FIVE #157

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BE VERY AFRAID

04/2019

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megadeath LINEUPS of

..

DAS SIND DIE STARKSTEN LINEUPS DER NBA!

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MIP

das sind die most improved players 2018/19 ISSUE 157 ISSN 1614-9297 WWW.FIVEMAG.DE

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DENNIS SCHRÖDER so läuft es beim besten deutschen in der nba

JOE INGLES

der unwahrscheinlichste nba-profi

MARCH MADNESS

die grosse vorschau auf die verrückte zeit

r u d y g o b e r t // t e r r y r o z i e r v s . j a y l e n b r o w n // j a k e l a y m a n // D e a n d r e ’ b e m b r y // j u s t i s e w i n s l o w // A l f o n z o M c k i n n i e t h o m a s b r y a n t // R o d i o n s K u r u c s // r o b p e l i n k a // r o m e o l a n g f o r d // p e d r o c a l l e s // u n d v i e l e s m e h r !


K1X SPRING/SUMMER 2019



editorial

FIVE

IMPRESSUM

157

THE END IS NEAR

Redaktion: redaktion@fivemag.de Verlag: KICKZ Never Not Ballin’ GmbH Landwehrstr. 60 80336 München Tel.: +49-89-324 781 70 Fax: +49-89-324 781 99 Herausgeber: Christian Grosse Chefredakteur: André Voigt (verantw.) Grafik: Patrick „Mochokla“ Ortega Fotos: Getty Images Lektorat: Thomas Brill

LIEBE FIVE-GEMEINDE,

Fotos: Adam Pantozzi/NBAE via Getty Images

es gibt da einen Satz, der im Sport, aber auch im normalen Leben oft bemüht wird: „Die Einschläge kommen näher.“ Heiraten im Freundeskreis immer mehr Leute, kommen die Einschläge bei den letzten Junggesellen bzw. Junggesellinnen näher. Bekommt eine Fußballmannschaft im Verlauf eines Spiels immer mehr Schüsse aufs eigene Tor, ohne dass ein Treffer fällt … kommen die Einschläge ebenfalls näher. Im Basketball findet sich dieser Satz indes kaum wieder. Warum auch? Er ergibt eigentlich keinen Sinn. Würfe werden über die gesamte Spielzeit genommen. Näher ans Ziel bewegen sie sich dabei nicht. Nein, der Satz passt eigentlich nicht. Aber er passt gerade in dieser Zeit zu Basketballdeutschland. Und wie so oft heißt der Grund dafür, wenn in Basketballdeutschland etwas passiert: Dirk Nowitzki. Denn wegen ihm kommen die Einschläge näher. Oder besser: dieser eine Einschlag. Das Ende. Gemeint ist natürlich das Ende seiner aktiven Karriere als Basketballprofi. Auch wenn es noch nicht terminiert ist, auch

wenn sich der beste deutsche Basketballer aller Zeiten (ja, die Zukunft ist hier wissentlich miteingeschlossen) noch nicht festgelegt hat, ob am Ende dieser Saison Schluss ist … die Einschläge kommen näher. Sie kommen mit jedem Wurf, jedem Schritt, jeder Minute, die vergeht, immer näher … so wie bei uns allen. Das nennt sich Zeit und ist nicht aufzuhalten. Doch um diese Einschläge geht es gar nicht. Denn sie werden nicht registriert, sie bleiben nicht. Andere hingegen sehr wohl. Standing Ovations im TD Garden zu Boston. Ein Timeout von Clippers-Coach Doc Rivers im Staples Center. Tränen beim AllStar-Weekend in Charlotte. Diese Einschläge bleiben, weil sie uns berühren. Sie berühren uns, weil sie Dirk Nowitzki berühren. Für ihn kommen die Einschläge näher. Nicht räumlich, sondern zeitlich, und wir fühlen mit. Egal ob er im April aufhört oder noch ein Jahr dranhängt – Nowitzki spürt das Ende kommen. Vor allem aber spürt er die Liebe. Egal, wo er in diesen (letzten) Tagen auftritt. 21 Jahre sind eine verdammt lange Zeit. Viele von euch werden keine NBA ohne Dirk Nowitzki kennen. Bald wird dies

BESTEN DUNK

nächste aUSGABE

Dré dunkt allen Teilnehmern seiner „Got Nexxt“-Liveshow in Berlin. Es war unfassbar!

Die FIVE #158 erscheint am 12. April 2019 oder liegt schon bis zu vier Tage vorher bei allen Abonnenten im Briefkasten. Dann im Heft: die ultimative NBAPlayoff-Vorschau 2019, Dirk Nowitzki im Interview und vieles mehr!

Ausgabe verpasst? Kein Thema. Scannt den nebenstehenden Code mit eurem Smartphone ein oder

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schaut auf www.kickz.com/de/five vorbei und ordert einfach nach.

aber erstmals seit der Saison 1997/98 Realität. Vielleicht spürt ihr auch dieses Gefühl der Unruhe, wenn es um Dirk N. aus W. geht. Ihn noch einmal live sehen? Im League Pass, auf DAZN, sogar in Dallas oder sonst wo in den USA? Vielleicht habt ihr schon Pläne, wo ihr sein letztes Heimspiel am 09. April gegen die Phoenix Suns oder die finale Partie der Saison tags darauf in San Antonio schaut. Wird er da überhaupt auflaufen? Wir hier bei FIVE rechnen nicht damit, dass wir Dirk Nowitzki 2019/20 in der NBA sehen. Wir sind gleichzeitig fest entschlossen, diese letzten Wochen mit ihm zu genießen. Anfang März geht es für uns nach Dallas zum vielleicht letzten großen Interview mit ihm. Die Einschläge kommen näher … lasst sie uns nutzen, um zu feiern. Lasst uns alte Videos auf YouTube schauen, die Meisterschafts-DVD von 2011 einlegen oder vielleicht mal einen Rahmen für das alte Trikot mit der 41 ordern.

Mitarbeiter dieser Ausgabe: Sebastian Dumitru Christian Orban Moritz Wagner Ruben Spoden Manuel Baraniak Jens Leutenecker Peter Bieg Thomas Fritz Torben Adelhardt Björn Lehmkühler Louis Richter Ivan Beslic Robbin Barberan Aboservice: KICKZ Never Not Ballin’ GmbH E-Mail: abo@fivemag.de Tel.: +49-89-324 781 70 Druck: Dierichs Druck + Media GmbH & Co. KG Frankfurter Straße 168 34121 Kassel Vertrieb: MZV GmbH & Co. KG Ohmstr. 1 85716 Unterschleißheim Für unverlangt eingesandtes und nicht mit einem Urhebervermerk gekennzeichnetes Bild- und Textmaterial wird keine Haftung übernommen. Beiträge, die namentlich gekennzeichnet sind, geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Vervielfältigung, Speicherung sowie Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlages. Gerichtsstand ist München.

ISSN 1614-9297

Viel Spaß mit FIVE #157! FIVE_MAG

André Voigt

NEXT

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FIVE

inhalt

157

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06

32

56

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24 SECONDS

DENNIS SCHRÖDER

RODIONS KURUCS

BBL-TAKTIK-CHECK

Prospects, Einwurf, Ruben Spoden,

Wie kommt der Braunschweiger in

Rodions wer? Wie die Nets sich einen

Neuer Coach, neues System? So spielt

NBA-Plays, NBA-Skills-Check etc.

Oklahoma City zurecht?

Rohdiamanten sicherten.

Bamberg nach dem Trainerwechsel.

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36

60

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ONE-ON-ONE

JOE INGLES

ROB PELINKA

RASID MAHALBASIC

Jaylen Brown vs. Terry Rozier!

Der unwahrscheinlichste und extrem

Er soll die Lakers wieder zu einer

Der offensive Dreh- und Angelpunkt

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witzige NBA-Profi im Porträt.

Großmacht machen. Wie tickt er?

der EWE Baskets Oldenburg.

ONEPAGER

40

66

90

Jake Layman und DeAndre’ Bembry.

JUSTISE WINSLOW

MARCH MADNESS 2019

INTERVIEW: PEDRO CALLES

18

Er galt bereits als Draft-Bust, doch

Das NCAA-Tournament steht vor der

Er erklärt die Sensation RASTA Vechta.

Justise Winslow funktioniert immer

Tür. Wer sind die Favoriten und die

besser für die Miami Heat.

besten Spieler? Die Vorschau!

48

76

94

ALFONZO MCKINNIE

ROMEO LANGFORD

Über Luxemburgs zweite Liga zu

Der vermeintliche Heilsbringer der

den Golden State Warriors – die

Indiana Hoosiers hat noch einen langen

Geschichte des Alfonzo McKinnie.

Weg vor sich.

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80

YOU CAN’T TEACH HEART 2019 Am Ende stand nur noch der Sieger! Eins-gegen-eins vom Feinsten in Berlin!

20 DIE BESTEN NBA-LINEUPS Vor den Playoffs lohnt sich der Blick auf die besten Aufstellungen der Liga.

26 MOST IMPROVED PLAYERS 2018/19 Wer verbesserte sich am meisten?

THOMAS BRYANT Während um ihn herum in Washington das Chaos regierte, nutzte Thomas Bryant seine Chance!

INTERVIEW: BLACK & O’BRYANT Tarik Black und Johnny O’Bryant über das Leben in der Euroleague.

IN-DRÉ-SSANT Wie steht es um die NBA-Deutschen?

96 WARENKORB Der Frühling kommt!

98 IVAN BESLIC Oscar Schmidt war der beste Scorer, von dem ihr noch nie gehört habt!

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einwurf

EINWURF

twenty four seconds D

AGELESS IN ATLANTA

In seiner Kolumne „Einwurf“ schaut Christian Orban über den Spielfeldrand hinaus und schreibt über die weniger beachteten Aspekte der Basketballkultur. Text: Christian Orban

ie NBA ist eine Liga junger Männer. So ist der Durchschnittsprofi heuer 26 Jahre alt und hat im Mittel fünf Saisons in der Association verbracht. Zugleich erscheint letztere als zukunftsfixierte Interessengemeinschaft, in der allzu oft über Draftrechte, Talententwicklung und TradeSzenarien räsoniert wird. Dass die verdienten NBA-Senioren meist eher im Hintergrund stehen, mag sonach wenig überraschen. Dabei kann die Liga derzeit mit zwei Aktiven aufwarten, die im letzten Jahrtausend gedraftet wurden und gegenwärtig ihre 21. Spielzeit absolvieren. Eine imposante Karriereleistung, die vor ihnen nur Robert Parish, Kevin Willis und Kevin Garnett gelungen ist. Die Rede ist natürlich von Vince Carter, inzwischen 42 Jahre jung, und Dirk Nowitzki, der im Juni 41 wird. Zur Einordnung: Isaac Bonga, der aktuell jüngste NBA-Akteur, wurde geboren, als „Vinsanity“ und der große Blonde Zweitjahresprofis waren. Was den ikonischen Vielflieger und einen der herausragenden Basketballer Europas zudem verbindet, ist ihre anhaltende Liebe zum Spiel – auch wenn das trivial klingen mag. Als ausgewiesene Teamplayer fungieren die beiden NBA-Oldies für ihre Mannschaften indes nicht allein als weise Mentoren und willige Handtuchwedler. Vielmehr stehen die Veteranen jeweils mindestens zehn Minuten pro Partie auf dem Parkett und nehmen auch spielerisch noch immer etwas Einfluss. Vor allem der nunmehr in Atlanta ansässige „Alterskönig“, der hier gewürdigt sei, vermag in seiner dritten Ü40-Saison noch gut mitzuhalten. Respektable 6,6 Punkte, 2,6 Rebounds und 1,0 Assists legt Carter zurzeit für die Hawks in 15,9 Minuten pro Partie auf. Acht Mal durfte er für sein achtes NBATeam dabei starten. 16 Mal hat er in seinem 21. Profijahr bereits zweistellig gepunktet. Den desolaten Cavs schenkte Carter Ende Dezember sogar 21 Zähler ein. Allein Lakers-

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Legende Abdul-Jabbar verbuchte in höherem Alter mehr Punkte. Eindrucksvoll sind derweil weniger die Zahlen (etwa zehn In-Game-Dunks), sondern die Art und Weise, wie „V.C.“ weiterhin einsatzvoll vorangeht. Generell gilt das für seinen Wandel zum Rollenspieler und Reservisten, den kaum ein vormaliger Superstar so reibungslos vollzogen hat wie der achtfache All Star. So bekleidet der einst hyperathletische Lead Scorer mittlerweile die Rolle als Three-and-D-Forward, dessen Abschlüsse vornehmlich Distanzwürfe sind (38,7 3P%), während er zumeist Power Forwards verteidigt. Carter hat sich demnach über die Jahre ein Stück weit neu erfunden sowie an die Erfordernisse des Alters und der Pace-and-Space-Ära angepasst. Grundvoraussetzung dafür ist seine achtsame und stete Vorbereitung, die nun eine erhöhte Konzentration auf Schlafrhythmen und eine umfangreichere Stretching-Routine beinhaltet. Zumal Carter, der kräftiger und robuster denn je erscheint, auch viel mehr Gewichte stemmt, um seine Physis zu stärken. Entsprechend betont er: „Die Pflege meines Körpers ermöglicht es mir, weiterhin zu spielen.“ Der Veteran trägt also mitnichten nur seinen großen Namen vor sich her – vielmehr agiert er als teamdienliches Vorbild. Für eine der jüngsten Mannschaften der Liga ist Carter somit ein mustergültiger Mentor und de facto eine Erweiterung des Trainerstabs. Schließlich sind die beiden Rookies der Hawks, Trae Young und Kevin Huerter, jünger als die Karriere des 42-Jährigen, der Anfang 1999 sein NBA-Debüt gab und seither nahezu 250 verschiedene Spieler Teamkollegen nannte. Zweitjahresprofi John Collins wurde zudem vor Carters letzter College-Saison in North Carolina geboren, während DeAndre’ Bembry und Taurean Prince Kleinkinder waren, als „Air Canada“ die ersten seiner mehr als 25.000 Karrierepunkte erzielte.

„Ich genieße es“, sagt der in sich ruhende Senior über seine Führungsrolle in Atlanta. „Es ist großartig. Mit all unseren Youngstern sitze ich zusammen und rede über ganz unterschiedliche Dinge. Ob es nun verschiedene Techniken sind oder Sachen, an die man denken sollte. Ich versuche, ihnen so viel Wissen wie möglich zu vermitteln. Und sie hören zu und fragen danach. Sie wollen Feedback – und es funktioniert für uns.“ Cheftrainer Lloyd Pierce, der nur rund acht Monate älter ist als Carter, kann dies bestätigen: „Als Vince sich entschied, nach Atlanta zu kommen, wusste er um die Situation des Neuaufbaus mit jungen Spielern – und er tauchte ein in das, was wir hier tun.“ Der Hawks-Coach fügt an: „Vince verfolgt hierbei keine eigene Agenda. Klar, er will spielen. Aber er respektiert das Spiel und erkennt, wie er gegen Ende seiner Karriere als Mentor und Veteran beitragen kann. Daher denke ich, dass man von wahrer Führung und echtem Respekt für das Spiel sprechen darf.“ Ob Carter dasselbige auch über die laufende Saison hinaus ausüben wird, bleibt vorerst offen. Denn vorläufig will der 42-Jährige noch immer mitspielen, wetteifern, auf dem Hartholz stehen und die Youngsters seines Teams anleiten. Die Möglichkeit, noch ein Jahr dranzuhängen und in einer rekordsetzenden 22. NBA-Spielzeit aufzulaufen, ist also keineswegs ausgeschlossen. „Ich weiß nicht, wann das Ende kommen wird. Nach jedem Jahr sehe ich, wie ich mich fühle, und schaue dann weiter. Wenn du durch die Saison gehst, sagen die Leute immer wieder zu mir: ‚Halt dein Telefon griffbereit, wir sind interessiert‘“, erklärt Carter zukunftsoffen. „Es ist schwer zu sagen: ‚Ich werde nicht mehr spielen.‘ Ich könnte 47 sein, bevor das passiert.“ Wie es auch kommt, ein einzigartiges Vorbild bleibt „Vinsanity“ so oder so.


moritz wagner

Fotos: Bill Baptist/NBAE via Getty Images

MORITZ WAGNER Moritz Wagner hat es geschafft: Er spielt in der NBA. Auch in dieser Saison nimmt euch der Big Man in FIVE mit auf seine Reise, die ihn von ALBA Berlin über die University of Michigan zu den L.A. Lakers geführt hat. Text: Moritz Wagner

W

as ist los, Kollegen?! Ich bin es, mal wieder … direkt aus dem Flugzeug. Diesmal geht es von Detroit nach Los Angeles. Der All-Star-Break ist fast vorbei, und morgen Abend steht schon wieder das erste Teamtraining an. Ich freue mich sehr auf Los Angeles. Es ist genau zwei Wochen her, dass ich das letzte Mal zu Hause war. Und seitdem ist extrem viel passiert. Das ist das Verrückte in der NBA: Es gibt Wochen, da verstreicht das Leben einfach so, und dann gibt es Wochen oder sogar Tage, an denen so viel passiert, dass eine einseitige Kolumne nie und nimmer ausreicht, um alles zu erzählen. Vor dem Break hatten wir einen neuntägigen Roadtrip. Zuerst ging es nach Indiana, wo wir ordentlich auf die Mütze bekommen haben. Das war so ein Spiel, wo du auf den Spielplan guckst und sagst: „Oh, okay, die Pacers sind zwar Dritter im Osten, aber Oladipo spielt nicht, und wir haben die auch schon mal geschlagen.“ Kurz gesagt: ein Spiel, welches man gerne mal auf die leichte Schulter nimmt. Tja, geht zurück und guckt euch das Ergebnis an, wenn ihr wissen wollt, wie „leicht“ das Spiel für uns war. Kein guter Abend für die „Lake Show“ … Von Indiana ging es dann nach Boston. Ein Aufenthalt, den ich nie vergessen werde. Und ich erkläre euch auch, warum … Als Fan nimmt man die TradeDeadline in der NBA gar nicht so richtig wahr. Oder besser gesagt: Man nimmt es mehr als ein Spiel wahr, eine Rommé-Runde unter NBA-Franchises. Lasst euch eines gesagt sein: Als Spieler ist das ein bisschen anders. In einer Welt, wo heute fast alles von den sozialen Medien kontrolliert wird, ist es hart, Sachen zu ignorieren. Damit meine ich nicht mal, dass es schwierig ist, auf Twitter und Instagram zu verzichten, sondern eher, dass dein Umfeld sich Sachen reinzieht, die zum größten Teil Schwachsinn sind, und dir das dann vorliest. Zwei Wochen vor der Deadline ging es damit los. Jeden Tag war mein Handy voll mit Fragen zu Trade-Gerüchten und „News“, von denen ich noch nie etwas gehört hatte. Es gab quasi keine Möglichkeit, diesen Gerüchten zu entfliehen. Davon mal abgesehen ist es sowieso komisch, wie das ganze Prinzip funktioniert. Ich habe es eben Rommé-Runde genannt. Was noch besser zutrifft, ist: „Reality-TV-Show“. Millionen von Menschen schauen zur Unterhaltung zu, hoffen, dass ihr Team die besten Puzzleteile zusammenstellt, um die besten Chancen für eine erfolgreiche Zukunft zu haben. Worüber sich keiner Gedanken macht, ist die Tatsache, wie die betroffenen Spieler auf das reagieren, was auf sie zukommt. Umziehen, in eine fremde Stadt, Freunde verlassen und Tschüss sagen zu den Teammates und Coaches, mit denen du jeden Tag verbracht hast. Ich will mir gar nicht vorstellen, was noch hinzukommen würde, wenn man

eine eigene Familie hat. Versteht mich nicht falsch, ich beschwere mich hier nicht. Ich weiß, dass Trades dazugehören. Ich weiß, dass es ein Business ist. Ich mache das hier ja schließlich auch freiwillig. Ich könnte genauso einen Büroberuf ausüben, wo ich nicht getradet werden kann. Ich werde immer noch viel zu gut bezahlt, um einen Lederball in einen Korb zu werfen … Nichtsdestotrotz ist die NBA nicht immer nur Paradies und Traumwelt. Es ist ein eiskaltes Business, und Spieler bekommen das mit. Es raubt ihnen den Schlaf und wirkt sich auf ihre Leistung aus. Aber zurück zu der Partie in Boston und warum ich diesen Trip nie vergessen werde … Auf dem Weg nach Boston wird mein Rookie-Partner Svi Mykhailiuk im Flieger getradet. Ihr müsst verstehen: Das ist mein Homie, wir haben den gleichen Dreck zusammen durchgemacht, und jetzt ist er in Detroit … einfach so. Im Hotel angekommen, verabschieden sich alle von ihm, und das war’s dann. Am nächsten Morgen war er nicht mehr da. Am Tag des Spiels gegen Boston lag eine sehr komische Anspannung in der Luft. Ein Spieler meinte beim Mittagessen: „Okay, ich lege mich jetzt hin und gehe schlafen, hoffentlich bin ich noch Teil der Mannschaft, wenn ich aufwache.“ Wir haben alle gelacht, wohl wissend, dass er das todernst meinte. Die Trading-Deadline war um drei Uhr nachmittags. Ich habe bis 15:15 Uhr gewartet, bis ich einen Mittagsschlaf machen konnte, einfach nur um sicher zu sein, dass ich nicht umziehen muss. Eine halbe Stunde vor der Deadline wurden zwei meiner besten Kumpels im Team, Ivica Zubac und Michael Beasley, zu den Clippers getradet. Nicht einmal Tschüss sagen konnten wir, die waren beim Spiel abends einfach nicht mehr da. Irgendwie haben wir es trotz des ganzen Trubels geschafft, das Spiel in Boston zu gewinnen. Nach der Partie war die Erleichterung regelrecht zu spüren. Leider hielt die Euphorie nicht allzu lange an, da wir danach in Philadelphia ordentlich auf die Mütze bekommen haben und dann sogar auch noch in Atlanta verloren. Wenn ich sage, dass wir bereit für eine Pause waren, ist das untertrieben. Viele Spieler fliegen während des All-Star-Breaks auf die Bahamas oder zu irgendwelchen anderen exotischen Orten. Ich bin nach Michigan geflogen, um an meiner alten Uni alle meine Freunde wiederzusehen, mir ein Spiel von den Jungs anzugucken und mental ein bisschen zu entspannen, was super funktioniert hat. Auch wenn ich mich wieder auf die Sonne und die Arbeit freue, Michigan ist etwas Besonderes für mich. In L.A. wird die Lage langsam ernst. Wir sind jetzt drei Siege hinter dem achten Platz, und um eine ernsthafte Chance zu haben, die Playoffs zu erreichen, müssen wir jetzt die letzten 27 Partien ackern.

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24 twenty four seconds E

s ist Sonntagnachmittag. Andy, mein Lieblings-Lernpartner von der Universität, und ich sitzen zusammen auf der Couch. Pause. Gerade ist die heiße Klausurenphase. Aber Pause muss sein. Im Fernsehen läuft die zweite Halbzeit des Pokalfinales. Alba gegen Bamberg. Andy ist kein Basketballfan. Andy spielt Rugby. Ich versuche ihm also wenigstens die einfachsten Regeln zu erklären. Zugegeben, Basketball ist kein einfacher Sport, ständig irgendwelche Besonderheiten: Shotclock, Rückspiel, Schrittfehler und, und, und … „Total langweilig“, meint Andy, die Regeln seien ja noch komplizierter als beim American Football, bemerkt er. Rugby-Spieler mögen Football nicht. „Zu weich“, meint Andy. Es dauert keine fünf Minuten, da fällt ihm auf, dass ja doch nicht jeder Körperkontakt ein Foul ist. Basketball sei doch ein körperloser Sport, meint er. Warum das heute immer noch im Schulunterricht erzählt wird, verstehen wohl nur Sportlehrer. Andy fragt mich, ob der Pokal im Basketball auch so ein Ereignis wie der DFB-Pokal sei. Ich überlege kurz und erinnere mich an meine Pokalmomente. Ich war noch ein kleiner Junge. In Frankfurt gab es noch gar keine eigene Basketball-Profimannschaft. Doch jedes Jahr wurde das Final Four um den DBB-Pokal in der Ballsporthalle ausgetragen. Mein Vater, selbst ja auch Basketballer, besorgte immer Karten. Ich erinnere mich daran, wie Charly Brown, ein viel zu kleiner, aber schneller Aufbauspieler, seine Underdogs aus Trier zum Pokalsieg warf und im Jahr darauf Gießen, trotz zahlreicher Fans, im Finale gegen Berlin verlor. Das erste Mal selbst aufs Parkett im DBB-Pokal durfte ich im Jahr 2000. Die Skyliners hatten in der ersten Runde irgendeine Zweitligamannschaft

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der ruben-report

der Ruben Report gezogen und trugen das Spiel in Kronberg aus. Die Halle war ausverkauft. Mein Trainer Bernd hatte es irgendwie arrangiert, dass mein U10Team und ich in der Halbzeitpause ein kleines Spiel vorführen durften. Wir waren unheimlich nervös. Zwei Wochen lang trainierten wir, wie man richtig einläuft und sich aufstellt. Dann war der große Tag gekommen. Alles war wie bei den Profis. Wir wurden mit Namen vorgestellt und liefen auf das Feld, auf dem noch vor Minuten die Profis gestanden hatten. Was war ich nervös! An das Spiel selbst erinnere ich mich kaum noch. Wohl aber daran, wie der Hallensprecher meinen Namen rief, als ich einen Korb warf. Was war ich stolz! Danach durften wir am Spielfeldrand Platz nehmen und wieder unseren Vorbildern dabei zusehen, wie sie den Ball durch die Reuse beförderten. Kurz vor Ende des dritten Viertels war der nächste große Moment für mich gekommen. Der Spielball rollte direkt auf mich zu. Schnell griff ich ihn und überreichte den Molten GX7 an den ersten Spieler, der auf mich zukam. Pascal Roller griff nach dem Ball, sah mich an und sagte: „Danke.“ Ein unvergesslicher Moment. Irgendwie verlor der Pokal allerdings mit den Jahren seinen Charme. Vor allem, weil man sich entschied, ebendiesen Pokal nur noch unter den Top-Mannschaften der BBL auszutragen. Keine Underdogs mehr. Keine U10-Spieler

mehr. Kein „One Shining Moment“ für Amateure, die gegen Profis spielen. Mit Würzburg gelang es mir später einmal, mich in dieser elitären Gruppe von Top-Teams zu befinden, die den Pokal unter sich ausspielen durften. Als Lohn für die Arbeit sahen es aber eigentlich nur die wenigsten aus meiner Mannschaft. Wir fuhren nach Berlin und ließen uns da gegen die Wand spielen. So richtig traurig war nach der Niederlage keiner. Irgendwie fehlte schon vorher der Glaube daran, dass wir den Pokal gewinnen könnten. Es fehlte der Geist des Pokals. Dieser Geist, der Charly Brown damals antrieb und der circa 1.000 Gießener Fans trotz einer 20-PunkteNiederlage ihre Mannschaft feiern ließ. Ich versuche Andy zu erklären, dass der BBL-Pokal, wie er heute heißt, einfach eine unheimlich elitäre Veranstaltung sei und daher irgendwie nicht denselben Stellenwert habe wie der DFB-Pokal. Währenddessen laufen die letzten Spielminuten. Bamberg führt mit neun Punkten, und Andy meint, wir sollten lieber wieder lernen, das Spiel sei ja wohl schon entschieden. Was anschließend passiert, ist einer dieser Pokalmomente, die dann doch schnell wieder den alten Geist aufleben lassen … Nachdem Zisis den Gamewinner versenkt hat und wir uns wieder an unsere Lernunterlagen setzen, sagt Andy: „So langweilig ist Basketball ja doch nicht!“


street courts of the world Paris, France photo by PHILIP OLSCHOWA

Street Courts of the

World 09


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Bei der geburt getrennt / Publetter

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- PubLetter -

Bei der geburt getrennt Luka Doncic *

#REFORM

P

maxi kleber * *Seht selbst: http://bit.ly/maxiluka

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uma. Dass der andere Sportartikler aus Herzogenaurach seit dieser Saison wieder im Basketball mitmischt, habt ihr sicher schon gewusst. Mit Deandre Ayton, Marvin Bagley III, Kevin Knox und Michael Porter Jr. tragen vier der 15 Top-Draftpicks von 2018 Puma. Hinzu kommen u.a. die Veteranen DeMarcus Cousins, Terry Rozier, Rudy Gay und Danny Green. Doch Puma möchte mehr sein als nur ein Schuhhersteller. Als DeMarcus Cousins – wie jedes Jahr zu Weihnachten – 100 unterprivilegierten Kids in seiner Heimat als „Santa Cuz“ Geschenke kaufen will, stellt ihm Puma einen Jet zur Verfügung. So kann der All Star nach einem Auswärtsspiel in Milwaukee nach Mobile, Alabama, fliegen. Die 100 Kinder bekommen allerlei Klamotten von Puma, und es geht mit 200-Dollar-Gutscheinen in der Hand in diverse Läden, um Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Eine schöne Geste, aber Puma hat noch mehr in petto. Mit der Aktion #REFORM will die Marke auch politisch aktiv werden. Unter dem Hashtag fasst Puma Missstände in den Vereinigten Staaten zusammen, die so schnell wie möglich angegangen werden sollen – und nicht erst irgendwann. Zum Beispiel das Justizsystem in den USA. Deshalb gibt es einen speziellen Colorway des „Puma Clyde Court“, den „Puma Clyde Court Reform“. Alle Einnahmen

von diesem Schuh gehen als Spende an „The Reform Alliance“, eine Organisation, die gegen Justizwillkür in den USA kämpft. Designt wurde der Schuh übrigens in Zusammenarbeit mit Meek Mill. Außerdem arbeitet Puma mit Tommie Smith zusammen. Der ehemalige Sprinter, der bei den Olympischen Spielen in Mexiko für seine nach oben gereckte Faust bekannt wurde, führt das Team#REFORM an. Dieses Team setzt sich aus Rapper Meek Mill, WNBA-Star Skylar Diggins-Smith und eben Smith zusammen. Sie sollen die Themen Justizreform, Gleichberechtigung der Geschlechter und soziale Gerechtigkeit in die Öffentlichkeit tragen. Eine verdammt gute Sache! Versteht mich nicht falsch: Basketball ist Sport. Sport ist Spaß. Wenn wir auf dem Feld stehen, sehen wir keine Hautfarbe. Aber Basketball existiert halt nicht in einem Vakuum. Der Sport trägt Verantwortung. Deshalb an dieser Stelle ein dickes Lob an Puma, dass man sich dort genau dieser Verantwortung bewusst ist.

Christian Grosse (Herausgeber)


five-prospects Prospects

Fotos: Chris Elise/Andrew D. Bernstein/Michael Gonzales/NBAE via Getty Images/Giuseppe Cottini/EB via Getty Images

GOGA BITADZE

G

oga Bitadze als Prospect vorzustellen, grenzt an Respektlosigkeit. Denn der Georgier ist Starting Center eines Euroleague-Teams. Doch zugleich ist Goga Bitadze von Buducnost Podgorica auch erst 19 Jahre alt. Der 2,11 Meter große Big Man gehört zu den zahlreichen Talenten, die bei Agent Misko Raznatovic unter Vertrag stehen. Wie so viele dieser Nachwuchsspieler begann die Saison 2018/19 für Bitadze also bei Mega Bemax, dem serbischen Ausbildungsverein von Raznatovic. Dort spielte Bitadze unter anderem an der Seite der deutschen Nachwuchshoffnungen Filip Stanic und Kostja Mushidi. Dann kamen zwei Entwicklungen zusammen: einerseits die rasanten Fortschritte von Bitadze, der zu den dominierenden Big Men in der serbischen Liga zählte. Andererseits die Suche von Euroleague-Neuling Buducnost Podgorica nach einem Nachfolger für Center Alen Omic, der während der Saison nach Mailand gewechselt war. So debütierte Bitadze am 28. Dezember 2018 beim Gastspiel von Buducnost bei Bayern München in der Euroleague. 17 Punkte, sieben Rebounds und vier Blocks lieferte der georgische Teenager direkt bei seiner Premiere in der stärksten Liga außerhalb der NBA. Im darauffolgenden Spiel gegen AX Armani Exchange Olimpia Mailand

Jeden Monat stellt euch Peter Bieg an dieser Stelle die größten Talente Europas und Deutschlands vor. Text: Peter Bieg

waren es gar 23 Punkte, acht Rebounds und drei Blocks. Nach jetzt sechs Partien in der europäischen Königsklasse steht Bitadze bei Werten von 14,7 Punkten, 7,3 Rebounds und 3,2 Blocks pro Spiel bei einer Feldwurfquote von 64,4 Prozent. Damit ist er bisher nicht nur der beste 19-Jährige der Liga, sondern einer der besten Center überhaupt. Was aber macht Bitadze so stark? Lange Arme, extrem starke Fußarbeit, gute Koordination, herausragendes Timing beim Block und ein feines Händchen – so lautet die Kurzzusammenfassung. Mit einer Armspannweite von 2,20 Meter und guten Händen fängt er auch die weniger genauen Pässe seiner Mitspieler extrem sicher. Im Post ist Bitadze dann nicht nur dank seiner Länge, sondern auch aufgrund zahlreicher Finten, Drehungen und Abschlussvarianten nur sehr schwer zu stoppen. Defensiv bringt er genau die Mischung aus Länge und Mobilität mit, die im modernen Basketball verstärkt gefragt ist. Noch fehlen insbesondere Muskelmasse und Erfahrung, doch wenn Bitadze seinen Körper weiter kräftigt und den aufkeimenden Wurf in sein Spiel integriert, winkt eine sichere Zukunft in der NBA. Der Top-Kandidat für die Auszeichnung als bester Nachwuchsspieler der Euroleague ist der Georgier ohnehin längst. redaktion@fivemag.de

GOGA BITADZE Geburtstag: 23.05.1999 Größe: 2,11 Meter Gewicht: 112 Kilogramm Position: Center Verein: Buducnost Podgorica

Stats: Stats: 14,7 PPG, 7,3 RPG, 3,2 BPG, 25,4 MPG, 64,4 FG%, 25,0 3P%, 75,0 FT% (Euroleague 2018/19)

QR-code: http://bit.ly/Bitadze Bitadze beim Spiel gegen EuroleagueChampion Real Madrid.

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skills-check

Rudy

Gobert

Rudy Gobert

Coach Jens nimmt den Defensivspezialisten mit der Riesenspannweite unter die Lupe und versucht zu erklären, warum Gobert es nicht ins All-Star-Team geschafft hat. Text: Jens Leutenecker Position: Center Geburtstag: 26. Juni 1992 Größe: 2,16 Meter Gewicht: 111 Kilo Verein: Utah Jazz Erfahrung: 5 Saisons

Stats 2018/19: 17,3 PPG || 14,7 RPG 2,5 APG || 1,8 BPG 0,0 3P% (PER 36 MIN.)

R

udy Gobert macht das BasketballLeben für seine Teamkameraden im Angriff und erst recht in der Verteidigung leichter! Wie leicht? Ohne den Franzosen wären die Utah Jazz nicht konkurrenzfähig: Mit ihm auf dem Spielfeld machen sie in 100 Ballbesitzen sechs Punkte mehr als der Gegner, was sie in der NBA auf den vierten Platz bringen würde! Ohne den „Stifle Tower“ auf dem Feld erzielt die Konkurrenz zwei Punkte mehr – das wäre gleichbedeutend mit dem 24. Rang! Neben Draymond Green ist Gobert seit Jahren der beste NBAVerteidiger, was sich auch in der elitären Jazz-Defense widerspiegelt. Es ist egal, welche defensiven Metriken bedient werden, an Gobert und den Utah Jazz führt kein Weg vorbei. In der traditionellen Statistik der geblockten Würfe rangiert er mit 2,1 Blocks pro Spiel auf dem dritten Platz. Die etwas modernere Real-PlusMinus-Statistik, welche die Stärke der Gegen- und Mitspieler miteinberechnet, führt ihn ganz klar auf dem ersten Platz in der Verteidigung. Aber so richtig zu fassen bekommt der Beobachter Goberts Einfluss erst dann, wenn ein Blick auf die Playoffs 2018 geworfen wird. Russell Westbrook wurde vom Franzosen fast eigenhändig entwaffnet: In mehr als 23 Pick-and-Rolls konnte der superathletische Westbrook nur jeden fünften Korblegerversuch erfolgreich gegen Gobert abschließen! Sein Sprungwurf war mit 32 Prozent Trefferquote ebenfalls unterirdisch, und

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OKC konnte aus diesen WestbrookAktionen einfach keinen entscheidenden Vorteil generieren. Das große Plus im defensiven Zusammenspiel mit dem 26-Jährigen ist die Tatsache, dass erstens mehr Druck am Ball aufgebaut und zweitens mit etwas mehr Risiko in den Passwegen gewildert werden kann. Falls der Außenverteidiger überspielt wird, gibt es dahinter Gobert. Ricky Rubio, Donovan Mitchell und Joe Ingles befinden sich bei den Steals unter den Top 30, das haben sie auch Goberts „Libero-Fähigkeiten“ zu verdanken. In Zahlen ausgedrückt bedeutet Goberts Einfluss Folgendes: Gegen durchschnittliche NBA-Teams treffen Korbleger in 60 Prozent der Fälle, gegen die Jazz sind es nur 55 Prozent. Utah ist im Schnitt zwar das sechstkleinste NBA-Team, die Flügelverteidiger können jedoch dank Gobert den Dreier etwas aggressiver angehen und den Gegner zum Drive zwingen. Fazit: In der HalbfeldVerteidigung gibt es gegen Quin Snyders Truppe nur wenig zu holen. Offensiv gesehen sieht es da schon anders aus: Donovan Mitchell kann den Gegner an guten Tagen schon mal abschießen. Gobert hilft ihm mit seinen perfekt getimten (und manchmal an der Schmerzgrenze gestellten) Blöcken beim Punktesammeln. Mit 6,1 Screen-Assists, also direkten oder indirekten Blöcken, die zu einem Korb führen, rangiert der Franzose auf dem ersten Platz in der NBA! Die Kombination Rubio-Gobert oder Ingles-Gobert ist ebenfalls eine

gute Waffe: Gobert verwertet mit seinen langen Armen mehr als 70 Prozent aller Centeranspiele aus dem Blocken-undAbrollen, das ist einsamer Topwert in der NBA! Er weiß einfach, wie er sich ohne Ball zu bewegen hat: Im richtigen Moment schleicht sich Gobert entweder im Rücken seines Gegenspielers weg oder hebt einfach zum Alley-Oop-Anspiel in der dritten Etage ab. Außer den Abschlüssen in unmittelbarer Korbnähe hat er offensiv aber nur wenig anzubieten. Einen Sprungwurf sucht man bei ihm vergebens, nur in jedem zehnten Spiel geht er mal zum Jumper hoch – Trefferquote 20 Prozent. Wirkliche Postmoves, geschweige denn eine Postup-Offense mit kreativen Anspielen auf die Mitspieler, sind nicht und waren nie in seinem Repertoire! Außer einem schnellen Spin zur Baseline geht da nicht viel, und deshalb laufen die Jazz mit die wenigsten Postup-Angriffe in der NBA. Fakt ist, dass Gobert aufgrund seiner vielen uneigennützigen Fähigkeiten ins All-Star-Team gehört! Aber wenn er seine Kritiker vollends überzeugen möchte, muss er offensiv etwas mehr bieten. Das könnte ein sauberer Sprungwurf aus der Mitteldistanz sein – oder smarte Backdoor-Anspiele, wenn die Gegner den typischen JazzHandoff überspielen. Sonst könnte aus dem „Uneigennützigen“ schnell der „Unvollendete“ werden, und dafür ist Rudy Gobert einfach ein zu guter Basketballer! redaktion@fivemag.de


Los

Angeles

nba-plays

Lakers

1 x1

A 5

4

2

3

LeBron James (1) passt Kyle Kuzma (4) an, der aus der HornsAufstellung an Tyson Chandler (5) vorbeischneidet. Die Flügel Reggie Bullock (2) und Lance Stephenson (3) stehen in den Ecken und warten.

B

1 4

5

2

3

Nach seinem Pass verschiebt James auf den Flügel, während Kuzma zum Handoff auf Stephenson zuläuft, welcher ihm aus der Ecke entgegenkommt, damit ihre Aktion auf Höhe der Freiwurflinie gelaufen werden kann …

1

HO

los angeles Lakers

Dribbling Block HO Handoff

2 Aus dem Handoff kann Kuzma per Drive direkt den Korb attackieren oder nach ein, zwei Dribblings den Ball quer über das Halbfeld zu James spielen, der sich einige Meter hinter der Dreierlinie postiert hat. Bekommt LBJ den Ball, stellt Chandler direkt einen Block für ihn.

1

D

Die L.A. Lakers kommen offensiv kaum in Tritt. Hier trotzdem ein Beispiel für ein funktionierendes System. Text: André Voigt

Fotos: Rocky Widner/Jesse D. Garrabrant/NBAE via Getty Images

D

ie L.A. Lakers liefen zu Redaktionsschluss Gefahr, die Playoffs zu verpassen. Hauptgrund dafür: Die Offensive von Coach Luke Walton rangierte nur auf dem 21. Platz. Mitverantwortlich dafür war die 18 Spiele währende Abwesenheit von LeBron James. Über die Saison gesehen legen die Lakers laut nbawowy.com mit ihrem balldominanten Superstar auf dem Parkett 111,0 Zähler in 100 Ballbesitzen auf. Damit würden sie unter den Top 5 im Offensivrating rangieren. Ohne James sind es jedoch nur 107,4 – gleichbedeutend mit dem 18. Rang in der Association. Seit der durch den Lockout verkürzten Saison 2011/12 rangiert dieses Jahr erstmals wieder ein Team mit James im Kader nicht unter den fünf Topteams beim Offensivrating.

