt, weshalb in meinen beiden Tagen in Dallas die Einheimischen stets zuerst über seine Persönlichkeit und seinen Beitrag für die „Community“ sprechen und nicht über Meisterschaften oder Scoring-Ranglisten.

Was bleibt?

Am Tag danach in San Antonio kommen bei Nowitzki die Tränen bereits vor Spielbeginn, als die Gastgeber vor seinem letzten Einlaufen ein Video mit dem Titel „Thank you Dirk“ abspielen. Es ist ein Zusammenschnitt seiner größten NBA-Momente und einiger Treffer gegen die Spurs – begleitet vom Beifall der auswärtigen und heimischen Zuschauer. Ob in der Halle, auf den Straßen oder in den Bars rund um den berühmten River Walk finden die San Antonians nur lobende Worte für Nowitzki. Auch dieser Respekt des großen texanischen Rivalen und seiner Anhänger spricht für sich. Doch was bleibt nach 21 Jahren? Es bleiben natürlich all jene fabelhaften Zahlen, die Nowitzki für seine Mavericks abgeliefert hat: wie etwa 1.522 RegularSeason-Spiele (3. Platz in der NBAGeschichte), 51.368 Minuten (3. Platz), 10.021 Defensivrebounds (5. Platz) und natürlich 31.560 Punkte (6. Platz). Es bleiben WM-Bronze 2002 und EM-Silber 2005. Es bleibt Olympia 2008 als Fahnenträger. Es bleiben 14 All-StarGames, 12 All-NBA-Team-Nominierungen und die MVP-Trophäe 2007. Es bleibt eine bittere Erstrunden-Niederlage gegen die „We Believe“-Warriors im selben Jahr. Es bleiben lange Finals-Nächte 2006 und 2011 – und eine unvergessliche Meisterschaft. Es bleibt der legendäre einbeinige Fadeaway-Sprungwurf. Es bleibt eine revolutionierte Power-ForwardPosition. Es bleiben eine Menge lustiger YouTube-Clips. Es bleibt „Uncle Dirk“. Und auch Dirk Nowitzki selbst wird wohl in Dallas bleiben – sei es als Mavs-Teilhaber, Privattrainer oder in anderer Funktion. Zudem bleibt natürlich die Erinnerung an die beiden letzten NBAAuftritte von Dirk Werner Nowitzki: an 30 Punkte gegen Phoenix und 20/10 in San Antonio. An einen letzten ikonischen Sprungwurf von jenseits der Freiwurflinie, 49 Sekunden vor Ende des Spurs-Spiels. An den emotionalen Abschied eines – in mehrfacher Hinsicht – ganz Großen. Daran, ihn in den Katakomben des American Airlines Center zu erleben, und wie er sich bei den Journalisten dafür bedankt, dass sie auf ihn gewartet haben. Dabei ist es doch der Abend, um Dirk Nowitzki zu danken. Deshalb möchte auch ich mich ausnahmsweise von der üblichen journalistischen Distanz distanzieren und als Basketball-Fan sagen: Danke, Dirk … und auch weiterhin alles Gute! redaktion@fivemag.de

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Fotos: Nathaniel S. Butler/NBAE via Getty Images

