ÖGFLA Sondermagazin Mai 2011

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PARAGUAY

Vergängliches Paradies der deutschen Aussiedler Paraguay – das unbekannte Südamerika. Größer als Deutschland und die BeneluxLänder zusammen, aber mit nur 6,4 Millionen Einwohnern, tritt das Binnenland bis dato nur als Teilnehmer bei Fußball-Weltmeisterschaften nennenswert in Erscheinung. Selbst politisch ist es ruhig geworden im einst von Diktator Alfredo Strössner jahrzehntelang beherrschten Land. Die demokratisch gewählten Parteien sind akzeptiert und lassen eine erneute Militärdiktatur undenkbar erscheinen. Was es gibt, sind Korruption und Kriminalität. Aber damit reiht sich Paraguay wieder unauffällig in die lateinamerikanischen Länder ein. Alfred Dohr begleitete eine vom Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf angeführte Delegationsreise nach Paraguay. Dabei bekam er nicht nur die Naturschönheiten des Landes zu Gesicht, sondern auch tiefe Einblicke in die politische und wirtschaftliche Verfasstheit des Landes.

W

as bewegt also so viele Österreicher, in ein Land auszuwandern, wo korrupte Behörden und Politiker wirken und wo man stets in Gefahr ist, überfallen zu werden? Sicher, das subtropische Klima entschädigt für vieles, auch das freie Leben ohne all zu starre Reglementierungen, die für europäische Verhältnisse niedrigen Preise und eine Einkommenssteuer von nur zehn Prozent. Wie viele Österreicher und überhaupt deutschstämmige Menschen in Paraguay leben, kann nicht mit Sicherheit eruiert werden. Es sind aber eine Menge, einige Hunderttausend, die aus unterschiedlichen Gründen in Paraguay landeten. Ein Großteil kam in den 30er Jahren, als Wirtschaftsflüchtling, Zigtausende zogen zuerst nach Brasilien und erst später nach Paraguay, als Strössner das Land führte. Heu-

te sind es immerhin so viele, dass Deutsch die drittstärkste Sprache nach Spanisch und Gurani ist. Die meisten Auswanderer sind Viehzüchter. Wie die Mennoniten im heißen Chaco. „Die Österreicher arbeiten, um zu leben, die Deutschen leben, um zu arbeiten und die Paraguayaner wollen leben, ohne zu arbeiten“, sagt General Lino Oviedo, Chef der Oppositionspartei UNACE. Tatsächlich sind es die deutschsprachigen Gruppen, die das Land nach vorne bringen möchten. Allerdings finden sie sich dabei in guter Gesellschaft mit praktisch allen Parteiführern des Landes, die zumindest in Wahlreden nicht müde werden zu versprechen, gegen Korruption und Kriminalität streng vorgehen zu wollen. Die Frage ist nur, ob Paraguay für Zuwanderer weiterhin

so attraktiv bleibt, wenn sich der Staat an europäische Verhältnisse anpasst. Ohne Steuerbelastung für die Bevölkerung, ohne bessere Kontrollsysteme wird das nicht gehen. Die Bevölkerung befindet sich in einem Zwiespalt, insbesondere die deutsche. Entwickelt sich das Land ähnlich wie etwa Brasilien, ist es womöglich aus mit dem Steuerparadies und gewissen Vorteilen, die man heute genießen kann. Der immense Nachholbedarf in Paraguay ist aber gleichzeitig eine große Chance für Zuwanderer und Investoren. In der Infrastruktur fehlt es an allem, es werden Straßen, Bahnverbindungen, ausgebaute Wasserwege benötigt, um mit dem Rekordwachstum von 14,5 Prozent Schritt halten zu können. (Fortsetzung auf Seite 7) 5


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