Dass ein von James angeführter Kader es nicht mal unter die Top Ten in dieser Kategorie schaffte, war zuletzt 2007/08 der Fall, als die Cavaliers nur den 20. Rang belegten. Keine Frage: Alles dreht sich um James, wenn er aufläuft – und das aus gutem Grund. Er verschafft seinen Teamkollegen freie Würfe und spielt bereitwillig auch den Pass vor dem Assist … wie im nebenstehenden Spielzug, bei dem der 34-Jährige aus dem Horns-Set attackiert. Anstatt aber die beiden Blöcke der Big Men zu nutzen, wird der Ball erst von ihm wegbewegt, damit James mit voller Wucht gegen eine bereits beschäftigte Verteidigung attackieren, Hilfe ziehen und dann auf der Weakside einen Schützen bedienen oder selbst abschließen kann.

3

5

Laufweg Pass

C

4

x1

x1

3

5

x3

x5 x4

4

2

James kann nun mit Anlauf seinen Gegenspieler attackieren, was fast immer zu einem Switch führt – Chandlers Verteidiger (X5) übernimmt ihn. Chandler rollt in die Mitte ab, Kuzmas Mann (X4) muss ihn aufnehmen. Stephensons Verteidiger (X3) hat die Aufgabe, auf seiner Seite „Born Ready“ und Kuzma zu decken.

E

3 x1 1 x5

2

x2

5 x4

x3

4

Hat der Gegner gut rotiert, ist das Anspiel auf Chandler schwer bis unmöglich. In diesem Fall stehen aber zwei Schützen auf dem Flügel frei. Den ersten Pass von James verteidigt X3, wird der Ball dann aber schnell zum zweiten Flügel bewegt, ist der Weg für X4 extrem lang. Und sollte X5 nicht schnell genug sein, steht Chandler frei.

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one-on-one

Terry

Rozier

vs.

Jaylen

TERRY ROZIER TERRY ROZIER Geburtstag: 17. März 1994 Größe: 1,85 Meter Gewicht: 86 Kilo Erfahrung: 3 Saisons

Stats 2018/19*: 13,9 PPG || 6,5 RPG 4,9 APG || 1,5 SPG 1,4 TPG || 38,2 FG% 35,8 3P% || 81,7 FT%

Advanced Stats: 13,5 PER (4.) || 19,0 USG (46.) || 49,9 TS% (63.) || 9,6 RBR (4.) 24,2 AST (50.)**

Brown

M

it 13,3 Punkten, 5,8 Assists und 5,4 Rebounds wäre Terry Rozier ein ausgezeichneter Starting Point Guard in der NBA – sein Problem ist jedoch, dass er es nicht ist! Lediglich zehn Spiele durfte Rozier diese Saison für Coach Brad Stevens starten und wusste bei einer Bilanz von 8-2 zu überzeugen. „Scary Terry“ gehört zu den Profis, die mit mehr Spielzeit auch wesentlich bessere Zahlen auflegen. Das behaupten zwar viele Basketballer von sich selbst, in Roziers Fall ist es jedoch absolut gerechtfertigt. Bostons Nummer zwölf ist mit einem überragenden Assist-zu-Turnover-Verhältnis von 3,5 ein Point Guard im klassischen Sinne und befindet sich damit sogar in den Top Ten der NBA! Er kommt nicht aufs Spielfeld und explodiert wie ein Lou Williams von den L.A. Clippers, sondern übernimmt schrittweise von Angriff zu Angriff die Spielkontrolle. Rozier ist ein ordentlicher Werfer, gerade ausreichend, um passive Verteidigungen effektiv zu bestrafen. Seine Floater-Abschlüsse trifft er besser als jeder andere NBA-Spieler, aber die Finishes direkt am Ring finden noch zu selten ihr Ziel. Die größte Fähigkeit ist sein Passspiel aus dem Pick-and-Roll, speziell die abrollenden Center bedient er regelmäßig mit eleganten und kreativen Anspielen. Bostons größtes Problem scheint jedoch zu sein, dass es neben Rozier zu viele Spieler im Team gibt, die viele Ballkontakte benötigen, um effektiv zu sein: Kyrie Irving, Gordon Hayward, Jayson Tatum auf den Guard-Positionen und Al Horford auf der Centerposition sind allesamt gute Playmaker! Rozier könnte davon profitieren, wenn er das Spiel abseits des Balles perfektioniert: Seine Catch-and-ShootWürfe sind gut, aber nicht herausragend. Wenn er indirekte Blöcke nutzt, trifft er häufig die richtige Entscheidung, aber Spieler wie J.J. Redick performen auf einem ganz anderen Level.

one-on-one

In den NBA-Playoffs werden die Rotationen kürzer, und die Bankspieler erhalten weniger Einsatzzeit! Wen sollte Celtics-Coach Brad Stevens dann aufs Parkett stellen: Terry Rozier oder Jaylen Brown? Coach Jens wagt einen Ausblick. Text: Jens Leutenecker 14


JAYLEN BROWN

Fotos: Brian Babineau/NBAE via Getty Images

W

enn Jaylen Brown nur seine freien Dreier treffen würde, wäre er die Idealbesetzung für die Boston Celtics! Ein 2,01 Meter großer Spieler mit 99 Kilogramm Muskelmasse, der ein bisschen als Shooting Guard und etwas mehr als Small Forward mit defensiver Grundeinstellung agiert, passt zu jedem Titelaspiranten. Beim defensiven Real-PlusMinus belegt Brown unter allen Small Forwards in der NBA einen starken neunten Platz. So stark er defensiv agiert, so hilflos ist er manchmal jedoch in der Offensive! Ein gutes Drittel seiner durchschnittlich 12,7 Punkte erzielt der 22-Jährige im Fastbreak, aber mit etwas mehr als 50 Prozent Trefferquote hat er noch großes Verbesserungspotenzial. Ein Problem von ihm ist, dass er bei den Sprungwürfen aus der Transition seine Beine nicht richtig sortiert bekommt und deshalb zu häufig verwirft. Im Halbfeld hat er ein gutes Auge für das Aufposten gegen kleinere Gegenspieler wie etwa Philadelphias T.J. McConnell und könnte deshalb in Playoff-Serien für ordentliche MatchupProbleme sorgen. Eine Wurfquote von 55 Prozent im Postup ist okay, aber da geht noch deutlich mehr für Brown. Das große Rätsel ist hingegen der komplett freie Wurf, bei dem er weniger als jeden dritten Jumper trifft. Zum Vergleich: Centerspieler Enes Kanter, ein echt schwacher Werfer, verwandelt hochprozentiger als Brown! „JB“ trifft die Würfe gegen den Verteidiger überdurchschnittlich gut, die große Frage könnte aber sein: Was passiert, wenn der gegnerische Verteidiger Brown einfach komplett freistehen lässt und den Celtics-Mitspielern das Leben schwer macht? Harrison Barnes hat den Golden State Warriors mit seiner schwachen Wurfquote die Finalserie 2016 gegen die Cleveland Cavaliers verhagelt, und Brown möchte sich ganz bestimmt nicht in diese unrühmliche Kategorie einordnen.

fazit

JAYLEN BROWN Geburtstag: 24. Oktober 1996 Größe: 2,01 Meter Gewicht: 99 Kilo Erfahrung: 2 Saisons

Stats 2018/19*: 12,7 PPG || 6,0 RPG 1,9 APG || 1,3 SPG 1,9 TPG || 45,4 FG% 32,5 3P% || 68,1 FT%

Advanced Stats: 13,2 PER (26.) || 21,4 USG (31.) || 53,5 TS% (37.) || 8,8 RBR (12.) 9,3 AST (74.)**

Terry Rozier und Jaylen Brown haben

anderem an Bostons „Killer-Lineup“ mit

die Boston Celtics in den letztjährigen

Hayward, Jayson Tatum und Daniel Theis

Würfe nicht treffen, könnte es auch für

Sollte er jedoch seine freien

Playoffs bis kurz vor den Finaleinzug

neben Rozier und Brown: Im Schnitt erzielt

ihn deutlich weniger Spielzeit geben.

geführt. Dass die kommende Postseason

Boston seit Januar mit dieser Kombination

eine ganz bittere für einen der beiden

43 Punkte mehr als der Gegner auf 100

mit seinem auslaufenden Vertrag ist alles

Die Situation für „Scary Terry“

Spieler werden könnte, ist daher umso

Ballbesitze, das ist vollkommen absurd!

andere als optimal: Natürlich möchte er

*Auf 36 Minuten Spielzeit hochgerechnet

tragischer! Die Celtics haben mit Gordon

sich für einen hoch dotierten Kontrakt

Hayward und Kyrie Irving zwei hoch

Konstellation scheint es in den Playoffs

empfehlen, eine egoistischere Spielweise

** In Klammern steht der Rang unter allen Guards der Saison 2018/19. PER – Player Efficiency Rating, USG – Usage Rate, TS% – True Shooting Percentage, AST – Assistrate, RBR – Reboundrate

bezahlte Top-Spieler, die in den Playoffs

wahrscheinlicher, dass Jaylen Brown den

würde die Teamchemie jedoch zusehends

2018 als Kreativspieler ausfielen.

Vorzug vor Terry Rozier bekommt, da sein

in Gefahr bringen!

Spiel besser zum Spielstil der Starter

Rozier übrigens, wenn sie zusammen auf

passt. Er braucht den Ball weniger häufig,

on-One nicht wegen seiner Fähigkeiten,

dem Feld stehen. Die Celtics-Bank ist die

um effektiv zu spielen und für das Team

sondern weil er etwas besser zu den

drittbeste der NBA, und das liegt unter

einen Mehrwert zu generieren.

anderen Spielern passt!

Am besten spielen Brown und

Dennoch: In dieser Team-

Fazit: Brown gewinnt das One-

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onepager

Jake

Layman

Jumping Jake In seinem dritten Profijahr präsentiert sich Jake Layman als verlässlicher Rollenspieler, der den Portland Trail Blazers auf dem Flügel weiterhilft. Text: Christian Orban

W

ie schon in der Saison 2017/18 funktionieren die Trail Blazers, wenn die Starter – Damian Lillard, C.J. McCollum, Jusuf Nurkic, Al-Farouq Aminu und Maurice Harkless – zusammen auf dem Parkett stehen. Gleiches gilt, wenn Evan Turner für den defensivstarken Harkless als Small Forward aufläuft und als Playmaker agiert. Portlands Problem ist, dass beide Flügel unbeständig sind sowie als Scorer und Schützen kaum Gefahr ausstrahlen. An dieser Stelle kommt ein dritter Forward ins Spiel: Jake Layman, der diese Offensivqualitäten heuer verlässlich einbringt und sich in seinem dritten Profijahr exzellent einfügt. Findet sich der 25-Jährige gemeinsam mit Lillard, McCollum, Nurkic und Aminu auf dem Feld wieder, erzielt sein Team pro 100 Ballbesitze 10,4 Punkte mehr als der Gegner. Zudem steht Layman der Bank der Blazers, welcher es an Tiefe und Balance mangelt, mit seiner Effizienz gut zu Gesicht. So erzielt der ehemalige Zweitrundenpick in 18,1 Minuten pro Partie 7,9 Punkte und 2,9 Rebounds, während er eine beachtliche TrueShooting-Quote von 62,6 Prozent auflegt. Nicht zufällig durfte Layman 2018/19 bereits 25 Spiele starten (auch weil Harkless zeitweise verletzt ausfiel). Ein augenfälliger Kontrast zu

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seinen ersten beiden NBA-Jahren, die er bei 70 Kurzeinsätzen als Bankdrücker verbracht hatte. Was den 2,06-MeterMann aus Massachusetts dabei auszeichnet, ist die Tatsache, dass er als Komplementärspieler niemandem auf die Füße tritt und seine Stärken selbstbewusst ausspielt. Demnach agiert Layman abseits des Balles als williger Schütze, dessen Abschlüssen zu 85 Prozent ein Assist vorausgeht. Der Dreier fällt hierbei vom Flügel hochprozentig (39,8 3P%), aus den Ecken besteht jedoch Verbesserungsbedarf (25,0 3P%). Zugleich „schlängelt“ sich der dynamische Athlet wiederholt erfolgreich zum Korb durch, wo er rund 40 Prozent seiner Würfe nimmt und formidabel finisht (72,4 FG%). Denn „Snake“, wie seine Mitspieler und Coaches Layman nennen, ist ein cleverer Cutter, den die Blazers gezielt suchen und mit einstudierten Lobpässen bedienen. So hat der sprunggewaltige Swingman in 45 Spielen bereits 41 Dunks verwandelt. Gleichwohl wird ihm noch immer eine „heimliche Athletik“ zugeschrieben, was den unterschätzten Vertikalakrobaten indes kaum kümmert. „Ich denke, das rührt einfach daher, dass ich weiß bin“, gibt Layman schmunzelnd zu Protokoll. Im Angriff ist der vormalige Maryland Terrapin, der vier Jahre

am College blieb und dort seinen Abschluss in Amerikanistik machte, also ständig in Bewegung: Er schneidet durch die Zone, bringt sich in Position, stellt Blöcke und ist am offensiven Brett präsent. Nicht zufällig weist er im Kader der Blazers die höchste Durchschnittsgeschwindigkeit auf. Denn auch in der Defensive zeigt sich Layman als aktiver und lauffreudiger Ergänzungsspieler, der solide dagegenhält und mit seiner Länge häufig auch gegnerische Shooting Guards verteidigt. Überdies greift er am eigenen Brett annehmbar Rebounds ab. „Ich denke, es ist in dieser Liga sehr wichtig, deine Rolle zu verstehen“, betont Layman bescheiden. „Ich verstehe, dass ich nicht auf dem Feld stehe, um ins Eins-gegen-eins zu gehen. Ich bin im Spiel, um Screens zu setzen, Jungs zu bewachen, Plays abzuschließen und ein paar Offensivrebounds zu holen. Also einfach nur diese kleinen Dinge.“ Eine klar umrissene Nebenrolle, in der sich der 25-jährige Spätstarter merklich wohlfühlt und zum Teamerfolg der Blazers beiträgt. Kann Layman seine hocheffizienten Leistungen aufrechterhalten, dann dürfte der werdende Free Agent im kommenden Sommer ligaweit auf Interesse stoßen. redaktion@fivemag.de


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DeAndre’

Bembry

Flugbereit Nach schwerer Anfangszeit zeigt DeAndre’ Bembry im dritten Profijahr, dass er in die NBA gehört und bei den Atlanta Hawks eine Zukunft hat. Text: Christian Orban

Fotos: Scott Cunningham/Sam Forencich/NBAE via Getty Images

I

m Vorjahr erweckte DeAndre’ Bembry nicht den Eindruck, dass er bereit für die NBA ist. So verzeichnete der junge Swingman 2017/18 die zweithöchste Ballverlustrate aller Rotationsspieler, während er eine der niedrigsten TrueShooting-Quoten der Liga ablieferte. Erschwerend wurde der Zweitjahresprofi wiederholt von Verletzungen geplagt. Sein Straucheln auf dem Spielfeld war indes durchaus verständlich. Schließlich hatte Bembry den Tod seines jüngeren Bruders zu verkraften: Adrian Potts, der zugleich sein bester Freund war und im Sommer 2016 in Charlotte erschossen wurde. Eine unaufgeklärte Tragödie, die bereits Bembrys RookieSaison in Atlanta überschattet hatte. Um Potts’ Tod zu verarbeiten, hat der Hawks-Profi die gemeinnützige Organisation „AP World“ ins Leben gerufen, die das gesellschaftliche Großproblem der in den USA grassierenden Waffengewalt adressiert. Vor allem versteht sich Bembrys Initiative als Plattform für das Netzwerk der Hinterbliebenenfamilien, denen mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung zuteilwerden soll. Zuvorderst ist die Organisation in seiner Heimatstadt Charlotte und in Atlanta aktiv. In North Carolina war Bembry mit seinem Bruder in einer von Gewalt geprägten Umgebung aufgewachsen.

Die alleinerziehende Mutter brachte ihre Jungs sonach im Jugendalter nach New Jersey, wo beide die Highschool besuchten. In der Folge verdiente sich Bembry ein Stipendium der Saint Joseph’s University. Eine kleine, katholische Privatschule in Philadelphia, wo er drei Jahre verbrachte und sich als vielseitiger Flügelspieler einen Namen machte (15,7 Punkte, 6,7 Rebounds, 3,6 Assists im Schnitt). Mit dem 21. Pick der Draft holten die Hawks Bembry 2016 nach Georgia. Denn der spielstarke 1,98-Meter-Mann mit den langen Armen galt als prototypischer Forward, der an beiden Enden des Feldes Einfluss nehmen kann. Doch Bembry kam in einem tief besetzten Playoff-Team als NBA-Neuling zunächst kaum zum Einsatz. Zumal ihn der Tod seines Bruders nachhaltig beschäftigte und es ihm schwer machte, sich auf Basketball zu konzentrieren. Es folgte das besagte zweite Jahr, als er bei den im Neuaufbau begriffenen Hawks mehr Spielanteile erhielt, aber wiederum einige Partien in der G-League absolvierte und letzten Endes in nur 26 NBA-Spielen in Erscheinung trat. Nicht zuletzt als Dreierund-Defense-Spezialist. 2018/19 darf Bembry unter Neu-Trainer Lloyd Pierce nun endlich

zeigen, dass er mehr sein kann – nämlich ein vielseitiger und hilfreicher Akteur mit Starterpotenzial. 8,1 Punkte, 4,1 Rebounds, 2,5 Assists und 1,7 Stocks generiert er in rund 24 Einsatzminuten pro Abend. Dabei besticht der 24-Jährige, der alle drei Außenpositionen druckvoll zu decken vermag, als beständigster und bester Verteidiger der Hawks. Auch hat Bembry sein Spiel als dribbelstarker Ballführer aufpoliert. So sucht er seine Mitspieler und selbst wiederholt den Weg zum Korb, wo er gut die Hälfte seiner Abschlüsse nimmt und mit beiden Händen am Ring solide finisht (58,3 FG%). Zudem fühlt sich der agile Athlet im Schnellangriff wohl, während er den noch sehr wackligen Dreier (28,9 3P%) heuer wenigstens mit mehr Selbstvertrauen anbringt. Bembry ist demnach unter erschwerten Umständen in der Liga angekommen. Zwar verliert er noch immer zu oft den Ball und muss weiterhin am Wurf arbeiten – doch er agiert zugleich als befähigter Flügel, der für sich und andere kreieren, im Raum verteidigen sowie von Downtown treffen kann. Gelingt es Bembry, diese ligaweit gefragten Fähigkeiten weiterzuentwickeln und seine Leistungen zu stabilisieren, könnte er für Atlanta zu einem wichtigen Zukunftsspieler avancieren. redaktion@fivemag.de

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1-on-1-event

YOU

CAN’T

TEACH

HEART

c/o

Berlin

BERLINER NACHWUCHSTALENT MARC WILLIAM FRIEDERICI GEWINNT 1-ON-1BASKETBALLTURNIER VON KICKZ Anlässlich des Launches des revolutionären, selbstschnürenden Basketballschuhs „Nike Adapt BB“ veranstaltete KICKZ Anfang Februar ein bisher noch nicht erlebtes 1-on-1Basketballturnier im Berliner E-Werk. Der offene Shootout war die erste Challenge, der sich die Teilnehmer stellen mussten. Von 80 Ballern qualifizierten sich am Ende acht Jungs, die gegen die von KICKZ zuvor gesetzten Fotos: KICKZ

Herausforderer im 1-on-1 antreten durften. Text: Hermann Wolitzki

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S

owohl die „KICKZ-Athleten“ als auch die acht Spieler des Shootouts konnten den streng limitierten Basketballschuh zum Zocken ausprobieren. Die neueste Innovation von Nike, der „Nike Adapt BB“, passt sich auf Knopfdruck individuell an jede Fußform an, um jederzeit eine perfekte Passform zu garantieren … egal, ob du ein athletisches Beast bist wie LeBron James, ein Kraftpaket wie Shaq oder ein Run-and-Gun-Baller mit schnellen Handles wie Steph Curry. Laut Hersteller ist der Schuh das bisher meistgetestete Produkt und auf jeden Basketballer individuell anpassbar.


Das Berliner Nachwuchstalent Marc William Friederici war das ganze Turnier über ziemlich konstant als Shooter unterwegs. Dank seiner Treffsicherheit konnte er sich dann auch im Finale durchsetzen und den mit 1.500 Euro dotierten KICKZ-Gutschein sowie den neuen „Nike Adapt BB“ mitnehmen. Congrats, Marc!

Ob der Schuh das Game der Spieler optimiert hat, wissen wir leider nicht. Aber wie vom 1-on-1 im Basketball gewohnt, braucht es nicht nur Skills und Talent, sondern auch eine gute Portion Willensstärke und Kampfgeist. Diese Einstellung zeigten auf jeden Fall alle Teilnehmer auf dem Parkett. Ganz nach dem Motto „You can’t teach heart“. In Anlehnung an den „Nike Adapt BB“, der die Zukunft des BasketballGames verkörpert, präsentierte sich auch die Event-Location. Das E-Werk erleuchtete in futuristischer Atmosphäre, was vor allem bei den rund 200 Zuschauern gut ankam.

Dank HipHop-Beats von DJ Shorty und Host „Faris The Fericious“ kam eine perfekte urbane Stimmung zustande, und die spannenden Duelle wurden zusätzlich angeheizt. Das Publikum konnte sich spätestens nach dem Viertelfinale nicht mehr auf den Sitzen halten. Freche Steals, spektakuläre Dunkings und kreatives Ballhandling – für jeden Basketball-Liebhaber war etwas dabei.

19


cover

NBA-Lineups

2018/19

NBA-Lineups 2018/19

Während sich die reguläre Saison in der NBA dem Ende zuneigt, rückt bei den Teams immer stärker die Vorbereitung auf die Playoffs in den Vordergrund. Welche Spielerpaarungen funktionieren? Bei welchen Aufstellungen hakt es? FIVE präsentiert an dieser Stelle die besten Lineups der NBA und erklärt, was sie stark macht, wo es Optimierungsbedarf gibt und wer die Beste Fünf auf das Feld stellen kann! Text: André Voigt 20


zu den Aufstellungen, die dieses Jahr noch wichtig werden könnten … Diejenigen, welche die zehn besten Offensivratings auflegten, finden sich in der Tabelle auf Seite 23. Zwei davon stellen die Toronto Raptors, die an zweiter und neunter Position rangieren. Der Unterschied zwischen den beiden Lineups? Kawhi Leonard bzw. Kyle Lowry. Der Ex-Spur steht bei der zweitbesten Formation dieser Kategorie an der Seite von Fred VanFleet, Danny Green, Pascal Siakam und Serge Ibaka auf dem Court. Das ist bemerkenswert, fehlt doch

Die Erste Fünf Torontos erzielt also 17,5 Zähler mehr als die Konkurrenz. Eine bemerkenswerte Statistik, denn diese Startformation absolvierte 172 ihrer 182 Minuten im ersten Viertel und damit gegen die vermeintlich stärksten Formationen der Gegner. Ebenfalls dank dieser Liste klar ersichtlich: Dass Celtics-Coach Brad Stevens seine Erste Fünf nach durchwachsenen Ergebnissen änderte, war die goldrichtige Entscheidung. Seine vermeintlich beste Aufstellung bestehend aus Kyrie Irving, Jaylen Brown, Jayson

Net-Rating. Wer macht auf 100 Ballbesitze gesehen mehr Punkte als der Gegner? Wenige gespielte Minuten können zudem ein Ergebnis schnell verfälschen. Deshalb haben wir an dieser Stelle nur die Lineups erhoben, die zum All-StarBreak mindestens 100 Minuten auf dem Feld absolvierten und bei denen keiner der Protagonisten das Team mittlerweile verlassen oder sich katastrophal verletzt hat … oder Anthony Davis heißt. Denn: Das Lineup mit dem besten Offensivrating 2018/19 stellten die New Orleans Pelicans. Elfrid Payton, Jrue Holiday, E’Twaun Moore, Julius Randle und eben Davis legten ein Offensivrating von 129,5 Punkten hin und erzielten auf 100 Ballbesitze gerechnet 23,1 Zähler mehr als die Gegner! Schade eigentlich, dass a) Payton früh in der Saison einige Wochen verletzt ausfiel und b) Davis einen Trade zu den Lakers erzwingen wollte. Aber zurück

der Starter auf der Eins. An neunter Stelle findet sich das gleiche Lineup, nur eben mit Lowry anstelle von Leonard. Vor allem ein Unterschied fällt beim Vergleich der beiden RaptorsVersionen auf: Mit Leonard werden 54,5 Prozent der Körbe mit einem Assist vorbereitet. Bildet Lowry mit VanFleet ein Point-Guard-Duo, schnellt diese Kennzahl auf 74,1 Prozent – das ist der Bestwert unter allen Lineups, die mindestens 150 Minuten absolviert hatten. Insgesamt assistieren die Raptoren sich 2018/19 in nur 58,5 Prozent der Korberfolge und rangieren hier auf dem 20. Platz in der Liga. Die Version mit Leonard legt außerdem das beste Net-Rating der erhobenen Raptors-Lineups auf. Beim NetRating werden von den auf 100 Ballbesitze gerechneten Punkten die abgezogen, die der Gegner erzielt.

Tatum, Gordon Hayward sowie Al Horford legt in 140 Minuten ein Net-Rating von minus 2,8 Punkten sowie ein Offensivrating von nur 92,0 auf. Die neue Erste Fünf bestehend aus Irving, Marcus Smart, Taytum, Marcus Morris und Horford? 117,0 Punkte werden erzielt, 11,9 mehr als die Konkurrenz. Allerdings dürfte Stevens seine Starting Five bis zu den Playoffs genau beäugen und versuchen, sie offensiv zu erwecken. Der Grund: Defensiv war sie bisher die zweitstärkste der Celtics. Das Defensivrating von 94,8 legten Irving, Tatum und Co. gegen die Starter der Konkurrenz auf …

Erfolgreiche Unbekannte

Drei Lineups auf dieser Liste dürfte im Gegensatz zu denen der Raptors und Celtics aber kaum jemand dort erwartet haben … Da wären zunächst die Portland

21

Fotos: Sarah Stier/Getty Images

E

igentlich ist es ja einfach, das beste Lineup der NBA zu krönen: Wer das beste Offensivrating auflegt, gewinnt! Sprich: Wer auf 100 Ballbesitze gerechnet die meisten Punkte erzielt, ist die Nummer eins in einer vom Angriff dominierten Liga! Allerdings muss natürlich der Kontext beachtet werden. Da wäre auch das eigene Ende des Parketts. Was nutzt die beste Offensive, wenn hinten der Gegner fröhlich zu freien Korblegern oder Dreiern eingeladen wird? Deshalb lohnt sich an dieser Stelle der Blick auf das


Fotos:Garrett Ellwood/NBAE via Getty Images

cover

NBA-Lineups

Trail Blazers mit Damian Lillard, C.J. McCollum, Al-Farouq Aminu, Jake Layman und Jusuf Nurkic. Sie warten mit zwei der unwahrscheinlichsten Akteure dieser Liste auf: Aminu und Layman. Beide treffen ihre Dreier, sind variabel auf dem Flügel einsetzbar und ergänzen die drei Topscorer an ihrer Seite exzellent. Trotzdem sind sie längst nicht jedem NBA-Fan ein Begriff. Ähnliches dürfte für das Quintett gelten, welches für die Pacers sogar auf dem vierten Platz rangiert. Denn diese Aufstellung kommt nicht nur ohne den verletzten Victor Oladipo aus. Cory Joseph, Tyreke Evans, Doug McDermott, Thad Young und Domantas Sabonis starteten in dieser Saison 81 Partien … wenn alle Starting-Five-Einsätze zusammengerechnet werden. 58 davon entfallen allein auf Young. Die Art und Weise, wie diese Profis im Verbund Erfolg haben, ist bemerkenswert. Das Defensivrating von 94,4 ist extrem gut, gleichzeitig gelangen dieser Aufstellung in 139 Minuten Spielzeit nur sieben Blocks, und die defensive Reboundrate rangiert an 81. Stelle unter 94

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2018/19

Lineups, die mehr als 100 Minuten auf dem Tacho haben. Hinzu kommt der Umstand, dass Doug McDermott auch diese Saison ein klarer Minusverteidiger ist. Die anderen vier jedoch sind eine derart eingeschworene Defensivgemeinschaft, dass die Konkurrenz nicht über eine Feldwurfquote von 41,2 Prozent hinauskommt und an der Dreierlinie nur 27,0 Prozent trifft. Diese Pacers verursachen wenige Freiwürfe, produzieren kaum eigene Ballverluste und erlauben damit keine leichten Körbe des Gegners. Ach, und gegnerische Turnovers erzwingen sie auch noch. Diese Aufstellung ist eine der diszipliniertesten der NBA. Das zeigt sich auch im Angriff, wo diese Fünf die mit Abstand höchste Reboundrate am offensiven Brett liefert – die nur durchschnittliche Dreierquote und das Fehlen eines absoluten Superstars werden also durch zweite oder sogar dritte Chancen kompensiert. Eine Frage muss allerdings erlaubt sein: Wie gut wären die Zahlen, wenn dieses Lineup mehr Minuten gegangen wäre? Vielleicht beantwortet sie sich ja in den Playoffs. Im vierten Viertel

funktioniert es jedenfalls auch in der regulären Saison (siehe Kasten). Die Timberwolves dürften nur mit einem fulminanten Schlussspurt überhaupt in die Postseason einziehen, wahrscheinlich ist das nach einem turbulenten Saisonverlauf eher nicht. Doch wer weiß, vielleicht lässt Coach Ryan Saunders ja Jeff Teague, Derrick Rose, Andrew Wiggins, Taj Gibson und Karl-Anthony Towns von der Kette? Defensiv gehören diese Profis zwar nicht zur Crème de la Crème, aber das Tempo, das die Herren anschlagen, ist rasant. Nur drei andere Lineups mit mindestens 100 Minuten schlagen eine höhere Pace an, unter diesen legt nur das „Lineup of Megadeath“ der Warriors (dazu später mehr) ein besseres Net-Rating auf. In Sachen Punkte auf 100 Ballbesitze gerechnet bleibt aber sogar das Prunkstück des Meisters hinter den T-Wolves zurück. Das Problem der Tempomacher aus dem Land der 10.000 Seen? Die Defense, wo zu viele Freiwürfe produziert werden. Kommen wir schließlich zu den Thunder und Nuggets. Bei Oklahoma City fällt sofort ins Auge, dass Russell Westbrook fehlt. Das ist allerdings kein Hinweis darauf, dass er die anderen vier Mitglieder der Aufstellung zurückhält. Immerhin stand er mit ihnen 602 Minuten auf dem Feld: der mit großem Abstand höchste Wert aller erhobenen Lineups. Die Starting Five der Thunder produziert auch. Das Net-Rating liegt bei 13,6 Punkten. Ersetzt dann Schröder den Ex-MVP, sinkt zwar das Tempo, dafür klettert das NetRating auf den zweitbesten Wert ligaweit. Diesen zweiten Rang teilen sich die Thunder mit den Denver Nuggets. Jamal Murray, Malik Beasley, Torrey Craig, Paul Millsap und Nikola Jokic: dass diese Fünf das beste Offensivrating der Liga auflegt (wie gesagt: mindestens 100 absolvierte Minuten), ist erstaunlich. Immerhin treffen Jokic (30,8 3P%) und Craig (29,5) ihre 6,3 pro Partie abgefeuerten Dreier nicht wirklich. In dieser Zusammenstellung passt aber irgendwie alles. Bis auf die disqualifizierten New Orleans Pelicans (51,9 Prozent … danke, Davis!!!) trifft kein Lineup besser von Downtown als dieses. Und wie die Dreier bei den Nuggets in dieser Kombination fliegen: 5,9 Versuche pro Partie bei 46,1 Prozent Trefferquote! All das ist möglich, weil der Ball zielsicher durch die Reihen der Goldstücke zum freien Mann läuft. Geht der Ball daneben, greift Denver häufig den Offensivrebound. Hinter den schon erwähnten Pacers legen die Nuggets die zweitbeste offensive Reboundrate aufs Parkett – werden beide Enden des Feldes addiert, ist kein Lineup besser. Viele Pässe, sichere Dreier und massig zweite Wurfchancen: So gleichen Jokic und seine Nebenleute die sehr langsame Spielgeschwindigkeit aus. Aber kommen wir zu dem Team mit DEM Lineup …


DIE BESTEN OFFENSIV-LINEUPS RANG LINEUP TEAM SP MIN ORTG DRTG NETRTG EFG% PACE* 1. Murray, Beasley, Craig, Millsap, Jokic DEN 15 140 126,0 101,7 24,3 59,4 99,1 2. VanVleet, Green, Leonard, Siakam, Ibaka TOR 15 182 122,7 105,2 17,5 58,8 100,7 3. Curry, Thompson, Durant, Green, Looney GSW 34 275 122,0 106,0 16,0 60,4 107,0 4. Joseph, Evans, McDermott, Young, Sabonis IND 25 139 121,5 94,4 27,2 59,1 100,8 5. Schrรถder, Ferguson, George, Grant, Adams OKC 17 119 118,0 93,8 24,3 56,9 102,6 6. Teague, Rose, Wiggins, Gibson, Towns MIN 21 117 117,9 104,9 13,1 60,0 110,2 7. Irving, Smart, Tatum, Morris, Horford BOS 31 343 117,0 105,0 11,9 60,0 102,9 8. Curry, Thompson, Durant, Green, Jones GSW 11 142 115,8 109,5 6,2 64,8 105,5 9. Lowry, VanVleet, Green, Siakam, Ibaka TOR 19 187 115,6 102,1 13,5 57,4 99,7 10. Lillard, McCollum, Layman, Aminu, Nurkic POR 37 368 115,3 105,2 10,0 56,8 102,1 23


NBA-Lineups

2018/19

Das Lineup of (Mega-)Death in Zahlen

Megadeath oder Boogie?

REGULÄRE SAISON GESAMT SP 2018/19 27 2017/18 28 2016/17 46 2015/16 37

MIN 128 127 224 172

ORTG 115,2 116,1 119,5 132,8

DRTG 98,7 112,6 96,3 94,2

NETRTG* 17,5 3,5 23,2 38,6

PLAYOFFS GESAMT 2017/18 2016/17 2015/16

MIN 129 65 125

ORTG 119,7 122,4 99,6

DRTG 95,9 100,0 103,3

NETRTG* 23,8 22,4 -3,7

SP 9 13 17

NBA-FINALS Gesamt MPG NETRTG JAHR** 4,8 33,7 2018 (4) 6,6 35,8 2017 (5) 7,6 -6,3 2016 (7) 11,7 21,9 2015 (6) Warriors wurden Meister

4. Viertel NETRTG MPG* 41,3 3,3 37,9 3,8 7,4 2,0 42,9 3,0

*SP – Spiele, MIN – Minuten gesamt, MPG – Minuten pro Partie, ORTG – Offensivrating, DRTG – Defensivrating, NETRTG – Net-Rating, EFG% – effektive Feldwurfquote (Zweier und Dreier werden gewichtet eingerechnet), PACE – Spielgeschwindigkeit **Anzahl der Final-Spiele

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Steph Curry, Klay Thompson, Andre Iguodala, Kevin Durant und Draymond Green – so liest sich seit dem Sommer 2016 der Albtraum jedes NBA-PlayoffTeams. Das „Lineup of Megadeath“ war der Gotteshammer von Warriors-Coach Steve Kerr. Wann immer es nötig wurde, schlug er ihn aufs Parkett, der dann entfachte Offensivsturm riss die hilflose Konkurrenz einfach hinfort. Als Erstes mussten dies die Cleveland Cavaliers erfahren – damals in den Finals 2015, als Kerr anstelle von Durant noch Harrison Barnes mit den vier anderen sogar starten ließ und so die Serie entschied. Das „Lineup of Death“ erzielte in diesen Finals auf 100 Ballbesitze gerechnet 21,9 Punkte mehr als Cleveland – im vierten Viertel waren es sogar 42,9 Zähler! 2016 jedoch versagte das Prunkstück der Warriors ausgerechnet in den Finals, was die Entscheidung zur Verpflichtung von Kevin Durant im folgenden Sommer beeinflusst haben dürfte … Auch 2017 und 2018 machte diese Aufstellung nicht nur in den Endspielen den Unterschied, sondern in den gesamten Playoffs. Dabei hatte das Team nach der Ankunft Durants während der regulären Saison einige Anlaufprobleme, weil die Hierarchie im Angriff lange nicht völlig klar war. Mit Curry, Thompson und Durant finden sich drei der besten Schützen der Liga gleichzeitig auf dem Parkett – von keinem von ihnen kann auch nur einen Meter gefahrlos abgesunken werden. Mit Green und Iguodala werden sie durch extrem intelligente Playmaker sowie Verteidiger ergänzt. Deren Dreier wackelt zwar immer wieder – ein Umstand, den sie durch ihre unglaubliche Variabilität am eigenen Korb und ihre Qualitäten als Vorbereiter wettmachen. Sie machen das „Lineup of Megadeath“ defensiv ultravariabel. Jeder Block kann geswitcht werden, ohne ein allzu großes Mismatch nach sich zu ziehen. Einzig Curry ist angreifbar, wenn er von einem bulligen Dribbler à la LeBron James oder James Harden attackiert wird. Doch auch in diesem Fall steht eine Menge Hilfe für ihn bereit. Liest sich fast perfekt, und das war es in der Vergangenheit auch immer mal wieder. Nur: Nach vier Finalteilnahmen in Folge und drei Titeln in vier Jahren sind die Protagonisten satt. Nicht in dem Sinne, dass sie keine Höchstleistungen mehr bringen können, sondern in dem Sinne, dass sie schlampig agieren. Ihren Fabelquoten von 51,3 Prozent aus dem Feld und 41,8 Prozent von der Dreierlinie stehen viel zu viele Ballverluste gegenüber. Das „Lineup of Megadeath“ ist das sprichwörtliche Pferd, das gerade so das Hindernis überspringt. Seit Februar ist bei den Warriors aber auch DeMarcus Cousins spielbereit.

Fotos: Ezra Shaw/Getty Images

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Closer-Lineups Crunchtime? Am besten ist natürlich, wenn es gar nicht dazu kommt! Diese Lineups sollen dafür sorgen. Es sind die, die bei den besten Teams der Association im vierten Viertel am meisten Minuten bekommen. Auffällig ist natürlich auf den ersten Blick die unfassbare Dominanz der Ersten Fünf der Milwaukee Bucks. In allen Vierteln erzielt sie 2018/19 gerade mal 8,2 Punkte mehr als der Gegner … liegt das Geld aber auf dem Tisch, preschen die Hirsche los. Die Starter von Coach Budenholzer legen sogar das beste Offensiv- und Defensivrating auf. Kein Wunder, dass sie ihre Partien diese Saison im Schnitt mit 9,8 Zählern Unterschied gewinnen.

Bei den zweitplatzierten Nuggets fällt das Fehlen von Nikola Jokic auf. Der All Star fehlt sogar in den beiden Lineups, die von Coach Mike Malone das meiste Vertrauen im Schlussdurchgang bekommen. Diese Formationen legen elitäre Defensivwerte mit Mason Plumlee auf Center auf. Ebenfalls interessant: Das mit großem Abstand meiste Vertrauen in eine Formation hat Quin Snyder, der Headcoach der Utah Jazz. Die 120 Minuten seines Closing-Lineups bedeuten Ligahöchstwert. Spannend wird die Entwicklung in Oklahoma City sein. Von den sechs Lineups, die im vierten Viertel bisher

die meisten Minuten bekamen, legten nur zwei ein positives Net-Rating von mindestens 10,0 Punkten hin. In keinem von ihnen stand Russell Westbrook. Das homogenste Gespann scheint aus Schröder, Ferguson, George, Grant und Adams zu bestehen. Sie legen ein Net-Rating von 32,1 hin, 64,7 Prozent der Körbe werden vorbereitet. Mindestens genauso spannend: Wer wird in Philadelphia am Ende spielen … bzw. wie gut können Ben Simmons, J.J. Redick, Jimmy Butler, Tobias Harris und Joel Embiid sein? Die neue „Big Four“ hatte zu Redaktionsschluss gerade 15 Minuten im vierten Viertel absolviert … mit einem Net-Rating von 53,3!