E

s ist der 09. April 2019, 22:25 Uhr Ortszeit in Dallas, Texas. Sichtlich gerührt steht Dirk Nowitzki nahe dem großen Mavericks-Logo inmitten des American Airlines Center, alleine im Scheinwerferlicht, ein Mikrofon in der rechten Hand. Tosender Beifall ertönt von den rund 21.000 Zuschauern. Bereits zwei Stunden vor dem Spiel haben viele von ihnen den Platz vor der Arena gefüllt, darunter zahlreiche deutsche Fans. Einige haben hunderte, sogar tausende Dollar bezahlt, um dieses Spiel mitzuerleben. Auf den Sitzen liegen Erinnerungs-Tickets mit goldener Schrift, übergroße DirkKöpfe aus Pappe und T-Shirts mit der allgegenwärtigen Aufschrift „41.21.1.“ – Nummer 41 auf dem Trikot, 21 NBASaisons auf dem Konto, ein Klub. Nur allmählich verebben die MVPSprechchöre, und Nowitzki bedankt sich bei seinen fünf Idolen aus Jugendzeiten, die ihn zuvor gewürdigt haben: Charles Barkley, Scottie Pippen, Larry Bird, Shawn Kemp und Detlef Schrempf. Es ist nicht die Bühne, auf der sich der 2,13 Meter große Würzburger allzu wohl fühlt. Nicht die Bühne, um die er selbst gebeten hat. Doch es ist wohl die angemessene Bühne für diesen Abend, für diesen Anlass. Denn nachdem der 40-Jährige einen möglichen Rücktritt bis zuletzt offen gelassen hatte, kommt er nun schnell zum Punkt: „Wie ihr vielleicht schon erwartet habt, war dies mein letztes Heimspiel.“ Jubel und Stille. Gedanken und Gefühle. Freude und Wehmut. Gegensätze prallen aufeinander, ohne dass einer von ihnen angemessener wäre als der andere. Nowitzki selbst rang bis zuletzt mit seinem Karriereende, hin- und hergerissen zwischen dem Spaß am Spiel, am Wettbewerb und der Kameradschaft sowie den körperlichen und mentalen Strapazen einer möglichen 22. NBA-Saison. Auch die Fans in der Arena kämpfen mit der Ambivalenz dieser Situation. Sie bejubeln eine der größten NBA-Karrieren aller Zeiten. Sie wissen, dass nach einer oftmals harten Spielzeit wohl der richtige Zeitpunkt für den Abschied gekommen ist. Sie freuen sich über die unvergesslichen Momente und darüber, Teil dieses denkwürdigen Abends zu sein. Zugleich ist dort die traurige Gewissheit, dass die Nummer 41 der Dallas Mavericks nicht einmal 24 Stunden später in San Antonio ihre letzte NBA-Begegnung bestreiten wird. Während seiner Abschiedsrede kämpft Nowitzki immer wieder mit seinen Gefühlen. Den wohl tränenreichsten Augenblick an diesem 09. April erlebt er jedoch bereits während des zweiten Viertels. In einer Auszeit wird auf dem Videowürfel ein Film über sein soziales Engagement und seine weihnachtlichen Besuche als „Uncle Dirk“ im Kinderkrankenhaus von Dallas gezeigt.


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ivan beslic Mehr

Relevanz als der Fall der Mauer

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reunde, kennt ihr dieses Gefühl, sich zu ärgern, weil man Dinge versäumt hat? Denn manche Chancen bieten sich oft nur einmal im Leben. Mein Bruder Kiki hatte vor drei Jahren das große Glück, bei Kobes letztem NBA-Game dabei gewesen zu sein. Ohne mich! Eine Tatsache, die mich bis ans Lebensende verfolgen wird. Als sich abzeichnete, dass Dirk Nowitzki wahrscheinlich seine letzte Saison spielt, war klar, dass wir uns sein Karriereende live vor Ort reinpfeifen mussten. Zwei Spiele standen zur Option, sein letztes Heimspiel in Dallas gegen die Suns oder einen Tag später sein potenziell letztes Game überhaupt in San Antonio. Natürlich entschieden wir uns für beide. #nodoubt Angekommen in Dallas waren alle Zeichen auf DIRK gestellt, überall hingen Nowitzki-Plakate, ein fetter blauer Teppich wurde vor dem American Airlines Center ausgerollt, große Dirk-Buchstaben wurden aufgebaut, und generell erinnerte alles an ein familiäres Zusammensein. Da wir schon Stunden vor dem Game am Start waren, nutzten wir die Gelegenheit, uns etwas Merch zu gönnen. Es war Liebe auf den ersten Blick, als ich einen übergroßen Dirk-Pappkopf entdeckte. Mein Verlangen, dieses glorreiche Stück Pappe zu besitzen, wurde für 41 Dollar an der Kasse gestillt. Ein No-Brainer! Perfekt ausgerüstet mit Schaumstofffinger und Riesenbirne platzierten wir uns taktisch clever neben den MavsCheerleadern, gönnten uns eine „Dirkwurst“ und zwitscherten ein paar Budweiser, um den Kreislauf bei der Hitze in Schwung zu bringen. Auffällig war, dass wirklich viele Deutsche am Start waren. Kamera-Teams berichteten, inklusive unserer deutschen DAZN-Crew, mit der wir auch kurz quatschen konnten. Peace an Alex und Icke (AUA! Mieser Sonnenbrand!).