RANG LINEUP TEAM SP MIN ORTG DRTG NETRTG EFG% PACE* 1. Bledsoe, Brogdon, Middleton, Giannis, Lopez MIL 21 58 126,6 80,6 46,0 63,6 112,6 2. Morris, Murray, Beasley, Lyles, Plumlee DEN 14 61 109,2 82,1 27,2 48,3 93,0 3. Irving, Smart, Tatum, Morris, Horford BOS 16 38 113,6 92,0 21,7 63,3 111,4 4. Curry, Thompson, Iguodala, Durant, Green GSW 13 44 111,4 90,4 21,0 56,1 114,7 5. Joseph, Evans, McDermott, Young, Sabonis IND 17 51 121,3 104,0 17,3 60,9 97,4 6. Rubio, Mitchell, Ingles, Crowder, Gobert UTA 26 120 117,8 105,6 12,3 56,4 107,6 7. Harden, Rivers, Green, Tucker, Capela HOU 8 37 101,2 93,9 7,3 46,1 105,1 8. Westbrook, Schröder, George, Grant, Adams OKC 23 91 120,0 112,8 7,2 59,6 112,2 9. Lowry, Green, Leonard, Siakam, Ibaka TOR 16 61 109,9 106,0 3,9 51,4 103,5 10. Lillard, McCollum, Turner, Aminu, Nurkic POR 18 72 104,1 108,1 -3,9 47,9 97,9

Wird Kerr also auch sein berüchtigtes Lineup ändern? Bisher gibt es dafür kaum Anzeichen. In den ersten neun Partien des All-Star-Centers bei den Warriors ließ der Coach die Formation Curry, Thompson, Durant, Green und Cousins zwar 112 Minuten aufs Parkett – davon indes nur vier Minuten im vierten Viertel, und diese kamen in einer einzigen Partie. Sechs von diesen neun Spielen wurden mit zehn oder weniger Punkten entschieden. Interessant dabei: Die Aufstellung mit Cousins legte ein Net-Rating von 0,0 auf – die Warriors erzielten also auf 100 Ballbesitze gerechnet genauso viele Punkte wie ihre Gegner, wenn das Fünf-All-StarsLineup spielte. Unter allen Lineups, die mindestens 100 Minuten absolviert hatten, legten die „Boogie“-Warriors allerdings einen Bestwert mit einer unfassbaren Assistquote von 84,1

Prozent auf – 84,1 Prozent der Körbe wurden mit einem Pass vorbereitet. Auch wenn der Erhebungszeitraum natürlich sehr kurz ist, Cousins nach überstandenem Achillessehnenriss noch immer nach seiner Topform sucht und seine Minuten vom Team limitiert wurden: Kerr wird wohl auch in den Playoffs 2019 auf sein bewährtes Quintett vertrauen, wenn es hart auf hart kommt. Bei aller Qualität ist Cousins defensiv nicht so variabel, sein Dreier fällt bisher nicht. Da Iguodala jedoch für ihn grandios starke 37,0 Prozent von Downtown verwandelt, dürfte er mit den vier Startern spielen – auch weil Green defensiv unverzichtbar ist. Aber wer weiß: Findet Cousins bis April seine Topform, kann es gut sein, dass die Warriors ihr Edel-Quintett im Schlussviertel gar nicht so oft brauchen …

Auf jeden Fall dürfte Steve Kerr einen Luxus genießen, um den ihn seine 29 Kollegen beneiden … Er muss sich zwischen den vermeintlich beiden besten Lineups der Liga entscheiden. Nirgendwo anders findet sich in der NBA 2018/19 eine Formation, die keine klaren Schwachstellen aufweist, die gegnerische Coaches angreifen können. Überall finden sich entweder schwache Verteidiger oder wurfschwache Angreifer, die in der regulären Saison wenig ins Gewicht fallen, wenn sich die Konkurrenz nicht penibel auf sie vorbereiten und dafür trainieren kann. In den Playoffs wird das anders aussehen. Und vielleicht haben sich bis dahin auch die neue „Big Four“ der Sixers mit Tobias Harris und Bostons avisierte Top-Formation eingespielt. Bis es aber so weit ist, stehen die Warriors wieder mal ganz oben … dre@fivemag.de

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Most

Improved

Players

2018/19

Stillstand ist Rückschritt

Die Auszeichnung „Most Improved Player“ soll den Spieler ehren, der innerhalb eines Jahres den größten Leistungssprung gemacht hat. Nur einer kann bekanntlich gewinnen – obwohl mehr als ein Dutzend diesen Award verdient hätten. FIVE hat die aussichtsreichsten Kandidaten der Saison 2018/19 analysiert. Text: Sebastian Dumitru

W

as ist ein „Most Improved Player“? Im Grunde geht es darum, den Spieler zu ehren, der in der abgelaufenen Saison den größten Leistungssprung gemacht hat. Unzählige Jungprofis nutzten den „MIP“-Award als Sprungbrett zu einer All-Star- oder All-NBA-Karriere. Kevin Johnson, Tracy McGrady, Jermaine O’Neal, Kevin Love, Paul George, Jimmy Butler, Giannis Antetokounmpo und Victor Oladipo

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sind nur einige der Namen, die vor ihrem Aufstieg zum Star zunächst als „Most Improved Player“ ausgezeichnet wurden. Die Definition, was genau „sich am meisten verbessert“ bei einem Akteur bedeutet, bleibt aber so subjektiv und schwammig wie eigentlich alle Awards in der NBA. Oder anders: Es gibt keine. Wer hat sich mehr verbessert? Ist es Spieler X, der seinen Scoring- und Assist-Schnitt pro Spiel

gesteigert hat? Oder Spieler Y, der in einer neuen Situation doppelt so viele Minuten sieht und fast gar nicht anders kann, als beeindruckendere Statistiken aufzulegen? Oder Spieler Z, der erst in seinem zweiten Profijahr ist und von dem spielerische Fortschritte eigentlich erwartet werden müssen? Wir haben alle Kandidaten in dieser Saison gecheckt und verraten, wer unser „Most Improved Player“ ist (Spoiler: ein Zweitjahresprofi ist es nicht).


Pascal Siakam

Fotos: Ron Turenne/Ron Hoskins/NBAE via Getty Images

24 JAHRE, PF, TORONTO RAPTORS STATS 2018/19: 18,4 PTS, 8,0 REB, 3,2 AST, 62,6 TS%, 18,6 PER, 19,9 USG% STATS 2017/18: 12,6 PTS, 7,8 REB, 3,4 AST, 54,9 TS%, 14,5 PER, 15,7 USG%*

Sollte in den verbleibenden knapp 25 Partien nichts Außergewöhnliches mehr passieren, ist Pascal Siakam der Gewinner dieses Awards. Der ehemalige G-LeagueChampion und Bank-Energizer der Toronto Raptors nutzte die Gelegenheit, unter seinem ehemaligen Förderer und heutigen Headcoach Nick Nurse spielen zu dürfen, der ihn zum Starter ernannte. Nurse weiß selbst am besten, wie vielseitig der mobile Flügel sein kann. Egal ob als Verteidiger für alle fünf Positionen, Finisher oder Vorbereiter mit viel Übersicht – Siakams Spiel ist auf einem neuen Level angelangt. Eines, das suggeriert, dass hier vielleicht der nächste Franchise-Player der „Dinos“ heranreift. Scoring-Schnitt, Rebounding, Passspiel, Wurfgenauigkeit und Selbstbewusstsein als Playmaker zeigen sich nicht marginal, sondern enorm verbessert. „Ich hatte das ‚Benchmob-Ding‘ ein bisschen satt“, sagte Siakam vor der Saison. „Es war cool vergangenes Jahr. Aber ich will spielen, egal in welcher Rolle.“ Wenige Monate später findet der Two-Way-Player seinen Namen in zahlreichen Offense- und DefenseRanglisten wieder, wäre um ein Haar All Star geworden und ist Torontos Geheimwaffe im Kampf um die Ost-Krone. *Alle Statistiken auf 36 Minuten Spielzeit hochgerechnet

Buddy Hield

26 JAHRE, SG, SACRAMENTO KINGS STATS 2018/19: 19,2 PTS, 5,5 REB, 2,8 AST, 60,4 TS%, 17,6 PER, 10,0 TO% STATS 2017/18: 23,3 PTS, 5,8 REB, 2,6 AST, 55,7 TS%, 16,1 PER, 11,3 TO%

Wisst ihr noch, als Buddy Hield im Trade für DeMarcus Cousins aus New Orleans kam und belächelt wurde? Es war natürlich nicht seine Schuld, dass ihn Kings-Besitzer Vivek Ranadivé damals als Steph-Curry-Klon titulierte – eine Messlatte, die jeden Shooting Guard schlecht aussehen ließe. Tatsache ist aber, dass Sacramento heute der klare Gewinner des Trades ist – und Hield einer der Top-Kandidaten auf die MIP-Trophäe 2019. Karrierebestmarken in allen wichtigen Kategorien, die höchste Durchschnittsgeschwindigkeit aller Rotationsspieler ligaweit und elitäre Dreierwerte (Top 5 bei den Versuchen, Treffern und der Quote) haben aus dem 26-Jährigen Sacramentos produktivsten Akteur gemacht. Nachdem er im Vorjahr nur zwölf Mal von Beginn an auflaufen durfte, hat der Edelschütze sein Spiel als Starter des Überraschungsteams schlechthin auf ein ungeahntes Level gehievt.

Domantas Sabonis

22 JAHRE, PF/C, INDIANA PACERS STATS 2018/19: 20,4 PTS, 13,4 REB, 4,0 AST, 64,9 TS%, 22,5 PER, 23,0 USG% STATS 2017/18: 17,1 PTS, 11,4 REB, 3,0 AST, 56,7 TS%, 17,5 PER, 22,1 USG%

Schon im Vorjahr zeigte Domantas Sabonis, dass sein NBA-Start in OKC kein guter Maßstab für seine Karriere war. Bei den Pacers hat der 22-Jährige seine Rolle gefunden – und interpretiert sie in dieser Saison auf absolut hohem Niveau. Nur knapp am Double-Double vorbeischrammend, gilt der Litauer neben seinen Ambitionen auf den MIP-Award ebenso als realistischer Kandidat für die „Sixth Man of the Year“-Auszeichnung. Denn: Von seinen bisher 56 Partien hat er nur fünf als Starter absolviert. Seine Treffsicherheit ist bemerkenswert (65 Prozent True Shooting), genauso wie seine Passgenauigkeit im System von Coach Nate McMillan. Direkt am Korb ist er ohnehin nicht zu stoppen, trifft dort absurde 77 Prozent seiner Würfe. Dabei haben sich Nutzungsrate, Einsatzzeit oder Sabonis’ Stellung in der Hierarchie der Pacers nicht verändert – im Gegensatz zu anderen MIP-Kandidaten. Er ist ganz einfach besser und effizienter geworden. Ehrlicher geht es nicht.

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Fotos: Juan Ocampo/Garrett W. Ellwood/Randy Belice/Jesse D. Garrabrant/Jonathan Bachman/Issac Baldizon/NBAE via Getty Images

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Most

Improved

Players

2018/19

Jamal Murray

22 JAHRE, PG/SG, DENVER NUGGETS STATS 2018/19: 19,6 PTS, 4,6 REB, 5,4 AST, 52,7 TS%, 15,0 PER, 22,8 USG% STATS 2017/18: 19,0 PTS, 4,2 REB, 3,8 AST, 57,6 TS%, 16,1 PER, 25,2 USG%

Es gibt gewiss geeignetere Kandidaten als Jamal Murray. Seine Trefferquote aus dem Feld ist gesunken, seine Werte sind im Großen und Ganzen konstant geblieben. Diesen Eindruck bestätigt auch der Blick auf die fortgeschrittenen Statistiken: schlechtere True-ShootingQuote, niedrigerer Player-Efficiency-Wert, weniger von ihm genutzte Ballbesitze (Usage Rate). Warum ist Murray dann auf dieser Liste gelandet? Und warum ist er für das zweitbeste Team im Westen wichtiger geworden? Weil er als Spielmacher einen großen Sprung gemacht hat. Er ist zweitbester Scorer und Passgeber der Nuggets und kreiert mehr als je zuvor aus dem Dribbling. Nur zehn andere Spieler ligaweit erreichen wie Murray mindestens 18 Punkte, fünf Assists und den Ligadurchschnitt von der Dreierlinie (35,5 Prozent). Eigentlich kam der Kanadier als potenziell sicherer Dreierschütze in die Association – eine Fähigkeit, die er bisher noch nicht konstant demonstrieren konnte. Dass er auch ohne seinen Distanzwurf so effektiv geworden ist, freut die Verantwortlichen in der „Mile High City“ sehr.

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Zach LaVine

Montrezl Harrell

Auch Zach LaVine hat weder eine neue Fähigkeit entdeckt noch eine alte in unerwartete Sphären gehievt. Der zweifache Slam-Dunk-Champion hat nach seinem Kreuzbandriss und den anschließenden Startschwierigkeiten in der Vorsaison einfach nur zurück in die Spur gefunden, die für ihn ohnehin vorherbestimmt schien. Der 23-Jährige wird in dieser Saison vermutlich mehr Partien absolvieren als in den vergangenen zwei Jahren zusammengenommen (71). LaVine erzielt 23,0 Punkte im Schnitt, weil er die Anzahl seiner Dreierversuche reduziert hat und aggressiver denn je zum Korb zieht. Sowohl seine Freiwurfversuche im Schnitt (5,7) als auch seine Freiwurfrate (32,3 Prozent) sind so hoch wie noch nie – Beweis für die vollständige Rückkehr seiner Athletik und des Vertrauens in seinen Körper.

Für Montrezl Harrell gilt Ähnliches wie für Jamal Murray: Seine Argumente für den MIP-Award sind nicht nachhaltig genug. Ein simpler Blick auf die auf 36 Minuten genormten Werte zeigt sofort: Seine Produktivität und seine Effizienz sind fast gleich geblieben – bis auf die häufigeren Trips an die Freiwurflinie und einen höheren Box-Plus-Minus-Wert. Weil sich Harrell dank seines unermüdlichen Naturells jedoch fast zehn Einsatzminuten mehr verdient hat, ist sein allabendlicher Output in die Höhe geschnellt: Punkte, Rebounds, Assists, Steals und Blocks sind in Jahr vier auf dem höchsten Stand seiner bisherigen Karriere angekommen. Dabei liefert Harrell immer noch unglaubliche Treffsicherheit aus dem Feld. Seine 64,5 Prozent True Shooting liegen fast zehn Prozent höher als der Ligadurchschnitt in dieser Saison.

23 JAHRE, SG, CHICAGO BULLS STATS 2018/19: 24,3 PTS, 4,8 REB, 4,6 AST, 56,8 TS%, 18,3 PER, 30,4 USG% STATS 2017/18: 22,0 PTS, 5,2 REB, 4,0 AST, 49,9 TS%, 14,6 PER, 29,5 USG%

25 JAHRE, C, LOS ANGELES CLIPPERS STATS 2018/19: 21,7 PTS, 9,1 REB, 1,9 BLK, 63,6 TS%, 23,5 PER STATS 2017/18: 23,3 PTS, 8,5 REB, 1,4 BLK, 64,7 TS%, 24,7 PER


Tobias Harris

Josh Richardson

Julius Randle

Viele hätten Tobias Harris gerne im AllStar-Team gesehen. Von Oktober bis Februar der beste Spieler der L.A. Clippers, landete der talentierte Forward zur TradeDeadline in Philadelphia, wo er künftig nur die Offensivoption Nummer drei oder vier sein darf. Seine Zahlen werden in der wohl besten Startformation des NBA-Ostens also mit Sicherheit sinken. Wie weit, hängt von der Balance ab, die die neu formierten 76ers in den kommenden zwei Monaten bis zu den Playoffs etablieren können. Der Fortschritt in Harris’ Spiel ist trotzdem nicht von der Hand zu weisen. Vor allem als Rebounder beackert der 26-Jährige die Bretter viel aggressiver, schießt sicherer und passt gleichzeitig auch besser als jemals zuvor in seiner Karriere. Die Sixers konnten sich mit einem 2,06 Meter großen Allrounder verstärken, der im jetzt achten Profijahr in seine sportliche Blüte kommt. Dass Harris im Sommer Free Agent wird und um einen neuen Vertrag spielt, wird ihn bis zum Ende hoch konzentriert und bissig auftreten lassen.

Nach Dwyane Wades Abgang im Sommer 2017 spielte sich Josh Richardson bei den Miami Heat in den Fokus. Auch die Rückkehr von „Flash“ für die letzten anderthalb Saisons seiner Karriere hat nichts daran geändert, dass „J-Rich“ Miamis bester Punktesammler und vielseitigster Verteidiger geblieben ist. Seine Fähigkeiten an beiden Enden sind für Headcoach Erik Spoelstra vorne wie hinten unverzichtbar. Persönliche Bestleistungen bei den Punkten, Rebounds und Assists gehen mit der weiter steigenden Nutzungsrate einher. Und obwohl die Trefferquote aus dem Feld gesunken ist, nimmt und trifft Richardson mehr Dreier als je zuvor (im Schnitt 2,5 Treffer bei 6,5 Versuchen). Das hat seine Effizienz und seinen Einfluss auf teaminternem Höchststand konserviert: Der 25-Jährige ist und bleibt der beste und wertvollste Akteur der Floridianer. Allerdings hatte Richardson 2018/19 auch einige Durststrecken zu überstehen. Seine Wurfquote lag im Dezember und Januar unter 40,0 Prozent.

New Orleans verpflichtete Randle als Free Agent im Sommer 2018 für zwei Jahre und insgesamt 18 Millionen Dollar Gehalt. Ein Schnäppchen gemessen an dem, was der bullige Big Man in dieser Saison für die Pelicans produziert. Einst von den L.A. Lakers an siebter Stelle gedraftet, hat sich der 24-Jährige in jeder seiner bisher vier Saisons (als Rookie brach er sich nach sechs Minuten in seinem ersten NBA-Spiel das Schienbein und verpasste den Rest der Saison) signifikant verbessert. Es ist zur Konstante geworden, dass der Linkshänder Jahr für Jahr mit einem völlig neuen Element in seinem Spiel aus der Sommerpause kommt. Heuer ist das der Dreipunktewurf, den er im System von Alvin Gentry häufiger nimmt (vier Mal so viele Versuche wie 2017/18) und trifft (34,1 Prozent). Auch als Scorer war der 115-Kilo-Mann nie besser. Wie auch immer die Pelicans in Zukunft ohne Anthony Davis aussehen werden: dass sie Randle zur Trading-Deadline behielten, war smart. Er kann und wird helfen, die schwierige Zeit mit Davis so gut wie möglich zu überstehen.

26 JAHRE, SF/PF, PHILADELPHIA 76ERS STATS 2018/19: 21,6 PTS, 8,1 REB, 2,9 AST, 60,6 TS%, 18,5 PER, 23,4 USG% STATS 2017/18: 20,1 PTS, 5,9 REB, 2,6 AST, 56,5 TS%, 17,1 PER, 23,3 USG%

25 JAHRE, SF, MIAMI HEAT STATS 2018/19: 18,2 PTS, 3,7 REB, 4,1 AST, 54,6 TS%, 14,5 PER, 22,0 USG% STATS 2017/18: 14,0 PTS, 3,8 REB, 3,1 AST, 55,1 TS%, 13,6 PER, 18,2 USG%

24 JAHRE, PF/C, NEW ORLEANS PELICANS STATS 2018/19: 24,6 PTS, 11,1 REB, 3,6 AST, 61,4 TS%, 21,7 PER, 26,7 USG% STATS 2017/18: 21,7 PTS, 10,8 REB, 3,5 AST, 60,6 TS%, 19,9 PER, 25,3 USG%

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Most

Improved

Players

2018/19

Fotos: Scott Cunningham/David Sherman/Nathaniel S Butler/Rocky Widner/NBAE via Getty Images

Derrick Rose

30 JAHRE, PG, MINNESOTA TIMBERWOLVES STATS 2018/19: 23,0 PTS, 3,5 REB, 6,0 AST, 55,9 TS%, 19,5 PER, 9,2 TO% STATS 2017/18: 17,9 PTS, 3,0 REB, 3,2 AST, 50,7 TS%, 11,5 PER, 14,5 TO%

Caris LeVert

24 JAHRE, SF, BROOKLYN NETS STATS 2018/19: 21,2 PTS, 5,1 REB, 5,1 AST, 53,4 TS%, 17,0 PER, 26,6 USG% STATS 2017/18: 16,6 PTS, 5,0 REB, 5,8 AST, 52,5 TS%, 14,2 PER, 22,5 USG%

Caris LeVert war zu Saisonbeginn der vielleicht aussichtsreichste Kandidat für diesen Award: Der ehemalige Michigan Wolverine stürmte mit 18,3 Punkten pro Partie bei 47,5 Prozent Trefferquote aus dem Feld in die neue Spielzeit. Seine Feelgood-Story endete nach nur 14 Partien mit einer schweren Verletzung, die ihn knapp drei Monate außer Gefecht setzte. Der athletische Flügelspieler kehrte vor der All-Star-Pause aufs Parkett zurück und wird nicht nur versuchen, seinen eigenen kometenhaften Aufstieg fortzusetzen, sondern Brooklyn mit seinem „Swagger“ als Scorer zum ersten Mal seit 2015 wieder in die Playoffs zu ballern.

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Hat ein ehemaliger Liga-MVP, „Rookie of the Year“ und dreifacher All Star, der schon Mitglied im All-NBA First Team war, etwas in der MIP-Konversation zu suchen? Diese Frage werden zugelassene Wähler nach der regulären Saison beantworten müssen, wenn sie die Produktivität von Derrick Rose evaluieren. Der jüngste Most Valuable Player aller Zeiten (22 Jahre) fiel nach zahlreichen schweren Verletzungen tief, war mehrmals schon mit einem Fuß aus der Liga draußen. In Minnesota erlebt er in dieser Spielzeit als Reservist einen zweiten Frühling: Mit 18,2 Punkten und 4,8 Assists im Schnitt hat er seine Werte im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt (2017/18: 8,4 PPG, 1,5 APG) – und zeigt gleichzeitig seine beste Leistung seit sieben Jahren. Egal ob mit seiner 50-Punkte-Explosion gegen Utah oder steten, beeindruckenden Partien von der Bank: Das sportliche Comeback des 30-Jährigen ist inspirierend und eine der besten Storys des Jahres.

Spencer Dinwiddie

25 JAHRE, PG, BROOKLYN NETS STATS 2018/19: 21,7 PTS, 3,1 REB, 6,3 AST, 59,8 TS%, 17,5 PER, 24,7 USG% STATS 2017/18: 15,7 PTS, 4,0 REB, 8,2 AST, 52,7 TS%, 15,9 PER, 20,3 USG%

Spencer Dinwiddie war bereits im Vorjahr einer der Finalisten bei der Vergabe des MIP-Awards – und glaubt selbst, dass er und nicht Victor Oladipo hätte gewinnen sollen. Neue Saison, neues Glück für den Guard der Brooklyn Nets, der erneut signifikant besser geworden ist. Sein Scoring-Schnitt kletterte auf über 17 Punkte pro Partie. Auch seine Treffsicherheit, seine Effizienz und seine Nutzungsraten sind so hoch wie nie. Während sich Dinwiddie im Vorjahr fast im Alleingang gegen die schlechte Bilanz der Nets stemmte, hat er neben Caris LeVert aber noch einen anderen Mitspieler, der ebenfalls einer der Kandidaten für den Award ist, nämlich …


De’Aaron Fox

21 JAHRE, PG, SACRAMENTO KINGS STATS 2018/19: 19,7 PTS, 4,2 REB, 8,2 AST, 54,8 TS%, 17,8 PER, 24,6 USG% STATS 2017/18: 15,0 PTS, 3,6 REB, 5,7 AST, 47,8 TS%, 11,2 PER, 23,4 USG%

D’Angelo Russell

John Collins

D’Angelo Russell hatten viele längst abgeschrieben, nachdem der ehemalige zweite Pick in seinen ersten drei Profijahren weit hinter den Erwartungen zurückblieb. In dieser Saison scheint es jedoch klick gemacht zu haben: Russell ist unter den 20 besten Scorern und zehn besten Vorbereitern der NBA. Und nicht nur das: Er wurde als erster Nets-Spieler seit Joe Johnson (2014) zum All Star ernannt, seine Statistiken sind auf die besten Werte seiner bisherigen Karriere geklettert. Und dass er mit erst 22 Jahren noch viel Raum zum Wachsen hat, ist auch klar. Vielleicht hat es also einfach nur genügend Zeit und ein bisschen Coaching gebraucht, um „DLo“ aufzuwecken.

John Collins fiel den Atlanta Hawks 2018 mit dem 19. Draftpick in den Schoß – ein absoluter Steal! Bereits als Rookie sein Potenzial andeutend, hat der Sophomore einen derart gewaltigen Sprung in seiner allabendlichen Leistungsfähigkeit gemacht, dass er die Planungen in Georgia im Alleingang verändert. Seine Fähigkeit, sowohl am Brett als auch aus der Distanz zu punkten sowie an den Brettern mit den Besten der Liga mitzuhalten, hat nicht nur seine absoluten Werte in die Höhe schnellen lassen. Eine gestiegene Effizienz bei gestiegener Nutzungsrate verspricht noch mehr für die Zukunft des 21-Jährigen, der in 29,8 Minuten 19,1 Punkte, 9,4 Rebounds und 56,8 Prozent Feldwurfquote liefert.

22 JAHRE, PG/SG, BROOKLYN NETS STATS 2018/19: 24,2 PTS, 4,5 REB, 7,9 AST, 53,5 TS%, 19,0 PER, 13,5 TO% STATS 2017/18: 21,7 PTS, 5,5 REB, 7,3 AST, 50,9 TS%, 15,2 PER, 16,8 TO%

21 JAHRE, PF/C, ATLANTA HAWKS STATS 2018/19: 23,2 PTS, 11,5 REB, 2,5 AST, 63,6 TS%, 21,4 PER, 23,5 USG% STATS 2017/18: 15,7 PTS, 10,9 REB, 2,0 AST, 62,0 TS%, 18,3 PER, 17,9 USG%

„Ich habe viel mehr Kontrolle über meine Geschwindigkeit“, fasst De’Aaron Fox sein Sophomore-Jahr perfekt zusammen. „In der NBA ist es schwer, sich ultraschnell mit dem Ball übers Parkett zu bewegen und trotzdem die richtigen Entscheidungen zu treffen, aber als Point Guard brauchst du eben diese Fähigkeit. Also habe ich den Fokus primär darauf gelegt. Mein Shooting ist natürlich auch besser geworden, aber vor allem die Assist-zu-Ballverlust-Rate ist auf einem anderen Level.“ Beim Playmaking sowie als Scorer hat der Zweitjahresprofi gigantische Fortschritte gemacht. Seine Pro-Minute-Ausbeute ist ebenso gestiegen wie seine Effizienz und der Wert, den Fox durch seine Präsenz auf dem Hartholz für sein Team generiert. Dass die Kings auch im März weiterhin von den Playoffs träumen, hat viel mit der Verbesserung ihres Spielmachers zu tun, den einige bereits als MIP auf ihren Wahlzetteln markiert haben. Ob er gewinnt oder nicht, spielt weniger eine Rolle als die Tatsache, dass Sacramento einen echten FranchisePlayer an der Hand hat.

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interview

Interview:

Liviu

Calin

Liviu CAlin „Dennis geht es sehr gut!“ Neues Team, neue Rolle, neue Aussichten: Dennis Schröder geht nach fünf Jahren in Atlanta für Oklahoma City auf Korbjagd. Wie kommt der frischgebackene Vater mit den neuen Aufgaben und seinem neuen Leben in Oklahoma zurecht? FIVE hat seinen Entdecker, Förderer und Mentor Liviu Calin gefragt. Text und Interview: Sebastian Dumitru

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I

ch will für eine Franchise mit Gewinnermentalität spielen. Man kann nicht aufs Spielfeld gehen und versuchen zu verlieren. Ich bin ein Wettkämpfer, will einfach rausgehen und Siege holen. Meine Organisation muss das auch wollen“, erzählte Dennis Schröder nach einer Partie seines neuen Teams Oklahoma City gegen sein altes, die Atlanta Hawks, den versammelten Journalisten in der Umkleide. Nach fünf Jahren in der Hauptstadt von Georgia landete der deutsche Nationalspieler letzten Sommer via Trade bei der Franchise im Mittleren Westen der USA. Dort spielt er zwar weniger als in den vergangenen zwei Saisons, läuft aber dafür wieder für ein absolutes Top-Team auf ... und zum ersten Mal in prominenter Rolle. Die Hawks verloren in der Spielzeit 2017/18 satte 58 Partien, Oklahoma City war bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe drittbestes Team im Westen und auf Kurs, mehr als 50 Partien zu gewinnen. BackupGuard Schröder ist dort neben den TopStars Paul George und Russell Westbrook ein wichtiger Leistungsträger. Mit seinen 15,6 Punkten, 3,3 Rebounds und 4,1 Assists pro Abend ist der 25-Jährige heuer einer der produktivsten Ersatzspieler der NBA. Er führt OKCs zweite Garde an, steht aber auch häufig neben George und Westbrook mit den übrigen Startern auf dem Parkett. Sein Dreier fällt im neuen Kalenderjahr mit fast 40-prozentiger Sicherheit, sein ScoringSchnitt im Februar ist mit 17,1 pro Partie auf dem höchsten Stand in dieser Saison. Ausbrüche wie seine 32-Punkte-Gala gegen Golden State (21. November) oder 24 Punkte im Schlussabschnitt beim Sieg in Miami (01. Februar) erinnern an seine Zeit als Führungsspieler in Atlanta oder bei der Nationalmannschaft. NeunPunkte-Abende, wie sie fast wöchentlich vorkommen, machen hingegen deutlich, dass der Deutsche bei den Thunder „nur“ ein Rollenspieler ist.

Wie kommt der frischgebackene Vater mit seinen neuen Aufgaben, seinem neuen Umfeld und seinem neuen Leben in Oklahoma City zurecht? Hat er sich weiterentwickelt? Und kann er von der neuen Situation vielleicht sogar profitieren? All diese Fragen – und mehr – kann Liviu Calin exzellent beantworten. Calin entdeckte Schröder bekanntlich einst im Braunschweiger Prinz-Albrecht-Park beim Skateboarden, brachte ihn zum Basketball und machte aus ihm den besten deutschen Point Guard aller Zeiten. Auch an der Entwicklung von Daniel Theis, Dirk Mädrich und Robin Smeulders war der 65-Jährige maßgeblich beteiligt. Calin ist schon sehr lange als Coach und Förderer aktiv. Bereits in den 1980er Jahren betreute er die U18-, U20- und A-Nationalmannschaft seines Geburtslandes Rumänien. Er sorgte dafür, dass Gheorge Muresan (1993, Washington Bullets) und Constantin Popa (1995, Los Angeles Clippers) von NBA-Teams gedraftet wurden. Anfang der 1990er Jahre emigrierte er nach Deutschland und wurde Leiter der Jugendabteilung bei der SG Braunschweig. Danach arbeitete Calin als Talentsichter für den Deutschen Basketball Bund, als Landestrainer des niedersächsischen Basketballverbandes und als rumänischer Nationaltrainer. 2018 übernahm er für die Kooperation der Basketball Löwen Braunschweig und der SG FT/MTV Braunschweig den Nachwuchsbereich. FIVE: Das Wichtigste natürlich vorneweg: Wie geht es Dennis? Und wie oft sprecht ihr miteinander? Liviu Calin: Dennis geht es sehr gut. Wir kommunizieren relativ häufig, haben gerade eben wieder miteinander telefoniert. Mit dem Rest seiner Familie hier in Braunschweig stehe ich natürlich auch in regem Kontakt. Sowohl für Dennis als auch für seine Familie ist im Moment alles in bester Ordnung, in allen Aspekten.


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Fotos: Alex Nahorniak-Svenski/NBAE via Getty Images


interview

Interview:

Liviu

Calin

Hat sich viel verändert für ihn mit dem Umzug aus Atlanta nach Oklahoma City? Ich glaube, es geht für Dennis nicht unbedingt um die Stadt. Er ist sehr professionell in seiner Mentalität und in seiner Herangehensweise geworden. Er hat sich menschlich sehr positiv entwickelt, meiner Meinung nach. Er kann die aktuelle Situation sehr gut analysieren und interpretiert seine neue Rolle ausgezeichnet.

Fotos: Cameron Browne/NBAE via Getty Images

Wie unterscheidet sie sich von seinen früheren Aufgaben? Als Rookie in Atlanta hat er ein paar Jahre gebraucht, um sich an die neuen Gegebenheiten zu gewöhnen. Hinter Jeff Teague konnte er sich herantasten, und nach dem Abgang von Teague ging es steil bergauf. Als Starter in Atlanta hat er sich dann ins Rampenlicht gespielt, stand sportlich und menschlich dort im Mittelpunkt des Interesses. Der Wechsel von Atlanta nach Oklahoma ist ein ganz neues Kapitel in seinem Leben. Dennis ist immer noch ein sehr junger Mann, der bereits bewiesen hat, dass er gegen viele Widerstände ankämpfen kann. Schon als 18-Jähriger hat er gezeigt, dass er sich in einer harten, komplizierten Szene durchsetzen kann. Sich in einem neuen Klub, in einer neuen Struktur und in einem neuen Puzzle zurechtzufinden und durchzukämpfen, ist wieder eine unbekannte, neue, wichtige Erfahrung. Dass ihm das so gut gelingt, hat mich ein bisschen überrascht. Er hat mit Paul George und Russell Westbrook zwei der vielleicht zehn besten Spieler der NBA neben sich, zwei absolute Megastars. Das ist neu für ihn, denn in einer solchen Situation war er noch nie. Er hat mir gesagt, dass er von dieser Erfahrung profitieren und so viel lernen möchte, wie er nur kann. Inwiefern ist das besser, als in Atlanta der Top-Spieler zu sein? Er wollte weg von Atlanta, weil er das Vertrauen in den Klub dort verloren hatte. Spiele absichtlich verlieren, neu aufbauen, damit konnte Dennis sich nicht anfreunden. Das ist nicht seine Welt. Er will gewinnen. Also hat er um einen Trade gebeten, und so kam er zu den Oklahoma City Thunder. Es ist nicht einfach, mit absoluten Top-Stars zusammenzuspielen und trotzdem zu überzeugen. Ich glaube aber, dass er mit ein bisschen mehr Kontinuität und Stabilität auch in diesem Team, in dieser Rolle, aufblühen kann. Wie hilft ihm diese neue Erfahrung in seiner Entwicklung? Wie gesagt, es ist eine neue Erfahrung. Aber ich glaube auch, dass er diese Erfahrung absolut gebraucht hat, um zu wachsen. Dass er sich in einem Spitzenteam durchsetzen muss, wird

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ihm nur guttun. Er will dabei helfen, aus den Thunder ein absolutes Top-Team zu machen. Oklahoma City hat dieses Potenzial, und Dennis spielt eine wichtige Rolle für OKC. Er ist einer der besten Ersatzspieler der NBA. Sein Saisonbeginn war richtig stark, dann ging es ein wenig bergab. Seit ein paar Wochen läuft es aber wieder richtig gut für ihn und sein Team. Er hilft seiner Mannschaft und interpretiert seine Rolle ziemlich gut. Ich bin natürlich nicht komplett objektiv, aber ich finde, dass er sich neben den beiden Top-Spielern George und Westbrook gut eingefügt hat.

Was hat sich für Dennis persönlich verändert, an seiner Herangehensweise, an seiner Arbeitsweise, seit er für die Thunder aufläuft? In erster Linie war es seine Entscheidung, diesen Wechsel einzufordern. Er hatte seine Zeit in Atlanta als Führungsspieler. Vielleicht ist Oklahoma nicht unbedingt die perfekte Adresse, um seine Fähigkeiten auf seiner Position zu demonstrieren, aber auch das hat er sehr positiv aufgenommen. Er ist sehr glücklich mit dem Umfeld, mit dem Klub, der Kompetenz im


Management, mit der Art und Weise, wie professionell dort gearbeitet wird. Das hat er auf so hohem Niveau bisher noch nicht erlebt, und von jener Qualität und positiven Energie in der Gesamtstruktur profitiert er natürlich immens. Wie wurde er denn bei seinem neuen Klub aufgenommen? Es macht ihm viel Spaß, Teil des Puzzles zu sein. Alle haben ihn sofort akzeptiert. Direkt nachdem der Wechsel im vergangenen Sommer bekannt wurde, hat Sam Presti ihn in Braunschweig besucht, hat seine Vergangenheit und seine Familie kennengelernt. Das hat Dennis natürlich sehr beeindruckt. Er hat mir gegenüber mehrmals bestätigt, dass in Oklahoma eine sehr positive Atmosphäre herrscht. Wie stark schätzt du die Thunder ein? Um als Team Erfolg zu haben, muss die Mannschaft als Ganzes funktionieren. Der individuelle Erfolg, die Bekanntschaft, all das kommt mit dem Erfolg als Team. Das muss organisch zusammenkommen, muss zusammenwachsen. Das lässt sich nicht erzwingen. Diese Thunder-Mannschaft hat eine sehr gute Teamchemie. Jeder akzeptiert seine Rolle, jeder freut sich für den anderen, und alle ziehen an einem Strang. Dennis ist nicht mehr der Star wie in Atlanta, aber das hat er akzeptiert, weil er trotzdem eine sehr wichtige Rolle für ein sehr gutes Team einnehmen kann. Spätestens nach den anderen Verstärkungen haben die Thunder eine realistische Chance, sogar um die Meisterschaft mitzuspielen. Und Dennis kann ein entscheidender Teil davon sein. Wie kommt Dennis mit seiner neuen Rolle zurecht? Er würde natürlich gerne mehr spielen, mehr leisten. Aber am Ende muss jeder seine Rolle akzeptieren, um die Mannschaft so stark wie möglich zu machen und die Chancen zu maximieren. In Atlanta hat er viel mehr Verantwortung gehabt und musste ganz andere Aufgaben übernehmen. Er sollte penetrieren, abschließen, Dreier werfen, die anderen in Szene setzen ... also eigentlich alles machen. In Oklahoma City ist er ein anderer Spieler, hat kleinere Spielanteile. Er kommt von der Bank, spielt weniger Minuten, soll den Stars zuarbeiten. Ich finde das gut, dass er nichts forciert. Auf der anderen Seite darf er aber nicht zu passiv werden. Es liegt auch an ihm und dem Team, die richtige Mischung zu finden, um seine Aggressivität am besten auszunutzen. Was sind einige der Schwierigkeiten, die die neue Situation 2018/19 sportlich mit sich bringt? Das Schwierige ist sicherlich, so viel abseits des Balles agieren zu müssen ‒ eine Rolle, die er bisher noch nie ausfüllen musste. Seine Aufgabe war es eigentlich immer, Offensive für sich und

die anderen zu kreieren. In Oklahoma City ist es bekanntlich Westbrook, der meistens penetriert und dann den Kickout-Pass spielt. Und weil es systemisch eben so geplant ist, müssen die anderen natürlich werfen, wenn sie freistehen. Es macht ja oft keinen Sinn für Dennis, selbst noch einmal zu penetrieren. So ist die Philosophie von Chefcoach Billy Donovan nun mal, und diese Umstellung ist auch für Dennis völlig neu. Wie profitiert er von diesen Widerständen? Er ist ja immer noch jung genug, um sich zu entwickeln. Auch Dennis muss noch eine Menge lernen, kann noch in so vielen Bereichen besser werden. Die Anpassung, sowohl von ihm ans System als auch vom Team an ihn, hat in Oklahoma City hervorragend geklappt. Das mag wie gesagt nicht die perfekte Situation für ihn sein, was seinen Spielstil anbelangt. Aber auch diese Widerstände werden ihm am Ende dabei helfen, ein neues Verständnis und neue Fähigkeiten herauszuarbeiten, die ihm in seiner weiteren Karriere immens helfen können. Athletik, Speed und Bissigkeit haben Dennis schon immer ausgezeichnet. Was hast du damals noch in ihm gesehen, als du ihn unter deine Fittiche genommen und begonnen hast, mit ihm zu arbeiten? Ich hatte damals so ein Gefühl. Wie soll ich sagen: Ich bin schon sehr lange dabei. So jemanden wie Dennis habe ich aber in meiner gesamten Tätigkeit als Trainer noch nie erlebt. Ich sah es als meine Pflicht an, einen so talentierten, ästhetischen, benachteiligten Spieler unter meine Fittiche zu nehmen und mit ihm zu arbeiten. Mein Berufsethos diktierte mir das sozusagen. Das geht aber nicht von jetzt auf gleich, so nach dem Motto: Du siehst irgendwo auf der Straße ein junges Talent und sagst dann: Aus dem mache ich jetzt einen ProfiBasketballer! Das ist ein sehr langer, komplizierter, beschwerlicher Prozess, der alles abverlangt. Ich musste Dennis als Basketballer und als Mensch ausbilden. Er konnte so gut wie nichts. Ich musste praktisch bei null anfangen. Dribbeln, passen, werfen, das Spiel verstehen. Und ich musste ihn erziehen, in allen Bereichen. Menschlich, moralisch, Disziplin. Er brauchte Hilfe. Viele seiner Kollegen waren besser als er, haben ihn damals negativ beurteilt und auch so behandelt. Aber das hat ihn alles stärker gemacht. Das war seine Chance, und er hat sie genutzt. Ich habe also nichts Besonderes geleistet, sondern ihm nur die Zuneigung und Zeit gegeben, die er und alle Talente da draußen verdienen ‒ als Sportler und als Mensch. Dass er sich so entwickelt hat, liegt am Ende aber nicht nur an seinem Umfeld, an seiner Familie und an seinen Coaches, sondern vor allem an ihm. Dass er alles aufgenommen

hat, dass er alles mitgemacht hat, dass er sich entwickelt hat und dass er sich auch nie zu schade war, auf andere zu hören ‒ und das auch immer noch tut ‒, ist sein Verdienst. Dennis hat einfach Respekt gegenüber den Leuten, die ihm auf seinem Weg geholfen haben. Er hat Moral, er hat Charakter und sich in kürzester Zeit so dermaßen stark entwickelt, in allen Bereichen, dass man das einfach würdigen muss. Mit 18 Jahren in ein anderes Land zu gehen, bei null anzufangen und so hart an sich zu arbeiten, um sich in diesem Haifischbecken durchzusetzen, verdient Anerkennung. Innerhalb von fünf Jahren diesen Weg gemacht zu haben und zu einem der besten Sportler Deutschlands geworden zu sein, sollte hierzulande in meinen Augen ein bisschen mehr gewürdigt werden. Macht ihm die Art und Weise, wie mit ihm vor allem medial hierzulande umgegangen wird, noch etwas aus? In Deutschland haben viele Menschen leider nie verstanden, ihre sportlichen Helden angemessen zu würdigen. Sie repräsentieren ihr Land und rücken es international in ein positiveres Licht. In den USA ist das anders, egal wie verschroben der Charakter ist. Man muss ja niemanden lieben, aber der Respekt sollte schon da sein. Ich finde, in Deutschland sollte man lernen, die Stars mehr zu respektieren. Jeder macht Fehler, auch diese Stars. Ich würde mir wünschen, dass man ein bisschen toleranter und menschlicher mit ihren Fehlern umgeht, anstatt alles immer niederzumachen und rund um die Uhr zu kritisieren. Ein zweiter Aspekt, den ich immer anspreche, und ich darf das mittlerweile, nach fast 30 Jahren in Deutschland, sicherlich beurteilen: In Deutschland wird nach wie vor der Konforme bevorzugt, nicht der Extravagante ... auch wenn letzterer viel besser ist bei dem, was er tut. Es wäre schön, wenn die Menschen künftig mehr Toleranz und Akzeptanz aufbringen und weniger negativ gegenüber Menschen und Dingen auftreten, die nicht sofort in ihre vorgestanzte Schublade passen. Letzte Frage zu einer erfreulichen Entwicklung hierzulande: Ist die deutsche Basketball-Nationalmannschaft besser als je zuvor? Was ist möglich bei der Weltmeisterschaft in China? Oh ja! Die deutsche Nationalmannschaft hat sehr viel Potenzial. Sie sind alle erwachsen geworden, sind routiniert und haben viel Qualität. Noch nie zuvor hatte dieses Land so viel NBA-Talent und internationale Klasse im Kader. Wenn der Coach es schafft, aus dieser Truppe eine homogene Einheit zu formen, kann sie bei der WM sehr gute Leistungen erzielen und viele Beobachter überraschen. redaktion@fivemag.de

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Joe Ingles Im Haifischbecken mit Geheimratsecken

Joe Ingles wollte als 27-Jähriger bei den Los Angeles Clippers in der NBA debütieren, wurde jedoch als letzter Spieler aus dem Kader gestrichen. Viereinhalb Jahre später hat er sich im Haifischbecken der NBA etabliert und ist bei den Utah Jazz nicht mehr wegzudenken – vielleicht als bester Trashtalker, mit Sicherheit als einer der unwahrscheinlichsten Spieler der Liga. Text: Manuel Baraniak

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ls Joe Ingles’ Frau Renae Ende Oktober 2014 in Australien in ein Flugzeug steigt, ist ihr Ehemann noch NBA-Spieler. Sie will ihn bei seinem NBA-Debüt ein paar Tage später live in der Arena sehen. Als sie rund 15 Stunden später in Los Angeles landet, hat sich das geändert … Als 27-jähriger Profi ohne NBAErfahrung absolviert Ingles damals die Saisonvorbereitung bei den Los Angeles Clippers, in der letzten Vorbereitungspartie gegen Portland kommt der Flügelspieler noch zum Einsatz. Doch nach der Begegnung erhält der Australier die Nachricht, als letzter Spieler gecuttet worden zu sein. „Ich war ein Teil des Teams, als ihr Flieger abhob. Als er wieder landete, war ich das nicht mehr. Das war ziemlich enttäuschend“, erinnert sich Ingles im Podcast bei Adrian Wojnarowski. Seine NBA-Karriere hat gar nicht richtig begonnen, da scheint sie schon wieder vorbei zu sein. „Ich dachte nicht, dass ich noch eine weitere Chance bekommen würde.“ Er denkt sogar darüber nach, ein paar Monate zu pausieren, um dann erneut ein Engagement in Europa anzustreben. Bei einem gemeinsamen Mittagessen mit seiner Ehefrau, als die beiden über ihre Zukunft sinnieren, erfährt der Flügelspieler von einem Angebot der Utah Jazz. „Wir haben im wörtlichen Sinne unser Essen stehengelassen, haben gezahlt und sind

direkt zum Flughafen, um nach Salt Lake City zu fliegen“, schildert er gegenüber ESPN seine damalige Aufbruchstimmung. Ingles hilft es sicherlich, dass der damalige Jazz-Rookie Dante Exum ebenfalls Australier ist und dass Utahs Headcoach Quin Snyder ihn aus Europa kennt. 2012/13 arbeitete Snyder als Assistenztrainer bei ZSKA Moskau, Ingles lief zu jener Zeit für den FC Barcelona auf. Dreimal trafen beide Teams in jener Euroleague-Saison aufeinander. Als die Jazz Ingles kurz danach von der Waiver-Liste verpflichten, für ein Jahresgehalt von nur 500.000 Dollar, macht Snyder seinem Neuzugang klar: Mehr als der fünfte Flügelspieler im Kader ist er nicht. Viereinhalb Jahre später hat sich das geändert …

Trashtalker Deluxe

Paul George weiß sich nicht anders zu helfen, als Joe Ingles wegzuschubsen. Dreieinhalb Minuten sind im vierten Playoff-Duell zwischen den Oklahoma City Thunder und den Utah Jazz in den 2018er Playoffs absolviert, da kommt es zu einer kleinen Rangelei. George positioniert sich für den Einwurf an der Seitenauslinie, Ingles rückt ihm auf den Pelz – dem Thunder-Star gefällt das gar nicht, er stößt den JazzAkteur von sich. Vielleicht hat George noch eine Sequenz im Kopf, die sich eine Minute davor ereignet: Da wird er von Ingles


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Fotos: Chris Schwegler/Adam Pantozzi/NBAE via Getty Images


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dass dieser ein „Flopper“ sei. Das Highlight im Spiel gegen Detroit Mitte Januar folgt aber erst danach: Nachdem Donovan Mitchell von den gegnerischen Anhängern immer wieder Sprüche kassiert, netzt Ingles bei 24 Sekunden auf der Uhr den Dreier ein – und lässt ein Küsschen in Richtung Pistons-Fans fliegen. „Meine Tochter wirft mir bei Facetime immer eine Kusshand zu – sie ist also schuld“, scherzt Ingles im Woj-Pod. Der Australier mischt den Trashtalk stets mit einer Portion Humor und Selbstironie: „In meinen ersten beiden Jahren hätte ich Leuten in der Arena definitiv keine Kusshand zugeworfen – weil ich acht Prozent oder so getroffen habe.“

Fotos:Melissa Majchrzak/Sam Forencich/NBAE via Getty Images

Rollenspieler für immer

geblockt, nachdem er um einen Screen geht. Im Gegenzug tanzt der Australier George per Crossover aus und legt auf den eindunkenden Gobert ab. Bei diesem Scharmützel zwischen den beiden Flügelspielern soll es nicht bleiben: Kurz vor Ende der ersten Halbzeit netzt Ingles seinen dritten Dreier in Folge über George ein – der „Staredown“ folgt prompt. Ingles rückt George nicht von der Pelle, verteidigt fast unter dessen Trikot – im darauffolgenden Angriff kann George den Ball nach einem Anspiel nicht kontrollieren und verliert das Spielgerät. Bei 98 Sekunden auf der Uhr besorgt Ingles schließlich den Dagger: per Dreier aus der Ecke über den herauseilenden George. Einen kurzen Blick über die Schulter hat Ingles da für seinen Kontrahenten noch übrig. Jene Playoff-Serie ist die endgültige Coming-out-Party des Joe Ingles. 14,2 Punkte und 3,2 Assists pro Spiel, bei einer Dreierquote von 46,7 Prozent, zeugen davon in der Offensive. Paul Georges Quote von 12,5 Prozent (er trifft nur zwei seiner 16 Würfe) im für die Jazz entscheidenden sechsten Spiel untermauert dies in der Verteidigung. Doch es ist vor allem Ingles’ Unerschrockenheit gegenüber den vermeintlichen Stars, mit der er bei NBA-Anhängern fast schon Kultstatus erreicht hat. „Ich hätte nie gedacht, dass etwas so unverhältnismäßig aufgebläht werden würde, weil ich in der NBA spiele“, gibt Ingles im Gespräch mit Adrian Wojnarowski ein Understatement zu seinem Duell mit Paul George ab. Dabei ist Ingles, um es mit einer US-amerikanischen Redewendung für den deutschen Otto Normalverbraucher zu umschreiben, „not

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„Meine Rolle in Teams war stets die gleiche, was mir bei meinem Übergang in die NBA aber auch geholfen hat. Ich würde nie hierherkommen und 15 Würfe nehmen. Ich glaube, ich habe noch nie in einem Spiel 15 Würfe genommen.“ -----------

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your average Joe“. Sondern vielmehr der vielleicht beste Trashtalker der Association, wenn es nach Scottie Pippen, Tracy McGrady oder SB Nation geht. Beispiele gefällig? Dem BlazersCenter Jusuf Nurkic drückt Ingles mal ein „I’m shooting it“ rein, ehe er den Dreier über ihn fliegen lässt und natürlich auch trifft. James Harden will mal bei einem Huddle der Jazz lauschen – Ingles legt seinen Arm um dessen Schulter und lädt ihn dazu ein. Pistons-Forward Blake Griffin lässt Ingles unmissverständlich wissen,

Ganz so schlimm ist es nicht gewesen, immerhin 41,5 Prozent seiner Würfe aus dem Feld und 35,6 Prozent von Downtown verwandelt Ingles als Rookie. Doch seine wackelige und langsame Wurfmechanik zeichnet nicht das Bild eines kaltschnäuzigen Schützen, zu dem Ingles mittlerweile avanciert ist. Seine Uneigennützigkeit mögen viele herausstellen, doch ein wenig mehr Eigensinn würde ihm nicht schaden. Es ist weniger die Offensive als vielmehr die Verteidigung, mit der Ingles zu Beginn hadert. „Wenn wir in meinen ersten Jahren das Pick-and-Roll geswitcht haben, hat der Ballhandler mit der Hand gewunken und wollte den Weg freihaben. Nach dem Motto: ,Ich nehme ihn ins Eins-gegen-eins.‘ Wirklich jedes Mal“, erzählt er. „Ich fragte Coach Snyder: ,Was muss ich tun, um auf dem Feld zu bleiben?‘“ Die Antwort ist – wie so oft im Basketball – harte, ehrliche Arbeit, und die investiert Ingles. „Der Grund, warum Joe sich Minuten verdient hat? Weil er die Arbeit in der Verteidigung angenommen hat!“, verdeutlicht Snyder später. Sicherlich gehen Ingles Athletik und Schnelligkeit ab, das macht der 31-Jährige aber durch Intelligenz, Antizipation und Erfahrung wett. Zudem habe er ein paar „Tricks“ parat, wie er selbst sagt. Sein ehemaliger Teamkollege Rodney Hood beschreibt es so: „Er mag es, jemandem unter die Haut zu kriechen. Es geht über das normale Verteidigen hinaus. Er macht es Leuten unbequem.“ Paul George wird wissen, was Hood meint. Im Teamverbund gilt Ingles als guter Kommunikator. All dies führt dazu, dass die Gegner der Jazz in dieser Saison 6,4 Punkte pro 100 Ballbesitze weniger erzielen, wenn Ingles auf dem Parkett verteidigt und nicht auf der Bank sitzt – ein teaminterner Top-Wert, noch vor Defensivkrake Rudy Gobert. Auch deswegen bezeichnet Snyder seinen Schützling als „Glue Guy“, der auch in der Kabine mit Worten voranschreitet und das Team bei Laune hält. „Dieses Wort bedeutet, dass man Spieler zusammenschweißt und viele


verschiedene Dinge tut, um dem Team zu Siegen zu verhelfen. Und genau diese Erwartung habe ich an Joe“, weiß Snyder um Ingles’ Wert. „Ich war schon immer der ,Glue Guy‘“, blickt Ingles zurück. „Ich glaube, der höchste Punkteschnitt, den ich je aufgelegt habe, waren 15 Zähler – in meinem ersten Profijahr in Australien. Ich war immer schon bekannt dafür, die kleinen Dinge zu tun. Ich kümmere mich nicht darum, auf dem Cover einer Zeitung zu sein, ich kümmere mich nicht um meine eigenen Statistiken.“ So spricht jemand, der die Bezeichnung des Rollenspielers verinnerlicht hat – und der versteht, was Erfolg ausmacht. In seinem letzten Jahr in Europa gewinnt Ingles mit Maccabi Tel Aviv die Euroleague. In seinen drei Saisons zuvor in Barcelona heimst Ingles je zwei Meisterschaften und Pokalsiege ein. Und

dort für den Top-Klub Barcelona und wischt einige Zweifel beiseite. „Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich der Typ Spieler bin, den Teams in Betracht ziehen“, weiß Ingles um seine unauffällige Spielweise und führt nach seinem zweiten NBA-Jahr aus: „Meine Rolle in Teams war stets die gleiche, was mir bei meinem Übergang in die NBA aber auch geholfen hat. Ich würde nie hierherkommen und 15 Würfe nehmen. Ich glaube, ich habe noch nie in einem Spiel 15 Würfe genommen.“ In der Tat dauert es bis zu seiner vierten Spielzeit, ehe Ingles auf eine solche Wurfausbeute kommt. In der aktuellen Saison nimmt der 31-Jährige gegen die Warriors 15 Würfe, um seinen Karrierebestwert auf 27 Zähler zu schrauben.

denn heuer muss Ingles’ Wurf respektiert werden. Knapp 42 Prozent seiner Dreier verwandelt der 2,03-Meter-Mann seit seinem dritten Ligajahr. ESPNs Real-PlusMinus-Statistik führt ihn als viertbesten Small Forward hinter Paul George, Kevin Durant und LeBron James. „Joe hat bewiesen, dass er ein vielseitiger Spieler ist. Seine Beharrlichkeit sagt viel über seinen Charakter und seine Arbeitseinstellung aus“, zollt Stephen Curry Respekt. Ingles’ Weg kann beispielhaft für die Franchise sein, das hofft auch General Manager Dennis Lindsey: „Agenten und andere Spieler nehmen jemanden wie Joe wahr. Du musst nicht 22 Jahre jung sein. Wenn du Arbeit investieren willst und ein guter Typ bist, dann können dir die Jazz helfen – Joe ist ein exzellentes Beispiel dafür.“ Auf der anderen Seite hat es schon einige Europa-Profis gegeben, die

in seinem dritten Profijahr, das sein letztes in Australien sein sollte, gewinnt er mit den South Dragons den Titel. Der Übergang von Australien nach Europa verläuft derweil nicht ganz so reibungslos: 2009 will sich Ingles beim adidas Eurocamp empfehlen und seine Draft-Chancen verbessern, doch bei diesem renommierten Talenttreffen macht Ingles eine „erbärmliche Erfahrung“, wie er es selbst bezeichnet. „Danach ging es zurück zum Nullpunkt.“ Ingles wird nicht gedraftet und spielt die darauffolgende Saison beim spanischen Klub Granada – „von dem wahrscheinlich niemand jemals gehört hat“. Doch immerhin empfiehlt sich Ingles

Ingles hat seine Uneigennützigkeit behalten, weist in dieser Saison trotzdem die höchste Usage Rate seiner NBA-Laufbahn auf. Während mit Ricky Rubio, Dante Exum und Raul Neto die etatmäßigen Point Guards der Jazz zeitweise ausfallen und Zweitjahresprofi Donovan Mitchell zunächst nicht an seine furiose Rookie-Saison anknüpfen kann, übernimmt Ingles als Point Forward. „Slow Mo Joe“ agiert häufiger als Dribbler im Pick-and-Roll – vor allem, wenn er die zweite Garde anführt. Mit 5,0 Assists pro Partie befindet sich Ingles auf Kurs Richtung Career-High. Ansonsten schicken die Jazz ihren Flügel gerne um Blöcke oder setzen ihn nach Handoffs ein,

im fortgeschrittenen Alter den Schritt in die NBA wagten, dort aber nicht funktionierten. Bei Ingles hat dieser Schritt geklappt, und der Australier scheint seinen Zenit trotz seiner 31 Lenze noch nicht erreicht zu haben. Vielleicht auch, weil er ganz genau weiß, was für ein Spieler und was für ein Typ er ist. Mit einer erfrischenden Portion Selbstironie reflektiert er: „Ich habe Geheimratsecken, ich bin langsam und wahrscheinlich nicht mit den stärksten Bauchmuskeln ausgestattet.“ Wenig Athletik, dafür umso mehr Witz – auch deswegen bereichert Joe Ingles die Liga. redaktion@fivemag.de

Point Forward im Jetzt

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Justise Winslow Point Justise In seinem vierten Profijahr ist Justise Winslow 2018/19 zum Vollzeitstarter avanciert. Dabei zeigt der einstige Lottery-Pick, was in ihm steckt: ein vielseitiger Two-Way-Player, der defensiv vorangeht und heuer den Angriff der Miami Heat einleitet. Ăœber die Entwicklung eines Hoffnungsträgers. Text: Christian Orban 40


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Fotos: Issac Baldizon/NBAE via Getty Images


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Fotos: Oscar Baldizon/Issac Baldizon/NBAE via Getty Images

ls sich Goran Dragic im Dezember einer Kniearthroskopie unterzog, die ihn über Monate zum Zuschauen zwang, stand der Saisonerfolg der schwach gestarteten Miami Heat in Frage. Schließlich ist der Slowene als antrittsschneller Scorer und Kreativspieler für die ohnehin instabile Offensive von Coach Erik Spoelstra kaum verzichtbar. Zudem findet sich im Kader sonst kein nomineller Point Guard. „Coach Spo“ hatte indes wie so oft eine Lösung parat. Er berief Justise Winslow zum primären Playmaker des Teams. „Er ist unser Starting Point Guard. Das ist es, was ich ihm und dem Team gesagt habe“, erklärte der zweifache Meistertrainer. „Es ist eine große Verantwortung, aber er liebt diese Art von Herausforderungen. Und ich werde ihn da nicht bremsen.“

Eine Ansage, die Winslow gerne hörte: „Um ehrlich zu sein, mag ich es, das Kommando zu haben. Ich mag die Verantwortung.“ Und er fügte an: „Das ist das Schöne am Point-Guard-Sein – und das ist es, was du in jeder Rolle im Leben willst: mehr Verantwortung.“ Letzterer ist der 22-Jährige, der bereits im Vorjahr und zu Saisonbeginn als Ersatz-Aufbau agierte, mehr als gerecht geworden. So spielt Winslow 2018/19 den bisher besten Basketball seiner jungen NBA-Karriere. Seit er am 07. Dezember sein erstes 20-PunkteSpiel der Saison auflegte, erzielt er im Schnitt 14,2 Punkte, 5,5 Rebounds und 4,6 Assists. Genauso wie seine True-Shooting-Quote (53,2 Prozent) Karrierebestwerte. Auch hat der Vollzeitstarter bereits achtmal mehr als 20 Zähler und sechsmal mehr als sechs Vorlagen markiert, was ihm zuvor in drei

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Winslow


Profijahren jeweils nur einmal gelungen war. Und nicht zuletzt dürfen sich die Heat dank Winslows beachtlichem Leistungssprung weiterhin PlayoffHoffnungen machen. Derweil gab es schon in der Postseason 2018 Hinweise darauf, dass sein lange antizipiertes Hervortreten als Two-Way-Player bevorstehen könnte. Denn beim letztjährigen Erstrundenaus gegen die Philadelphia 76ers war Winslow nicht nur defensiv präsent, sondern auch im Angriff als Ballhandler und Distanzschütze ein Faktor (36,8 Prozent Dreierquote bei 3,8 Versuchen pro Partie). Auf jene selbstbewussten Auftritte baut der Heatle in seinem vierten Jahr nunmehr auf. Dabei hat sich in Miami nicht allein Winslows Rolle verändert. So sind die besten Spieler der Floridianer inzwischen die Youngsters – Josh Richardson, Bam Adebayo und

School als Assistenztrainer zu arbeiten. Diese unabhängige Privatschule besuchte auch sein jüngster Sohn Justise, der frühzeitig hervorstach und sich als Nachwuchsspieler in Texas einen Namen machte. Schließlich spielte Winslow Jr. in jedem seiner vier Highschool-Jahre um die Staatsmeisterschaft. Dreimal gewann St. John’s dank ihm den Titel. Seine Stärke war seine ausgeprägte Vielseitigkeit. So wurde der talentierte Youngster offensiv wie defensiv auf allen Positionen eingesetzt. Etwa konnte er den Spielaufbau übernehmen und zugleich gegnerische Center decken. Nicht zuletzt im Angriff erwies sich der kräftige 2,01-MeterAthlet als schwieriges Matchup. „Zeitweise war Justise der Point Guard, und wenn er kleinere Spieler gegen sich hatte, nahm er sie mit in den

Entscheidungsfindung zu vertrauen. „Denn er war einfach sehr gut darin, die Vorteile einer Situation zu erkennen und sie teamdienlich zu nutzen.“ Zum Beispiel anno 2011, als der Freshman St. John’s zur ersten Staatsmeisterschaft nach mehr als 30 Jahren führte. Im entscheidenden Angriff des Finales zog Winslow erst zum Korb – doch anstatt den eigenen Abschluss zu erzwingen, bediente er seinen älteren Bruder Josh, der zum Ring cuttete und per Layup den siegbringenden Buzzerbeater verwandelte. „Der Junge hätte an der Highschool 40 oder 50 Punkte pro Spiel erzielen können“, betont Baber. „Hätten wir dann aber in vier Jahren drei Meisterschaften gewonnen? Wahrscheinlich nicht. Er hätte diese Zahlen leicht auflegen können, aber er

Post. Größere Jungs zog er raus an die Dreierlinie. Ich denke, das ist es, was der Entwicklung seines Spiels geholfen hat und warum er heute so eine gute Übersicht besitzt – weil er den Ball auf dem Feld an vielen verschiedenen Stellen in den Händen hielt“, erklärt Harold Baber, Headcoach von St. John’s. Er fährt fort: „Er war kein klassischer Aufbau, sondern unten am Zonenrand, am Highpost, in der ,Short Corner‘ (der Bereich an der Grundlinie zwischen Zonenrand und Dreierlinie) und einfach überall präsent. Wir haben Wege gefunden, um ihn in unterschiedliche Situationen zu bringen und ihm dort den Ball zu geben.“ Dabei brillierte Winslow in der Mitte des Halbfeldes, also dem Bereich, der gemeinhin von Point Guards bespielt wird. Daher entschloss sich Baber, dem vielseitigen Combo-Forward den Ball in die Hände zu legen und auf dessen

vertraute lieber seinen Teammates. Er hatte ein Gespür dafür, wann es eine Partie zu übernehmen und wann es die Jungs einzubeziehen galt. Und das war nur eines der Dinge, die man Spielern kaum beibringen kann.“ Es mag sonach wenig überraschen, dass Winslow frühzeitig zahlreiche College-Offerten erhielt und Erfolgstrainer auf den Plan rief. Etwa Mike Krzyzewski, der sich bei dem jungen Houstoner an Duke-Legende und NBAHall-of-Famer Grant Hill erinnert fühlte. Nachdem Winslow in seinem Abschlussjahr 27,5 Punkte, 13,6 Rebounds, 3,5 Assists sowie 3,9 Stocks (Blocks und Steals addiert) markiert hatte und als All-American ausgezeichnet worden war, schloss er sich 2014 den Blue Devils von „Coach K“ an. In North Carolina setzte der „Mr. Texas Basketball“ seinen Titellauf unvermittelt fort und gewann mit Duke

„Von klein auf musste ich alles machen. Ich war Point Guard, Center und Flügel … Ich denke, darin liegt meine Vielseitigkeit begründet.“ -----------

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Derrick Jones Jr. –, die sich wie „Point Justise“ mehr Spielzeit erarbeitet haben. Der Weg dorthin war für den einstigen Lottery-Pick indes ein steiniger. Galt Winslow manchen Zweiflern nach schwierigen Anfangsjahren doch bereits als „Bustise“. Dabei hatte seine Basketballkarriere so rosig begonnen.

Früher Erfolg

Geboren und aufgewachsen in Houston, ist der heute 22-Jährige der Sohn von Ex-Profi Rickie Winslow. Dieser spielte in den 1980ern für die heimische University of Houston, wo er Teil der legendären „Phi Slama Jama“ um (damals noch ohne „H“) Akeem Olajuwon und Clyde Drexler war. In der NBA konnte sich der Senior jedoch nicht etablieren, weshalb er 1987 nach Südeuropa ging, wo er eine erfolgreiche Profikarriere hatte. Anschließend kehrte er nach „H-Town“ zurück, um an der St. John’s

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Justise

2015 die NCAA-Championship. Als Leistungsträger verbuchte Winslow in 39 Spielen 12,6 Zähler, 6,5 Abpraller, 2,1 Vorlagen und 2,2 Stocks. Auch wenn der nominelle Power Forward den Ball nicht so oft wie zuvor in den Händen hielt, war nach einer College-Saison klar, dass er bereit für die NBA war.

Fotos: Oscar Baldizon/NBAE via Getty Images

Startschwierigkeiten

Als die Heat Winslow 2015 mit dem zehnten Pick nach Miami brachten, war er ein Spieler, von dem viele dachten, dass er sich zeitnah durchsetzen würde. Schließlich verfügte er über die „Intangibles“, diese so schwer zu messenden gewinnbringenden Eigenschaften und physischen Voraussetzungen, um auch als Profi alle fünf Positionen zu verteidigen. Heat-Macher Pat Riley verglich den mobilen und langen Forward (2,09 Meter Spannweite) seinerzeit etwa mit Draymond Green. Offensiv galt Winslow indes bestenfalls als Ergänzungsspieler, da er seit jeher mit seinem unterdurchschnittlichen Sprungwurf zu kämpfen hatte – und just dann in die NBA kam, als der Dreier zum spielbestimmenden Wurf avancierte. Zwar hatte er am College 46 seiner 110 Versuche von Downtown eingenetzt, doch zeigte der Heatle als Rookie deutlich (27,6 Prozent Dreierquote), dass der Distanzwurf zu Recht als große Baustelle angesehen wurde. So war seine Technik unsauber, inkonstant und das Frustrationspotenzial bei mangelndem Erfolg (nur 6,4 Punkte im Schnitt) entsprechend hoch. Nach Winslows Debüt-Saison stellte Erik Spoelstra seinen Spielern den Shooting-Coach Rob Fodor zur Seite, um an der Wurfstärke zu werkeln. Doch bevor sich die investierte Arbeit auf dem Parkett auszahlte, musste Winslow sein zweites Jahr aufgrund einer Schulterverletzung nach nur 18 Partien beenden. Die Folgesaison (2017/18) verlief trotz wiederum einiger verpasster Spiele etwas erfolgreicher. Wie in den ersten beiden Jahren ließ Winslow seine defensive Befähigung als „Draymond Light“ aufblitzen. Zudem versenkte er ansehnliche 38,0 Prozent seiner 129 Dreier. Es ging also bergauf – auch wenn 7,8 Punkte, 5,4 Rebounds, 2,2 Assists und eine schwache Feldwurfquote seinem Potenzial als Leistungsträger kaum Genüge taten. Erschwert wurde Winslows Entwicklung überdies dadurch, dass er sich unter „Coach Spo“ in einer fluktuierenden Rolle und in der Rotation oft hinter den hochbezahlten Veteranen wiederfand. So pendelte der Jungprofi unter anderem zwischen der Position des Backup-Aufbaus und der des Starters auf der Vier. In der Defensive verteidigte er derweil Playmaker und Big Men, während

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Winslow

er im Angriff wegen dieses Spagats nie wirklich seinen Rhythmus fand und 2017/18 kein einziges Mal mehr als 18 Punkte in einer Partie auflegte. Winslows ausgewiesene Vielseitigkeit war demnach Segen und Fluch zugleich. Nichtsdestotrotz machte er einen Schritt nach vorne, was den Heat nicht verborgen geblieben war. Der Lohn war im Herbst 2018 eine finanziell eher teamfreundliche Vertragsverlängerung über drei Jahre, die Winslow 39 Millionen Dollar einbringt, wobei die dritte Saison eine Teamoption ist. Es ist eine Investition, die sich bereits bezahlt macht. Auch weil Spoelstra in Abwesenheit von Dragic „Point Justise“ sein Vertrauen aussprach – der ihm dies mit steten Leistungen dankt.

Fortschritt in Florida

Zuvorderst strahlt Winslow 2018/19 abseits des Balles mehr Gefahr aus. Schließlich trifft er aus dem Catchand-Shoot starke 39,5 Prozent seiner 3,4 Dreierversuche pro Partie. „Die Verteidiger beginnen, die Hand hochzuhalten und schneller auf mich zuzulaufen“, weiß Winslow zu berichten. „Ich bin definitiv zuversichtlich, egal welchen Dreier ich nehme. Endlich fühle ich mich wirklich wohl da draußen, und ich denke, das zeigt sich nun.“ Jenes Selbstvertrauen manifestiert sich auch anhand vermehrter Sprungwürfe aus dem Dribbling, die er aus der Halbdistanz passabel trifft. Zumal Winslows verbesserter Wurf für ihn und die Heat das Spiel öffnet, da er jetzt leichter den Drive anbringen sowie mit seinem Mix aus Schnelligkeit und Wucht Mismatches attackieren kann. Dabei hat sich der Linkshänder bei den Abschlüssen in Korbnähe gesteigert und finisht inzwischen auch mal mit rechts. Auch sein Floater fällt verlässlich. Gleichwohl bleiben die Erfolgsrate am Ring, die Freiwurffrequenz und -quote (64,6 Prozent) sowie generell der Abschluss aus der Bewegung und sein Wurfgefühl ausbaufähig. So ist Winslow gewiss kein Go-to-Scorer, aber dafür ein Playmaker, der methodisch agiert und eine der bedächtigsten Offensiven der Liga zuverlässig anführt. Entsprechend sind seine Ballbesitze im Pick-andRoll genauso wie seine Nutzungsrate signifikant gestiegen. Dabei liest „Point Justise“ das Spiel besser. Er bedient die offenen Schützen und Cutter als effektiver Driveand-Kick-Akteur. Also ganz im Sinne der etablierten Heat-Spielkultur, nur in etwas langsamerem Spieltempo. Dass Winslow als primärer Dribbler auch in puncto Körpersprache Selbstbewusstsein und Verve ausstrahlt, mag indes nicht verwundern. Denn erstmals seit der Highschool darf er die Rolle bekleiden, in der er sich am

wohlsten fühlt und in der er seine Stärken ausspielen kann. „Von klein auf musste ich alles machen. Ich war Point Guard, Center und Flügel … Ich denke, darin liegt meine Vielseitigkeit begründet“, reflektiert Winslow. „Und nun ist es so, dass die Rotation wechselt, dass meine Führungsqualitäten, meine Fähigkeit, Dinge auf dem Feld zu sehen und das Spiel zu lesen, gefragt sind. Das ist irgendwie ganz natürlich passiert.“ Und er ergänzt: „Letztes Jahr hieß es ‚Point Forward‘ – und jetzt, da ich die Dreier treffe, wurde eben der Forward ausgetauscht und am Ende durch den Guard ersetzt.“ Apropos: In der Verteidigung ist „Point Justise“ weiterhin ein vielseitiger Akteur, der mit Josh Richardson ein exzellentes Stopper-Duo bildet und regelmäßig vier Positionen deckt. Nicht zufällig stellt Miami seit Dezember eine Top-5-Defense. Wie wichtig Winslow dabei für seine Farben ist? Steht er auf dem Parkett, erzielen die Heat pro 100 Plays 2,8 Punkte mehr als der Gegner. Sitzt er, weisen die Floridianer ein negatives NetRating von 5,1 Zählern auf (jeweils der Höchstwert im Team). „Justise hat einige grundsolide Spiele absolviert und uns an beiden Enden des Feldes wirklich inspiriert“, lobt Spoelstra daher seinen Schützling. „Aber meistens schauen die Leute nur auf die finalen Zahlen im Boxscore. Ich möchte jedoch nicht, dass der Einfluss, den er auf unser Spiel hat, etwa darüber definiert wird, wie viele Punkte er erzielt. Denn es geht darum, für uns an beiden Enden ein kompletter Basketballer zu sein – und das ist er.“ Wie gut Winslow dabei als Two-Way-Player noch werden kann, wird sich zeigen. Fest steht derweil schon, dass sich der einstige Non-Shooter nach vorne gearbeitet hat und heuer zu den hochgewachsenen Playmakern gehört, die in der Liga vermehrt den Ton angeben. „Einen größeren Spieler zu haben, der mit dem Ball umgehen kann, hilft definitiv. Ich denke, ein Trend in der NBA besteht darin, dass dein bester Spieler als Ballhandler agiert“, verweist Winslow auf diese Entwicklung. „Ich sage hiermit nicht, dass ich der beste Spieler bin, aber ich sehe Jungs wie Ben Simmons, die große Guards sind und Plays machen können.“ Mit „Coach Spo“, der seit jeher positionslosen Basketball lehrt, hat „Point Justise“ zudem den passenden Mentor an seiner Seite, der seine Entwicklung fördern dürfte. So ist in Südflorida weiterhin organisches Wachstum gefragt, das Pat Riley wiederholt beschworen hat. Was es dazu braucht, ist Geduld und Zeit. Denn manchmal dauert es mehr als drei Jahre, bis ein Spieler hervortritt. redaktion@fivemag.de


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Alfonzo

McKinnie

Alfonzo McKinnie

REMEMBER Die Profi-Karriere von

Alfonzo McKinnie begann in der zweiten Liga Luxemburgs und führte ihn bis zu den Golden State Warriors. Auch weil ihn deutsche ProB- und ProA-Klubs verschmähten, greift er jetzt an der Seite von fünf NBA-All-Stars nach der Meisterschaft. FIVE erzählt die märchenhafte Geschichte eines harten Arbeiters, dessen Namen ihr abspeichern solltet. Text: Peter Bieg

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NAME THE

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hristophe Ney war zu Beginn etwas skeptisch, was Alfonzo McKinnie angeht. „Am Anfang fand ich ihn nicht so überzeugend, weil er eine sehr schwache Freiwurfquote hatte. Ich habe ihn nicht in Betracht gezogen“, sagt Ney und grinst. Der Anfang, das ist der Sommer des Jahres 2015. Christophe Ney (ehemals bei FIVE für das Nachwuchsscouting zuständig) ist Headcoach der East Side Pirates im luxemburgischen Berbourg. Der kleine Klub ist gerade in die zweite Liga des Landes aufgestiegen, die Coach Ney etwa auf dem Niveau unterer Teams in der 2. Regionalliga in Deutschland einstuft. Ney hat die Aufgabe, einen ausländischen Spieler zu verpflichten, der

dem Aufsteiger zum Klassenerhalt verhilft. Bis zu drei Ausländer sind im Unterhaus des Kleinstaates erlaubt. Doch Ney und der Vorstand beschließen, nur einen zu verpflichten: den bestmöglichen Spieler im Rahmen des bescheidenen Budgets. Daran, dass Alfonzo McKinnie aus Chicago, Illinois, dieser Spieler sein kann, glaubt Ney trotz eines Excel-Sheets nicht. „Ich hatte ein Excel-Sheet gebastelt, in dem die Statistiken aller Division-I-Seniors zusammenliefen“, erklärt der ehemalige Scout, der heute hauptberuflich in einer Bank arbeitet. „Ich habe einen sehr guten Offensivrebounder gesucht, der ab und zu mal einen Dreier trifft.“ Sein Programm spuckt eine Liste von rund zehn Spielern aus, darunter auch


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Fotos: Andrew D. Bernstein/NBAE via Getty Images

McKinnie, ein 2,03 Meter großer Flügel von der University of Wisconsin-Green Bay. Nicht nur die 50-prozentige Freiwurfquote des am 17. September 1992 geborenen Afroamerikaners ist besorgniserregend. Ney sieht auch magere 8,0 Punkte und 5,3 Rebounds im Schnitt für ein mittelmäßiges Team in einer ebensolchen Conference. Immerhin zeigen die Advanced Stats starke Reboundquoten, insbesondere am offensiven Brett (etwa 10,7 Prozent offensive Reboundrate als Senior). Aber auch zwei Meniskusrisse stehen bereits in Alfonzo McKinnies Vita. Selbst für Luxemburg ist er damit nicht erste Wahl. Erst ein Telefonat stimmt Christophe Ney nachdenklich. Ein Bekannter erzählt ihm von einem Spieler, den er bei einem Camp in Las Vegas gesehen hat. Sein Name? Alfonzo McKinnie. Weil sein Kontakt von Athletik, Einsatzbereitschaft und Potenzial des US-Amerikaners schwärmt, nimmt Ney doch Kontakt zu dessen Berater auf – und empfängt Alfonzo McKinnie einige Wochen später am Flughafen von Luxemburg. Konkurrenz gibt es so gut wie keine für McKinnies Dienste. Für den damals 23-jährigen Flügelspieler mit unauffälliger Vita und mageren Statistiken interessiert sich zum damaligen Zeitpunkt sonst niemand. Dem Euro-Rookie ist das egal. „Ich wollte einfach Basketballprofi werden, egal wo“, sagt der Chicagoer, dessen verrückte Geschichte heute eine Menge Nordamerikaner kennen, die sich für Basketball interessieren. Medien wie ESPN, die „New York Times“, Bleacher Report – sie alle haben über McKinnies Weg aus der luxemburgischen Peripherie zum Rotationsspieler in der besten BasketballMannschaft der Welt berichtet. „Es ist eine einzigartige Reise“, sagt er. „Viele Leute sind fasziniert davon. Verdammt, ich bin selbst fasziniert davon.“ „So wie das Spiel heute gespielt wird, brauchst du Jungs, die mehrere Positionen verteidigen können“, sagt sein heutiger Headcoach, Steve Kerr von den Golden State Warriors, über McKinnie. „Sein Dreipunktewurf ist ziemlich gut. Er kann noch besser werden, aber wir mögen ihn wirklich. Er ist ein großartiger Junge, und seine Geschichte ist fantastisch. Er hat hart gearbeitet, um hierherzukommen.“ Denn in den Jahren, bevor McKinnie an der Seite der „Splash Brothers“ nach der NBA-Krone greift, warten ganz andere Aufgaben auf ihn … Etwa sich an den europäischen Straßenverkehr mit Rechtsfahrgebot und Gangschaltung zu gewöhnen und sich in seiner neuen Heimatstadt Trier einzuleben, wo ihn die East Side Pirates aus Kostengründen unterbringen. „Er ist ein ruhiger Typ, der noch nie in Europa war, bis er in Luxemburg aus dem Flieger stieg“, erinnert sich Christophe


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Alfonzo

Ney an seinen ersten Spaziergang mit McKinnie durch die Trierer Innenstadt.