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Trotz Promille reichten unsere Realschul-Englischkenntnisse noch aus, ein Interview für FOX4 News zu geben, was tatsächlich auch in den USA ausgestrahlt wurde. #ZpromiStatus Eine Stunde vor Anpfiff steppten wir in die Arena, und es gab eine Menge Goodies! Ein Meer von Dirk-Miniheads erstreckte sich über die gesamte Arena, die neben den „41.21.1.“-Shirts und limitierten Gametickets auf jedem Platz lagen. Außerdem lief „Der perfekte Wurf“ auf dem Videowürfel auf Deutsch, ein Traum für jeden Dirk-Fan. #allDirkeverywhere Mit je 400 Dollar pro Ticket hatten wir relativ gute Plätze im Unterrang, direkt hinter Ex-NBA-Coach Dell Harris und Doncic’ Mama. #DAMN! Gametime! Ich hatte wirklich nicht viel erwartet, doch was dann kam, war Vintage-Dirk vom Feinsten. Bereits ab dem Intro war Dauergänsehaut angesagt, als „Dirty“ dann zehn Punkte in den ersten drei Minuten droppte, wurde der Ausnahmezustand ausgerufen, und ich stand kurz vorm Bypass! Eine unglaubliche Atmosphäre, die sich nur schwer in Worte fassen lässt. Jeder Ballkontakt wurde gefeiert, bei Foulpfiffen wurde gebuht. Das Game wurde nur interessant, wenn Dirk auf dem Court stand, dabei war es eher Nebensache, dass Jamal Crawford 51 für die Suns scorte und Luka ein Triple-Double auflegte. Dirk beendete die Partie mit starken 30 Punkten sowie acht Rebounds, und nach dem Spiel fing die Show erst richtig an. Mark Cuban scheute keine Kosten und Mühen, Dirk die Bühne zu geben, die er verdiente. Pippen, Barkley, Bird, Schrempf und Kemp wurden auf den Court geholt, es hagelte Lobreden am laufenden Band. Als Nowitzki sich dann mit Pipi-Augen das Mic griff, um allen zu danken

und offiziell sein Karriereende zu verkünden, wurde ich sentimentaler als Lakers-Fans zu Playoffbeginn. Der Abend endete in langen Standing Ovations und MVP-Chören. Ehre, wem Ehre gebührt! What a night! Gerädert und emotional geprägt ging es am nächsten Morgen ins 33 Grad warme San Antonio zum allerletzten Spiel seiner Karriere. Für dieses Game konnten wir uns Premiumplätze direkt hinter der Spurs-Bank ergattern, die mit je 800 Dollar alles andere als preiswert waren. Aber wie oft bekommt man schon die Chance, am Aftershave von Popovich zu schnuppern? #EaudeGOAT Es bot sich ein ähnliches Szenario wie in Dallas. Die Spurs erwiesen dem „Dunking Schnitzel“ vor Spielbeginn die letzte Ehre, was Dirk zu Tränen rührte. Spätestens jetzt war auch jedem Hinterwäldler klar, dass wir hier gerade die letzten Minuten einer Legende erleben würden. Bewaffnet mit Riesenkopf und Herzchen-Teddybär waren wir gekommen, um zu representen. Unsere Sitznachbarn waren allesamt SpursFans und daher recht schnell genervt, aber das war nicht unser Problem. Da die Spurs um eine bessere Playoff-Platzierung kämpften, ging es auf dem Court schon ernster zu als am Vortag, was Dirk trotzdem nicht daran hinderte, fleißig zu scoren. Zur letzten Minute erhob ich mich samt Teddy erwartungsvoll von meinem Platz. Dabei ignorierte ich erfolgreich das Gefluche der Spurs-Fans hinter mir, denen ich erfolgreich die Sicht versperrte, bis Dirk mit verbleibenden 49 Sekunden seinen 31.560. Punkt einnetzte. Swish! Ein Wurf mit mehr Relevanz als der Fall der Mauer! Zugegeben, dieser Trip war wirklich kein Schnäppchen, die Kosten für Hotels, Flüge und Tickets lagen schwerer im Magen als das miese Ami-Junk-Food, doch er war jeden Cent wert. Was bleibt, ist die Erinnerung an großartige Spiele mit krassen Momenten und die Ehre, einen der besten Basketballer ever vom Court verabschiedet zu haben. Der Respekt, den dieser Mann von den Fans bekommen hat, war wahrlich spürbar. Bleibt noch zu erwähnen, dass ich den Nowitzki-Kopf aufsehenerregend durch halb USA schleppte und durch insgesamt vier Flughafen-Sicherheitskontrollen schmuggelte. Alle wollten ein Foto mit Dirk. Hätte ich nur einen Dollar für jedes Foto genommen, wäre meine Kreditkarte jetzt noch am Leben. #RIP Freunde, solche Momente bleiben für die Ewigkeit! Nehmt zur Not eine Hypothek aufs Haus auf oder verkauft eine Niere. Dabei sein ist alles! Nicht nachdenken. Just do it!

Peace, Ivan


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