Fotos: Noah Graham/NBAE via Getty Images

Erstes Highlight-Tape

Weniger gewöhnungsbedürftig als Trierer Fachwerkhäuser und Römerbauten ist der grüne Plastikboden in der Berbourger Heimhalle für Alfonzo McKinnie. „Die ersten Trainingseinheiten dort waren krass. Man sah direkt, dass der Typ richtig gut ist“, sagt Ney. „Normalerweise sehen Spieler auf den Rekrutierungsvideos ja immer super aus. Hier war es zum ersten Mal so, dass der Spieler besser war als auf den Tapes, die ich gesehen hatte.“ Videos von McKinnie und seinen Dunks machen seine neuen Mitspieler direkt nach dem ersten Training, denn nicht nur im Vergleich zu Amateuren ist der USAmerikaner eine Ausnahmeerscheinung. „Seine Athletik ist Weltklasse, unglaublich. Er ist schnell, kann springen, hat ein super Timing“, fasst Ney zusammen. Noch heute findet sich auf YouTube ein Highlight-Tape aus Luxemburg – es ist der erste Treffer für jeden, der nach McKinnies Namen sucht. Für die East Side Pirates soll der Neuzugang jedoch mehr bringen als Athletik. „Auf dem College war Alfonzo die dritte, vierte Option in seinem Team und hatte nur eine gewisse Rolle“, sagt Ney. „Bei uns war er das erste Mal der Go-to-Guy und musste offensiv etwas machen.“ McKinnie macht: 25,5 Punkte und 16,6 Rebounds bei über 50 Prozent Feldwurfquote stehen nach der Saison 2015/16 für ihn zu Buche. Aber auch der neue Ausnahmespieler kann den Abstieg der Piraten, die fast alle Spiele verlieren, nicht verhindern. An seiner Arbeitseinstellung ändert das nichts. „Er hatte keinerlei Allüren, hat vom ersten Tag an zugehört und versucht, alles umzusetzen. Er hat die anderen Spieler motiviert und war immer bei 100 Prozent“, blickt Ney zurück. Mit seinem Hunger und seinen athletischen Fähigkeiten ist McKinnie in Luxemburg nicht aufzuhalten. „Ihn konnte im Training niemand stoppen. Wenn wir Fünf-gegen-fünf-Situationen hatten, war er nicht zu halten“, erinnert sich sein damaliger Coach. „Er konnte machen, was er wollte. Aber das hat er nicht ausgenutzt, um jedes Mal zu scoren. Er hat versucht, die Systeme durchzuspielen und die anderen Optionen zu finden.“ McKinnies luxemburgische Mitspieler trainieren dreimal in der Woche und gehen regulären Beschäftigungen nach. Als einziger Vollprofi im Kader besucht er regelmäßig auch das Training der deutschen ProA-Mannschaft in Trier, der Gladiators, um sich weiterzuentwickeln. Im deutschen Profibasketball glauben sie indes nicht, dass McKinnies Name merkenswert ist. Denn zum Ende der einzigen gemeinsamen Saison versucht Christophe Ney, seinem Ausnahmespieler Türen zu öffnen,

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verschickt Mails und Videos an seine Kontakte in Luxemburg sowie bei deutschen ProA- und ProB-Mannschaften. Zwei Teams laden McKinnie zum Tryout ein, sagen aber letztlich ab. „Die meisten meinten: ,Sorry, das ist Luxemburg, zweite Liga. Was ist das für ein Niveau? Wir sind nicht interessiert‘“, lacht Ney heute. „Das ProA-Team, bei dem er zum Tryout war, sagte, dass es besser sei, wenn er erst einmal in die ProB gehen würde.“

Warriors

Doch anstatt in der ProB spielt Alfonzo McKinnie im Anschluss an seine erste Profisaison in Luxemburg noch einige Wochen in Mexiko. Er führt das Team Rayos de Hermosillo bis in die Finalserie der ersten mexikanischen Liga, und sein Bekanntheitsgrad auf dem amerikanischen Kontinent steigt von „völlig unbekannt“ zu „einigen Insidern ein vager Begriff“. Nach dem Ende der Saison in Mexiko steigt sein bescheidener Bekanntheitsgrad weiter – weil Alfonzo McKinnie viel 3-on-3 spielt. Allerdings nicht auf dem örtlichen Freiplatz, sondern im „Team USA“, mit dem er später Vizeweltmeister wird. Der einzige Grund, warum McKinnie 3-on-3 spielt, heißt Randy Brown, ein Assistenztrainer der Chicago Bulls. Brown wählt die Spieler für die amerikanische Auswahl aus und glaubt, die zusätzliche Aufmerksamkeit könne McKinnie nur guttun. „Ich dachte nur: ,Was habe ich zu verlieren?‘“, sagt McKinnie – und wird in dieser Einschätzung nur wenige Wochen später bestätigt. Er liegt bei seiner Mutter in Chicago auf der Couch, als sein Telefon klingelt – es ist Randy Brown. Ob er Zeit habe, schnell in die Halle zu kommen, um mit einigen Bulls-Spielern ein bisschen zu zocken … Alfonzo McKinnie hat Zeit und putzt sich nicht einmal mehr die Zähne, so schnell ist er in der Halle. Für die Saison 2016/17 schafft er es, sich einen Kaderplatz bei den Windy City Bulls in der G-League zu sichern. Nachdem er 175 Dollar für die Teilnahme an einem offenen Tryout mit rund 200 anderen Spielern investiert, spielt er in seiner Heimatstadt eine starke Saison für das Farmteam der Chicago Bulls. 14,9 Punkte erzielt er in 50 Spielen, holt dazu 9,2 Rebounds und trifft mehr als 50 Prozent aus dem Feld. „Die G-League war sehr wichtig. Sie hat mir die Chance gegeben, vor einigen wichtigen Entscheidern zu spielen und auf das NBA-Niveau zu kommen. Die Leute haben mich in der G-League gesehen, gaben mir Chancen, und ich habe sie genutzt“, sagt McKinnie, der zum All Star in der Entwicklungsliga heranwächst. „Erst in der G-League hat er sich zum NBA-Spieler entwickelt“, glaubt auch Adam Radomirovic. Der ehemalige BBLProfi (Brose Bamberg) traf als Headcoach von Gréngewald Hostert in Luxemburg

auf McKinnie. „Er war schon ein sehr vielseitiger und athletischer Spieler, jedoch konnte keiner damals nur ansatzweise vermuten, dass er in der NBA spielen wird“, sagt Radomirovic. „Wer etwas anderes behauptet, lügt meiner Meinung nach. Denn allein zu dem Zeitpunkt gab es im kleinen Luxemburg mit Sicherheit eine Handvoll besserer Spieler, die später maximal ProALevel geschafft hätten.“ Obwohl er McKinnie nach dessen starken Auftritten gern selbst verpflichtet hätte, sagt Radomirovic: „Ich bin sehr froh für ihn, dass er nicht hier geblieben ist und stattdessen diesen völlig verrückten Weg wagen konnte.“ Noch heute ist der Coach verblüfft von McKinnies Werdegang in

„Es ist eine einzigartige Reise. Viele Leute sind fasziniert davon. Verdammt, ich bin selbst fasziniert davon.“ -----------

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Richtung NBA: „Die meisten Spieler gehen über das College, die Euroleague oder wirklich starke europäische Teams dorthin, er jedoch spielte vorher in keinem einzigen nennenswerten Klub, und das ist das Besondere und Faszinierende. Denn gegen jede Regel hat er sich mit harter Arbeit und sehr viel Glück den Traum erfüllt. Ein echtes Basketballmärchen.“ McKinnies Auftreten in der G-League ist den Toronto Raptors für die Saison 2017/18 einen NBA-Vertrag wert. Durchsetzen kann sich der Flügelspieler in Kanada jedoch noch nicht, verbringt einen Großteil der Spielzeit erneut in der G-League. Nur 14 Spiele macht Alfonzo McKinnie für die Toronto Raptors, in denen er gerade mal 3,8 Minuten pro Partie aufs Parkett darf. 35 Mal läuft er für die Raptors 905 in der Entwicklungsliga auf. Er bestätigt die Statistiken aus Chicago, feilt weiter an seinem Distanzwurf, bleibt hungrig wie eh und je. Nachdem ihn die Raptors im Juli 2018 entlassen, ergattert McKinnie einen Platz im Trainingscamp von NBAChampion Golden State. Er hofft auf den

verbleibenden Two-Way-Contract bei den „Dubs“. Doch einerseits zögert sich deren Vertragsverlängerung mit Free Agent Patrick McCaw hinaus, um später komplett zu scheitern. Andererseits überzeugt McKinnie mit seiner Vielseitigkeit und Einstellung. So erhält McKinnie anstelle von McCaw den 14. – und damit garantierten – Kaderplatz beim Meister. Alfonzo McKinnie ist ein Golden State Warrior. Während die regulären Wege in die NBA über renommierte Colleges oder herausragende Leistungen in Europa führen, ist sein Pfad gewunden und voller Wendungen – scheinbare Sackgassen wie Luxemburg erweisen sich als Startbahnen in ungeahnte Sphären. Und der Chicagoer ist gekommen, um zu bleiben. „Er ist noch nicht einmal dabei, auch nur die Oberfläche seines Potenzials anzukratzen“, glaubt sein neuer Point Guard, ein gewisser Stephen Curry. „Es würde mich nicht überraschen, wenn er für uns zu einem riesigen Katalysator wird – speziell am Ende der Saison, wenn es wirklich darauf ankommt.“ Mit Athletik, Arbeitsethos und Ausdauer hat sich McKinnie seine Nische bei den Warriors geschaffen und ist inzwischen Teil der Rotation des Meisters. „Ich hoffe, dass er hier für viele Jahre bleibt“, sagt Coach Kerr. „Was er athletisch mitbringt, ist selbst unter NBASpielern außergewöhnlich. Er wird mit jedem Spiel besser und ist ein sichererer Werfer als noch vor einem Jahr. Viele Jungs sind in dieser Liga geblieben, indem sie ihren Wurf im Alter stark verbessert haben. Für Alfonzo wird es entscheidend sein, weiter an diesem Wurf zu arbeiten.“ Einmal gelingt es McKinnie sogar, in der Startformation der „Dubs“ zu stehen. Und beim Spiel gegen Chicago am 27. Oktober 2018 erzielt er mit 19 Punkten und zehn Rebounds Karrierebestwerte – ausgerechnet in seiner Heimatstadt. Den wichtigsten Assist verteilt er aber schon vor dem Spiel, indem er seiner Mutter ein Haus in der Chicagoer Vorstadt kauft. „Es war ein krasser Weg hierher“, sagt McKinnie nach der Partie, die er auch dazu nutzt, seiner Familie seine neuen Mitspieler persönlich vorzustellen. „Viele Höhen und Tiefen vom Anfang bis zum Hier und Jetzt. Aber ich bin einfach dankbar für die Chancen, die ich hatte, und versuche, das meiste daraus zu machen. Manchmal fühlt sich das alles immer noch surreal an. Und es gab einen Punkt, an dem ich nicht damit gerechnet hätte, dass es so laufen könnte. Ich wollte, dass es so läuft, aber es sah zeitweise nicht gut aus.“ Jetzt sieht es so aus, als würde eventuell bald sein Name in einen NBAMeisterschaftsring eingraviert. Auch das hat Christophe Ney nicht kommen sehen. redaktion@fivemag.de

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ZWEIT EN Getradet am Draft-Tag,

gewaived am Saisonende:

Thomas Bryant erlebte einen turbulenten Start in seine NBA-Karriere. Erst bei den strauchelnden Washington Wizards gelang dem

ANLAUF

Zweitjahresprofii der Sprung in die feste Rotation eines NBATeams. In der Hauptstadt gehÜrt Bryant zu den wenigen Lichtblicken in einer dunklen Saison und beweist: Auch auf dem Basketballfeld kann der erste Eindruck täuschen. Text: Torben Adelhardt

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Dass ausgerechnet Thomas Bryant, ein NBA-Zweitjahresprofi, dessen Karrierehöhepunkt bisher bei 16 Punkten liegt, für einen magischen Abend sorgen soll? Daran denkt wohl niemand … Bryant wurde überhaupt erst durch die Rückenverletzung von NeuWizard Dwight Howard vier Wochen zuvor in die Rotation gespült. In den ersten 16 Saisonspielen sah der junge Big Man insgesamt nur 32 Minuten Einsatzzeit. Doch die ausgedünnte Frontcourt-Rotation zwang WashingtonHeadcoach Scott Brooks dazu, Bryant in die Starting Five zu befördern. Als Starter auf der Fünf legt Bryant bis zum Spiel gegen die Phoenix Suns 6,9 Punkte und 4,8 Rebounds pro Partie auf – die Zahlen eines soliden NBA-Rollenspielers. Mit seinem unbändigen Einsatzwillen beim Rebound und seinen Fähigkeiten als athletischer Abroller nach dem Pick-and-Roll zeigt der Absolvent der Indiana University auch erste Anzeichen dafür, dass er dem physischen Spiel in der NBA gewachsen ist und seine Minuten auf dem Parkett produktiv zu nutzen weiß.

Gegen die Suns folgt dann die GalaVorstellung des Thomas Bryant … In einer irren Partie setzen sich die Wizards nach dreifacher Overtime mit 149:146 gegen die Suns durch. Bradley Beal legt in Abwesenheit von All-StarAufbau John Wall mit 40 Punkten, 15 Assists und 11 Rebounds das erste TripleDouble seiner Karriere auf. Der entscheidende Faktor in den Extra-Spielminuten ist jedoch Bryant. In den ersten beiden Verlängerungen erzielt der Big Man 16 der insgesamt 18 Wizards-Punkte. Er kommt immer wieder in der Zone zu guten Abschlüssen. Egal ob nach Offensivrebounds, Pick-and-RollSpielzügen oder Durchsteckern in Folge gezogener Double-Teams von Beal: Bryant erzielt Punkt um Punkt. Als die Schlusssirene ertönt, haben sich die Wizards einen wichtigen Sieg im Playoff-Rennen erkämpft – und Bryant hat einen Eintrag in die NBAGeschichtsbücher sicher.

Historisch gut

Am Ende eines denkwürdigen NBA-Spiels prangt auf dem Scoreboard hinter der

Fotos: Rocky Widner/Ned Dishman/NBAE via Getty Images

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s gibt in der Karriere eines Profisportlers oft Spiele, bei denen bereits im Moment des Augenblicks feststeht, dass sie einen prägenden Einfluss auf die Zukunft haben werden. Der Abend des 22. Dezember 2018 ist im Fall von Thomas Bryant ein solcher Moment. Die Washington Wizards empfangen die Phoenix Suns in der heimischen Capital One Arena. Ein Spiel, das nicht unbedingt nach Spektakel schreit. Die Wizards verbreiten in der aktuellen NBA-Saison bis dato nicht sonderlich viel Magie. Die Franchise aus der Hauptstadt sorgt im Vorfeld eher durch einen üblen Fehlstart (1-7), Verletzungen und interne Querelen für Schlagzeilen. Unmittelbar vor dem Fest der Liebe stehen die Zauberer dann bei einer enttäuschenden Bilanz von 12-20, das Team droht frühzeitig den Anschluss an die hinteren Playoff-Plätze im Osten zu verlieren. Höchste Zeit also für eine Feelgood-Story, die den Anhängern in Washington zumindest einen Anflug von Hoffnung beschert.

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gut, aber sehr solide, indem er in den Spielen bis Ende Januar ganze 13 Mal zweistellig punktet. Insgesamt legt der Big Man im Monat Dezember durchschnittlich 10,6 Punkte und 6,2 Rebounds auf – und das bei einer sehr guten True-ShootingQuote von 75,6 Prozent. Im Folgemonat verbessert Bryant diese Werte in 14 Partien sogar auf 11,4 Punkte, 7,5 Rebounds und 1,4 Assists bei einem exzellenten True-Shooting-Wert von 70,4 Prozent. Für Bryant selbst ist der Erfolg das Ergebnis langjähriger Arbeit. Denn

„Ich liebe seine Energie, ich liebe seinen Enthusiasmus. Er ist ein richtig guter Spieler.“ Scott Brooks -----------

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nicht immer sah es danach aus, dass er das Zeug zum NBA-Starter hätte.

Fotos: Rob Carr/David Liam Kyle/NBAE via Getty Images

Hoosiers

Trikotnummer 13 die Zahl 31. Doch nicht die 31 Punkte – für Bryant zugleich eine neue Karrierebestleistung – sind der Grund, warum der 21-Jährige an diesem Tag in die NBA-Annalen eingeht. Thomas Jermaine Bryant erwischt einen perfekten Abend – seine 14 Feld- und drei Freiwürfe finden allesamt nichts als Nylon. Der letzte Spieler, dem dieses Glanzstück gelang: Gary „The Glove“ Payton. Vor 23 Jahren. Um die Leistung von Bryant einzuordnen, genügt ein Blick auf die Liste aller Spieler, die in einer NBA-Partie mehr als 14 Feldwürfe nahmen und dabei ohne Fehlversuch blieben. Denn dort steht nur ein Name: der von Wilt Chamberlain. Der Hall of Famer hatte 1966/67 gleich drei Partien, in denen er 15, 16 und schließlich 18 Würfe ohne Fehlversuch traf, was gleichzeitig einen NBA-Rekord bedeutet. „Es ist unglaublich. Ich hatte sowohl während des Spiels als auch

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direkt danach keine Ahnung – bis mir die Leute davon erzählten, welch historische Leistung das überhaupt ist“, berichtet Bryant den anwesenden Journalisten im Nachgang der Partie. Mannschaftskollege Beal ist voll des Lobes und schwärmt in den höchsten Tönen von „TB13“: „Thomas war heute mit großem Abstand unser MVP. Er hat jede Minute mit vollem Einsatz gespielt. Er brachte Energie, schloss in der Zone ab, reboundete, blockte Würfe und war in der Pick-and-Roll-Verteidigung sehr aktiv. Er hat alles gemacht, was wir von ihm benötigen.“ Headcoach Scott Brooks fügt an: „Deandre Ayton wird von Woche zu Woche besser. Er hat uns heute 27 Punkte eingeschenkt. Aber Thomas stand ihm in nichts nach. Er hat sich dem Kampf mit ihm gestellt.“ Bryant bestätigt seine Leistung in den Folgewochen. Zwar nicht historisch

Thomas Bryant wächst in Rochester, New York, in einem basketballverrückten Haushalt auf. Seine Eltern spielten College-Basketball, und auch wenn ihnen eine professionelle Karriere verwehrt blieb, infizierten sie ihren Sprössling frühzeitig mit dem Basketballvirus. Bryant bezeichnet heute den Besuch eines Spiels der Harlem Globetrotters, das er als Dreijähriger miterlebte, als entscheidendes Erlebnis. Fortan gibt es für ihn nur noch den orangefarbenen Ball. „Rochester ist nicht unbedingt der schönste Flecken Erde. Wann immer es ging, bin ich in die Turnhalle gegangen, um Basketball zu spielen und mich zu verbessern“, erzählt Bryant. Er ordnet alles andere einem übergeordneten Ziel unter: der NBA. „TB13“ spielt in seinen Jugendjahren nicht einfach nur Basketball, weil er groß und athletisch ist und eine Profikarriere Ruhm und Reichtum bedeuten würde – sondern „for the Love of the Game“. „Ich habe es schon immer geliebt, Basketball zu spielen. So einfach ist das“, stellt er fest. In seiner letzten HighschoolSaison läuft Bryant für die Huntington Prep School auf. Da hat er sich längst in die Notizblöcke sämtlicher renommierter


Universitäten gespielt. Syracuse, Kentucky, Missouri und Indiana sind am Ende seine Favoriten, ehe die Wahl auf Tom Crean und die Indiana Hoosiers fällt. Die Aussicht auf ein zukünftiges Zusammenspiel mit den College-Stars Yogi Ferrell und James Blackmon Jr. gibt schlussendlich den Ausschlag zugunsten der Alma Mater von Coaching-Legende Bob Knight. Mit seiner Länge, Mobilität und großen Qualitäten als Finisher am Ring gehört Bryant zu den Top-Talenten des 2015er Freshman-Jahrgangs. ESPN sieht den New Yorker an 20. Stelle der Unianfänger, Draft-Analyst Eric Bossi (Rivals.com) schätzt an Bryant vor allem dessen Energie und dass er mit seinem guten Shooting-Touch das Potenzial zum Stretch-Fünfer besitzt. In seinem ersten NCAA-Jahr beweist der mobile Big Man, weshalb Coach Crean ihn unbedingt nach Bloomington holen wollte. Er gibt den Hoosiers die so dringend benötigte Länge im Frontcourt und komplementiert die dynamischen Scorer um Ferrell und Blackmon Jr.

Die Hoosiers setzen sich mit 73:67 durch. Der Mann des Spiels: Thomas Bryant. Der Big Man erzielt 15 seiner 18 Punkte in den letzten acht Minuten des Spiels und dominiert seine Gegenspieler Skal Labissiere und Marcus Lee in der Zone. Im Sweet Sixteen ist für Indiana zwar gegen den späteren Finalisten aus North Carolina Schluss, Thomas Bryant landet jedoch auf dem Radar der NBAScouts. Seine durchschnittlich 11,9 Punkte und 5,8 Rebounds in rund 22 Minuten Einsatzzeit als Freshman wecken Begehrlichkeiten bei den Profis. Der Sprung in Richtung NBA scheint die logische Konsequenz. Doch Bryant enttäuscht in den Pre-DraftWorkouts und erhält von den anwesenden Scouts die Einschätzung, dass er an zwei wesentlichen Elementen seines Spiels noch feilen muss: dem Blocken von gegnerischen Würfen und den eigenen Schüssen außerhalb der Zone. Das NBA-Feedback weckt in Bryant den Ehrgeiz. In seinem zweiten Jahr will er es den Zweiflern zeigen. Doch seine Sophomore-Saison bei

„Ich denke, dass er eine super Einsatzbereitschaft sowie einen starken Siegeswillen hat und alles dafür tut, um sich als Basketballer konstant weiterzuentwickeln“, kommentiert Crean die Ankunft seines neuen Centers. Die Hoosiers beenden die NCAA-Saison 2015/16 auf dem ersten Platz der BigTen-Conference mit einer Bilanz von 15 Siegen und drei Niederlagen. Im NCAA-Turnier trifft Indiana in der zweiten Runde auf die Kentucky Wildcats – für Bryant auch ein Wiedersehen mit UK-Headcoach John Calipari, der ihm im vorangegangenen Sommer ein Stipendium angeboten hatte und ihn gerne in Lexington gesehen hätte.

den Hoosiers entwickelt sich zu einer mittelschweren Katastrophe. Auf Teamebene bleiben die Spieler aus Bloomington deutlich hinter den Erwartungen zurück und rutschen in der Big Ten bis auf den zehnten Tabellenplatz ab. Die Hoosiers verpassen das NCAA-Turnier und werden zum ersten Mal seit 2005 „nur“ zum NIT eingeladen, wo sie auch direkt in der ersten Turnierrunde die Segel streichen müssen. Bryant selbst kann die in ihn gesetzten Hoffnungen nur temporär erfüllen. Mit 23 Dreiern (60 Versuche) beweist er zwar sein Potenzial als Big Man mit Wurf, doch in Sachen Verteidigungsarbeit offenbart er weiterhin

Defizite. Auch fällt seine Anfälligkeit für Ballverluste negativ auf. Bryant entscheidet sich dennoch für die NBADraft 2016.

Über South Bay nach Washington

Die Los Angeles Lakers wählen den Center mit dem 42. Pick. Dieser gehört ursprünglich den Utah Jazz, die sich am Tag der Talentziehung dazu entschließen, ihren 30. Pick (Josh Hart) und eben den 42. abzugeben, um im Gegenzug an 28. Stelle wählen zu dürfen (Tony Bradley). Somit landet Thomas Bryant schlussendlich in Los Angeles. Doch im Gegensatz zu seinen Rookie-Kollegen Lonzo Ball, Kyle Kuzma und Hart spielt er in den kurz- bis mittelfristigen Überlegungen der Lakers keine große Rolle. Er gilt als Langzeitprojekt und wird zu den South Bay Lakers in die G-League geschickt. Dort zeigt der 21-Jährige ansprechende Leistungen und empfiehlt sich mit 19,7 Punkten (bei einer Trefferquote von 59,7 Prozent), 7,3 Rebounds, 2,1 Assists und 1,6 Blocks in durchschnittlich 30,8 Minuten für höhere Aufgaben. Auch der Dreier fällt mit 36,4 Prozent annehmbar sicher. Doch die Frontcourt-Rotation der L.A. Lakers ist mit Julius Randle, Brook Lopez, Larry Nance, Kuzma und Ivica Zubac bereits arg überfrachtet, sodass für Bryant mit Ausnahme von 72 Minuten Garbage-Time keinerlei Einsatzchancen herausspringen. Der Traum von der NBA ist zwar erreicht, doch als wirklichen NBA-Spieler sieht sich Bryant selbst nicht. Dass die Lakers ihn im Vorfeld der NBA-Saison 2018/19 entlassen, um Geld zu sparen, erweist sich aber als glückliche Fügung. Denn keine zwei Tage später sichern sich die Wizards die Dienste des jungen Centers. Anfangs nur an Position vier der internen Hackordnung hinter Howard, Markieff Morris und Jason Smith, spülen Verletzungen und Trades den ehemaligen McDonald’s-All-American in die Starting Five, wo er auch erst einmal verweilen dürfte. „Ich liebe seine Energie, ich liebe seinen Enthusiasmus“, lobt Coach Brooks. „Manchmal musst du ihm sagen: ‚Ruhig, Langer!‘ Wir lieben seine Verbesserung. Wir lieben seinen Einsatz, er ist ein richtig guter Spieler.“ Denn mit auf 36 Minuten gerechneten 18,2 Punkten, 10,8 Rebounds, 2,1 Assists und 1,5 Blocks liefert Thomas Bryant ab. Sogar der eine Dreier, den er im Schnitt pro Partie nimmt, fällt in 38,3 Prozent der Fälle. Somit ist er ein weiteres Beispiel dafür, dass es in der NBA oftmals vor allem darauf ankommt, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Und dann benötigt es nur noch einen „magischen“ Abend. So wie am 22. Dezember 2018. redaktion@fivemag.de

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Air Latvia in Brooklyn Rodions Kurucs brachte das Kunststück fertig, zwar vom FC Barcelona, aber trotzdem quasi aus dem Nichts in die NBA zu kommen. Wer ist eigentlich der große Unbekannte der Brooklyn Nets?

Fotos: Al Bello/Getty Images

Text: Louis Richter

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nde Januar steht Kenny Atkinson im Medienraum der Charlotte Hornets. Der redefreudige Headcoach der Brooklyn Nets muss ein Geständnis ablegen. „Ich wünschte, wir als Trainerstab könnten uns das auf die Fahne schreiben“, sagt Atkinson. Können sie aber nicht. Es geht um Rookie Rodions Kurucs. Der junge Lette feierte kurz zuvor sein Debüt in der Ersten Fünf des

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derzeit besten New Yorker Teams. Und das scheinbar aus dem Nichts. Woher kommt dieser junge Mann? Und wie sind die Nets während der Draft gerade auf ihn aufmerksam geworden? Der Headcoach, so erfrischend ehrlich ist Atkinson, hat mit den Antworten darauf nur sehr, sehr wenig zu tun. „Man muss dem Scouting dafür danken“, so Atkinson weiter. Nets-GeneralManager Sean Marks und dessen Assistent


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Fotos: Mike Stobe/Nathaniel S. Butler/Getty Images

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Rodions

Trajan Langdon seien es gewesen, die Kurucs aus dem schier unerschöpflichen Pool talentierter, junger Europäer im wahrsten Sinne des Wortes herausgepickt hätten. „Sie sagten mir: ‚Da ist noch ein Junge mit Potenzial für die erste Runde der Draft zu haben. Wir könnten ihn jetzt an 40. Stelle ziehen.‘“ Atkinson habe nur geantwortet: „Was erzählt ihr mir da? Der hat doch in Europa kaum gespielt.“ Das Management überzeugte den Headcoach, die Nets griffen bei Kurucs zu und machten damit alles richtig. Denn der 21-Jährige gilt als eine der kleinen Erfolgsgeschichten in der großen Überraschungsstory, die die Nets während der laufenden Spielzeit weiterschreiben. Der 2,06-Meter-Mann bringt schon jetzt ein ansprechend breites Arsenal an Fähig- und Fertigkeiten mit: Größe, Athletik, Ballhandling, ein entschlossener Drive, ein ausbaufähiger, aber keineswegs hoffnungsloser Dreier. Kurucs überzeugt als Scorer und uneigennütziges Zahnrad einer gut geölten Maschine. 8,8 Punkte und 3,6 Rebounds legt „Air Latvia“ Nacht für Nacht auf. Selbstverständlich nicht nur, aber eben auch wegen ihm sehen die

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Kurucs

Nets wie ein Playoff-Team aus, das Mitte Februar attraktiven Basketball anbietet und die Hälfte seiner Partien gewinnt. Dass dies so kommen würde, konnte man vor Saisonbeginn nicht erwarten. Aus Gründen.

Herkunft, Riga etc.

1998 wird Rodions Kurucs in der malerischen lettischen Kleinstadt Cēsis geboren. Den Basketball bekommt er dabei quasi in die Wiege gelegt. Kurucs’ Onkel Ilja und Sergejs Kiselovs spielten beide selbst professionellen Basketball in der ersten Liga Lettlands. Kurucs’ Großvater ist bis heute Coach. Der Sport mit dem orangefarbenen Leder ist also von Kindesalter an allgegenwärtig. 2014 schließt sich Kurucs dem lettischen Spitzenklub VEF Riga an, nachdem er im selben Jahr bei der U16-Europameisterschaft mit der Nationalmannschaft für Aufsehen sorgt. Die Letten gewinnen Silber, Kurucs legt pro Spiel 13,4 Punkte und 5,9 Rebounds auf, wird ins All-Tournament-Team gewählt. Raimonds Feldmanis erinnert sich noch gut an die ersten Trainingseinheiten mit Kurucs. Feldmanis ist seit 2014 der Leiter der Jugendakademie bei VEF Riga.

„Ich habe vergangenes Jahr kaum gespielt, bin nun in der besten Liga der Welt und bekomme deutlich mehr Minuten als in Europa.“ -----------

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Zuvor spielte er bereits mit Kurucs’ Onkeln zusammen und kennt auch den Trainer, der den jungen Rodions während dessen Anfangszeit trainiert hat. Auch dessen Großvater kennt er. Lettland ist eben klein, Basketball-Lettland dementsprechend noch kleiner. „Man hat sofort gesehen, dass Rodions ein enorm talentierter, ein außergewöhnlicher Spieler ist“, erinnert sich Feldmanis im Interview mit FIVE. Was Kurucs neben den sportlichen Qualitäten aber von allen anderen gleichaltrigen Talenten abgehoben habe, sei seine Einstellung: „Mit 16 Jahren hat er sich bereits enorm professionell verhalten. Er hat es gehasst, wenn er im Training etwas


nicht wie gewünscht hinbekommen hat. Wenn es mit dem Ballhandling mal nicht so geklappt hat, ist er nach dem Training geblieben und hat weiter daran gearbeitet.“ Schon damals habe sich angedeutet, wie vielseitig Kurucs vor allem offensiv agieren kann: „Er hatte ein starkes Finish, ist regelmäßig vom eigenen Korb bis zu dem des Gegners durchgedribbelt und hat enorm viele Rebounds gesammelt. Vom Point Guard bis zum Power Forward konnte er alles spielen“, erzählt Feldmanis. Nach nur einem Jahr, in dem Kurucs mit Rigas U16 eine starke Saison im „Next Generation Tournament“ der Euroleague hinlegt und für die Profimannschaft von VEF debütiert, kommen erste Gerüchte über einen Wechsel zum großen FC Barcelona auf. „Man hat gespürt, dass nach der U16-EM mehr Druck auf seinen Schultern lastete. Als es dann die Gerüchte um den

Fußarbeit, Ballhandling und Abschluss. Nets-General-Manager Sean Marks bekommt das mit, besucht Kurucs persönlich in Barcelona und trifft sich mit dem Management des Klubs. Die Nets setzen daraufhin sogar einen Scout auf den vielversprechenden jungen Mann an – als gerüchteweise einziges NBA-Team. Ohne nennenswerte Profi-Erfahrung meldet sich Kurucs schließlich zur NBA-Draft 2017 an. Im Sommer steht er dann mit einem weißen Shirt und grauer Hose in einer Sporthalle in Los Angeles. Am Rande des Courts sitzen mehrere NBA-Scouts. Kurucs absolviert diverse Drills, sein Mix aus Größe und Skills ist bemerkenswert. Sein Spiel hat durchaus diesen typischen Euro-Swagger in sich, der den Charme von harter Arbeit und einer geradlinigen Ausbildung versprüht. Zeitgleich hat sein Spiel aber auch etwas Intuitives und

Barcelona-Wechsel gab, hat sich das noch einmal intensiviert. Jeder wollte etwas von ihm“, sagt Feldmanis. Kurucs entscheidet sich für den Schritt nach Spanien und unterschreibt 2015 einen Vierjahresvertrag bei den Katalanen. Eine Zäsur für den Jungen aus dem kleinen Cēsis und ein erster Sprung ins kalte Wasser des Profigeschäfts.

Lockeres, das mehr nach Read-and-ReactFreizeitbasketball als nach lettischer Taktikschule aussieht. „Das ist mein Stil. Werfen, passen, den Korb attackieren“, sagt Kurucs nach dem Training. Am letztmöglichen Tag zieht Kurucs seine Anmeldung für die Draft aber doch zurück. „Ich möchte mich in der ersten Mannschaft bei Barcelona durchsetzen und dort mehr spielen“, erklärt der Lette. Mehr spielen wird er, aber nicht viel. Wettbewerbsübergreifend bringt es Kurucs während der Spielzeit 2017/18 in zehn Einsätzen auf nur insgesamt 59 Minuten Einsatzzeit.

FC Barcelona

Der bis dato glänzende BasketballLebenslauf des agilen Forwards bekommt dort erste Macken. Kurucs darf oft nur für Barcelonas B-Mannschaft auflaufen. Erst nach zwei Jahren absolviert er den ersten nennenswerten Profi-Einsatz. In der Euroleague kommt er am 24. März 2017 für drei Minuten gegen Roter Stern Belgrad auf das Parkett und erzielt zwei Punkte. Dennoch: Im Stillen verbessert sich der Lette kontinuierlich und macht vor allem offensiv Fortschritte in Sachen

The Nets’ Way

Ende Januar 2019 steht auch Rodions Kurucs im Medienraum der Hornets und wird darauf angesprochen, dass er beim Sieg gegen Charlotte mit seinen 39 Minuten Spielzeit nur zwanzig Minuten weniger auf dem Feld stand als während

der gesamten letzten Saison in Europa. „Ja, das ist verrückt“, lacht er. „Ich habe den Boxscore gecheckt und dachte mir: ‚Wow!‘“ Natürlich überrasche seine Entwicklung bei den Nets auch ihn: „Ich habe vergangenes Jahr kaum gespielt, bin nun in der besten Liga der Welt und bekomme deutlich mehr Minuten als in Europa.“ 21 sind es nach der ersten Saisonhälfte pro Spiel. Dabei profitiert Kurucs auch von der schweren Verletzung von Caris LeVert, der sich im November den Knöchel ausrenkte. Trotzdem habe sich der Rookie laut Coach Atkinson jede einzelne Minute verdient. Auch deshalb, weil er als Spieler hervorragend in die NBA passt. „In Europa werden mehr Spielzüge gelaufen. Hier passieren viele Dinge eher aus einem Fluss heraus, man muss auch einfach mal rausgehen und rennen“, so Atkinson. Genau das tut Kurucs, und genau deshalb fügt er sich hervorragend in den athletischen Pace-and-Space-Basketball der Nets ein. Außerdem weiß er genau, wo sich der moderne Flügel aufzuhalten hat. „Was mich an ihm am meisten beeindruckt, ist seine Fähigkeit, so gut wie immer am richtigen Platz zu stehen. Das können nicht viele Rookies“, sagt Nets-Aufbau Spencer Dinwiddie. So kommen die meisten Abschlüsse von Kurucs direkt am Ring, die zweitmeisten von der Dreierlinie. Mehr als ein Drittel seiner Abschlüsse kommen ohne Assist. Die Athletik und das Ballhandling machen es möglich, Kurucs kann sich bereits schon jetzt regelmäßig einen eigenen Wurf kreieren. Außerdem ist er im Schnellangriff der Nets eine Waffe, Dinwiddie bezeichnet ihn als „Terror im Fastbreak“. Auf einen starken Dezember und einen sehr guten Januar-Anfang folgt dann aber die zu erwartende Stagnation, Kurucs brettert mit Vollgas in die „Rookie Wall“. Fünf Spiele in Serie trifft er keinen Dreier. Die Wurfquote von außen sinkt auf unter 30 Prozent. Gegen Milwaukee erlebt er Anfang Februar einen rabenschwarzen Tag, trifft nur zwei von zehn Zweiern und nur einen seiner sechs Dreier. „Das haben wir erwartet“, gibt Kenny Atkinson zu. „Es geht aber nicht nur um seinen Wurf. Auch beim Rebounding, den Steals, der Kreativität und seiner Energie ist gerade etwas der Wurm drin. Er muss ein paar Dinge verändern, wir aber auch. Wir werden ihn in anderen Aufstellungen bringen.“ Durch die Rückkehr von Caris LeVert dürften Kurucs’ Minuten weniger werden. Seine generelle Perspektive verändert sich in Brooklyn dadurch aber nicht. Die Nets wissen, was sie an ihrem Euro-Flügel haben. Der muss vor allem in Sachen Passen und Verteidigung noch an sich arbeiten, außerdem könnte er ein bisschen mehr Muskelmasse gut vertragen. Aber Diamanten wollen eben geschliffen werden. Und die, die man mehr oder weniger unerwartet serviert bekommt, erst recht. redaktion@fivemag.de

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Fotos: Kevork Djansezian/Andrew D. Bernstein/Getty Images

Vom Spieleragenten zum General Manager: Rob Pelinka hat einen seltenen Jobwechsel vollzogen. Gemeinsam mit Präsident Magic Johnson soll er die L.A. Lakers zum Titelkandidaten formen. Dabei hilft ihm eine gesunde Lebenseinstellung, grenzenloser Erfolgshunger und der Glaube an Gott. Text: Thomas Fritz 61


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Pelinka

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Fotos:Andrew D. Bernstein/NBAE via Getty Images

ls der frisch ernannte LakersPräsident Magic Johnson im Februar 2017 Rob Pelinka als neuen General Manager vorstellte, löste das eine Reihe überraschter Reaktionen aus. Ausgerechnet Pelinka, der langjährige Agent von LakersLegende Kobe Bryant, sollte die damals strauchelnde Franchise zurück an die Spitze der Association führen? Ein Mann, der nur zweite Wahl war, nachdem die Verantwortlichen keine Chance gesehen hatten, Bob Myers von den Golden State Warriors nach L.A. zu locken? Ein Anwalt ohne ManagementErfahrung, der es nicht mal zum Basketball-Profi geschafft hatte? „Rob ist ein Gewinner, und die Lakers können sich glücklich schätzen, ihn zu haben“, betonte Johnson bei Pelinkas Vorstellung und

setzte sein fettes Grinsen auf. Zwei Jahre später hat der fünffache NBA-Champion seine Entscheidung nicht bereut. Die Lakers befinden sich nach fünf playofflosen Spielzeiten wieder im Aufwind. Mit LeBron James angelte sich die zweiterfolgreichste Franchise der Ligageschichte im Sommer den besten Spieler seiner Generation. Manche meinen: den besten aller Zeiten. Pelinka legte den Grundstein für die Verpflichtung des „Königs“ und eines weiteren Stars – spätestens im Sommer 2019 –, indem er massig Platz unterm Salary Cap freischaufelte. Doch das waren beileibe nicht die einzigen smarten Entscheidungen, die unter seiner Verantwortung getätigt wurden. Mit Kyle Kuzma und Lonzo Ball ergänzten 2017 zwei vielversprechende Talente per Trade bzw. Draft den Kader. Die letztjährigen Sommerverpflichtungen Rajon Rondo, JaVale McGee und Lance Stephenson verleihen dem Kader in dieser Saison diese gewisse Stabilität und Härte. Ob sich die deutschen Draftpicks Mo Wagner und Isaac Bonga durchsetzen werden, lässt sich aktuell noch nicht vorhersagen, aber vor allem Bonga war ein absoluter Wunschkandidat der Entscheider. Alles in allem bestehen endlich wieder realistische Chancen, dass die Lakers erstmals seit 2013 die Regular Season mit einer positiven Bilanz

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„Der Titel ist das einzige Ziel. Um dorthin zu kommen und den Berg zu besteigen, muss dein Gehirn immer nach Wegen suchen, um das Team zu verbessern. Zu jeder möglichen Zeit gibt es hundert Szenarien in meinem Kopf, die ich durchdenke.“ -----------

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abschließen und in die K.o.-Runde einziehen. Ein Ziel, das Pelinka im Sommer ausdrücklich ausgegeben hatte. „Wir sehen das als einen Playoffkader an“, sagte er bei der Präsentation von Rondo & Co. mit fester Stimme. Beim Blick auf seine bisherige Karriere kann er sich selbstbewusste Töne leisten. Ob als College-Spieler, als Jurist oder als Agent: Wenn Pelinka etwas in die Hand nahm, tat er das mit einem Hang zum Perfektionismus. Erfolge ließen stets nicht lange auf sich warten.

Gottes Plan

Es sind gleich mehrere Eigenschaften, die Robert Todd Pelinka Jr. für den Job bei den Lakers qualifizieren. Der 1,98-Meter-Mann, leicht angegraute kurze Haare, jungenhafte Figur, bübisches Lächeln, besticht durch seine vorbildliche Arbeitsmoral, seine Empathie und Intelligenz. Sein früherer CollegeMitspieler Chris Webber erinnert sich: „Rob war entweder in der Trainingshalle oder in der Bibliothek.“ Seinen Jura-Abschluss an der Michigan Law School erhält Pelinka mit Auszeichnung. Doch der 49-Jährige, der in der Vorortsiedlung Lake Forest im Norden Chicagos in einer Mittelklasse-Familie aufwächst, ist kein Workaholic, der bis 24 Uhr im Büro klebt. Seine Ehefrau Kristin und die zwei Kinder sollen nicht zu kurz kommen. „Du kannst manisch und besessen an deine Arbeit herangehen und trotzdem ein guter Dad sein“, sagt Pelinka, der im Glauben Kraft und Ausgeglichenheit findet und fast jeden Tag joggen geht. Überhaupt scheint er eine recht gesunde Einstellung zum Leben zu haben. In einem YouTube-Clip seiner Kirchengemeinde philosophiert er über das Thema Humor. „Zeig mir den Mann, der viel lacht, und dieser Mann ist nah am Herzen von Gott“, gibt er ein ihn prägendes Zitat wieder. Pelinka, sagen Weggefährten, umgebe eine Aura des Esoterischen. Er glaubt, er sei General Manager der Lakers geworden, weil Gott das so vorgesehen habe. Die Verpflichtung von Shooting Guard Kentavious Caldwell-Pope veranschaulichte er mit einer Geschichte aus der Bibel. Was hierzulande vielleicht


Kopfschütteln auslösen würde, verwundert in den mehrheitlich gottesfürchtigen USA kaum jemanden. Von seinem Vorgänger Mitch Kupchak unterscheidet Pelinka seine überaus kommunikative Ader. Ständig befindet er sich im Austausch mit LakersBesitzerin Jeanie Buss, Präsident Magic Johnson und Coach Luke Walton. Pelinka liebt Teamarbeit, er liebt es, für ein höheres Ziel die Köpfe zusammenzustecken. Etwas gemeinsam mit einer Gruppe von Menschen zu erreichen, kommt für ihn dem „höchsten und bedeutungsvollsten Level“ gleich. Insofern entspricht die Arbeit bei den L.A. Lakers mehr seiner DNA als die Tätigkeit als Spielerberater, bei der er als Einzelkämpfer für seine Klienten unterwegs war. Ein weiteres Leitmotiv: Worten auch Taten folgen lassen. „Du kannst

so der elterliche Rat, „dann mit allem, was du hast.“ Diesem Mantra folgt der Filius offenbar schon sehr früh. Pelinka gewinnt nach einer erfolgreichen Zeit als Basketballer an der Lake Forest Highschool als Freshman an der Seite von Glen Rice, Rumeal Robinson, Terry Mills und Loy Vaught die College-Meisterschaft 1989. 1992 und 1993 steht er erneut als Rollenspieler mit der legendären „Fab Five“ der University of Michigan im NCAA-Finale. Er ist der einzige Wolverine, der es bis heute in drei Endspiele geschafft hat. Neben den Stars Chris Webber, Juwan Howard, Jalen Rose, Ray Jackson und Jimmy King gibt Pelinka den Distanzschützen von der Bank. ExTeamkollege Rose scherzt damals: „Du musst nur Dreier aus der Ecke treffen und

„Alles passierte so schnell, was normal ist, wenn ein Titel auf dem Spiel steht und jeder so hart darum kämpft. Auch wenn die Entscheidung normalerweise nicht auf diese Weise passiert, solche Dinge geschehen einfach“, beschrieb Pelinka gegenüber der „New York Times“ die tragischen Spielsekunden an diesem Tag. Kritik an seinem Teamkollegen Chris Webber verkneift er sich. Er zeigt sich loyal. Nach 119 Partien und 2,6 Punkten pro Partie endet Pelinkas College-Laufbahn mit einer Niederlage. Sein gutes Händchen von außen und seine Führungsqualitäten sind zu wenig für eine Karriere in der Association. Er entscheidet sich auch dagegen, in Übersee seine Dollars mit Basketball zu verdienen, und widmet sich fortan der Juristenausbildung an der Michigan Law School. Für den „Scholar Athlete of the Year“ des Jahres 1993, also

erzählen, dass du etwas Großes schaffen, dass du ein hart arbeitender Spieler oder ein guter Verteidiger sein willst. Aber deine Taten beweisen, worauf es wirklich ankommt. Ich habe immer in meinem Kopf gehabt, dass ich diesem Mantra folgen muss“, verrät er. Diese Einstellung führt er auf seine Eltern zurück. Sie hätten ihm vermittelt, Exzellenz zu verfolgen – mit den Eckpfeilern Bildung, Basketball und Glaube an die Familie. „Wenn du etwas angehst“,

den akademischen Schnitt unseres Teams oben halten, und alles ist gut.“ Auf YouTube finden sich Aufnahmen, wie Pelinka sicher von Downtown einnetzt. Seine äußere Erscheinung hat sich bis heute kaum verändert. Das letzte NCAA-Finale geht wegen des berüchtigten Timeouts von Webber verloren, das zu einem technischen Foul und Ballverlust führt, weil Michigan gar keine Auszeit mehr besitzt.

den besten Studenten unter den CollegeSportlern, ist das ein Leichtes. Nach einigen Jahren als Rechtsanwalt führt ihn Agenten-Legende Arn Tellem, heute Vizepräsident der Detroit Pistons, ins Spielerberatergeschäft ein. Pelinka ist mit seinem sportlichen Hintergrund wie geschaffen für den Job. Die meist über viele Jahre währenden und oft freundschaftlichen Kontakte mit den Sportlern sagen ihm außerdem viel mehr

Kobes Mann

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Fotos: Kevork Djansezian/Andrew D. Bernstein/NBAE via Getty Images

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zu als die eher unverbindlichen kurzen Treffen mit den Kunden der Anwaltskanzlei. Dabei hatte er das Business als Student noch ganz anders eingeschätzt. Als Chris Webber ihn nach einem Spiel fragt, was er nach dem Basketball und der Juristenausbildung machen will, denkt Pelinka an all die aufdringlichen Agenten, die ihre Visitenkarten an die „Fab Five“Stars verteilen wollen. „Definitiv nicht das, was diese Jungs tun“, antwortet er. Es kommt anders. Ende der Neunzigerjahre gibt er seinen Job als Anwalt auf und löst Tellem in der Folge als Kobe Bryants Agent ab. Schließlich gründet Pelinka 2006 seine eigene Agentur, die Landmark Sports Agency. Durch den Job bei den Lakers hat er sich mittlerweile aus dem Business zurückziehen müssen. Laut „Forbes Magazin“ lag Landmark im Ranking der Sportagenturen 2018 mit 216 Millionen Dollar Vertragsvolumen weltweit auf dem 38. Platz. Die ersten Youngsters, die Pelinka repräsentiert, sind Chris Kaman (2003), Andre Iguodala (2004) sowie Channing Frye (2005). Zu seinen Schützlingen gehören später u.a. James Harden, Eric Gordon, Chris Bosh, Avery Bradley, Buddy Hield, Trevor Ariza, Carlos Boozer, Shabazz Napier und natürlich weiterhin Bryant. Hohe Professionalität, vorbildliche Arbeitsmoral, exzellentes Verhandlungsgeschick – viele Gründe sprechen für Pelinka. Mit Bryant formt er einen Bund, der weit über professionelle Wertschätzung hinausgeht. Es ist Pelinka, der dem Superstar 2004 während dessen Gerichtsverhandlung wegen einer mutmaßlichen Vergewaltigung in Denver öffentlich beisteht. Später freunden sich die Familien an. Pelinka wird Patenonkel von Bryants Tochter Gianna und besucht mit seinem Sohn und Bryant nach dessen Karriereende Spiele der Lakers. Die Männer verbindet eine enge Freundschaft – und eine Geschäftsbeziehung. Wenn Bryant einen fetten Vertrag unterschreibt, bekommt der Agent seinen Anteil. In der Brache üblich sind vier Prozent der Vertragssumme plus Bonus. Bei Abschlüssen von mehr als 100 Millionen Dollar kommt einiges zusammen. Pelinka kann sich eine schicke Villa im Küstenstädtchen Santa Monica in der Metropolregion von Los Angeles leisten. Der Status ist hart erarbeitet. Er lernt bei den Vertragsverhandlungen das Einmaleins des NBA-Business, kennt die Details des Tarifvertrags aus dem Effeff und baut sich über die Jahre ein enormes Netzwerk auf. Das überzeugt auch LakersBesitzerin Jeanie Buss. „Ich brauche jemanden, der Agenten und Trades und das Collective Bargaining Agreement versteht“, erklärt sie ihm bei einem gemeinsamen Mittagessen mit Bryant Anfang 2017. „Jemanden wie dich!“ Pelinka ist überrascht, aber er muss nicht lange überlegen. „Ich hatte natürliche Verbindungspunkte mit Jeanie,

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die durch unsere gemeinsame Arbeit mit Kobe entstanden sind.“ Dass Bryant ein gutes Wort einlegt, schadet nicht. Wenn Pelinka heute im lila-goldenen T-Shirt zur Arbeit fährt, fragt er sich manchmal heimlich: „Passiert das gerade wirklich?“ Seitdem das Duo Johnson/ Pelinka übernommen hat, sind im LakersHauptquartier in El Segundo südlich von L.A. wieder Energie und Enthusiasmus spürbar. Johnson ist die Galionsfigur, die sich um das große Ganze kümmert. Pelinka, der früher MagicJohnson-Fan war und als Kind 1979 vom damaligen College-Star nach einer Partie eine High Five bekam, ist für das Tagesgeschäft zuständig. Er bringt ein Grundverständnis für die Wünsche und Interessen der Spieler mit, ist mit der Machtstruktur der Liga vertraut und besitzt das rechtliche Know-how, um etwaige Fallstricke bei Vertragsverhandlungen und im Tarifvertrag zu kennen.

Clarkson, Larry Nance Jr., D’Angelo Russell, Timofey Mozgov und Lou Williams, die alle transferiert werden. Brook Lopez (Free Agent) und Luol Deng (entlassen) verlassen das Team ebenfalls. Lonzo Ball (Draft), Kyle Kuzma (Trade) sowie JaVale McGee, Rajon Rondo und natürlich „King James“ (alle als Free Agents geholt) gehören zu den wichtigeren Verpflichtungen in der Ära Johnson/ Pelinka. Der fehlgeschlagene Wechsel von Paul George, der in OKC verlängerte, und die (noch) ausgebliebene Verpflichtung von Anthony Davis trüben das Bild jedoch ein wenig. Zumal das junge Quartett um Brandon Ingram, Ball, Kuzma und Josh Hart in aller Öffentlichkeit als Trademasse vorgeführt wurde. Johnson und Pelinka gingen zur Trade-Deadline all-in und am Ende leer aus. Da ist die vereinzelte Kritik, dass Johnson als einer der wenigen afroamerikanischen Teampräsidenten keinen schwarzen General Manager

Schach spielen

verpflichtet hat, fast schon eine Randnotiz. Selbst Berufsnörgler Stephen A. Smith verteidigte im TV-Sender ESPN die Verpflichtung. Afroamerikaner hätten nicht nur das Recht, Fairness und Gleichheit einzufordern, sondern in führenden Positionen auch die Pflicht, dieses Prinzip anzuwenden, wenn es einen Bewerber gibt, der „weiß und qualifiziert ist und den Job hinbekommt“. Und das tut Pelinka. Anders als Agent, als er meist im Hintergrund im dunklen Kämmerlein die Strippen zog, sind Druck und die Öffentlichkeit als General Manager wesentlich größer. Er ist „unglaublich dankbar“ für den Job, spürt aber auch eine

Rückblick ins Jahr 2017. Die Ausgangslage ist schwierig. Der Kader? Höchstens Liga-Durchschnitt. Die Vertragssituation? Aufgepumpt wie die Muskelprotze am Venice Beach. Und Draftpicks? Zum Teil bereits in Trades veräußert. „Earvin und ich hatten aber in unseren früheren Karrieren beide das Unmögliche geschafft“, sagt Pelinka. „Wir schauten uns an und sagten: ‚Wir müssen hart arbeiten und etwas daraus machen. Es ist ein herausfordernder Start, aber wir müssen jetzt anfangen, Schach zu spielen.‘“ Und Schach spielen sie eine ganze Menge. Die Figuren heißen Jordan


große Last und eine große Verantwortung. Die Scheinwerfer leuchten dem Macher in L.A. mitten ins Gesicht. Wo er sich früher vor allem um die Einsatzzeiten und die Performance seiner Schützlinge sorgte, hat er nun die Bilanz einer ganzen Franchise im Blick. Die Niederlagen nagen an ihm, denn sie werden auch den Architekten der Mannschaft angelastet. Manchmal schweift sein Blick beim Abendbrot mit der Familie ins Leere, und die Lasagne, sein Lieblingsessen, bleibt kalt auf dem Teller zurück.

Nummer 17

Dieses Jahr bleibt das Essen häufiger als erwartet kalt. Nach dem zwischenzeitlichen vierten Platz in der Western Conference sind die Lakers nach der langen Verletzungspause von James bis auf Rang zehn abgestürzt. Die Playoffs sind angesichts des schweren Programms anderer Westteams möglich, aber keineswegs garantiert. Zumal auch die Tradegerüchte im Zuge der geplatzten Verpflichtung von Davis der Teamchemie und dem Fokus geschadet haben dürften … entgegen allen Beteuerungen Pelinkas. Die Deadline-Deals für Dreierund-Defense-Mann Reggie Bullock und Stretch-Center Mike Muscala dürften keinen großen Unterschied machen.

Mittelfristig lautet der Plan, nach der Verpflichtung eines weiteren Hochkaräters am besten schon 2020 das 17. Meisterschaftsbanner nach Hollywood zu holen. LeBron James ist eben bereits 34 Jahre alt. „Der Titel ist das einzige Ziel. Um dorthin zu kommen und den Berg zu besteigen, muss dein Gehirn immer nach Wegen suchen, um das Team zu verbessern. Zu jeder möglichen Zeit gibt es hundert Szenarien in meinem Kopf, die ich durchdenke“, erklärt Pelinka. Für den Teamplayer ist die Chemie in der gesamten Organisation auf diesem Weg von immenser Bedeutung. Jeder ist ein Rädchen im Getriebe, jeder trägt einen Teil dazu bei. Auch der Hallenwart, auch die Mitarbeiter am Empfang. „Ein Schweizer Taschenmesser hat viele verschiedene Teile, die zusammen funktionieren. Aber du musst auch sicher sein, dass alle Teile in Ordnung sind. Das Messer muss scharf sein, die Scheren müssen schneiden, der Dosenöffner muss funktionieren. Das leitende Motiv ist, dass Menschen der Exzellenz verpflichtet sind“, sagt er. Pelinka lebt diese Exzellenz vor. Als harter Arbeiter und gnadenloser Optimist, der vom Erfolg seiner Truppe bis ins Mark überzeugt ist. Seine im Februar abgegebene Einschätzung, er würde, wenn alle Spieler gesund sind, „in einer Sieben-Spiele-Serie nicht

gegen uns spielen wollen“, sorgte angesichts der Unerfahrenheit der Leistungsträger Kuzma, Ingram und Ball und der defensiven Inkonstanz für manch hochgezogene Augenbraue. Pelinka ficht das jedoch nicht an. Der Perfektionist wird nicht eher ruhen, bis er sich einen Ring an den Finger stecken kann. Nach dem krebsbedingten Tod seiner Vaters Robert im Frühjahr 2017 schickt ihm seine Mutter ein altes Programmheft der „Schlitz League“, einer Sommerliga in Chicago, in der auch Michael Jordan mitzockte. Der Star der Chicago Bulls war sich nicht zu schade, es in der Offseason mit jungen Talenten aufzunehmen. Auf der einen Seite des Programms aus dem Jahr 1988 ist Jordans Name fett gedruckt und mit Infos unterlegt, auf der nächsten folgt Pelinka. In einem Teich voller großer Fische hat sich Robert Todd Pelinka Jr. schon immer sehr wohl gefühlt. Nur ist in L.A. die Gefahr groß, selbst gefressen zu werden ... redaktion@fivemag.de

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märz Alle reden über Zion Williamson und die Duke Blue Devils –

und das vollkommen zu Recht. Doch auch andere sind bereit,

Fotos: Streeter Lecka/Getty Images

in der March Madness groß aufzutrumpfen und den blauen Teufeln ordentlich einzuheizen. FIVE verrät, welche Teams sich Titelhoffnungen machen dürfen und welche Spieler man im Auge behalten sollte. Text: Björn Lehmkühler & Torben Adelhardt 67


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Die Favoriten Duke Blue Devils (ACC)

Bei den US-Wettanbietern ist Duke schon jetzt der haushohe Titelfavorit: Wer Mitte Februar 100 Dollar auf die Blue Devils setzte, bekam im Erfolgsfall zumeist nur 170 bis 180 Dollar zurück. Bei jedem anderen Team waren es mindestens 750 Dollar. Diese Diskrepanz ist auch dem enormen Hype geschuldet, der die Mannschaft von Mike Krzyzewski dieses Jahr noch stärker umgibt als ohnehin. Tatsächlich spielt Duke auch eine bärenstarke Saison und musste sich in den ersten 24 Spielen nur zweimal – gegen Gonzaga (87:89) und Syracuse (91:95) – knapp geschlagen geben. In der 25. Partie verletzte sich dann Zion Williamson nach 40 Sekunden am Knie, und Duke verlor zu Hause ausgerechnet gegen Erzrivale North Carolina klar mit 72:88. Würde er auch für das NCAA-Tournament ausfallen, wäre Duke plötzlich nicht mehr der absolute Topfavorit. Mit Williamson agiert keine Mannschaft statistisch effizienter als die blauen Teufel. Sowohl beim Offensiv- (2. Platz) als auch beim Defensivrating (5. Platz) ist Duke elitär, bei der Stealrate (14,2 Prozent) und Blockrate (17,4) rangiert das Team sogar an erster Stelle. Insbesondere die vier Freshmen Williamson, R.J. Barrett, Cameron Reddish und Tre Jones, die zusammen rund 66 von Dukes 87 Punkten pro Partie verbuchen, bringen jede Menge Athletik und Talent auf das Parkett, während Rollenspieler wie Marques Bolden, Javin DeLaurier, Jack White und Alex O’Connell die Lücken füllen. Allerdings gibt es da die Quoten von der Dreier- und Freiwurflinie: Mit 32,0 Prozent von Downtown (291. Platz) bzw. 67,7 Prozent von der Freiwurflinie (271. Platz) befindet sich Duke jeweils im unteren Viertel der Division-I-Teams. Spieler im Blick: Zion Williamson (Flügel, Freshman, 2,01 Meter, 22,0 PPG, 9,3 RPG, 2,3 APG, 2,0 BPG, 68,0 FG%) Fotos: Grant Halverson/Ed Zurga/Getty Images

Virginia Cavaliers (ACC)

Dukes ärgster Rivale in der Atlantic Coast Conference – wenn nicht sogar im Kampf um den NCAA-Titel – sind einmal mehr die Virginia Cavaliers. Dabei baut die Mannschaft von Headcoach Tony Bennett, auch dank ihrer bewährten „Pack Line Defense“, wieder auf eine der effizientesten Verteidigungsreihen im College-Basketball.

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Da Virginia zudem erneut das langsamste Spieltempo aller 353 Division-I-Teams vorlegt, kassiert keine Mannschaft weniger gegnerische Punkte pro Spiel als die „Wahoos“ (54,4). Kritiker verweisen dennoch auf die wiederkehrenden PostseasonEnttäuschungen, allen voran die historische Erstrunden-Niederlage im Vorjahr. Damals schied Virginia als Topfavorit mit 54:74 gegen die an 16. Stelle gesetzten UMBC Retrievers aus – es war die erste Pleite eines an Position eins gesetzten Teams gegen eine Nummer 16 in der NCAA-Historie! Während dieser Makel vorerst über den Cavaliers hängen wird, ist der erste NCAA-Titel der Uni-Geschichte nicht unrealistisch, zumal auch die Offensive Grund zur Hoffnung gibt: Während Virginia auf dieser Seite des Parketts in der Vergangenheit oft Defizite aufwies, rangiert „UVA“ dieses Jahr mit einem Offensivrating von 120,7 landesweit auf Rang vier. Neben dem dynamischen Backcourt-Duo Kyle Guy und Ty Jerome kann Bennett dabei insbesondere auf

Flügelspieler De’Andre Hunter bauen, der vergangenes Jahr gegen UMBC verletzt fehlte und auch ein heißer NBAKandidat ist. Spieler im Blick: De’Andre Hunter (Flügel, Sophomore, 2,01 Meter, 14,7 PPG, 5,3 RPG, 2,2 APG, 45,1 3P%)

Gonzaga Bulldogs (WCC)

Spätestens seit dem NCAA-Tournament 2017, als Gonzaga erst im Finale gegen North Carolina unterlag, sollten die „Zags“ ihr einstiges Label los sein – das jener Mannschaft, die in der unbedeutenden West Coast Conference sämtliche Gegner vermöbelt, dann mit hohen Erwartungen ins NCAATournament geht und dort früher oder später versagt. Dabei trifft zumindest der erste Teil auch dieses Jahr zu, denn innerhalb ihrer Conference gewinnen die Bulldogs im Schnitt mit 29,5 Punkten Differenz – der höchste Wert einer College-Mannschaft in den letzten 20 Jahren. Kein Wunder, dass Gonzaga die beste Offensiveffizienz (127,9),


Punkteausbeute (90,7 PPG) und True Shooting Percentage (62,6 Prozent) in der NCAA aufweist. Mit Brandon Clarke und dem Japaner Rui Hachimura verfügt Headcoach Mark Few über eines der besten Frontcourt-Duos der NCAA, im Backcourt liefern Josh Perkins und Zach Norvell Jr. Shooting und Playmaking. Trotz ihrer Dominanz und eines spektakulären Sieges gegen die Duke Blue Devils im November werden die Bulldogs aber im März einmal mehr beweisen müssen, dass sie im entscheidenden Monat zur Hochform auflaufen und auch defensiv auf Championship-Niveau agieren können. Spieler im Blick: Rui Hachimura (Flügel, Junior, 2,03 Meter, 20,2 PPG, 6,4 RPG, 1,7 APG, 59,8 FG%, 44,0 3P%)

Tennessee Volunteers (SEC)

Wer in Knoxville vor drei Jahren von einer möglichen Final-Four-Teilnahme der „Vols“ sprach, befand sich wahrscheinlich in einem Fiebertraum. Tennessee verpasste 2016 das NCAA-Turnier deutlich und landete in der Premierensaison von Headcoach Rick Barnes auf dem 12. Tabellenplatz der SEC. In der Folge legten die Volunteers jedoch eine imposante Transformation hin. Die aktuelle Mannschaft ist der Gegenentwurf zur „One-and-done“-Praxis: Kein Spieler gehörte der ESPN-Top-100 seines Jahrgangs an. Trainer Barnes formte das Team in den vergangenen 24 Monaten mit einer gehörigen Portion Disziplin und impfte seinen Schützlingen eine Siegermentalität ein. Angeführt von den beiden Forwards Grant Williams (19,3 PPG, 7,4 RPG, 3,4 APG) und Admiral Schofield (16,7 PPG, 6,4 RPG, 39,3 3P%), spielten sich die Vols im Februar gar bis an die Spitze des College-Rankings. Beeindruckende Siege gegen Top-Teams wie Gonzaga oder Louisville beweisen, dass der Mannschaft die erste Final-Four-Teilnahme für ihre Universität gelingen kann. Tennessee stellt mit einer angepassten Offensiveffizienz von 124,3 den zweitbesten Angriff der NCAA. Williams fungiert dabei als Dreh- und Angelpunkt am Highpost, wo der bullige Forward nur schwer zu stoppen ist. Finden die Schützen Lamonte Turner und Jordan Bowden in den entscheidenden März-Wochen ihren Touch, stellen die Volunteers jede Verteidigung des Landes vor erhebliche Probleme. Spieler im Blick: Grant Williams (Flügel, Junior, 2,01 Meter, 19,3 PPG, 7,4 RPG, 3,4 APG, 58,1 FG%, 34,4 3P%)

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PPG). Auch in Sachen Reboundrate und Assistrate rangieren die Tar Heels landesweit unter den Top 5. Die Konstante im Team ist Senior Luke Maye, der einst im NCAATournament 2017 seinen Durchbruch feierte und entscheidend zur sechsten Meisterschaft der Tar Heels beitrug. Offensive Firepower kommt zudem von Dreierschütze Cameron Johnson (46,2 3P%) und Freshman-Guard Coby White, während das von NBA-Scouts hoch gehandelte Freshman-Talent Nassir Little bislang nur von der Bank kommt. Eng wird es, wenn die UNCMaschine einmal ins Stocken gerät: Alle vier Spiele, in denen UNC weniger als 75 Punkte markierte, gingen diese Saison verloren. Spieler im Blick: Luke Maye (Big Man, Senior, 2,03 Meter, 14,7 PPG, 9,7 RPG, 2,1 APG, 43,1 FG%)

Kansas Jayhawks (Big 12)

Kentucky Wildcats (SEC)

Fotos: Joe Robbins/Michael Hickey/Getty Images

Der Saisonstart der Wildcats glich einer kolossalen Bruchlandung. Nach allen Regeln der Kunst nahmen die Duke Blue Devils ihren Kontrahenten aus Lexington im Eröffnungsspiel auseinander und siegten mit 118:84 – es war die höchste Kentucky-Niederlage unter Headcoach John Calipari. Wer den Wildcats zu diesem Zeitpunkt die Rolle eines Titelaspiranten direkt absprechen wollte, wurde in den Folgewochen jedoch eines Besseren belehrt. Siege über UNC, Louisville, Kansas und Tennessee rückten das Bild der Wildcats in der öffentlichen Wahrnehmung wieder gerade. Kentucky ist eines von nur insgesamt vier Teams, die sowohl beim Offensivals auch beim Defensivrating in den Top 15 liegen. Die Wildcats verfügen über ein ausgeglichenes Scoring (vier Spieler legen mehr als 11,0 Punkte pro Spiel auf) und setzen in der Defensive vornehmlich auf ein konsequentes Switchen bei Blöcken am Ball. Ein Erfolgsrezept, das Calipari und seine Spieler im Laufe der SEC-Saison wieder zurück in den erlesenen Favoritenkreis hievte.

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Freshman-Flügelspieler Keldon Johnson überzeugt mit einem aggressiven Zug zum Korb und trifft mittlerweile sicher den Distanzwurf (41,4 3P%). Gemeinsam mit den Big Men PJ Washington und Reid Travis bildet er eines der besten Trios im CollegeBasketball. Nur wenige Mannschaften können es mit der Athletik und Länge der Wildcats aufnehmen. Geht es für „Coach Cal“ nach fünf Jahren wieder zurück in das große Finalspiel? Spieler im Blick: PJ Washington (Big Man, Sophomore, 2,03 Meter, 14,8 PPG, 8,0 RPG, 1,8 APG, 1,1 BPG, 52,6 FG%)

North Carolina Tar Heels (ACC)

Neben Virginia und Erzrivale Duke ist North Carolina das dritte ACC-Team in der Liste der Topfavoriten – wenn auch mit einigem Abstand hinter dem Spitzenduo in den meisten Metriken. So rangiert UNC bei KenPom.com aktuell auf dem achten Rang. Dabei bilden die Tar Heels insbesondere zu Virginia einen krassen Gegenentwurf: Mit 74,7 Ballbesitzen pro 40 Minuten ist die Mannschaft von Headcoach Roy Williams die fünftschnellste der NCAA, nur Gonzaga erzielt mehr Punkte als UNC (87,2

Die Kansas Jayhawks starteten mit einer großen Zielscheibe auf ihrem Rücken in die Saison. Die amerikanische Fachpresse setzte die Mannschaft von Bill Self zum Saisonstart auf Position eins des College-Rankings, wodurch der amtierende Big-12-Champion zwangsläufig als heißester Titelanwärter galt. Im Non-Conference-Teil ihres Spielplans gaben sich die Jayhawks auch tatsächlich keine Blöße und setzten sich unter anderem gegen Michigan State, Villanova und Tennessee durch. Mit dem Beginn der Big-12-Saison setzte jedoch der Schlendrian ein. Niederlagen gegen West Virginia und Texas ließen Fragezeichen aufkommen, ob die Jayhawks angesichts vielfältiger Krisenherde tatsächlich im März noch auf der Höhe ihres Schaffens sind. Seien es die schwere Verletzung von Starting Center Udoka Azubuike, das plötzliche Fehlen von Starspieler Lagerald Vick oder auch die enttäuschenden Leistungen des hochveranlagten Freshman-Guards Quentin Grimes – so wirklich rund lief es diese Saison in Kansas bis dato nicht. Und doch gibt es genügend Hoffnungsschimmer. Dedric Lawson ist nach seiner Ankunft in Lawrence die erhoffte Unterstützung auf den Frontcourt-Positionen und führt die Jayhawks bei den Punkten (19,2) und Rebounds (10,3) an. Zudem überrascht Freshman Devon Dotson als immens wichtiger Rotationsspieler. Mit seiner Agilität und Antrittsschnelligkeit liefert der 19-Jährige wichtige Impulse


im Angriffsspiel und überzeugt mit einer giftigen On-Ball-Defense. Wie weit es schlussendlich für Kansas im Turnier geht, hängt unmittelbar davon ab, ob Lawson genügend offensive Entlastung erhält. Spieler im Blick: Dedric Lawson (Big Man, Junior, 2,06 Meter, 19,2 PPG, 10,3 RPG, 1,9 APG, 1,2 BPG, 60,6 FG%)

Michigan State Spartans (Big Ten)

19 Jahre ist es her, seit die Michigan State Spartans im Jahr 2000 die Netze abschnitten – als bislang letztes BigTen-Team. Doch auch danach war kaum ein anderes NCAA-Team im März so erfolgreich wie die „Spartys“ aus East Lansing. Gleich zehnmal ging es für die Männer von Headcoach Tom

Izzo zwischen 2001 und 2015 bis ins Sweet Sixteen. Doch in den vergangenen vier Jahren begann ein Hauch von March-Madness-Krise über den Campus zu wehen. Seit 2016 endete die Postseason bereits am ersten Turnierwochenende – obwohl die Spartans stets zum engeren Favoritenkreis gehörten. An der Erwartungshaltung im Vorfeld des NCAA-Turniers ändert sich jedoch auch in diesem Jahr nichts. Die Point-Guard-CenterAchse um Cassius Winston und Nick Ward ist die größte Waffe im SpartansKader. Die beiden Juniors lechzen nach ihrem ersten Einzug ins Achtelfinale. Winston (18,5 PPG und 7,4 APG) ist der Anführer einer Mannschaft, die über

wenige offensichtliche Schwächen verfügt. Die Spartans rebounden im Teamverbund stark und lassen den Ball in der Offensive so uneigennützig laufen wie kein anderes Team. Doch Konstanz in den basketballerischen Darbietungen auf den Parkettböden der NCAA wollte sich bei den Spartans nicht einstellen. Auf eine Siegesserie von 13 Spielen folgten Anfang Februar drei Niederlagen am Stück. Auch der Ausfall von Shooting Guard Joshua Langford, der mit einer Fußverletzung den Rest der Saison verpassen wird, könnte sich in den entscheidenden Momenten von engen Partien bemerkbar machen. Spieler im Blick: Cassius Winston (Guard, Junior, 1,85 Meter, 18,5 PPG, 7,4 APG, 2,9 RPG, 46,5 FG%, 43,7 3P%)

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ncaa Michigan Wolverines (Big Ten)

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Fotos: Jonathan Devich/Lance King/Michael Hickey/Getty Images

Eigentlich war alles für den Abgesang der Wolverines vorbereitet. Die vergangenen beiden Jahre verliefen wie im Rausch, und ganz Ann Arbor feierte die „Wagner-Mania“. 2017 ging es als Siebtgesetzter bis ins Achtelfinale, und 2018 stürmte die Truppe von Headcoach John Beilein ins Endspiel, wo sie sich den Villanova Wildcats mit 62:79 geschlagen geben musste. Doch von Katerstimmung nach einer berauschenden Saison ist nichts zu spüren. Obwohl drei der vier besten Vorjahres-Scorer das Team verließen (Moritz Wagner, MuhammadAli Abdur-Rahkman und Duncan Robinson), machten die Wolverines in dieser Saison da weiter, wo sie 2018 aufgehört hatten. Siege über Villanova und UNC waren frühe Ausrufezeichen, und auch im Verlauf der Big-Ten-Saison unterstrich die Mannschaft ihre sehr hohen Ansprüche. Dabei trumpft der letztjährige Vize-Champion vor allem in der Defensive groß auf. Die Wolverines gestatten ihren Gegnern lediglich 87,5 Punkte pro 100 Ballbesitze – nur das Team von Texas Tech kann

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in der NCAA ein noch besseres Defensivrating aufweisen. Als überraschender Hauptdarsteller in der Offensive entpuppte sich Freshman Ignas „Iggy“ Brazdeikis, der seine Mannschaft mit 14,5 Punkten im Schnitt in der Scoring-Kategorie anführt. Insgesamt sind die Wolverines aber noch nicht das effiziente Offensiv-Team, das der College-Basketball-Fan von einer Beilein-Truppe gewohnt ist. Wenn der Ball nicht von außen fällt, bekam Michigan in diesem Jahr oftmals Probleme, kontinuierlich zu punkten. Die jüngste Vergangenheit hat aber bewiesen, dass kein Team im März so gefährlich ist wie eine heiße Wolverines-Mannschaft. Spieler im Blick: Charles Matthews (Flügel, Junior, 1,98 Meter, 13,2 PPG, 1,3 APG, 5,2 RPG, 45,1 FG%, 32,9 3P%)

Nevada Wolfpack (MWC)

Der letzte NCAA-Champion, der nicht aus den sogenannten „PowerConferences“ kam, waren die UNLV Runnin’ Rebels im Jahr 1990. Während sich UNLV aktuell im Mittelfeld der Mountain West Conference

wiederfindet, wird selbige diese Saison vom Nevada Wolfpack dominiert. Bis auf eine unerklärliche 58:85-Blamage gegen New Mexico ist das Team von Coach Eric Musselman ungeschlagen. Außergewöhnlich ist die Starting Five des Wolfsrudels: Alle fünf Starter sind Seniors, alle sind nominelle Forwards, und keiner misst weniger als 2,01 Meter! Vor allem die Zwillinge Caleb und Cody Martin sowie „Double-Double-Maschine“ Jordan Caroline bilden eines der besten Trios im College-Basketball. Größtes Problem: Aufgrund des wohl leichtesten Spielplans aller Mitfavoriten ist die tatsächliche Qualität der Mannschaft nur schwer einzuschätzen, eine gewisse Skepsis dürfte sie ins Turnier begleiten. Dennoch verfügt das Wolfpack zweifellos über das Talent, nach der bitteren 68:69-Sweet-SixteenNiederlage gegen Loyola-Chicago im Vorjahr erstmals in seiner Geschichte unter die letzten acht zu kommen – und vielleicht sogar noch weiter. Spieler im Blick: Jordan Caroline (Flügel, Senior, 2,01 Meter, 19,0 PPG, 10,1 RPG, 2,0 APG, 48,7 FG%, 44,3 3P%)


Aschenputtel gesucht Jeder NCAA-Fan weiß, dass die March Madness ihren besonderen Reiz aus einer Komponente bezieht: den Cinderellas. All jenen Teams, die niemand so wirklich bei der großen Tanzveranstaltung auf der Rechnung hat – bis sie schließlich am Ende noch als Letzter auf der Tanzfläche stehen. 2018 wirbelten die Loyola Ramblers als „Mid-Major“ bis ins Final Four und zwangen unterwegs Miami, Tennessee, Nevada und Kansas State in die Knie. Auch in diesem Jahr gibt es wieder eine Reihe von Teams, gegen die keine große Mannschaft gerne zum Tanz aufgefordert werden möchte. Buffalo machte bereits 2018 auf sich aufmerksam, als die Arizona Wildcats inklusive NBA-Top-Pick Deandre Ayton in der ersten NCAA-Runde komplett demontiert wurden. Die Bulls bringen nahezu die komplette Rotation zurück und schielen auf weitere Überraschungen. Die Wofford Terriers wissen mit Fletcher Magee (20,1 PPG) einen der begnadetsten College-Schützen in ihren Reihen und stehen insgesamt an 13. Position im Offensivrating. Auch South Dakota State verlässt sich in Person von Big Man Mike Daum auf einen unbändigen Scorer, der jede Defensivreihe vor Probleme stellt. Belmont und Murray State streiten sich in der Ohio Valley Conference um einen Startplatz im NCAA-Turnier. Und wer auch immer das Ticket ergattern sollte – mit dieser Mannschaft ist zu rechnen. Ähnliches gilt für Lipscomb, Vermont, Texas State und Hofstra.

Die Draft-Perspektive Warum NBA-Fans den Murray State Racers die Daumen drücken sollten? Damit wir im NCAA-Turnier den wohl aufregendsten College-Basketballer sehen, der nicht mit Vornamen Zion heißt. Denn im Backcourt der Racers steht ein Aufbauspieler, dessen Spielweise förmlich nach HighlightTapes schreit. Ja Morant spielt sein zweites Jahr für Murray State und brachte sich als ultraathletischer Ballhandler mit sehr starken Dribbling-Moves in die Notizblöcke sämtlicher NBA-Scouts. Abgesehen von Morant dürften die allermeisten anderen Lottery-Talente ihr NCAA-Turnierticket sicher haben. Allen voran das „Trio Infernale“ der Duke Blue Devils lockt alle NBA-Fans vor die Empfangsgeräte. Denn wer Zion Williamson noch nicht spielen gesehen hat, hat den Basketball nie geliebt … Aber auch dessen Teamkollegen R.J. Barrett und Cam Reddish dürften ein gesteigertes Interesse daran haben, während der March Madness für Furore zu sorgen. Besonders Barrett ist angesichts seines noch immer inkonstanten Sprungwurfs und der ausbaufähigen Entscheidungsfindung in der HalbfeldOffensive bei den NBA-Managern nicht ganz unumstritten.

Bei den Gonzaga Bulldogs stehen mit Rui Hachimura und Brandon Clarke zwei Spieler auf dem Parkett, die den Wert ihrer DraftAktien während der Saison nach oben schrauben konnten. Clarke besticht als versierter Ringbeschützer (3,0 BPG) mit einem sauberen Shooting-Touch und trifft sowohl seine Dreier aus dem Catch-and-Shoot (36,4 3P%) als auch seine Sprungwürfe aus dem ZweiPunkte-Land (51,7 FG%) – ein Blick auf den potenziellen Sleeper-Pick der kommenden NBA-Draft ist Pflicht. Ein Name, der in Mockdrafts erst so langsam an Relevanz gewinnt, ist Jarrett Culver. Der SophomoreFlügelspieler der Texas Tech Raiders steht an der Speerspitze der besten Defensive des Landes und bringt eigentlich alles mit, was sich ein NBA-Team von einem modernen Flügelspieler wünscht: Athletik, Länge, Shooting, Playmaking-Fähigkeiten und eine defensive Vielseitigkeit, die konsequentes Switchen ermöglicht. Weitere NBA-Talente, die im NCAA-Turnier vertreten sein dürften, sind Bruno Fernando und Jalen Smith (Maryland), Keldon Johnson (Kentucky), Nickeil Alexander-Walker (Virginia Tech), De’Andre Hunter (Virginia), Nassir Little, Coby White (beide UNC) und Jaxson Hayes (Texas). Für Indianas Romeo Langford könnte es hingegen eng werden mit der Qualifikation.

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Die Deutschen

Fotos: Jim Rogash/Chris Covatta/Getty Images

Vor einem Jahr führte Moritz Wagner die Michigan Wolverines bis ins Finale des NCAATournaments und ließ damit das Interesse am College-Basketball hierzulande zumindest für einige Tage etwas aufflammen. Dann tauschte der Berliner seine Studentenbude in Ann Arbor gegen ein strandnahes Apartment in Los Angeles samt Profi-Vertrag bei den Lakers und hinterließ hinsichtlich deutscher Akteure im amerikanischen Hochschulbasketball ein kaum zu füllendes Vakuum. Tatsächlich konnte sich zu Redaktionsschluss nur ein Deutscher noch realistische Hoffnungen machen, mit seiner Mannschaft vom Selection Committee eine Einladung zum NCAA-Tournament zu erhalten: Makai Mason. Der 15-fache Nationalspieler feierte seinen Durchbruch im NCAA-Tournament 2016, als er seine damalige Uni Yale in der ersten Runde mit 31 Punkten zu einem sensationellen 79:75-Sieg schoss – ausgerechnet gegen seine heutige Mannschaft von der Baylor University. Was folgte, waren das erwartete Zweitrundenaus gegen Duke, sein Debüt im DBB-Trikot im Juli 2016 und Frakturen in beiden Füßen, weshalb er in den Saisons 2016/17 und 2017/18 nur noch einmal für Yale auflief. Für sein Masterstudium zog der Guard schließlich von Connecticut nach Texas und kann im grün-goldenen Trikot von Baylor zunehmend an alte Leistungen anknüpfen: Mit 15,5 Punkten und 3,2 Assists pro Spiel führt er die Bears in beiden Kategorien an. Vor allem sein 40-Punkte-Spiel am 02. Februar gegen TCU, als er neun von zwölf Dreiern verwandelte, sorgte auch über die texanischen Grenzen hinaus für Aufsehen. Nicht zuletzt dank Mason rangieren die Baylor Bears aktuell mit acht Siegen und fünf Niederlagen in der Big-12Conference in der oberen Tabellenhälfte und belegen bei KenPom.com den 32. Rang. Trotz einer insgesamt eher mäßigen NonConference-Season können sich die Bears damit realistische Chancen auf das NCAATournament ausrechnen, wenn sie die Saison erfolgreich beenden. Laut dem KenPom-Ranking findet sich außer Mason kein anderer Deutscher mit seinem Team überhaupt in den Top 100 wieder. Sie alle müssen also mit ihren Teams das Turnier in ihrer Conference gewinnen, um sich damit direkt für den „Big Dance“ zu qualifizieren (siehe „Das kleine Einmaleins der March Madness“). Das gilt auch für das Münchner Forward-Talent Oscar da Silva, dessen Stanford Cardinal im Mittelfeld der Pac-12-Conference stehen. Dass Stanford ausgerechnet im Pac12-Turnier über sich hinauswächst und den Titel davonträgt, erscheint unwahrscheinlich, angesichts des dieses Jahr insgesamt eher niedrigen Niveaus der Conference aber auch nicht gänzlich unmöglich.

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Das kleine Einmaleins der March Madness Die Qualifikation:

Auch dieses Jahr dürfen 68 Teams am „Big Dance“ teilnehmen. Direkt qualifiziert sind dabei die Meister der 32 NCAA-Conferences („automatic bids“). Die übrigen 36 Teilnehmer („atlarge bids“) werden am Sonntag vor Turnierbeginn, dem „Selection Sunday“ (dieses Jahr am 17. März), auf Basis ihrer Leistungen in der Hauptrunde von einem Auswahlkomitee bestimmt und live im Fernsehen bekannt gegeben. Die meisten von ihnen entstammen traditionell den großen Conferences ACC, Big East, Big Ten, Big 12, Pac-12 und SEC.

First Four und Turnierbaum:

Am Dienstag und Mittwoch müssen zunächst acht Teams „nachsitzen“ und am sogenannten „First Four“ in Dayton teilnehmen. Sie sind nur knapp ins Turnier gerutscht und sollen die 64 Teilnehmer an der ersten Turnierrunde ermitteln. Diese 64 verbliebenen Teams werden in einem Turnierbaum, dem sogenannten „Bracket“, angeordnet. Dieser Baum hat vier Äste, die sogenannten Regionen, die nach ihrem

Austragungsort als „East“, „West“, „Midwest“ und „South“ bezeichnet werden. In jeder Region werden die jeweils 16 Teams durchnummeriert, wobei zunächst #1 auf #16 trifft, #2 auf #15 etc. Die Zuordnung der Teams in die Regionen ist jedoch nur bedingt vom Standort der Uni abhängig. Das heißt, Mannschaften von der Ostküste (z.B. North Carolina) können auch in der „West Region“ in Kalifornien spielen und umgekehrt.

„Do or Die“:

Das Turnier verläuft nach dem K.o.Prinzip, sprich: Wer ein Spiel verliert, fährt heim! Am ersten Wochenende finden von Donnerstag bis Sonntag die erste und zweite Turnierrunde statt. Am zweiten Wochenende kommt es zum Sweet Sixteen (Achtelfinale) und Elite Eight (Viertelfinale). Die Sieger jeder Region qualifizieren sich für das Final Four, also die Runde der letzten vier. Die Halbfinals steigen am Samstag, das große Finale am Montag. Dieses Jahr findet das Mega-Event vom 06. bis 08. April im U.S. Bank Stadium in Minneapolis statt, sonst Heimstätte des NFL-Teams Minnesota Vikings.

„Upsets“:

Mit diesem Begriff werden Außenseitersiege bezeichnet, also Erfolge von niedriger gesetzten Teams. Der vielleicht größtmögliche Upset

ereignete sich ausgerechnet 2018, als die an Position 1 gesetzten Virginia Cavaliers gegen die an 16. Stelle gesetzten UMBC Retrievers verloren. Zuvor hatte seit Einführung der Setzliste im Jahr 1979 in 132 Anläufen nie eine #16 ein Spiel gewonnen, und nur 15 dieser Spiele hatten mit einstelliger Punktedifferenz geendet. Einer #15 gelang immerhin achtmal ein Upset, gleich zweimal in 2012 (Lehigh mit C.J. McCollum und Norfolk State mit Kyle O’Quinn) sowie einmal in 2013 (Florida Gulf Coast) und 2016 (Middle Tennessee). Erstrundensiege von an Position 11, 12 oder 13 gesetzten Teams sind hingegen in der ersten Runde fast jedes Jahr zu beobachten.

„Cinderella-Storys“:

Wenn eine Mannschaft gleich mehrere Upsets hintereinander startet, wird sie zur Märchengeschichte – zur „Cinderella-Story“. So wie letztes Jahr die Loyola Ramblers aus Chicago, die es als Nummer elf bis ins Final Four schafften und dort erst an Moritz Wagner und den Michigan Wolverines scheiterten. Dies gelang zuvor nur den Teams von LSU (1986), George Mason (2006) und VCU (2011). Der am niedrigsten gesetzte Champ waren übrigens die Villanova Wildcats, die 1985 als Nummer acht die Netze abschneiden durften.

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Romeo Langford

Romeo Langford ist nicht nur eines der TopTalente für die NBA-Draft 2019, sondern auch der Hoffnungsträger eines ganzen basketballverrückten Staates. Derzeit deutet jedoch vieles darauf hin, dass der Liebesgeschichte von Romeo und Indiana leider kein Happy End vergönnt sein wird. Text: Björn Lehmkühler

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s geschieht heutzutage wohl eher selten, dass New Albany im US-Bundesstaat Indiana im Fokus der Öffentlichkeit steht. Denn die Kleinstadt am Nordufer des Ohio River erlebte ihre Blütezeit bereits im 19. Jahrhundert, als dort die Dampfschiffindustrie boomte und den Ort an der Südgrenze Indianas zeitweise zur größten und wohlhabendsten Stadt im Bundesstaat machte. Noch heute zählen die Villen aus dieser Zeit zu den Attraktionen der Stadt. Doch am 30. April 2018 blickte ganz Indiana – und Basketballfans im gesamten Land – auf das beschauliche 36.000-Einwohner-Städtchen. Dort hatten sich bereits am frühen Nachmittag lange Schlangen vor der New Albany Highschool gebildet, und um 19:00 Uhr drängten sich Tausende Besucher sowie Dutzende

Medienvertreter in der Schulsporthalle – um herauszufinden, welche Universität ihr bekanntester Schüler im folgenden Jahr besuchen würde. Doch bis zu dieser Entscheidung sollte noch etwas Zeit vergehen. Denn zunächst wurden diverse Laudationen über den 18-Jährigen gehalten, u.a. von seinem Trainer und seinem Pastor, die ihn mit Basketball-Ikone Oscar Robertson und USPräsident Abraham Lincoln verglichen.


Fotos: Andy Lyons/Getty Images

Erst als dann noch das HighlightVideo mit dem bescheidenen Titel „Romeo – A Once In A Generation Player“ abgespielt war, ergriff der umjubelte Teenager das Wort. Er bedankte sich artig bei den Besuchern sowie den drei Hochschulen, deren Baseballkappen vor ihm auf einem Tisch aufgereiht lagen. Das waren: Kansas, der alljährliche Titelanwärter und einstige Arbeitgeber von Basketball-Erfinder

Dr. James Naismith; Vanderbilt, die Elite-Universität aus Tennessee mit Nike-Dollars im Rücken; und Indiana, die College-Basketball-Hochburg aus der nicht einmal 90 Meilen entfernten Studentenstadt Bloomington. So vergingen bange Sekunden, bis der 1,98-Meter-Schlaks unter tosendem Applaus die mittlere Mütze auf seine blondierten Haarspitzen setzte: die purpurrote Kappe der Indiana Hoosiers.

Titel, Rekorde und Ehrungen

Volle Fahrt nahm der „Hype Train“ von Romeo Langford spätestens am 26. März 2016 auf, als dieser seine spektakuläre Sophomore-Saison (er legte 30,2 PPG, 9,0 RPG und 3,0 APG auf, seine Schule verlor nur eine von 28 Partien) mit der zweiten Staatsmeisterschaft in der Geschichte der New Albany Highschool krönte. Vor mehr als 16.000 frenetischen Zuschauern im Bankers

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Fotos: Andy Lyons/Getty Images

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Romeo

Life Fieldhouse, der Heimspielstätte der Indiana Pacers, führte der damals 16-Jährige sein Team im Finalspiel mit 28 Punkten zu einem 62:59-Erfolg gegen McCutcheon um Guard Robert Phinisee – heute neben Langford der zweite Freshman im Backcourt der Hoosiers. In den beiden folgenden Jahren gelang es New Albany zwar nicht, eine weitere Meisterschaft zu erringen. Indem er als vierter Spieler in der Geschichte des „Hoosier State“ die Marke von 3.000 Karrierepunkten knackte, zementierte Langford aber seinen Status als Ausnahmespieler seines Jahrgangs. Kein Wunder, dass der Youngster in seinem Senior-Jahr nicht nur sämtliche Auszeichnungen im Bundesstaat abräumte, sondern auch für das Jordan Brand Classic, das McDonald’s All-American Game sowie den Nike Hoop Summit nominiert wurde. Bereits im Sommer 2017 trug er zudem das US-Trikot bei der U19-WM in Kairo. In den meisten landesweiten Rankings rangierte er in der „Class of 2018“ an Nummer fünf bis sieben. So führte ihn etwa die Recruiting-Website 247Sports an fünfter Stelle und damit zwei Plätze vor InternetSensation Zion Williamson – und höher als alle anderen Spieler aus Indiana seit den Erstplatzierten Greg Oden (2006) und Eric Gordon (2007). „Romeo Langford ist einer der besten Highschool-Spieler, die Indiana in seiner Geschichte gesehen hat“, resümiert auch Luke Stephens, heute Freshman-Guard an der Indiana Wesleyan University und zu Schulzeiten Gegenspieler Langfords. „Zudem ist er ein unglaubliches Vorbild für kleine Kinder und findet immer wieder Möglichkeiten, seiner Community zu helfen.“ Tatsächlich finden sich zahlreiche Geschichten, wie Langford nach Heimspielen stundenlang Autogrammwünsche erfüllte und mit seinem nahbaren Auftreten zum Idol der ganzen Stadt wurde. Die setzte ihrem Lieblingssohn bereits im Juli ein Denkmal und benannte einen brandneuen OutdoorCourt in New Albany nach ihm. Den Fans der Indiana Hoosiers gab Langfords Zusage jedoch vor allem aufgrund seiner Fähigkeiten auf dem Parkett Hoffnung. Denn der fünffache NCAA-Meister wartet bereits seit dem legendären Finalwurf von Keith Smart im Jahr 1987 auf den ganz großen Triumph. Zwar stand Indiana 1992 und 2002 noch zweimal im Final Four und war in der Saison 2012/13 sogar zwischenzeitlich an erster Stelle gerankt. Die Mannschaft um die Top-Talente Cody Zeller und Victor Oladipo sowie die erfahrenen Jordan Hulls und Christian Watford scheiterte jedoch bereits im Sweet Sixteen und vergab die wohl beste Chance der Hoosiers, ein sechstes Meisterschaftsbanner zu hissen. Denn trotz Namen wie Noah Vonleh, Yogi Ferrell, James Blackmon,

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Langford

Thomas Bryant oder OG Anunoby krebste Indiana in den folgenden Jahren zumeist im Mittelmaß herum. Dies kostete 2017 schließlich auch Coach Tom Crean den Job. Ein zentraler Vorwurf: Crean rekrutiere nicht gut genug im eigenen Staat. Denn in seiner neunjährigen Amtszeit hatte er mit Hulls (2009) und Zeller (2011) nur zweimal Indianas „Mr. Basketball“, also den besten Highschooler des Staates, ins Team geholt. Hingegen waren Spieler wie Deshaun Thomas (2010, Ohio State), Gary Harris (2012, Michigan State), Zak Irvin (2013, Michigan), Trey Lyles (2014, Kentucky) oder Caleb Swanigan (2015, Purdue) ausgerechnet zu den ärgsten Rivalen der Hoosiers gegangen. So setzte Creans Nachfolger Archie Miller alles daran, dass der „Mr.

Basketball“ von 2018 in Purpur und Creme auflaufen würde – und feierte schließlich den größtmöglichen Recruiting-Coup. Und Romeo Langford? Der wurde noch vor seinem ersten College-Dribbling von Medien und Fans zum „Retter“ der Indiana Hoosiers erhoben.

Traum und Realität

Als Romeo Langford am 16. Februar 3:07 Minuten vor Spielende das Parkett der Williams Arena in Minneapolis verlässt, lässt sich schwer sagen, auf welcher Seite die Enttäuschung größer ist: bei Langford selbst, der mit hängenden Schultern auf der Bank Platz nimmt, oder bei den zahlreichen Fans, die ihren Frust mal wieder in den sozialen Netzwerken kundtun. Dabei ist es nicht nur der Spielstand von 55:82, der für Unmut


sorgt. Es ist vor allem die Erkenntnis, dass Indiana wenige Minuten später die zehnte Niederlage in den letzten elf Spielen einfahren wird. Dass es so kommen würde, hätte sechs Wochen vorher auch der größte Pessimist nicht für möglich gehalten. Denn zu diesem Zeitpunkt hatten die Hoosiers ihre ersten drei Big-Ten-Spiele erfolgreich absolviert und fanden sich mit zwölf Siegen und nur zwei Niederlagen in sämtlichen Top-25-Ranglisten wider. Mit Erfolgen gegen Marquette, Louisville und Butler auf dem Habenkonto schien es nahezu sicher, dass Romeo Langford und Indiana im NCAA-Tournament auflaufen würden. Doch nach der Niederlage gegen Minnesota – und mit einer Bilanz von 4-10 in der Big Ten – wird diese Hoffnung immer kleiner. Dabei lässt sich schwerlich behaupten, Romeo Langford habe bislang individuell enttäuscht. Denn wenngleich der vermeintliche Heilsbringer in seinen bisher 25 Partien für die Hoosiers bislang keine Wunder vollbringen konnte, spielt außerhalb des Duke-Campus kaum ein Freshman so gut wie der 19-Jährige. So führt er mit 17,5 Punkten pro Partie nicht nur die diesjährige Hoosiers-Mannschaft an, sondern ist auch der beste Scorer im „IU“-Trikot seit Eric Gordon in der Saison 2007/08. Und von allen Freshmen in den sogenannten „Major-Conferences“ erzielen lediglich R.J. Barrett (22,7 Punkte) und Zion Williamson (22,0) mehr Zähler – jene Duke-Freshmen, die sowohl bei der College- als auch bei der Draft-Berichterstattung die Schlagzeilen dominieren und Langford in der nationalen Konversation zumeist klar überschatten. „Smooth“ ist dabei der Begriff, mit dem Langford immer wieder charakterisiert wird. Denn obwohl der 1,98-MeterMann auf den ersten Blick nicht wie ein übermäßig explosiver Athlet erscheint, lässt er seine Gegenspieler mit langen, eleganten Schritten immer wieder alt aussehen und gleitet durch die Zone – zu spektakulären Dunks, akrobatischen Korblegern oder lässigen Floatern. Dabei profitiert er sowohl von seiner Armspannweite von rund 2,10 Meter als auch von seinem weichen Touch, seiner exzellenten Koordination in Korbnähe sowie seinen leicht zu unterschätzenden athletischen Fähigkeiten. „Er nutzt seine Athletik, um die gegnerischen Guards zu schlagen, scort auf allerhöchstem Niveau und ist außerdem ein exzellenter Finisher am Ring“, fasst Luke Stephens die wesentlichen Qualitäten Langfords recht treffend zusammen. Gerade die Fähigkeiten beim Korbabschluss zählen zu Langfords größten Stärken. „Ich denke, es ist nicht übertrieben, Romeo als besten Finisher in der NCAA zu bezeichnen“, meint auch Sam Vecenie von „The Athletic“. Dank seiner Fähigkeiten beim Zug zum Korb

ist Langford ein effektiver Pick-and-RollScorer, wobei er auch auf einen soliden Mitteldistanzwurf zurückgreifen kann. So gibt der Flügelspieler in einem CBS-Porträt an, unter anderem Videos von DeMar DeRozan, Dwyane Wade und Scottie Pippen zu studieren, um sein Mitteldistanzspiel zu verbessern. Zugleich steht Langford mehr als sechsmal pro Partie an der Freiwurflinie, wobei er eine Trefferquote von 71,8 Prozent verbucht. So gewinnt Langford auch den statistischen Vergleich mit Barrett in Sachen True Shooting Percentage mit 55,4 zu 53,3. Wenn Langford, wie im Spiel gegen Maryland (28 Punkte), auch noch drei von sechs Dreiern verwandelt, ist er mit seinem physischen und athletischen

„Ich denke, es ist nicht übertrieben, Romeo als besten Finisher in der NCAA zu bezeichnen.“ Sam Vecenie -----------

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Profil sowie seinen Scoring-Fähigkeiten kaum zu verteidigen. Gerade hinter der Konstanz seines Distanzwurfs steht jedoch nach wie vor ein großes Fragezeichen. Denn wenngleich Langford immer wieder unter Beweis stellt, auch schwierige Würfe aus der Dreier- oder langen Zweierdistanz treffen zu können, fanden bislang nur 26 von 98 Dreierversuchen ihr Ziel – das sind gerade mal 26,5 Prozent! Auch zu Highschool-Zeiten war er statistisch kaum erfolgreicher. Angesichts seiner Freiwurfquote und seines offensichtlichen „ShootingTouches“ erscheint es zwar denkbar, dass sich Langford in diesem Bereich signifikant verbessern kann. Hierfür muss er jedoch seine Wurftechnik, -balance und auch -auswahl deutlich optimieren.

Ursachenforschung

Langfords Wurfquoten aus der Distanz sind jedoch nicht der Grund für die Misere der Hoosiers – tatsächlich traf er bei den Niederlagen (29,4 3P%) sogar etwas besser als bei den Siegen (23,4). Vor allem aus der Mitteldistanz hat der 19-Jährige dramatisch abgebaut: Überragenden 65,2 Prozent aus dem Zweierbereich in den

erfolgreichen Spielen stehen hier äußerst magere 44,6 Prozent in den verlorenen Partien gegenüber. Denn gerade wenn es schlecht läuft, verzettelt sich Langford zuweilen in schwierigen Einzelaktionen, während er in anderen Phasen des Spiels komplett untertaucht. Diese Problematik tritt umso stärker zu Tage, da Langford das Spiel zumeist nur als Scorer übernehmen kann. Denn obwohl er ein ausgewiesener Teamspieler ist, weist er als Playmaker noch Luft nach oben auf – 2,4 Assists pro Spiel stehen aktuell 2,1 Ballverluste gegenüber. Auch auf der defensiven Seite des Parketts zeigt Langford zwar Fortschritte und lässt immer wieder aufblitzen, welches Potenzial er dank seiner athletischen Fähigkeiten und Körperlänge auch als Rebounder und vielseitiger Verteidiger besitzt. Dies gelingt ihm allerdings nicht immer mit der nötigen Konstanz. Die unglückliche Beziehung zwischen Langford und Indiana zeigte sich dabei gegen die Minnesota Golden Gophers besonders deutlich: Nur sechsmal warf er in 30 Minuten Einsatzzeit auf den Korb (mit zehn daraus resultierenden Punkten), zumeist stand er teilnahmslos auf der Weakside oder in der Ecke. Während Langfords Neigung zur Passivität hierzu sicherlich beigetragen hat, erntete auch Headcoach Archie Miller teils harte Kritik. Denn allzu selten brachte er seine Mannschaft dazu, ihren talentiertesten Spieler durch entsprechende Laufwege oder Spielzüge in aussichtsreiche Positionen zu bringen. Sofern in den letzten sechs BigTen-Spielen sowie dem anschließenden Conference-Turnier keine wundersame Wendung geschieht, droht die einst so verheißungsvolle und leidenschaftliche Romanze zwischen Romeo Langford und den Indiana Hoosiers somit ein ähnlich trauriges Ende zu nehmen wie bei Ben Simmons und Louisiana State oder Markelle Fultz und Washington – gefeierte „One-and-done“-Talente, die ihren Unis in ihren wenigen Monaten auf dem Campus nicht den ersehnten Erfolg bringen konnten und die March Madness nur vom heimischen Sofa aus verfolgen durften. Denn dass Langford die Indiana University diesen Sommer in Richtung NBA verlassen wird, gilt weiterhin als nahezu sicher. Trotz der sportlichen Misere rangiert der 19-Jährige in den allermeisten Mockdrafts nämlich in den Lottery-Rängen. ESPN führt ihn derzeit hinter dem DukeTrio Williamson, Barrett und Cameron Reddish sowie Guard-Phänomen Ja Morant (Murray State) sogar an fünfter Position. Gut möglich also, dass Romeo Langford beim Erscheinen dieser Ausgabe schon nicht mehr der vermeintliche Retter der Indiana Hoosiers ist, sondern der Hoffnungsträger eines leidgeplagten Lottery-Teams. redaktion@fivemag.de

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interview

Tarik

Black

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Tarik Black & Johnny O’Bryant III „Die Fans hier nehmen alles etwas persönlicher“ Tarik Black (27 Jahre, 2,06 Meter, Center) und Johnny O’Bryant III (25 Jahre, 2,06 Meter, Power Forward) bilden seit dieser Saison den neuen Frontcourt von Maccabi Tel Aviv. Die beiden Nordamerikaner sind nicht nur das athletischste Duo unter den Brettern in der Euroleague, sondern bringen die kombinierte Erfahrung aus 367 NBASpielen mit. FIVE hat zwei reflektierte Euro-Rookies kennengelernt und erfahren, weshalb Fans auf dem alten Kontinent feindseliger sind und wieso es in der Familie Black wohl bald einen SabbatTag gibt. Interview: Peter Bieg 80

Johnny O’Bryant III


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IVE: Maccabi Tel Aviv hat nach schwachem Start einen echten Lauf in der Euroleague. Wie habt ihr die Wende geschafft? Johnny O’Bryant III: Unser neuer Coach Jonas Sfairopolous hat vom Start weg einen großartigen Job gemacht. Er weiß, wie das Spiel in der Euroleague funktioniert, hat insbesondere unsere Verteidigung verbessert. Zudem sind wir endlich komplett, haben keine Verletzten mehr. Wir haben viel zusammengearbeitet, verstehen, wo jeder Einzelne den Ball will und was er damit anfangen kann. Es fängt an, sich gut anzufühlen. Tarik Black: Ich kann Johnny nur zustimmen. Wir hatten die Zeit, uns mit dem neuen Coach einzuspielen. Wir kennen jetzt die Abläufe in der Offense und der Defense. Unser Team ist jetzt eine sehr gut geölte Maschine, die zu laufen begonnen hat – und jetzt wollen wir so weit wie möglich rollen. Werdet ihr mit Maccabi Tel Aviv die Playoffs noch erreichen? Beide: Ja. Dafür kämpfen wir, und wir haben alles, was es braucht. Ihr seid beide Rookies in Europa. Woran musstet ihr euch am meisten gewöhnen? JOB: Für mich war es vor allem, jeden einzelnen Ballbesitz ernst zu nehmen, aus jedem einzelnen etwas Gutes zu machen. In der NBA versucht jedes Team, so viele Possessions wie möglich zu bekommen. Hier geht es vielmehr darum, das Spiel im Halbfeld zu gestalten, das Spiel ein Stück weit zu verlangsamen. Ich musste mich umgewöhnen, von der höheren Pace der NBA dahin, das Spiel genauer zu lesen.

Tarik Black

Tarik, was gefällt dir an der neuen Erfahrung Europa am meisten? TB: Im Ausland zu leben und all diese neuen Länder zu besuchen, ist eine großartige Erfahrung für mich. Das ist etwas, was ich immer tun wollte. Aber jetzt tue ich es in Kombination mit etwas, das ich liebe – Basketball. Ich reise umsonst, sehe all diese Länder und Orte. Ich habe einen kleinen Sohn, und auch er sieht so bereits in jungen Jahren viel von der Welt. Er erfährt, wie Dinge funktionieren, er bemerkt Unterschiede. In Israel zu spielen, ist eine Riesensache für mich.

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Fotos: EB via Getty Images / Maccabi Tel Aviv

TB: Für mich ging es mehr darum, mich an die Schiedsrichterentscheidungen und die daraus folgenden Spielverläufe zu gewöhnen. Der Fluss hier ist ganz anders, für einen Akteur mit meinen Ausmaßen und der Art, wie ich spiele. Wie verteidige ich am besten, wie bin ich effektiv in der Offense? Und schaffe ich es aber auch, auf dem Feld zu bleiben? Ich kann nur produktiv sein, wenn ich mir keine Sorgen um Fouls machen muss und diesen Aspekt im Griff habe.


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Tarik

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Johnny O’Bryant III

Welche Erfahrungen habt ihr bisher mit der jüdischen Kultur gemacht? TB: Ich war bei einigen „Shabbat Dinners“ (Essenszeremonien zum Sabbat, dem jüdischen Ruhetag, Anm. d. Red.), und das war unglaublich. Ich denke, das ist ein tolles Instrument, um die Familie und die eigene Kultur zu stärken. Meine Frau und ich haben darüber gesprochen, dass wir diese Tradition fortsetzen wollen, wenn wir zurück in den USA sind. Dich zurückzuziehen, deine Familie um dich zu versammeln, gemeinsam zur Ruhe zu kommen – das gibt dir einen frischen Blick auf den Tag und einen frischen Blick auf dein ganzes Leben. Das ganze Land Israel fährt für einen Tag komplett herunter, die Läden sind geschlossen, alle widmen sich den Dingen, die wirklich zählen. Davor habe ich großen Respekt.

Fotos: EB via Getty Images

JOB: Ich kann Tarik nur zustimmen. Zu sehen, wie sich die Bevölkerung bei diesen Shabbat Dinners konsequent Zeit für die eigene Familie nimmt, ist inspirierend. Es gibt generell viele schöne jüdische Feiertage, mit Geselligkeit und Gelegenheit, all diese leckeren lokalen Gerichte auszuprobieren … Tarik, wie empfindest du das Zusammenspiel mit Johnny als Starting Frontcourt von Maccabi Tel Aviv? TB: Ich mag Johnny sehr. Er zieht jede Menge gegnerische Aufmerksamkeit auf sich, sodass ich mich frei bewegen und meine Aktionen initiieren kann. Er macht

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„Es gab viele Leute, die mir gesagt haben, dass ich mit diesem Team eine großartige Entscheidung getroffen habe.“ Tarik Black -----------

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mir das Leben einfacher, und ich mag es sehr, mit einem gefährlichen Vierer zusammenzuspielen, der für sich selbst kreieren kann. Johnny tut das auf einem sehr hohen Niveau und nimmt mir damit sehr viel Druck ab. Wenn es bei Johnny läuft, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch ich in den Flow komme. Johnny, wo siehst du Tariks größte Stärke auf dem Spielfeld? JOB: Insbesondere in der Verteidigung ist er eine große Hilfe: Er kann Blocks switchen, bewacht aber immer auch unsere Zone. In der Offense setzt er konsequente

Screens, rollt hart zum Brett und arbeitet für den Rebound. Er ist insgesamt ein großartiger Center für jedes Team, das ernsthaften Basketball spielen will. Ihr habt gegen jedes Team in der Euroleague schon mindestens einmal gespielt. Welche Mannschaft – außer Maccabi Tel Aviv – hat den stärksten Frontcourt in der Liga? JOB: Für mich ist das Baskonia Vitoria Gasteiz. Ich mag Tornike Shengelia sehr und hoffe, dass er bald wieder fit ist. Und


Vincent Poirier ist dazu ein sehr starker Center. Dieses Duo hat mich bisher am meisten beeindruckt. TB: Ich kann jetzt natürlich nicht das Gleiche sagen … Deshalb sage ich: Barcelona hat den besten Frontcourt. Ich mag Ante Tomic und Kevin Seraphin. Sie kommen nacheinander rein, geben alles und können auf sehr verschiedene Arten scoren. Deshalb ist Barça ein sehr gefährlicher Gegner: Sie können auf der Fünf wechseln, ohne an Qualität zu verlieren, und bleiben damit konstant auf einem Level. Johnny, eure Zuschauer in Tel Aviv sind für ihren enormen Enthusiasmus bekannt. Hast du in der NBA jemals vor einer solchen Kulisse gespielt? JOB: Auch in der NBA gibt es natürlich die eine oder andere Halle, die sehr laut werden kann. Aber hier sind die Zuschauer ein bisschen feindseliger, denke ich. Sie nehmen alles etwas persönlicher (beide lachen). In der NBA kann jeder Fan rausgeschmissen werden, hier können die Fans machen, was sie wollen. Hier sind

jedem von uns Selbstbewusstsein, lässt jeden von uns sein Spiel einbringen. Seine Einstellung ist: Wenn du für mich verteidigst, darfst du dein Ding im Angriff durchziehen (Tarik Black lacht). Was wusstet ihr überhaupt über europäischen Basketball, bevor ihr in Tel Aviv unterschrieben habt? TB: Ich habe eigentlich mit niemandem vorab gesprochen. Ich habe entschieden, hier zu unterschreiben und hierherzukommen und dann für mich selbst zu sehen, wie es ist. Es gab viele Leute, die mir gesagt haben, dass ich mit diesem Team eine großartige Entscheidung getroffen habe – aber da hatte ich hier bereits unterschrieben. Ich wusste nicht viel, nur dass es eine ausgefeiltere Art des Basketballs sein würde. Und darauf habe ich mich gefreut, weil ich bisher immer auf den Stil der NBA beschränkt war und noch nie die Chance hatte, diese andere Seite, die europäische kennenzulernen. Von der Perspektive, den Ball mehr zu bewegen und den Ball auch mal selbst zu dribbeln, war ich von Anfang an sehr angetan.

Tarik Black die Fans aggressiver und energischer, weil die Teams für sie emotional eine größere Bedeutung haben. Johnny, welchen Stil lässt Coach Sfairopolous spielen? JOB: Coach hat die Mentalität eines Hinterhof-Hundes („Junkyard Dog“). Wir müssen Siege hart erarbeiten, niemand wird uns etwas schenken, weil sich auch niemand darum schert, wer wir sind. Das ist die Art, wie wir an die Partien herangehen müssen. Er gibt

JOB: Ich wusste nicht viel über europäischen Basketball. Ein paar meiner Freunde vom College spielen auf dieser Seite des Atlantiks, aber nicht auf Euroleague-Level. Sie haben hier eine gute Zeit, haben viele Geschichten erzählt. Als ich erzählt habe, dass ich zu Maccabi Tel Aviv gehe, meinten sie alle, dass das ein großartiger Klub mit großer Historie sei. Eine Person, mit der ich viel gesprochen habe, war Mike Batiste (ehemaliger Big Man von u.a. Panathinaikos Athen, Anm. d. Red), mein Assistenztrainer bei den

Charlotte Hornets. Er müsste hier eine Legende sein. Wenn wir schon über Legenden sprechen … Tarik, was ist die wichtigste Lektion, die dir Kobe Bryant während eurer gemeinsamen Zeit bei den L.A. Lakers beigebracht hat? TB: Überraschenderweise hat das nichts mit Basketball zu tun. Denn Basketball ist simpel: Du musst hart arbeiten und schauen, dass der Wurf, der deine Hand verlässt, ein guter Wurf ist. Es gibt all diese Geschichten darüber, wie hart Kobe gearbeitet hat – und diese Geschichten gelten auch für seine Arbeit abseits des Courts. Wir haben uns über finanzielle Dinge unterhalten, über meine finanzielle Situation. Er hat meine Situation analysiert, erklärt, wie ich Finanzen selbst in die Hand nehmen muss. Er hat mir geholfen, diesbezüglich einen Scharfsinn zu entwickeln, Zusammenhänge besser zu verstehen. Die wichtigste Lektion, die ich aus den Gesprächen mitgenommen habe, war also, wie ich abseits des Feldes das meiste aus meinen Möglichkeiten mache. Johnny, was nimmst du aus der NBA mit? JOB: Die NBA ist für mich kein Ding der Vergangenheit. Ich spiele gerade mein fünftes Jahr professionellen Basketball. Aber insgesamt geht es darum, einfach bereit zu sein. Wenn sie deine Nummer aufrufen – am Anfang der Saison oder vielleicht erst am Ende der Saison –, dann sei bereit zu zeigen, was du kannst. Alles, was es braucht, ist ein Team, einen Trainer, einen General Manager, der an dich glaubt. Das kann über deine gesamte Zukunft entscheiden. Tarik, du engagierst dich in deiner Heimatstadt Memphis sehr stark sozial und gesellschaftlich. Wirst du langfristig dorthin zurückkehren? TB: Ja. Momentan hält meine Mutter dort als Vorsitzende meiner Stiftung die Stellung und macht die Arbeit. Aber wenn du unter solchen Umständen aufwächst, wie ich es tat, mit den Menschen, wie ich sie traf – dann lernst du, dankbar zu sein. Und wenn du so gesegnet bist, wie ich es bin, ist es wichtig, zurückzugehen. Ich habe immer diese Verpflichtung für mich selbst gespürt, anderen die Hand zu reichen. Es gibt so viele Gründe dafür, dass ich heute bin, wo ich bin. Aber ich habe diese Last nie alleine geschultert, sondern immer auch auf den Schultern anderer Menschen gestanden. Diese Menschen möchte ich stolz machen. Es gibt so viele Menschen, denen solche Ressourcen und Gelegenheiten fehlen. Diesen Menschen möchte ich Türen öffnen. Egal ob das Freunde sind, Verwandte, die nachfolgende Generation – ich möchte ihnen die Hand reichen und Türen öffnen. Jeder von uns muss in dem Bewusstsein leben, dass er es nicht alleine nach oben geschafft hat. redaktion@fivemag.de

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bbl-taktik

Bambergs

Offensive

Bambergs OFFENSIVE

Potenzial, Pokaltitel, dennoch Probleme: Die Saison von Brose Bamberg ist turbulent verlaufen. Mit Federico Perego soll der jüngste Headcoach der BBL die Bamberger neu beleben. Was unterscheidet den 34-Jährigen von Andrea Trinchieri, unter dem Perego gut sieben Jahre lang als Assistant Coach gearbeitet hat? Text: Manuel Baraniak

D

er Reset-Knopf ist so etwas wie das Bamberger Damoklesschwert. Stets omnipräsent, aber nicht so richtig durchgedrückt. In der turbulenten vergangenen Saison hatte BroseChef Michael Stoschek in Aussicht gestellt, jenen Reset-Knopf im Sommer 2018 zu drücken. Stoschek deutete dies in einem Halbzeitinterview bei Telekom Sport während des Pokal-Viertelfinalduells mit dem Rivalen aus München an. Zum damaligen Zeitpunkt standen die Bamberger mit einer für ihre Verhältnisse enttäuschenden Bilanz von 11-6 da. Ein Pokalaus gegen Bayern sowie vier weitere BBL-Niederlagen in Folge später wurde dann gehandelt: in Form der Entlassung von Headcoach Andrea Trinchieri. Auf Ersatzmann Luca Banchi folgte immer Sommer Ainars Bagatskis auf dem Trainerstuhl, während sich die Bamberger für die FIBA Basketball Champions League entschieden und sich mittelfristig an den vermeintlich nur drittstärksten europäischen Wettbewerb banden. Stoscheks Andeutung, vor allem „junge, hungrige Spieler“ zu verpflichten, wurde jedoch nur halbherzig in die Tat umgesetzt. Es blieb turbulent: mit der Trennung von Geschäftsführer Rolf Beyer inklusive Nachtreten sowie mit einer erneuten Trainerentlassung. Wie schon Trinchieri musste Bagatskis in den Wintermonaten gehen. Eine von wenigen Konstanten in dieser Zeit voller Inkonstanz? Federico Perego.

Fotos: Alexander Pohl/NurPhoto via Getty Images

Von Trinchieri gelernt Der Italiener war im Sommer 2014 zusammen mit Trinchieri nach Oberfranken gekommen, zuvor hatte er dem Meistertrainer vier Jahre lang in Cantu und Veroli assistiert. Als Trinchieri Bamberg verlassen musste, blieb Perego als Assistant Coach – erst an der Seite von Banchi, dann an der von Bagatskis. Aktuell erst 34 Jahre alt, leitet Perego nicht nur zum ersten Mal die Geschicke eines Teams als Headcoach, er ist auch der jüngste Cheftrainer der BBL. Perego teilt das Schicksal seiner beiden Vorgänger, Spieler übernehmen zu müssen, die nicht unbedingt zu seiner Philosophie passen. Hatte Stoschek in der Vergangenheit moniert, dass Profis trotz laufendem Vertrag den Verein verlassen, wäre die Führungsetage über den einen oder anderen Abgang eines an das Team gebundenen Akteurs wohl nicht traurig gewesen. So erfolgreich Trinchieri in seinen gut drei Jahren an der Bamberger Seitenlinie

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war, so anspruchsvoll und auch zehrend war sein System. Mit Bagatskis wollten die Oberfranken einen Schritt weg von diesem Perfektionismus machen. „Er gibt uns die Freiheit, dass wir auf dem Feld das zeigen, was wir können – sowohl offensiv wie defensiv. Das hilft uns als Team enorm“, hatte Tyrese Rice im FÜNF-Interview zu Saisonbeginn ein Merkmal von Bagatskis hervorgehoben – welches sich aber nicht als erfolgversprechend herausstellte. Unter anderem der Trainingszustand der Spieler schien verbesserungswürdig, Medienberichten zufolge wünschten sich die Akteure wieder mehr System.

Von Trinchieri verschieden Wie hat Federico Perego also offensiv angesetzt? Es gibt einfachere Situationen, tiefgreifende taktische Änderungen vorzunehmen, als ausgerechnet im Saisonverlauf während einer sportlichen Krise. So bleiben auch unter Perego Eins-gegen-eins-Aktionen ein großer Bestandteil der Offensive: In den sechs BBLSpielen unter seiner Ägide entfielen 12,2 Prozent der Abschlüsse auf Isolationen – die zweithäufigste Abschlussart. Aber: Mit 1,12 Punkten pro Possession präsentieren sich die Bamberger hierbei enorm effizient. Vor allem Rice (siehe Spieler im Fokus) und Augustine Rubit zählen hierbei zur stärksten Ballhandler-Big-ManCombo der Liga. In Trinchieris System lag der Fokus auf den Dribblern: Stets zwei, manchmal sogar drei oder vier Spieler auf dem Parkett konnten das Pick-and-Roll als Ballführer laufen. Die dafür nötigen Fähigkeiten findet Perego auf den Guard-Positionen des aktuellen Bamberger Kaders nicht vor. Abgesehen von Rice und Nikos Zisis fehlt Daniel Schmidt die Konstanz auf hohem Niveau, während Maurice Stuckey, Bryce Taylor und Arnoldas Kulboka eindeutig abseits des Balles besser aufgehoben sind. Ohne Rice generieren die Bamberger Ballhandler aus dem Pick-and-Roll seit Peregos Übernahme nur mickrige 0,53 Punkte pro Abschluss. Dennoch nimmt das Blocken-undAbrollen die größte Rolle im Offensivsystem ein. Sehr häufig forcieren die Oberfranken am Ende eines Spielzugs ein hohes Pick-andRoll über die Mitte, immer wieder sind zwei dieser Aktionen zwischen zwei verschiedenen Spielerpaaren zu beobachten. Was sich unter Perego verbessert hat: die Ballbewegung. Das Team lässt den

Ball besser laufen, spielt mehr Extrapässe und generiert so einige Möglichkeiten im Catchand-Shoot. Auf den großen Positionen fehlen aber die Schützen, die das Feld noch breiter machen könnten. Ein Herausstellungsmerkmal von Trinchieris Offensive waren die Aktionen nach ballfernen Blöcken. Mit dessen „Hammer-Sets“ ließen sich Vergleiche zu den San Antonio Spurs ziehen. Unter Perego werden Off-ScreenAktionen sehr selten gesucht (Anteil: 3,4 Prozent), dennoch findet sich ein Spielzug im Playbook, der Potenzial bietet (siehe Diagramm). Bislang wird hierbei der zweite Flügelspieler nach dem PinDown-Screen kaum gesucht und „nur“ als Ablenkungsmanöver für die Verteidigung genutzt, vielleicht ändert sich dies im Saisonverlauf mit mehr Trainingszeit noch. Suchte Trinchieri vornehmlich das Spiel im Halbfeld, drückt die aktuelle Bamberger Mannschaft wie schon unter Bagatskis mehr aufs Tempo – was auch zum Personal passt. Fragen nach der Kondition dürften auch unter folgendem Gesichtspunkt beiseitegewischt werden: Schon häufig gelang Bamberg eine Aufholjagd, gegen Bonn machten sie einen 14-, gegen Jena gar einen 17-Punkte-Rückstand wett.

Reset 3.0 Und so ist unter Perego auf jeden Fall das Potenzial vorhanden, diese turbulente Saison noch zum Positiven zu wenden. So viele Störgeräusche es abseits des Parketts auch gegeben hat, die sportlichen Fakten können sich sehen lassen: Zur letzten Nationalmannschaftspause lag der zweite Tabellenplatz in der BBL nur eineinhalb Spiele entfernt, hatten die Bamberger die Playoffs der FIBA Basketball Champions League erreicht und den Pokalsieg gegen Alba Berlin errungen. Ein Garant für Konstanz ist dies jedoch nicht: Durch die jüngste Trennung von Sportdirektor Ginas Rutkauskas wird sich das Personalkarussell weiterdrehen, nur sechs Akteure haben einen Vertrag für die kommende Spielzeit. Und ob Perego langfristig als Headcoach übernehmen wird, ist offen. Der neue Geschäftsführer Arne Dirks äußerte nach Bekanntgabe von Rutkauskas’ Abgang den Wunsch, wieder auf den „Bamberger Weg“ zurückzufinden – einen Weg, den Stoschek bereits vor der Saison gesucht hatte, der aber (noch) nicht geradlinig verlief. Der Reset-Knopf wird also wieder bzw. weiterhin gedrückt werden. redaktion@fivemag.de


spielzug A 3

1 4 5

2 Nikos Zisis (2) bringt den Ball. Cliff Alexander (5) startet den Spielzug am linken Highpost, Augustine Rubit (4) in der Zone. Rubit rotiert nach außen und erhält von Zisis den Ball.

Depth Chart 2018/ 2019 Pos.

Spieler

PG

Tyrese Rice Daniel Schmidt

SG

Nikos Zisis Ricky Hickman Maurice Stuckey

SF

Bryce Taylor Patrick Heckmann Arnoldas Kulboka

PF

Louis Olinde Augustine Rubit

C

Cliff Alexander Elias Harris

Eine Startformation hat sich unter Perego noch nicht wirklich zementiert, einzig Rice und Alexander schienen zu Beginn gesetzt. In kleinen Aufstellungen rutscht Heckmann auf die Vier, Rubit auf die Fünf. Viele kleine Spieler korrelieren nicht mit vielen Ballhandlern.

Spieler im Fokus:

Tyrese Rice „Rice in his veins.“ Um die Kaltschnäuzigkeit und Abgeklärtheit von Tyrese Rice in entscheidenden Momenten zu illustrieren, ist in dieser Saison häufig jenes Wortspiel benutzt worden. Beispiele für dessen „Clutch“-Momente gefällig? Je ein Floater gegen Frankfurt und Göttingen, ein Sprungwurf aus der Ecke gegen Bonn – allesamt Gamewinner –, drei Layups innerhalb von 81 Sekunden in der Crunchtime gegen Jena. Und das sind nur Rice’ Heldentaten in der BBL seit Weihnachten 2018. „Ich habe das Gefühl, es ist schwieriger, im Training zehn in Folge zu machen, als eben im Spiel diesen einen Wurf zu treffen“, beschrieb Rice im FÜNF-Interview seine Crunchtime-Mentalität. Diese Unbekümmertheit findet man im gesamten Spiel des Guards, der mit Euroleague- und Eurocup-Titeln samt MVP-Auszeichnung auf einen reichen Erfahrungsschatz baut. Die genannten „Clutch“-Aktionen sind auch ein gutes Beispiel, um Rice’ Offensivspiel zu skizzieren: Er traf jene spielentscheidenden Würfe zuvorderst aus dem Einsgegen-eins oder als Ballführer im Pick-and-Roll, gegen Bonn war er aus dem Spotup erfolgreich. Jene

B

drei Abschlussarten nehmen den Hauptteil seiner Offensive ein. Kreiert er selbst, kann Rice vor allem auf zwei Facetten zurückgreifen: Zum einen ist er einer der antrittsschnellsten Spieler der BBL. Nach dem Zug zum Korb lässt der 1,85-MeterMann gerne den Floater fliegen, auch bei Kontakt präsentiert sich Rice abschlusssicher. Bei jeder vierten Aktion aus der Isolation zieht er Freiwürfe! Geht Rice auf den Sprungwurf, verschafft sich der Guard zum anderen durch den wohl gefährlichsten Stepback-Jumper der Liga Platz. Wie er nach dem Dribbling und der Ballaufnahme noch zwei Schritte für den Jumper zurückmacht, hat was von James Harden. Seine Wurfquote von außen ist hingegen ausbaufähig. Rice scheut nicht vor der Verantwortung zurück, was in einer nicht immer hervorragenden Wurfauswahl resultiert. Das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Guard ein ungemein starker Passer ist: schnelle Kickouts, AlleyOop-Pässe aus dem Pick-and-Roll, Durchstecker nach Wurf-Fakes – Rice ist mit der Kombination aus Crunchtime- und Passqualitäten einer der versiertesten Offensivspieler der BBL.

3

1

5 4 HO

2

Zisis folgt dem Ball nach seinem Anspiel und bekommt das Spielgerät von Rubit per Handoff zurück. Alexander orientiert sich derweil Richtung Ball.

C 1

3

5 4 2

Rubit rotiert über die Birne Richtung Weakside. Alexander schneidet knapp an Rubit vorbei und bewegt sich zu Zisis, als würde er einen Block für ein Pick-and-Roll stellen – er dreht aber ab und orientiert sich in die rechte Ecke. Zisis kann per Drive aus dem Play ausbrechen.

D 3

1 PLAY-TYPE isolation Spotup p&r ballhandler transition handoff Summe

FREQ% 26,4 24,5 23,6 8,5 4,7 100,0

PPP 1,18 1,16 0,96 1,56 0,80 1,14

FG% 43,5 45,8 45,0 71,4 0,0 47,6

FT FREQ% 25,0 3,8 8,0 22,2 40,0 17,0

TO FREQ% 3,6 7,7 16,0 11,1 0,0 10,4

5

4

2

Die Play-Type-Stats für Tyrese Rice aus seinen BBL-Spielen 2018/19 unter Federico Perego. Legende: Freq% – Prozentsatz der Abschlussart an allen Abschlüssen des Spielers, PPP – Punkte pro Abschluss, FG% – Feldwurfquote, FT Freq% – Wie häufig zieht der Spieler Freiwürfe, TO% Freq – Wie häufig produziert der Spieler einen Ballverlust; Daten: Manuel Baraniak

Auf beiden Seiten werden Pin-Downs gestellt: Rubit für Tyrese Rice (1) und Alexander für Bryce Taylor (3). Die erste Option ist ein Dreier von der ballstarken Seite, also von Taylor.

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BBL

Rasid

Mahalbasic

Rasid Mahalbasic Rückhalt Rasid Nach Lehr- und Wanderjahren auf dem gesamten Kontinent ist Rasid Mahalbasic seit mehr als einem Jahr der bestimmende Big Man der EWE Baskets Oldenburg. Bei einem Treffen mit FÜNF erklärt der Österreicher, wieso ihm historische Triple-Doubles egal sind, wie das Erfolgsrezept seiner EWE Baskets aussieht und was er als junger Vater vom Videospielkonsum seiner Mitspieler hält. Text: Peter Bieg

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asid Mahalbasic hat seine ganz eigene, humorvolle Sicht der Dinge. Die Klubs der Basketball Bundesliga unterteilt der österreichische Center etwa grob in zwei Gruppen. Gruppe 1: Bayern München. Und Gruppe 2: „Die Sterblichen“, wie der 28-jährige Mahalbasic die restlichen Mannschaften lachend bezeichnet. Und unter den Sterblichen sind seine EWE Baskets Oldenburg bei Redaktionsschluss der Spitzenreiter, belegen also den zweiten Tabellenplatz der BBL. Die „Donnervögel“ spielten in den Wochen vor Redaktionsschluss national groß auf, doch der 2,10 Meter lange Big Man, der im vergangenen Jahr nach Oldenburg kam, mahnt zur Vorsicht. „Ich würde mich nicht zu sehr aus dem Fenster lehnen“, sagt Mahalbasic zu FÜNF. „Außer ALBA sind alle Sterblichen bald von der Doppelbelastung durch europäische Wettbewerbe befreit. Diese Mannschaften

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werden erst dann sehen, wie gut sie wirklich sind. Und dann kann es in der Tabelle noch ein, zwei Überraschungen geben. Unseren zweiten Platz gilt es mit Vorsicht zu genießen.“ Wenn es um die Gründe für den Höhenflug der Donnervögel geht, die in der vergangenen Saison im Playoff-Viertelfinale gegen ALBA Berlin ausschieden, nennt Mahalbasic seinen eigenen Namen nicht: „Wir haben vom vergangenen Jahr her auf- und eben nicht abgebaut, den Kern um Schlüsselspieler ergänzt. Der Trainer ist geblieben, das System ist gleich geblieben, der ganze Stab. Säulen wie Rickey Paulding oder Philipp Schwethelm sind in Topform, wie jedes Jahr. Und wir anderen haben uns eingefunden und unterstützen, so gut es geht. Deshalb sind wir auf dem zweiten Platz.“ Dass er beim Tabellenzweiten zu den absoluten Leistungsträgern gehört und vor einigen Wochen mit einem seltenen Triple-Double (19 Punkte, 13 Rebounds und 10 Assists gegen Braunschweig) Liga-Geschichte schrieb, ist für Mahalbasic nicht der Rede wert. „Das bedeutet mir überhaupt nichts“, sagt er und wirkt dabei sehr glaubhaft. „Ich war nie ein großer Fan von Statistiken oder Rekorden. Aber es ist schon gut für den Verein, darauf bin ich stolz: dass sich die EWE Baskets Oldenburg immer an mich erinnern werden. Das ist schön.“


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Fotos: Fernando Medina/NBAE via Getty Images


BBL

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Mahalbasic

Fotos: Wojciech Figurski/EB via Getty Images

Fehlstart

Die von ihm so gering geschätzten Statistiken weisen Rasid Mahalbasic mit 13,9 Punkten pro Spiel als zweitbesten Werfer Oldenburgs aus – noch vor Legende Rickey Paulding. Der Österreicher trifft starke 63,3 Prozent seiner Würfe aus dem Feld, garniert mit 8,2 Rebounds, 1,5 Steals und 4,3 Vorlagen im Schnitt. Mahalbasic verbindet die Statur eines Elefanten mit dem Körpergefühl einer Antilope (na ja, fast) und den Augen eines Adlers. Er kann Körbe durch rohe Kraft erzielen, aber auch durch gute Technik und einen soliden Wurf mit zunehmender Reichweite. Doch bei all seinen offensiven Operationen vergisst der Brocken nie seine Mitspieler, die er bereitwillig bedient, sobald er einen zusätzlichen Verteidiger bindet – was häufig vorkommt. Trotz seiner Körpergröße ist Mahalbasic bester Passgeber seiner Mannschaft – noch vor Neuzugang Will Cummings (19,3 Punkte, 4,0 Assists), den er als Schlüsselspieler ausmacht. „Will Cummings macht einen großen Unterschied auf der Point-GuardPosition. Offensiv ist er unglaublich, einer der schnellsten Spieler, die ich kenne“, sagt Mahalbasic über seinen neuen Teamkollegen, der von Darüssafaka Istanbul kam. „Er ist auch kein Schwächling, hat ein paar Spiele verletzt gespielt und da Charakter gezeigt. Er ist eine Bereicherung für den ganzen Verein und die Liga. Will macht fast 20 Punkte im Schnitt, und das mit hoher Konstanz.“ Die Oldenburger Konstanz ist für Mahalbasic auch der nicht vorhandenen Doppelbelastung zu verdanken: Die Geschäftsführung um Hermann Schüller entschied, aus freien Stücken auf die Teilnahme am viertklassigen FIBA Europe Cup zu verzichten. „Unsere Geschäftsführung war ganz schön smart“, sagt Mahalbasic über die Verzichtsentscheidung des Managements, durch die die EWE Baskets laut Geschäftsführer Schüller rund 100.000 Euro an Ausgaben einsparen. „Ich will unbedingt international spielen“, stellt Mahalbasic klar. „Aber wenigstens in der Champions League oder dem Eurocup. Ganz ehrlich – nach Pristina will ich nicht reisen. Der FIBA Europe Cup würde bloß Kraft kosten und Kapital verbrauchen, das der Klub so zum Beispiel in den Nachwuchs investieren kann.“ Oder in eine etwaige Verlängerung mit einem Spieler wie Cummings, über den Mahalbasic sagt: „Es war sicher nicht leicht, ihn herzuholen. Aber trotzdem war es noch der leichte Teil – das Schwierige wird sein, ihn zu halten.“ Der Österreicher und seine russische Ehefrau, die er bei seinem Engagement in Nischni Nowgorod kennengelernt hat, können sich einen weiteren Verbleib in Oldenburg auf jeden Fall vorstellen. Mahalbasic sieht seine

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„Aber was bringt mir das, wenn ich dort nur 10 bis 15 Minuten spiele? Ein richtiger Sportler findet sein Glück nur auf dem Feld.“ -----------

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Mission in der BBL noch nicht als beendet an: „Ich würde mir wünschen, einmal ein BBL-Finale zu spielen. Ich muss nicht unbedingt gewinnen, aber ich würde schon gerne am Finale teilnehmen.“

Odyssee

Nach einer langen Odyssee durch Europa, ausgezogen als großes Center-Talent, scheint der Österreicher mit slowenischbosniakischen Wurzeln im Alter von 28 Jahren gereift und angekommen. Seine Reise beginnt im Alter von 20 Jahren beim türkischen Spitzenklub Fenerbahce Istanbul. „Der Plan mit Fenerbahce war, die ersten drei Jahre aufgebaut zu werden, langsam auf hohes Niveau gebracht zu werden. Und nach den drei Jahren sollte ich den türkischen Pass erhalten und als naturalisierter Spieler eine feste Position im Team bekommen“, sagt Mahalbasic über den Sechs-Jahres-Vertrag, den er 2010 als eines der damals größten Talente des Kontinents unterschreibt. „Ich habe den Fehler gemacht, zu einem sehr großen Team zu gehen“, glaubt er. „Jetzt im Nachhinein sehe ich es als Fehler. Aber ich habe nur gute Erfahrungen


Irgendwelchen Vorbildern ist der Center auf der Suche nach Spielzeit und Verantwortung nie hinterhergelaufen. Nur seinen ehemaligen Mitspieler und heutigen Assistant Coach in Oldenburg, Elvir Ovcina, lässt er als „menschliches Vorbild“ durchgehen, weil der ein „korrekter Mensch“ sei. Wenn die Euroleague den Familienvater heute noch einmal riefe, käme er wohl ins Grübeln. „Ich würde es in Erwägung ziehen und überlegen“, antwortet er auf die Frage nach einer Rolle als Backup bei einem Euroleague-Klub. „Aber Deutschland ist in den vergangenen zwei Jahren zu einer der Top-Ligen gereift. Die EWE Baskets werden hoffentlich auch zukünftig ein Top-Team in Deutschland und Europa sein. Wieso sollte ich von einem Pferd auf einen Esel gehen? Wir sind nicht Bayern München, aber finanziell gut aufgestellt. Ich bin Starting Center, spiele 25 Minuten im Schnitt, kann Entscheidungen treffen, der Trainer vertraut mir.“ So klingt ein Treueschwur. Den Reiz europäischer Weltstädte will der Österreicher nicht kleinreden, doch er kennt seine Prioritäten: „Eine Stadt wie Mailand, das wäre schon

und Aber 100 Prozent geben“, erklärt Mahalbasic. „Weil das hier ein Traumjob ist. Wir tun es ja gerne, und Sportler zu sein ist ein Luxusleben: Man trainiert bloß zweimal am Tag.“ Mahalbasic muss schmunzeln. „Mir erlaubt der Coach schon ab und zu einige Fehler, bevor ich ins Laufen komme und produziere. Das hat es mir schon im vergangenen Jahr sehr leicht gemacht, und dieses Jahr ist es noch einfacher geworden“, sagt er über seine Freiheiten. Drijencic sei ein „sehr guter Mensch. Vom Menschlichen her sicher der beste Trainer, den ich je hatte.“ Bei all der Freude über die Harmonie, das funktionierende Konzept und den zweiten Tabellenplatz von Oldenburg gibt es dennoch Entwicklungen, die Mahalbasic Sorgen bereiten. Obwohl seine – wie er selbst sagt – „peinliche“ Bücherecke nur acht Werke umfasst, empfiehlt der selbst ernannte „Bücherwurm“ allen FÜNF-Lesern das Werk „Sapiens“ von Yuval Noah Harari und sorgt sich um jüngere Mitspieler. „Mit 28 Jahren gehöre ich schon zur alten Garde und muss nicht mehr dieses ,Fortnite‘ spielen“, findet Mahalbasic, der seinen Vertrag bei den Baskets bis 2021 verlängert hat. „Zu meiner Zeit gab es immer nur ‚Counter-

super. Aber was bringt mir das, wenn ich dort nur 10 bis 15 Minuten spiele? Ein richtiger Sportler findet sein Glück nur auf dem Feld.“ Daran, dass sein Starting Center auf dem Feld glücklich ist, hat Oldenburgs Headcoach Mladen Drijencic entscheidenden Anteil, das ist deutlich hörbar. „Mladen Drijencic verfolgt eine Basketballphilosophie, die davon ausgeht, dass alle in diesem Team ohne Wenn

Strike‘. Ich habe selbst eine Tochter, und was unsere Jugendspieler mit ihren Konsolen aufführen, ist schon krass. Auf unseren Auswärtsfahrten haben alle die Nintendo Switch. Die sechs Jugendspieler haben alle eine. Das ist schon bedenklich.“ Rasid Mahalbasic hat eben seine ganz eigene Sicht der Dinge – und die muss nicht immer humoristisch, sondern kann auch sehr ernst sein. redaktion@fivemag.de

Lockruf aus Europa?

mit Fenerbahce gemacht, das ist eine Top-Organisation. Es sollte nicht sein.“ Nach einer kurzen Denkpause fügt der österreichische Nationalspieler nüchtern hinzu: „Wahrscheinlich war ich einfach nicht gut genug.“ Denn Fenerbahce verleiht seinen jungen Big Man zunächst innerhalb der Türkei, dann nach Kroatien und Slowenien. Bereits nach zwei Jahren lösen beide Seiten den Vertrag auf. Mahalbasic spielt für den polnischen Meister Asseco Prokom in der Euroleague, im Sommer 2013 für die Utah Jazz in der NBA-Summer-League und anschließend bei CEZ Nymburk in Tschechien. Auch in Astana (Kasachstan), Nischni Nowgorod (Russland), erneut in der Türkei (Yesilgiresun Belediye) und in der spanischen ACB (CDB Sevilla) steht Mahalbasic in den folgenden Jahren unter Vertrag, bevor er im Sommer 2017 in Oldenburg ankommt.

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interview

Pedro

Calles

Pedro Calles „In der Komfortzone mag ich es nicht“ Pedro Calles hat RASTA Vechta zum Überraschungsteam der BBL-Saison 2018/19 geformt – und das in seinem ersten Jahr als Headcoach. Der 35-jährige Spanier skizziert im Interview seine Philosophie, spricht über das Lob von Trainerlegende Aito Garcia Reneses und erklärt, welche Rolle ein Auslandssemester in Finnland für seine BBLKarriere gespielt und was er von Leonardo da Vinci mitgenommen hat. Interview: Manuel Baraniak 90


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ÜNF: Alba Berlins Trainer Aito Garcia Reneses sagte im MagentaSport-Interview vor Ihrer Partie gegen Berlin, dass Ihre Mannschaft wie die „Zukunft des Basketballs“ spiele. Wie ist es, solche Worte von einer Trainerlegende wie Aito zu hören? Pedro Calles: Das fühlt sich ziemlich gut an. Obendrein zu den Erfolgen, die wir in dieser Saison feiern, ist das die größte Auszeichnung, die ich erhalten kann: dass ein Trainer wie Aito denkt, dass wir hier in Vechta Dinge richtig machen. Am Abend vor jener Partie Mitte November 2018 haben Sie beide sich zum Abendessen getroffen. Worüber sprechen zwei spanische Trainer, die in Deutschland arbeiten? Es waren nicht nur Aito und ich, auch seine Assistant Coaches Israel Gonzalez und Thomas Päch sowie Berlins Sportdirektor Himar Ojeda waren dabei. Wie Sie sich vorstellen können, war Basketball ein Thema. (schmunzelt) Aber wir haben nicht nur über Basketball gesprochen, sondern auch über Tradition in Deutschland und Spanien, Kultur sowie Geografie. Im Sommer steht ja die Summer League in Las Vegas an, da kamen wir auf die USA, den Grand Canyon und eben Geografie zu sprechen.

Welche Rolle hat Aito für Sie als jungen spanischen Coach gespielt? Was mich am stärksten geprägt hat: Es geht nicht nur um Sieg und Niederlage. Es geht darum, seinen Spielern etwas beizubringen und sie am Ende der Saison besser gemacht zu haben. Der Spieler, den du im August bekommst, sollte nicht der gleiche sein, wenn er im Juni das Team verlässt. Das habe ich als Erstes von Aito mitgenommen. Seit fast 50 Jahren coacht er auf Top-Niveau und trainiert Spieler, die unter ihm den nächsten Karriereschritt machen – fast 50 Jahre, und dennoch zeigt er jede Saison etwas Neues. Wenn ich zurückblicke, was er vor 15 Jahren in Spanien gemacht hat: Damals hätte man nicht ahnen können, dass das heutzutage eine Selbstverständlichkeit im Basketball ist. Ich denke, er ist in vielen Bereichen seiner Zeit voraus. Warum hat Aito Ihren Stil in Vechta als „Zukunft des Basketballs“ bezeichnet? Ich kann natürlich nicht beurteilen, was

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Fotos: RASTA Vechta

Aito scheint ja auch ein begeisterter Hobbyfotograf zu sein. Eine Sache, die ihn auszeichnet: Er bringt seinen Spielern nicht nur Basketball bei. Er zeigt ihnen, wie auch uns anderen Coaches, dass es weit mehr gibt. Vor allem junge Profis sollten nicht nur an Basketball denken. Wenn du das tust, hast du eine gute Balance – und kannst wiederum das Beste aus deiner Sportlerkarriere herausholen.


interview

Pedro

Calles

er denkt, aber er hat in dem Interview zwei Punkte genannt: Aggressivität und Transition-Offense. Wir spielen einen High-Tempo-Basketball – aber kein Run-and-Gun, sondern mit Prinzipien. Wir versuchen, das Spiel durch Prinzipien zu diktieren. Und nicht nur durch das Scouten des Gegners.

Fotos: RASTA Vechta

Wenn wir über Aggressivität in der Verteidigung sprechen, müssen wir auch über Max DiLeo sprechen. Er ist ein wichtiger Grund dafür, dass Ihr Team die meisten Ballverluste forciert. Welche Rolle nimmt er in Ihrer Defense ein? Lassen Sie es mich so erklären: Dies ist meine erste Saison als Headcoach. Vor Saisonstart wusste ich nicht, welche Art von Headcoach ich sein würde. Bevor es an die Spielerrekrutierung ging, habe ich versucht, mich selbst zu verstehen: Wer bin ich, wer möchte ich sein? Denn wenn man etwas vorgibt zu sein, was einem gar nicht entspricht, dann dauert der Prozess zu lange, oder es funktioniert erst gar nicht. Nachdem ich das herausgefunden hatte, ging es an die Spielerverpflichtungen: Ich wollte nicht den Fehler machen, Spieler zu holen, deren Basketballstil ich vielleicht mag, die aber nicht zu meiner Persönlichkeit passen. Und hier kommt DiLeo ins Spiel: In meinen zwei Jahren als Assistant Coach in der ProA hat mir auch gefallen, was ich bezüglich seines Charakters gesehen habe. Viele Trainer, mit denen ich gesprochen habe, sagten: „Defensiv kann er ein BBL-Spieler sein, aber offensiv? Das nicht.“ Ich habe es dennoch versucht – und ich denke, dass er einen fantastischen Job macht. Wenn man einen Vergleich zwischen Basketball und dem Militär anstellen würde, dann wäre DiLeo der Soldat in der ersten Reihe, der den ersten Schlag einsteckt, aber an der Front den ganzen Trupp beschützt. In der Offensive agiert Ihr Team sehr selten aus Isolationen, die Ballführer schließen verhältnismäßig wenig direkt aus dem Pick-and-Roll ab. Stattdessen liegt der Fokus auf Schnellangriffen und Aktionen nach ballfernen Blöcken. Man könnte Ihr Team als „Light-Version“ von ALBA Berlin bezeichnen. Wenn jemand denkt, dass unser Stil in Vechta ein wenig dem von Berlin ähnelt, wäre das eine große Auszeichnung. Neben meiner Philosophie und der Wertschätzung des Charakters geht es mir auch darum, unseren Stil nach den Stärken der Spieler auszurichten. Ein Coach hat mir einmal gesagt: „Pedro, wenn du Orangen hast, mach daraus Orangensaft. Wenn du Äpfel hast, mach daraus Apfelsaft.“ (schmunzelt) Zu den wenigen Isolationen: Das ist für mich einfach nicht die erste Option, ich verstehe das Spiel an beiden Enden des Feldes als Mannschaftsleistung. Selbst wenn man einen großartigen Eins-gegen-eins-Spieler

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„Der Spieler, den du im August bekommst, sollte nicht der gleiche sein, wenn er im Juni das Team verlässt.“ hat: Andere Spieler fühlen sich dann nicht in die Offensive eingebunden.

in den vergangenen zehn bis 15 Jahren ein Top-Niveau in Europa erreicht hat, dann deshalb, weil Spieler viele Dinge tun können: Spieler wie Marc Gasol, Pau Gasol, Rudy Fernandez, Juan Carlos Navarro oder Sergio Rodriguez, aktuell in der NBA Luka Doncic, der in Spanien ausgebildet worden ist. Das Ziel bei Philipp ist für mich nicht, dass er nur ein Stretch-Vierer ist, er soll auch mit dem Rücken zum Korb spielen, nach Blöcken herauspoppen sowie abrollen, Closeouts attackieren und im Catch-and-Shoot agieren können. Er ist noch jung.

Berlin zeichnet sich auch dadurch aus, jungen Spielern Verantwortung zu geben. Sie haben in Philipp Herkenhoff auch ein 19-jähriges Talent. Ich erinnere mich an das Albert-Schweitzer-Turnier 2016, als er mit seinen 2,05 Meter teilweise den Ball gebracht hat. In dieser Saison verteidigt er schon mal einen CenterKoloss wie John Bryant. In welcher Rolle sehen Sie ihn zukünftig? Dass er der kompletteste Spieler ist, der er sein kann. Ich möchte ihn nicht in eine Rolle zwängen und aus ihm einen Spezialisten machen. Wenn Sie mich fragen, warum der spanische Basketball

Ein junges Alter ist ein gutes Stichwort für Ihre Trainerkarriere: Sie haben sehr früh begonnen zu coachen. Wie ist es dazu gekommen? Mit 20 Jahren hatte ich noch nicht im Kopf, Headcoach eines Basketballteams sein zu wollen. Ich habe als Sechsjähriger begonnen zu spielen. Ich habe Basketball im Fernsehen verfolgt, Basketball lief auch im Wohnzimmer meiner Familie – die Leidenschaft für den Sport war bei mir schon sehr früh ausgeprägt. Ich war jedoch kein guter Spieler und hatte nicht das Zeug zum Profibasketballer, aber mir war klar: Ich will Teil dieses Sports

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sein. Wie? Mit Coaching. Und in welcher Position? Keine Ahnung. Athletiktrainer, Assistant Coach, Headcoach … diese Dinge ergeben sich. Wann haben Sie realisiert, dass Sie nicht gut genug für eine professionelle Spielerkarriere sind? Ich habe bis zum 18. Lebensjahr gespielt. Ich erinnere mich, was mein Vater mir damals gesagt hat: „Pedro, es gibt drei Dinge, die du tun musst: Basketball, Feiern und Studieren. Ich wähle eine Sache für dich: das Studium. Und du kannst nur eine weitere Sache wählen.“ Dann bin ich zur Uni gegangen, und mein Vater meinte, ich könne schon Basketball spielen, aber ich würde dafür nicht bezahlt. Dann habe ich aufgehört, Basketball zu spielen. (lacht) Ich war einfach nicht das größte Talent, und in dem Alter waren mir die Universität und ein Abschluss am wichtigsten. Bei den Artland Dragons haben Sie mit Stefan Koch zusammengearbeitet. Koch nahm Kontakt zu Ihnen auf, weil der damalige DragonsGeschäftsführer Alexander Meilwes Sie bei einem Auslandssemester in Finnland

kennengelernt hatte. Wie genau ist es dazu gekommen? Einfach durch das Leben. Das kann man nicht planen, es passiert aber auch nichts rein zufällig. Je nachdem, wie du dein Leben angehst und welche Schritte du machst, wirst du in die eine oder andere Richtung gehen. Ich bin für zwei Semester nach Finnland gegangen, um Sportwissenschaft zu studieren. Alexander Meilwes hat dort Sportmarketing studiert. Wir haben uns kennengelernt, sind gute Freunde geworden und in Kontakt geblieben. Ich kann mich erinnern, dass er mir damals mal gesagt hat, dass er für einen BBLKlub, die Artland Dragons, arbeiten würde. Und ich hatte ihm erzählt, dass ich als Athletiktrainer und Assistant Coach bei einem Klub in der dritten spanischen Liga arbeiten würde. Dann vergingen

die Jahre, und eines Sommers meldete sich Alexander und erzählte mir, dass die Dragons auf der Suche nach einem Athletiktrainer seien. Er wollte wissen, ob das eine Option für mich sein könnte. Warum nicht? Ich habe keine Angst davor, mich einer neuen Herausforderung zu stellen, in der Komfortzone mag ich es nicht. Mit Stefan Koch führte ich einige Gespräche am Telefon, nach dem dritten Telefonat machte er mir schließlich das Angebot, als Athletiktrainer bei den Artland Dragons zu arbeiten. Sie haben als Athletiktrainer begonnen und demnach viel Erfahrung in diesem Bereich. Wie beeinflusst Sie das bei Ihrer Arbeit als Headcoach? Es hilft mir, das Spiel aus einer anderen Perspektive zu sehen. Auch durch das Studium der Sportwissenschaft, was beispielsweise die Psychologie des Spiels betrifft. Jetzt als Headcoach in Vechta freut es mich, einen so guten Athletiktrainer wie Frederik Kramp zu haben. Wenn wir uns austauschen, ist es einfacher, weil wir die gleiche Grundlage haben. Ich besitze eine ganzheitliche Idee des kompletten Trainingsprozesses.

Berlins Sportdirektor Himar Ojeda hat in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ aufgeführt, mit welchen Dingen die Berliner arbeiten – unter anderem tragen die Spieler im Training Chips, was der Verletzungsprävention dienen soll. Würden Sie auch gerne mit solchen Dingen arbeiten, gerade vor dem Hintergrund Ihrer früheren Ausbildung als Athletiktrainer? Absolut. Ich versuche immer, jede Organisation, für die ich arbeite, in jedem Bereich zu verbessern. Auch im athletischen Bereich – was nicht an der Arbeit von Frederik Kramp liegt, aber wir können uns mit Blick auf unser Budget eben nicht alles leisten, da muss man Prioritäten setzen. Informationen zur Kondition und zum Stoffwechselzustand unserer Spieler wären sicherlich interessant. Nicht um zu sehen, wo die

Spieler stehen, sondern welche Schritte man als Nächstes tun muss. Schaut man in die NBA, gab es vor einiger Zeit eine Analytics-Evolution. Ich habe das Gefühl, dass dies nun mit Blick auf den Körper anstehen könnte … Ja, gut möglich. Informationen sind sehr wichtig. Vor 15 oder 20 Jahren haben wir darum gekämpft, Informationen zu erhalten: aus Spielen, Artikeln und Statistiken. Heutzutage ist das kein Problem, überall finden wir Informationen. Die Herausforderung besteht darin, die Schlüsselinformation herauszuziehen – denn zu viel kann dich auch bremsen, du kannst nicht alles entschlüsseln und verstehen. Hierbei gefällt mir ein Zitat von Leonardo da Vinci: „Einfachheit ist die höchste Stufe der Vollendung.“ Wir haben angeschnitten, wie früh Sie in den Trainerbereich eingestiegen sind. War es aufgrund Ihres jungen Alters schwer, Respekt zu bekommen? Man könnte meinen, dass dem so ist. Aber darüber habe ich gar nicht so viel nachgedacht, mir geht es eher um Folgendes: Kümmere dich um deinen Charakter und nicht um deinen Ruf. Dein Charakter bestimmt, wer du bist, und dein Ruf besteht daraus, was Leute von dir denken. Wenn ich mich darum kümmere, was andere Leute oder Coaches von mir denken, um Respekt zu bekommen, dann denke ich zu sehr über meinen Ruf nach. Ich selbst schaue auch nicht auf das Alter, wenn es um Spieler geht. Ich schaue auch nicht auf deren Nationalität. Ich sehe einen Spieler und selbstverständlich einen Menschen. Um abschließend auf das anfänglich angesprochene Spiel gegen Berlin zurückzukommen: Mit dem Sieg gelang Ihnen eine der größten Überraschungen der Saison. Nach der Partie wurden Sie von Ihren Spielern in den Huddle genommen und gefeiert. Was sagt das über Ihr Team aus? Dass wir eine Mannschaft sind. Egal was wir machen, wir machen es zusammen. Ich weiß, dass sie für mich kämpfen – und ich habe den Eindruck, dass sie alles für mich geben würden. Und sie wissen, dass ich das Gleiche für sie tun würde. Wenn man diese Mentalität hat, dann wird einem das zurückgezahlt. Es ist wichtig, Taktik zu lehren, das Spiel zu verstehen … aber ein Schlüssel generell im Sport ist die menschliche Beziehung, die man zu Spielern aufbaut. Die Szene nach dem Berlin-Spiel ist ein gutes Beispiel dafür. Meine Spieler wussten zudem, dass das für mich eine besondere Begegnung gewesen war. Ich habe auch kein Problem damit zuzugeben, dass ich meinen Spielern etwas beibringe, indem ich ihnen Videos von Berlin zeige. (lächelt) Das war einfach ein großartiger Abend. redaktion@fivemag.de

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Die

Deutschen

in

der

NBA

Fotos: Brandon Dill/NBAE via Getty Images

In-Dré-ssant Was machen eigentlich die NBA-Deutschen?

Es ist mal wieder Zeit, auf die Deutschen in der besten Basketballliga der Welt zu blicken. Wie läuft es bei Nowitzki, Schröder, Theis und Co.? Text: André Voigt 94


Dirk Nowitzki

Center, 40 Jahre Stats: 5,3 PPG, 2,0 RPG, 0,4 APG, 34,8 FG%, 30,0 3P%, 12,2 MPG Das Ende ist nah, das zeigt sich bei Dirk Nowitzki nicht zuletzt auch auf dem Feld. Die lange Rehaphase beeinträchtigt nach wie vor diese Spielzeit des Würzburgers, weil er eben kein Training Camp absolvieren konnte. Die ersten 26 Partien der Saison verpasste er komplett, danach lief er nur im ersten von zwei an aufeinanderfolgenden Tagen ausgetragenen Spielen auf. Die lange Pause hatte zur Folge, dass sich sein Alter noch stärker zeigte, als es das wohl unter normalen Umständen getan hätte. Egal, Nowitzki kann an guten Tagen noch immer offensiv für Momente sorgen. Defensiv aber fiel seine Produktivität ins Bodenlose. Zu Redaktionsschluss packte Coach Rick Carlisle seinen Altstar dennoch in die Erste Fünf, was dieser ihm in den ersten beiden Partien direkt mit 15 und zwölf Zählern dankte.

Maximilian Kleber

Power Forward, 26 Jahre Stats: 6,5 PPG, 4,0 RPG, 1,2 BPG, 44,9 FG%, 33,3 3P%, 19,7 MPG Kleber startete extrem gut in die Saison. Der Dreier fiel, seine Verteidigung lieferte Highlights. Dann jedoch schien der Korb wie vernagelt (24,2 Prozent Dreierquote von November bis Januar), und wie schon 2017/18 schienen ihn vor allem teampolitische Gründe auf die Bank zu verbannen. Wie schon im Vorjahr startete Kleber mehrere Partien, nur um in anderen kaum eingesetzt zu werden. Die Mavs wissen dennoch, was sie an ihrem anderen Würzburger haben. Defensiv extrem vielseitig, athletisch und mit einem 2019 wieder fallenden Dreier (40,6 3P% im neuen Jahr) dürfte der werdende Restricted Free Agent (die Mavs können mit jedem Angebot für ihn gleichziehen) in den Zukunftsplanungen von Manager Donnie Nelson eine große Rolle spielen. Neben Kristaps Porzingis wäre er eine sehr passende Besetzung.

Daniel Theis

Center, 26 Jahre Stats: 6,7 PPG, 3,9 RPG, 0,7 BPG, 58,1 FG%, 45,1 3P%, 15,1 MPG Daniel Theis ist nicht umsonst Publikumsliebling im TD Garden. Der Salzgitteraner steht in fünf der 19 Lineups, die in dieser Saison zusammen mehr als 30 Minuten für die Celtics absolviert haben. Jede dieser Aufstellungen mit ihm legt ein positives zweistelliges NetRating auf.

Ähnlich wie Kleber liefert auch er Athletik, gepaart mit sehr guten defensiven Instinkten und einem Dreier. Nur dass der von Theis unglaublich sicher fällt, mit 45,1 Prozent Trefferquote bei 1,1 Versuchen pro Partie. Auch er dürfte als Restricted Free Agent von Manager Danny Ainge eingeplant werden. Obwohl niemand weiß, was im Sommer in Boston in Sachen Anthony Davis passiert …

Dennis Schröder

Point Guard, 25 Jahre Stats: 15,6 PPG, 3,3 RPG, 4,1 APG, 42,1 FG%, 35,0 3P%, 28,3 MPG Dennis Schröder ist in Oklahoma City dabei, seinen Ruf in der NBA zu rehabilitieren. Der hatte zuletzt in Atlanta gelitten, da Schröder defensiv nicht funktionierte. In der Verteidigung gehört der Braunschweiger zwar noch immer nicht zum Durchschnitt auf seiner Position, aber er wird besser. Schröder funktioniert bei den Thunder in einem Spitzenteam, obwohl er seine Rolle erst finden musste und das wohl immer noch tut. Am positivsten scheint indes die Entwicklung an der Dreierlinie zu sein. 40,7 Prozent Trefferquote seit dem Jahreswechsel deuten auf eine sehr erfreuliche Entwicklung hin. Allerdings muss klar festgehalten werden, dass Dennis Schröder bei den Oklahoma City Thunder noch kein fertiges Produkt ist. Die Transformation vom Starter zum Sechsten Mann dauert an.

Isaiah Hartenstein

Center, 20 Jahre Stats: 19,3 PPG, 15,1 RPG, 2,2 APG, 2,2 BPG, 60,8 FG%, 25,5 3P% (G-League) Hartenstein liefert ab! Nur eben nicht in der NBA, sondern in der G-League. Dass diese hierzulande noch immer oft als minderwertige Zirkusliga angesehen wird, ist ein mittelschwerer Skandal und ein schwerwiegender Irrglaube. In der Entwicklungsliga gibt es für den Quakenbrücker bei den Rio Grande Valley Vipers so gut wie nichts mehr zu beweisen. Er führt die G-League bei den Rebounds an, rangiert in den Kategorien Blocks pro Spiel, Feldwurfquote, True Shooting und effektive Feldwurfquote jeweils unter den Top Ten. Nur fünf andere Akteure liefern ein besseres Player Efficiency Rating. Kurz gesagt: Isaiah Hartenstein ist ein Star in der G-League. Dass es bei den Houston Rockets noch nicht für den Durchbruch gereicht hat, hat viel mit der Tatsache zu tun, dass das Team von Coach Mike D’Antoni keine Verwendung für einen Youngster hat, der natürlich immer

wieder Fehler macht. James Harden und Co. wollen Meister werden. Auf Center ist durch die Nachverpflichtung von Kenneth Faried schlicht keine Planstelle frei. Doch Hartenstein hat wohl auch die Macher in Houston mit seiner Arbeit bei den Valley Vipers überzeugt. 2019/20 dürfte er eine klar definierte Rolle in der Rotation der Raketen innehaben.

Moritz Wagner

Center, 21 Jahre Stats: 3,3 PPG, 1,5 RPG, 0,4 APG, 43,1 FG%, 37,5 3P%, 6,7 MPG Moritz Wagners Rookie-Saison bleibt eine turbulente. Erst war da der individuelle Rückschlag mit der Knieprellung in der Summer League, die ihn das gesamte Trainingslager kostete. Der Berliner konnte sich in der trainingsintensivsten Zeit des Jahres verletzungsbedingt nicht zeigen, sich kein Vertrauen der Coaches erarbeiten, nicht die so wichtige Erfahrung sammeln. Während der Saison dann wurde vor allem auf seiner Position nachverpflichtet. Tyson Chandler kam aus Phoenix, um auf Center defensiv zu stabilisieren. Danach – mitten im Chaos um den vermeintlichen Anthony-Davis-Trade – wurden drei seiner besten Freunde im Team fortgeschickt. Unter anderem für einen Center mit Wurf in Mike Muscala … zuvor hatte nur Wagner diese Planstelle besetzt. Verloren ist die Saison dennoch keineswegs. Der Ex-Michigan-Wolverine zeigte im Angriff vielversprechende Ansätze, ließ sich nie unterkriegen und behielt seine zuversichtliche Art, die ihn auch in jungen Jahren zur positiven Kabinenpräsenz werden lässt.

Isaac Bonga

Guard, 19 Jahre Stats: 12,1 PPG, 6,2 RPG, 2,7 APG, 1,1 BPG, 43,4 FG%, 36,3 3P% (G-League) Bonga lieferte wie Hartenstein vor allem in der G-League ab und zeigte dort, warum die Lakers ihn gedraftet haben. Als langer, ballfertiger Swingman zeigte er immer wieder Ansätze, die Lust auf mehr machen. Dabei überraschte der erst 19-Jährige vor allem mit seinem Dreier, der auf Anhieb durchschnittlich gut das Ziel fand. Zuletzt in Frankfurt hatte er den FIBA-Dreier wettbewerbsübergreifend nur mit 30,2 Prozent getroffen. Natürlich muss sich der Teenager noch körperlich entwickeln, das von ihm gezeigte Lerntempo überrascht aber. Die Lakers dürften noch viel Freude an ihrem Talent haben, das erst 2021 Restricted Free Agent wird. dre@fivemag.de

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ivan beslic

ivan F beslic NBA, não obrigado!

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reunde, heute erzähle ich euch die Geschichte des besten Ballers der Welt, der nie in der NBA gespielt hat: Oscar Schmidt. Ein 2,05 Meter großer Shooting Guard aus Brasilien, der seinen DDRHausmeisternamen seinem deutschen Großvater zu verdanken hat. Im fußballverrücktesten Land während der Prime eines Pelé aufzuwachsen, führt irgendwann jedes Kind zum Tretsport. Doch da Schmidt größer war als andere Gleichaltrige, wurde ihm zum Basketball geraten. Wie viel ein guter Rat wert sein kann, sehen wir an dieser Geschichte. Schmidt, der erst mit 13 Jahren mit dem Bball anfing, hatte Talent. Seine große Stärke war sein Wurf, es wird gemunkelt, dass er jeden Tag über 1.000 Schüsse nahm. Den Grundstein für seine legendäre Profikarriere legte er bereits 1974 im Alter von 16 Jahren bei Palmeiras. Es war der Anfang einer langen Reise, die erst 2003 mit seinem Rücktritt enden sollte. Ja, ihr habt richtig gelesen! Eine Ära vom SchwarzWeißFernsehen bis zum iPod. Damit ihr versteht, mit was für einer Art Basketballer ihr es zu tun habt, droppe ich einfach mal ein paar Facts, die unrealistischer nicht sein könnten: In seiner 29-jährigen (!) Profikarriere spielte er in den Topligen von Brasilien, Italien und Spanien und war 16 Mal Topscorer. Schmidt wollte eigentlich im Jahr 2002 in Rente gehen, aber weil er in seinem letzten Spiel ausfoulte und so nicht abtreten wollte, hängte er mit 45 noch eine Saison dran und führte sogar in diesem Alter die erste brasilianische Liga im Scoring an. #retirelikeaboss Warum einige von euch noch nie von Oscar Schmidt gehört haben ist, liegt wohl daran, dass er niemals in der NBA spielte. Aber Moment – da war doch noch was ... Er war tatsächlich Teil der besten Draft ever und wurde neben Jordan, Barkley und Olajuwon 1984 von den New Jersey Nets an 131. Stelle gezogen. An 131. Stelle? WTF? Eine Beleidigung für Schmidt, doch zu dieser Zeit wurden Spieler von ausländischen Ligen nur müde belächelt, wie Bäckersfrauen beim Brötch enkauf. Die Nets boten ihm direkt einen Vertrag an, doch da er als NBA-Spieler nicht mehr für Brasilien hätte auflaufen dürfen

(damals galten halt andere Regeln), verließ er das Land via Oneway-Ticket, ohne in den Rückspiegel zu gucken. #adeusamigos Für Brasilien zu spielen, war das Größte für Schmidt, Loyalität stand vor dem großen Geld. Er lief insgesamt bei fünf Olympischen Spielen auf, wobei er dreimal bester Scorer war. Dabei sticht seine Performance bei den Spielen von 1988 in Seoul besonders heraus, wo er dezente 41,9 Punkte pro Partie ablieferte. Doch sein Meisterstück gelang ihm 1987, als Team USA und Brasilien im Finale der Pan American Games aufeinandertrafen. Die USA hatten die letzten 34 Heimspiele gewonnen und galten mit David Robinson und Danny Manning als klarer Favorit. Bereits zur Halbzeit lagen die Südamerikaner mit 54:68 zurück, und Schmidt wurde mit elf Punkten in Schach gehalten. Doch er hatte noch eine Rechnung mit Zinsen offen und kam im „NBA Jam“-Modus „on fire“ zurück. Nach der Pause ballerte er aus allen Ecken des Feldes auf den Korb, machte 35 Punkte inklusive sieben Dreiern und lag zum Schlusspfiff mit 46 erzielten Punkten weinend auf dem Boden, denn „Brazil“ hatte den Favoriten mit 120:115 besiegt. 131. PICK IN YOUR FACE! Die Legende war geboren. Fortan nannte man ihn nur noch „Mão Santa“ – die heilige Hand. Unvergessen ist auch das CupWinners-Cup-Finale von 1989, wo Real Madrid mit Drazen Petrovic und Schmidts Snaidero Caserta aufeinandertrafen, ein Game der Superlative zweier Jahrhundertsportler. Petrovic gewann den Overtime-Krimi mit 62 erzielten Punkten, Oscar scorte 44. Unzählige Meisterschaften und Auszeichnungen heimste er ein, vier Teams haben seine Trikotnummer retired. 2010 folgte der Eintritt in die FIBA Hall of Fame und 2013, begleitet von seinem Idol Larry Bird, die Aufnahme in die Naismith Hall of Fame. Seine unglaubliche Legacy lässt sich ziemlich gut mit einer Zahl definieren: 49.737. Diese Zahl steht für die Punkte, die er als Profi in den FIBA-Ligen erzielt hat. Dagegen steht NBA-Leading-Scorer Kareem Abdul-Jabbar mit seinen mickrigen 38.387 Zählern schon fast lächerlich da! Vergessen wir mal die Tatsache, dass Schmidt keine Defense spielte und eigentlich nichts konnte, außer unglaublich krank zu punkten. Jeder wusste, was er tun würde, und trotzdem war er nicht zu stoppen, wie Rambo mit Maschinenpistole. Ihm wurde nachgesagt, egoistisch zu sein, aber knapp 50.000 Punkte erreicht man halt nicht durch Zurückhaltung. Auf die Frage eines Journalisten bezüglich seiner Mitspieler, die eigentlich nur auf dem Court standen, um ihm Blöcke zu stellen, antwortete er mal: „Some people, they move the piano, some people, they play the piano.“ Harte Worte, aber wie uns Rasheed einst lehrte: Ball don’t lie!

Peace, Ivan


THE TIMELESS CLASSIC

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